MEDIENSPIEGEL 10.12.10
(Online-Archiv:
http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)
Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Kulturtipps (DS, Tojo, Frauenraum, Infoladen
- Zaffaraya: Stadtrat gegen Hofer-Vorstoss
- Subventionsverträge: 112 Millionen für Kultur
- RaBe-Info 7-10.12.10
- Hot Squat: La-Biu-Kalender
- Squat FR: Kurzbesetzung bei Fribourg
- Squat VD: Diskussionen
- Squat GE: Besetzungsversuch
- Squat ZH: Businesswohnungen im Atlantis
- Autonome Schule ZH: Polizeischikanen
- 30 Jahre AJZ ZH: Benzin-Selbstmord
- Big Brother: Fiche Anni Lanz; Suppeznacht; VD
- Big Brother Sport: Hooligan-Konkordat; NE & BE
- Zensur: Mit dem Rammbock in den Infoladen
- Ausschaffungen: Sonderflugbegleitung; AHV/IV-Attacke
- Anti-SVP: Strassenparty Lausanne
- Anti-Demo: Demonstrationen demokratieüberflüssig
- Antifa GE: Rechtsextreme Demo verhindert
- Knast: Hungerstreik; Anarchistische Gefangene
- Police TG: Nulltoleranz bei Bahnhof Frauenfeld
- Sicherheitsfirmen: Regeln in BL
- Drogen: Anwerbungen; Botenstoffe; Snow Control; Portugal
- Autonomie und ihre Grenzen: Kopenhagen, Gängeviertel + Rote Flora
- Migration Control: Frontex versenken; Pornopenistests für
Asylbewerber; EU-Südostgrenze
- Anti-Atom: Mühleberg; AKW-Ausschreibungen; Gutachten-Einsicht;
Tiefenlager; Anti-Kampagne; Alpiq-Majak; Millardenrausch
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REITSCHULE
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Fr 10.12.10
17.00 Uhr - Dachstock - ARTSOUK 2010 - Art Exhibition
19.00 Uhr - Tojo - Bus-Abfahrt "Ikea-Ville - What
happened before you
came". Von Schauplatz International.
20.00 Uhr - Dachstock - ARTSOUK 2010 - Auction
20.30 Uhr - Tojo - "Samichlaus" - Das Musical. Von/mit
Pascal Nater
& Michael Glatthard.
20.30 Uhr - Kino - Zigeuner. Stanislaw Mucha, D 2007,
DVD, 92 Min., Ov/d
23.00 Uhr - Dachstock - ARTSOUK 2010 - Concert Surprise,
danach DJ
Wicked Wiggler (LU)
Sa 11.12.10
14.00 Uhr - Frauenraum - 14-16 Frauentauschkleider
Börse AMIE
(women only)
19.30 Uhr - Infoladen - Veranstaltung "Streiks in China"
- Zum Buch
"Aufbruch der zweiten Generation - Wanderarbeit, Gender und
Klassenzusammensetzung in China" (faubern.ch)
20.30 Uhr - Tojo - "Samichlaus" - Das Musical. Von/mit
Pascal Nater
& Michael Glatthard.
20.30 Uhr - Kino - Me, My Gypsi Family and Woody Allen
(Io, La Mia
Famiglia Rom e Woody Allen). Laura Halilovic, Italien 2009, DVD, 50
Min., OV/e
23.00 Uhr - Dachstock - Dachstock Darkside: ED RUSH
& MC RYMETME
(Virus/UK), AXIOM (Renegade Hardware /CH) - Residents & Support:
Deejaymf (cryo.ch), VCA (biotic/CH), Markee (Konfront/CH) - Drumnbass
So 12.12.10
19.00 Uhr - Tojo - "Samichlaus" - Das Musical. Von/mit
Pascal Nater
& Michael Glatthard.
Infos:
http://www.reitschule.ch
http://www.reitschulebietetmehr.ch
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kulturstattbern.derbund.ch 10.12.10
Von Gisela Feuz am Freitag, den 10. Dezember 2010, um 06:07 Uhr
Artsouk zum Fünften
Gestern wurde nicht wild gerockt im Dachstock der Reitschule, sondern
für einmal kamen die Kenner und Liebhaber der alternativen
bildenden Kunst in den altehrwürdigen Dachgebälken auf ihre
Kosten. Im Rahmen der 5. Artsouk stellten dort nämlich diverse
Künstler und Künstlerinnen ihre Werke aus, wobei es von
Plakaten über überdimensionale Bilder, Kitsch-Schreine,
Orangenpapier-Lampen und besiebdruckten Unterhosen alles zu kaufen gab,
was das Herz begehrt.
Aus der ganzen Schweiz waren sie angereist, die Damen und Herren
Künstler, aber auch die Berner Fraktion war gut vertreten unter
den Artsouk-Ausstellern, so waren z.B. die Herren Blackyard, der
Unterhosenkönig Robert Butler, die eine Hell und
Schnell-Hälfte Luciano Andreani oder die beiden
unverwüstlichen Damen Jackie Brutsche und Pedä Siegrist vor
Ort.
http://newsnetz-blog.ch/kulturstattbern/files/2010/12/artsouk2.jpg
Die Auktion der eingereichten Kunstgegenstände hätte nach dem
Geschmack der Schreiberin ein bisschen mehr an Tempo vertragen. Zum
Glück war da aber die tollkühne Versteigerungs-Assistentin
Sandy, welche die Gegenstände präsentierte und sich nicht
scheute, sich dabei komplett zum Affen zu machen (was als Kompliment
gemeint ist!). So war das Prozedere, unter den wachsamen Augen von
Serge Nyffelers Astronautenkuh, dann doch einigermassen kurzweilig und
unterhaltsam und zudem brach der Verkauf von Silke Thoss' "Forever
Yours" mit sagenhaften 1′600.- alle bisherigen Artsouk-Rekorde.
Die Artsouk-Ausstellung und Auktion findet noch heute Abend im
Dachstock der Reitschule statt, mit von der Partie sind insgesamt 38
Künstler und Künstlerinnen. Im Anschluss an den Bazar und die
Auktion stehen Überraschungskonzert und Disko mit DJ Wicked
Wiggler auf dem Programm.
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BZ 10.12.10
Grosse und kleine Kunst unter dem Hammer
ReitschuleIm Dachstock findet der "Artsouk 5" - eine Ausstellung
mit Auktion und Couscous - statt.
Es war einmal eine wilde Zeit in den späten Achtziger- und
frühen Neunzigerjahren, als freche Mädchen sich Sue, Babs
oder Pat nannten. Kat Aellen gehört zu dieser Generation: Sie
spielte lange in einer Band, organisierte etliche Konzerte, hat im
Dachstock als Tontechnikerin gearbeitet und mitgeholfen, die Bar
aufzubauen.
Den sogenannten "Artsouk" in der Reitschule organisiert sie heuer
zum fünften Mal.
Ein Souk war ursprünglich ein kommerzielles Viertel in einer
arabischen Stadt. Bevor der Souk zur meist etwas kitschigen
Touristenattraktion verkam, trafen sich dort die Vertreter von
Wirtschaft und Finanz. Klar, dass Kat Aellens Souk ein faires
Verkaufsprinzip vertritt. Die Kunstschaffenden kassieren die vollen
Beträge von ihren verkauften Werken. Sie schenken Aellen aber ein
Werk, das an der abendlichen Auktion versteigert wird. Wenn ein Bild
noch am ersten Auktionstag weggeht, bekommt die Organisatorin den
Erlös, später die Kunstschaffenden.
Auktionator ist der Schauspieler Michael Röhrenbach,
Präsentatorin die Performerin Sandra Künzi. Diese stellt auch
aus - sie hat auf Holz kleine alltägliche Gegenstände gemalt,
zum Beispiel eine Reihe von mehr oder weniger bekannten Büchern.
Neugierig liest man die Buchtitel, fast so, als wäre man bei ihr
zu Hause und würde ihr Büchergestell betrachten, um sich ein
Bild über die Person zu machen.
Kurz vor der Vernissage gestern Abend waren noch längst
nicht alle Werke gehängt. Nicole Wiederkehr montierte bunte
Schreine, in denen sich Bambis beschnuppern, Jackie Brutsche
hämmerte noch zwanzig "Big Moments" an die Wand. Sie hat Freaks in
psychedelischen Farben gemalt, die gerade etwas Abgefahrenes erleben.
Ein Fakir beginnt über sein Dasein zu sinnieren, oder Vincent van
Gogh erlebt gerade den Moment, als sein Ohr zu bluten begann.
Auch auf den kleinformatigen Gemälden des Indonesiers Eddie
Hara geht es wild zu und her. Eine Figur, halb Tintenfisch, halb
Mickymaus, räkelt sich da. Wie es auf einem Basar halt so ist:
Nicht alles, was glänzt, ist grosse Kunst - dafür kann man
hier Tischfussball spielen, Kinder und Hunde sind willkommen, und statt
nach raffinierten Häppchen gegriffen, wird Couscous geschlemmt.
Helen Lagger
Ausstellung: heute Freitag, 17-23 Uhr, Auktion 20 Uhr, im
Dachstock der Reitschule.
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Bund 9.12.10
Kunst Artsouk in der Reitschule
Alles, nur nicht bünzlig
Alles auf einen Haufen werfen - das ist die Idee hinter dem
Artsouk, jenem niederschwelligen Kunstbasar in der Reitschule, der nun
bereits zum 5. Mal stattfindet. Dabei ist der Artsouk in der
Zwischenzeit nicht grösser geworden, wie das wiederkehrende
Veranstaltungen so an sich haben, im Gegenteil: Er ist geschrumpft.
"Beim ersten Mal hatten wir 76 Künstlerinnen und Künstler",
sagt Kat Aellen, seit 15 Jahren Reitschülerin und Mutter des
Artsouk. "Das war organisatorisch allerdings sehr happig. Und da wir
von jedem Künstler an der Auktion zugunsten des Artsouk ein Werk
versteigern, zog diese Menge das Prozedere extrem in die Länge."
Heuer halten am Artsouk gut 40 Künstlerinnen und
Künstler ihre Ware feil, in der Absicht, dass diese vielleicht
unter einem Weihnachtsbaum landet - denn erschwinglich sollen die
Stücke sein, egal, ob der Produzent mittlerweile zu den
renommierten Künstlern gehört oder nicht. "Deshalb hassen uns
die Galeristen", sagt Aellen, "da wir den üblichen Kunstbetrieb
ein Stück weit unterwandern." Aber ums Übliche geht es beim
Artsouk sowieso nicht. "Ich mag es, Unterschiedlichstes nebeneinander
zu stellen. So sind immer wieder Musiker dabei, die auch Kunst machen,
aber nicht als Künstler wahrgenommen werden."
Ein Handwerkermärit soll das Ganze aber nicht sein, so
Aellen, denn alles, was zu bünzlig ist, hat bei ihr keine Chance:
"Da muss eine gewisse Würze in den Objekten sein." So sind es vor
allem befreundete Künstlerinnen und Künstler, die am Artsouk
teilnehmen. Das bedeutet nicht, dass es eine reine Berner Angelegenheit
wäre: Am diesjährigen Artsouk gibt es Kunst aus Peru,
Indonesien, Amerika oder Afrika.
Abschluss jedes Artsouk-Abends ist jeweils die Auktion. Ein etwas
heikler Moment, denn keiner der Künstler hat eine Garantie
dafür, dass sein Werk verkauft wird. Und auch die Organisatoren
hoffen, dass es beim Bieten nicht plötzlich unangenehm still wird.
Kat Aellen hat sich kürzlich extra zwei verschiedene Auktionen
angeschaut, um sich inspirieren zu lassen: eine Kuh-Versteigerung
einerseits, eine in einem renommierten Auktionshaus andererseits. "Die
Kuh-Gant hatte einen Rhythmus, da war Atmosphäre. Bei der anderen
Auktion ging es sehr ruhig zu und her. Damit es am Artsouk anders ist,
hoffen wir, dass genügend Leute kommen".(reg)
Reitschule DachstockDonnerstag, 9. Dez., und Freitag, 10. Dez.,
ab 17 Uhr. Auktion jeweils ab 20 Uhr
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BZ 9.12.10
Mitbieten an der Artsouk
Dachstock der Reitschule. Ein genreübergreifender Kunstanlass mit
enorm geringem White-Cube-Faktor, sehr hoher Niederschwelligkeit und
grossem Künstler-Zum-Anfassen-Potential. Artsouk ist eine
zweitägige Gruppenausstellung mit Auktion, Performance,
Videoübertragung, Livepainting, kulinarischer Verpflegung, einem
Konzert und DJ. Mit dabei sind über 40 Kunstschaffende aus
Indonesien, Afrika, Italien, Frankreich, Deutschland, Amerika und
natürlich der Schweiz. pd
Heute und morgen, ab 17 Uhr (Ausstellung), ab 20 Uhr (Auktion),
Dachstock der Reitschule, Neubrückstrasse 8, Bern.
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kulturstattbern.derbund.ch 9.12.10
Kunst unterm Hammer
Artsouk geht in die fünfte Runde. Im Dachstock stellen 40
Künstler während zweier Tage ihre Werke aus. Und das Beste
daran: Alle zu erschwinglichen Preisen.
Artsouk ist eine Ausstellung, bei der man nicht Gefahr läuft,
durch zu lautes Flüstern aufzufallen. Wenn auch nicht gerade
arabischer Markt (Souk), so ist die zweitägige Veranstaltung doch
Kunstbasar und theatrale Auktion mit breitem Rahmenprogramm. "Ich will
Kreativität herauskitzeln", sagt Kuratorin Kat Aellen zum Ziel des
Anlasses, für den extra Werke geschaffen werden.
Aellen hat 40 Künstler im Dachstock zusammengebracht: renommierte
und noch unbekannte. Alle stellen Objekte aus, die für 30 bis 300
Franken zu erwerben sind: von Gemälden über Lampen und
bedruckte Bikinis bis zur umfunktionierten Tic-Tac-Schachtel.
An beiden Abenden findet eine Auktion statt, während der die Werke
unter den Hammer von Michael Röhrenbach und Sandra Künzi
kommen. Sie haben sich auf ihre Rolle als Auktionatoren vorbereitet.
"Wir waren sogar an einer Viehauktion, um zu sehen, wie das
abläuft ", erzählt Aellen. Also, Ikea-Poster getrost schon
einmal abhängen, hingehen und mitsteigern!
Regine Gerber
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\ \ \ \ \ \ \ \
Dachstock in der Reitschule, Bern
Do., 9.12., und Fr., 10.12., ab 17 Uhr
http://www.dachstock.ch
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kulturstattbern.derbund.ch 9.12.10
Der "Samichlaus" kommt ins Tojo Theater
Mit "Die Dällebach-Macher" bewiesen Pascal Nater, Michael
Glatthard und Olivier Bachmann, dass sie es faustdick hinter den Ohren
haben. Für das neue Musical machten sie sich auf die Spuren des
"Samichlaus" und führten Interviews mit Experten. Auf der
Bühne wird auch die musikalische Seite des Manns im roten
Kostüm beleuchtet.
Tojo Theater, Bern. Mi., 8.12., bis Sa., 11.12., 20.30 Uhr, und So.,
12.12., 19 Uhr
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kulturstattbern.derbund.ch 9.12.10
3 Kulturtipps von Aline Trede
Die junge Grüne Aline Trede singt in der Stadtratsband
Fraktionszwang. Konzerte am Tram Bern Fest: So., 12.12., Sternen,
Bümpliz, 13.30, und Westside, Brünnen, 17.15 Uhr.
ZVG
"Stol" vom Teatr Pokoleniy im Schlachthaus (Mi., 8.12., Fr., 10.12.,
Sa., 11.12.,20.30 Uhr)
Die schönen Bilder der russischen Theatergruppe versprechen einen
exotischen Theaterabend.
Kerzenziehen im Monbijoupark (Do., 9.12., Fr., 10.12., Sa., 11.12.,
Di., 14.12., und Mi., 15.12. 13.30 bis 17 Uhr)
Als Präsidentin des Dachverbands für offene Arbeit mit
Kindern in der Stadt Bern gehe ich gerne an Veranstaltungen der
Mitgliedervereine. Die Mitarbeiterinnen leisten extrem gute Arbeit.
"Samichlaus" - das Musical im Tojo (Mi., 8.12 bis Sa., 11.12., 20.30
und So., 12.12., 19 Uhr)
Mir hat schon "Die Dällebach-Macher" gefallen. Deshalb bin ich
gespannt auf die neue Produktion von Pascal Nater und Michael Glatthard.
Meinen Bruder, der nicht auf Musicals steht, würde ich
überreden hinzugehen …
… mit dem Argument, dass dieses Musical sicher lustig wird.
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WoZ 9.12.10
"Ikeaville"
Mustergültig am Fenster stehen
Wohn ich noch oder leb ich schon?: Gedanken über das
"bessere Leben" anlässlich einer Audioführung des
Theaterkollektivs Schauplatz International durch die Ikea-Filiale in
Lyssach.
Von Adrian Riklin (Text) und Ursula Häne (Foto)
Es ist Freitagabend in der Ikea-Filiale Lyssach, und ich sitze
leicht benommen auf dem weissen Sofa in der Singlemusterwohnung.
Der 84-jährige Ikea-Gründer Ingvar Kamprad, der
reichste in der Schweiz wohnhafte Mensch, wäre wohl ziemlich
schockiert, wenn er mich in meiner tatsächlichen Wohnung besuchen
würde. Es ist nämlich so, dass ich immer noch in den
siebziger Jahren wohne. Alle meine Möbel sind mindestens dreissig
Jahre alt. Die Zeitsprünge, die ich vollbringe, wenn ich die
Türschwelle meiner tatsächlichen Wohnung überschreite,
sind enorm.
Wenn nun also Ikea die Welt ist, bin ich einer dieser
Zaungäste aus dem letzten Jahrhundert, die höchstens
studienhalber darin Platz nehmen. Aber war nicht dieses Jahrzehnt, aus
dem sich meine Möbel ins 21. Jahrhundert hinübergerettet
haben, auch jenes Jahrzehnt, in dem Ikea ein neues Gebot ausrief, das
die Welt verändern sollte? "Benutze es und wirf es weg!" Es war
die ultimative Gebrauchs anleitung für einen zeitgemässeren
Umgang mit dem täglichen Mobiliar. Schlachtruf für den
mobilen Menschen, der auszieht, die Vergangenheit hinter sich zu lassen.
Die Esoterik von Ikea
Es riecht nach Duftkerzen. Und die Frage, sie lautet: "Wohnst du
noch oder lebst du schon?" Besser leben: So also fühlt es sich an
auf diesem Sofa. Der tiefere Sinn von Ikea, ja, er liegt ganz eindeutig
in dieser zeit genössischen Geschichtspolitik. Im Zeitalter der
Mobilität geht es darum, möglichst keine Spuren zu
hinterlassen (und Staub schon gar nicht aufkommen zu lassen). Ein
flexibler Mensch zeichnet sich dadurch aus, dass er Wohnort, Beruf und
Weltanschauung jederzeit und ohne grösseres Aufheben wechseln
kann. Dazu braucht es Wegwerfmöbel.
Wirf weg - und du wirst neugeboren! Das ist die Esoterik von
Ikea. Lass los - und alles wird gut. Und hell. Und leicht. Und ich
ertappe mich beim Gedanken, es vielleicht doch noch einmal zu wagen,
versuchsweise nur: ein zeitgenössischer Mensch zu werden, mit
zeitgenössischen Möbeln und ebensolchen Beziehungen und
Gedanken und Gefühlen. Aber für diese Art von
Reibungslosigkeit ist es wohl zu spät. Zeitgenossenschaft, das ist
in diesem Zeitalter ja nichts anderes als eine poetische Umschreibung
für Kompatibilität.
Ein Hauch von Demokratie
Nun geht ein junges Paar an meiner provisorischen Singlewohnung
vorüber, als träte es aus dem Schatten einer Gegenwart in den
Lichtkegel einer Zukunft. Ein paar Zimmer weiter, in einem
Musterbubenzimmer, hockt ein kleiner Junge vor einer Playstation. Die
Art, wie er spielt und mit den Armen fuchtelt, ist vorbildlich. Als ob
aus der Mustergültigkeit der Einrichtung ein ebenso
mustergültiges Verhalten resultieren würde. Ob ich da nicht
ein wenig übertreibe mit meinem Kulturpessimismus? Und doch: Es
ist das Prototypische, das mich abstösst: das Prototypische einer
räumlichen Inszenierung, in der zwangsläufig immer auch ein
prototypisches Verhalten zutage tritt.
So stehe ich mustergültig am Fenster und schaue komfortabel
in die Welt, um dann vorbildlich die Vorhänge zu ziehen, mich
wohlstandshalber auf das Mustersofa zu setzen und standesgemäss
auf den Bildschirm zu schauen, wo mir eine Nachrichtensprecherin mit
einem mustergültigen Lächeln auf den Lippen die neusten
Schreckensnachrichten aus dieser grossen Welt mitteilt, vor der ich die
Vorhänge gezogen habe.
Aber wo liegt denn das Problem? Ist das alles nicht doch auch
irgendwie demokratisch: Gleiche Möbel für alle? Gute,
schöne, güns tige Möbel? Oder handelt es sich eben doch
vielmehr um eine Form von kapitalistisch verwertetem Konsumsozialismus?
Ikea ist ja auch das: ein multinationaler Einrichtungskonzern mit
weltweit 130 000 Mitarbeiter Innen, der sich soziale Verantwortung und
ökologisches Bewusstsein auf die Fahnen geschrieben hat. Ein
Unternehmen mit einem geschätzten Wert von 36 Milliarden
US-Dollar, dessen Eigentümerin eine als gemeinnützige
Organisation registrierte Stiftung mit Sitz in den Niederlanden ist und
deshalb kaum Steuern zahlt - mit einem steinreichen Patron in der
Schweiz, der in den Genuss von Pauschalbesteuerung kommt.
Leben als Orientierungslauf
Im Mustereinzelzimmer für kleine Buben mit der obligaten
Weltkarte an der Wand sitzt noch immer der Junge und spielt
Playstation, als hätte er irgendeine Pflicht zu erfüllen.
Hausaufgaben. Absolvieren, es ist dieses Wort, das mir in der
Ikea-Filiale in Lyssach immer wieder durch den Kopf geht: das Leben als
Orientierungslauf.
Die Verhältnisse, sie haben sich längst schon gekehrt:
Nicht mehr die Wohnungen sind es, die sich den menschlichen
Bedürfnissen und Eigenarten anpassen, sondern vielmehr die
Menschen, die sich an den räumlichen Voraussetzungen orientieren.
Eigen-Art: Das hört sich inzwischen an, als handle es sich um eine
Kunstrichtung.
In einem weissen Musterzimmer entdecke ich wieder das junge Paar,
ertappe die beiden, wie sie längst darin Platz genommen haben an
diesem Freitagabend in der Ikea-Filiale Lyssach - in einer Zukunft, als
wäre sie schon ein wenig Vergangenheit. Und alles kommt mir
schleierhaft bekannt vor, als handle es sich um eine Szene, die ich
schon mal in einer Illustrierten gesehen habe (als Homestory eignet
sich ja immer nur das Privatleben der anderen). Vielleicht ist es am
Ende das, was dieses Ikea-Gefühl ausmacht: jeder und jedem die
Illusion, ein besseres Leben zu führen. Weicher liegen, klarer
fernsehen, leichter sterben. Und wäre nicht auch das ein wenig
demokratisch?
--
Schauplatz International
"What happened before you came"
In seiner aktuellen Produktion lotst Schauplatz International
(Martin Bieri, Anna-Lisa Ellend, Albert Liebl, Lars Studer) die
ZuschauerInnen in einer Audioguide-Tour durch die Ikea-Filiale Lyssach.
Die Hörgeschichten gehen davon aus, dass "Ikeaville" nachts von
Menschen bewohnt wird, die an einer "besseren Welt" arbeiten.
Die Tour endet mit der Aufnahme eines Interviews mit Colin
Crouch, Autor des Buchs "Postdemokratie". Den Hintergrund liefert die
Tatsache, dass Ikea wegweisend darin ist, soziale Ideen kapitalistisch
zu verwerten. Crouch: "Das grosse Unternehmen wird in der Gesellschaft,
in der wir leben, nach und nach zur zentralen Institution. Immer mehr
private Firmen erfüllen öffentliche Aufgaben, das Wissen
privater Unternehmen wird als das wichtigste Wissen überhaupt
verstanden."
In Bezug auf den Bedeutungsverlust der handwerklich-industriellen
Arbeiterklasse bedeutet das, dass Gruppen, die in den Sektoren der
postindustriellen Wirtschaft arbeiten, kaum mehr eine politische
Identität entwickeln können, weil die
Kohäsionskräfte von Klasse und Religion so schwach geworden
sind: "Die breite Masse, der Kern der Gesellschaft, wird zu einem
passiven Beobachter politischer Prozesse, die einerseits von
Unternehmen und Parteieliten, andererseits von den Vertretern
gesellschaftlicher Extreme kontrolliert werden."
"Ikeaville - What happened before you came" in: Lyssach
Ikea-Filiale. Kollektive Anreise (Bus ab Bern, Tojo-Theater): Fr, 10.
und 17. Dezember, 19 Uhr.
Individuelle Anreise: Do, 9., So, 12., Di, 14., Do, 16., So, 19.
Dezember, 11 bis 19 Uhr (So bis 17 Uhr). Zirka 75 Minuten. Preis:
"Zahl, so viel du willst".
Reservationen unter Angabe der gewünschten Zahl Audioguides:
tickets@schauplatzinternational.net; Tel. 031 991 99 01. Mitbringen
eigener Kopfhörer erwünscht. www.schauplatzinternational.net
Colin Crouch: "Postdemokratie". Aus dem Englischen von Nikolaus
Gramm. Edition Suhrkamp. Berlin 2009. 160 Seiten. Fr. 15.90.
---
WoZ 9.12.10
Offene Bühne
Play Yourself - von Frauen für Frauen
Seit September findet im Frauenraum der Reitschule einmal pro
Monat eine kleine, feine Veranstaltung unter dem Titel "Play Yourself"
statt. Die offene Bühne im ersten Teil des Abends bietet Frauen
Gelegenheit, ihre eigenen musikalischen Ideen zu testen. Im zweiten
Teil dann werden die Instrumente von der Bühne ins Publikum
gezügelt - ausprobieren, experimentieren, zusammen spielen … alles
ist möglich. An den bisherigen drei Abenden soll sich
Ausserordentliches ereignet haben: Eine Frau etwa - sie hat noch nie
ein Instrument gespielt - hat sich ans Schlagzeug gesetzt, sich in
simplen Rhythmen versucht und alsbald mit anderen zusammen gejammt.
Die Veranstaltungen waren bislang gut besucht und zogen Mal
für Mal neue Frauen an. Der Radius hat sich inzwischen nach Luzern
und Zürich erweitert. Was als Experiment begann, wird im neuen
Jahr eine Fortsetzung finden. Die letzte Gelegenheit im alten Jahr, in
die Tasten zu greifen, ins Mikrofon zu säuseln oder sich eine
Gitarre umzuhängen, bietet sich am nächs ten Donnerstag. Ein
paar Instrumente stehen zur Verfügung. Der Anlass ist
ausschliesslich für Frauen. Anmelden kann frau sich vor Ort oder
im Voraus per Mail. mei
"Play Yourself - offene Bühne & Improvisation von Frauen
für Frauen" in: Bern, Frauenraum Reitschule, Do, 16. Dezember, ab
20 Uhr. Daten im nächsten Jahr: 17. März, 21. April, 19. Mai
und 16. Juni.
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WoZ 9.12.10
China
Mitte 2010 gab es eine Streikwelle in Chinas Fabriken.
WanderarbeiterInnen erkämpften sich höhere Löhne und
lösten eine weltweite Debatte über das Ende des chinesischen
Niedriglohn modells aus. Bei Assoziation A ist das Buch "Aufbruch der
zweiten Generation, Wander arbeit, Gender und Klassenzusammensetzung in
China" erschienen. Pun Ngai und andere Autor Innen aus China
analysieren das Schicksal und die Kämpfe verschiedener
MigrantInnengruppen, darunter Bau-, Fabrik- und SexarbeiterInnen, und
beleuchten die Hintergründe der aktuellen Streiks und
Klassenbildungsprozesse in China. Der Über setzer wird das Buch
präsentieren. Anschliessend wird über die Frage diskutiert,
inwieweit sich heute in Zeiten der Krise und zunehmender sozialer
Kämpfe in verschiedenen Teilen der Welt neue Formen der
Bezugnahme, des Austauschs und der Unterstützung finden lassen.
Zürich Infoladen Kasama, Militärstrasse 87a (im
Innenhof), Fr, 10. Dezember, 19.30 Uhr Bern Infoladen Reitschule,
Neubrückstrasse 8, Sa, 11. Dezember, 19.30 Uhr.
--
Der diesjährige Friedensnobelpreis wird dem
Menschenrechtsaktivisten Liu Xiaobo verliehen. Am Freitag findet in
Oslo die Preisübergabe statt, mit Sicherheit in Abwesenheit des
inhaftierten Liu Xiaobo. Schon kurz nach der Verkündung des
Preisträgers hat China alle Staaten aufgefordert, keine Vertreter
an die Feierlichkeiten zu entsenden, und seitdem ist es merkwürdig
still geworden um Liu Xiaobo. Der Sinologe Thomas Geiger lädt ein
zu einer Soirée rund um Liu Xiaobo, die Geschichte der
chinesischen Dissidenten, die Charta 08, die heftigen Reaktionen der
chinesischen Autoritäten und die kulturellen Hintergründe.
Zürich Paranoia City Buch & Wein, Ankerstrasse 12, Fr,
10. Dezember, 20.30 Uhr.
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kulturstattbern.derbund.ch 8.12.10
Von Nicolette Kretz am Mittwoch, den 8. Dezember 2010, um 06:00 Uhr
Postdemokratische Mächte
Schauplatz International ist bekannt für politisches und
höchst kritisches Theater: sie haben sich in der Vergangenheit
schon die Steueroase Zug vorgenommen oder zu einem weltweiten Aufstand
der Maskottchen aufgerufen. Und nun - es bleibt einem auf den ersten
Blick Sprache weg - arbeiten sie Hand in Hand mit dem schwedischen
Möbelriesen! Im Ikea-Family-Katalog liest man "Liehe dir einen
Audioguide, höre spannende Geschichten und entdecke das Ikea
Einrichtungshaus auf besondere Art und Weise!"
Man kann wahlweise auf eigene Faust hinpilgern oder freitags den Bus ab
Tojo direkt in den vorweihnachtlichen Abendverkauf nehmen. Dort
schnappt man sich also so einen Audioguide und kann sich bei Ikeaville
- What happened before you came unzählige Geschichten zu den
ausgestellten Musterzimmer anhören. Schauplatz International hat
nämlich herausgefunden, dass bei Ikea nachts eine Kolonie von
Menschen lebt, die an der Verbesserung der Welt arbeiten - ganz nach
Ikeas demokratischem Grundgedanken ("Gutes Design für alle").
Deneben hört man Interviews mit den Bewohnern von Lyssach, eine
Küchneszene des Macher-Teams, in der die Arbeit thematisiert wird,
und man kann natürlich auch gleich noch ein paar Einkäufe
erledigen.
http://newsnetz-blog.ch/kulturstattbern/files/2010/12/ikeaville.jpg
Zum Schluss, in der Lagerhalle, gibts quasi den Schlüssel zum
Ganzen: ein Telefoninterview mit Colin Crouch, dem Autoren von
"Postdemokratie". Er erklärt, dass grosse Unternehmen durch ihren
politischen Einfluss und ihr grosses Wissen zunehmend eine
öffentliche Rolle spielen - sie sind jedoch nicht wie die
Regierungen der demokratischen Kontrolle unterworfen. "Sie werden zu
einer neuen gesellschaftlichen Kraft, für die wir weder Regeln
haben noch wissen, wo ihre Grenzen sind." Schauplatz International
spielt dies hier am konkreten Beispiel durch, und setzt gedanklich die
Keimzelle der Revolution in das blau-gelbe Köttbullar-Imperium.
Man merkt allmählich, dass das wohl doch nicht ganz in
Zusammenarbeit mit Ikea entstanden ist, sondern Schauplatz
International sich da viel eher geschickt eingeschleust hat. Und so
fühlt man sich dann unter all den Shoppenden auch ein wenig
konspirativ und kauft am Schluss im "Schwedenshop" die
Graved-Lachs-Sosse für die anstehenden Feiertage
selbstverständlich mit einem ganz anderen Grundgestus.
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ZAFFARAYA
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bernerzeitung.ch 10.12.10
Stadtrat erteilt Abfuhr für Zaffaraya-Legalisierung
sda / gbl
Keine Chance für die Forderung nach einer Legalisierung von
alternativen Wohnformen in der Stadt Bern: das Stadtparlament hat am
Donnerstag einen Vorstoss von Jimy Hofer mit 46 zu 8 Stimmen abgelehnt.
Hofer wollte den Gemeinderat verpflichten, innerhalb von zwei
Jahren ein geeignetes Grundstück auszuweisen, auf dem alternatives
Wohnen wie das Zaffaraya möglich sein soll und die entsprechende
Planung an die Hand zu nehmen.
"Wenn man es duldet, kann man es auch legalisieren",
argumentierte Hofer. Der Gemeinderat solle das Projekt ernsthaft
angehen. Er brauche auch für alles eine Bewilligung. Es müsse
Schluss sein mit der doppelmoralischen Umschiffung und den Ausreden zu
diesem Thema.
"Kein Handlungsbedarf"
Hofer stand indes ziemlich alleine da. Es sei zwar bemühend,
dass der Gemeinderat keine einheitliche Handhabe zu alternativem Wohnen
habe, sagte Lea Bill für die GB/JA-Fraktion. Es gebe jedoch im
Moment keinen Handlungsbedarf, der Gemeinderat sei in Sachen
Nutzungszonen an der Arbeit.
Die Vertreter der Linken betonten grundsätzlich,
alternatives Wohnen müsse in Bern Platz haben. Zu einer Stadt
gehörten Gruppierungen wie Zaffaraya, Stadttauben oder
Stadtnomaden.
Dem Gemeinderat sei es bisher recht gut gelungen, mit diesen
Gruppierungen umzugehen, erklärte Beat Zobrist (SP). "Wir
können uns gut vorstellen, so weiter zu fahren."
Schnell Grundlagen schaffen
Regieren heisse, vorauszuschauen. Deshalb müsse man schnell
die Grundlagen schaffen, damit eine saubere Lösung vorhanden sei,
meinte Daniel Imthurn (GLP). Niemand wisse, wann und wie schnell die
Eidgenossenschaft, auf deren Boden sich das Zaffaraya im Moment
befindet, die Duldung widerrufe.
Es sei doch nichts als recht, wenn man die Bevölkerung noch
einmal frage, ob man solche Wohnformen auf Stadtboden noch wolle, sagte
Jacqueline Gafner (FDP). Im Übrigen sei erstaunlich, wie fein der
Gemeinderat die rechtliche Klinge führe, wenn es um die grosse
Mehrheit der Menschen in der Stadt gehe, die sich an die Gesetze
hielten. Ihre Schlussfolgerung: "Wer genügend penetrant ist,
erhält offenbar, was er will."
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SUBVENTIONSVERTRÄGE
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Bund 10.12.10
Die Kultur in Zeiten des Sparens
Die Stadt Bern will die Kulturveranstalter in den Jahren 2012 bis
2015 mit insgesamt 112 Millionen Franken unterstützen. Das Niveau
wird damit gehalten. Politisch umstritten ist der Beitrag ans Konzert
Theater Bern.
Bernhard Ott
Die finanziellen Aussichten für die Jahre 2012 und 2013
"sind alles andere als rosig", sagte gestern Stadtpräsident
Alexander Tschäppät (SP) bei der Präsentation der
Kulturverträge 2012 bis 2015. Der Gemeinderat sei zurzeit an der
Ausarbeitung eines Haushaltsverbesserungsprogramms. Gemäss
Finanzplan werde die Stadt ab 2012 jährlich 30 Millionen Franken
einsparen müssen. "Wir haben im Gemeinderat über eine
mögliche Schliessung von einzelnen kulturellen Institutionen
diskutiert", sagte Tschäppät. Schliesslich habe man aber
bewusst darauf verzichtet. Ab 2014 werde es eine Verbesserung der
Finanzlage geben. Die Strategie der Kulturverträge 2012 bis 2015
laute daher: "das Niveau halten".
Transparenz bei Dampfzentrale
Laut Tschäppät führt die Stadt die bisherigen
Subventionen für die neue Organisation Konzert Theater Bern und
die drei Museen Zentrum Paul Klee, Historisches Museum und Kunstmuseum
fort - erhöht um 2,5 Prozent Teuerungsausgleich. Dafür setzt
sie nächstes Jahr 22,2 Millionen Franken ein, was rund 66 Prozent
der gesamten Kulturausgaben in der Höhe von 33,8 Millionen Franken
entspricht. Der Löwenanteil in der Höhe von 14,5 Millionen
Franken geht ans Konzert Theater Bern. Gemäss dem
langjährigen Verteilschlüssel beträgt der
städtische Anteil an den Subventionen für die grossen
Institutionen 39 Prozent. Die Gemeinden der Regionalkonferenz
Bern-Mittelland beteiligen sich mit 11 Prozent. 50 Prozent der
Gesamtkosten werden vom Kanton übernommen.
Neben den vier grossen Häusern unterstützt die Stadt
auch 20 kleinere Veranstalter mit Verpflichtungskrediten in der
Höhe von über 20 Millionen Franken. "Hier werden kleine
Schwerpunkte gesetzt", sagte Tschäppät. Die grössten
finanziellen Veränderungen ergeben sich aus dem Einbezug der
Mieten bei Dampfzentrale und Schlachthaus in der Höhe von 900 000
Franken pro Jahr. Die Stadt zahlt diese Mieten zwar bereits heute - sie
wurden bis anhin allerdings nicht als Subvention ausgewiesen. Die
mietbedingte Zunahme der Subventionen für die Dampfzentrale (siehe
Tabelle) bewirke, dass deren Subventionen erstmals den
Stimmberechtigten vorgelegtwerden, sagte Tschäppät.
Druck auf Kino im Kunstmuseum
Effektiv mehr Geld erhalten unter anderem das Theater an der
Effingerstrasse, das Theatertreffen Auawirleben, der
Konzertveranstalter Be-Jazz und das Tojo-Theater in der Reitschule.
Kürzungen sind nur bei der Tanzaktiven Plattform und beim Kino im
Kunstmuseum vorgesehen. "Mit dem revidierten
Kulturförderungsgesetz wird das Kunstmuseum ab 2016
ausschliesslich vom Kanton subventioniert werden", sagte
Kultursekretärin Veronica Schaller. Im Vortrag an den Stadtrat
weist der Gemeinderat auf das Missverhältnis von Besucherzahl und
Höhe der Subvention hin. Zudem hält er fest, dass infolge der
Umstrukturierungen im Kunstmuseum mit einer Ausquartierung des Kinos
gerechnet werden müsse. "Das Kino wird genügend Zeit und Geld
erhalten, um sich für die Zeit ab 2016 neu zu positionieren oder
aber seinen Betrieb einzustellen", hält der Gemeinderat fest. Die
beiden Kürzungen stehen allerdings in keinem Verhältnis zu
den Erhöhungen. "Die Differenz werden wir bei den
Kulturförderkrediten einsparen müssen", sagte Schaller.
Angst vor "riesigen Kosten"
Die Verträge mit den vier grossen Institutionen werden
bereits im Januar im Stadtrat behandelt. Die Volksabstimmung ist
für Mitte Mai vorgesehen. Gemäss einer Motion von Jimy Hofer
(Fraktion SVP plus), die der Stadtrat jüngst mit grossem Mehr
überwiesen hat, werden Parlament und Volk nicht mehr in globo,
sondern über jeden Vertrag einzeln abstimmen können. "Mit der
Sanierung des Stadttheater-Gebäudes kommen riesige Kosten auf uns
zu", sagt Hofer auf Anfrage. Die Sanierungskosten wurden einst auf 53
Millionen Franken veranschlagt. "Wir wollen wissen, was das Volk vom
Stadttheater hält." Falle die Zustimmung tief aus, "muss man den
finanziellen Hebel ansetzen", sagt Hofer. Stadtpräsident
Tschäppät warnte gestern aber vor einer Rückweisung des
Vertrages mit dem Stadttheater beziehungsweise dem Konzert Theater
Bern. Falls der Vertrag nicht in Kraft gesetzt werden könnte,
"müssen wir wieder mit allen Regionsgemeinden reden und ihn neu
aushandeln". Die dadurch notwendige Verlängerung der bestehenden
Verträge brächte eine "klare finanzielle Verschlechterung der
Situation" für die Betroffenen, da der in den neuen Verträgen
vorgesehene Teuerungsausgleich wegfallen würde. Schliesslich
würde sich sogar die Gründung von Konzert Theater Bern
verzögern.
Tschäppät zeigte sich zuversichtlich, dass sich
für die Sanierung des Stadttheater-Gebäudes eine Lösung
finden lässt. Die Gemeinden seien zurzeit zwar mehrheitlich nicht
bereit, sich freiwillig an der Sanierung zu beteiligen. Ab Januar 2011
würden aber verlässliche Kostenangaben vorliegen. Dann werde
man die Gespräche wieder aufnehmen müssen. "Wenn die
Regionsgemeinden das Konzert Theater Bern mehrheitlich
befürworten, müssen sie auch einen Beitrag an die Sanierung
des Gebäudes zahlen", sagte Tschäppät.
Zitterpartie für Konzert Theater
Die rot-grüne Mehrheit im Stadtrat wird den Vertrag mit dem
künftigen Konzert Theater Bern aber wohl gutheissen, wie SP,
GFL/EVP und GB unisono erklären. "Wir wollen nicht, dass die
Kulturinstitutionen entzweit werden", argumentiert Stéphanie
Penher (GB). FDP-Fraktionschef Bernhard Eicher prophezeit allerdings
trotzdem eine Zitterpartie fürs Konzert Theater Bern. "Die
Subventionsverträge sind unser einziges Druckmittel, um die
Regionsgemeinden zu einer Beteiligung an der Sanierung des
Stadttheaters zu bewegen."
--
Kommentar
Klarheit für die Zukunft
Brigitta Niederhauser
Sie sind klein, sie sind unspektakulär, aber sie sind
wichtig, die Änderungen bei den neuen Leistungsverträgen der
städtischen Kulturinstitutionen. Denn sie vertiefen den Kurs, der
2008 mit der neuen Kulturstrategie eingeschlagen worden ist, und sorgen
für mehr Klarheit: Bei jeder Institution werden nun die effektiven
Subventionen ausgewiesen. Für Unmut sorgte 2007 der Umstand, dass
die Miete der Dampfzentrale vom Amt für Kulturelles separat
beglichen und nicht als Subvention aufgeführt wurde. Mit einer
Subvention von fast zwei Millionen Franken muss der
Dampfzentrale-Leistungsvertrag vom Stimmvolk genehmigt werden. Diese
Transparenz erspart der Stadt nicht nur Mauscheleivorwürfe. Sie
sorgt auch für eine klare Ausgangslage bei den Verhandlungen mit
dem Kanton, der sich im Rahmen seines neuen Kulturkonzepts ab 2016 an
der Subventionierung von sechs mittelgrossen städtischen
Kulturinstitutionen beteiligen will. Dazu gehören neben der
Dampfzentrale die Kunsthalle, das Theater an der Effingerstrasse,
Auawirleben, das Schlachthaus-Theater und die Camerata Bern.
Wie wichtig Kostenwahrheit gegenüber anderen
Subventionsgebern ist, zeigt die jüngste Kontroverse um die
dringende Renovation des Stadttheaters, an der sich weniger als die
Hälfte der Regionsgemeinden beteiligen will. Eine halbe Million
Franken beträgt die Theatermiete, weniger als die der
Dampfzentrale. Ein realistischer Mietzins hätte die
Sanierungsdiskussion unter den Subventionspartnern früher und
nicht so verheerend spät in Gang gebracht.
---
BZ 10.12.10
Gleich viel Geld für die Berner Kultur
Kulturverträge. Die Kulturinstitutionen erhalten 2012 bis
2015 gleich viel Geld wie bis anhin, sofern das Parlament und die
Stimmbevölkerung Ja sagen. Weil bis 2014 magere Jahre anstehen,
drohen aber kurzfristige Kürzungen.
2008 stockte die Stadt ihre jährlichen Kulturausgaben um
über 4 Millionen Franken pro Jahr auf. Dieses Mal wertet es
Stadtpräsident Alexander Tschäppät (SP) bereits als
Erfolg, wenn für die nächste Vierjahresperiode das Niveau
gehalten werden kann. Deshalb war er gestern erleichtert: "Der
Gemeinderat hat sich am Mittwoch voll und ganz hinter die Berner Kultur
gestellt." Trotz düsteren finanziellen Aussichten soll die Stadt
24 Kulturinstitutionen jährlich mit 28,22 Millionen Franken
unterstützen. Das bedeutet, die heutige Beitragshöhe wird
für die Periode 2012 bis 2015 teuerungsbedingt um 2,5 Prozent
angehoben.
Die happigen grossen vier
Zwei Drittel davon erhalten die vier Grossen: das neue Konzert
Theater Bern (Stadttheater und Berner Symphonieorchester), das
Kunstmuseum, das Zentrum Paul Klee und das Historische Museum. An diese
Institutionen zahlen auch der Kanton und 81 Gemeinden aus der Region.
Der Rest geht an 21 mittlere und kleinere Organisationen. Die
grösste darunter ist die Dampfzentrale. Sie erhält 1,91
Millionen Franken pro Jahr. Aus Transparenzgründen ist erstmals
die Miete einbezogen, welche die Stadt übernimmt. Die
Stimmbevölkerung wird aufgrund der Beitragshöhe im
Frühjahr über diese fünf Leistungsverträge
abstimmen können. Die anderen liegen in der Zuständigkeit des
Stadt- oder Gemeinderats.
Zwei zahlen die Zeche
Zwei Organisationen erhalten künftig weniger Geld: "Die
tanzaktive Plattform tap wird nur noch projektweise unterstützt",
erläuterte Kultursekretärin Veronika Schaller. Zudem
kürze die Stadt die Beiträge ans Kino Kunstmuseum. Ab 2016
werde das Kunstmuseum ganz vom Kanton getragen. Weil das Museum nach
Räumen für die Gegenwartskunst suche, werde das Kino wohl
sowieso kaum mehr Platz haben, begründete sie den Entscheid.
Zusammen mit dem Teuerungsausgleich konnten also 210 000 Franken pro
Jahr zusätzlich an die verbleibenden Organisationen verteilt
werden. Dazu zwackte man, wie Schaller einräumte, 50 000 Franken
von den Projektkrediten ab: "Hoffentlich müssen wir
dort nicht ständig kürzen", meinte sie lediglich.
Abstriche drohen trotzdem
Doch genau dies ist denkbar. Denn momentan arbeitet die Regierung
ein Sparpaket aus. Tschäppät schloss gestern nicht aus, dass
dies auch die Kultur treffen wird. Ob und wie, werde Anfang 2011
bekannt. Die Durststrecke bis 2014 möchte er "ohne Kahlschlag"
durchstehen. Ab dann sehe es finanziell wieder besser aus.
Tschäppät will sich für die Kultur
einsetzen: "Meine Devise heisst kämpfen." Er gab
seiner Hoffnung Ausdruck, dass auch das Parlament die Verträge
gutheisst. Andernfalls müssten die bestehenden ohne
Teuerungsausgleich verlängert werden. Tschäppät betonte:
"Die Leidtragenden wären die Kunstschaffenden."
Christoph Aebischer
--
Sanierung des Stadttheaters
Unklare Finanzierung "Eins ist klar: Die Stadt wird nicht in der
Lage sein, die 2013 geplante Sanierung des Stadttheaters selber zu
tragen", sagte gestern Stadtpräsident Alexander
Tschäppät. Der Appell ist unüberhörbar: Kanton und
Regionsgemeinden müssen mithelfen, die Kosten zu tragen, am
liebsten im Subventionsschlüssel 50 Prozent Kanton, 39 Prozent
Stadt und 11 Prozent Agglomeration. Stadtbauten Bern als
Hauseigentümerin sind gegenwärtig daran, zwei
Sanierungsvarianten für 35 beziehungsweise 45 Millionen Franken
auszuarbeiten. Wer wie viel zahlt, ist Verhandlungssache.
Das Problem ist hausgemacht: Weil die Miete nicht für
Rückstellungen reicht, hat sich ein hoher Sanierungsbedarf
angehäuft. Tschäppät würde die "politische Miete"
sofort gegen eine kostendeckende Miete tauschen, wie er betont. Doch da
müssten alle Beteiligten mitziehen. Der Kanton habe sich bisher
dagegen gesperrt. Dessen Kulturminister, der grüne Regierungsrat
Bernhard Pulver, wandte auf Nachfrage ein: "Bei Verhandlungen wollen
die einen dies, die anderen das. Ich finde solche Vorwürfe nach
erzielter Einigung unpassend." Er wies darauf hin, dass für eine
kostendeckende Miete die Subvention um mehr als eine Million Franken
pro Jahr angehoben werden müsste.
Die Grünliberalen wollen die Kulturverträge
zurückweisen. Sie fordern verbindliche Zusagen zur Sanierung,
bevor die Stadt die Verträge genehmigt.cab
---
Telebärn 9.12.10
112 Millionen für die Kultur
http://www.kyte.tv/ch/telebaern/112-millionen-fur-die-kultur/c=84713&s=1105330
---
bern.ch 9.12.10
Gemeinderat verabschiedet Verträge mit Kulturinstitutionen
Ab 2012 sollen die Berner Kulturinstitutionen von der Stadt Bern im
gleichem Rahmen subventioniert werden wie bis anhin. Der Gemeinderat
hat die Subventionsverträge verabschiedet, die den
Kulturveranstaltern über die nächsten vier Jahre rund 112
Millionen Franken in Aussicht stellen. Über die Kredite für
die Subventionsverträge mit Historischem Museum, Kunstmuseum,
Zentrum Paul Klee, der neuen Institution Konzert Theater Bern sowie der
Dampfzentrale können die Stimmberechtigten voraussichtlich im Mai
2011 befin-den.
Die Stadt Bern subventioniert seit 1997 die fünf grössten
Kulturinstitutionen - das Historische Museum, das Kunstmuseum, das
Zentrum Paul Klee, das Stadttheater sowie das Symphonieorchester -
gemeinsam mit Kanton und Regionsgemeinden, jeweils mit
Vierjahresverträgen. Rund 22 der insgesamt 33,8 Millionen Franken
Kulturausgaben gehen so jährlich an die grossen Kulturhäuser.
Daneben unterstützt die Stadt Bern 25 weitere Institutionen mit
Vierjahresverträgen, kleinere Kulturangebote mit
Jahresverträgen, fördert einzelne Kulturschaffende und freie
Gruppen mit Beiträgen an ihre Produktionen.
Beibehaltung der Subventionshöhe
Die aktuellen Vierjahresverträge laufen per Ende 2011 aus Seit
Ende 2009 ist die Präsidialdirektion, teils gemeinsam mit den
Verantwortlichen von Kanton, Regionalkonferenz und Burgergemeinde
daran, sie für die Periode 2012 bis 2016 neu zu verhandeln.
Angesichts der knappen Mittel der Stadt Bern konnte dabei auf die
Forderungen nach Subventionserhöhung nicht eingegangen werden. Die
zur Verfügung stehenden Mittel der Periode 2008 - 2011 sollen
weiter geschrieben werden, allerdings mit 2,5 Prozent Anpassung an die
Teuerung . Bei den gemeinsam mit Kanton und Regionalkonferenz - sowie
Burgergemeinde im Fall des Historischen Museums - subventionierten
Institutionen wird diese Teuerungsanpassung gleichmässig an die
Institutionen weitergegeben. Bei den ausschliesslich von der Stadt
subventionierten Institutionen wird der Betrag genutzt für
gezielte Erhöhungen bei einzelnen Institutionen.
Konkret erhalten die grossen Kulturinstitutionen von der Stadt Bern
für die nächsten vier Jahre neu folgende Beiträge:
* Konzert Theater Bern: 58,1 Millionen Franken (14,54 Millionen Franken
pro Jahr, was 39 Prozent der Gesamtkosten ausmacht) - bereits ab 1.
Juli 2011;
* Historisches Museum Bern: 5,96 Millionen Franken (1,49 Millionen
Franken pro Jahr, was 22,3 Prozent der Gesamtkosten ausmacht);
* Kunstmuseum Bern: 9,56 Millionen Franken (2,39 Millionen Franken pro
Jahr, was 39 Prozent der Gesamtkosten ausmacht);
* Zentrum Paul Klee: 8,80 Millionen Franken (2,20 Millionen Franken pro
Jahr, was 39 Prozent der Gesamtkosten entspricht).
Aufgrund der Höhe der Subventionen liegt das letzte Wort beim
Stadtberner Stimmvolk. Es kann voraussichtlich im Mai 2011 darüber
abstimmen.
Erstmals wird den Stimmberechtigten auch der Kredit für den
Leistungsvertrag mit der Dampfzentrale vorgelegt. Ab dem Jahr 2012 sind
darin neu die Miete an Stadtbauten sowie die Nebenkosten enthalten.
Allein aus diesem Grund steigt der Subventionsbetrag um mehr als 50
Prozent an und unterliegt mit 1,91 Millionen Franken pro Jahr ebenfalls
der Volksabstimmung.
20 Verträge mit kleineren Veranstaltern
Der Gemeinderat hat weitere 15 Verträge mit Partnern aus dem
Kulturbereich zuhanden des Stadtrats verabschiedet. Er beantragt
über die nächsten vier Jahre Verpflichtungskredite von
insgesamt 20,83 Millionen Franken. Detailliert aufgeschlüsselt
bedeutet dies:
* Kornhausforum: 2,64 Millionen Franken (666'000 Franken pro Jahr)
* Kunsthalle Bern: 4,37 Millionen Franken (1,2 Millionen Franken 2012
und 2013 sowie 989'000 Franken 2014 und 2015).
* Schlachthaus Theater: 4,76 Millionen Franken (1,19 Millionen Franken
pro Jahr - ebenfalls neu inkl. Miete und Nebenkosten an Stadtbauten)
* BeeFlat: 400'000 Franken (100'000 Franken pro Jahr)
* BeJazz: 420'000 Franken (105'000 Franken pro Jahr)
* Berner Kammerorchester: 400'000 Franken (100'000 pro Jahr)
* Buskers Festival: 400'000 (100'000 Franken pro Jahr)
* Camerata Bern: 1,4 Millionen Franken (350'000 Franken pro Jahr)
* Grosse Halle: 960'000 Franken (240'000 Franken pro Jahr)
* Interessengemeinschaft Kulturraum Reitschule IKuR: 1,52 Millionen
Franken (380'000 Franken pro Jahr)
* Kino Kunstmuseum: 480'000 Franken (120'000 Franken pro Jahr)
* La Cappella: 600'000 Franken (150'000 Franken pro Jahr)
* Berner Puppenbühne: 400'000 Franken (100'000 Franken pro Jahr)
* Das Theater an der Effingerstrasse: 1 Million Franken (250'000
Franken pro Jahr)
* Theatertreffen auawirleben: 1,08 Millionen Franken (270'000 Franken
pro Jahr)
Schliesslich hat der Gemeinderat auch fünf Verträge in
eigener Zuständigkeit verabschiedet:
* BewegGrund: 120'000 Franken (30'000 Franken pro Jahr)
* Einstein-Haus: 240'000 Franken (60'000 Franken pro Jahr)
* Internationale Gesellschaft für Neue Musik: 140'000 Franken
(30'000 Franken pro Jahr)
* Kino Lichtspiel: 220'000 Franken (55'000 Franken pro Jahr)
* Tojo Theater: 240'000 Franken (60'000 Franken pro Jahr)
Informationsdienst der Stadt Bern
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RABE-INFO
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Fr. 10. Dezember 2010
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_10._Dezember_2010.mp3
http://www.rabe.ch/nc/webplayer.html?song_url=uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_10._Dezember_2010.mp3&song_title=RaBe-%20Info%2010.%20Dezember%202010
- Neue Arbeitsbedingungen für Pfarrer- Kanton Bern will
Landeskirchengesetz revidieren
- Wo die Welt Berndeutsch lernt- multikulturelles Bümpliz in der
Kita
- Bildungsmotor fördert Chancengleicheit- Ausserschulische
Betreuung für Kinder und Eltern
Links:
http://www.bildungsmotor.ch
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Do. 9. Dezember 2010
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_9._Dezember_2010.mp3
http://www.rabe.ch/nc/webplayer.html?song_url=uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_9._Dezember_2010.mp3&song_title=RaBe-%20Info%209.%20Dezember%202010
- Ein Amt ist genug: Keine Doppelmandate für Berner
Gemeinderäte, fordert Stadtrat Luzius Theiler
- Blutdiamanten aus Simbabwe: Was bringen internationale Zertifikate?
- Die Bauerndörfer der Stadt: Mit dem Tram direkt ins Grüne
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Mi. 8. Dezember 2010
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_8._Dezember_2010.mp3
http://www.rabe.ch/nc/webplayer.html?song_url=uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_8._Dezember_2010.mp3&song_title=RaBe-%20Info%208.%20Dezember%202010
- Klimawandel als Glaubensfrage? - Die Nationalratsdebatte über
die "Offroader-Initiative" wurde zur Grundsatzdebatte
- Essen kaufen und den Hunger bekämpfen - Die
Share-Food-Initiative machts möglich
- Besuch im Ortsarchiv von Bümpliz - Geschichten über einen
eigenwilligen Stadtteil
Links:
http://www.shareforfood.ch/ziel.html
http://www.ortsarchiv-buempliz.ch
---
Di. 7. Dezember 2010
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_7._Dezember_2010.mp3
http://www.rabe.ch/nc/webplayer.html?song_url=uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_7._Dezember_2010.mp3&song_title=RaBe-%20Info%207.%20Dezember%202010
- Mehr Bus für Bern: Matte, Marzili und Sandrain wollen eine
eigene Linie
- Street Art, Cabane 5 und HKB: In Bümliz und Bethlehem entsteht
die Kunst von morgen
- Es ist nicht alles Gold, was glänzt: Reportage über
Kinderarbeit aus Burkina Faso
Links:
http://www.trambernwest.ch
http://www.kunstachse.ch
http://ououagadougouou.blogspot.com
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HOT SQUAT
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Indymedia 8.12.10
Der neue HotSquat Kalendar ist da ::
AutorIn : LaBiu Squat: http://www.labiu.ch
Bildausschnitte DER NEUE HOTSQUAT KALENDAR 2011 IST DA!!
Bildausschnitte
http://ch.indymedia.org/images/2010/12/79199.jpg
LaBiu präsentiert die nun dritte Ausgabe ihres SoliKalnders
Mit neuen träschig skurrilen Inszenierungen der Bieler
HausbesetzerInnen. Dieses Jahr werden Märchen und Sagen
neuinterpretiert. Dabei geht so manches HappyEnd bachab.
Am besten selber anschauen auf http://www.labiu.ch
5.- pro verkauften Kalender gehen wieder an AntiRep Biel, der Rest des
Erlöses dient der Deckung der Betriebskosten von LaBiu Squat.
Kosten tut er 35.-.
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SQUAT FR
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Freiburger Nachrichten 10.12.10
Raie Manta mit rekordkurzer Besetzung
Am Mittwochabend hat das Kollektiv Raie Manta die Chassotte in
Givisiez besetzt. Die Polizei hat das Gebäude zwei Stunden
später wieder geräumt.
Pascal Jäggi
Givisiez Früher oder später musste das
Besetzerkollektiv Raie Manta auf das Chassotte-Gebäude am Eingang
von Givisiez stossen. Das frühere Internat steht seit
längerem leer. Die Gemeinde liess vor einigen Jahren einen Teil
des Gebäudes abreissen, mit der Begründung, einer
Hausbesetzung zuvorzukommen. Am Mittwoch haben die jungen Aktivisten
gegen 19.30 Uhr versucht, sich im verbleibenden Haus einzunisten, die
Antwort folgte aber prompt. Gegen 21.30 Uhr stürmte die
Kantonspolizei das Gebäude und nahm 11 Personen auf den Posten
mit. Diese waren am selben Abend wieder auf freiem Fuss.
Auf der Website Indymedia veröffentlichte Raie Manta einen
Text, in dem der Wunsch geäusssert wurde, mit Oberamtmann
Carl-Alex Ridoré ein Gespräch über ein konkretes
Projekt in der Chassotte zu führen. Ein Aktivist bestätigte
gegenüber den FN, dass das Treffen heute stattfinden soll.
---
20 Minutes 10.12.10
Evacuation de squat musclée
Givisiez (FR). Des squatters du collectif Raie Manta ont
tenté mercredi soir une occupation de bâtiment. La police
cantonale a bouclé le secteur et évacué les lieux,
non sans mal. Onze personnes ont été interpellées.
Les activistes sont entrés par effraction dans le
bâtiment, condamné pour raisons sécuritaires. Les
gendarmes ont usé de la force.
---
La Liberté 10.12.10
Squatteurs
Givisiez déposera une plainte
Le collectif de squatteurs Raie Manta a tenté mercredi
soir d'investir le bâtiment qu'occupait autrefois l'école
internationale de la Chassotte, à Givisiez (voir "La
Liberté" d'hier). La commune de Givisiez, propriétaire
des lieux, va déposer une plainte pour violation de domicile et
dommages à la propriété. Dans un communiqué
diffusé hier, la police cantonale précise que les onze
squatteurs interpellés - neuf hommes et deux femmes - sont
âgés de 23 à 35 ans et sont pour la plupart connus
des services de police pour des faits similaires. Ces personnes ont
été libérées avant une heure du matin. OW
---
La Liberté 9.12.10
Givisiez
Le collectif Raie Manta investit la Chassotte et se fait
déloger illico
Samuel Jordan, Serge Gumy
Décidément, le collectif fribourgeois Raie Manta
est infatigable. Hier, sous le coup de 18 heures, il a profité
de la quiétude de l'Immaculée Conception pour investir un
nouveau lieu. L'aventure aura cependant été de courte
durée. Quelques heures plus tard, les squatters ont en effet
été délogés illico presto et manu militari
par les forces de l'ordre fribourgeoises.
Cette fois-ci, le collectif Raie Manta a trouvé refuge
dans l'imposant bâtiment qu'occupait autrefois l'école
international de la Chassotte. Un édifice situé sur le
territoire de Givisiez qui appartient à parts égales aux
communes de Givisiez et de Granges-Paccot.
"Nous sommes une bonne trentaine de personnes à avoir
investi les lieux", expliquait hier soir l'une des squatters au
téléphone à 20 h. "Parmi nous, des anciens, mais
aussi beaucoup de nouveaux membres du collectif", poursuivait-elle. A
entendre cette dernière, il a fallu très peu de temps au
collectif pour prendre possession de l'endroit. "Nous nous
étions minutieusement préparés. Après une
heure, nous étions déjà installés et
barricadés."
Un peu plus d'une heure, c'est le temps qu'il a fallu à la
police fribourgeoise pour réagir et se rendre sur les lieux.
Après un round d'observation, les agents de l'ordre ont
forcé le passage et investi le bâtiment de la Chassotte,
bien résolus d'en déloger les occupants temporaires. Une
tâche qui n'a pas été aisée, car une partie
des squatters se sont réfugiés sur les toits.
Un certain nombre de squatters ont été
évacués par les agents de l'ordre en paniers à
salade vers le poste de police. Non sans mal, car des sympathisants
bloquaient le trafic des véhicules de police. Selon un
témoin de la scène, la police a utilisé des gaz
lacrymogènes pour neutraliser les récalcitrants.
"L'intervention a été passablement violente",
expliquait-il au téléphone.
Peu avant 23 h, le calme régnait à la Chassotte.
Des agents de sécurité privée prenaient le relais
des forces de l'ordre pour garder l'endroit. Seul vestige de
l'occupation express, une banderole sur laquelle on pouvait lire: "Yes
we can!"
La Chassotte est le quatrième édifice a être
occupé par le collectif Raie Manta en huit semaines,
après ceux de la rue de l'Industrie, de la Route-Neuve et de
l'Espace Boxal. Selon nos informations, des membres de Raie Manta ont
rendez-vous ce vendredi avec le préfet de la Sarine Carl-Alex
Ridoré. Dans le but de discuter du projet culturel du collectif
concernant le bâtiment de la Chassotte. I
---
Indymedia 9.12.10
"squat der letzten tage" besetzt und geräumt ::
AutorIn : mantaaaa
heute nacht wurde die chassotte(riesiges internat) in fribourg besetzt.
die bullen waren zugleich zur stelle und haben mit der räumung
drei stunden nach der besetzung begonnen.
die besetzer haben sich in mehreren ringen verbarrikadiert. die
hauseigene kirche bot den letzten unterschlupf. als auch diese
gestürmt wurde, flohen die besetzer auf das vordach. sie wurden
brutalst mit massivem pfefferspray einsatz getrennt und weggetragen.
gegen die sympatisanten, die vor dem haus den verkehr blockierten wurde
auch mit pfefferpray aus nächster nähe vorgegangen
alle verhafteten befinden sich jetzt (2.49) auf freiem fuss.
es folgt das ursprüngliche communique:
" Squat der letzten Tage "
Wir haben in der Nacht auf den 9.Dezember die Chassotte (Rte de la
Chassotte 1) besetzt. Nach den vorhergehenden Besetzungen der Route
neuve 1, der Rue de l'industrie 24/26 und dem Espace Boxal am Passage
de Cardinal 2 ist dies unsere vierte Besetzung innerhalb zweier Monate.
Wir wollen im riesigen, leer stehenden Gebäudekomplex, einen Raum
für Diskussionen, Filme, Kunst, Konzerte und Vorführungen
einrichten, eine Bibliothek mit einem Info- und Gratisladen, eine
Volksküche, einen Gemeinschaftsgarten und viele weitere Projekte
ins Rollen bringen. Des Weiteren wollen wir alternativen Wohnraum
schaffen. Acht Personen aus unserem Kollektiv haben derzeit keine
Wohnung.
Wir bleiben in der Chassotte bis mit einem konkreten Projekt begonnen
wird. Vor drei Jahren hat der Verein "maison des artistes" eine Anfrage
gemacht um das Haus für Kulturprojekte zu brauchen. Die Antwort
war ein klares NEIN. Drei Jahre später steht die Chassotte immer
noch leer.
Feiern wir zum vierten Mal ein Einweihungswochenende, diesmal im "Squat
der letzten Tage".
Wir hängen keine Weihnachtsdekoration auf!
Kollektiv Raie Manta
raiemanta@riseup.net
http://manta.ch.gg
ACAB
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SQUAT VD
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24 Heures 10.12.10
Lausanne
On parle prison et Chine dans les lieux alternatifs
Antonoff
A Lausanne, l'Espace autogéré prépare un
week-end "anticarcéral", tandis qu'au squat de la Hache on
parlera lutte des classes en Chine, dimanche
Ça va phosphorer fort dans les deux lieux alternatifs de
la capitale vaudoise ce week-end. Alors que l'Espace
autogéré de la rue César-Roux annonce trois jours
de débats sur le milieu carcéral, on débattra de
la lutte des classes en Chine au squat de la Hache. Le squat de la
Hache? C'est la maison occupée par le collectif Tesla depuis
septembre dernier à la rue Saint-Martin 25. On se souvient qu'un
simple contrôle d'identité y avait tourné à
la bataille rangée entre squatters et policiers, ces derniers
ayant été accueillis à coups de boules de
pétanque et ayant dû maîtriser un individu qui
portait une hachette à la ceinture. D'où le nom du squat.
"Nous ne sommes pas intéressés à imaginer
une prison vivable. Cependant la critique ne nous suffit de loin pas,
nous sommes pour la destruction de toute prison. " Le ton du week-end
est donné à l'Espace autogéré de
César-Roux. Vendredi, samedi et dimanche, entre projection de
films, ateliers de lettres aux prisonniers, informations sur les
procédures pénales et témoignages, les
débats s'annoncent nourris. L'ouverture des festivités
est fixée aujourd'hui à 20 h 30. Quant au squat de la
Hache, c'est dimanche qu'il invite le public à se réunir
pour parler de luttes des classes et de migration en Chine. Au
programme dès 18 h: projection, débats et repas. L. A.
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SQUAT GE
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Indymedia 9.12.10
Besetzungsversuch einer ehemaligen Bank in Genf ::
AutorIn : der Wind
Übersetzung eines Artikels von boule de neige vom Westschweizer
Infoportal https://www.lereveil.ch
Calvingrad heisse Stadt (sogar unter dem Schnee!) (Le réveil)
Der öffentlich angekündigte (symbolische?) Besetzungsversuch
des Gebäudes an der rue Jacques Dalcroze 5 gab Anlass zu einigen
Scharmützeln. Jenes Gebäude ist eine gigantische Bank, die im
August 2007 schon für 48 Stunden besetzt wurde, kurz nach den
Räumungen des Rhinos und der Tour. Die Bullen räumten alle
Leute und nahmen etwa 20 fest.
Am Samstagabend versuchten etwa 80 Leute (nach der Tribune de
Genève), das Gebäude wieder zu besetzten, ohne Erfolg: die
Bullen waren schon drin.
Einige Personen legten daraufhin Feuer in den Abfallkübeln vor dem
Eingang. Leider intervenierte die Feuerwehr bevor es zu
beträchtlichen Sachschäden kam.
Die Bullen bekam auch Schneebälle und Eiswürfel ab. Mit viel
Verstärkung, Kastenwagen und sogar einem Wasserwerfer, schafften
sie es schliesslich, die hypothetischen Besetzer zu zerstreuen, ohne
jemanden festzunehmen.
Artikel aus der Tribune de Genève: "" Treffpunkt Samstag 4.
Dezember um 21 Uhr am Kreisel Rive. Bringt Eure Möbel mit ",
präzisierte das in den Strassen Genfs aufgehängte Plakat.
Gemäss einem Zeugen folgten ungefähr 80 Leute dem anonymen
Aufruf. Die Gruppe versuchte danach, sich mit Gewalt Zugang zum
Gebäude an der rue Jaques-Dalcroze 5, ein leerstehender ehemaliger
Banksitz, zu verschaffen.
Die über die Demonstration informierte Polizei versuchte, sie
daran zu hindern. Als Vergeltungsmassnahme zündeten etwa 15
Squatter Objekte und Abfallkübel vor dem Eingang des Gebäudes
an. Die Feuerwehr musste intervenieren.
Die Ordnungskräfte waren auch Ziel von Schneebällen und
Eiswürfeln, die von der Promenade de l'Observatoire geworfen
wurden.
Das Eingreifen des Aufstandsbekämpfungsfahrzeuges und Beamten zur
Aufrechterhaltung der Ordnung konnte die Demonstranten zerstreuen. Das
Ziel sei erreicht, " die Polizei nahm keine Festnahmen vor ",
präzisiert Jean-Philippe Brandt, ihr Pressesprecher. Eine
Untersuchung wird eingeleitet."
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SQUAT ZH
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Tagesanzeiger 9.12.10
Studentenwohnungen im Atlantis noch nicht bewilligt
Der Bezirksrat Zürich verlangt von der Besitzerin des
ehemaligen Luxushotels und ihrem Mieter Werner Hofmann ein Gesuch
für die Zwischennutzung.
Von Stefan Häne und Samira Zingaro
Zürich - Am nächsten Mittwoch lädt Werner Hofmann
im ehemaligen Atlantis-Hotel zu einem Umtrunk ein. Bis dahin
würden alle Studentenwohnungen übergeben, sagt Ivana Egloff.
Sie betreut das Projekt im Auftrag von Hofmann, der das Haus als
Zwischenmieter nutzt und weitervermietet. Sogenannte
Businessappartments im 5. Stock sollen die Studentenlogen
quersubventionieren. In der obersten Etage des Gebäudes stehen 25
Einheiten frei, die Luxussuiten des ehemaligen Hotels. Über die
Höhe der Miete oder die geplanten Investitionen schweigt Egloff.
Unklar bleibt, wie hoch die gesamten Mietkosten sind. In den Medien
sprach Hofmann einmal von 50 000, ein andermal von 80 000 Franken
monatlich, inklusive Heiz- und Nebenkosten. Die Appartements sollen ab
Mitte Januar vermietet werden - auch wochenweise. Ein Konzept will
Hofmann vor Weihnachten vorlegen.
Die Champagnerlaune könnte am nächsten Mittwoch
getrübt sein. Der Bezirksrat Zürich hat die Neue Hotel
Atlantis AG und ihren Mieter Hofmann aufgefordert, ein Gesuch für
die Zwischennutzung - die nun eingerichteten Studentenwohnungen -
einzureichen. Die Eingabe ist noch nicht erfolgt. Ob die Bewilligung
durch den Bezirksrat reine Formsache ist, lässt sich nicht sagen:
"Die Lex Koller regelt diesen speziell gelagerten Fall nicht explizit",
sagt Daniel Kauf, stellvertretender Ratsschreiber. Weiter dazu
äussern will sich der Bezirksrat mit Verweis auf das laufende
Verfahren nicht. Der Entscheid wird gemäss Kauf erst im neuen Jahr
fallen.
Eindeutig wäre der Sachverhalt, wenn die Neue Hotel Atlantis
AG neue Eigentumswohnungen erstellen würde. Da sie im Besitz der
luxemburgerischen Rosebud Holding und daher ausländisch beherrscht
ist, fällt sie unter die Lex Koller, die den Erwerb von Schweizer
Liegenschaften durch Ausländer beschränkt. Für den Bau
von neuen Wohnungen bräuchte die Neue Hotel Atlantis AG deshalb
eine Ausnahmebewilligung. Der Kanton könnte diese allerdings nur
dann erteilen, wenn einer der gesetzlich vorgesehenen Gründe
gegeben ist. Doch einen solchen gibt es im vorliegenden Fall nicht, wie
das Bundesamt für Justiz bereits klargestellt hat. Weder handle es
sich beim Projekt um "sozialen Wohnungsbau" noch um "Ferienwohnungen".
Der Kanton Zürich habe darum gar keine Handhabe, den Umbau in
Eigentumswohnungen zu bewilligen. Ein solcher Bau wäre nur
möglich, wenn die Atlantis-Besitzer in der Schweiz eine neue AG
gründen würden und so die Lex Koller umgingen; dies wäre
jedoch mit steuerlichen Nachteilen verbunden (TA vom 15. November).
Hotel wäre für Odermatt Option
Hochbauvorsteher André Odermatt (SP) ist "froh, dass das
Hotel Atlantis nicht mehr leer steht". Die Lage am Fuss des Uetlibergs
sei dafür zu schön. Für die Umnutzung zu
Studentenwohnungen hat Hofmann keine Baubewilligung gebraucht, wie Urs
Spinner, Sprecher des Hochbaudepartements, sagt. Ob dies auch bei
Businessappartements der Fall wäre, ist offen. Odermatt
wünscht sich für die Entwicklung im Atlantis "kreative Ideen
vom Grundeigentümer". Ein neues Hotel wäre für ihn
"nicht fehl am Platz". Ein Kauf des Hotels Atlantis durch die Stadt ist
für Odermatt kein Thema.
Auch der Kanton hat ein Wort mitzureden. Das Grundstück
Atlantis liegt in einer Wohnzone. Diese ist von einem Freihaltegebiet
umgeben, das langfristig nicht überbaut werden darf. René
Loner von der Baudirektion sagt, der Kanton schalte sich zum Beispiel
dann ein, wenn eineneue Zufahrt durch das Freihaltegebiet zum Atlantis
geplant würde.
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tagesanzeiger.ch 7.12.10
Wie Werner Hoffmann mit dem Atlantis Geld verdienen will
Christoph Landolt, Felix Schindler
Die Studentenzimmer sind alle vermietet, doch das Atlantis
scheint sich nicht zu rechnen. Nun sollen die ehemaligen Luxussuiten an
Leute vermietet werden, die "mehr bezahlen können".
150 Studenten sollen im ehemaligen Hotel Atlantis eine
temporäre Heimat finden, so das Vorhaben des Hausherren Werner
Hofmann. Alle Zimmer sind bereits vermietet, die ersten Studenten haben
ihre Räume in einem Flügel des ehemaligen
Fünfsterne-Hotels bezogen. In anderen Teilen des Hauses wird
derzeit noch rege gebaut - etwa in der fünften Etage, in den
ehemaligen Luxussuiten. Die Räume sind mit rund 40 Quadratmetern
grosszügig und teilen sich eine 80 Quadratmeter grosse
Dachterrasse. Im Atlantis hört man sagen: "Diese Zimmer richten
sich bestimmt nicht an Studenten."
"Das Atlantis muss auch vom Finanziellen her aufgehen"
Was passiert in den fünften Etage des Atlantis? "Es ist das
Ziel, bis Mitte Januar Zimmer an Personen vermieten zu können, die
etwas mehr bezahlen können. Zum Beispiel Professoren oder
Geschäftsleute", sagt Werner Hofmann gegenüber
Tagesanzeiger.ch. Er spricht von Businessappartements, die monatsweise
vermietet werden können. "Das Atlantis muss auch vom Finanziellen
her aufgehen."
"Unser Ziel ist es, im Atlantis günstigen Wohnraum anbieten
zu können. Da wir keine Subventionen erhalten, müssen wir das
Projekt so quersubventionieren", sagt auch Ivana Egloff, die im Auftrag
Hofmanns das Projekt leitet. "Entschieden ist aber noch nichts. Wir
klären derzeit ab, was möglich ist und stehen mit dem Bauamt
in engem Kontakt. Ein Gesuch haben wir noch nicht eingereicht." Wie
viele Zimmer als Businessappartements genutzt werden könnten und
wie viel diese kosten sollen, sei noch nicht bekannt. Egloff rechnet
damit, bis Weihnachten ein konkretes Konzept präsentieren zu
können. Bis eine Bewilligung vorliegt, dürfte es noch etwas
länger dauern.
Haben die Besetzer recht behalten?
Als Hoffmann das Atlantis übernahm und bekannt gab, dass er
die Zimmer an Studenten vermieten wolle, sagte er: "Ich rechne mit
einer schwarzen Null." Dass er für einen Raum nur 400 Franken pro
Monat verlangte, sorgte damals auch bei den Besetzern für Argwohn.
Sie streuten eigene Berechnungen unter die Medien, mit denen sie
beweisen wollten, dass die Einnahmen die Kosten nicht aufwiegen
würden. Hofmann, so die Botschaft, hat nicht sauber kalkuliert und
eigentlich anderes im Sinn.
Laut Hofmann stehen die Businessappartements nicht im Widerspruch
zu den Studentenzimmern: "Wir haben immer nur von der zweiten, dritten
und vierten Etage gesprochen. Was wir mit der fünften Etage
machen, liessen wir bisher offen."
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AUTONOME SCHULE ZH
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WoZ 9.12.10
Polizei gegen Schule
Rauspicken, wen sie wollen
Rund um die Autonome Schule in Zürich ist die Polizei
wiederholt gegen MigrantInnen vorgegangen, die dort Deutschkurse
besuchen. Schikane oder Zufall?
Von Carlos Hanimann
S. ist auf dem Weg zum Deutschkurs, als er drei PolizistInnen
sieht, die vor der Schule einen Eritreer kontrollieren und dessen
Papiere verlangen. Für den Kenianer S. eine heikle Situation: Als
abgewiesener Asylbewerber besitzt er keine gültige
Aufenthaltsbewilligung. Er lebt seit 2006 in der Schweiz - als
"Illegaler". Um nicht aufzufallen, geht S. geradewegs auf den Eingang
der Schule zu, obwohl er verhaftet werden könnte. Die Polizei
versperrt ihm den Weg, S. wird abgeführt und auf die
Urania-Hauptwache in Zürich gebracht.
Die Verhaftung ereignete sich am Mittwoch, 24. November, um 14.20
Uhr vor dem Eingang der Autonomen Schule Zürich (ASZ, vgl.
"Bildung für alle") beim Güterbahnhof. Sie war der Auftakt zu
einer Reihe von Personenkontrollen, die die Zürcher Stadtpolizei
in den vergangenen zwei Wochen direkt vor oder in unmittelbarer
Nähe der ASZ durchführte. AktivistInnen der ASZ sprechen von
"Schikane", von einer "Machtdemonstration der Polizei", von "gezielten
Angriffen" gegen die Schule und vor allem gegen die MigrantInnen, die
dort regelmässig verkehren. Bis vor kurzem konnten MigrantInnen
mehr oder weniger ungestört Kurse in der Autonomen Schule
besuchen. In den letzten neun Monaten, seit sich die Autonome Schule in
einer Baracke am Güterbahnhof befindet, hat die Polizei dort noch
nie Personenkontrollen durchgeführt. Was also hat es mit der
starken Polizeipräsenz auf sich? Warum die Kontrollen? Sind sie
gezielt gegen Papierlose gerichtet? Gibt es eine "grundsätzliche
fremdenfeindliche Tendenz" im Polizeikorps, wie AktivistInnen der ASZ
sagen? Oder ist alles nur Zufall, wie die Stadtpolizei behauptet?
"Hier lohnt es sich, zu kontrollieren"
Klar ist: Nur wenige Stunden nachdem sie S. verhaftet haben,
parkieren dieselben drei PolizistInnen wieder auf dem SBB-Gelände
vor der ASZ. Der Deutschkurs, der montags, mittwochs und freitags
jeweils von rund hundert Migrant Innen besucht wird, geht gerade zu
Ende. Ein Aktivist der Autonomen Schule fragt die PolizistInnen, was
sie vorhätten: "Sie sagten, dass sie sich auf einem
öffentlichen Platz befänden und Migranten kontrollieren
wollten. Sie sagten wörtlich: ‹Und wir picken raus, wen wir
wollen.›"
Daraufhin solidarisieren sich rund dreissig Personen aus der
Autonomen Schule mit dem Nigerianer (mit gültiger
Aufenthaltsbewilligung), der gerade von der Polizei kontrolliert wird.
"Die Polizei wurde massiv angepöbelt, weshalb weitere Patrouillen
angefordert wurden, um die Situation beruhigen zu können", sagt
Marco Cortesi, Sprecher der Stadtpolizei. Sechs bis sieben Kastenwagen
fahren vor, für die AktivistInnen der ASZ eine Provokation. Die
Situation droht zu eskalieren. Dann ziehen sich Migrantinnen und
Aktivisten in die Schule zurück, bis die Polizei verschwindet. Am
Abend findet eine Demonstration von knapp 150 Personen gegen die
polizeilichen Kontrollen statt.
Am folgenden Montag, dem Tag nach der Annahme der
SVP-Ausschaffungsinitiative, warten dieselben PolizistInnen
wieder vor der Baracke beim Güterbahnhof. Wieder kontrollieren sie
vor und nach dem Deutschkurs MigrantInnen. Laut einem Aktivisten sollen
die PolizistInnen gesagt haben: "Hier lohnt es sich, Personen zu
kontrollieren, weil wir wissen, dass hier viele Papierlose verkehren."
Erneut gibt es am Abend eine kleine Kundgebung gegen die Polizei. Die
rund fünfzig DemonstrantInnen ziehen, begleitet von
Wasserwerfern und einem Grossaufgebot von Polizisten, vom Helvetiaplatz
zur Kaserne.
Am Freitag, vier Tage später, steht ein halbes Dutzend
Polizisten bei der Tramhaltestelle Bäckeranlage in unmittelbarer
Nähe, wo sie laut Augenzeugen nach Ende des Deutschkurses in der
ASZ gezielt dunkelhäutige Personen kontrollieren.
Integrationspolitische Aufgabe
Seit S. verhaftet wurde, hat er die Deutschkurse in der ASZ nicht
mehr besucht. Zu gross ist das Risiko, erneut von der Polizei
festgehalten zu werden. Auch viele andere bleiben weg. Besuchten vorher
rund hundert Personen die Deutschkurse, war es vergangene Woche
höchs tens noch ein Viertel davon.
In der ASZ ist der Ärger über die Polizei deshalb
gross. Man ist sich sicher, dass die Aktionen gezielt erfolgten. Die
Polizei widerspricht: "Von gezielten Aktionen gegen die ASZ kann keine
Rede sein." Sie rechtfertigt die Kontrollen mit dem gesetzlichen
Grundauftrag, für Sicherheit und Ordnung zu sorgen. "Es ist keine
Schwergewichtsaufgabe der Polizei, illegal anwesende Ausländer zu
suchen und zu verzeigen. Aber selbstverständlich sind auch
Verstösse gegen das Ausländergesetz zu ahnden." Auch das
Polizeidepartement, dem seit einem halben Jahr der grüne Stadtrat
Daniel Leupi vorsteht, lässt verlauten, es gebe keine Weisung,
gezielt gegen die ASZ oder deren BesucherInnen vorzugehen.
Leupi wurde dieser Tage von SVP-Nationalrat Christoph
Mörgeli öffentlich angegriffen, weil er am Rand der Proteste
gegen die Ausschaffungsinitiative gegenüber einzelnen Beamten sein
Verständnis für die Demonstrant Innen geäussert haben
soll. Eigentlich eine aufgeblasene Nichtigkeit, aber dass die eigenen
Polizisten ihren Polizeivorsteher anschwärzen, zeigt, wie instabil
Leupis Macht und wie beschränkt sein Einfluss auf das Polizeikorps
ist: Zu lange hatte sich seine Vorgängerin Esther Maurer aus
operativen Angelegenheiten rausgehalten, zu autonom von der Politik
handelt wohl auch deshalb das Korps.
Um weitere Zwischenfälle zu verhindern, sollen die Wogen
geglättet werden. Der Zürcher Gemeinderat und
Ko-Präsident der Grünen Matthias Probst will zwischen den
Parteien vermitteln. Ziel sei es, VertreterInnen der ASZ, den
Departementsvorsteher Daniel Leupi und die Polizei an einen Tisch zu
bringen, um eine Lösung zu finden: "Keine Seite kann ein Inter
esse an einer Eskalation haben. Die ASZ erfüllt eine sehr wichtige
integrationspolitische Aufgabe. Und da braucht es Vernunft, Toleranz
und Fingerspitzengefühl bei der Polizei, damit die Schule ihre
Kurse gewährleisten kann."
--
Bildung für alle
Im April 2009 besetzte eine Gruppe von AktivistInnen unter dem
Namen Familie Moos den Schulpavillon Allenmoos II in Oerlikon und
richtete dort die Autonome Schule Zürich (ASZ) ein. Nach dem Motto
"Mini Schuel, dini Schuel" sollte Wissen gratis und ohne
Zulassungsbeschränkungen weitergegeben werden, ohne
Leistungsdruck, im gegenseitigen Austausch und selbstverwaltet. Die ASZ
stellte ihre Räume auch dem Verein Bildung für alle zur
Verfügung, der seit der Besetzung der Predigerkirche im Dezember
2008 an ständig wechselnden Orten Deutschkurse für und mit
Papierlosen organisierte.
Nachdem die Polizei den Schulpavillon wegen einer angezapften
Stromleitung im Januar 2010 räumte, fand der Deutsch unterricht an
verschiedenen Orten statt, bis die ASZ im April 2010 die Baracke beim
Güterbahnhof Zürich besetzte. Neben dem Deutschunterricht,
der regelmässig von gut hundert illegalisierten Flüchtlingen
und MigrantInnen besucht wird, wird auch Englisch und Arabisch
unterrichtet, es gibt Kurse zur Programmiersprache Java sowie Seminare
zu John Cage und Alain Badiou. Noëmi Landolt
http://alles-fuer-alle.jimdo.com
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30 JAHRE AJZ ZH
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Tagblatt der Stadt Zürich 8.12.10
Gut zu wissen
SILVIA ZIMMERMANN Ihr Selbstmord warf vor 30 Jahren einen
Schatten auf die Jugendunruhen.
"Ich zünd mich an, mit Benzin - auf dem Bellevue, damit alle
sehen, wie beschissen es einem Menschen in dieser Gesellschaft gehen
kann", schrieb die junge Frau in ihre privaten Aufzeichnungen. Am 12.
Dezember 1980 schritt Silvia Zimmermann zur Tat. Wenige Tage
später starb sie an den Folgen der Verbrennungen im Spital.
Der öffentliche Selbstmord mitten in der City warf einen
tragischen Schatten auf die Jugendunruhen, die zu diesem Zeitpunkt
auszuarten drohten. Im September 1980 beschloss der Stadtrat, das
Autonome Jugendzentrum AJZ zu schliessen, nachdem es bei einer Razzia
zu heftigen Ausschreitungen gekommen war. Für Silvia Zimmermann
bedeutete die Schliessung den Zusammenbruch einer Heimat. Die
Drogensüchtige hatte nach einer Odyssee durch Erziehungsheime bei
den Bewegten Geborgenheit gefunden, bei einer Gruppe, die ihren Frust
am Leben auffing. Ihren Tod wollte sie vor allem politisch verstanden
wissen - als Protestaktion gegen die "brutale Unterdrückung der
Jugendbewegung". Die Stilisierung zur Märtyrerin im Kampf "gegen
den Schmierterror" lag da natürlich auf der Hand. Ihre Genossen
verglichen die Aktion gar mit Vorgängen während des
Vietnamkriegs oder des Prager Frühlings. Die psychische Dimension
des tragischen Endes von Silvia Zimmermann klammerten sie
grösstenteils aus. Ihre Notizen zeichnen das Bild einer
Verzweifelten, die vor borderlinehafter Selbstzerstörung nicht
zurückschreckte: "Ich brenne mir manchmal mit der Zigi Löcher
in die Arme, noch während eines Gesprächs. Es tut gar nicht
weh - ich kann dazu sogar lächeln."
JAN STROBEL
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BIG BROTHER
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Bund 10.12.10
Warum der Bund die Fiche von Flüchtlingshelferin Anni Lanz
versteckt
Der Staatsschutz schnüffelte im Eheleben der
65-jährigen Anni Lanz herum. Die Einsicht in ihre Fiche verweigert
er ihr aber.
Zweite Fichenaffäre
200 000 Personen registriert
Daniel Foppa
A. L. führe mit ihrem Gatten eine äusserst lockere Ehe.
Die beiden lebten oft über längere Zeit räumlich
getrennt und gingen ihren Beschäftigungen nach, hielt der
Nachrichtendienst des Bundes (NDB) in der Fiche über die Basler
Menschenrechtsaktivistin Anni Lanz fest. Aufgedeckt hat die
Schnüffelei die Geschäftsprüfungsdelegation (GPDel) des
Parlaments im Juni. Seither kämpft die Ehrendoktorin der Uni Basel
um Einsicht in das Dokument. "Ich will wissen, wie weit die gegangen
sind und was sie alles ausspioniert haben", sagt Lanz. Besonders
beunruhigend sei, dass sie nicht wisse, wie der Nachrichtendienst an
die Informationen kam: "Haben sie Bekannte oder Nachbarn ausgefragt,
sind sie mir nachgeschlichen?"
Einsicht verweigert
Fichiert wurde die 65-Jährige wegen ihrer Tätigkeit
für Flüchtlinge. Aufgrund der Anfrage eines
ausländischen Partnerdienstes mutmasste der NDB, Lanz pflege
Kontakte zu "extremistisch-islamistischen Gruppierungen". Zudem bestehe
der Verdacht, dass die Rentnerin dem gewalttätigen "Schwarzen
Block" angehöre. Irgendwie kamen die Staatsschützer dann doch
zum Schluss, Lanz sei eine "sehr gutmütige, grosszügige
Person ohne jegliche kriminelle Neigungen". Dennoch blieben ihre Daten
registriert, weil der NDB die Fichen nicht periodisch
überprüft hat, wie es das Gesetz eigentlich vorschreibt.
Als in Basel die Fichierung von sechs Grossräten aufflog,
stellte Lanz ein Begehren auf Einsicht in ihre Fiche. Der NDB
antwortete ihr am 5. Juni 2009, er habe wegen Dahinfallens des
Geheimhaltungsinteresses die Einträge aus der Fichen-Datenbank
Isis gelöscht. Zu Gesicht bekam Lanz bloss eine knappe
Zusammenfassung der Einträge. Die GPDel hält dazu fest: "Der
DAP gab den Inhalt der Isis-Daten von A. L. nur in geraffter Form
wieder, anstatt A. L. vollständig Auskunft zu erteilen, wie es das
Datenschutzgesetz vorschreibt." Lanz insistierte und forderte eine
anfechtbare Verfügung. Erst auf mehrfache Intervention hin erhielt
sie am 21. Oktober 2010 eine von NDB-Direktor Markus Seiler
unterzeichnete Verfügung. Ihr Begehren wurde abgelehnt.
Begründung: Man könne keine Auskunft erteilen, da die Daten
gelöscht seien.
Odyssee einer Fiche
"Da stimmt etwas nicht", sagt Lanz' Anwalt Guido Ehrler. So
zitiere der im Juni 2010 erschienene GPDel-Bericht detailliert aus der
Fiche, die angeblich ein Jahr zuvor gelöscht worden sei. Ausserdem
bestehe der gesetzliche Auftrag, gelöschte Fichen zur Aufbewahrung
dem Bundesarchiv zu übergeben. "Es müssen also noch Daten zu
Frau Lanz vorhanden sein", sagt Ehrler. Er hat deshalb beim
Bundesverwaltungsgericht eine Beschwerde gegen die Verfügung des
NDB eingereicht.
Laut dem Nachrichtendienst konnten die Geschäftsprüfer
aus der Fiche zitieren, weil sie eine Kopie der zu löschenden
Daten erhalten haben. Nach der Löschung aus dem Isis-System wurden
die Daten nicht direkt dem Bundesarchiv übergeben, sondern in
einem Archivierungsmodul zwischengelagert. Wenn sich dort genügend
Daten angehäuft haben, werden sie gebündelt dem Bundesarchiv
übergeben. Das wird laut NDB-Sprecher Felix Endrich
frühestens Ende 2011 der Fall sein. So lange hat der NDB keinen
Zugriff mehr auf die Daten.
Und was geschieht, wenn Anni Lanz' Fiche endlich im Bundesarchiv
angekommen ist? "Dann muss Frau Lanz beim Bundesarchiv ein Gesuch um
Einsichtnahme stellen", sagt Endrich. Das Bundesarchiv wird das Gesuch
dann zur Beurteilung weiterleiten - an den Nachrichtendienst.
Das Vertrauen verloren
Der Bundesrat hat sich inzwischen dafür ausgesprochen, dass
fichierten Personen nur noch in Ausnahmefällen die Einsicht
verweigert werden darf. Ob das Parlament dem Ansinnen folgt, ist
ungewiss. Erst im Februar hat der Nationalrat eine Motion von Susanne
Leutenegger Oberholzer (SP, BL) klar abgelehnt, die ein solches
Einsichtsrecht forderte.
Anni Lanz hat derweil das Vertrauen verloren, dass sich beim
Staatsschutz etwas zum Besseren wenden wird. "Nach jeder
Fichenaffäre heisst es, man mache jetzt alles besser. Und dennoch
verweigert man mir die Einsicht in meine eigene Fiche, obwohl kein
Geheimhaltungsinteresse mehr besteht", sagt sie. Ihre Fiche, in die
Geheimdienstleute, Geschäftsprüfer und Datenschützer
Einsicht nehmen konnten, lagert derweil irgendwo in den Räumen der
Bundesverwaltung. Zugriffsicher, wie der Nachrichtendienst betont.
Im Sommer wurde bekannt, dass der Inlandgeheimdienst Daten von
Zehntausenden Personen auf Vorrat gesammelt hat, obwohl das illegal
ist. Dies förderte ein Bericht der
Geschäftsprüfungsdelegation des Parlaments zutage. Demnach
hat sich der Dienst vor allem dem Sammeln der Daten gewidmet, anstatt
zu prüfen, ob sie staatsschutzrelevant sind. So wurden gut 200
000, zumeist ausländische Personen registriert. Der Bundesrat
reagierte im Oktober auf die neue Fichenaffäre. Er verordnete eine
strengere Kontrolle bei der Datenerfassung, verfügte die
Überprüfung bereits gesammelter Daten und stoppte die
automatische Erfassung von Personendaten an der Grenze.(daf)
---
WoZ 9.12.10
Politour
Bespitzelungen
Bereits zum dritten Mal führt attac Bern eine
Suppenznacht-Reihe durch. Der Titel der diesjährigen
Veranstaltungen lautet: "Macht Alter nativen!" Mit warmer Suppe im
Bauch wird nach einer kurzen Einführung zu verschiedenen Themen
diskutiert. Das nächste Thema: "Fichenaffäre und
Nestlégate".
Bern aki, Alpeneggstrasse 5, Mi, 15. Dezember, 19 Uhr.
---
La Liberté 9.12.10
La gauche vaudoise veut en savoir plus sur le "fichier clandestin" de
la police
Protection des données ● Dans une motion commune, les
députés socialistes, Verts et A Gauche toute!
réclament l'interdiction du fichage à caractère
politique.
Michaël Rodriguez
Les groupes socialiste, Vert et A Gauche toute! ont
déposé avant-hier une motion pour interdire la
récolte d'informations sur "l'engagement politique ou l'exercice
des droits découlant de la liberté d'opinion,
d'association et de réunion".
La gauche veut aussi que le Conseil d'Etat explique dans un
rapport quel type d'informations figurent dans ce fichier, quelle est
sa base légale, si les personnes concernées ont le droit
d'y accéder, de rectifier des informations erronées.
"Toutes ces questions posent de graves problèmes en
matière de protection de la personnalité et de respect
des libertés fondamentales du citoyen", écrivent les
élus de gauche.
Le Château admettait jeudi dernier l'existence d'une base
de données informatique recensant des personnes jugées
dangereuses pour la sécurité de l'Etat de Vaud. En font
partie, notamment, certains "quérulents". La Police cantonale
refuse de préciser le contenu de ces fiches, qui ne reposent sur
aucune base légale spécifique (notre édition de
mardi). Un "fichier clandestin", pour Jean-Michel Dolivo (agt).
Certains renseignements sont transmis aux polices municipales, a
dit le Conseil d'Etat. Béatrice Métraux (Verts)
s'interroge: "Les polices municipales, hormis celle de Lausanne, n'ont
aucune compétence judiciaire." Se souvenant des débats
sur le Nestlégate et la vidéosurveillance, Cesla Amarelle
(ps) s'étonne: "Le Conseil d'Etat nous a à chaque fois
assuré que tout était en ordre!"
Selon la loi vaudoise sur la protection des données
entrée en vigueur en 2008, le fichier dénoncé par
la gauche aurait dû figurer au registre des fichiers... qui
n'existe pas. La faute à un problème de
"développement informatique", dit Christian Raetz,
préposé à la protection des données. Ce
registre devrait voir le jour d'ici à cet été.
---
La Liberté 7.12.10
L'affaire des fiches fait des petits
Surveillance ● Vingt ans après le scandale des fiches,
l'histoire se répète-t-elle à l'échelle
vaudoise? La police cantonale exploite une base de données dans
un flou quasi total. Le Château l'admet discrètement.
Michaël Rodriguez
C'est un aveu discret qui risque de faire du bruit. En réponse
à une intervention parlementaire, le Conseil d'Etat vaudois
admet que la police cantonale tient des fiches. Une activité
exercée dans un flou quasi total: aucune base légale ne
fixe le type d'informations recueillies, le cercle de leurs
destinataires et les modalités de contrôle.
Fiches cantonales
Ces révélations sont un effet indirect de la
découverte, en juin dernier, de nouvelles fiches
fédérales. Suite à cet épisode, le
député Jean-Michel Dolivo (A Gauche toute!) a
déposé en août une interpellation au Grand Conseil
vaudois au nom de l'ensemble de la gauche. Dans la réponse du
Conseil d'Etat, on apprend que la police cantonale ne s'est pas
limitée à recueillir des informations sur mandat des
Renseignements fédéraux. Elle a aussi constitué
ses propres fiches. "Par souci de transparence, le Conseil d'Etat
précise que la police cantonale dispose d'une base de
données informatique en lien avec la protection de l'Etat
cantonal", écrit le Château.
Ce fichier est exploité par la division des Renseignements
généraux de la police de sûreté. "Les
données saisies sont détruites au bout de cinq ans, par
analogie à celles liées à la protection de l'Etat
fédéral", précise le Conseil d'Etat. Les
données ne sortent pas des Renseignements
généraux. Sauf exceptions: "Il arrive que la police
cantonale fasse parvenir certains renseignements aux polices
municipales", indique le gouvernement.
Le contrôle de l'exploitation des fichiers est effectué
par la hiérarchie de la police cantonale. Le
préposé cantonal à la protection des
données, Christian Raetz, n'a été mis au parfum
que récemment: cet été selon
l'intéressé, en octobre seulement selon la police
cantonale. La commission de gestion du Grand Conseil n'était pas
informée.
Les fiches, 20 ans après
Vingt ans après le scandale des fiches, l'histoire se
répète-t-elle à l'échelle vaudoise? "La
situation au cours de ces 20 dernières années a
considérablement changé", répond le
Département de la sécurité et de l'environnement
(DSE) dans un courriel. "La surveillance de ce type de fichiers s'est
sensiblement renforcée. L'administration s'est dotée de
procédures plus rigoureuses pour les gérer afin de
respecter les nouvelles exigences légales."
C'est vrai en théorie. Le problème, c'est que
l'exploitation du fichier cantonal ne repose justement sur aucune base
légale spécifique. La question préoccupe le
préposé cantonal à la protection des
données, qui prépare une prise de position à ce
sujet. "Dans ce genre de cas, on a affaire à des données
sensibles, où le risque de dérapage est loin d'être
nul, estime-t-il. C'est un type d'activités qui
mériterait d'être cadré par une base légale
claire, comme ça l'est au niveau fédéral."
"Non-droit"
Pour Bertil Cottier, professeur de droit de la communication à
l'Université de la Suisse italienne et à
l'Université de Lausanne, il s'agit même d'une exigence.
"Ce fichier est un électron libre qui vit dans une existence de
non-droit", lance-t-il après avoir pris connaissance du texte du
Conseil d'Etat. "Il n'est fondé sur aucun acte du parlement, ni
même du gouvernement. C'est lacunaire."
Selon Bertil Cottier, il faudrait définir dans une base
légale le type d'informations collectées, les
modalités d'accès des personnes concernées, le
cercle des destinataires ainsi que les modalités de
contrôle. Les cantons ont en outre l'obligation de soumettre le
règlement d'exploitation de leur base de données à
la Confédération. Une mesure prévue par la Loi
fédérale instituant des mesures visant au maintien de sur
la sécurité intérieure (LMSI), adoptée en
1997.
"La police cantonale est d'avis que plusieurs bases légales
justifient en l'état l'existence d'une base de données
cantonale", répond son porte-parole, Jean-Christophe Sauterel,
qui mentionne la Constitution vaudoise, la loi sur la police cantonale
et le Code de procédure pénale.
Quérulents fichés
Depuis quand ce fichier existe-t-il? "Je ne sais pas, répond
Jean-Christophe Sauterel. C'est quelque chose de relativement ancien,
et qui a évolué avec le temps." Le porte-parole n'est pas
plus disert sur le type d'informations recueillies. "Le seul exemple
que je puisse donner, c'est que ce fichier contient notamment des
informations liées aux quérulents, qui peuvent avoir des
comportements violents." Le porte-parole de la police mentionne la
tuerie perpétrée au Parlement zougois en 2001.
"La base de données cantonale ne sert pas à une
surveillance politique, assure Jean-Christophe Sauterel. Le citoyen qui
exerce ses droits politiques et démocratiques
conformément à la loi n'a pas de risque de se retrouver
dans cette base de données."
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BIG BROTHER SPORT
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NZZ 9.12.10
Grünes Licht für weitere Kantone
Hooligan-Konkordat
fel. Lausanne · Das Bundesgericht hat auch für den
Beitritt der Kantone Basel-Stadt, Basel-Landschaft, Luzern und Tessin
zum Konkordat über Massnahmen gegen Gewalt anlässlich von
Sportveranstaltungen grünes Licht gegeben und die dagegen
gerichteten Beschwerden einstimmig abgewiesen. In den vier Urteilen der
I. Öffentlichrechtlichen Abteilung wird auf einen früheren
Entscheid verwiesen, der den Kanton Zürich betraf. Darin war
bereits festgestellt worden, dass die im Konkordat vorgesehenen
Massnahmen mit der Europäischen Menschenrechtskonvention vereinbar
sind (NZZ 14. 10. 10). Ausschlaggebend ist, dass Rayonverbote,
Meldeauflagen und Polizeigewahrsam keinen strafrechtlichen Charakter
haben und daher weder gegen den in der Bundesverfassung verankerten
Vorrang des Bundesrechts (Art. 49) noch gegen die Unschuldsvermutung
verstossen.
Urteile 1C_50/2010, 1C_16/2010, 1C_278/2009 und 1C_94/2009 vom
16. 11. 10
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Le Matin 9.12.10
LES EXEMPLES BERNOIS ET BÂLOIS
FOOTBALL Le commandant de la police neuchâteloise,
André Duvillard, estime que chacun doit y mettre du sien pour
juguler le hooliganisme.
Renaud Tschoumy
VIOLENCESNEUCHÂTEL-SION
Depuis le début de notre enquête dans les milieux
des ultras et des hooligans, tant les responsables de la
sécurité de la Swiss Football League que ceux des clubs
répètent la même chose: ils ne peuvent pas se
substituer à la police. Mais que fait-elle, cette police?
Est-elle si inefficace que cela? Commandant de la police
neuchâteloise, André Duvillard, qui est allé en
France pour réaliser une étude sur la violence dans les
milieux sportifs, est bien placé pour en parler.
"J'ai suivi l'enquête du "Matin" sur les interdits de
stade, lance-t-il en préambule. Je constate que tout le monde
est d'accord sur un point: identifier les fauteurs de troubles et les
interdire de stade n'est pas difficile. C'est lorsqu'il s'agit de faire
respecter la mesure qu'il doit y avoir une collaboration
complète et parfaite entre les clubs, les groupes de supporters
et la police. "
LES LIMITES DES STADIERS
André Duvillard sait que pas mal de choses restent
à faire dans ce domaine. "Certains clubs travaillent très
bien. Les exemples de Young Boys et de Bâle sont ceux que l'on
doit suivre. Ces clubs ont leurs propres services de
sécurité, qui se déplacent avec les supporters et
les spotters(ndlr: les policiers affectés à la
surveillance des ultras et aux relations avec ceux-ci). Ils connaissent
les fans, ils savent qui a le droit d'entrer ou non au stade, il existe
un dialogue. " Le commandant de la police neuchâteloise
reconnaît aussi que "si un interdit de stade achète un
billet dans une zone neutre, comme la zone familles, il ne sera pas
repéré à l'entrée. On ne peut pas demander
au stadier saint-gallois ou bernois de connaître tous les
interdits du pays. Et ce n'est pas précisément aux
caisses familles que les spotters exercent leur surveillance. D'un
côté, j'aurais presque envie de dire que si ce mouton noir
assiste tranquillement à son match, il ne dérange
personne. Après, s'il rejoint son groupe pour castagner,
ça devient autre chose. "
LE PROBLÈME S'EST DÉPLACÉ
Pour beaucoup, la seule solution consiste à obliger les
interdits de stade à se présenter à un poste de
police au moment du match. "C'est une solution, et on a tendance
à dire qu'elle fonctionne bien en Angleterre, admet André
Duvillard. Mais en fait, elle a déplacé le
problème, puisque les hooligans ont investi les stades de
séries inférieures à un moment où leur club
de Premier League n'est pas engagé. "
Le patron des policiers neuchâtelois reconnaît aussi
que "tout le monde doit y mettre du sien". Il ajoute: "On doit
être plus présents lors des déplacements,
repérer les meneurs, que nous connaissons, à leur
départ, et empêcher ces agitateurs d'exercer leur
influence sur les moutons qui les suivent. "
Il constate, comme tout le monde, que… tout le monde justement se
renvoie la balle. "On sent un peu un manque de confiance
général. C'est aux clubs qu'incombe la
responsabilité première des interdits, la police
n'intervenant qu'à titre subsidiaire. Mais après, ces
clubs se plaignent que la sécurité coûte cher. Et
on a beau fouiller, on voit le nombre de fumigènes que les
supporters arrivent à entrer dans les stades. Le problème
n'est pas encore résolu sur le fond, même s'il ne concerne
que quelques centaines de personnes en Suisse, mais je veux croire
qu'on progresse. Et puis, après la flambée d'il y a cinq
ou six ans, la violence me semble en stagnation depuis deux saisons.
J'y crois, j'espère. Mais il faut se montrer ferme de tous les
côtés. "
DOMENICANGELO MASSIMO (FC SION) "moins on voit les policiers,
MOINS IL Y AURA DE PROBLÈMES"
Domenicangelo Massimo est catégorique: "Moins on voit les
forces de l'ordre, moins il y aura de problèmes et mieux
ça fonctionne. Je suis convaincu qu'il vaut mieux quelques
policiers pour aiguiller les supporters adverses à la gare de
Sion plutôt qu'une trentaine en tenue de combat. Ceux-là
sont présents aussi, mais cachés, prêts à
intervenir au cas où. Mais ils n'ont pas à le faire
à Sion, puisque les fans adverses sont escortés de leur
train jusqu'à leur tribune, sans la moindre chance de croiser
les ultras valaisans. "
LES DELTA CACHÉS
Le directeur général sédunois a un souvenir
précis en tête: "Au printemps dernier, on a reçu
Bâle une semaine après les castagnes entre supporters
bâlois et zurichois. Sur Internet, le bruit a vite couru que des
membres de Delta(ndlr: une compagnie de sécurité
privée)voulaient venger l'un des leurs et venir à Sion
casser du Bâlois(sic). On en a discuté avec le
vice-président bâlois Bernhard Heusler avant leur
arrivée. Il m'a dit: "Je viens avec toi, on va parler aux
supporters bâlois, mais par pitié, dis aux Delta de se
cacher. " Les 21 Delta ne se sont donc pas montrés, nous sommes
allés au-devant des fans bâlois, et tout s'est bien
passé. Ce jour-là, je suis convaincu que cela aurait pu
dégénérer si les forces de l'ordre ou de
sécurité avaient été plus visibles.
"éR. Ty
CHRISTIAN SCHÖTTLI (sfl)"on a besoin de l'aide de tout le
monde, donc de la police"
Délégué de la commission de
sécurité de la Swiss Football League (SFL),Christian
Schöttli (photo)ne cesse de marteler qu'"on a besoin de l'appui de
tout le monde, donc de la police aussi". Il précise sa
pensée: "On sait que les fumigènes représentent un
des gros points noirs en matière de sécurité,
j'estime que la police doit être plus active qu'elle ne l'est
actuellement. Ce n'est pas aux préposés de la
sécurité dans les stades d'agir ou de réagir. La
police doit être présente, prendre des noms, des
dépositions et des photos. Il n'y a que de cette manière
que le dossier de la sécurité pourra avancer. " Et, quant
aux relations avec les interdits de stades: "Les dirigeants de clubs
connaissent leurs interdits. Mais il faut que cette connaissance soit
élargie à tous les niveaux. Si l'on veut qu'au bout de la
chaîne, le préposé à la
sécurité puisse reconnaître les interdits
lorsqu'ils se présentent à l'entrée d'un stade, la
police et les spotters(ndlr: policiers affectés à la
surveillance des ultras)doivent tous travailler avec les clubs. "
La reconnaissance des interdits de stade et, donc, la
sécurité dans les stades, est à ce prix.
éR. Ty
RAPPEL DES FAITS
Ils peuvent être interdits de stade ou de patinoire pour
violences ou allumage de fumigènes, ils n'en réussissent
pas moins à aller au match pour braver les interdits. Suite de
l'enquête du "Matin" dans les milieux des ultras et des hooligans.
DERBY NE XAMAX - SION: UN DÉFI À RÉUSSIR
Les supporters sédunois, qui viennent traditionnellement
en car à Neuchâtel, ont mis sur pied un train
spécial pour le derby Xamax - Sion de dimanche (16 h) à
la Maladière. "C'est une première, mais nous sommes
prêts, assure André Duvillard. L'avantage d'un train, par
rapport à l'autocar, c'est qu'on sait où et quand il
arrive. Après, il suffit d'aiguiller les supporters. "
Pourtant, le 23 octobre dernier, les ultras lucernois avaient
réussi à échapper à la vigilance des
policiers à la gare de Neuchâtel, et ils étaient
"tombés" sur le restaurant où les fans neuchâtelois
ont leurs habitudes, à proximité immédiate du
stade. Le baston avait été inévitable, et les
membres des fan-clubs neuchâtelois s'étaient ouvertement
plaints de la désinvolture de la police ce jour-là.
Travail en amont
"Des mesures ont été prises depuis, assure le
commandant neuchâtelois. Notre premier défi, dimanche,
sera de bien entourer et diriger les supporters valaisans, comme nous
l'avons fait depuis avec ceux de Young Boys et de Bâle. Nous
arrêtons même la circulation pour permettre le passage du
groupe de supporters. "
Tout devrait donc bien se dérouler dimanche, "puisque nous
travaillons bien en amont avec les deux clubs". éR. Ty
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Le Matin 8.12.10
"NOTRE PROBLÈME, Ce sont LES FUMIGÈNES"
FOOTBALLLes responsables des deux clubs romands, Philippe Salvi
(NE Xamax) et Domenicangelo Massimo (Sion), dressent le même
constat. Et ils disent ne pas pouvoir se substituer à la police.
Renaud Tschoumy
SUPER LEAGUENEUCHÂTEL-SION
Interdits de stade ou de patinoire? Mon œil. Tous peuvent
continuer d'aller au match sans problème. Ils allument des
torches ou se lancent dans la bagarre au risque de voir leur peine
aggravée. Les clubs? Ils font ce qu'ils peuvent. Mais ils sont
surtout là pour payer les amendes relatives aux infractions
constatées week-end après week-end.
20 À XAMAX, 51 À SION
"On ne peut pas se substituer à la police, se lamente
Philippe Salvi, directeur général de NE Xamax. Nous ne
sommes pas les services secrets. Notre mission, outre mettre sur pied
une équipe pro qui puisse constituer un phare pour la
région, consiste à éduquer nos juniors, pas des
salopards(sic!)qui flanquent notre travail en l'air. "
Son alter ego du FC Sion, Domenicangelo Massimo, le rejoint: "On
fait le maximum, en collaboration avec la police, pour que tout se
passe bien. Mais comment assurer que rien n'est entré dans le
stade quand il n'existe aucune base légale nous permettant de
procéder à des fouilles approfondies? Seule la police est
autorisée à le faire, mais ce n'est pas elle qui
fonctionne aux entrées: c'est un peu le serpent qui se mord la
queue. "
Du coup, les supporters dissimulent souvent leurs
fumigènes dans leurs sous-vêtements, voire plus
profondément encore. Oui. Conséquence: les clubs passent
à la caisse. Et c'est ensuite que les interdictions de stade
pleuvent, si tant est que les responsables puissent être
débusqués. Xamax compte en ce moment environ 20 ultras
actuellement suspendus, Sion très exactement 51.
Salvi et Massimo se rejoignent sur un point central: les
fumigènes. Tous deux disent que c'est leur plus grand
problème. "On a peu de bagarres autour de Tourbillon, parce que
les supporters adverses sont encadrés dès leur
arrivée en gare et escortés jusqu'au stade,
précise le dirigeant valaisan. Mais après, comment
voulez-vous être efficace lors d'une fouille sommaire quand
300 personnes se présentent en même temps
à l'entrée à une demi-heure du coup d'envoi?
Impossible. "
UNE CHARTE, MAIS POURQUOI?
C'est du pareil au même à Neuchâtel. "Et un
fumigène est une véritable arme qui peut être
fatale, ajoute Salvi. C'est normal qu'on interdise ces engins
pyrotechniques, et c'est normal qu'on interdise de stade ceux qui en
utilisent. C'est vraiment bête, d'autant qu'à mes yeux ces
fumigènes sont dépassés. Il n'y a qu'à
regarder les grands matches: il y a une ambiance incroyable sans tous
ces artifices. "
Les dirigeants prônent le dialogue. "On a des contacts avec
nos deux fan-clubs, confirme Salvi. Et on connaît tous les
interdits de stade de notre club. Mais, encore une fois, on ne peut pas
tout faire. Un club peut aider, appuyer une action, mais il ne peut pas
tout résoudre. Et puis, même si nos fan-clubs ont
signé une charte, on ne pourra jamais empêcher certains
agitateurs d'intégrer leur groupe et de profiter de la masse
pour se livrer à des actes répréhensibles. "
La meilleure solution? Philippe Salvi et Domenicangelo Massimo
sont d'accord: obliger les interdits de stade à aller pointer
à un poste de police à l'heure du match. Et le dirigeant
neuchâtelois souhaite que le montant des amendes et les
suspensions fassent réfléchir les plus
récalcitrants: "Un récidiviste neuchâtelois qui a
été attrapé a passé une journée au
poste et a manqué une journée de travail, j'espère
que cela le fera réfléchir. Et récemment, un
interdit de stade lucernois a été pincé à
la Maladière. Son interdiction a été
prolongée à deux ans, et il a été
condamné à 60 jours-amendes à
80 francs(soit 4800 francs)sans sursis. "
N'y a-t-il donc que la répression, toujours plus
sévère, pour empêcher les interdits de braver
l'interdit? Visiblement oui.
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Rappel des faits
Ils peuvent être interdits de stade ou de patinoire pour
violences ou allumage de fumigènes, ils n'en réussissent
pas moins à aller au match pour braver les interdits. Suite de
l'enquête du "Matin" dans les milieux des ultras et des hooligans.
L'ARGENT, SOURCE DE TOUS LES MAUX
A Neuchâtel, le président Bernasconi se bat contre
les autorités locales et cantonales pour que les coûts des
interventions policières en dehors du stade ne soient pas
facturés à son club. A Sion, ce n'est pas le cas, mais le
club ne peut pas non plus grever son budget en frais de
sécurité. Quoi qu'il en soit, les deux clubs investissent
des centaines de milliers de francs par saison pour couvrir les frais
de sécurité. Tout ça pour… pas grand-chose, dans
le fond. "Prenez le cas de Saint-Gall, lance Domenicangelo Massimo. Le
club injecte entre 60 000 et 90 000 francs par match pour
assurer la sécurité dans et aux abords de l'AFG Arena.
Résultat? La Société du Stade et le club ont
frôlé la faillite il y a quelques semaines. Au bout d'un
moment, on ne peut pas tout régenter, ni tout assumer. " Et
c'est bien là le nœud du problème. Un nœud pour l'instant
inextricable. éR. Ty
LA BIOMÉTRIE? IMPOSSIBLE, APPAREMMENT
Hier, dans nos colonnes, le chef du Bureau du hooliganisme en
Suisse, Christoph Vögeli, parlait d'introduire la biométrie
- donc la reconnaissance du visage, via des cartes de supporters
officielles sur lesquelles figurent les photos des possesseurs des
cartes en question - pour reconnaître les gens à
l'entrée des stades. Seul problème: le coût
d'installation d'un tel système. "Cette décision ne nous
incombe pas, dans la mesure où nous sommes locataires du stade",
argue Philippe Salvi, qui renvoie la balle à la ville de
Neuchâtel, propriétaire de la Maladière.
"Il faut se rendre compte des infrastructures que cela
représente, lance pour sa part Domenicangelo Massimo. Je n'ai
aucune idée du chiffre que cela peut représenter, mais
à Sion, on n'a pas l'argent pour se lancer dans une telle
entreprise. Et cela veut aussi dire que chaque supporter devra accepter
d'être fiché. " Et il n'y a rien de tel pour faire
déserter les stades.
Le directeur général sédunois cite un
exemple: "En début de saison 2006-2007, un essai avait
été effectué. Chaque supporter en
déplacement devait décliner son nom et présenter
sa carte d'identité pour pouvoir acheter un billet.
Résultat? A Grasshopper, une cinquantaine de fans de Sion
avaient joué le jeu, mais ils étaient 300 dehors à
ne pas l'avoir fait et à menacer de tout casser pour entrer dans
le vieux Hardturm. Ils ont fini par pouvoir assister au match, aucun
incident ne s'est produit… mais avant Noël, on avait interrompu
l'expérience. " Preuve que la formule magique n'existe pas.
éR. Ty
LA SÉCURITÉ COMPTERA POUR AVOIR SA LICENCE
Jusqu'à présent, pour obtenir sa licence de Super
League, il fallait que le club soit net selon quatre critères:
d'abord, au niveau financier; ensuite, au niveau administratif; puis au
niveau de ses infrastructures; enfin, au niveau sportif. Mais un
cinquième point a été ajouté par la Swiss
Football League pour la licence 2011-2012: il concerne, on vous le
donne en mille, la sécurité. "C'est tout ce que ces
gens(ndlr: comprenez, les fauteurs de troubles)auront gagné,
peste le directeur xamaxien Philippe Salvi. Désormais, on devra
plancher sur un concept de sécurité en plus de tout le
reste pour avoir le droit de jouer en Super League. "
Cela coûte, bien évidemment. Et lorsqu'on sait que
cela n'empêchera pas certains interdits de pouvoir entrer dans
une enceinte, on peut se demander à quoi cela sert. éR. Ty
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ZENSUR
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WoZ 9.12.10
Zensurversuche
Die Polizei klingelt nicht
Im November wurde die Türe des Münchner "Kafe Marat"
von der Polizei mit einem Rammbock aufgebrochen und anschliessend die
Tür zum Infoladen mit einem handlichen Brecheisen geöffnet.
Die dort anwesenden Leute waren ziemlich erschrocken und fragten sich,
wieso die Polizei nicht geklingelt hat. Die Frage war zu kompliziert
und konnte bis heute von der Polizei nicht beantwortet werden.
Sie suchten nach der Ausgabe Nr. 718 der Zeitschrift "Interim"
aus dem Umfeld der Berliner autonomen Szene. In der besagten Nummer
wurde über einen "spurenarmen Molli" berichtet und in
polizeilicher Leseart "öffentlich zu Straftaten aufgefordert".
Woher die Polizei dies weiss, ist bis heute auch nicht beantwortet. Im
"Kafe Marat" sind die Polizisten nicht fündig geworden. Damit sie
nicht mit leeren Händen abziehen mussten, haben sie Rammbock und
Brecheisen wieder mitgenommen.
Auch in Berlin werden seit 2009 in schöner
Regelmässigkeit Buchhandlungen polizeilich durchsucht. Allerdings
wird dort vorher geklingelt. Es betrifft vor allem den Infoladen "M99 -
Gemischtwarenladen für Revolutionsbedarf", die Buchhandlung
"oh*21" und den Buchladen und Verlag "Schwarze Risse", bei dem bereits
neun Mal Flugblätter und Zeitschriften beschlagnahmt wurden. Von
Seiten der Staatsanwaltschaft wird gegen alle drei Buchhandlungen
ermittelt.
BuchhändlerInnen sollen also für den Inhalt der
Schriften, die sie vertreiben, verantwortlich gemacht werden. Macht
sich also jemand strafbar, der dazu aufruft, einen Nazi-Aufmarsch zu
blockieren oder gegen einen Castor-Transport zu demonstrieren?
Verstösst ein Essay von Walter Benjamin gegen das Werbeverbot
für Betäubungsmittel? Auch linke Internetprovider hatten
wegen gehosteten Internetseiten wiederholt Besuch vom Staatsschutz
erhalten.
Die Geschichte kommt einem nicht unbekannt vor. Vor Jahren wurde
auch die linke Buchhandlung Pinkus in Zürich Ziel solcher Razzien.
Gegen die damalige Verantwortliche wurde gar ein Verfahren wegen des
Verkaufs von linken Zeitschriften eingeleitet. Das Verfahren wurde
später mangels Beweisen eingestellt.
Leuten, die sich gegen die staatlichen Zensurversuche in
Deutschland wehren wollen, sei www.unzensiert-lesen.de empfohlen. ibo
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AUSSCHAFFUNGEN
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20 Minuten 10.12.10
Andrang auf Ausschaffungsjob
BERN. Zahlreiche Bewerber wollen im Dienste des Bundesamts
für Migration Ausschaffungsflüge begleiten. Nach diversen
Absagen von Organisationen wie etwa dem Roten Kreuz freut man sich in
Bern über das grosse Interesse bei Privaten. "Auf das
Stelleninserat haben wir viele Rückmeldungen erhalten", sagt
Sprecher Rolf Götschmann. Gesucht werden dreisprachige Personen,
die 25 Flüge pro Jahr begleiten. Angaben zur Ausbildung oder dem
Alter fehlen im Stelleninserat. "Wir haben die Ausschreibung bewusst
offen gestaltet", sagt Rolf Götschmann. Ob jemand geeignet sei,
entscheide man beim Bewerbungsgespräch. Amnesty International ist
mit der mangelnden Eingrenzung im Inserat nicht glücklich: "Es
kann nicht sein, dass am Ende Studenten und Senioren ohne geeignete
Ausbildung Ausschaffungen begleiten", so Pressesprecher Daniel Graf.
---
Blick am Abend 9.12.10
Keine AHV für Ausgeschaffte?
DRAKONISCH
SVP-Hardliner Wobmann will kriminelle Ausländer noch
härter rannehmen.
Kriminelle Ausländer nur auszuschaffen, reicht
SVP-Nationalrat Walter Wobmann nicht: Er will ihnen auch IV- oder
AHV-Renten streichen. Die Schweiz überweist solche Leistungen an
frühere Gastarbeiter aus den EU-Staaten und 13 Ländern, mit
denen sie entsprechende Abkommen hat. Der Anspruch darauf erlischt bei
einer Straftat nicht - genauso wie die AHV eines Schweizer Verbrechers
nicht angetastet wird. Das soll auch so bleiben, finden Wobmanns
Gegnerinnen, die National rätinnen Silvia Schenker (SP) und Ruth
Humbel (CVP). "Es geht nicht an, einen Kriminellen dreimal zu
bestrafen, nur weil er Ausländer ist", sagt Schenker. Humbel
warnt, dass die bilateralen Verträge es verbieten, einem Italiener
oder Portugiesen die Rente zu verweigern. hhs
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Basler Zeitung 7.12.10
Flüchtlingshilfe will Ausschaffungen begleiten
Der Bund sucht per Stelleninserat Organisation, die
Zwangsrückführungen von Ausländern überwacht
Stefan Boss
Die Schweizerische Flüchtlingshilfe bewirbt sich beim Bund
darum, die Ausschaffung von Ausländern begleiten zu dürfen.
"Ein heikles Mandat", wie ihr Generalsekretär selbst einräumt.
Das Bundesamt für Migration, das zum Justiz- und
Polizeidepartement von Simonetta Sommaruga gehört, geht ungewohnte
Wege: Weil sich bisher keine Organisation finden liess, die
Zwangsausschaffungen von Ausländern in Sonderflugzeugen begleiten
will, hat es am Wochenende im Stellenanzeiger "Alpha" ein fast
halbseitiges Inserat geschaltet: Das Amt suche "für die
Einrichtung eines wirksamen Systems zur Überwachung des Vollzugs
der Wegweisungen von Drittstaatsangehörigen einen
Leistungserbringer", heisst es dort in schönstem Juristendeutsch.
Wer interessiert ist - ob Einzelperson oder Organisation -, kann sich
bis 17. Dezember bewerben.
Die Zeit drängt. Ab 1. Januar tritt in den
Schengen-Vertragsstaaten eine Rückführungsrichtlinie in
Kraft. Die Schweiz ist beim Schengen-Vertrag mit von der Partie. Die
neue Richtlinie sieht eine unabhängige Überwachung der
Ausschaffungen vor. Neben der Begleitung von Wegweisungen auf der
höchsten Sicherheitsstufe Level vier, die alle in
Sonderflügen erfolgen, muss der Mandatsträger laut dem
Stelleninserat auch einen jährlichen Monitoringbericht erstellen.
ROTES KREUZ SAGTE AB
Eigentlich wollte der Bund das Schweizerische Rote Kreuz mit der
Aufgabe betrauen. Weil der Organisation das Mandat zu heikel war, hat
sie vor zwei Monaten abgesagt. In die Bresche springen möchte nun
etwas überraschend die Schweizerische Flüchtlingshilfe. "Die
Flüchtlingshilfe hat seit Jahren ein Monitoring der Ausschaffungen
gefordert", sagt ihr Generalsekretär Beat Meiner. Deshalb wolle
sie sich zur Verfügung stellen. Meiner räumt ein, dass es
sich um ein "heikles Mandat" handle. "Wenn etwas schiefläuft,
hängt man zwangsläufig auch mit drin."
Macht sich die Non-Profit-Organisation, die laut Eigenwerbung
"Flüchtlinge schützen" und "Menschenwürde wahren"
möchte, damit nicht zum Gehilfen einer restriktiven
Ausländer- und Asylpolitik? "Zum Asylgesetz gehört auch, dass
ein Teil der Leute wieder gehen muss", sagt Meiner, der bei der
Ausschaffungsinitiative ebenfalls für eine pragmatische Position
votiert hatte: In der Abstimmungsarena plädierte er für ein
Ja zum Gegenvorschlag und ein Nein zur Initiative - und stand damit in
einem Gegensatz zur linken Position des doppelten Nein.
MARTIALISCHE POLIZEI
Er möchte mit der Bewerbung darauf hinwirken, dass bei der
Ausschaffung von Ausländern die Menschenwürde gewahrt wird:
"Im Kanton Zürich und in der Ostschweiz wird zum Teil zu viel
Gewalt angewendet", kritisiert Meiner. Die auszuschaffenden Personen
würden wie Pakete verschnürt und an Rollstühle gebunden.
In der Romandie hingegen würden die Behörden auch bei
Ausschaffungen auf Level vier behutsamer vorgehen. Zudem müssten
ja nicht gleich 15 Polizisten in eine Zelle stürmen, wenn eine
Person ausgeschafft würde. "Für eine Alibiübung geben
wir uns aber nicht hin", betont Meiner. Wenn die Behörden nicht
bereit seien, ihr Verhalten zu überdenken, werde man den Auftrag
nicht annehmen.
Die Flüchtlingshilfe ist nicht die einzige Organisation, die
sich für die Durchführung des Monitorings von Ausschaffungen
interessiert. Es seien bereits zahlreiche Bewerbungen eingegangen, sagt
Marie Avet, Mediensprecherin beim Bundesamt für Migration. Namen
will sie keine nennen. Die Bewerber müssten unabhängig sein
und keine weiteren Mandate für die Migrationsbehörden
innehaben. Dies könnte für die Flüchtlingshilfe
allerdings zum Stolperstein werden. Sie ist auch zuständig
für die Vertretung der Hilfswerke, die bei den Interviews von
Asylbewerbern durch das Bundesamt für Migration jeweils dabei sind.
Für andere Organisationen könnte diese Bestimmung
ebenfalls zum Problem werden - so hat zum Beispiel auch die Securitas
ein Mandat des Bundesamts für Migration. "Deshalb haben wir die
Ausschreibung bewusst offen formuliert", sagt Avet.
Handzahme SVP
Die SVP, die mit ihrer Ausschaffungsinitiative eben einen Sieg
eingefahren hat, gibt sich beim Thema Überwachung der
Ausschaffungsflüge erstaunlich handzahm. Generalsekretär
Martin Baltisser erbittet sich zunächst etwas Bedenkzeit für
eine Antwort. "Wenn ein Monitoringprozess die Akzeptanz von
Ausschaffungen in den Partnerländern erhöht, ist dies - trotz
übertriebener Bürokratie - hinzunehmen", sagt er zwei Stunden
später. Seine Partei sei offen für "pragmatische
Lösungen", hält er fest.
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ANTI-SVP
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Indymedia 7.12.10
Communiqué zur Strassenparty in Lausanne
AutorIn : animal des rues |
übersetzt von : der Wind
(Präzisierungen folgen, hier schon mal das Communiqué:)
Diesen 4. Dezember 2010 feiern wir auf der Strasse und mit Musik die
Verbannung der SVP aus der Stadt Lausanne.
Noch mehr als die "fremdenfeindliche" Partei, von welcher alle sprechen
und als welche sie sich auch darstellt, und zu aller erst ist sie eine
Partei des Grossbürgertums, die der Sache der Bosse und der
Financiers ergeben ist. Die Tatsache, dass sie sich in die
Kleinkriminalität verbissen haben, dient nur dazu, ihre
finanziellen Mauscheleien zu verstecken. Täuschen wir uns nicht,
es geht hier nicht um die Stimme. Die beiden letzten Initiativen der
SVP haben nur einen symbolischen Gehalt. Minarette oder keine zu haben
wird für die meisten von uns nichts ändern. Das Gesetz zur
Ausschaffung "krimineller Ausländer" ist inoffiziell schon lange
in Kraft. Die SVP versucht nur, die Debatte zu monopolisieren, selber
die gesellschaftspolitischen Fragen zu stellen, Agitation zu betreiben,
damit man sich auf die sogenannten Immigrationsprobleme konzentriert,
damit man sich nicht gegen das Schweizer Grossbürgertum, sein
System und seine Mauscheleien, die die wahren Verantwortlichen der
Probleme sind, wendet. Man teilt uns in falschen Konflikten, um besser
über unsere Leben zu gebieten. Die Schlafmützenlinke, die als
erstes in die Falle tappt, stimmt ihre Parolen gegen den Rassismus an,
ohne zu versuchen, den Inhalt der Debatte zu ändern.
Gleichzeitig versucht die Partei der Bourgeoisie weiter, die
Ängste der Blutsverwandten aus der tiefen Schweiz, die in ihrem
Leben nie einen Schwarzen gesehen haben und ob der Vorstellung zittern,
das prinzipielle Problem des 21. Jahrhunderts sei es, ihr Chalet gegen
den Terrorismus eines "erobernden Islams" zu verteidigen, zu
schüren. Hören wir auf, für Idioten gehalten zu werden!
Die letzten Jahre hat Lausanne als die Stadt auf sich aufmerksam
gemacht, wo die Präsenz bourgeoiser Landeier und Rassisten der SVP
nie toleriert wird. Im September 2007 gab die Präsenz der Partei
im Beaulieu Anlass zu einer wunderbaren Strassenparty im Stile einer
grossen Nacht. 2008 protestierten ungefähr gleich viele
Demonstranten wie Bullen Spalier standen in einer gespannten
Atmosphäre gegen ihr Treffen in einem Lokal nahe des Bahnhofs.
Heute, 2010, haben die - beunruhigten - Verantwortlichen der Stadt
Lausanne die SVP auf ein Feld in der Nähe von Rolle, in
irgendeinem Dorf (wo sie auch nicht erwünscht waren), verbannt.
Während wir uns die Strasse für eine Party nehmen, teilt sich
die SVP ein Schlammfeld mit den Fröschen bei
Minustemperaturen...Dieser Match Lausanne vs. SVP endet mit einem
schönen 2-1-Sieg für uns! Fortsetzung folgt...
Gegenüber dem Staat und der kapitalistischen Ordnung, den
Gesetzen, die uns unterdrücken, dem Markt, der uns ausbeutet und
den Traumbrechern links wie rechts werden wir immer Kriminelle sein!
Gegenüber den Patrioten, den guten blutsverwandten Schweizern, den
Nationalisten, die ob allem entsetzt sind, was ihnen nicht ähnelt,
diesem bourgeoisen Land, das nicht unseres ist, werden wir immer
Ausländer sein!
Autonome und andere Strassentiere
--
Präzisierungen nach der Strassenparty ::
AutorIn : Des autonomes et autres animaux des rues
| übersetzt von : der Wind
Quelle: http://www.lereveil.ch
Trotz der Kälte spazierten ungefähr 200 Leute während
einer Stunde durch die Strassen Lausannes zur Musik der DJs an diesem
Abend des 4. Dezembers 2010. Nicht einmal die wiederholten
Provokationen der Ordnungskräfte, die sich zu langweilen schienen,
konnten die Fete trüben: trotz der über zwei Stunden
andauernden Belagerung, die das schlecht gelaunte Bullenpack uns
erdulden liess, werden die Musik und der Glühwein bis zum Schluss
eine festliche Atmosphäre verbreitet und uns bis zum Schluss vor
der Nase der Wachhunde des Staates, die, ihrerseits, sich zu langweilen
schienen, zum Tanzen gebracht haben. Die Party wird bis zuletzt
gedauert haben!
Es ist zu erraten, wie die Strategie der Lausanner Polizei aussieht:
allem die Strasse zu verbieten, was den Rahmen der Politikerpolitik
sprengt, allem, was "wild" scheint"; sogar wenn es nur um eine mobile
Party geht, die kein anderes Unrecht begeht, als Musik zu spielen und
eine klare "antirassistische" Botschaft zu verbreiten. Was war ihr
Ziel? Eine Demonstration der Stärke? Haben sie soviel Angst vor
uns und unserem subversiven Potenzial?
Wie auch immer, die Botschaft bleibt die gleiche, und bezüglich
unserer Motivationen zu dieser festlichen Demonstration verweisen wir
Euch auf unser Communiqué.
Langes Leben für alle Strassennachtschwärmer und
Bullenschläger!
All cops are bastards !
Autonome und andere Strassentiere
Anm.: Es kam zu 115 Festnahmen und scheinbar filmten die Bullen die
ein- und ausgehenden Leute vor einem besetzten Haus (La Hache,
http://www.lahache.ch) den ganzen Tag oder gar länger.
--
Pressefotos der Strassenparty
http://ch.indymedia.org/de/2010/12/79191.shtml
--
Unser Transparent in Coinsins ::
AutorIn : Des autonomes et autres animaux des rues
| übersetzt von : der Wind
Das Transparent, das wir am 3. Dezember an der Place de l'Europe in
Lausanne aufhiengen, um die Strassenparty am 4. Dezember
anzukündigen, erschien in Coinsins am Kongress der SVP...
http://ch.indymedia.org/images/2010/12/79121.jpg
Man solle mir nicht erzählen, das Lausanner Bullenpack spiele in
dieser Geschichte keine Komplizenrolle...
Führen wir den Kampf gegen die Partei der ultraliberalen
Rassisten, die dreckigen Schweine in Uniform und die staatliche
Fremdenfeindlichkeit weiter!
Lausanner Autonome
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ANTI-DEMO
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Weltwoche 9.12.10
Begleitmusik des Krawalls
Die gewalttätigen Demonstrationen der rotgrünen Linken
nach missliebigen Abstimmungen werfen eine grundlegende Frage auf:
Braucht es in einer direkten Demokratie überhaupt das Recht auf
Demonstrationen? Nein. Und schon gar nicht nach Urnengängen.
Von Andreas Honegger
Der politische Chef der Polizei der grössten Stadt der
Schweiz, der grüne Stadtrat Daniel Leupi, soll sich
anlässlich der Ausschreitungen im Nachgang zum letzten
Abstimmungswochenende mit den Demonstrierenden solidarisiert haben. Wir
gehen davon aus, dass er nicht die Chaoten gemeint hat, die einen
gewaltigen Sachschaden in Zürichs Innenstadt hinterliessen, als
sie ihrem Frust um eine verlorene Abstimmung freien Lauf liessen,
sondern dass er sich mit dem Anliegen der "friedlich" Demonstrierenden
identifizieren wollte.
Ob diese Solidarisierung - angesichts der widerlichen Arbeit, die
an solchen Sonntagen auf das Polizeikorps zukommt - sinnvoll war,
möge dahingestellt bleiben. Uns interessiert vielmehr die Frage,
ob es denn in unserer direkten Demokratie überhaupt angeht, nach
verlorenen Abstimmungen zu demonstrieren oder gar zu randalieren.
Die Demonstrationsfreiheit gilt als ein Grundrecht des Volkes.
Und tatsächlich ist es ein wichtiges Instrument im Befreiungskampf
unterdrückter Völker. Wir alle ziehen den Hut vor Leuten, die
in Burma, in China, im Iran auf die Strasse gehen, um gegen das
Unrechtsregime in ihren Ländern aufzubegehren und um
Meinungsfreiheit und demokratische Rechte einzufordern: Ihr Mut ist
gross; grösser noch ihr Drang nach Freiheit.
Antidemokraten auf die Barrikaden
In Regimen, wie etwa in den sozialistischen Staaten, die noch vor
kaum einer Generation halb Europa zu einer Zone der Unfreiheit machten,
oder in den überhandnehmenden Gottesstaaten, in denen staatlicher
Terror die Lehre irgendeines Propheten zum Gesetz erklärt, ist die
Demonstration für bürgerliche Freiheiten nicht nur angesagt,
sondern die eigentliche Pflicht eines jeden, der sein Leben und das
seiner Mitbürgerinnen und Mitbürger nicht in Sklaverei enden
sehen will.
Ganz anders sieht es aber aus in einem Land, in dem die
demokratischen Freiheitsrechte umgesetzt sind, insbesondere in der
direkten Demokratie, wie die Schweiz sie heute kennt. Hier kann man
sich mit einer breiten Palette demokratischer Mittel und zudem mit den
differenziert ausgebauten Instrumenten des Rechtsstaats gegen
Zustände zur Wehr setzen, die man ändern möchte. Dass
man im Vorfeld von Abstimmungen alle demokratischen Mittel einsetzt, um
für seine Sache zu werben und für seine Anliegen Stimmung zu
machen, ist legitim. Nach dem Auszählen der Stimmen jedoch gibt es
für Demokraten am Resultat nichts mehr zu rütteln.
Natürlich passt einem die Mehrheitsmeinung nicht immer, und sie
ist auch nicht "richtig" oder "falsch". Denn das demokratische
Verfahren bestimmt nicht, was "richtig" oder "falsch" ist, sondern was
mehrheitsfähig ist im Staat. Die Vorstellung, dass ein
Volksentscheid "richtig" sein muss nach dem Prinzip "vox populi vox
Dei", ist ebenso verfehlt wie die Annahme, das Wort irgendeines
Propheten von irgendeinem Gott könne den politischen Streit unter
mündigen Menschen ersetzen. Die Demokratie ermittelt die
Mehrheitsmeinung, und gegen die auf die Barrikaden zu gehen, zeugt
nicht von demokratischer Gesinnung, sondern von der Unfähigkeit,
fair zu verlieren. Und für derartig schlechte Verlierer sollte ein
Exekutivpolitiker, dem die Verantwortung für die Polizei, für
das Machtmonopol des Rechtsstaates, anvertraut ist, keine Sympathien
äussern.
Hier zeigt sich auch ein grundlegender Dissens zwischen der
politischen Grundauffassung des links-grünen Lagers und der des
bürgerlich-liberalen Lagers. Hat man je erlebt, dass sich nach
einem Wahl- oder Abstimmungssieg der Linken in der Stadt Zürich
ein wilder Protest erhoben hat? Dass Gewerbetreibende mit ihren
Lieferwagen und ihren Hacken und Schaufeln vors Stadthaus gezogen sind,
um gegen das Abstimmungsresultat zu protestieren? Die etwas kleinere
Hälfte der Stadtzürcher verzichtet auf derartige Massnahmen -
und das nicht nur, weil sie weiss, dass die Stadtbehörden einen
solchen Aufmarsch ohne Zögern dazu nutzen würden, den
Bussenetat um eine erkleckliche Summe zu erhöhen. Nein, die
bürgerlich-liberale Seite ist der Auffassung, die direkte
Demokratie sei erkämpft worden, um Differenzen in geordneten
Bahnen und friedlich beizulegen.
Meinungsfreiheit und Demokratie reichen aus, um die anstehenden
Probleme zu lösen. Bürgerliche Menschen gehen bei uns
traditionell kaum auf die Strasse, um für ihre Sache die Trommel
zu rühren. Sie würden wohl mit der Waffe in der Hand vors
Haus treten, wenn die demokratischen Freiheitsrechte in Gefahr
wären - selbst die ihrer politischen Gegner -, nie aber nur, um
ihre politische Meinung hinauszuschreien. Man hat für eine
demokratisch-rechtsstaatliche Kultur gekämpft und sie erreicht.
Nun will man nicht mehr in die pubertären Rituale der geschrienen
Slogans und der Transparente mit ihren verfälschenden
Verkürzungen zurückkehren. Die direkte Demokratie im
Rechtsstaat bedarf der Demonstrationsfreiheit nicht mehr, sie sollte
eigentlich Demonstrations-frei funktionieren - und dies ganz sicher
nach den Urnengängen!
Rotgrün will den "Druck der Strasse"
Die rot-grüne Seite hingegen verklärt den "Druck der
Strasse", ja sie kultiviert ihn. Zum einen ist es die Nostalgie des
"Klassenkampfs", die hier gepflegt wird, zum andern aber ist es ein
zusätzliches Machtmittel. Man hat wohl seine Mandate in den
Parlamenten und in den Regierungen, dazu aber mobilisiert man die
Strasse, wann immer man es für nötig erachtet. Daraus
resultiert ein völlig unfaires Ungleichgewicht der Kräfte. Im
Prinzip könnte sich die Linke ja schon über die Tatsache
freuen, dass sie die Sympathie fast aller Medien im Lande geniesst -
ein Vorteil, der mit Geld für Inserate nie aufzuwiegen ist.
Die politische "Unzufriedenheit" können die Medien aber nur
dann aufzeigen, wenn sie Kamerateams zu jedem versprengten
Grüppchen Demonstranten senden, das irgendwo im Land nach einem
Multiplikator giert. Und letztlich nehmen die Chaoten in diesem Spiel
ja auch die ihnen zugedachte Rolle wahr: Ohne die laute und
kostspielige Begleitmusik des Krawalls würde sich keine müde
Seele mehr für diese Züglein der organisierten Unzufriedenen
und fahnentragenden Frustrierten interessieren. Darum fällt es der
Linken so schwer, sich von den Gewalttätern zu distanzieren, und
daher setzen die links-grünen Stadtregierungen ihre Machtmittel
nie konsequent genug ein, um Rechtsverletzungen zu verhindern oder zu
ahnden.
Ein Blick über die Grenzen zeigt, dass die umliegenden
Demokratien mit genau den gleichen Problemen kämpfen. Wo es der
Linken in den Parlamenten an Stimmen fehlt, will man mit Hilfe der
"Strasse" dennoch zum Ziel gelangen. Zusammen mit den Gewerkschaften
versucht man, das Land stillzulegen: Kein Tram, kein Zug, kein Flugzeug
soll sich mehr bewegen, bis die gewählte Regierung kapituliert.
Das Staatsverständnis der Linken liest sich so: Die
Bürgerlichen haben ein Stimm- und Wahlrecht und damit hat sich's.
Die Linke hat ebenfalls ein Stimm- und Wahlrecht, dazu aber kann sie
noch praktisch ungestraft die Strasse mobilisieren und politischen
Druck ausüben durch Lähmung der Infrastruktur und durch die
Verursachung immenser wirtschaftlicher Verluste - die natürlich
nicht primär bei der eigenen Klientel anfallen. Bei ungeliebten
Bauvorhaben werden die politischen und rechtlichen Instanzenzüge
ausgeschöpft, und dann versucht man, durch Blockaden und
Besetzungen die Fakten doch noch im eigenen Sinn zu bestimmen.
Die Bürgerlichen in den europäischen Demokratien
müssten sich überlegen, wie sie die Spiesse wieder gleich
lang machen können. In der direkten Demokratie nach Schweizer
Muster hat das Recht auf Demonstration längst ausgedient. Es ist
zu einem zusätzlichen Machtmittel der Linken verkommen, weil die
rechtsstaatliche Demokratie an sich dazu geschaffen wurde, den Kampf
der Strasse durch faire Verfahren der Mehrheitsfindung zu ersetzen. Wer
wählt und stimmt und dann noch seinem Unmut auf der Strasse Luft
macht, verhält sich nach dem arroganten Muster, dass er neben em
Föifer und em Weggli auch noch die Bäckerstochter will.
Andreas Honegger ist Publizist, ehemaliger NZZ-Redaktor und
FDP-Kantonsrat.
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ANTIFA GE
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Indymedia 7.12.10
Rechtsextreme Kundgebungen in Genf verhindert
AutorIn : Le Réveil |
übersetzt von : der Wind
Quelle: https://www.lereveil.ch/rassemblements-d-extreme-droite
Zwei Kundgebungen der Rechtsextremen sollten in Genf stattfinden;
daraus wurde nichts.
Eine Kundgebung gegen das etwas eigenartige Konzept des "Rassismus von
Links", erfunden vom komischen Alain Soral und hier wieder gegeben von
einer "national-revolutionären" Gruppe (Genève non
conforme), in der Tendenz national-bolschewistisch, konspirationistisch
und antisemitisch, sollte diesen Samstag 4. Dezember um 16 Uhr auf der
Place neuve stattfinden. Etwa 30 Leute erwarteten sie. Etwa zehn
Nationalisten zeigten ihre Nasenspitze, sahen jedoch davon ab, ihr
Material auszupacken und sich zu versammeln, als sie feststellten, das
ihnen ein derartiges Empfangskomitee reserviert war.
Um 17.30 Uhr war am gleichen Ort eine Kundgebung zur Feier der
Initiative zur Ausschaffung "krimineller Ausländer"
angekündigt. Gemäss unseren Informationen wurden die
Rassisten, die deswegen aufkreuzten, physisch und verbal von einer
Handvoll Leute angegriffen. Sie konnten vor dem Eintreffen der
Ordnungskräfte flüchten.
In Genf schaffen wir nicht die Ausländer, sondern die Faschisten
aus!
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KNAST
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WoZ 9.12.10
Zwangsernährung
Würgen, Erbrechen, Zittern und das Gefühl, zu ersticken
Wenn politische Gefangene in den Hungerstreik treten, greifen die
Obrigkeiten zur Zwangsernährung. Dabei führt sie oft zum Tod.
Genfer Ärzte zeigen in einem Artikel auf, was aus der
Vergangenheit gelernt werden könnte.
Von Helen Brügger
Die aktuelle Debatte um Zwangsernährung, ausgelöst
durch den Hungerstreik des Walliser Hanfbauern Bernard Rappaz, ist
nicht neu. In vielen Ländern haben zahlreiche Gefangene in der
Vergangenheit zum Mittel des Hungerstreiks gegriffen. Viele von ihnen
sind zwangsernährt worden, mit oder gegen den Willen der
Ärzte. Eine Gruppe von sieben Genfer Ärzt Innen, darunter
Hans Wolff, der behandelnde Arzt von Rappaz (siehe Interview), erinnern
in der neusten Ausgabe der "Revue médicale Suisse" daran, dass
Zwangsernährung nicht nur ein politisches, ethisches und
medizinisches Problem ist, sondern eine Tortur, die mit dem Tod enden
kann.
Der Hungerstreik als letztes Mittel von Machtlosen, schreiben die
ÄrztInnen, wurde erstmals von englischen Frauenrechtlerinnen
eingesetzt. Die Suffragetten, die wegen ihres Kampfs für das
Frauenstimmrecht ins Gefängnis geworfen wurden, galten bis zum
Ersten Weltkrieg für gewisse Ärzte als "abnormal aufgeregte
Individuen", die es gegen ihren Willen zu "behandeln" galt, wenn sie in
den Hungerstreik traten.
Der "Fixierstuhl" von Guantánamo
Was eine Zwangsernährung bedeutet, macht die von der "Revue
médicale" zitierte Aussage einer Suffragette deutlich: "Das
Einführen der Sonde durch die Nase war nur unangenehm. Doch als
sie weiter hinabgestossen wurde, löste sie Würgen, Erbrechen,
Zittern und das Gefühl von Ersticken aus. Im Kampf um Luft
richtete ich mich auf, bis ich aufrecht stand, obwohl ich von vier
Wärterinnen auf den Stuhl niedergedrückt wurde, danach sank
ich erschöpft zurück. Nachdem die Sonde wieder herausgezogen
worden war, hatte ich den Eindruck, asthmatisch zu sein, und konnte nur
ganz oberflächlich atmen. Tief einatmen tat entsetzlich weh. Zwei
Wärterinnen führten mich in die Zelle zurück, dort lag
ich mit qualvollen Schmerzen, die immer stärker wurden."
Die Suffragetten gab es nach dem Ersten Weltkrieg nicht mehr, die
Zwangsernährung wurde weiter angewendet. Etwa gegen
hungerstreikende Mitglieder der Roten Armee Fraktion RAF in der
Bundesrepublik Deutschland, gegen Mitglieder der spanischen Grapo,
gegen IRA-Mitglied Bobby Sands, gegen die demokratische Bewegung in der
Türkei, zuletzt gegen die Gefangenen von Guantánamo, wo die
amerikanische Armee gar den "Fixierstuhl" erfand: einen Stuhl, an den
die Hungerstreikenden gefesselt wurden, um ihnen anschliessend
gewaltsam eine Sonde einzuführen. Dabei ging es weniger um ihre
Rettung als darum, den Protest zu brechen. Die Verantwortung für
die Massnahme lag beim Militärkommandanten, die
Militärärzte entschieden über die Art und Weise der
Zwangsernährung.
In allen Ländern, in denen sie angewandt wurde, löste
die Zwangsernährung ethische, medizinische, juristische und
politische Debatten aus. Im Vorkriegsengland debattierten Ärzte
verschiedene Lehrmeinungen, in Deutschland führte sie zu einer
politischen Polarisierung, in Spanien nötigte ein Entscheid des
Verfassungsgerichts die Ärzte, Zwangsernährungen vorzunehmen.
Besonders intensiv war die Auseinandersetzung zwischen Staatsräson
und medizinischer Ethik in der Türkei.
"Grauenhafter Leidensweg"
Dort organisierte die demokratische Bewegung in den Jahren 1996
und 2000 zwei grosse kollektive Hungerstreiks in den Gefängnissen
und unter den Angehörigen der Gefangenen. Regierung und Justiz
übten massiven Druck auf den türkischen Ärzteverband
aus, der sich gegen die Zwangsernährung ausgesprochen hatte und
seinen Mitgliedern verbot, Hungerstreikende ohne deren Einwilligung
künstlich zu ernähren. Die Regierung drohte den Ärzten
Strafverfolgung an und klagte gegen den Verband.
Als sich die Streiks ausweiteten, machte sich die Regierung
daran, das Strafgesetz zu verschärfen - nur schon der Aufruf zu
einem Hungerstreik sollte mit Gefängnis bis zu zwanzig Jahren
bestraft werden. Insgesamt etwahundert Menschen starben in der
Türkei an den Folgen der kollektiven Hungerstreiks. Der Konflikt
ging bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte,
der den Ärzten recht gab. 2003 ratifizierte das türkische
Parlament eine Konvention, die Betroffenen erlaubt, eine medizinische
Behandlung zu verweigern.
"Man kennt heute das Schicksal von Hungerstreikenden, die einer
Zwangsernährung unterworfen worden sind", fasst die "Revue
médicale" zusammen: "Das Los dieser Menschen, meistens
politische Gefangene, wird als grauenhafter, erniedrigender Leidensweg
beschrieben." Zwangsernährte starben "entweder als direkte Folge
einer falschen Wiederernährung oder als indirekte Folge der
Komplikationen, die die Behandlung auslöste".
Zwangsernährung ist Folter
In der "Erklärung von Malta" hielt der Weltärztebund
WMA schon 1991 fest: "Die Zwangsernährung trotz freiwilliger und
erklärter Verweigerung ist nicht vertretbar." Und der
Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bestätigte in
zwei Urteilen von 2005 und 2007, dass die Zwangsernährung als
Folter betrachtet werden könne, wenn dem Inhaftierten Fesseln
angelegt oder wenn ihm zwangsmässig eine Ernährungssonde
eingelegt werde.
In einem anderen Urteil entschied das Gericht, dass das
Sterbenlassen eines Gefangenen nach einem Hungerstreik "nicht gegen die
Menschenrechte verstösst, weil er während seiner
Gefangenschaft Zugang zur gleichen Behandlung wie in der Freiheit
hatte". Dies schrieb die deutschsprachige Ausgabe der "Schweizerischen
Ärztezeitung" vom 29. September, die sich ebenfalls der
Problematik des Hungerstreiks widmet.
Für die Genfer Ärzte ist klar: Ein Hungerstreik
gehört zum Recht auf Selbstbestimmung, zu den Grundrechten des
Menschen. Und nur "die Unparteilichkeit des Medizinalpersonals und ihre
grundlegende Unabhängigkeit von den Gefängnis-, Justiz- und
Polizeibehörden" könne garantieren, dass den PatientInnen im
Gefängnis die gleiche Qualität der medizinischen Pflege
zuteil werde und sie die gleichen Rechte genössen wie PatientInnen
in Freiheit.
"Jeûne de protestation et alimentation forcée:
relevé de pratiques historiques" in "Revue médicale
Suisse", 1. Dezember 2010: http://revue.medhyg.ch
--
Was Bernard Rappaz' Arzt sagt
"Unabhängig bleiben gegenüber der Justiz"
WOZ: Die Walliser Justiz will Sie zwingen, den Hanfbauern Bernard
Rappaz zwangsweise zu ernähren. Sie haben gegen diesen Befehl vor
Bundesgericht rekurriert. Weshalb?
Hans Wolff: Er ist medizinisch nicht ausführbar. Für
jeden Patienten gilt: Ist er entscheidungsfähig, muss der Arzt
seinen Willen respektieren. Wir dürfen Gefangene nicht anders
behandeln als Personen in Freiheit. Die Antwort des Bundesgerichts auf
meinen Rekurs steht noch aus.
Im August hat das Bundesgericht entschieden, dass die
Strafvollzugsbehörde eine Zwangsernährung anordnen muss, wenn
das der einzige Weg ist, irreversible Schäden oder den Tod des
Gefangenen zu vermeiden…
In dem Entscheid steht auch, dass das unter Respektierung der
medizinischen Standesregeln und der Würde des Betroffenen
geschehen muss. Im vorliegenden Fall ist weder das eine noch das andere
möglich. Wir befinden uns deshalb nicht im Widerspruch zum
Bundesgericht, wenn wir eine Zwangsernährung verweigern. Nur im
Widerspruch zur Interpretation der Walliser Justiz.
Was hat Sie und Ihre KollegInnen dazu veranlasst, sich mit einem
Artikel über historische Fälle von Zwangsernährung an
die Öffentlichkeit zu wenden?
Wir hatten den Eindruck, dass zu wenig bekannt ist, was eine
Zwangsernährung bedeutet. Viele denken, das sei harmlos wie eine
Blutentnahme. Das stimmt nicht. Es ist eine mit grosser Gewaltanwendung
verbundene Handlung. Und sie ist gefährlich. Das Risiko zu
sterben, kann bis zu sechzig Prozent betragen. Unsere Absicht war
nicht, Bernard Rappaz mit den geschilderten Fällen zu vergleichen.
Wir nehmen nicht Stellung zum Kampf von Rappaz.
Wie erleben Sie die Situation persönlich?
Es ist sehr schwierig. Es wäre schwierig genug, wenn ich
mich nicht auch noch gegen die Justiz verteidigen müsste. Als Arzt
will ich dem Patienten helfen, sein Leiden zu lindern. Wenn ein Patient
das verweigert, stellt das die Grundfeste unseres Berufs in Frage. Wir
haben immer und immer wieder, auch von Personen ausserhalb der
Gefängnisabteilung, abklären lassen, ob Rappaz wirklich so
weit gehen will.
Wer kann Rappaz noch retten?
Verschiedene Akteure könnten es, auch er selber. Ich will
dazu jedoch nicht Stellung nehmen. Ich als Arzt kann ihn nicht gegen
seinen Willen retten. Als Gefangener ist mein Patient abhängiger,
verwundbarer als andere. Wenn ich ihn gegen seinen Willen
künstlich ernähren würde, könnte das sein Vertrauen
zu mir zerstören. Schlimmer: Alle Gefängnisinsassen
müssten fürchten, dass Doktor Wolff sie eventuell gegen ihren
Willen behandelt. Deshalb ist es so wichtig, dass die
Gefängnismedizin vollständig unabhängig gegenüber
den Justiz-, Gefängnis- und Polizeibehörden handeln kann. In
der Schweiz ist das erst in drei Kantonen garantiert: Genf, Waadt und
Wallis.
Geht es im Konflikt um einen Kampf zwischen den Prinzipien der
Justiz und den Prinzipien der Medizin, bei dem das Individuum auf der
Strecke bleiben könnte?
Das ist ganz und gar nicht so. Meine erste Sorge gilt meinem
Patienten, nicht irgendwelchen Prinzipien. Darüber hinaus geht es
um eine grundlegende Frage. Wenn mir heute die Justiz vorschreibt, wie
ich einen Gefangenen behandeln muss, kann sie oder irgendeine andere
Instanz mir morgen vorschreiben, wie ich einen übergewichtigen
Patienten gegen seinen Willen behandeln muss. Das ist gegen die
Grundrechte der Patienten und darf von einem Arzt niemals akzeptiert
werden.
Interview: Helen Brügger
Hans Wolff ist der behandelnde Arzt von Bernard Rappaz in der
Gefängnisabteilung des Genfer Kantonsspitals.
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Indymedia 7.12.10
AutorIn : knast-soli
Befristeter Hungerstreik der Gefangenen gegen Zensur und Isolation
http://ch.indymedia.org/media/2010/12//79183.pdf
Solidaritaet mit den kaempfenden Gefangenen -Gegen Isolation und
Zensur!
Seit April sitzen die italienischen Anarchist/innen Billy Bernasconi,
Costatino Ragusa und Silvia Guerini in verschiedenen Knaesten der
Schweiz in U-Haft. Ihnen wird vorgeworfen, einen Anschlag auf die
Baustelle eines Forschungsgebaeudes der IBM geplant zu haben.
Zusammen mit Billy und Silvia befindet sich der anarchistische
Gefangene Marco Camenisch, der bereits seit 20 Jah ren hinter Gittern
sitzt, vom 6.-8. Dezember in einem be fris tet en Hungerstreik
gegen die Isolation und politische Zensur, der sie im Knast aus gesetzt
sind.
Billy, Costa und Silvia sitzen in Knaesten von Biel, Thun und Bern.
Marco wurde Anfang Oktober nach Bochuz/Orbe im Waadt land verlegt. Die
Verlegung ist als Strafe fuer seine ungebrochene politische Haltung und
fuer die zahlreichen Solidaritaets be kun dung en von draussen zu
verstehen.
Politische Zensur bedeutet in diesem Fall, dass Billy, Costa und Silvia
keine politischen In formationen er halt en. Weder Buecher noch
Zeitschriften oder Flugblaetter linker Bewe gung en werden den
Gefangenen aus gehaendigt. Zudem wird jegliche Kor re spon denz mit
Freund/innen und Genoss/innen draussen durch re striktive und
langwierige Zensur mass nah men erschwert, wenn nicht gar
verunmoeglicht.
Der Hungerstreik ist ein Akt der Solidaritaet - mit allen anderen kaem
pfen den Gefangenen weltweit und als Beitrag zum alljaehr lich en
Kongress gegen Isolation, der vom 4.-5. De zember in Wien stattfindet.
Durchbrechen wir die Isolation - Power durch die Mauer bis sie bricht!
Solidaritaet ist unsere Waffe!
Freund/innen und Unterstuetzer/innen von Marco Camenisch
Dezember 2010
Weitere Informationen: http://www.ipai-isolation.info
-
http://www.rhi-sri.org
- http://www.freiheitx3.ch.vu
---
Indymedia 7.12.10
Hungerstreikerklärung von Marco Camenisch ::
AutorIn : knast-soli
Erklärung von Marco Camenisch zum Hungerstreik von Billy, Marco
und Silvia vom 6.-8. Dezember 2010
Von Herzen und in Gedanken mit der Initiative 6.-12- Dezember 2010 in
Solidarität mit Costa, Billy und Silvia und gegen Isolation mache
ich einen kurzen symbolischen Hungerstreik von 3 Tagen, vom 6.-8.
Dezember 2010. Als kleines Moment eines kollektiven Kampfes gegen die
dreiste und extreme Entziehung und Behinderung der politischen
Kommunikation/Information, welcher die schweizerische
Bundesanwaltschaft und repressive HandlangerInnen in den
Gefängnissen unsere Genossin und Genossen unterzieht. Ein Kampf,
der entschlossener und wirksamer werden muss bis zum Ende dieser einzig
politischen Repression!
Es ist auch ein solidarischer Gruss an das nun schon traditionelle
Symposium gegen Isolation (Rassimus, Unterdrückung, Ausbeutung),
organisiert von GenossInnen aus der Türkei, dieses Jahr in Wien
vom 4.-5. Dezember, wo auch der vielen im langen Kampf gegen die
F-Typ-Isolation Gefallenen gedacht wird.
Es ist ein brüderlicher und revolutionärer Gruss den
GenossInnen und politischen Gefangenen der GRAPO, PC(r) und IHR, die in
Spanien am 1. Dezember den x-ten und langen Kampf beginnen, gegen eine
der brutalsten faschistischen/staatlichen Vernichtungspolitiken gegen
uns politischen Gefangene, bzw Kriegsgefangenen des sozialen Krieges.
Von Herzen und in Gedanken an jedes Leben im Käfig, isoliert,
gefoltert, ausgebeutet, vernichtet; aber vor allem an die KriegerInnen
des sozialen Krieges, die in Käfigen und draussen kämpfen, um
diesem System, Staat und Kapital, jeder Herrschaft, jeglichem
Rassismus, jeglicher Unterdrückung und Ausbeutung ein für
alle Male ein Ende zu bereiten.
marco camenisch, Orbe, Dez. 2010
---
Indymedia 8.12.10
Sabotagen in Rom in Solidarität mit Silvia, Billy und Costa ::
AutorIn : Le Réveil |
übersetzt von : der Wind
Übersetzung und Quelle:
http://www.lereveil.ch/sabotages-a-rome-en-solidarite
Communiqué zu den Aktionen diese Nacht in Rom:
"In der Via Malatesta, im Gebiet Pigneto, wurden die Bankomaten und
Postomaten mit Klebstoff und Farbe sabotiert. Die Kameras des
Nomentanobahnhofs wurden verdunkelt.
Die Gesellschaft, in welcher wir leben, möchte uns zu einem Leben
der Sklaverei durch das Geld und die alltägliche Kontrolle
zwingen. Wir entschieden uns, einige Ausbeutungs- und
Kontrollinstrumente des Staates ins Visier zu nehmen.
Für einmal, keinen Rückzug. Für einmal, kein
mechanischer Spion, um unsere Bewegungen und unser Leben zu beobachten.
Die Nächte dieses Winters sind immer noch lange und kalt...das
Feuer wird sie wärmen!
Solidarisch mit allen Gefangenen in den Gefängnissen der Macht.
Wir kämpfen weiter!
Solidarisch mit Silvia, Billy und Costa! Solidarisch mit den jungen
Griechen! Solidarisch mit allen, die sich jeden Tag gegen das
Existierende auflehnen, und dabei jeden Tag ihre Freiheit riskieren!
WEITERE NÄCHTE ERWARTEN UNS!"
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POLICE TG
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Thurgauer Zeitung 8.12.10
Nulltoleranz auf dem Bahnhofplatz
Thomas Wunderlin
Der Bahnhof Frauenfeld hat sich zum Treffpunkt von Hängern
und Kleindealern entwickelt. Nun werden die Kontrollen verstärkt.
Frauenfeld - Seit Anfang Dezember wird auf dem Bahnhof Frauenfeld
stärker kontrolliert. Wie Stadtrat Werner Dickenmann gestern an
einer Medienkonferenz mitteilte, gilt jetzt "Nulltoleranz auch
gegenüber den Schwächeren in der Gesellschaft". Nach seinen
Angaben halten sich in letzter Zeit "auffallend viele
Randständige, Hängergruppen und Kleindealer" am Bahnhof auf.
Dadurch sei ein Abfallproblem entstanden, und das
Sicherheitsgefühl der Bahnhofbenützer werde gestört.
"Wir erhalten viele Reklamationen." Diese stammten auch von
Geschäftsinhabern und Buschauffeuren. Gewaltbereitschaft und
Übergriffe hätten messbar zugenommen. Im September und
Oktober sind laut Dickenmann 5 Anzeigen wegen Gefährdung von Leib
und Leben und 21 Anzeigen wegen Vermögensdelikten erstattet
worden. Er verwies auch auf den kürzlichen Überfall auf eine
junge Frau (TZ vom 1. Dezember).
Die Kontrollen sind laut Dickenmann ein weiterer Schritt zu den
früher eingeführten Massnahmen. Dazu zählte er die
Reinigung auch am Wochenende, die Videoüberwachung und die
Kontrollen der Kantonspolizei.
Polizei und Securitrans
Die Kantonspolizei wird in den nächsten zwei Monaten auch
auf dem SBB-Areal kontrollieren, wofür sie bisher nicht
zuständig war. Im Einsatz ist dort neu auch die Securitans, eine
Tochter der SBB und der Securitas. Ihre Wachleute patrouillieren
mehrmals pro Woche während einiger Stunden. Dies werde vor allem
am Donnerstag, Freitag und Samstag sein, sagte Securitrans-Vertreter
Lars Huber. Die Securitrans ist befugt, auch auf dem Bahnhofplatz und
im Einkaufszentrum Passage Wegweisungen auszusprechen und notfalls ein
Haus- oder Rayonverbot auszusprechen. Im Februar soll Bilanz gezogen
und über weitere Massnahmen entschieden werden. Die SBB lassen
sich die Kontrollen 18 000 Franken kosten, sagte ein SBB-Vertreter. Die
SBB hätten 2010 Schäden an WC und Gebäuden in etwa
dieser Höhe gehabt. Der Passage-Geschäftsführer Heinz
Vögeli dankte dem Stadtrat für seinen Einsatz. Die Passage
habe seit einem Jahr mehr Aufwand mit gewissen Besuchergruppen. Das
Einkaufszentrum beschäftigt selber einen Sicherheitsdienst und
wendet laut Vögeli jährlich einen sechsstelligen Betrag
für Sicherheit auf. Als Massnahme für schwierige Fälle
empfahl er ein Hausverbot: "Das wirkt wie verrückt." Für
einen Betroffenen sei es unangenehm, wenn er als einziger in einer
Gruppe draussen bleiben müsse.
Der herumliegende Abfall habe 2010 mit verschiedenen Aktionen um
80 Prozent verringert werden können, sagte Werkhof-Chef Markus
Graf. Potenzielle Verursacher würden am besten direkt
angesprochen. Wenn sich mehrere Personen mit Ess- und Trinkwaren auf
einer Bank niederlassen, werden sie unter Umständen von
Werkhof-Mitarbeitern präventiv dazu aufgefordert, die
Überreste in den Abfallkübel zu werfen. lTHOMAS WUNDERLIN
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St. Galler Tagblatt 8.12.10
Polizei greift am Bahnhof Frauenfeld härter durch
Die Stadt und die SBB haben genug. Nach vermehrten
Übergriffen im Bahnhofsgelände werden die Kontrollen durch
die Polizei verschärft.
Frauenfeld. Randständige, Kleindealer und
"Hängergruppen" haben den Frauenfelder Bahnhof zu ihrem
Aufenthaltsort auserkoren. Das passt den SBB und der Stadt Frauenfeld
nicht. Dadurch sei ein Litteringproblem entstanden, heisst es in einer
Medienmitteilung der Stadt. Zudem werde das Sicherheitsgefühl von
Kunden der umliegenden Geschäfte sowie der Passagiere von Bahn,
Bus und Postauto "erheblich gestört". Regelmässig gehen
Beschwerden bei der Stadt und bei der Kantonspolizei ein. Hinzu komme,
dass auch die Gewaltbereitschaft und Übergriffe auf Personen
zugenommen hätten.
Um die Situation rund um den Bahnhof Frauenfeld zu verbessern,
werden seit dem 1. Dezember vermehrt Kontrollen durch die Bahnpolizei
Securitrans sowie durch die Kantonspolizei Thurgau durchgeführt.
Die verschärften Sicherheitsmassnahmen sind auf zwei Monate
befristet, wie der Frauenfelder Vizeammann Werner Dickenmann gestern
verkündete. "Wir haben genug und werden alles daransetzen, dass
sich alle Menschen hier am Bahnhof sicher fühlen können." Ab
sofort gelte deshalb "Nulltoleranz", auch gegenüber den
"Schwächeren der Gesellschaft". "Bahnpolizei und Kantonspolizei
werden durchgreifen."
Der Bahnhof Frauenfeld wird pro Tag von rund 10 000 Personen als
Ein-, Aus- oder Umsteigeort genutzt. Gleichzeitig ist er stark
frequentiert von Kundschaft der angrenzenden Geschäfte sowie ein
beliebter Treffpunkt. (red./sg)
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SICHERHEITSFIRMEN
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Basler Zeitung 10.12.10
Security "pflegt" öffentlichen Raum
Baselland strebt strengere Regeln für private
Sicherheitsunternehmen an
Stefan Gyr
Die Sicherheitsdirektion und die Kantonspolizei sehen keine
Verdrängung der Gemeindepolizeien durch private
Sicherheitsdienste, sondern betrachten diese als sinnvolle
Ergänzung. Im Baselbiet soll aber auch für die einzelnen
Angestellten der Firmen eine Bewilligungspflicht eingeführt werden.
Die Baselbieter Gemeinden setzen zunehmend private
Sicherheitsfirmen ein. Soeben hat etwa der Gemeinderat von Zunzgen
beschlossen, die Bewa Sicherheitsdienst GmbH in Bättwil mit der
Kontrolle der Nachtparkierer zu beauftragen und die
Gemeindepolizeistelle vorläufig nicht wiederzubesetzen (BaZ vom
Mittwoch). Auch Gemeinden wie Allschwil, Birsfelden und Gelterkinden
ziehen für Patrouillengänge, Nachtparkkontrollen oder die
Bewachung von Einrichtungen private Unternehmen bei.
Dass einige Gemeinden auf Sicherheitsdienste setzen, ist auch der
kantonalen Sicherheitsdirektion und der Polizei Baselland nicht
entgangen. Über Zahlen zu dieser Entwicklung verfügen die
kantonalen Stellen aber nicht. Es liege in der Kompetenz der Gemeinden,
Sicherheitsfirmen beizuziehen, halten die Sicherheitsdirektion und die
Polizei in einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber der BaZ
fest. Sie sehen keine Verdrängung der Gemeindepolizeien, sondern
betrachten den Einsatz von privaten Organisationen als eine "sinnvolle
Ergänzung".
Boombranche
Sinnvoll sei das Engagement dieser Unternehmen zur "Pflege des
öffentlichen Raums", erklären die Sicherheitsdirektion und
die Polizei. Dabei gehe es noch nicht um strafbare Handlungen,
Strafverfolgung oder staatlichen Zwang, sondern darum, die heute viel
intensivere Nutzung des öffentlichen Raums zu regeln. Dabei werde
kontrolliert, geschlichtet, geordnet, ermahnt und allenfalls verzeigt.
Wichtig sei auch die Prävention durch die sichtbare Präsenz
von Kontrollorganen. Sobald es um Zwangsmassnahmen wie Anhaltungen,
Personenkontrollen und Durchsuchungen gehe, liege die
Zuständigkeit bei der Polizei mit ihrem staatlichen Gewaltmonopol,
das nicht auf private Firmen übertragen werden darf.
Sicherheits- und Wachdienste erleben landesweit einen Boom. In
der Schweiz gibt es 500 private Sicherheitsunternehmen, die rund 14 000
Mitarbeiter beschäftigen. Die Branche wächst jährlich um
vier bis fünf Prozent. Im Baselbiet schreibt das Polizeigesetz
eine Bewilligungspflicht für diese Firmen vor. Einige
Deutschschweizer Kantone kennen hingegen bisher gar keine Regelungen -
deshalb können sich Unternehmen in einem Kanton niederlassen und
so die in einem anderen Kanton geltenden strengeren Regeln unterlaufen.
Mehr Qualität.
Die Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren hat vor
einem Monat ein neues Konkordat beschlossen, mit dem die Zulassung von
privaten Sicherheitsfirmen stärker geregelt werden soll. Dabei
wird auch eine Bewilligungspflicht für die einzelnen Angestellten
angestrebt. Es soll festgelegt werden, welche Leute diese Arbeit
ausüben dürfen und welche Ausbildung sie dazu benötigen.
Die Schweizer Justiz- und Polizeidirektoren wollen damit für mehr
Qualität in der Branche sorgen. Der Kanton Baselland werde diesem
Konkordat beitreten, sofern der Landrat seine Zustimmung gebe,
erklärt die Sicherheitsdirektion.
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DROGEN
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St. Galler Tagblatt 10.12.10
Für Drogenhandel angeworben
Zurzeit stehen vor Kreisgericht St. Gallen immer wieder
Drogenhändler, die alle in einem Ort in Serbien für das
illegale Geschäft angeworben werden. Sie sind meist arbeitslos
oder drogensüchtig.
Claudia Schmid
Die Kantonspolizei St. Gallen ermittelt seit längerer Zeit
gegen eine Gruppierung von vorwiegend serbischen
Staatsangehörigen, die in der Region St. Gallen grössere
Mengen an Betäubungsmitteln absetzt. Nach bisherigen Erkenntnissen
werden im Ort Nis jüngere Männer als sogenannte Läufer
"geködert". Sie reisen in die Schweiz, wo sie in Hotelzimmern oder
Kleinwohnungen untergebracht und mit Heroin beliefert werden. Die
Läufer erhalten dann den Auftrag, Kugeln zu fünf Gramm an die
Gassendealer auszutragen. Das kassierte Geld wird an die
Hintermänner abgeliefert.
Mehrfach verurteilt
In den vergangenen Wochen wurden mehrere solcher Läufer zur
Anklage gebracht und vom Kreisgericht St. Gallen verurteilt. Gestern
stand erneut ein 28jähriger Serbe vor den Schranken. Die
Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, als "Zellenchef" tätig gewesen
zu sein. Diese betreuen jeweils zwei Läufer und übergeben das
Geld an die Hintermänner.
Der Angeklagte sei bereits 2006 ein erstes und 2007 ein zweites
Mal wegen Drogenhandels verurteilt worden, erklärte gestern der
Untersuchungsrichter vor Gericht. Nachdem er sich eine Zeit lang in
Österreich aufgehalten habe, sei er nach Serbien
zurückgekehrt, um erneut in die Schweiz zu kommen und mit
grösseren Mengen Drogen zu handeln.
Vier Jahre beantragt
Er beantragte für den Mann wegen Verbrechens gegen das
Betäubungsmittelgesetz, illegalen Aufenthalts und illegaler
Einreise eine Freiheitsstrafe von vier Jahren. Dies im Zusatz zu einer
im Februar dieses Jahres vom Bezirksgericht Winterthur ausgesprochenen
Strafe von zwölf Monaten. Straferhöhend müsse sich die
wiederholte Delinquenz auswirken. Strafmildernd könne man das
Geständnis und die Drogensucht des Angeklagten
berücksichtigen.
Wettschulden gemacht
Ihr Mandant sei nicht aus freien Stücken in die Schweiz
eingereist, um mit Drogen zu handeln, erklärte die Verteidigerin.
Durch Wettschulden von 10 000 Euro sei er in die Fänge einer Bande
geraten. Diese habe ihn zusammenschlagen lassen und dann gezwungen,
für Drogengeschäfte in die Schweiz zu reisen.
Die von der Anklage vorgeworfenen Straftaten seien im Sachverhalt
nicht bestritten, betonte die Rechtsanwältin im Plädoyer.
Differenzen gebe es aber über die Dauer des Drogenhandels und die
gehandelte Menge. Ihr Mandant sei zudem nicht in höherer Stellung
im illegalen Geschäft tätig gewesen, sondern als einfacher
Verkäufer. Er selber sei heute drogenfrei. Sie beantragte eine
Freiheitsstrafe von zwei Jahren.
Mit Bande verhandeln
Er wisse, dass er für seine Verbrechen eine
Gefängnisstrafe absitzen müsse, erklärte der Mann vor
Gericht. Als "Zellenchef" habe er aber nicht gewirkt. Er wolle nicht
für etwas verurteilt werden, was er nicht getan habe. Nachdem er
2008 nach Serbien zurückgekehrt sei, habe er erneut Drogen
genommen und sei wieder in die Fänge der Bande geraten. Werde er
nach der verbüssten Haft in seine Heimat ausgeschafft, wolle er
versuchen, mit den Leuten zu reden, damit sie ihn fortan in Ruhe
liessen. Das Schlimmste an der Haft sei zurzeit, dass er seine
schwerkranken Eltern für lange Zeit nicht besuchen könne.
Das Urteil des Kreisgerichtes St. Gallen steht noch aus.
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NZZ 8.12.10
Das weite Land
Wie Gene und chemische Botenstoffe unser Verhalten mitbestimmen.
Von Gottfried Schatz
Prof. Dr. Gottfried Schatz
Unser Charakter wird entscheidend durch die chemische Zwiesprache
zwischen den Nervenzellen unseres Gehirns geprägt. Dieses
Gesprächsnetz ist so komplex, dass es jedem Menschen seine eigene
Persönlichkeit schenkt.
"Die Seele ist ein weites Land", befand der Schriftsteller und
Arzt Arthur Schnitzler, der in seinen Novellen und Dramen Sigmund
Freuds Ideen mit aus der Taufe hob. Dieses weite Land der Seele ist
jedoch schwer zu fassen, denn Religion, Dichtung, Psychologie und
Medizin ordnen ihm jeweils andere Breitengrade zu. Ist es verwegen,
dieses Land auch mit dem Kompass der modernen Naturwissenschaft zu
erkunden? Darf ein Molekularbiologe auf Seelensuche gehen? - Dieses
Wagnis kann nur gelingen, wenn wir "Seele" enger als "Verhaltensmuster"
oder "Charaktereigenschaft" definieren. Erst diese Beschränkung
erlaubt die präzisen und überprüfbaren Fragen, an denen
Naturwissenschaft ihre Kraft entwickelt. Und in der Tat - diese Kraft
gewährt uns bereits atemberaubende Einblicke in die chemischen
Vorgänge, die unsere Persönlichkeit prägen.
Eindrückliches Beispiel dafür waren gesunde
Versuchspersonen, die nach Einnahme des Parkinson-Medikaments Dopa (ein
Kürzel für Dihydroxyphenylalanin) bei Glücksspielen
risikofreudiger wurden. Dies betraf jedoch nur diejenigen von ihnen,
die eine seltene Variante eines bestimmten Gens ererbt hatten, das die
Übertragung von Signalen zwischen Nervenzellen steuert. Dieses Gen
tritt in verschiedenen Formen auf, die leicht unterschiedlich wirken
und so das Verhalten eines Menschen gezielt beeinflussen können.
Ein vielgestaltiges Netzwerk
Nervenzellen verständigen sich untereinander vorwiegend mit
Hilfe chemischer Botenstoffe. Meist sind dies einfache kleine
Moleküle, wie das mit Dopa eng verwandte Dopamin, die
Aminosäuren Glyzin und Glutamat oder die
Aminosäure-Abkömmlinge γ-Aminobuttersäure und Serotonin.
Sie werden von einer elektrisch angeregten Senderzelle ausgestossen,
wandern zu einer Empfängerzelle, binden sich an spezifische
Rezeptoren an deren Oberfläche und lösen so in der
Empfängerzelle ein elektrisches Signal aus. All dies spielt sich
in nur einem bis zwei Tausendstel einer Sekunde in einem
hauchdünnen Spalt zwischen den birnenförmig aufgeblähten
Enden der beiden Nervenzellen ab.
Die beiden Nervenenden und der sie trennende Spalt bilden
zusammen eine Synapse, die nach Übertragung des Signals wieder
schleunigst vom Botenstoff gereinigt werden muss, um einen
gefährlichen Dauerreiz der Empfängerzelle zu vermeiden. Wie
diese Reinigung erfolgt, hängt vom Botenstoff und von den
beteiligten Nervenzellen ab. Manche Nervenzellen warten einfach darauf,
dass der Botenstoff durch Diffusion von selbst verschwindet. Für
die meisten Zellen ist dieser Vorgang jedoch zu langsam, so dass sie
ihn aktiv beschleunigen: Manche Senderzellen saugen den von ihnen
ausgesandten Botenstoff wieder auf, während Empfängerzellen
ihre Rezeptoren für ihn gleichsam maskieren können.
Rezeptoren und Aufsaugmaschinen sind Proteine; ihr Bauplan ist in den
entsprechenden Genen niedergelegt.
Die Entschlüsselung der chemischen Struktur unseres gesamten
Erbmaterials offenbarte die erstaunliche Vielfalt solcher Gene und
damit auch von Synapsen, mit deren Hilfe unser Gehirn seine noch
weitgehend rätselhafte Arbeit bewältigt. Wir kennen mehrere
Dutzend Botenstoffe, und für fast jeden gibt es eine Vielzahl
verschiedener Rezeptor- und Aufsaugproteine, die auf den Botenstoff
unterschiedlich ansprechen und eine Synapse unverwechselbar
charakterisieren.
Vieles spricht dafür, dass dieses chemische Netzwerk unseren
Charakter mitbestimmt. Der Botenstoff Dopamin lindert nicht nur die
Leiden von Parkinsonkranken, sondern kann bei ihnen auch intensive
Glücksgefühle, Aggression oder zwanghafte Spielsucht
auslösen. Und die Genvariante, die mit Dopa behandelten
Versuchspersonen erhöhten Wagemut verleiht, enthält den
Bauplan für ein spezifisches Rezeptorprotein, über das
Dopamin an einen Empfängernerv andockt. Diese Genvariante findet
sich auch häufig in impulsiven, rastlosen oder aggressiven
Menschen, die Mühe haben, sich über längere Zeit auf ein
Thema zu konzentrieren oder sich in eine Gemeinschaft einzufügen.
In unserer hoch organisierten Welt ist diese Genvariante meist von
Nachteil, doch Nomaden scheint sie Vorteile zu verschaffen; vielleicht
schenkt sie ihnen Wagemut und hilft ihnen so, neue Weide- und
Jagdgründe zu erobern sowie Angreifer schneller und mutiger
abzuwehren.
Dafür spricht, dass diese Genvariante erst vor etwa
zwanzigtausend bis vierzigtausend Jahren entstand - also ungefähr
zu der Zeit, als "moderne" Menschen Afrika verliessen und nach
Nordeuropa vordrangen - und dass sie sich seither in unserer Population
behauptet hat. Neuere Untersuchungen haben gezeigt, dass ihre
Träger ungewöhnlich bereitwillig sind, asoziale oder
finanziell riskante Entscheidungen zu treffen. Könnte es sein,
dass diese Genvariante die periodischen Finanzkrisen unserer
kapitalistischen Gesellschaft mitverschuldet?
Bewusstseinsveränderung
Der Botenstoff Serotonin löst nicht nur, wie das Dopamin,
Glücksgefühle aus, sondern beeinflusst auch das
Sexualverhalten von Fliegen und Ratten: Verändert man in diesen
den Serotonin-Stoffwechsel durch genetische Eingriffe oder Medikamente,
so werden die Tiere homo- oder bisexuell. Und eine einzige Mutation in
einem Rezeptorprotein für den Botenstoff Vasopressin kann ein
monogames Wühlmausmännchen in einen passionierten Don Juan
verwandeln.
Synapsen spielen fast überall dort eine Rolle, wo wir mit
chemischen Mitteln psychische Krankheiten lindern oder unser
Bewusstsein verändern wollen. Antipsychotische Medikamente
dämpfen die Signalübertragung durch Dopamin, Serotonin und
andere Botenstoffe; LSD löst Halluzinationen aus, weil es sich wie
ein "Superserotonin" hartnäckig an einen Serotoninrezeptor
klammert und so die entsprechenden Empfängerzellen
übermässig stark und lange anregt. Und die Rauschdroge Kokain
verhindert, dass Senderzellen das von ihnen ausgeschüttete Dopamin
wieder aufsaugen. Als Folge davon häuft sich dieser
glücksspendende Botenstoff in der Synapse an, so dass
Kokainkonsumenten die euphorische Wirkung der Droge bald nicht mehr
missen wollen. Um sich gegen diese Dopamin-Überreizung zu wehren,
verringern Empfängernerven die Zahl ihrer Dopaminrezeptoren. Sinkt
dann bei Kokainentzug der Dopaminspiegel in der Synapse plötzlich
ab, so kann diese nicht mehr normal arbeiten und verursacht die
gefürchteten Entzugserscheinungen.
Unreduzierbare Komplexität
Mut, Glücksgefühl, sexuelle Vorliebe und
Sozialverhalten sind zwar wichtige Teile dessen, was wir gemeinhin
"Charakter" nennen, reichen aber bei weitem nicht aus, um diesen
erschöpfend zu beschreiben. Und ihre genetische Prägung ist
bei uns Menschen viel subtiler und komplexer als bei einfachen Tieren.
Sie unterliegt einem Netzwerk vieler Gene, in dem jedes Gen nur eine
bescheidene Rolle spielt. Wir Menschen haben weder ein "Mut-Gen" noch
ein "Monogamie-Gen", sondern viele Gene, die diese Verhaltensmuster
geringfügig, aber statistisch signifikant beeinflussen. Und selbst
diese Behauptung steht auf wackligen Beinen, da sie sich in den meisten
Fällen nicht auf eindeutige genetische Beweise, sondern nur auf
Korrelationen stützt. Dennoch besteht kein Zweifel daran, dass
Synapsen die Fäden sind, aus denen die Natur den wundersamen
Gobelin unseres Charakters wirkt. Dieser Gobelin verdankt seinen
Farbenreichtum der Wechselwirkung der verschiedenen Rezeptor- und
Ansaugproteine in unseren Synapsen, über die ein und derselbe
Botenstoff eine breite Palette verschiedener Reaktionen und
Empfindungen auslösen kann.
Da unser Gehirn etwa zehntausend Milliarden Nervenzellen besitzt
und jede von ihnen durch tausend bis zehntausend Synapsen mit anderen
Nervenzellen vernetzt ist, steigt die Zahl der möglichen
Wechselwirkungen ins Unendliche. Die Balance zwischen den verschiedenen
Fäden dieses unvorstellbar komplexen Netzwerks ist zum Teil
erblich, kann aber auch durch Umwelteinflüsse verändert
werden; sie ist deshalb für jeden Menschen auf dieser Erde -
selbst für einen eineiigen Zwilling - einmalig. Sollte es uns je
gelingen, alle Fäden dieses Netzwerks zu entwirren und ihre
Verflechtung mit Computern darzustellen, so wird die Komplexität
dieses Musters alle unsere Vorstellungskraft übersteigen. Das
Land, von dem Schnitzler sprach, wird wohl auch für Biologen seine
geheimnisvollen Weiten wahren.
Der Biochemiker Gottfried Schatz ist emeritierter Professor der
Universität Basel. Die erste Staffel seiner in loser Folge
erscheinenden Essays zu Lebensfragen, die die Wissenschaftsdisziplinen
überschreiten, ist als Buch erhältlich: "Jenseits der Gene",
NZZ-Libro, 2008.
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Zürichsee-Zeitung 7.12.10
"Snow Control" Online-Therapie bei problematischem Kokainkonsum
Erst Kontrolle, dann Abstinenz
Mit Snowcontrol.ch wird die weltweit erste Selbsthilfeplattform
für Kokainkonsumenten getestet. In wöchentlichen Lektionen
wird der verantwortungsvolle Umgang mit der Droge vermittelt.
Gabriele Spiller
Die Praxis von Gain (Gesundheitsangebot und Information) liegt
unauffällig zentral. Vom unterirdischen Ausgang des Hauptbahnhofs
kann man die in einem Wohnhaus liegenden Räume quasi ungesehen
betreten. Kokainkonsumenten wollen in der Regel auch nicht bemerkt
werden. Sie leben unter uns, 95% von ihnen sind sozial integriert,
gehen einer geregelten Arbeit nach oder haben eine Familie. Dennoch
finden rund 200 Menschen pro Jahr den Weg zu den Fachleuten im Gain.
Sie wollen einen kontrollierten und risikoarmen Umgang mit ihrer Droge
erlernen. Die wenigsten können sich ein Leben ohne Kokain
vorstellen.
Die Beratung und Behandlung bei Problemen mit Substanzkonsum ist
eine Leistung der Grundversicherung. Wie bei einem Arztbesuch kann man
einen Termin mit den Experten von Gain vereinbaren und wird in den
ruhigen, gepflegten Praxisräumen empfangen. "Der Kokainkonsum ist
häufig eine Begleiterscheinung einer psychischen Erkrankung",
erklärt Lars Stark, Psychotherapeut und ärztlicher Leiter von
Gain. Depressionen, Angstgefühle, eine narzisstische
Persönlichkeitsstörung und ADHS können die
Affinität zu dieser Droge und anderen Stimulanzien fördern.
Ist der Druck hoch, greifen die Konsumenten zum Kokain, das durch die
kurzfristige Erhöhung des Dopaminspiegels für euphorische
Gefühle, Antriebssteigerung, Kontaktfreudigkeit, aber auch
Allmachtsphantasien sorgt. Drei Viertel von Starks Klienten sind
Männer.
Drei Minuten dauert es ungefähr, bis die Wirkung nach dem
Schnupfen auftritt. Beim selteneren Rauchen und Spritzen tritt der Kick
bereits nach wenigen Sekunden ein. Was als Partydroge und
Freizeitkonsum beginnt, kann sich schnell zu einer psychischen und
körperlichen Abhängigkeit entwickeln. Den Ausstieg suchen die
Betroffenen meist, wenn das Leben ihnen mehr Verantwortung abverlangt:
beim Wechsel vom Angestellten zur Selbständigkeit, nach dem
zweiten Kind, erzählt Stark. Irgendwann merkt man, dass man sein
Leben nicht mehr im Griff hat, und möchte dem Drang entkommen.
Was man bei Problemen tun kann
Es sind ganz subtile Auslöser, die dafür sorgen, dass
man auf einmal wieder ein Säckchen Kokain in der Hand hat.
Vielleicht ist man gerade mit dem Tram am Limmatplatz vorbeigefahren
und wie automatisch ausgestiegen, um am Bancomaten Geld zu ziehen. Von
den 100 Franken ist man wieder für eine Weile versorgt, zwanzig
Portionen liegen locker drin. "Kokain ist keine Luxusdroge mehr",
beschreibt Stark die Problematik, entsprechend kommen seine Klienten
aus allen sozialen Schichten. Von Studenten über Handwerker bis zu
Managern aller Kaderstufen berät er die Personen, "die Verbreitung
in Zürich ist gegeben".
Die Scham ist gross und wird von den Therapeuten im Gain mit viel
Respekt und Verständnis gegenüber den Betroffenen
entgegengenommen. Angehörige stellen manchmal den Erstkontakt her,
um sich selbst zu informieren und den Betroffenen gegebenenfalls zu
einer Konsultation zu bewegen. Druck führe aber häufig zu
einer Gegenreaktion, besser sei, sich darauf zu stützen, was man
beobachtet habe und was einem Sorgen bereite. "Mir fällt auf, dass
du dich in der letzten Zeit verändert hast." Oder: "Ich mache mir
Sorgen, weil ich weiss, dass Kokain eine Droge ist, die schnell und
stark abhängig macht", empfiehlt die Sucht-Info Schweiz als
angemessene Formulierungen in ihrem Infoflyer im Internet.
Als weiteren Zugang mit niedriger Hemmschwelle bietet Gain ein
internetbasiertes Programm an, das anonym, ortsunabhängig und
zeitlich flexibel dabei helfen kann, problematischen Konsum in den
Griff zu bekommen. Der Benutzer richtet sich ein passwortge-
schütztes Konto ein und kann, ohne persönliche Angaben
hinterlegen zu müssen, an einem achtwöchigen Therapieprogramm
teilnehmen. Ihm werden jede Woche neue Module zugespielt, mit denen er
nicht nur Wissen über die Substanz und ihre Wirkung erwirbt, er
kann auch ein Konsumtagebuch führen und bekommt wichtige
Verhaltenstipps.
Ein Ausstieg ist möglich
"Welches sind die Orte, die Situationen, die Personen, die mich
zum Kokainkonsum animieren? Wie kann ich mich dem entziehen?", sind
einige der Fragen, mit denen der Teilnehmer sensibilisiert werden soll.
Es ist ein längerer Prozess, der nicht gleichmässig
verläuft, sondern meist mehrere Anläufe braucht, weiss Stark
aus der Praxis. Habe man diesen Prozess aber einmal begonnen, so gebe
es schon nach sehr kurzer Zeit deutlich weniger Konsum, und der
komplette Verzicht könne nach einigen Monaten in greifbare
Nähe rücken.
Gain, medizinische Unterstützung bei Problemen in
Zusammenhang mit Substanzkonsum, Tel. 044 444 14 20. Mo-Fr 9.00-17.30
Uhr.
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Gain/Arud Zürich
Gain ist ein medizinisches Zentrum der Arud Zürich
(Arbeitsgemeinschaft für risikoarmen Umgang mit Drogen). Seit fast
20 Jahren berät und behandelt die Arud in ihren Suchthilfestellen
und drei Polikliniken Menschen mit problematischem Drogenkonsum und
ihre Angehörigen. Ausserdem unterhält sie ein
Gesundheitsangebot für Männer, die Sex mit Männern haben.
Gain setzt auf ein umfassendes Angebot aus einer Hand:
Information, psychotherapeutische und medikamentöse Behandlung
sowie sozialarbeiterische Unterstützung werden bei Bedarf
miteinander verknüpft. Auch bei Fragen zu Partydrogen, Cannabis,
Tabak-, Alkohol- oder Medikamentenmissbrauch stehen die Fachleute zur
Verfügung.
http://www.gain-zh.ch,
http://www.snowcontrol.ch
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La Liberté 7.12.10
Expérience au Portugal
La drogue est une affaire de santé
Le pays affiche aujourd'hui l'une des plus faibles consommations
de drogues de l'Union européenne après le vote, il y a
dix ans, d'une loi décriminalisant l'usage de
stupéfiants. Ici, les toxicomanes sont des patients...
François Musseau reportage à Lisbonne
Il est entré avec la mine déconfite et le regard
fuyant de celui qui a été pris en faute. Joao est
jardinier municipal. La veille, des policiers l'ont surpris dans les
toilettes du square qu'il bichonne, en flagrant délit de chinesa
- l'équivalent portugais de la "chasse au dragon" qui consiste
à inhaler des vapeurs d'héroïne. Comme dans
n'importe quel pays, Joao a dû passer au commissariat pour y
faire une déposition. Mais ensuite, au lieu d'avoir affaire au
Ministère de la justice, on lui a donné "rendez-vous"
avec le Ministère de la santé: les flics l'ont
dirigé vers une commission dite "de dissuasion" où
l'accueilleront une équipe de psychologues, un juriste, un
sociologue et des assistants sociaux. Joao disposait de soixante-douze
heures pour s'y rendre. Il n'a laissé passer qu'une
journée. Ce matin, le voici donc qui déboule, de
lui-même, dans les locaux de la commission, au centre de
Lisbonne. Il passe trois entretiens successifs. On conclut
bientôt qu'il est toxicomane.
"Dans un autre pays, on le considérerait comme un
délinquant, passible d'une peine de prison. Au Portugal, c'est
un patient. Les policiers et les juges n'ont pas leur mot à
dire. C'est nous qui sommes en charge de son cas. Nous, les
professionnels de la santé." Vasco Gomes, psychologue, la
trentaine avenante, n'est pas peu fier de diriger la commission de
dissuasion de la rue José-Estevao, à Lisbonne. C'est la
plus importante des 20 commissions que compte le Portugal (il y en une
par province): elle traite 2 000 dossiers par an. Dont 70% de
consommateurs de haschisch, 10% de cocaïnomanes, 8%
d'héroïnomanes, les autres prenant de l'ecstasy et autres
drogues synthétiques.
Trafiquant, le criminel
Le cas de Joao n'est pas des plus faciles. Père de
famille, jardinier, il avoue se shooter à l'héroïne
dans des toilettes publiques depuis environ huit ans, deux à
trois fois par jour, en cachette bien sûr. "Avant de l'envoyer
dans un de nos centres de désintoxication, on va
l'intégrer dans un groupe de motivation: tant qu'il n'aura pas
la volonté d'arrêter, cela ne sert à rien de le
traiter", dit Vasco Gomes.
Au chapitre de la lutte contre la toxicomanie, le Portugal est un
cas unique en Europe. Depuis la loi votée il y a dix ans, en
novembre 2000, et entrée en vigueur un an plus tard, l'achat, la
possession et l'usage de stupéfiants pour une consommation
individuelle ont été décriminalisés. Toutes
les drogues sont concernées: du haschisch à la coke en
passant par l'héroïne. Cette législation ne doit
rien à l'exemple néerlandais, pourtant
célèbre.
Là-bas, point de décriminalisation de l'usage des
drogues, seulement une tolérance, qui ne concerne d'ailleurs que
la marijuana: on peut en consommer, certes, mais seulement dans les
coffee-shops titulaires d'une licence. "Notre révolution au
Portugal a consisté à changer le regard porté sur
le drogué: il n'est plus un salaud qu'il faut envoyer au
tribunal puis en prison", dit le psychiatre Nuno Miguel, un des
instigateurs de la loi, "mais un malade. Et en supprimant la
différence entre consommation de drogues douces et dures, nous
disons que le problème n'est pas la substance en
elle-même, mais la relation à la substance." En clair, le
toxicomane est un patient qui doit être soigné. Le
trafiquant est un criminel passible de sanctions pénales qui
restent inchangées.
Importante distinction
Encore faut-il distinguer le trafiquant de l'usager lors d'une
arrestation... Celui qui est pris en possession de plus de dix jours de
consommation (1 gramme d'héroïne, 2 grammes de
cocaïne, 5 grammes de haschisch ou 2 grammes de morphine) est
considéré a priori comme un trafiquant. Et, en dessous,
comme un usager qui sera dirigé vers une commission de
dissuasion.
Commission bien nommée, puisque l'essentiel de sa mission
est de dissuader les consommateurs occasionnels, les plus nombreux, de
récidiver. Par un entretien, ou alors, s'il y a récidive,
en sanctionnant l'infraction par une amende, voire un travail
d'intérêt collectif. Quant au toxicomane, qui n'a plus
aucun moyen d'entendre raison et de contrôler sa consommation, il
sera dirigé vers un des 63 centres de désintoxication mis
en place au Portugal au fil des vingt dernières années.
Là, il sera pris en charge par des psychologues et des
médecins. Gratuitement.
© Libération
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"Tout n'est pas parfait, loin de là"
Le Portugal n'est pas pour autant un éden ignorant l'enfer
de la drogue. Dans de nombreux quartiers de Lisbonne, à Quinta
do Mocho, Chelas ou Cova da Moura, les trafiquants besognent
activement. C'est même le cas à Casal Ventosa, l'ancien
"supermarché de la drogue" rasé par les autorités.
Ce dimanche, des dizaines d'acheteurs y défilent en voiture, les
dealers vendent sans se cacher, et pas l'ombre d'un flic ou d'une
unité de soins mobile à l'horizon; en contrebas, dans une
décharge jonchée de seringues usagées, on se pique
à l'héroïne... Luis Patricio fulmine: "Malgré
tout le mal qu'on s'est donné, voilà que Casal Ventoso
reprend du service!" Luis Patricio est psychiatre, un autre
"père" de la loi, venu à Casal Ventoso faire du
"terrain". "La vérité, c'est qu'on a relâché
l'effort. Aujourd'hui, dans les centres, des médecins
distribuent de la méthadone à l'aveuglette en se fichant
pas mal du suivi psychologique des patients. Ça me rend fou de
rage!" Les policiers, eux, se moquent de la décriminalisation de
la consommation. Ils ne voient que son impact sur le trafic, nul.
Beaucoup de petits dealers jouent avec la loi, se promenant avec la
quantité maximale pour éviter le tribunal, et se
réapprovisionnent plusieurs fois par jour. "En
réalité, on ne donne pas souvent suite aux petites
affaires de drogue, dit un commissaire de police. C'est de la paperasse
pour rien, et on voit repasser souvent les mêmes dealers. Et
puis, on a des problèmes autrement importants, les vols à
la tire et les cambriolages." Vasco Gomes, le psychologue qui dirige la
commission de dissuasion de Lisbonne, n'est pas dupe: "Je sais bien que
des dealers passent par chez nous, et aussi des usagers occasionnels
qui se moquent de nos conseils. Mais croyez-moi, on parvient à
en dissuader plus d'un, en discutant, en imposant des petits travaux
communautaires." "Tout n'est pas parfait, loin de là, convient
le psychiatre Nuno Miguel. C'est vrai que les trafiquants rusent avec
le système. Mais, les toxicomanes sont mieux pris en charge. Ce
n'est pas seulement grâce à la loi, mais à ce
formidable arsenal sanitaire qu'on a mis en place depuis vingt ans et
sur lequel la loi a pu s'appuyer. Il est là, le succès
portugais." FM
---
Un pays devenu un laboratoire européen
En avril 2009, huit ans après l'implémentation de
la loi, un rapport du Cato Institute, l'un des plus influents "think
tanks" américains, décrit la réalité
portugaise comme "un succès retentissant". Analysant les
données européennes et portugaises, il fait
apparaître que le pourcentage d'adultes prenant des drogues au
Portugal est devenu l'un des plus faibles de l'Union européenne:
11,7% consommateurs de cannabis contre 30% au Royaume-Uni, 1,9%
prennent de la coke contre 8,3% chez le voisin espagnol. Les 100 000
héroïnomanes d'avant la loi ne sont plus que 40 000. Et la
proportion des 15-19 ans qui se droguent est passée de 10,8%
à 8,6%. A la fin des années 90, la drogue était la
première préoccupation des Portugais, elle se situe
désormais à la 13e place...
Le Portugal est devenu le laboratoire de la lutte contre la
toxicomanie en ce début du XXIe siècle où des
sommités (dont l'Espagnol Felipe Gonzalez) proposent de
décriminaliser le commerce des drogues afin d'affaiblir les
mafias qui vivent - et tuent - pour en maîtriser le trafic.
"Et alors, ça marche vraiment votre système?" Cette
question, Joao Goulao, directeur de l'Institut des drogues et de la
toxicomanie (IDT), chargé de la mise en œuvre de la
réforme, ne cesse de l'entendre ces temps-ci. Elle lui est
posée par des parlementaires, des experts, des médecins
de toute l'Europe. La décriminalisation "à la portugaise"
est abordée au Parlement britannique, les Norvégiens
parlent de voter une loi similaire...
Héraut de la réforme, Joao Goulao modère les
enthousiasmes: "La consommation de hasch reste importante, la coke suit
le boom en Europe, les morts par overdose sont toujours nombreuses. Et,
surtout, notre système n'est pas exportable car il est le fruit
d'un long processus. Mais notre réussite, c'est d'avoir
changé l'image de la toxicomanie: c'était une
fatalité, banalisée au point de faire partie du paysage
portugais. Elle est devenue une pathologie."
L'autre réussite, c'est l'absence de remise en cause de la
loi depuis son vote. Même la droite dure de Paulo Portas qui
prophétisait, en 2001, "des biberons remplis
d'héroïne" et "des hordes de jeunes drogués
européens venant se piquer au Portugal" se tait aujourd'hui. La
catastrophe annoncée n'a pas eu lieu, le narcotourisme n'a pas
déferlé. Et puis, la loi a permis de faire des
économies. FM
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AUTONOMIE
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Freies Sender Kobinat (Hamburg) 10.12.10
Die Autonomie und ihre Grenzen - Soziale Zentren in Kopenhagen und
Hamburg
Podcastversion der Veranstaltungsaufzeichnung aus dem Hamburger
Gängeviertel und erster Teil der Reihe "Wir gestalten die Stadt,
in der wir leben wollen - aber wie?" in zwei MP3-Dateien
Am 25. November 2010 diskutierten Esk Katzeff von der Forschungsgruppe
openhagen aus Kopenhagen, Hannah Kowalski vom Gängeviertel und ein
Vertreter der Roten Flora, moderiert von Peter Birke, über das
Thema "Die Autonomie und ihre Grenzen - Soziale Zentren in Kopenhagen
und Hamburg".
Teil 1 (Hauptteil)
http://www.freie-radios.net/mp3/20101210-dieautonomi-37866.mp3
http://www.freie-radios.net/portal/streaming.php?id=37866
Teil 2
http://www.freie-radios.net/mp3/20101210-dieautonomi-37867.mp3
http://www.freie-radios.net/portal/streaming.php?id=37867
Aus der Ankündigung:
"Nicht weit entfernt vom Gängeviertel ist das wohl älteste
soziale Zentrum Hamburgs, die Rote Flora, noch immer besetzt und noch
immer bedroht. Vor dem Hintergrund der beiden Projekte wird
darüber diskutiert, was "Autonomie" in der wachsenden Stadt
bedeutet? Wie kann sie verteidigt werden und auf welchen Wegen kann sie
verloren gehen? Und welche Erfahrungen gibt es mit diesen Fragen in
Kopenhagen, wo die Ungdomshus-Bewegung 2006/2007 die Stadtpolitik
ebenso herausgefordert hat wie aktuell die Konflikte um ein "Recht auf
Stadt" in Hamburg."
Und allgemein zur Veranstaltungsreihe heisst es weiter:
"Mit der Besetzung des Gängeviertels ist ein unverhoffter
Möglichkeitsraum mitten in Hamburg entstanden. Die Initiative
"Komm in die Gänge" und tausende HamburgerInnen haben die Stadt
zum Rückkauf des historischen Viertels bewogen. Die zwölf
Häuser sind ein Versuch, selbstorganisierte künstlerische
Praxis mit der Kritik an sozialer Ungleichheit in der Stadt zu
verknüpfen. Die derzeitige Stadtregierung hat diesen Versuch
zunächst akzeptiert. Seit Monaten verhandelt diese nun mit der
Initiative über die zukünftige Entwicklung. Die Initiative
möchte das Gängeviertel als kulturellen und politischen Ort
erhalten. Das Gängeviertel muss ein öffentlicher Ort werden,
an dem soziale und stadtgesellschaftliche Aufgaben verhandelt und
angegangen werden.
Es ist geplant, dass große Teile des Viertels als soziokulturelle
Flächen von vielen HamburgerInnen genutzt werden und
sozialverträglicher Wohn- und Arbeitsraum entsteht. Doch diese
Zukunft des Gängeviertels ist noch lange nicht gesichert. Das
Recht auf Stadt muss hier, wie an vielen anderen Orten, von
handlungswilligen Menschen Tag für Tag aktiv gestaltet und gegen
viele Interessen durchgesetzt werden, die einer gerechteren urbanen
Zukunft entgegenstehen.
Die Weiterführung der Diskussionsreihe im Gängeviertel fragt
nach Handlungsoptionen, Beweggründen und Zielsetzungen dieser
Menschen. Wie können Freiräume erhalten und der
profitmaximierten Verwertung durch den Immobilienmarkt entzogen werden?
Sind die zumeist prekären Arbeitsverhältnisse so genannter
"Kreativer" eine Chance für den gesellschaftlichen Wandel oder
Zwang zur Selbstausbeutung im Sinne neoliberaler Wirtschaftspolitik?
Welche Möglichkeiten gibt es, erfolgreichen Widerstand zu
praktizieren ohne letztendlich vom "Unternehmen Stadt"
instrumentalisiert zu werden? Menschen aus Hamburg und weiteren
europäischen Großstädten berichten von Ihren
Erfahrungen und Beobachtungen. Und alle sind herzlich eingeladen mit zu
diskutieren."
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MIGRATION CONTROL
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linksunten.indymedia.org 10.12.10
Frontex Versenken!
Verfasst von: Antirassist_in. Verfasst am: 10.12.2010 - 10:37.
Vor 20 Jahren fiel die Berliner Mauer, doch damit sind die Grenzen und
die Morde an diesen nicht weniger geworden, vielmehr haben sie sich nur
verschoben. Nun werden Menschenrechte nicht mehr an den Grenzen in der
Mitte Europas, sondern an den Aussengrenzen gebrochen und somit in der
Öffentlichkeit weit weniger wahrgenommen. Mit den neue Frontlinien
wurden neue Bollwerke gegen die "Invasion" der Notleidenden nötig,
um den materiellen Wohlstand der westlichen kapitalistischen
Nationalstaaten zu wahren. Frankreich und Deutschland sind
federführend für die Organisation des Schutzes ihrer Systeme
und Interessen. Für diesen Zweck wurde FRONTEX gegründet.
Frontex ist die Europäische Agentur für die operative
Zusammenarbeit an den Außengrenzen mit deren Hilfe der
Fortbestand des Kapitalismus mit seiner Ungerechtigkeit und all dem
Leid weiter global forciert wird.
Grundlage ihrer Arbeit ist die Verordnung (EG) 2007/2004 des Rates der
Europäischen Union. Am 26. Oktober 2004 verabschiedet der Rat der
Europäischen Union besagte Verordnung zur Schaffung der Agentur
Frontex. Ihre Hauptaufgabe, so sieht es die Verordnung vor, sollte in
der Verbesserung der Koordinierung der operativen Zusammenarbeit
zwischen den Mitgliedstaaten im Bereich des Schutzes der
Außengrenze der Mitgliedstaaten liegen. Gleichzeitig wird aber
auch die Unterstützung der Mitgliedsstaaten in ihrer hoheitlichen
Aufgabe der Grenzsicherung, sowie der Abschiebung von nicht
aufenthaltsberechtigten Ausländern, hervorgehoben.
Im Mai 2005 nahm Frontex seine teilweise sicherheitspolitisch als
notwendig erklärte oder aber teilweise ganz verschwiegene Arbeit
auf. Im September 2007 wurde das Hauptquartier in Warschau, Polen
bezogen. Seitdem ist Frontex schnell gewachsen. Von 2008 (42 Millionen
Euro) auf 2010 wird das Budget auf 87 Mio Euro mehr als verdoppelt. Auf
das Budget beschränkt sich schon die parlamentarische Kontrolle
der Agentur. Oberstes Gremium von Frontex ist der Verwaltungsrat. Bei
den Vertretern der Mitgliedstaaten handelt es sich meist um die
höchsten Beamten der nationalen Grenzpolizeien.
Da sich Frontex als Agentur an der Schnittstelle von Grenzpolizei und
Geheimdiensten sieht, werden diese Informationen nicht
veröffentlicht, sondern nur an die Grenzbehörden der
Mitgliedsstaaten und Institutionen, wie etwa Europol, übermittelt.
Daher ist eine Überprüfung durch die Öffentlichkeit
nicht gewährleistet. Seit den 90er-Jahren entsendet die
Europäische Union technische Berater, vor allem in Länder,
die als Beitrittskandidaten die Eindämmung der Zuwanderung
organisieren sollen. Und 2004 wurde die "feste Ansiedlung von
Verbindungsnetzen für Einwanderungsangelegenheiten in den
relevanten Drittländern" beschlossen, mit dem Ziel, "die
Regulierung von Wanderungsbewegungen […] zu verbessern, illegale
Zuwanderung zu verhindern und zu bekämpfen […] sowie die
Rückkehrproblematik anzugehen".
Hier erscheint die Zuwanderung schon als "illegal", bevor sie
überhaupt stattfindet. Und die wichtigste Aufgabe der Mitarbeiter
jener Verbindungsnetze sollte darin bestehen, den lokalen Behörden
auf den Flughäfen bei der Überprüfung der Reisedokumente
zur Hand zu gehen - eine Praxis, die nicht zuletzt auch eine
Missachtung der Souveränität des Abfluglandes bedeutet.
Diese Quasiprivatisierung der Kontrollen reduziert automatisch den
Überprüfungsaufwand am Zielort der Reise. Aber die Folgen
dieser Praxis sind weitreichender: In Fällen, bei denen der Grund
der Ausreise darin besteht, in einem anderen Land Schutz zu finden und
Asyl zu beantragen, kann man den betreffenden Personen nicht ihre
"Illegalität" oder ein fehlendes Visum vorwerfen. In jedem Fall
müssten sie zunächst einmal im Zielland ankommen, bevor sie
abgewiesen werden können. Im August 2007 verurteilte ein
italienisches Gericht sieben tunesische Fischer wegen "Beihilfe zur
illegalen Einwanderung" zu Gefängnisstrafen und konfiszierte ihre
Boote. Ihr Vergehen bestand darin, die Passagiere eines sinkenden
Flüchtlingsboots gerettet und gemäß den Bestimmungen
des internationalen Seerechts in den nächstgelegenen Hafen
Lampedusa gebracht zu haben. So wird die Hilfe für Menschen in
Todesnot illegalisiert, nur weil sie nicht dem rassistischen Weltbild
des verwertbaren Humankapitals entsprechen.
Seit 2005 koordiniert Frontex die Abfangaktionen auf See. Ihr
Einsatzgebiet erstreckt sich von der afrikanischen Küste über
die Kanarischen Inseln bis in die Straße von Sizilien. Auch hier
lässt sich vermuten, dass Menschen gezielt und direkt ermordet
werden. So gibt es verschiedene Zeugenaussagen, die nahelegen, dass
auch europäische Küstenwachen gezielt Flüchtlingsboote
versenken. Der spanische Ministerpräsident Zapatero konnte Ende
2009 erfreut bekannt geben, dass sich die Zahl der auf dem Seeweg ins
Land gelangten Illegalen halbiert habe. Allerdings scheint die Zahl
derer, die auf den Migrationsrouten durch die Wüste und über
das Meer ihr Leben lassen, nicht gesunken zu sein. Durch die neu
errichteten Hindernisse lassen sich die zur Auswanderung Entschlossenen
nicht abschrecken. Sie sind nun aber gezwungen, längere und
gefährlichere Routen zu wählen. Das Interesse der EU-Staaten
ist also klar die Verringerung der Einwanderung auf Kosten von
Menschenleben. Die Vorschriften für die Zuwanderung in EU-Staaten
sehen vor, Migranten darauf zu überprüfen, ob sie als
Asylbewerber in Frage kommen. Unter welchen Umständen (und ob
überhaupt) dies bei den Frontex-Einsätzen in irgendeiner
Weise geschieht, ist unklar, da das Programm keinerlei demokratischer
Kontrolle untersteht. Aber vermutlich wird dieses Menschenrecht stark
vernachlässigt oder gar ganz igrnoriert.
Die Externalisierung der Grenzüberwachung bildet ebenso den
Hintergrund für die "globale Partnerschaft mit den Herkunfts- und
Transitländern", die von den 27 EU-Staaten 2008 im
"Europäischen Pakt zu Einwanderung und Asyl" beschlossen wurde.
Die treibende Kraft hinter dieser Entschließung war Frankreich,
das die Bekämpfung der "geduldeten Zuwanderung" (immigration
subie) zum politischen Thema seiner damaligen Ratspräsidentschaft
gemacht hatte. Unter Berufung auf die "Förderung von Synergien
zwischen Migration und Entwicklung" drängt der Pakt jene
Länder weiter in die Rolle von Grenzwächtern der EU, aus
denen die Migranten kommen oder durch die sie ihren Weg nach Europa
finden. Als Gegenleistung für den Schutz Europas von Außen,
winken ihnen politische oder finanzielle Vergünstigungen.
So erhielt Marokko 2008 mit der Gewährung des "fortgeschrittenen
Status" (statut avancé) im Verhältnis zur EU den Lohn
für seine anhaltenden Bemühungen, den europäischen
Erwartungen in der Migrationspolitik zu entsprechen. Im Oktober 2005
waren bei dem Versuch, die Drahtzäune der spanischen Enklaven
Ceuta und Melilla zu überwinden, etwa zwanzig Menschen aus den
Subsahara-Ländern ums Leben gekommen, weil sie stürzten,
erstickten oder weil die marokkanische Armee sie unter Beschuss nahm.
Die marokkanische Führung versuchte nicht, dieses Massaker zu
verheimlichen - und auch nicht, dass anschließend Migranten in
ein Wüstengebiet an der abgeriegelten Grenze zu Algerien gebracht
wurden, was weitere Todesopfer forderte.
Mit dieser Vorverlagerung von Abwehrmaßnahmen, für die das
Frontex-Programm das Paradebeispiel ist, können sich die
europäischen Staaten überdies der Verpflichtung zur Achtung
von Grundrechten entziehen, die sie für ihr eigenes Territorium
durch die Ratifizierung internationaler Konventionen eingegangen sind.
So sind Deutschland und Frankreich als Achsenmächte in Europa die
Urheber von Schießbefehlen an den EU-Außengrenzen und es
ist nicht zu erwarten, dass diese jemals juristisch aufgearbeitet
werden, wie es vermeintlich in Deutschland nach der Wiedervereinigung
der Fall ist. Daher ist klar zu erkennen, dass hier mit minderwertigem
Leben "gerechnet" und rassistischer Mord mit Unterstützung
zumindest gebilligt wird.
So wird wiedereinmal gezeigt, wie sich Deutschland (und natürlich
auch Frankreich) als Schreibtischtäter oder seltener direkt an
grenzenlosen Verbrechen schuldig macht und damit rechnet, nie
dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden.
Für einen D-Day der unterdrückten Massen!
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20 Minuten 10.12.10
Erektionstest für Gay-Asylbewerber
PRAG. In Tschechien mussten schwule Asylbewerber Hetero-Pornos
schauen. Damit wollten die Beamten deren Homosexualität
überprüfen.
Die EU hat nun Tschechiens Behörden für diese
Erektionstests bei homosexuellen Asylbewerbern kritisiert. Bei den
Tests wurden Asylbewerbern heterosexuelle Pornofilme gezeigt und ihnen
dabei der Blutfluss zum Penis gemessen. Damit sollte nach Prager
Angaben überprüft werden, ob die Asylbewerber, die eine
Verfolgung wegen Homosexualität in ihrem Heimatland geltend
machen, in Wahrheit heterosexuell sind. Ein Sprecher des Prager
Innenministeriums sagte gestern auf DPA-Anfrage, die "phallometrischen
Tests" würden seit Beginn 2010 nicht mehr ausgeführt.
Die EU-Grundrechteagentur hatte das tschechische Vorgehen in
einem Bericht kritisiert. Es sei für die Asylbewerber
entwürdigend und verstosse mit hoher Wahrscheinlichkeit gegen die
EU-Grundrechtecharta. Tschechiens Innenminister Radek John hatte
dagegen die Tests verteidigt. "Die Asylbewerber müssen den
tschechischen Behörden überzeugend beweisen können, dass
sie Homosexuelle sind", sagte der Minister am Mittwoch im tschechischen
Radio. Andernfalls habe der Betroffene keinen Anspruch auf Asyl. "Dann
soll er doch in ein Land gehen, wo diese Tests nicht durchgeführt
werden, und dort Asyl beantragen." Die betroffenen Asylbewerber
hätten nach Angaben des Ministeriums selbst um diese Tests gebeten
oder ihnen zumindest zugestimmt.
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20min.ch 9.12.10
Asylverfahren: EU rügt Penistests für Schwule
Kein Witz: Bis vor kurzem mussten sich schwule Asylbewerber in
Tschechien Hetero-Pornos anschauen - und so ihre sexuelle Orientierung
"beweisen".
Antonio Fumagalli
Es hört sich wie eine geschmacklose Szene in einem
schlechten Film an: Männer, die in der Tschechischen Republik Asyl
beantragten und dabei angaben, in ihrem Heimatland aufgrund von ihrer
Homosexualität verfolgt zu werden, mussten einen sogenannten
"phallometrischen Test" über sich ergehen lassen. Dabei
führte man dem Probanden heterosexuelle Pornofilme vor,
gleichzeitig wurde ihm der Blutfluss zum Penis gemessen.
Regte sich zwischen den Beinen des Asylbewerbers zu viel, war
dies nach der Logik der tschechischen Behörden ein Indiz
dafür, dass er in Tat und Wahrheit ein verkappter Hetero ist.
"Eine absurde Methode", sagt Sexualberater Bruno Wermuth, "beim
Betrachten eines Hetero-Pornos eine Erektion zu haben, ist kein Beweis
dafür, dass man heterosexuell orientiert ist."
"Schlimmer Fall von Diskriminierung"
Auch die Schwulenorganisation Pink Cross ist empört
über die tschechische Praxis: "So was Geschmackloses habe ich noch
nie gehört. Ein schlimmer Fall von Diskriminierung, der aufs
Schärfste verurteilt gehört", sagt Geschäftsführer
Uwe Splittdorf.
Publik wurde der Fall, weil das Verwaltungsgericht des deutschen
Bundeslandes Schleswig-Holstein die Wegweisung eines iranischen
Asylbewerbers nach Tschechien verweigert hatte - dies, weil der Iraner
dort den "phallometrischen Tests" ausgesetzt gewesen wäre.
Kritik von der EU
Die EU hat umgehend reagiert: Die Peniskontrollen seien für
die Asylbewerber entwürdigend und verstiessen mit hoher
Wahrscheinlichkeit gegen die Grundrechtcharta der EU. Denn: Weigerte
sich ein Mann, den Test zu absolvieren, konnte dies die Beendigung des
Asylverfahrens nach sich ziehen.
Laut "Spiegel Online" führt die Tschechische Republik die
umstrittenen Tests seit Anfang dieses Jahres nicht mehr durch. Die
Tragweite der Diskriminierung scheint aber noch nicht bis auf alle
Regierungsstufen durchgedrungen zu sein. Tschechiens Innenminister
Radek John sagte noch gestern Mittwoch: "Wer sich beklagt, soll doch in
ein Land gehen, wo diese Tests nicht durchgeführt werden und dort
Asyl beantragen."
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La Liberté 9.12.10
Entre Grèce et Turquie.
La dernière porte de l'Europe
Une douzaine de kilomètres de frontière est devenue
la principale porte d'entrée de l'immigration illégale
dans l'UE. Une force européenne tente de verrouiller ce passage
emprunté, en 2010, par 34 000 clandestins.
PHILIPPE CERGEL Orestiada (Thrace, Grèce)
En ce dimanche de novembre, jour de fête des forces
armées grecques, alors que la musique militaire retentit devant
le monument aux morts d'Orestiada, la principale ville de garnison de
la Thrace, avec ses magasins d'armes et d'uniformes, ses bars à
soldats et ses lupanars, un groupe d'une vingtaine d'hommes attend
patiemment sous le préau du commissariat, à quelques
dizaines de mètres de là.
Certains fument, d'autres ont un portable collé à
l'oreille et tous discutent dans une ambiance bon enfant sous l'œil
indifférent de deux policiers. Ils ont des barbes de plusieurs
jours, les visages creusés par le manque de sommeil. Tous ont le
bas de leur pantalon mouillé et les chaussures gorgées
d'eau: ils viennent de franchir l'Evros, la rivière toute proche.
Passage clandestin
"Nous étions tous rassemblés dans une maison
à Istanbul et nous avons payé 2000 dollars (1500 euros)
chacun pour le passage", explique un des hommes en anglais. "On nous a
transportés en car jusqu'à une ville près de la
frontière et après, c'est une voiture
particulière, qui a fait trois ou quatre voyages et nous a tous
amenés au bord de l'eau. Là, quelqu'un nous a fait
traverser le fleuve en bateau et nous a laissés sur l'autre rive
en nous disant que c'était la Grèce, avant de repartir.
Nous avons ensuite marché pendant dix heures pour venir ici."
Ils sont venus de leur propre gré dans ce poste de police.
C'est une étape obligatoire avant la poursuite d'un voyage dont
les destinations finales sont bien plus à l'ouest et au nord:
Italie, Allemagne, France, Belgique, Finlande... Leurs identités
n'ont pas d'importance, leurs origines non plus, d'ailleurs ils n'ont
pas de papiers et les noms qu'ils donnent sont faux. L'essentiel pour
eux, c'est de faire en sorte qu'on ne puisse pas les expulser.
Camp de rétention
Sortis du brouillard épais qui tombe avant la nuit et se
lève presque à midi sur cette plaine du fleuve
frontalier, ils restent un bref moment sous la lumière des
interrogatoires et dans les dortoirs du camp de rétention de
Filakio, à une vingtaine de kilomètres plus au nord, le
temps d'obtenir un document les enjoignant de quitter le pays dans les
trente jours. Un laissez-passer, en quelque sorte, qui les plongera
dans une nouvelle clandestinité.
Franchir un pont...
"Les Blancs disent qu'ils sont palestiniens et les gens de
couleur somaliens pour devenir inexpulsables et libérables de
suite", explique Georges Salamagas, le chef de la police d'Orestiada.
Malgré l'interpellation d'une quarantaine de passeurs turcs sur
le fleuve, quelque 34 000 immigrés, selon lui, ont franchi la
frontière gréco-turque dans sa région depuis le
début de l'année. Une augmentation vertigineuse par
rapport aux années précédentes, due à la
fermeture progressive des autres circuits de l'immigration
illégale.
Pour verrouiller ce point de passage, Frontex (Agence
européenne pour la gestion de la coopération
opérationnelle aux frontières extérieures) a
étendu depuis le 2 novembre son programme "Poséidon" de
surveillance des frontières maritimes lancée en 2006
à une opération d'aide au contrôle des
frontières terrestres entre la Grèce et la Turquie. A la
demande d'Athènes, 175 gardes-frontière de 26
nationalités, basés à Orestiada, patrouillent avec
les policiers grecs le long des 12,5 km où l'Evros,
barrière naturelle entre la Grèce et la Turquie, fait un
coude en territoire turc, près de la ville d'Edirne, facilitant
le passage.
Là, il suffit en effet de franchir un pont et la
Grèce n'est qu'à dix minutes de marche. "Certains jours,
nous interpellons plus de 300 clandestins, dit un policier, certains
errent sur les routes, d'autres attendent sagement à la gare de
Nea Vyssa, le village le plus proche de la frontière, qu'on
aille les chercher ou alors ils viennent directement au commissariat."
Pas de chasse à l'homme ni de course-poursuite
spectaculaire avec projecteurs, chiens hurlants et
hélicoptères tournoyant dans la nuit. Les "Equipes
d'intervention rapide aux frontières" de Frontex ("Rabit" selon
l'acronyme anglais) disposent certes d'un hélicoptère
fourni par la Roumanie mais ses apparitions sont assez espacées
et en général, il vole à une hauteur de plus de
3000 mètres.
Quant à l'utilisation des armes de service dont les
policiers de Frontex sont dotés par leur pays d'origine, "elle
est strictement réservée aux cas de légitime
défense et nous n'avons à faire qu'à des gens qui
tentent de franchir la frontière. Pas à des passeurs",
souligne un brigadier-chef de la Police de l'air et des
frontières (PAF).
Français sur le front
Ce Breton trentenaire habitué de la coopération
européenne pour les contrôles sur les trains Eurostar et
Thalys est l'un des neuf Français qui participent à
l'opération Frontex. Sa mission est d'effectuer des patrouilles
motorisées le long de la frontière dans une zone
militaire interdite aux journalistes. Des vacations de huit heures qui
réunissent, vingt-quatre heures sur vingt-quatre, des officiers
de diverses nationalités sous un commandement grec.
Caméra peu efficace
"En nous voyant, nombreux sont ceux qui rebroussent chemin pour
tenter de passer un peu plus loin", commente le brigadier-chef. Les
Bulgares Georgi et Vladislav ont un autre travail: postés
dès la tombée de la nuit sur une colline dans leur van
équipé d'un dispositif de détection thermique ("le
meilleur de la place", disent avec envie leurs collègues grecs),
ils scrutent l'écran sur lequel apparaît un massif
d'arbres en négatif dans la plaine en contrebas. En cas de
mouvement suspect, ils doivent avertir une patrouille qui ira
vérifier sur place. Malgré sa sophistication, la
caméra perd beaucoup de son efficacité par temps de
brouillard et ses utilisateurs admettent que, depuis leur
arrivée, ils n'ont encore rien détecté. ©
Libération
--
plutôt terre que mer...
Selon les statistiques de Frontex, l'Agence européenne
pour la gestion de la coopération opérationnelle aux
frontières extérieures, entre 2009 et 2010, les
arrivées aux Canaries ont baissé de 99%, à Malte
de 98%, en Italie de 65%, en Espagne et dans les pays d'Europe de l'Est
de plus de 20%.
Depuis le début 2010, en Grèce, les passages des
frontières maritimes ont baissé de 76% mais ceux des
frontières terrestres ont augmenté de 415%! Les trois
quarts de ces entrées illégales se sont effectuées
dans la région d'Orestiada: ce bout de frontière
terrestre entre la Grèce et la Turquie est aujourd'hui la
principale porte d'entrée de l'immigration clandestine en
Europe. PC
--
Rendre la frontière étanche reste impossible
Malgré le caractère peu efficace de la surveillance
de la frontière terrestre entre Grèce et Turquie,
côté grec, on se félicite déjà.
"Pendant les deux semaines qui ont précédé
l'arrivée des "Rabit" (voir ci-dessus), nous avions en moyenne
une arrivée de 130 clandestins par jour. Quinze jours
après, nous étions tombés à 80, soit une
baisse de 40%", se réjouit le commandant Salamagas qui
apprécie les renforts en patrouilles mais aussi en logistique,
avec l'arrivée d'interprètes ou de "screeners", ces
spécialistes de la détermination du pays d'origine de
l'immigré pour permettre son éventuelle expulsion et dont
la Grèce ne disposait pas jusqu'à présent.
Sous contrôle "Aujourd'hui, nous parvenons à
récupérer 100% des immigrants qui pénètrent
dans le secteur, à les enregistrer et à les traiter dans
le respect des droits de l'homme. Toute la chaîne, de la
frontière jusqu'au centre de rétention, est sous
contrôle", assure le Norvégien Tor Johansen, coordinateur
de Frontex avec les autorités helléniques. Il sait
pourtant, tout comme l'inspecteur Georges Petropoulos, porte-parole de
la police d'Orestiada, qu'il est impossible de parvenir à une
étanchéité totale de la frontière à
moins d'ériger une barrière comme autour des enclaves
espagnoles du Maroc ou entre les Etats-Unis et le Mexique. Mais il
s'agit là d'une décision bien au-delà de leurs
compétences, de même que les pressions politiques
susceptibles d'amener la Turquie à appliquer l'accord lui
imposant de réadmettre les clandestins venus de son territoire.
Réforme En attendant, le ministre grec de la Protection du
citoyen, Christos Papoutsis, vient d'annoncer une réforme des
procédures du droit d'asile, promettant d'examiner les demandes
dans un délai maximum de trois mois, ainsi que l'ouverture de
centres de rétention supplémentaires et mieux
équipés qui éviteront à la Grèce de
nouvelles condamnations pour manquement au respect des droits de
l'homme.
D'ici là, tous les matins, à l'arrêt des cars
interurbains devant le centre de Filakio se pressent des dizaines de
candidats à une vie meilleure. Munis du papier qui leur permet
de rester dans le pays pendant un mois sans être
inquiétés, ils prendront un billet pour un autre voyage
d'un millier de kilomètres jusqu'à Athènes. Ils
rejoindront les dizaines de milliers de migrants qui errent là,
à la recherche d'un nouveau moyen de fuir la misère... PC
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ANTI-ATOM
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Bund 10.12.10
Stadt soll AKW-"Schrottreaktor" Mühleberg klar bekämpfen
Eine links-grüne Mehrheit im Stadtrat will, dass Bern den
Schutz der Bevölkerung vor dem alten, "gefährlichen" AKW
Mühleberg verstärkt.
Markus Dütschler
Wenn AKW drauf steht, ist Konflikt drin. So war es auch gestern
im Berner Stadtrat. Zwar oblag dem Parlament keineswegs der Entscheid
für oder gegen einen Neubau des Kernkraftwerks Mühleberg.
Ausserdem hat das Stadtberner Stimmvolk kürzlich an der Urne einen
Pflock in der Energiepolitik eingeschlagen, indem es sich für
einen Ausstieg der Stadt Bern aus der Atomenergie bis ins Jahr 2039
entschieden hat.
Abgestimmt wurde im Stadtrat lediglich über ein Postulat,
das den Gemeinderat bittet, einem Solidaritätskomitee beizutreten.
Dieses AKW-kritische Bündnis, dem auch die Stadt Genf beigetreten
ist, akzeptiert den Entscheid des eidgenössischen
Energiedepartements Uvek nicht, das dem AKW Mühleberg vor fast
genau einem Jahr eine unbefristete Betriebsbewilligung erteilt hatte.
Das Bündnis zieht den Entscheid ans Bundesverwaltungsgericht
weiter. Laut der Fraktion Grünes Bündnis/Junge Alternative
soll hier die Stadt Farbe bekennen.
"Was tut die Stadt Bern, um die Bevölkerung vor dem
altersschwachen Schrottreaktor Mühleberg zu schützen?", so
lautet der Titel des GB/JA-Postulats. In der Diskussion erinnerte Lea
Bill (JA) an die Katastrophe von Tschernobyl 1986. Mühleberg sei
schlechter als mancher Reaktor in Russland und der Ukraine, die
Haftungssummen seien lächerlich tief. Die Freisinnigen lehnten den
Vorstoss ab, sagte Bernhard Eicher (JF), der absichtlich abseits des
Mikrofons sprach, um die Folgen einer Stromlücke zu demonstrieren.
Der nun parteilose, aber immer noch kampflustige Peter Wasserfallen
empörte sich über den "tendenziösen Titel" des Postulats.
Mit einer 2:1-Mehrheit bittet der Rat die Stadtregierung, dem
Solidaritätskomitee beizutreten und ihre Haltung zur
Betriebsverlängerung und zum Neubau in Mühleberg zu
klären. Zudem soll der Gemeinderat zeigen, wie es um den Schutz
der Bevölkerung vor dem "altersschwachen Schrottreaktor" stehe.
Der Gemeinderat war zum Teil gegen das Postulat, weil Sicherheitsfragen
von Kernkraftwerken Bundessache seien.
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BZ 10.12.10
BKW schreibt Auftrag für neues AKW aus
AtomenergieSeit dieser Woche läuft die Ausschreibung
für den Ersatz der AKW in Mühleberg und Beznau.
Die Planungsfirma Resun AG mit Sitz in Aarau hat diese Woche die
Aufträge für die neuen Atomkraftwerke an den Standorten
Beznau AG und Mühleberg BE öffentlich ausgeschrieben. Obwohl
der Kanton Bern erst im kommenden Februar über die Vernehmlassung
zum Bau eines neuen AKW abstimmt, laufen die Planungen des bernischen
Stromversorgers BKW bereits auf Hochtouren. An der Resun AG ist neben
der Axpo AG (57,75 Prozent) und der Axpo-Konzerngesellschaft
Centralschweizerische Kraftwerke AG (11 Prozent) auch die BKW mit 31,25
Prozent beteiligt. Die Planungsgesellschaft ist für die
Gesuchsunterlagen und die Erlangung der Bewilligungen zuständig.
Um überhaupt ein Baubewilligungsgesuch beim Bund einreichen zu
können, brauche man einen Anlagebauer, erklärte Cindy
Mäder, Kommunikationsleiterin der Resun AG, gegenüber der
Nachrichtenagentur SDA. Deshalb sei die Ausschreibung, welche der
"Bund" publik machte, zu einem solch frühen Zeitpunkt erfolgt.
Beim Bund sind derzeit drei Rahmenbewilligungsgesuche für
neue Atomkraftwerke hängig. Der Bundesrat wird voraussichtlich
Mitte 2012 entscheiden, danach kommen das Parlament und das Volk zum
Zug.
sda
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Bund 10.12.10
AKW-Gegner dürfen Riss-Gutachten sehen
Die BKW muss Einblick in das Gutachten zu den Rissen im
Kernmantel des AKW Mühleberg gewähren. Dies hat das
Bundesverwaltungsgericht im Verfahren zur unbefristeten
Betriebsbewilligung für den alten Reaktor entschieden.
Simon Thönen
Im Kanton Bern läuft gegenwärtig der Abstimmungskampf
über ein neues Atomkraftwerk in Mühleberg an. Doch umstritten
ist auch, wie sicher das bestehende AKW Mühleberg noch ist. 108
Anwohner haben im Februar die unbefristete Betriebsbewilligung
angefochten, die das Eidgenössische Departement für Umwelt,
Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) dem schon fast
vierzigjährigen AKW erteilt hatte.
Um zu belegen, dass der Reaktor nicht mehr genügend sicher
sei, verlangten die Beschwerdeführer Einblick in die
Sicherheitsunterlagen. Gestern publizierte das Bundesverwaltungsgericht
nun dazu einen Zwischenentscheid: Die Beschwerdeführer erhalten
Einblick in einen Teil der verlangten Akten. So in ein externes
Gutachten von 2006 zu den altersbedingten Rissen im Kernmantel von
Mühleberg - einem Problem, das AKW-Gegner seit langem als
Sicherheitsrisiko bezeichnen. Die Betreiberin BKW Energie AG muss zudem
Einsicht in drei weitere Sicherheitsdokumente geben, die sie als
"intern" abgestempelt hatte. Dazu erhalten die Beschwerdeführer
Einsicht in jene Dokumente, bei denen die BKW und das
Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat (Ensi) keine
Einwände erhoben hatten. Eine ganze Serie von Akten, die das Ensi
als "vertraulich" klassiert hatte, dürfen sie gemäss
Bundesverwaltungsgericht jedoch nicht einsehen.
Mühleberg-Gegner: "Teilerfolg"
Als "Teilerfolg" bezeichnete der Anwalt des Komitees
Mühleberg-Ver-fahren, Rainer Weibel, den Gerichtsentscheid. "Wir
erhalten Einsicht in gewisse Unterlagen, die man uns nicht zeigen
wollte. Wir hoffen, dass wir damit unsere Kritik an
Sicherheitsmängeln in Mühleberg präzisieren können."
Allerdings würden den Beschwerdeführern, so Weibel,
"auch weiterhin ganz wesentliche Akten vorenthalten". So etwa der
periodische Sicherheitsbericht. Er könne noch nicht sagen, ob er
seinen Klienten empfehlen werde, den Entscheid anzufechten. "Wir werden
nun prüfen, ob die gewährte Einsicht einstweilen ausreicht.
Wir können den Akteneinsichtsentscheid auch noch mit einer
allfälligen Beschwerde gegen den Endentscheid des
Bundesverwaltungsgerichts anfechten."
Den Zwischenentscheid des Bundesverwaltungsgerichts können
alle Prozessparteien innert dreissig Tagen beim Bundesgericht
anfechten. Ob sie dies tun werden, wollten gestern auch die BKW und das
Bundesamt für Energie (BFE) nicht sagen. "Wir haben den Entscheid
eben erst erhalten und analysieren ihn nun", sagte BFE-Sprecher
Matthieu Buchs. Die BKW prüfe den Entscheid intensiv und werde
rasch entscheiden, sagte Sprecher Antonio Sommavilla. "Im Kernkraftwerk
Mühleberg haben wir keine Sicherheitsdefizite, und wir haben auch
nichts zu verbergen", betonte er. Dass die BKW dennoch ganze
Aktenkategorien als "intern" gestempelt hatte, begründete er mit
"den Geheimhaltungsinteressen von Drittfirmen".
Mühleberg 2012 abschalten?
Falls niemand den Entscheid zur Akteneinsicht anfechten sollte,
werden die Beschwerdeführer Einsicht nehmen und ihre Kritik an den
Sicherheitsmängeln des Atomkraftwerks präzisieren. Noch 2011
dürfte das Bundesverwaltungsgericht dann den Entscheid in der
Hauptfrage fällen: ob Mühleberg eine unbefristete
Betriebsbewilligung behält. Auch dieser Entscheid kann ans
Bundesgericht weitergezogen werden.
Falls die Beschwerdeführer gewinnen, bleibt die
Betriebsbewilligung befristet bis 31. Dezember 2012. Das AKW
müsste also auf diesen Zeitpunkt hin abgeschaltet werden. Die
Betriebsdauer von vierzig Jahren entspräche, nebenbei bemerkt,
jener, die die deutsche Regierung unter Angela Merkel für ebenso
alte deutsche AKW festgelegt hat. Möglich wäre allerdings
auch, dass die schweizerischen Bundesbehörden die Bewilligung
für Mühleberg um einige Jahre verlängern könnten.
Auswirkungen auf neue AKW
Das Verfahren um die unbefristete Betriebsbewilligung für
Mühleberg ist jedoch über dieses einzelne Kernkraftwerk
hinaus von Bedeutung. Denn es handelt sich um das erste Verfahren nach
dem neuen Kernenergiegesetz. Dieses ist auch für die Bewilligung
von neuen AKW massgebend.
Die kantonale Volksabstimmung vom 13. Februar über ein neues
AKW in Mühleberg ist zwar politisch wichtig. Einen verbindlichen
Entscheid über die Rahmenbewilligung für neue AKW wird
voraussichtlich aber erst das Schweizervolk 2013 oder 2014 in einer
Referendumsabstimmung fällen. Dies wäre jedoch erst der
Grundsatzentscheid.
Danach würden, sofern das Volk Ja sagen sollte, erst die
Bau- und die Betriebsbewilligungsverfahren folgen. Denn zum Zeitpunkt
der schweizerischen Volksabstimmung werden die konkreten Details der
AKW-Projekte noch nicht feststehen, wahrscheinlich werden sich die
Betreiber nicht einmal definitiv auf den Reaktortyp festlegen.
Strittige Fragen um die Sicherheit der neuen AKW würden deshalb
erst nach der Volksabstimmung im Bau- und Betriebsbewilligungsverfahren
geklärt - inklusive der Möglichkeit, Entscheide der
Behörden vor Gericht anzufechten.
Dabei wird erneut die Frage zentral sein, welche Sicherheitsakten
Beschwerdeführer einsehen dürfen. Beim aktuellen Entscheid
fällt auf, dass das Bundesverwaltungsgericht ganze Aktenkategorien
aus Sicherheitsgründen unter Verschluss halten will. Bei
Terroranschlägen bestehe die "Gefahr einer grossräumigen
radioaktiven Verstrahlung", argumentierte das Gericht. Das Dilemma
besteht darin, dass Sicherheitsakten, die Terroristen interessieren
könnten, oft auch Aufschluss darüber geben, wie sicher ein
AKW ist - was ja in atomrechtlichen Verfahren die Hauptfrage ist.
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BZ 10.12.10
AKW-Gegner erhalten Akten-Einsicht
MühlebergDas Bundesverwaltungsgericht gewährt
beschränkte Einsicht in Akten des AKW Mühleberg. Vertrauliche
Dokumente werden davon ausgeschlossen.
Die Gegner des AKW Mühleberg erhalten laut einem
Zwischenentscheid des Bundesverwaltungsgerichts beschränkte
Einsicht in interne Akten des Atomkraftwerks. Unter Verschluss bleiben
laut Gericht aus Sicherheitsgründen alle als vertraulich
eingestuften Dokumente.
Betriebsrisiken offenlegen
Das hängige Hauptverfahren dreht sich um die unbefristete
Betriebsbewilligung, die das AKW Mühleberg am 17. Dezember 2009
vom Bund erhalten hatte. Gegen diesen Entscheid des Departements
für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) hatten die
Mühleberg-Gegner Beschwerde ans Bundesverwaltungsgericht erhoben.
In diesem Rahmen forderten die Gegner Einsicht in Unterlagen zur
Sicherheit des Atomkraftwerks. Wie die Beschwerdeführer im Vorfeld
des Gerichtsentscheids erklärten, erhofften sie sich, durch die
Einsicht ihre seit Jahren erhobenen Sicherheitseinwendungen endlich
beweisen zu können. Der Rapport müsse für die
Öffentlichkeit verfasst sein, damit diese sich ein Bild über
Betriebsrisiken und Schutzmassnahmen eines AKW machen könnten.
Das Bundesverwaltungsgericht hat in einer Zwischenverfügung
nun entschieden, dass die Gegner beschränkte Einsicht in interne
Akten erhalten sollen. Zugänglich gemacht werden müssen ein
Gutachten zu Kernmantelrissen beim Reaktor des AKW Mühleberg aus
dem Jahr 2006 und drei weitere Unterlagen. Gemäss Urteil
überwiege das Recht auf Einsicht gegenüber dem Interesse an
der Geheimhaltung von Geschäftsgeheimnissen des bernischen
Stromkonzerns BKW sowie Dritter.
Innere Sicherheit wahren
Wegen überwiegender öffentlicher
Geheimhaltungsinteressen werden Akten, die vom Eidgenössischen
Nuklearsicherheitsinspektorat (Ensi) als vertraulich klassifiziert
worden sind, von diesem Entscheid ausgenommen. Durch diesen Entscheid
soll eine allfällige Gefährdung der inneren Sicherheit
verhindert werden. Zur inneren Sicherheit gehört laut
Bundesverwaltungsgericht unter anderem der Schutz wichtiger
Infrastrukturanlagen vor Sabotageakten oder Terroranschlägen. Bei
Kernkraftwerken falle dabei auch die "durch kriminelle Einwirkungen
drohende Gefahr einer grossräumigen radioaktiven Verstrahlung ins
Gewicht".
Das Gericht hatte die fraglichen Akten vom
Nuklearsicherheitsinspektorat erhalten. Es handelt sich um 86
Bundesordner. Die aktuelle Zwischenverfügung kann nur unter
einschränkenden Voraussetzungen ans Bundesgericht weitergezogen
werden.
sda/cze
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NZZ 10.12.10
Frühe AKW-Ausschreibung
Resun und Alpiq mit unterschiedlichen Zeitplänen
(sda) /dsc. · Die Planungsfirma Resun hat diese Woche
Aufträge für neue AKW an den Standorten Beznau und
Mühleberg öffentlich ausgeschrieben. Die Ausschreibung wurde
im Aargauer Amtsblatt veröffentlicht. Resun ist eine
Tochtergesellschaft der Stromfirmen Axpo, BKW und CKW, die
grösstenteils in öffentlicher Hand sind - daher das
Ausschreibungsverfahren.
Um beim Bund später ein Baubewilligungsgesuch einreichen zu
können, muss der genaue Reaktortyp feststehen. Mit der jetzigen
Ausschreibung soll die Zeit zwischen der Rahmenbewilligung, über
die wohl das Volk entscheiden wird, und der Baubewilligung
verkürzt werden. Die Ausschreibung umfasst auch die Erstladung
für den Reaktorkern sowie weitere Ladungen. Für den Auftrag
im Umfang von 14 bis 18 Milliarden Franken kann sich ein
Generalunternehmer oder ein Konsortium qualifizieren.
Der Stromkonzern Alpiq, der ein neues Werk in Gösgen plant,
will sein Projekt etwa Ende des kommenden Jahres ausschreiben. Ob man
sich dann bereits vor der 2013 oder 2014 zu erwartenden Volksabstimmung
für einen Reaktortyp entscheiden werde, lässt Martin
Bahnmüller von Alpiq noch offen. AKW-Gegner hatten kürzlich
kritisiert, dass das Reaktorsystem noch nicht feststehe - das Verfahren
des Bundes verlange in der jetzigen Phase erst grundlegende Angaben zur
Anlage.
Die Anbieter von Kernkraftwerken sind alle ausländischer
Provenienz, Schweizer Firmen werden bei der Bauausführung und als
Zulieferer eine Rolle spielen. Zur Auswahl stehen Systemanbieter wie
Areva, Toshiba-Westinghouse oder General Electric Hitachi. Die
Stromkonzerne wollen sich schliesslich auf den Bau von zwei
Partnerwerken verständigen. Dabei soll zweimal derselbe Typ
realisiert werden.
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NZZ 10.12.10
Erstes Kräftemessen um Tiefenlager-Kosten
Die neuen Prognosen der Nagra bleiben trotz finanziellen Begehren
aus den Kantonen und offenen technischen Fragen stabil
Die Kantone beanspruchen mehr Geld für die Verfahren zum
Tiefenlager. Die Nagra revidiert derweil die Kostenprognosen für
das Projekt. Trotz offenen technischen Fragen und teuren Prozeduren
werden aber keine Änderungen erwartet.
Davide Scruzzi
Am Donnerstag trafen sich die Regierungsräte der
möglichen Tiefenlager-Standortkantone, um über die Kosten zu
diskutieren, die ihnen aus dem Auswahlverfahren erwachsen. Dies
erfolgte mit Blick auf eine Studie über nötige
Kompensationszahlungen für die Standortregion. Bezahlen soll die
meisten Rechnungen am Schluss die Nagra, die für die Entsorgung
zuständige Genossenschaft von AKW-Betreibern und Bund. Das
Kostendach für die kantonalen Aufwendungen ist aber derzeit auf
1,2 Millionen Franken im Jahr begrenzt. Das sei zu wenig, wenn man
bedenke, dass die Fachleute der Kantone konzeptionelle Arbeiten
durchführten und die extern vergebenen Aufträge begleiten
müssten, sagt René Loner von der Zürcher Baudirektion,
welche die Federführung im Ausschuss der Kantone zum Tiefenlager
hat. - Neben technisch-wissenschaftlichen Fragen gewinnen also auch die
verschiedenen finanziellen Aspekte des Projekts an Bedeutung. Die Nagra
beginnt nun gemäss dem vorgeschriebenen Fünfjahresrhythmus
mit der Überprüfung der Gesamtkosten. Nagra-CEO Thomas Ernst
erwartet aber trotz allem keine grossen Veränderungen bei der
Endsumme.
Relativierung der Mehrkosten
Die bisherige, vom Eidgenössischen
Nuklearsicherheitsinspektorat genehmigte Rechnung aus dem Jahr 2006
bezifferte die Kosten für ein Tiefenlager für hochaktive
Abfälle auf 5,22 Milliarden Franken, dasjenige für schwach-
und mittelaktive Abfälle wurde auf 2,34 Milliarden veranschlagt.
Die Umweltorganisation Schweizerische Energiestiftung (SES) glaubt
nicht, dass diese Beträge ausreichen. Es gebe kaum Erfahrungswerte
und trotz der technisch-wissenschaftlichen Komplexität werde
"Unvorhergesehenes" nicht einkalkuliert, sagt Sabine von Stockar von
der SES und nennt als Beispiel die Kostenüberschreitungen beim
Neat-Projekt.
"Die finanzielle Tragweite offener Fragen der technischen
Umsetzung ist gemessen an den Gesamtkosten gering und in alternativen
Kostenszenarien zum Teil schon berücksichtigt", sagt hingegen
Thomas Ernst von der Nagra. Er relativiert potenzielle Kostentreiber,
die aus derzeit von den Gegnern akzentuierten Unsicherheiten
resultieren könnten. Müsste die Ummantelung der Behälter
etwa mit Kupfer statt mit Stahl erfolgen, um die Gasbildung aus
Korrosionsprozessen zu reduzieren, ergäbe dies beim
Hochaktiv-Lager Mehrkosten von etwa 2 Prozent, sagt Ernst. Eine weitere
offene Frage ist das Ausmass nötiger Abstützungen der
Lagerstollen und die dafür nötigen Materialien, damit es
nicht zu unerwünschten chemischen Reaktionen mit dem
Füllmaterial Bentonit und dem Wirtgestein, dem Opalinuston, kommt.
Doch aus solchen technischen Massnahmen, die teilweise noch in der
Entwicklungsphase sind, dürften laut Thomas Ernst ebenfalls keine
grossen Veränderungen des Gesamtkosten-Rahmens resultieren.
Unerwartete Hindernisse beim Bau des Stollensystems seien im Weiteren
weniger problematisch als etwa bei Bahntunnel-Projekten. Die Tunnels zu
den Lagerstollen müssten nämlich nicht einer strikten
Linienführung folgen, sondern könnten angepasst werden.
Gegenüber 2001 stiegen die Tiefenlager-Kosten bei der Studie
von 2006 um 865 Millionen Franken, unter anderem wegen höherer
Rohstoffkosten und der Ablehnung des Projekts Wellenberg für die
Lagerung schwach- und mittelaktiver Abfälle - daraus ergab sich
der Bedarf geologischer Abklärungen in anderen Regionen. In den
nächsten beiden Jahrzehnten werden die Kostenprognosen laufend den
absehbaren konkreten Bedürfnissen angepasst, vieles werde erst im
Rahmen der Phase der Baubewilligungen geklärt, heisst es bei der
Nagra. Hauptziel der Voraussagen ist die richtige Bemessung der
finanziellen Mittel, welche die Kernkraftwerksbetreiber in den
Entsorgungsfonds einzahlen müssen, die der Bund beaufsichtigt
(siehe Zusatztext).
Die laufenden Kosten der Nagra von jährlich rund 40
Millionen Franken werden zu 97 Prozent von den AKW-Betreibern
finanziert. Etwa 3 Prozent finanziert der Bund, ähnlich ist es bei
den späteren Realisierungskosten. Der Bund sichert sich so die
Einlagerung von Abfällen aus Medizin, Industrie und Forschung.
Die AKW-Betreiber sind als Hauptzahler auch nach der
Ausserbetriebsetzung ihrer Anlagen bei Kostenüberschreitungen des
Projekts nachschusspflichtig, im Weiteren gibt es eine Solidarhaftung
aller AKW-Betreiber. Nachzahlungen des Bundes gelten als
äusserstes Mittel, wenn Mehrkosten den Firmen dereinst finanziell
nicht zuzumuten wären.
In der Mitte des Jahrzehnts wird der Bund mit den in Frage
kommenden Regionen die Kompensationssummen definieren, für die
dann ebenfalls die Nagra aufkommen wird. Basis dafür sind noch
anstehende sozioökonomische Analysen des Bundes - im Gegensatz zum
gescheiterten Vorhaben am Wellenberg soll also über die
Abgeltungen Transparenz herrschen. Als Ausgleichsmassnahmen wären
Aufwertungen der betroffenen Regionen mit dem Bau neuer
Verkehrsanschlüsse oder wirtschaftlicher Förderplattformen
denkbar. Daneben kann die Nagra weitere finanzielle Abgeltungen
aushandeln. Die Genossenschaft rechnet mit Kosten von mehreren hundert
Millionen Franken für Abgeltungen und Kompensationen.
Umstrittene Studien
Dieser Budgetposten ist allerdings bereits auch Gegenstand
kantonaler und kommunaler Studien. Der Kanton Schaffhausen preschte als
Erster vor und publizierte eine auf Umfragen basierende Analyse, die
auch Steuerausfälle berücksichtigt. Insbesondere die von der
Nagra auf 300 Millionen Franken geschätzten Kompensationen
für das Lager für schwach- und mittelaktive Abfälle
seien zu tief, so die Studie. Diese Analyse, die ohne Rücksicht
auf die bevorstehenden vergleichenden Studien des Bundes erstellt
wurde, löste sowohl bei den anderen Kantonen wie auch beim Bund
Kritik aus. Weitere solche Analysen sind aber bereits angekündigt.
In den nächsten Monaten soll eine ökonomische Studie der
Gemeindepräsidentenkonferenz Niederamt die Auswirkungen eines
Tiefenlagerstandorts Jurasüdfuss und des geplanten neuen AKW
Gösgen beleuchten. Die Kantone Zürich und Aargau planen
ebenfalls Analysen der regionalen wirtschaftlichen Zusammenhänge,
wollen Studien des Bundes aber nicht zuvorkommen. Diese kantonalen
"Image"-Studien übersteigen klar den Kostenrahmen des Bundes
für die Kantone.
Die Nagra muss freilich auch die vom Bund organisierten Verfahren
zur Mitwirkung der Bevölkerung bei der Standortsuche weitgehend
selbst finanzieren - geplant ist ein ausgeklügeltes System von
Partizipationsgremien. Beim Bund erarbeitet man derzeit die Budgets
für die Mitwirkungs-Gremien in den Standortregionen
(Sitzungsentschädigungen, Informationsmaterial, Expertisen).
Michael Aebersold vom Bundesamt für Energie rechnet mit Kosten von
jährlich mehreren hunderttausend Franken pro Standortregion.
Allein bis zum Ende der nächsten Etappe (bis 2013) ist ein
Kostendach für das Auswahlverfahren, einschliesslich der
kantonalen Aufwendungen, von 28 Millionen Franken festgehalten worden -
eingerechnet sind auch 5 Millionen Franken an Personalkosten des
Bundes. Dieser könnte das Budget erweitern, nach Verhandlungen mit
der Nagra.
--
Leichte Unterdeckung
dsc. · Der Entsorgungsfonds soll den Aufwand für die
Betriebsabfälle und die abgebrannten Brennelemente nach der
Ausserbetriebnahme der AKW decken. Die Gesamtkosten dafür betragen
6,3 Milliarden Franken. Das Fondsvermögen beläuft sich nun
auf etwa 2,8 Milliarden. Nach dem schlechten Börsenjahr 2008 mit
einem Verlust von 21,8 Prozent ergab sich 2009 eine Rendite von 15,3
Prozent. Für 2010 dürfte diese knapp 3 Prozent betragen. Der
seit 2002 in dieser Form konstituierte Fonds hat mit einer
Realverzinsung von jährlich 0,55 Prozent das Ziel von 2 Prozent
bisher nicht erreicht. Für Fondsgeschäftsführer Max
Zulliger ist aber klar, dass diese mit dem Börsenverlauf
erklärbare Unterdeckung mittelfristig aufgeholt werden kann - oder
kompensiert wird.
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sf.tv 9.12.10
Atomkraftwerk-Gegner dürfen Mühleberg-Akten einsehen
sda/gern
Die Gegner des AKW Mühleberg erhalten laut einem
Zwischenentscheid des Bundesverwaltungsgerichts beschränkte
Einsicht in interne Akten des Atomkraftwerks. Unter Verschluss bleiben
laut Gericht aus Sicherheitsgründen alle als "vertraulich"
eingestuften Dokumente.
Das hängige Hauptverfahren dreht sich um die unbefristete
Betriebsbewilligung, die das AKW Mühleberg am 17. Dezember 2009
vom Bund erhalten hatte. Gegen diesen Entscheid des Departements
für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) hatten die
Mühleberg-Gegner Beschwerde ans Bundesverwaltungsgericht erhoben.
In diesem Rahmen forderten die Gegner zudem Einsicht in
Unterlagen zur Sicherheit des Atomkraftwerks. Das
Bundesverwaltungsgericht hat in einer Zwischenverfügung nun
entschieden, dass die Gegner beschränkte Einsicht in interne Akten
erhalten sollen.
"Vertrauliche" Akten bleiben geheim
Zugänglich gemacht werden müssen ein Gutachten zu
Kernmantelrissen beim Reaktor des AKW Mühleberg aus dem Jahre 2006
und drei weitere Unterlagen. Gemäss Urteil überwiegt hier das
Recht auf Einsicht das Interesse an der Geheimhaltung von
Geschäftsgeheimnissen des bernischen Stromkonzern BKW sowie
Dritter.
Keine Einsicht erhalten die Mühleberg-Gegner dagegen in
Akten, die vom Eidg. Nuklearsicherheitsinspektorat (Ensi) als
"vertraulich" klassifiziert worden sind. Diese Dokumente können
gemäss Urteil aus überwiegenden öffentlichen
Geheimhaltungsinteressen, die die innere Sicherheit betreffen, nicht
offen gelegt werden.
Akten bereits ausgehändigt
Zur inneren Sicherheit gehört laut Gericht unter anderem der
Schutz wichtiger Infrastrukturanlagen vor Sabotageakten oder
Terroranschlägen. Bei Kernkraftwerken falle dabei auch die "durch
kriminelle Einwirkungen drohende Gefahr einer grossräumigen
radioaktiven Verstrahlung ins Gewicht".
Das Bundesverwaltungsgericht hatte die fraglichen Akten vom Ensi
erhalten. Es geht um 86 Bundesordner. Die aktuelle
Zwischenverfügung kann nur unter einschränkenden
Voraussetzungen ans Bundesgericht weitergezogen werden.
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Aargauer Zeitung 9.12.10
Auftrag für zwei schlüsselfertige AKW
Atomkraftwerke Bauherren schreiben Neubauten in Beznau und
Mühleberg öffentlich aus
Hans Lüthi
"Das Projekt umfasst die Beschaffung von zwei vollständigen,
schlüsselfertigen und betriebsbereiten Ersatzkernkraftwerken
für die Standorte Beznau und Mühleberg." So steht es
wörtlich in der überraschenden Ausschreibung der Firma Resun
AG im jüngsten Aargauer Amtsblatt. Die Resun in Aarau ist von den
heutigen Betreibern Axpo AG und CKW sowie von der BKW damit beauftragt,
die neuen Atomkraftwerke an den alten Standorten zu planen. Vorgesehen
sind Leichtwasserreaktoren mit einer Nettoleistung (Stromabgabe ins
Netz) von circa 1450 Megawatt, plus/minus 20 Prozent. Damit reicht die
Spannweite von knapp 1200 bis zu 1600 Megawatt für jedes neue AKW.
Ersatz mit dreifachem Strom
Zu ersetzen sind die drei ältesten Schweizer Atomkraftwerke,
Beznau1 und Beznau2 sowie Mühleberg. Die Aargauer Kraftwerke in
der Gemeinde Döttingen haben zusammen eine Nettoleistung von 730
Megawatt, das Berner Kraftwerk mit nur einem Reaktor kommt auf 373
Megawatt. Zu ersetzen gibt es in der Schweiz damit 1100 Megawatt
elektrische Leistung. Heinz Karrer weist als CEO der Axpo Holding immer
wieder darauf hin, dass mit den auslaufenden Frankreich-Verträgen
2000 Megawatt aus dem Import wegfallen. Der mittelfristig fehlende
Strom aus den 3000 Megawatt Leistung kann also durch zwei moderne AKW
abgedeckt werden. Zusammen mit Gösgen von der Alpiq laufen aber
derzeit drei Gesuche. Seit der Einreichung vor zwei Jahren ist sich
auch die Branche einig, dass zwei AKW genügen. "Die Verhandlungen
zwischen den Projektanten laufen", schreibt die Axpo noch immer dazu.
Fünf Jahre Vorbereitungszeit
Viele fragen sich natürlich, warum die Resun die neuen AKW
schon jetzt ausschreibt - vor dem Entscheid von Bundesrat und Volk.
"Der Bau eines Kernkraftwerkes ist sehr zeitintensiv", schreibt
Axpo-Mediensprecher Beat Römer dazu. Von der Eingabe des Gesuches
um Rahmenbewilligung bis zur Bewilligung nach einer Volksabstimmung
"vergehen voraussichtlich fünf Jahre". Diese Zeit wolle man
nutzen, um bei einem Ja des Volkes "rasch den nächsten Schritt im
Bewilligungsprozess einzuleiten". Im Gesuch um die Baubewilligung
müsse der Reaktortyp festgelegt werden, der Bauvertrag für
die Anlagen werde aber erst nach Erhalt der Rahmenbewilligung
unterschrieben.
Bauten kosten 14 bis 18 Milliarden
Firmen, die sich für den seltenen Grossauftrag bewerben
wollen, müssen sich bis 5. Januar anmelden und 100000 Franken
bezahlen. Letzter Termin für die Einreichung der Offerten ist der
15. April 2011, gemäss Amtsblatt um punkt 13.00 Uhr. Die hohen
Kosten begründet Römer mit der Sicherheit für die Resun,
dass ihr geistiges Eigentum nur an ernsthaft interessierte Anbieter
gehe. Das Geld werde auf einem Treuhandkonto hinterlegt und später
zinslos zurückerstattet. Die zwei Anbieter mit der höchsten
Bewertung werden aufgefordert, Angebote für den Bau einzureichen.
"Wettbewerb ist ein zentrales Element einer öffentlichen
Beschaffung", schreibt die Axpo dazu und beziffert die Baukosten auf
"eine Grössenordnung von 14 bis 18 Milliarden Franken". Die
Projekte Beznau und Mühleberg werden nicht nur gemeinsam
ausgeschrieben, sie werden auch "an denselben Generalunternehmer
vergeben".
Volksabstimmung Ende 2013
Gegenüber dem ursprünglichen Zeitplan hat sich bereits
eine deutliche Verzögerung ergeben. Neu geht die Axpo davon aus,
der Bundesrat werde Mitte 2012 über die Rahmenbewilligung
entscheiden. Danach folgen Nationalrat und Ständerat, mit der
Volksabstimmung wird Ende 2013 gerechnet. Das Verfahren zur
Baubewilligung könnte bis 2017 dauern, die Bauphase danach bis
circa im Jahr 2023. Gemäss dem Aargauischen Submissionsdekret kann
auch gegen die Ausschreibung Beschwerde beim Verwaltungsgericht des
Kantons Aargau geführt werden.
Ein erstes Zeichen vom Stimmvolk kommt schon im Februar auf den
Tisch, wenn der Kanton Bern über die Vernehmlassung zum Bau eines
neuen Atomkraftwerks in Mühleberg abstimmen wird. Dazu schreibt
der Bund: "Das Resultat ist unverbindlich, aber es gilt landesweit als
Stimmungsbarometer."
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Standorte Ja der Sicherheitsbehörde Ensi liegt schon vor
Das Verfahren für ein neues AKW richtet sich nach dem
Kernenergiegesetz des Bundes. Vor dem Bau sind drei Stufen nötig:
Rahmenbewilligung, Baubewilligung, Betriebsbewilligung, was 10 Jahre in
Anspruch nimmt. Die Gesuche um Rahmenbewilligung in Beznau,
Mühleberg und Gösgen hat das Eidgenössische
Nuklearsicherheitsinspektorat (Ensi) gemeinsam beurteilt. Es kam zum
Schluss, die Angaben seien technisch fundiert, die gesetzlichen
Anforderungen würden erfüllt. Von der "nuklearen Sicherheit
her könnte an allen drei Standorten ein neues Kernkraftwerk gebaut
werden". Die Axpo will nur Hersteller mit einer weltweit anerkannten
Technologie berücksichtigen, die schon angewandt wird oder
zertifiziert ist. Obwohl der Bau eines neuen AKW alleinige Sache des
Bundes ist, hat der Aargau ein Richtplanverfahren durchgeführt.
Die Regierung begründet das damit, es sei von Vorteil, wenn der
Bundesrat die Aargauer Bedingungen bei seinem Entscheid zum Standort
Beznau kenne. Die Parteien SVP, FDP, CVP und BDP sprachen sich für
ein Ersatz-AKW aus, SP, Grüne und EVP dagegen. Entscheiden wird
das Schweizervolk, ob neue Atomkraftwerke gebaut werden sollen oder
nicht. (Lü.)
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Bund 8.12.10
AKW-Risiken im Zentrum der Kampagne gegen Mühleberg II
Das Komitee "Nein zum neuen AKW Mühleberg" will
ungelöste Probleme der AKW-Technologie zum Hauptthema des
Abstimmungskampfs machen.
Simon Thönen
Das Abstimmungsplakat wird ein Baby zeigen, das neun Jahre nach
der AKW-Katastrophe von Tschernobyl schwer behindert zur Welt kam - und
später starb. "Wir haben bewusst ein schockierendes Bild
gewählt", sagte an der gestrigen Medienkonferenz Jörg
Rüetschi, Geschäftsführer des WWF Bern. Das Komitee
"Nein zum neuen AKW Mühleberg" wird die Gefahren von
Atomkraftwerken ins Zentrum seiner Abstimmungskampagne stellen.
Für ein Nein zu einem AKW Mühleberg II in der
kantonalen Volksabstimmung vom 13. Februar setzt sich ein Bündnis
ein, das neun Umweltorganisationen sowie die Gewerkschaft Unia und den
Hausverein umfasst. Als politische Parteien sind die Grünen, die
SP und die Grünliberalen mit von der Partie.
"Schweizer AKW-Betreiber sprechen in der Öffentlichkeit
gerne von sauberem Strom", sagte Florian Kasser von Greenpeace, "doch
schaut man sich die Hinterhöfe der Atomproduktion genauer an, wird
klar: Strom aus Kernkraft kann nicht sauber sein." Kasser bezog sich
auf die russische Atomanlage Majak, in der Brennstoff für
Schweizer AKW bearbeitet wurde. Bei einer Pressereise im November habe
Greenpeace in der Umgebung des Komplexes Majak "Strahlungswerte so hoch
wie in Tschernobyl gemessen".
Für die grüne Nationalrätin Franziska Teuscher ist
"die Entsorgungsfrage die Lebenslüge der Atomindustrie". Nach
vierzig Jahren nuklearer Stromproduktion in der Schweiz "wissen wir
immer noch nicht, wo wir mit dem hochgiftigen Abfall hin sollen".
"Machen AKW krank?" fragte die Ärztin und SP-Grossrätin
Danielle Lemann. "Die Forschung hat bis heute keine eindeutigen
Antworten." Sie verwies auf eine deutsche Studie, die für Kinder
in der direkten Umgebung von AKW ein doppelt so hohes Risiko
konstatiert hatte, an Leukämie zu erkranken.
"Gewinn dank AKW-Verzicht"
Neue AKW seien auf Jahrzehnte hinaus nicht rentabel und auf
"staatliche Hilfe sowie Quersubventionierung durch die Wasserkraft
angewiesen", kritisierte SP-Nationalrätin Ursula Wyss. "Die
Städte laufen der Atomenergie davon", sagte der Berner Stadtrat
Martin Trachsel (EVP), dies habe das Ja der Stadtberner und St. Galler
zum Atomausstieg am 28. November erneut gezeigt.
Der CEO des WWF Schweiz, Hans-Peter Fricker, verwies auf die vom
WWF und den Grossstädten finanzierte Infras-Studie, die aufzeige,
"wie die Schweiz gewinnbringend auf neue AKW verzichten kann":
Volkswirtschaftlich zahle es sich aus, wenn man auf Energieeffizienz
und erneuerbare Energien statt auf Grosskraftwerke setze.
Pikanterweise hatten sich in der Stadt Bern die Gegner des
Atomausstiegs auch auf diese Studie berufen: Ein Ausstieg führe zu
einer Verdoppelung des Strompreises, warnten sie. "Der Strompreis ist
gegenwärtig zu tief", sagte dazu Fricker. Die in der Studie
erwähnte Lenkungsabgabe sei jedoch keine Steuer, meinte Fricker,
der übrigens Mitglied der FDP ist. Die Lenkungsabgabe würde
der Bevölkerung ja zurückerstattet. "Bestraft würden nur
jene, die überdurchschnittlich viel Strom verbrauchen und nichts
daran ändern wollen."
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BZ 8.12.10
AKW-Gegner setzen auf Schockbilder
AtomenergieDie Gegner eines neuen Atomkraftwerks in
Mühleberg haben den Abstimmungskampf eröffnet. Sie versuchen,
die Bevölkerung mit schockierenden Bildern vom Atomunfall in
Tschernobyl zu beeinflussen.
Das Kind liegt auf einem Spitalbett, Schläuche führen
in die Nase. Die Augen sind geschlossen, eingewickelt ist es
behelfsmässig in ein dünnes Tuch. Es handelt sich um ein
Kind, das 1986 beim Atomunfall in der ukrainischen Stadt Tschernobyl
radioaktiv verseucht wurde und später starb. Unter dem Bild prangt
der Text "Radioaktive Strahlung zerstört Zukunft".
Mit diesem Motiv wirbt das Komitee der AKW-Gegner im Kanton Bern
für ein Nein am 13. Februar zu einem neuen Atomkraftwerk in
Mühleberg. "Wir setzen bewusst auf Schockbilder", sagte
Kampagnenleiter Jörg Rüetschi vom WWF Bern gestern vor den
Medien. Das Komitee, dem sich neben dem WWF und den politischen
Parteien SP, Juso, Grünliberale und Grüne zehn weitere
Organisationen angeschlossen haben, verfolgt mit der Kampagne ein
bestimmtes Ziel: Die AKW-Gegner wollen aufzeigen, was Atomkraftwerke
anrichten können, und wollen so im Abstimmungskampf die Emotionen
schüren.
"Atomstrom ist nicht sauber"
Eine weitere Botschaft des Gegnerkomitees: Atomstrom sei nicht so
sauber, wie es die Atomlobby gerne darstelle. Florian Kasser von
Greenpeace verwies auf die "schmutzigen Hinterhöfe der Schweizer
Atomkraftwerke" und meinte damit etwa die kerntechnische Anlage im
russischen Majak. Majak geniesst aufgrund diverser Unfälle, bei
denen grosse Mengen an radioaktiven Substanzen an die Umwelt abgegeben
wurden, einen zweifelhaften Ruf. Auch in Schweizer AKW sind
Brennstäbe im Einsatz, die mit Uran aus Majak gefüllt sind.
Der Berner Energiekonzern BKW, der das AKW Mühleberg betreibt, hat
nach eigenen Angaben vor neun Jahren eine Uranlieferung bezogen, deren
Spuren teilweise nach Majak führten.
Die weiteren Argumente der AKW-Gegner sind nicht neu. So sagte
etwa Nationalrätin Franziska Teuscher (Grüne): "Den
strahlenden Abfall werden wir nicht mehr los." Die zentrale Frage sei,
wo man die radioaktiven Abfälle endlagern könne. Den
AKW-Betreibern und dem Bund sei es in den letzten 40 Jahren nicht
gelungen, eine sichere Lagerstätte zu finden. "Gegen ein
Tiefenlager regt sich in allen Regionen Widerstand aus der
Bevölkerung." Teuschers Schlussfolgerung: "Atomenergie ist keine
Lösung, sondern ein Schrecken ohne Ende."
phm
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Langenthaler Tagblatt 8.12.10
Cleantech und mehr Effizienz statt neue Atomkraftwerke
Bruno Utz
Abstimmung Ein neues AKW Mühleberg sei unverantwortlich,
sagt das Nein-Komitee.
Am 13. Februar fällen die Bernerinnen und Berner an der Urne
einen Vorentscheid zum Bau eines neuen Atomkraftwerks (AKW) in
Mühleberg. Gestern startete das aus links-grünen Parteien,
Gewerkschaften sowie Umwelt- und Ärzteorganisationen bestehende
Nein-Komitee den Abstimmungskampf. SP-Nationalrätin und
Ständeratskandidatin Ursula Wyss mahnte, ein neues AKW sei schon
rein wirtschaftlich nicht zu verantworten: "Es geht um einen
zweistelligen Milliardenbetrag, für den die Steuerzahlenden
faktisch eine Staatsgarantie leisten würden." Die Finanzierung
müsste die Energiewirtschaft mit Erträgen aus der Wasserkraft
quersubventionieren. Sinnvoller sei, die erneuerbaren Energien und die
Effizienzsteigerung zu fördern.
"Die Entsorgung ist eine Lebenslüge der Atomindustrie",
sagte Nationalrätin Franziska Teuscher (Grüne). Die
Stromgesellschaften unterliessen es zu sagen: "Wir werden den
strahlenden und hochgiftigen Abfall nicht mehr los." In der Schweiz
bestehe die grosse Gefahr, dass von für eine Tiefenlagerung von
Uranabfällen bisher von der Nagra ausgeschiedenen fünf
Standorten derjenige ausgewählt werde, wo die Opposition am
geringsten sei. Die russische Wiederaufbereitungsanlage Majak
bezeichnete Florian Kasser von Greenpeace Schweiz als "den
schmutzigsten Hinterhof der Schweizer Atomstromproduktion". Bei einem
Besuch im vergangenen November habe eine Greenpeace-Delegation
Messungen durchgeführt (az Langenthaler Tagblatt berichtete). "An
verschiedenen Standorten waren die Strahlungswerte so hoch wie in
Tschernobyl."
Schon vor 30 Jahren hätten junge Ärzte gefragt, "machen
AKW krank?". SP-Grossrätin Danielle Lemann (Langnau),
ÄrztInnen für Umweltschutz, sagte, die Forschung habe bis
heute keine eindeutigen Antworten. Eine langjährige deutsche
Studie habe jedoch ergeben, dass Kinder, die im Umkreis von fünf
Kilometern um ein Atomkraftwerk wohnten, doppelt so häufig an
Leukämie erkrankten.
Der Berner Stadtrat Martin Trachsel (EVP) verwies auf den vom
Stimmvolk abgesegneten Atomausstieg von Bern, Zürich, Basel, Genf
und St. Gallen: "Die Städte laufen der Atomenergie davon." Die
Schweiz könne "gewinnbringend" auf neue AKW verzichten", sagte
auch Hans-Peter Fricker, CEO WWF Schweiz. Investitionen in die
Atomindustrie brächten der Volkswirtschaft milliardenteure
Verluste. Solche in Stromeffizienz und erneuerbare Energien zahlten
sich hingen aus. Das Nein-Komitee plant Strassenaktionen, Plakate,
Flyer sowie Podien und Inserate. Internet: http://www.stop-neues-akw.ch
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Basellandschaftliche Zeitung 8.12.10
Atommüll NWA fordert zuerst Atomkraft-Ausstieg
Der Verein NWA (Nie wieder Atomkraftwerke) will einem "Endlager
auf Vorrat für Atommüll" von noch nicht gebauten AKWs nicht
zustimmen. Die Endlagerung in Opalinuston sei umstritten. "Die Nutzung
der Atomkraft versorgt uns wenige Jahrzehnte mit Strom, die
Abfallproblematik beschert uns Probleme für mindestens eine
Million Jahre." Es liege ausserhalb des technischen Vermögens
unserer Gesellschaft, diese Risiken zu kontrollieren. Deshalb setze
sich NWA dafür ein, dass die Produktion von zusätzlichem
Atommüll vermieden und der Atomausstieg konsequent vorangetrieben
werde, teilte der Verein in seiner Vernehmlassungsantwort dem Bundesamt
für Energie mit. Der bereits geschaffene Abfall müsse zwar
einer Lösung zugeführt werden. Doch bietet NWA erst Hand zu
einer Lösungsfindung, wenn mit dem Atomausstieg sichergestellt
sei, dass in der Schweiz kein weiterer Atommüll geschaffen werde.
(bz)
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Basler Zeitung 8.12.10
"Energiefirmen tragen eine Verantwortung"
EBL-Chef Urs Steiner will im Verwaltungsrat des Energiekonzerns
Alpiq die Verseuchung in Majak thematisieren
Susanna Petrin
Die Baselbieter Stromkonzerne EBM und EBL sind indirekte
Teilhaber am AKW Gösgen. Dieses bezieht Uran aus dem russischen
Majak, das wegen seiner verseuchten Umgebung derzeit Schlagzeilen
macht. Die EBL sieht sich in der Pflicht, die EBM nicht.
Als "von Gott verlassene Strahlenhölle" bezeichnet die
"Stuttgarter Zeitung" die Gegend rund um die russische Atomanlage
Majak. Wissenschaftler sprechen vom "verseuchtesten Ort der Welt". Ein
Atomunfall, vergleichbar mit Tschernobyl, ein mit radioaktiven
Abfällen verseuchter Fluss und zweifelhafte, nicht kontrollierbare
Umweltstandards - alles kommt hier zusammen (die BaZ berichtete).
Seit diesen Herbst bekannt geworden ist, dass die AKW-Anlagen
Beznau I und II sowie Gösgen einen Teil des Urans für ihre
Brennstäbe aus Majak beziehen, ist Feuer im Dach. Die
Beznau-Betreiberin Axpo und die Gösgen-Mitinhaberin Alpiq geraten
zunehmend unter öffentlichen Druck - und wollen nun handeln.
Offener Brief an Aktionäre
Die Umweltorganisation Greenpeace fordert in einem offenen Brief nicht
nur die AKW-Betreiberin Axpo, sondern auch deren Aktionäre dazu
auf, sich für "Transparenz und Verantwortung" einzusetzen. Die
Alpiq und ihre Aktionäre will Greenpeace demnächst ebenfalls
kontaktieren. Zu diesen Teilhabern gehören die beiden Baselbieter
Stromkonzerne Elektra Baselland (EBL, 7,12 Prozent Aktienanteile) sowie
Elektra Birseck Münchenstein (EBM, 13,63 Prozent Anteile).
Wie stehen die beiden Aktionäre zum Umweltskandal?
Fühlen sie sich mitverantwortlich, wollen sie sich in irgendeiner
Form einbringen? Die Reaktion der beiden Firmenchefs könnte
unterschiedlicher nicht sein.
Sehr bedauernd klingt EBL-Chef und Alpiq-Verwaltungsrat Urs
Steiner: "Ich finde es tragisch, was der Umwelt dort angetan wird. Es
ist bedenklich, was da abgeht." Es liege in der Verantwortung von
Energieunternehmen, Transparenz zu schaffen und dafür zu sorgen,
dass internationale Standards eingehalten würden.
"Offenbar sind die Hausaufgaben nicht mit der notwendigen
Sorgfalt gemacht worden, die betroffenen Energiekonzerne können
das nicht so stehen lassen", sagt Steiner. Er wolle das Thema Majak bei
nächster Gelegenheit im Alpiq-Verwaltungsrat thematisieren und
Fragen nach den Lieferverträgen sowie dem weiteren Vorgehen
stellen.
Nicht selber in der Verantwortung sieht sich dagegen EBM-Chef
Hans Büttiker, der ebenfalls im Verwaltungsrat der Alpiq Einsitz
hat. "Majak liegt in einer militärischen Zone; das ist primär
eine Sache von Russland, dort können wir nicht nachschauen gehen",
sagt Büttiker. Und wenn überhaupt, so habe das AKW
Gösgen seinen eigenen Verwaltungsrat - dieser sei eher
zuständig als die EBM.
Mittlerweile haben sich aber die Alpiq und das Atomkraftwerk
Gösgen ohnehin dazu bereit erklärt, die Sache in die Hand zu
nehmen. Derweil die Axpo versprochen hat, die Anlagen in Majak selber
zu besuchen, wollen Gösgen-Verantwortliche ihre Uranlieferantin
Areva stärker in die Pflicht nehmen. Denn diese beziehe das Uran
via Unterlieferanten aus Majak.
Bessere kontrolle. "Die Areva hat als Global Player mehr
Möglichkeiten, Transparenz und internationale Umweltstandards
einzufordern, als ein kleiner Endkunde wie wir", sagt Konstantin
Bachmann, Mediensprecher des AKW Gösgen. Die Ziele seien
internationale Umweltstandards und eine verbesserte Kontrolle. Wenn
Majak auch in Zukunft mit ganz Europa im Geschäft bleiben wolle,
sei dies sicher auch im Interesse der russischen Besitzerfirma Rosatom.
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Recycling ist problematisch
Radioaktivität breitet sich aus
Susanna Petrin
Nicht nur in Russland, auch in Westeuropa wird radioaktiver
Brennstoff wiederaufbereitet. Umweltschützer kritisieren, dass die
Luft und das Meer dadurch massiv verschmutzt werden. Die Betreiber
verweisen auf die eingehaltenen Grenzwerte.
Im russischen Majak wird abgebrannter Atombrennstoff
wiederaufbereitet, ebenso im französischen La Hague und im
englischen Sellafield. Indem rezykliertes Uran verwendet werde, spare
das Atomkraftwerk Gösgen jährlich 180 Tonnen Natururan, sagt
Mediensprecher Konstantin Bachmann. Das tönt gut, denn die
Gewinnung von Natururan schädigt die Umwelt. Die
Wiederaufbereitungsanlagen sind aber auch atomare Dreckschleudern.
Mycle Schneider, Atomexperte und Träger des alternativen
Nobelpreises, warnt eindringlich vor den damit verbundenen Gefahren:
"Die Wiederaufarbeitung ist mit Abstand die radiologisch
problematischste Station der Brennstoffkette. La Hague allein
verursacht etwa die Hälfte oder mehr der Kollektivdosis der
zivilen Atomenergienutzung in Europa. Die radioaktiven Emissionen
betragen das Vieltausendfache eines AKW."
In der Schweiz messbar
Auch die Wissenschaftssendung Einstein auf SF 1 zeigte auf, dass die
Wiederaufbereitungsanlage in La Hague innert eines Jahres mehr
radioaktives Krypton freigesetzt hat, als alle Atombombenexplosionen,
die der Mensch bisher durchgeführt habe. Die von dort stammenden
radioaktiven Emissionen sind je nach Wetter auch in der Schweiz
messbar. Hinzukommt, dass radioaktive Abfälle ins Meer geleitet
werden, wie etwa der auf YouTube einsehbare Arte-Film "Albtraum
Atommüll" dokumentiert. Doch die jeweiligen Gesetze erlauben dies.
Um die Standards der Anlage in Majak wollen sich die
Energiekonzerne Axpo und Alpiq nun kümmern. Doch was ist mit den
anderen Anlagen? "Betrieb und Umweltabgaben der
Wiederaufarbeitungsanlagen in Sellafield und La Hague entsprechen
strengen nationalen und internationalen Strahlenschutznormen", sagt
Bachmann. "Die Emissionen liegen unter den von den Behörden
festgelegten Grenzwerten und stellen somit keine unzulässige
Belastung von Mensch und Umwelt dar."
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Handelszeitung 8.12.10
Atomindustrie im Milliardenrausch
Energie. Internationale Nuklearkonzerne schachern bereits um den
Jahrhundertauftrag für zwei neue AKW. Nur wer möglichst viele
Schweizer Firmen ins Boot holt, erhält den Zuschlag.
Jürg Meier
Das Tal der Tränen hat die internationale Atomindustrie
längst hinter sich gelassen. Rund um den Globus erlebt die
höchst umstrittene Kerntechnologie eine beeindruckende
Renaissance. Alleine in Europa wollen Grosskonzerne wie Westinghouse,
General Electric/Hitachi oder Areva knapp 20 neue Meiler verkaufen -
zwei davon in der Schweiz.
Das Jahrhundertprojekt sprengt beinahe alle Dimensionen: 14 bis
18 Milliarden Franken werden die beiden Atomkraftwerke kosten, welche
die Stromversorger Axpo und BKW gemeinsam bauen wollen. Nur das
Neat-Eisenbahnprojekt kann hier noch mithalten.
Ohne Schweizer geht nichts
Die zuständige Planungsgesellschaft Resun startete vor
wenigen Tagen die Ausschreibung. Doch der Verteilkampf um die
Milliarden tobt bereits seit Monaten. GE/ Hitachi und Westinghouse
stehen seit Längerem in Kontakt mit Resun, bestätigen
Firmensprecher gegenüber der "Handelszeitung". Eines ihrer Ziele
ist es, möglichst früh Schweizer Firmen an Bord zu holen:
"Jeder Anbieter weiss: Ohne lokalen Anteil kann er ein Projekt wie den
Neubau eines Kernkraftwerks gar nicht durchführen", sagt Manfred
Thumann, Verwaltungsratspräsident der Resun. Er schätzt, dass
die Hälfte der Aufträge bei Schweizer Firmen landen
könnte - das wären bis zu 9 Milliarden Franken.
Besonders offensiv agiert General Electric/Hitachi. Das
Unternehmen baute bereits die Reaktoren in Mühleberg und
Leibstadt. Es kooperiert zudem mit dem Schweizer Paul-Scherrer-Institut
(PSI). "Wir arbeiten daran, mit gewissen Schweizer Firmen für den
Neubau ins Geschäft zu kommen", bestätigt Daniel Roderick,
Top-Manager bei GE/Hitachi. Bereits heute hat sein Konzern laut
Roderick gute Beziehungen zu Schweizer oder in der Schweiz
produzierenden Firmen, wie etwa ABB und Alstom.
ABB und Alstom sind interessiert
"Die geplanten Kernkraftwerke sind bei uns ein Thema",
bestätigt ein Sprecher von ABB Schweiz. Mit dem nuklearen Teil der
Anlage wird ABB nichts zu schaffen haben. Doch verfügt sie
über Technologien, um etwa den produzierten Strom ins Netz
einzuspeisen.
Interessiert zeigt sich auch Alstom: Die französische Firma
übernahm im Jahr 2000 das Kraftwerksgeschäft von ABB, der
Hauptsitz ihrer globalen Kraftwerkssparte liegt in Baden. Der Konzern
machte in den letzten Monaten vor allem durch Stellenabbau
Schlagzeilen. Sollte aber der französische Partner Areva den
Zuschlag für den Bau der Reaktoren erhalten, wäre Alstom mit
an Bord, erklärt Daniel Schmid, Mediensprecher von Alstom Schweiz.
Und selbst wenn der Auftrag an die Konkurrenz ginge, wäre nicht
alles verloren. Alstom bietet etwa eine Kombination aus Turbine und
Generator an, die weltweit in jedem dritten neuen Kernkraftwerk steckt.
Laut Schmid kann diese Anlage in Kernkraftwerke der meisten anderen
Produzenten eingebaut werden.
MEHR ZUM THEMA
• Gastkommentar Martin Bäumle Seite 7
• Die nukleare Renaissance Seite 9
• Axpo-Chef Heinz Karrer im Interview Seite 16
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Meinung
2000-Watt-Gesellschaft
Neue Energie- statt Mehrwertsteuer
Ein Klimawandel bringt negative Folgen und massive Kosten
für unsere Gesellschaft. Doch die Klimakonferenz von Cancún
zeigt wieder: Trotz der Erkenntnis, dass die CO2-Emissionen der
heutigen Gesellschaft die Hauptursache für diese klimatischen
Veränderungen sind, tut sich die Politik unheimlich schwer,
konkrete Gegenmassnahmen zu beschliessen. Aber auch abgesehen vom
Klimawandel ist eine Ausrichtung auf eine nachhaltige Energiepolitik
mit Energieeffizienz und erneuerbaren Energien in Richtung
2000-Watt-Gesellschaft ökonomisch sinnvoll. Dies stärkt
Forschung und Innovation und bietet der Schweiz damit Chancen für
nachhaltiges Wachstum und neue, innovative Arbeitsplätze.
Dazu braucht es klare Zielsetzungen und möglichst
marktwirtschaftliche Instrumente wie monetäre und steuerliche
Anreize zum Beispiel für Gebäudesanierungen und
Ausnutzungsboni für mehr Energieeffizienz bei Fahrzeugen und
Gebäuden. Aber auch beim Strom soll die Energieeffizienz
gefördert werden und monetäre Instrumente erneuerbaren Strom
marktfähig machen.
Die Umstellung von Gas und Öl auf Erneuerbare sowie eine
Verbesserung der Energieeffizienz hält schrittweise auch die 10
bis 15 Milliarden Franken im Inland, welche heute für die
Bezahlung fossiler Energien ins Ausland fliessen. Investitionen in
erneuerbare Energien bringen damit zu grossen Teilen direkte
Wertschöpfung in der Schweiz. Auch beim Strom soll schrittweise
das Potenzial an Effizienzmassnahmen ausgeschöpft werden und der
Stromverbrauch trotz neuer Anwendungen in den nächsten Jahrzehnten
stabilisiert werden. Parallel wird der Ausbau erneuerbarer Energien
massiv gesteigert. Dies erlaubt in der Jahresbilanz eine fast
lückenlose Inlandsversorgung. Es braucht aber Anpassungen bei den
Stromnetzen, und die Schweizer Stauseen sind gezielt als Batterien
Europas weiter zu entwickeln. Damit kann die Schweiz Tag/Nacht- und
Winter/Sommer-Differenzen ausgleichen - und dabei erst noch ein
lukratives Geschäftsfeld weiterentwickeln.
Warum der Bau neuer AKW nicht nachhaltig ist
Dieser nachhaltige Energiepfad ist nicht teurer als der Bau neuer
Kernkraftwerke, aber der Nutzen und die Wertschöpfung bleiben zu
einem grossen Teil im Inland, was somit ökonomisch nachhaltiger
ist. Bezüglich des Klimaschutzes ist der Weg in Richtung
2000-Watt-Ziel aber rund drei- bis viermal effizienter als der Bau
neuer Kernkraftwerke. Wer also heute noch den Bau neuer Kernkraftwerke
propagiert, agiert weder ökonomisch noch ökologisch
nachhaltig. Der nachhaltige Weg ist zudem technisch problemlos
möglich und bei politischem Willen umsetzbar.
Die Grünliberalen haben für die effiziente Umsetzung
dieses Weges einen marktwirtschaftlichen Ansatz in Vorbereitung - das
Konzept Energie- statt Mehrwertsteuer. Dabei wird durch eine
staatsquotenneutrale Veränderung des indirekten Steuersystems eine
neue und hocheffiziente Umsetzung in Richtung Energieeffizienz und
Erneuerbare angestossen, welche Wirtschaft und Konsumenten insgesamt
nicht mehr belastet als heute, aber energieeffizientes Verhalten und
Investieren in neue Technologien monetär interessant macht. Damit
wird Cleantech zum Markenzeichen und Standortvorteil der Schweiz und
bildet ein wichtiges Standbein einer nachhaltigen Wirtschaft neben dem
Finanzplatz. Zudem bleiben die Milliardenbeträge, die heute
für Öl, Gas und Uran ins Ausland abfliessen, zunehmend im
Inland.
Die administrativen Aufwendungen gegenüber der heutigen
Mehrwertsteuer werden reduziert und viele Subventionstöpfe und
Vorschriften im Energiesektor können abgebaut und aufgehoben
werden. Es werden nicht mehr wie heute die Innovation und die
Wertschöpfung belastet, sondern der nichterneuerbare
Ressourceneinsatz, der damit im Markt einen realen Preis erhält.
Modellannahmen zeigen, dass die Preisentwicklung für Öl, Gas
und Strom aus nichterneuerbaren Quellen Investitionen in
Energieeffizienz und erneuerbare Energien ökonomisch interessant
macht. Die Grünliberalen schlagen damit eine klassische
Win-win-win-Chance für Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt vor,
welche es nun zu packen gilt.
Martin Bäumle, Nationalrat Grünliberale
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Langsames Hochfahren
Atomkraft. Ohne Schweizer Firmen läuft nichts beim Bau der zwei
neuen Kernkraftwerke. Die Aussichten für ABB oder Alstom sind
rosig.
Jürg Meier
Kongresse der Nuklearindustrie waren jahrelang Orte der
Melancholie: Ergrauende Herren diskutierten darüber, wie ihre
Technologie am umweltschonendsten entsorgt werden könne, Jahr
für Jahr kamen weniger Teilnehmer, das Fachwissen drohte verloren
zu gehen - für immer.
Die Branche ist wiederauferstanden. Heute springen am Kongress
der Schweizer Nuklearbranche auch einmal adrette junge Frauen und
Männer auf die Bühne. Die jungen Studenten des neu
geschaffenen Master-Lehrgangs für Nuclear Engineering geben
Interviews und werden von den Atomspezialisten begeistert beklatscht.
So feiert man die Retter einer aussterbenden Gattung.
Laut der internationalen Nuklearenergie-Agentur (IAEA) stehen
derzeit 65 neue Nuklearanlagen in Bau, 26 davon allein in China,
Dutzende weitere Anlagen sind geplant. Das Wort von der "Renaissance
der Nuklearindustrie" macht die Runde.
Das neu erwachte Interesse führt aber zu Problemen. Personal
mit Fachwissen wird knapp. Weil zwischen 1980 und 2000 das Interesse an
der Nuklearenergie verebbte, schlief die Ausbildung in vielen
Ländern ein. Junge Talente wandten sich anderen Branchen zu - etwa
der stetig wachsenden Finanzindustrie, wie Yanko Yanev von der
internationalen Atomenergie-Agentur erklärt. Inzwischen habe sich
die Situation verbessert: "Die französische Atomindustrie stellt
heute mehr Leute an als jemals zuvor", sagt Yanev. Dennoch warnt er die
Branche: "Es wäre ein grober Fehler, dieses Problem zu
unterschätzen."
Nur drei Schweizer
Der neue Master-Studiengang in der Schweiz wird von ETH-Professor
Horst-Michael Prasser geleitet. Hat die Schweiz genügend
Expertinnen und Experten, um die geplanten neuen Atomkraftwerke zu
bauen? "Das kann ich nicht einschätzen. Aber ich tue etwas
dafür, dass genügend Leute da sein werden", antwortet
Prasser. Gut 25 Leute könnten am Lehrgang teilnehmen. Doch
für den ersten Jahrgang schreiben sich 2008 nur drei Schweizer ein
- die atomkritische Schweizerische Energiestiftung jubelte.
Tatsächlich sind die Teilnehmerzahlen tief. Bei der ersten
Durchführung machten neben den drei Schweizern noch acht Studenten
aus dem Ausland mit, den jetzigen Kurs absolvieren 15 Leute. Von den
Absolventen des ersten Lehrgangs hat kaum jemand eine Anstellung in der
Atomindustrie gefunden; die Hälfte von ihnen hat die Schweiz
wieder in Richtung ihrer Heimatländer verlassen. Doch Prasser ist
sich sicher: Wenn sich endgültig abzeichne, dass in der Schweiz
neue Kernkraftwerke gebaut werden, werde die Studentenzahl deutlich
ansteigen.
Die internationalen Firmen, welche die zwei in der Schweiz
geplanten Atomkraftwerke bauen wollen, zeigen sich ebenfalls
zuversichtlich. AKW-Produzent Westinghouse: "Wir geben keine Offerte
ab, wenn wir uns nicht sicher sind, dass wir genügend
qualifizierte Mitarbeiter haben", sagt Mediensprecher Adrian Bull.
Gleich klingt es beim Konkurrenten General Electric/ Hitachi: "Wir
haben genügend Personal, um in der Schweiz zwei Anlagen bauen zu
können", betont Daniel Roderick, Top-Manager des Konzerns.
Milliarden für die Wirtschaft
Dennoch: Im Alleingang können selbst internationale
Atomkonzerne solche Projekte nicht stemmen. Darum versuchen die Firmen
schon heute, Schweizer Unternehmen in ihre Projekte einzubinden. Das
ist nicht nur unternehmerisch klug, sondern auch politisch ratsam: Je
höher die Beteiligung der Schweizer Wirtschaft an einem Projekt
ist, desto besser kommt es in Politik und Bevölkerung an.
"Wir bei Westinghouse kaufen dort ein, wo wir bauen", sagt
Mediensprecher Adrian Bull zur Strategie seines Konzerns. Jeder
Westinghouse-Reaktor werde der Schweizer Wirtschaft "Milliarden Euro"
bringen, so Bull. Laut Roderick von Generel Electric/ Hitachi
würden die Reaktoren seiner Firma zu 50 bis 75 Prozent in Europa
hergestellt. Für die Schweizer Wirtschaft bleibe beim Bau im
Minimum ein Anteil von 30 bis 50 Prozent - ein Anteil, den GE aber noch
erhöhen wolle, so Roderick.
Die Resun, Planungsgesellschaft der beiden Stromkonzerne Axpo und
BKW, nennt ähnliche Zahlen. Die Firma hat die zwei Kernkraftwerke
Anfang Dezember öffentlich ausgeschrieben. Rund die Hälfte
des Investitionsvolumens von 14 bis 18 Milliarden Franken werden in der
Schweiz anfallen, ist Verwaltungsratspräsident Manfred Thumann
überzeugt.
IAEA-Experte Yanev hält diese Zahlen für realistisch,
es liege aber sogar noch mehr drin: In Yanevs Heimatland Bulgarien
betrug der Anteil der inländischen Industrie am AKW-Bau rund ein
Drittel. Die Schweiz hingegen habe eine so hoch entwickelte Wirtschaft,
dass für unser Land "deutlich über 50 Prozent an
einheimischer Produktion" drinliegen müsste, so Yanev.
Welche Umsätze für Industriekonzerne in der Schweiz
möglich sind, lässt sich laut Thumann noch nicht beziffern.
"Alstom etwa würde profitieren, wenn sie den konventionellen
Kraftwerksteil liefern könnte", erklärt Thumann. Für ABB
sieht er Möglichkeiten in der Leit-Technik für
Kernkraftwerke, einem Geschäftsfeld, in das der Konzern wieder
eingestiegen sei. Zudem könnten Transformatoren und die gesamte
elektrische Ausrüstung der Anlage von ABB stammen.
Potenzial sieht Thumann vor allem längerfristig:
"Aufträge in der Schweiz wären für ABB und Alstom gute
Visitenkarten für weitere Projekte", sagt er. Firmen, die in der
Schweiz an Anlagen mitbauen, würden auch international sehr gute
Chancen haben. Denn der globale Qualitätsstandard in der
Kernenergie wird wesentlich von der Schweiz mitgeprägt. Die
Aufsichtsbehörde, das Eidgenössische
Nuklearsicherheitsinspektorat, habe weltweit ein sehr hohes Ansehen.
Aufträge für neue AKW könnten daher den Schweizer Firmen
eine strahlende Zukunft eröffnen.
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Neue AKWs
Ein Rennen mit drei Favoriten
Ausschreibung gestartet Alle rund zehn weltweit existierenden
Anbieter dürfen sich für den Bau der zwei neuen Schweizer
Atomkraftwerke bewerben. Hinter vorgehaltener Hand werden aber drei
klare Favoriten genannt.
Areva Als heisser Kandidat gilt der EPR des französischen
Konzerns Areva. ETH-Professor Horst-Michael Prasser bezeichnet diesen
als den "Mercedes" unter den heutigen Kernkraftwerktypen, insbesondere
wegen der aufwendigen Sicherheitssysteme. Derzeit stehen vier EPR im
Bau. Die Anlage im finnischen Olkiluoto gilt Atomkraftgegnern wegen
massiver Überschreitung des Budgets und Zeitverzögerungen als
Waterloo der wiedererwachten Nuklearindustrie. Von 3000 Mängeln
ist die Rede. Befürworter glauben, dass man diese bei neuen
Projekten vermeiden könne. Der EPR von Areva hat eine Leistung von
1600 Megawatt.
General Electric/Hitachi Das amerikanisch-japanische Duo
würde für die Schweiz die Typen ABWR oder ESBWR ins Rennen
schicken. Der ABWR hat eine Leistung von 1350 bis 1600 Megawatt. Der
ESBWR wird von GE derzeit noch entwickelt, was ihn weniger geeignet
macht.
Westinghouse Der in den USA beheimatete Konzern gehört heute
zur Mehrheit Toshiba. Westinghouse baut derzeit in China vier Anlagen
des Typs AP 1000, dem auch in der Schweiz Chancen eingeräumt
werden. Er besteht aus kleineren Komponenten als die Anlagen der
Konkurrenz, was den Anschaffungspreis tiefer macht. Ein Nachteil
hingegen ist die Leistungsklasse: Ein AP 1000 liefert bis zu 1100
Megawatt Strom, deutlich weniger als etwa die Konkurrenzprodukte von
General Electric und Areva.
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Gespraech
"Wir waren nicht immer konsequent genug"
Heinz Karrer - Der Konzernchef der Axpo über die Fehler bei
der Beschaffung von Kernbrennstoff, die Probleme beim Ausbau von
Alternativenergien, den Iran - und über das neue
Verwaltungsratsmandat des ehemaligen Energieministers Moritz
Leuenberger.
Interview: Jürg Meier und Beat Balzli
Sind Sie neidisch auf Implenia?
Heinz Karrer: Auf diese Idee bin ich noch nie gekommen.
Aber Axpo hätte sicherlich auch gerne Moritz Leuenberger im
Verwaltungsrat, den ehemaligen Energieminister.
Karrer: Es war auch für mich eine Überraschung, dass
Herr Leuenberger diesen Schritt machte, und das zu diesem Zeitpunkt.
Für uns steht das nicht zur Diskussion. Wir haben bereits
Politikerinnen und Politiker im Verwaltungsrat, welche die Interessen
unserer Aktionäre vertreten.
Der Fall der russischen Atomanlage Mayak beweist aber doch, dass
Sie heute ganz besonders auf Lobbyisten angewiesen sind. Die Axpo
bezieht für Beznau Uran aus dem umstrittenen russischen Werk.
Karrer: Jegliche Art von Infrastruktur führt zu einer
Betroffenheit in der Öffentlichkeit, der Politik und den Medien.
Am Beispiel Mayak sehen wir, wie wichtig es ist, unsere Tätigkeit
transparent zu machen. Wenn wir einen Vertrag mit einem Lieferanten
eingehen, wollen wir, dass der Lieferant sicherstellt, dass
Umweltstandards eingehalten werden. Am Beispiel Mayak mussten wir
erkennen: Das ist nicht immer ganz einfach.
Das kann man doch nicht auf einen Vertrag abschieben. Hätten
Sie sich nicht vorher darum kümmern müssen, woher genau das
Material kommt?
Karrer: Das lässt sich im Nachhinein einfach sagen. Ein
Beispiel: In unseren Handys stecken mit grosser Wahrscheinlichkeit
Materialien, deren Abbau in China zu Umweltschäden führt.
Interessiert es uns? Wollen wir es wissen? Die Frage ist: Bemühen
sich Firmen, Transparenz zu schaffen und sich permanent zu verbessern?
Haben Sie das Bestmögliche versucht?
Karrer: Es war die Axpo selber, die für Transparenz sorgte.
Wir gingen 2008 als eines von wenigen Energieunternehmen weltweit die
Verpflichtung ein, die Prozesse in einer Umweltdeklaration für ein
KKW transparent darzustellen - als erster Schweizer
Kernkraftwerkbetreiber und als zweiter in Europa überhaupt. Aber:
Wir waren nicht bei jedem Detail konsequent genug und haben uns zum
Teil auf Lieferantenangaben verlassen.
Aufgedeckt hat das aber Greenpeace.
Karrer: Wir liessen unsere Lieferkette zertifizieren, und
Greenpeace war dann der Meinung, dass etwas nicht stimmen kann. Also
gingen wir der Lieferkette immer weiter zurück nach. Es zeigte
sich, dass die Klärung dieser Lieferprozesse in politisch
anspruchsvollen Ländern nicht einfach ist. Aber wir sind der
Meinung, dass wir unter anderem mit der Verpflichtung zur Transparenz
konsequent an diesem Thema arbeiten.
Wäre es möglich für die Axpo, 2013 nichts mehr aus
Mayak zu beziehen?
Karrer: Wir haben Verträge, die bis 2020 laufen. Das weitere
Vorgehen hängt von den Ergebnissen unserer Abklärungen ab.
Wenn Sie 2013 aber mit der Hypothek Mayak in eine AKW-Abstimmung
müssen: Können Sie da noch gewinnen?
Karrer: Es wird nicht drei Jahre gehen, um die nötigen
Abklärungen zu treffen. Wir werden nächstes Jahr mehr
Klarheit haben, dann entscheiden wir, wie wir weiter vorgehen und dies
auch kommunizieren. Wir sollten uns vor Dramatisierungen und
Vereinfachungen hüten. Jetzt geht es darum, Transparenz zu
schaffen. Man soll sich ein Bild machen und beurteilen können,
welche Massnahmen getroffen worden sind und was alles geplant ist:
Können Altlasten saniert werden? Wie sehen die heutigen
Produktionsprozesse aus? Ist eine Produktion in Mayak vertretbar? Die
Antwort auf diese Fragen ist nicht einfach schwarz-weiss.
Mit Mayak ist das hässliche Gesicht der Nukleartechnologie
zurückgekehrt. Der Vorfall wird wieder eine Diskussion über
das Restrisiko der Kernenergie auslösen.
Karrer: Wie kommen Sie darauf? Ein ganz wichtiges Thema spricht
heute für die Kernenergie: Der tiefe CO₂-Wert. Es ist auch
für viele Gegner der Kernenergie klar, dass diese für das
Klima - gerade gegenüber Kohle und Öl - grosse Vorteile
bietet. Deshalb werden andere Bilder gesucht, welche dieses schwierige
Thema plakativ darstellen. Die Abfallproblematik gehört dazu, aber
auch Tschernobyl. Da werden Ängste geschürt.
Hatten Sie noch nie Angst davor, dass das Restrisiko eintritt?
Karrer: Angst ist das falsche Wort. Aber dass ich mir intensive
Gedanken darüber mache, das kann ich Ihnen versichern.
In der Finanzkrise sahen wir aber, dass das Restrisiko eben auch
eintreten kann. Eine Kernschmelze im Finanzmarkt hielt auch niemand
für möglich.
Karrer: Ja. Nur: Aufgrund der umfassenden und äusserst
strengen Sicherheitsvorkehrungen mit der Kernenergie ist dies sehr,
sehr unwahrscheinlich.
Sie glauben also an die Risikomodelle der Kernenergie, so wie die
Banker immer an ihre eigenen Risikomodelle glaubten?
Karrer: Nein. Das Restrisiko in der Kernenergie ist so klein und
so theoretisch, dass die Befürchtung sehr klein gehalten werden
kann. Wir sprechen beispielsweise nicht über Erdbebenrisiken, die
in der Schweiz viel höher sind. Doch die Risiken von Erdbeben und
anderen Gefahren setzt man nie in Beziehung zum Restrisiko der
Kernenergie, vielmehr stellt man diese immer als ein isoliertes
Restrisiko dar. Das macht die Diskussion schwierig.
Wie wollen Sie die Schweiz davon überzeugen, dass es neue
Kernkraftwerke braucht?
Karrer: Wenn man vorurteilslos alle Informationen und Argumente
in Betracht zieht, dann spricht sehr viel für Kernenergie. Der
Strombedarf wird in den nächsten Jahren und Jahrzehnten zunehmen,
davon gehen die meisten Experten aus. Und dass
Kraftwerkskapazitäten wegfallen, das steht auch nicht zur
Diskussion. Wir werden massiv mehr Produktion brauchen.
Sie unterschätzen das Potenzial von neuen erneuerbaren
Energiequellen wie Wind und Sonne.
Karrer: Glauben Sie? In der Schweiz ist bei diesem Thema bereits
eine gewisse Ernüchterung eingetreten. Die Verfahrensdauern etwa
für umweltfreundliche Holzkraftwerke sind viel länger als
gedacht. Der Widerstand bei der Realisierung von Kleinwasserkraftwerken
ist grösser als angenommen.
Wer also sagt, dass wir die von der Axpo prophezeite
Stromlücke mit erneuerbaren Energien decken können, ist naiv?
Karrer: Nein, der Wunsch ist sehr verständlich. Auch Axpo
ist überzeugt, dass die Schweiz in Zukunft mit erneuerbaren
Energien versorgt werden kann. Nur: Wie lang ist der Zeithorizont?
Welche Technologien können wir anwenden? Was darf es kosten? Wenn
man all diese Fragen berücksichtigt - und das haben wir getan -,
dann sieht man, dass die Erneuerbaren noch Zeit brauchen. Ich bin
überzeugt: Für die Entwicklung der erneuerbaren Energien ist
es sogar besser, wenn wir die ersten KKW nach 2020 ersetzen.
Die Strombranche prophezeite schon beim später gescheiterten
AKW Kaiseraugst, dass in der Schweiz die Lichter ausgehen.
Karrer: Warum passierte nichts? Weil damals "Kaiseraugst" in
Frankreich gebaut wurde und die Schweizer Stromversorger sich
Bezugsrechte im Umfang von drei KKW Kaiseraugst sicherten. Und weil
Milliarden in Netze investiert wurden.
Heute ist das nicht mehr möglich?
Karrer: Nein. Die europäischen Gesetze erlauben das nicht,
und es fehlen die Kapazitäten im Ausland. In Europa fehlt ja fast
überall Strom, und die Leitungskapazitäten in die Schweiz
reichen auch morgen und übermorgen bei weitem nicht.
Die Schweiz ist auf sich allein gestellt?
Karrer: Noch schlimmer: Die Schweizer Versorger haben den
Auftrag, die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Der
Mechanismus des europäischen Verbundnetzes ist darauf
ausgerichtet, dass jedes Land primär für sich selber sorgt
und Reservekapazitäten hat, um seinen Beitrag ans europäische
Verbundnetz zu leisten. Die Schweiz kann sich weder heute noch morgen
davon verabschieden. Das müsste im Einklang mit der EU geschehen.
Auch wenn Ihre Argumente stimmen, haben Sie ein Problem: AKW
lassen sich nicht finanzieren, sicherlich nicht zwei.
Karrer: Darüber mache ich mir wenig Sorgen. Schon
früher wurden solche Finanzierungen in einzelnen Tranchen
abgewickelt. Wir müssten die Anleihen ja nicht innerhalb einer
Woche aufnehmen, und einen Teil wird die Branche ohnehin selber
finanzieren. Ich glaube aber auch, dass der Schweizer Finanzmarkt in
fünf oder zehn Jahren für eine Finanzierung eher eng sein
wird. Darum müssen wir auch den Euro-Raum in Betracht ziehen.
Der Stromversorger Alpiq sagt aber, dass eine Finanzierung
über den Euro-Raum zu teuer ist. Zudem hätten die Schweizer
Stromfirmen kein Rating und seien im Euro-Raum zu wenig bekannt.
Karrer: Ich bin auch der Meinung: Der Euro-Markt ist schwieriger
als der Schweizer Markt, und ja, die Schweizer Stromversorger sind
weder sehr bekannt noch haben sie ein Rating. Nur: Wo genau liegt das
Problem, sich in zwei oder drei Jahren ein solches Rating zu beschaffen?
Haben Sie schon mit Banken über die Kernkraftwerke
gesprochen?
Karrer: Es wurden bereits grosse internationale Banken und
Finanzinstitute angefragt. Wir benötigen Institute, die bereits
grosse Transaktionen im Infrastrukturbereich gemacht haben, auch wenn
es sich nicht unbedingt um Kernkraftwerke handeln muss.
Goldman Sachs, Morgan Stanley, J. P. Morgan?
Karrer: Solche Unternehmen könnten es beispielsweise sein.
Wie hoch ist das Investitionsvolumen?
Karrer: 7 bis 9 Milliarden Franken pro Kernkraftwerk. Heute gibt
es keinen Grund zu glauben, dass die Finanzierung nicht möglich
ist.
Ist es möglich, zwei Kernkraftwerke gemeinsam zu finanzieren
und diese im Abstand von sagen wir einmal zwei Jahren zu bauen?
Karrer: Es ist sicher nicht möglich, gleichzeitig mit dem
Bau von zwei Kraftwerken zu beginnen. Nur schon aus Gründen der
Logistik müssen zwischen dem Baubeginn des ersten und jenem des
zweiten Werks zwei bis drei Jahre liegen. Wir gehen heute davon aus,
dass wir zwei vergleichbare Anlagen bauen werden.
Warum nehmen Sie das zweite Werk nicht erst nach der
Fertigstellung des ersten in Angriff?
Karrer: Erstens müssen wir aufgrund der Versorgungslage die
Kraftwerke früher haben und zweitens würde es mehr kosten.
Ein Vorteil könnte hingegen die Finanzierung sein, weil man
zeitlich einen grösseren Spielraum hätte. Sicherlich ist es
berechtigt, sich diese Fragen zu stellen. Man muss sich beide Optionen
möglichst lange offenhalten.
Wichtig bei der Frage Atomenergie ist auch, wie sich der
Strompreis entwickelt.
Karrer: Tendenziell rechne ich langfristig mit steigenden
Preisen. Dies mit Blick auf den wachsenden Bedarf in Europa, was unter
anderem zu stetig zunehmenden Investitionen und damit zu Kosten
führt. Darüber hinaus dürfte der Anteil an Steuern und
Abgaben in Zukunft auf bis zu 40 Prozent des Strompreises steigen.
Heute liegt er bei rund 25 Prozent.
Die Axpo hat ihr Geschäftsjahr Ende September abgeschlossen.
Wie ist es gelaufen?
Karrer: Die Aussagen, die wir beim Halbjahresabschluss machten,
entsprechen noch immer etwa unseren Erwartungen. Im Vergleich mit dem
Vorjahr wird das letzte Geschäftsjahr schlechter ausfallen.
Warum?
Karrer: Das Preisniveau im europäischen Grosshandel lag
deutlich tiefer als im Vorjahr. Und die Axpo investiert sehr stark, was
zu steigenden Projektkosten und entsprechenden Abschreibungen
führt.
Und Sie haben ein schwarzes Schaf namens EGL.
Karrer: Wir sind sehr stolz auf die EGL. Sie hat in den letzten
Jahren wesentlich zum Gewinn des Axpo-Konzerns beigetragen.
Aber in diesem Jahr nicht.
Karrer: Was den Bruttogewinn angeht, sind wir dort
tatsächlich schlechter als letztes Jahr.
Weil sich die EGL verspekulierte und dann gleich eine ganze
Händlertruppe entliess.
Karrer: Das ist nicht richtig. Im Handelsgeschäft gibt es
naturgemäss Schwankungen bei den Erträgen. Eine Rolle
spielten aber vor allem die Kosten des Ausstiegs aus einem
italienischen Kraftwerkprojekt. Zudem hat die EGL unter dem Zerfall des
Euro gelitten.
Verspekulierten sich die Händler oder hielten sie Limiten
nicht ein?
Karrer: Alle Limiten wurden eingehalten.
Wurden die Händler angetrieben, zu viele Risiken zu nehmen?
Karrer: Nein.
Zu viel Risiko scheinen Sie aber im Iran genommen zu haben. Wann
waren Sie eigentlich das letzte Mal im Iran?
Karrer: Im Spätfrühling 2009, im Zusammenhang mit der
Unterschrift unter den Iran-Vertrag.
Wann ist die nächste Reise geplant?
Karrer: Es gibt keine Pläne. Wir haben einen Vertrag mit der
Nigec im Iran, aber zurzeit ist es geopolitisch nicht opportun, diesen
Vertrag zu erfüllen, zumal zwei Bedingungen gegeben sein
müssen: Wir müssen uns preislich mit der Nigec einigen, und
vorher muss das Transitabkommen mit der Türkei stehen. Und dies
ist bis zum heutigen Zeitpunkt nicht der Fall.
Warum steigen Sie nicht einfach komplett aus?
Karrer: Weil wir uns die Option der Gaslieferung aus dem Iran
ganz bewusst offenhalten wollen. Dies für den Fall, dass es zu
einer politischen Annäherung kommen sollte.
Wenn Sie an den Kapitalmarkt wollen, um ihr AKW zu finanzieren,
wird das Thema Iran eine Hürde sein. Sie müssen dann
definitiv aussteigen.
Karrer: Ich glaube nicht, dass dieser Vertrag ein Risiko sein
wird. Die EU versucht ja ebenfalls, sich Gasressourcen zu sichern. Auch
darum hat der Vertrag einen bestimmten Wert. Dennoch schauen wir uns
diese Frage sehr genau an.
Nicht nur amerikanische Stimmen fordern, dass Sie den Vertrag
definitiv kündigen.
Karrer: Unsere Haltung ist klar: Der Vertrag ist sistiert, aber
nicht gekündigt. Mich erstaunt, dass niemand über
Öllieferungen aus dem Iran diskutiert, selbst Kreise nicht, die
dem Iran sehr kritisch gegenüberstehen.
Würden Sie den Vertrag wieder unterschreiben?
Karrer: Nachdem sich die politische Situation zugespitzt hat,
wäre das heute keine Option. Aber selbst aus heutiger Betrachtung
war es richtig, den Vertrag damals zu unterschreiben. Dass Kritik
kommt, war zu erwarten.
--
Zur Person
Name: Heinz Karrer
Funktion: Konzernchef Axpo-Gruppe
Alter: 51
Familie: Verheiratet, drei Kinder
Ausbildung: Studium der Nationalökonomie an der HSG
-
Karriere
1995-1997 Vorsitzender der Unternehmensleitung Ringier Schweiz
1998-2002 Leiter Division Marketing & Sales sowie Mitglied
der Konzernleitung der Swisscom
Seit Oktober 2002 Konzernchef Axpo
-
Firma
Staatsfirma Die Aktien der Axpo gehören zu 100 Prozent den
Nordostschweizer Kantonen. Grösste Teilhaber sind der Aargau und
Zürich. Zur Axpo Holding gehören auch die Stromhändlerin
EGL und der Versorger CKW.
Ergebnis 2008/2009 musste die Axpo wieder einen Gewinneinbruch
hinnehmen. Der Reingewinn für das Ende September abgeschlossene
Berichtsjahr lag bei 586 Millionen Franken. Das sind 43 Prozent weniger
als im Vorjahr. Schon damals war der Gewinn um 30 Prozent eingebrochen.
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Oltner Tagblatt 9.12.10
Vorfall im KKG legt Nerven blank
Sicherheitsvorfall Im Vorfeld der Entscheide über neue
Kernkraftwerke in der Schweiz braucht es wenig, um die Emotionen zum
Thema Atomkraft hochgehen zu lassen. Das zeigte die Debatte zur
Interpellation Philipp Hadorn (SP, Gerlafingen) betreffend ein
Vorkommnis im KKW Gösgen.
Am 24. Juni 2008 waren beim Wiederanfahren nach der
Jahresrevision vier sicherheitsrelevante Gleichrichter ausgefallen, da
Sicherungen durchgebrannt waren. Die Störung wurde in weniger als
zwei Stunden behoben. Das Eidgenössische
Nuklarsicherheitsinspektorat (Ensi) kritisierte das KKG später aus
zwei Gründen: Erstens, das KKG setzte das Anfahren nach Behebung
der Störung fort, obwohl die Ursache des Ausfalls nicht bekannt
war. Damit wurde laut Ensi ein zentraler Grundsatz der
Sicherheitsvorsorge verletzt. Zweitens, das KKG meldete dieses
Vorkommnis dem Ensi nicht fristgerecht, sondern erst 9 Monate
später, im März 2009. Das Ensi rügte den "nicht
sicherheitsgerichteten Umgang mit einem Mehrfachversagen durch
denselben Fehlermechanismus" und stufte dies auf Stufe 1 der
internationalen Ereignisskala ein.
Am 21. April 2010 reichte das Ensi zusätzlich eine
Strafanzeige gemäss Kernenergiegesetz beim Bundesamt für
Energie ein, wie der Antwort des Regierungsrates auf die Interpellation
zu entnehmen war. Dieses Strafverfahren ist offenbar noch hängig.
"An den Haaren herbeigezogen"
Die Interpellation Hadorn bezwecke einzig, die Bevölkerung
zu verunsichern, meinte FDP-Sprecherin Irene Froelicher (Lommiswil).
Der Vorstoss sei an den Haaren herbeigezogen, weil bei dem Vorfall nie
eine Gefährdung bestanden habe. Der Regierungsrat habe
gegenüber dem KKW Gösgen keine Aufsichtsfunktion.
Auch der Sprecher der CVP/EVP/glp-Fraktion zeigte sich zufrieden
mit der Antwort der Regierung. Ob eine strafbare Handlung begangen
worden sei, sei offen, stellte Thomas A. Müller (CVP, Lostorf)
fest. Abgesehen von der verspäteten Meldung hätten die
Verantwortlichen korrekt gehandelt, die Kontrollen hätten
funktioniert.
"Ich habe seit 30 Jahren vollstes Vertrauen in die gut geschulten
Mitarbeiter des KKG", erklärte Walter Gurtner (SVP, Däniken).
Volles Vertrauen habe er auch in das Ensi als strenge
Aufsichtsbehörde. Der Interpellant rede von einem "Störfall",
obwohl es sich nur um ein "harmloses, nicht sicherheitsrelevantes
Vorkommnis" gehandelt habe. Gurtner empfahl Hadorn einen Besuch im KKG.
"Atomstrom ist unschweizerisch"
Anders tönte es von der atomkritischen Seite.
Persönlich habe er grosses Vertrauen in die Belegschaft des KKG,
sagte Felix Lang (Grüne, Stüsslingen). Aber die perfekte
Maschine gebe es nicht. Lang schwenkte dann über zur russischen
Atomanlage Majak und warf der Atomlobby "offensichtliche Lügen und
Verharmlosungen" vor. "Es gibt nichts Unschweizerischeres als
Atomstrom", rief Lang aus, und: "Atomstrom ist tagtäglich
tödlich."
Markus Flury (glp, Hägendorf) hielt kurz und bündig
fest: "Der Umgang (des KKG) mit der Meldepflicht war kontraproduktiv
für das Vertrauen."
Für Interpellant Philipp Hadorn lautete die Frage, wie sich
der Regierungsrat verhalten habe. Dessen Antwort löse bei ihm
"Unwohlsein in Kopf und Bauch" aus. Sein Vertrauen in die
Unabhängigkeit des Regierungsrates gegenüber der
Atomindustrie sei erschüttert, weil dieser keine eigenen
Abklärungen zu diesem Ereignis veranlasst habe. Es könne dem
Regierungsrat nicht gleichgültig sein, wenn er als
verlängerter Arm der KKW-Betreiber wahrgenommen werde.
Dieses Votum brachte Landammann Walter Straumann auf die Palme.
Solche Töne seien an Publiumsveranstaltungen üblich. Hadorn
nehme Rolle und Zuständigkeit des Regierungsrates nicht zur
Kenntnis: "Wir sind hier nur Briefträger."
---
20 Minuten 8.12.10
Kampf gegen Atomkraftwerke
BERN. Abfälle von AKWs seien noch immer ein Problem. Zudem
gebe es gesundheitliche Bedenken beim Betrieb eines Atomkraftwerks. Und
schliesslich würden weniger Arbeitsplätze mit einem neuen AKW
geschaffen, als wenn man auf erneuerbare Energien setze. Mit diesen
drei Argumenten ziehen die Atomgegner in den Abstimmungskampf. Das
Berner Stimmvolk kann zwar am 13. Februar nicht direkt über das
neue AKW Mühleberg entscheiden, aber immerhin ein deutliches
Signal geben. Mit ihrem Ja oder Nein sagen die Berner dem Bund, was sie
von AKWs grundsätzlich halten.
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Telebärn 7.12.10
AKW-Gegner lancieren Kampagen
http://www.kyte.tv/ch/telebaern/akwgegner-lancieren-kampagne/c=84713&s=1103429
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Bund 7.12.10
Zwei Firmen werden um den AKW-Auftrag kämpfen
Die Ausschreibung für den Ersatz in Beznau und
Mühleberg läuft.
Hans Galli
Im kommenden Februar stimmt der Kanton Bern über die
Vernehmlassung zum Bau eines neuen Atomkraftwerks in Mühleberg ab.
Das Resultat ist unverbindlich, aber es gilt landesweit als
Stimmungsbarometer. Die BKW Energie AG lässt sich jedoch durch die
geplante Abstimmung nicht bremsen, denn die Ausschreibung für den
Neubau in Mühleberg ist seit gestern im Internet auf der Seite
für das öffentliche Beschaffungswesen (Simap) aufgeschaltet.
Lanciert hat die Ausschreibung die Resun AG in Aarau, die
gemeinsame Planungsgesellschaft der Stromkonzerne Axpo und BKW. "Das
Projekt umfasst die Beschaffung von zwei vollständigen,
schlüsselfertigen und betriebsbereiten Ersatzkernkraftwerken
für die Standorte Beznau und Mühleberg", schreibt Resun in
der Ausschreibung. Geplant ist in Beznau und in Mühleberg je ein
AKW mit einem Leichtwasserreaktor und einer Nettoleistung von 1450
Megawatt. Der heutige Siedewasserreaktor in Mühleberg hat eine
Nettoleistung von 373 Megawatt, die beiden Druckwasserreaktoren in
Beznau weisen eine solche von zusammen 730 Megawatt auf. Axpo und BKW
begründen den Bau von zwei AKW mit wesentlich grösserer
Leistung damit, dass sie zusätzlich den Ausfall der
Stromlieferungen aus Frankreich ersetzen müssen.
Einreichfrist Mitte April
Die Unterlagen müssen bis spätestens am 15. April 2011,
exakt um 13 Uhr, eingereicht werden. Die Resun AG wird anschliessend
aus den eingegangenen Bewerbungen zwei Bewerber auswählen und mit
ihnen einen Vorvertrag abschliessen. Es kann sich um Generalunternehmer
oder Konsortien handeln. Ab Herbst 2011 können sie mit den
mehrjährigen Planungsarbeiten beginnen. Axpo und BKW gehen davon
aus, dass das Schweizer Volk 2013 oder 2014 über die
Rahmenbewilligung abstimmen wird. Bei einem Ja will die Resun AG rasch
das Gesuch für die Baubewilligung einreichen. Dazu wird sie einen
der Bewerber auswählen, während der andere ausscheiden wird.
Der Sieger wird als Generalunternehmer für den Neubau sowohl in
Beznau als auch in Mühleberg zuständig sein.
Das Projekt kann allerdings nur realisiert werden, wenn es
sämtliche politischen Hürden im Bundesrat, im nationalen
Parlament und in der Volksabstimmung meistert. Eine Hürde hat sich
die Strombranche selber aufgestellt: Nicht nur in Beznau und
Mühleberg sind neue AKW geplant, vielmehr hat die Alpiq noch vor
den andern ein Gesuch für den Neubau eines neuen AKW in
Gösgen eingereicht. Drei Werke werden aber keinesfalls gebaut. Wer
auf der Strecke bleibt, muss noch vor der nationalen Volksabstimmung
entschieden sein.
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Tagesanzeiger 7.12.10
"Das Lager soll nicht einfach dort gebaut werden, wo sich niemand
dagegen wehrte"
Die Bürgerorganisation Loti ("Nördlich Lägern ohne
Tiefenlager") fordert eine umfassende Untersuchung der Risiken eines
Endlagers für Atommüll im Unterland.
Mit Hans-Peter Hubmann und Daniel Frei sprach Dominique
Marty
Der Verein Loti hat im Anhörungsverfahren für ein
Atommüllendlager beim Bund eine Stellungnahme deponiert. Was sind
Ihre Kernpunkte?
Hans-Peter Hubmann: Wir haben in unserer Stellungnahme sowohl
technische Fragen zur Sicherheit gestellt, die wir beantwortet haben
wollen, als auch Bedenken zu den sozialen und ökonomischen Folgen
für die Region geäussert. Aus unserer Sicht ist die Region
"Nördlich Lägeren" nicht geeignet für ein Tiefenlager -
und darum verlangen wir in unserer Stellungnahme, dass der Standort
auch als "ungeeignet" eingestuft wird.
Die Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver
Abfälle, hat aber festgestellt, dass die geologischen Bedingungen
in der Opalinustonschicht der Region geeignet sind, um ein
Atommülllager zu bauen. Worauf stützen Sie Ihr Urteil?
Hubmann: Wir stützen uns auf unabhängige Experten ab,
zum Beispiel von der Schweizerischen Energiestiftung. Wir haben Zweifel
an der Eignung des Opalinuston als Lagerstätte, weil dieser
salzhaltiges, agressives Meerwasser enthält. Hier könnten
sich Gase bilden, die sich in der Wärme ausdehnen, Druck aufbauen
und die Tonmineralien, in denen der Atommüll gelagert ist,
aufsprengen. Auch die Tiefe, in der ein solches Lager entstehen soll,
ist aus unserer Sicht ein Problem - wegen der Erdwärme, welche die
bauliche Sicherheit beeinträchtigen könnte. Ausserdem muss
geklärt werden, wie ein solches Lager gekennzeichnet wird. Denn
kommende Generationen müssen verstehen können, dass im Boden
etwas Gefährliches gelagert ist. Dieses besteht eine Million
Jahre. In dieser Zeit könnte es zu einer Eiszeit kommen, welche
die bestehende Kultur und auch unsere Sprache und Schrift vernichten
könnte.
Haben Sie auch soziale und ökonomische Fragen angesprochen?
Daniel Frei: Hier sind viele Fragen offen, zum Beispiel zum Thema
Logistik. Der Atommüll muss irgendwie zu diesem Lager gefahren
werden. Das Unterland ist durch den Strassenverkehr bereits jetzt
belastet. Zudem ist zu klären, ob ein solches Lager auf das
Wachstum der Standortgemeinden einen Einfluss hat. Werden gewisse
Gebiete mit einem Baustopp belegt, beeinträchtigt das sie Region.
Wir tragen mit den Kiesabbaugebieten und dem Flughafen bereits sehr
grosse Lasten. Uns noch ein Lager aufzuhalsen, ist schwer zu
rechtfertigen. Dass man dies einfach mit Geld abgelten könnte, ist
für uns eine Gefahr. Wir müssen bei einem solchen Entscheid
an die längerfristige Entwicklung der Region und an unsere
Nachkommen denken. Wir fordern daher eine regionsspezifische
Vertiefungsstudie, die sich mit den Auswirkungen auf das Image und auf
die gesellschaftlichen Zusammenhänge befasst.
Welche Chancen rechnen Sie sich für Ihre Forderungen aus?
Frei: Wir sind uns im Klaren darüber, dass es sich hier um
ein Mitsprache- und nicht um ein Mitbestimmungsverfahren handelt.
Dennoch darf das natürlich nicht zu einer Alibiübung
verkommen, bei der schon im Vornherein feststeht, wo ein Endlager
entstehen soll. Für uns ist wichtig, dass die Bevölkerung
über das Thema informiert ist und dass sich möglichst viele
engagieren. Wir glauben nicht, dass der Bund etwas gegen den Widerstand
der Bevölkerung machen kann - das hat schon der Fall Wellenberg
gezeigt. Zudem ist die kritische Auseinandersetzung auch darum wichtig,
weil das Lager ja am Ende nicht einfach dort gebaut werden soll, wo
sich niemand dagegen gewehrt hat.
Wenn Sie ein Lager im Unterland kategorisch ablehnen, bürden
Sie die Last doch einfach einer anderen Region auf.
Frei: Die Schweiz hat ein Problem mit dem Atommüll und wir
müssen dafür auch in der Schweiz eine Lösung finden.
Ausserdem sind wir nicht kategorisch gegen ein Lager: Ein Endlager mit
der Kapazität für den bestehenden Atommüll
verknüpft mit dem Ausstieg aus der Atomenergie ist für uns
durchaus eine Option. Die sicherheitsrelevanten Fragen zum Lager in
technischer Hinsicht müssen aber auch in diesem Fall geklärt
sein.
Der Widerstand in der Bevölkerung ist in der Region noch
nicht gross spürbar.
Frei: Das stimmt, wir sind in der Region noch nicht sehr
sensibilisiert auf das Thema Atommüll. Das Problem wird erst
langsam wahrgenommen. In Deutschland ist das anders, wo die
Castor-Transporte zu riesigen Protesten führen. Wir wollen mit
Informationsveranstaltungen auf das Thema aufmerksam machen. Eine erste
Veranstaltung planen wir Anfang 2011 in Niederweningen.
Hans-Peter Hubmann
wohnt in Niederweningen und ist Vorstandsmitglied im Verein Loti.
Daniel Frei
wohnt in Niederhasli und ist Vorstandsmitglied im Verein Loti.
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Frankfurter Allgemeine 7.12.10
Ein Lager im Sperrgebiet
Nicht viel ist zu erfahren über die Atomanlage Majak - selbst die
Stadt, die sie umgibt, ist eingezäunt und schwer bewacht. Hierhin
sollte der Atommüll aus dem DDR-Versuchsreaktor Rossendorf
gebracht werden, doch Umweltminister Röttgen hatte
Sicherheitsbedenken. Ein Besuch in einer Region, die gezeichnet ist von
all dem Unheil, das radioaktive Strahlung bewirken kann.
Von Andrea Rehmsmeier
TSCHELJABINSK, im Dezember
Die alte Frau schreit fast: "Verstehen Sie, was ich Ihnen sage?
Schreiben Sie auch alles mit? Die Menschen in Europa sollen endlich
wissen, wie es uns hier geht!" Ein eigentümliches Grüppchen
hat sich vor dem Gebäude der Bezirksregierung in der
Ural-Metropole Tscheljabinsk zusammengefunden. Vorübereilende
Passanten werfen den aufgebrachten Dorfleuten mit ihren wettergegerbten
Gesichtern und der abgewetzten Arbeitskleidung misstrauische Blicke zu.
Männer in Zivil mit Videokameras filmen jedes Gesicht.
Die Dorfleute aber, die von den Ufern des radioaktiv verstrahlten
Flusses Tetscha zur Protestkundgebung in die Gebietshauptstadt gereist
sind, wollen endlich gehört werden mit dem, was sie zu sagen
haben: Sie berichten von den wuchernden Krebsgeschwüren, von
Medikamenten, die sie nicht bezahlen können, und von Aktenordnern
voller Anträge und Beschwerden, die sie schon geschrieben haben,
um endlich offiziell als Strahlenopfer anerkannt zu werden. Dann
nämlich hätten sie das Recht auf kostenlose medizinische
Versorgung und eine finanzielle Entschädigung - lächerliche
Geldbeträge für jahrzehntelanges Siechtum, totgeborene
Kinder, amputierte Gliedma-ßen und Schmerzen, gegen die es nie
Morphium, sondern immer nur Wodka gab. Doch wenigen ist das bislang
gelungen, und auch das nur nach jahrelangen Gerichtsverfahren.
Hierhin wollte die Bundesregierung den abgebrannten
Kernbrennstoff aus dem DDR-Versuchsreaktor Rossendorf zur
Wiederaufbereitung schicken - 951 Kernbrennstäbe aus hoch
angereichertem Uran. Doch Bundesumweltminister Norbert Röttgen hat
den Transport kurzfristig abgesagt. Zu umstritten war die Rechtslage,
auf das Rücknahmeabkommen für abgebrannten
Versuchsreaktorbrennstoff aus sowjetischer Produktion fußte, zu
katastrophal das Image des Zielortes: Die Kerntechnische
Großaniage Majak, die weite Teile des Südural radioaktiv
verseucht hat.
Die Liste der Sünden, die in Majak begangen wurden, ist
lang: Im Jahr 1957 war hier ein Tank mit fast 80 Tonnen Atommüll
explodiert - die folgenschwerste Atomkatastrophe nach dem Unglück
von Tschernobyl. In den fünfziger und sechziger Jahren hatte die
Betriebsleitung flüssigen Atommüll ungefiltert in das
Flüsschen Tetscha geleitet. Und im Jahr 2005 erhielt der damalige
Generaldirektor der Anlage seine Entlassung: Ebenfalls wegen
ünrechtmäßiger Atommüll-Verklappung in der
Tetscha, bis heute ist der zulässige Grenzwert um das zwanzig bis
fünfzigfache überschritten.
Wie hätte die Bundesregierung die "schadlose Verwendung" des
hochgefährlichen Nuklearmaterials nachweisen können - so, wie
das Atomrecht es für Atomexporte fordert? Denn bis heute geht es
in der Atornanlage Majak alles andere als transparent zu, bis heute
unterliegen große Teile der atomaren Produktion dem
Militärgeheimnis. Selbst die Internationale Internationalen
Atomenergiebehörde (IAEA) kann sich nur in Ausnahmefällen
Zugang verschaffen. Und auch für die Gesellschaft für
Reaktorsicherheit und Strahlenschutz (GRS) in Köln, die auf dem
Betriebsgelände gerade für 23,3 Millionen Euro zum Schutz von
waffenfähigem Spaltmaterial eine Hightech-Zaunanlage baut, und die
jetzt für die Bundesregierung das sicherheitstechnische Gutachten
geschrieben hat, sind Akteneinsicht und Zugangsberechtigung begrenzt.
Wer mehr erfahren will darüber, wie es um die Atomsicherheit
in Majak bestellt ist, der muss mit den Menschen sprechen, die in
dieser Gegend wohnen. Denn die haben vieles zu erzählen.
Das Ural-Städtchen Ozersk, wo die Atomanlage Majak ihren
Sitz hat, liegt inmitten eines menschenleeren Idylls aus
Birkenwäldern, Sümpfen und Seen. Nur vereinzelt stehen
Schilder mit dem Radioaktivitätszeichen herum. In den Gräsern
gibt es sogenannte Hot Spots, Stäubchen mit hoher Strahlung, die
sich in den Körper einlagern und schwere Gesundheitsschäden
verursachen können.
Ozersk ist ein merkwürdiger Ort, die ganze Stadt mit ihren
90 000 Einwohnern ist ein Flochsicherheitstrakt: komplett umgeben von
einer modernen Zaunanlage und bewacht von Uniformierten.
Zutritt haben nur registrierte Bewohner mit einem speziellen
Lichtbildausweis, meist die Mitarbeiter der Atomanlage und ihre
Familien. Ausländer dürfen sich der Außengrenze der
Stadt nicht einmal nähern. Und der Geheimdienst, so wird man von
Anwohnern gewarnt, "sitzt in den Büschen". So bleibt nur der Blick
von einem nahegelegenen Hügel herab.
Von hier aus erstreckt sich das weitläufige
Betriebsgelände wie eine Spielzeuglandschaft: ein paar
Gewerbehallen und Industrieschornsteine. Eine
Wiederaufbereitungsanlage, zwei Reaktoren und diverse
Atommateriallager, liegen teilweise unterirdisch. Doch mit weit
über 10 000 Beschäftigten zählt Majak zu den
größten atomaren Gewerbegebieten der Welt. Uran und
Plutonium aus Auf- und Abrüstungsprogrammen, Atommüll aller
Art und Brennstoff aller Produktionsstufen wird hier ständig in
Eisenbahnwaggons an- und abtransportiert. Früher wurde hier das
Plutonium für die sowjetischen Atombomben hergestellt, heute ist
Majak ein weltweit führender Produzent von Radioisotopen für
die industrielle und medizinische Nutzung.
Ob dabei moderne Nuklearsicherheitsstandards immer und
überall eingehalten werden? "Im Vergleich zu dem, was hier in den
90-er Jahren los war, ist es viel, viel besser geworden", sagt Genia,
der seinen richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Im
Jahr 1992, als das Land nach dem Zusammenbruch des Sowjetreichs in
einer schweren Wirtschaftskrise war, nahm er in Majak eine Stelle als
leitender Ingenieur in einem der beiden Reaktoren an. Majak war damals
der einzige Arbeitgeber der Region, der überhaupt Löhne
auszahlte. "Wir verdienten umgerechnet zehn Dollar im Monat - zu wenig,
um eine Familie zu ernähren", erinnert sich Genia. "Meine Kollegen
haben als Taxifahrer oder Kleinhändler dazuverdient, und am
Steuerpult des Reaktors sind sie vor Müdigkeit eingeschlafen.
Andere haben die Rohre abmontiert und den Stahl verscherbelt oder in
ihren Datschen verbaut."
Der Betriebsleitung fehlte damals die Kraft, die katastrophalen
Zustände zu vertuschen. Die Wiederherstellung der Atomsicherheit
in Majak wurde das stille Pilotprojekt des amerikanischen
Abrüstungsprogramms "Kooperative Risikoreduzierung" (Cooperative
Threat Reduction, CTR), dem Vorläufer von Präsident Obamas
Nuklearsicherheitsinitiative. Neben anderen Programmen sollte ein
modernes Langzeitzwischenlager (Fissile Material Storage Facility,
FMSF) mit einer über sieben Meter dicken Wand das Uran und
Plutonium aus abgerüsteten Atombomben vor Feuer, Erdbeben und
Terroranschlägen sichern.
Als Mitte der neunziger Jahre dann die Löhne erhöht
wurden, kehrte schlagartig die Disziplin zurück. Moderne
Sicherheitstechnik wurde installiert, internationale
Strahlenschutzstandards wurden im Laufe der Jahre zur gelebten
Betriebskultur, das kann Genia bestätigen. Dennoch gab es
weiterhin Zwischenfälle, bei einem war er selbst dabei. Das war im
Jahr 2000, bei Arbeiten dicht am Reaktor. "Plötzlich fällt
die Elektrizität aus - spok! - und wir stehen da, unterirdisch,
ohne Licht und ohne Strom. Computer und Beleuchtung schalten auf
Notstrom, aber auch das Kühisystem des Reaktors ist ausgefallen.
Das Ding heizt sich auf - und wir stehen da, können nichts
tun." 42 Minuten dauerte der Stromausfall. Dann ging das Licht wieder
an, und Genia und seine Kollegen konnten das Kühlsystem wieder
herauffahren. Einer der Sicherheitsexperten im Betrieb hat später
ausgerechnet, dass es bis zum GAU noch vier Minuten und 28 Sekunden
gedauert hätte. Kurz darauf reichte Genia seine Kündigung
ein. "Zum Teufel mit so einem Job!"
Auch das russisch-amerikanische Proekt eines Spaltmateriallagers
verursachte Konflikte: Die Bauphase verlief im Dauerstreit über
Transparenz und Verifikationsrechte. 2003 wurde das Lager endlich
eingeweiht - doch der Erfolg bleibt bis heute zweifelhaft. Statt der
vorgesehenen 500 Tonnen waffenfähiges Spaltmaterial, die hier
hätten eingelagert werden sollten, brachte die Betriebsleitung von
Majak nur 25 Tonnen Plutonium hier unter - das berichten
übereinstimmend die Websites der internationalen
Anti-Atomwaffen-Organisation Nuclear Threat Initiative (NTI) und der
norwegischen Umweltstiftung Bellona. Wie das russische Atomministerium
dem überraschten amerikanischen CTR-Komitee in einem Brief
mitteilte, wollte Russland sein Spaitmaterial lieber in Kernbrennstoff
verwandeln, anstatt es für die Langzeitzwischenlagerung
vorzubereiten.
An einem Bistro auf einem Fernfahrer-Parkplatz, gelegen an einer
wenig befahrenen Landstraße, kann man sich mit dem Rentner German
Lukaschin treffen. In seinen Berufsjahren war er als
Strahlenschutzbeauftragter für fast alle russischen Atomanlagen
zuständig. Als "Tschernobyl-Liquidator" errechnete er im Sommer
nach dem GAU vor Ort die Strahlendosen der Bauarbeiter des Sarkophags.
Später gehörte er einer Expertenkommission an, die den Bau
des amerikanischen Spaltmateriallagers in der Kernanlage Majak
begleitete. Doch schon nach wenigen Monaten wurde er entlassen: Zu
grundsätzlich waren seine Bedenken. Heute plagen ihn
Schlafstörungen.
Auf der klebrigen Bistro-Tischplatte klappt Lukaschin sein Laptop
auf. Die Apokalypse zeigt er als Powerpoint-Präsentation. Eine
radioaktive Plutonium-Wolke erhebt sich als Punkt aus den Wäldern
des Ural. In Form einer schnell wachsenden Träne kriecht sie
über den eurasischen Kontinent. "Moskau, Warschau - schauen Sie,
jetzt ist sie in Berlin!", sagt Lukaschin. Er unterstellt eine andere
Windrichtung und dreht die Wolke mit dem Mauszeiger in Richtung Osten.
Es verschwinden der Baikalsee, Pakistan, Indien, Japan. "Das Plutonium
in der Atomtechnischen Anlage Majak ist nicht sicher gelagert", sagt
der Rentner. ..Ich kenne doch die internen Dokumente!" sagt er, und:
"Tschernobyl war ein Spaziergang gegen das, was uns aus Majak droht!"
Schlüge hier durch Pilotenfehler oder Terroranschlag ein
Passagier-Boeing-Flugzeug hin, das haben seine eigenen Berechnungen
ergeben, dann würde nicht einmal das Spaltmateriallager der Wucht
des Aufpralls standhalten: Dieses sei für einen Absturz einer 20
Tonnen schweren Maschine projektiert, eine Passagier-Boeing aber Wiege
das Zwanzigfache. "Und die fliegen doch alle paar Minuten hier vorbei,
von den Flughäfen in Tscheljabinsk und Jekaterinburg!" Schlimmer
noch: Auf dem Betriebsgelände lagerten weitere 38 Tonnen Plutonium
aus der Wiederaufbereitung von kommerziellem Atommüll - in einem
Reaktorgebäude, das aus der Nachkriegszeit stammt. "Da kann keine
Rede sein von irgendeinem Schutz."
Der abgebrannte Kernbrennstoff aus dem Versuchsreaktor Rossendorf
jedenfalls, wird nun vielleicht niemals auf dem Betriebsgelände
von Majak eingelagert werden. Das Problem jedoch, dass in Majak
gewaltige Mengen an hochgefährlichem Atommaterial ohne jede
internationale Kontrolle umgeschlagen, verarbeitet und gelagert werden,
bleibt bestehen.
Und andere Länder könnten wahr machen, was in Deutschland
tabu scheint: Die "unbefristete Zwischenlagerung" von abgebranntem
Kernbrennstoff in Russland - so wie es russische Gesetze erlauben, und
wie es von der russischen Regierung gewünscht ist.
Im nächsten Jahr soll im sibirischen Krasnoyarsk das erste
russische Endlager in Betrieb gehen. Und das ist groß genug
für den Atommüll aus vielen Ländern.