MEDIENSPIEGEL 01.01.11
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)

Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Kulturtipps (Infoladen, Rössli, DS, Tojo)
- Gassenarbeit: Stapi-Hungern; Nichtwertende Nächstenliebe in Garage
- Police BE: AusländerInnen rekrutieren
- Migration BE: GR-Interpellation zu illegaler Einwanderung
- Nothilfe: Brünig-Schliessungs-Forderung
- Obdachlos: BE, LU, ZH, BS
- Ruhe & Ordnung: SIP-Gelüste in Zug
- Drogen: Süchtige Flüchtlinge; Dealszene Biel; Cannabis-Krieg
- Heiratsverbot: nur mit Bleiberecht in Weiss
- Sexwork: Nationales Gesetz
- Anti-SVP: Farbige Grüsse an die SVP in Winterthur
- Sondereinheit: AAD 10 gegen Innen
- Knast: Skander Vogt; Pöschwies; Studie Champ-Dollon
- Anti-WEF: Demo in SG
- Big Brother: Fichen-Kontrolleur ernannt
- Anwalt der 1. Stunde: Neue Strafprozessordnung
- Rechtsextremismus: Meinungsfreiheit GE; Auschwitzschild-Dieb
- Bomben Rom: Der "Anarchisterich" im Medienwald
- Migration Control: Griechenland; Sklavenroute nach Europa
- Anti-Atom: BKW-Reisen; Lücken; 2 Grad für Axpo; Multis; Klimaschutz; Beznau; Geldflüsse

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REITSCHULE
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So 02.01.11
08.00 Uhr - Grosse Halle - Flohmarkt bis 16h
13.30 Uhr - Kino - Michel in der Suppenschüssel, Schweden/Deutschland 1971

Mi 05.01.11
19.30 Uhr - Infoladen - Welcome to Hell: Zu Besuch bei Mumia Abu-Jamal

Fr 07.01.11
22.00 Uhr - Frauenraum - Popshop "women only". Mit DJ Anouk Amok

Sa 08.01.11
18.00 Uhr - SousLePont - Wiedereröffnung 2011

Di 11.01.11
20.30 Uhr - Kino - Uncut - Warme Filme: DAKAN - Schicksal, Guinea 1997

Mi 12.01.11
19.00 Uhr - SousLePont - Elsässer Spezialitäten
20.00 Uhr - Rössli - Capital Slam

Infos:
http://www.reitschule.ch

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Indymedia 18.12.10

3.1.2011-5.1.2011: Zu Besuch bei Mumia Abu-Jamal ::

AutorIn : ---         
Welcome to Hell - Besuch bei Mumia Abu Jamal

Veranstaltung mit:
Michael Schiffmann (Heidelberger Mumia-Soli-Gruppe)
Anton Reiner (Berliner FREE MUMIA Bündnis)     

Im April 2010 besuchten mehrere Aktivisten aus Deutschland den politischen Gefangenen Mumia Abu-Jamal, der in den USA in der Todeszelle sitzt. An den Veranstaltungen geben sie einen Bericht von ihrem Besuch bei Mumia Abu-Jamal und zu dem aktuellen Stand der juristischen und politischen Auseinandersetzung in seinem Fall in den USA.

Zu Mumia Abu-Jamal: politischer Gefangener in den USA seit 1981. Mit gefälschten Beweisen wurde er als vermeintlicher Polizistenmörder zum Tode verurteilt. Eine weltweite Unterstützer_innenbewegung verhinderte bis heute die Hinrichtung. Seit vielen Jahren versucht er, mit Hilfe eines neuen Verfahrens frei zu kommen.

Weitere Infos:
http://www.mumia-hoerbuch.de/
http://www.mumia.de/

Montag, 3.1.2011 Basel // 20:00 // Infoladen Magazin // Inselstr. 79

Dienstag, 4.1.2011 Wetzikon // 19:00 VoKü // 20:00 Vortrag // KultiBeiz (Kulturfabrik) // Zürcherstr. 40 // http://www.akzo.ch.vu

Mittwoch, 5.1.2011 Bern // 20:00 // Infoladen Reitschule // http://www.infoladen-bern.ch

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http://de.indymedia.org/2010/12/296025.shtml
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=15924

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kulturstattbern.derbund.ch 1.1.11

Ein Blick ins nächste Jahr

Von Manuel Gnos am Samstag, den 1. Januar 2011, um 06:00 Uhr

Herr Gnos freut sich auf das neue Album von Boob, der einzig wahren Berner Rockband, das so um den März herum erscheinen soll. Schliesslich liegt der Vorgänger schon Jahre zurück und es wird Zeit, mal wieder zu einheimischen Klängen das Haupthaar zu schütteln. Weiter steht im Frühling der Zweitling von Stahlberger & Band an, verbunden mit einem Konzert im Rössli am 5. Mai 2011. Ein erstes Konzerthighlight erwarte ich am 17. Februar 2011 im ISC, wo der Australier C. W. Stoneking seinen Berner Einstand geben wird. Seinem aktuellen Album "Jungle Blues" hat es nur ganz knapp nicht zur Platte des Jahres gereicht.

(...)

Herr Sartorius nimmt sich vor, im neuen Jahr mehr Rapmusik als in der jüngeren Vergangenheit zu hören. Und das scheint ziemlich leicht, gastieren doch mit dem allerdings nur plattenlegenden Maskenrapper MF Doom am 11. Februar und dem Wu-Tang-Mitglied GZA am 24. Februar zwei grosse Vertreter im Berner Dachstock. Angereichert wird das Blackmusic-Programm mit dem Konzert des Retro-Soundfetischisten Aloe Blacc (ebenfalls im Dachstock) und aber auch mit Lee Scratch Perry im Bad Bonn zu Düdingen. Der Rest ist schnell erzählt - mit vier Namen: Deerhunter, Animal Collective, Kilbi und aber auch James Blake mit, ähem, dem offensichtlichen Album des Jahres 2011.

(...)

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Lustiger Dienstag zum 50. Mal

Tojo Theater. Zum 50. Jubiläum brettert der Lustige Dienstag gleich dreimal über die Bühne. Diverse Gäste bieten ihre besten, gewagtesten, sensationellsten, spektakulärsten und lustigsten Nummern. Die Ludi-Crew (Judith Bach, Robert Stofer, Thomas Laube und Markus Schrag) führt durch die Abende, moderiert, schleppt Requisiten rum, führt Wettbewerbe durch und zwingt dem ganzen Spektakel Sinn und innere Notwendigkeit auf. Dabei wird die Crew verstärkt durch längst vergessene Mitglieder.   pd

 Heute, morgen und übermorgen, je 20.30 Uhr, Tojo Theater, Neubrückstrasse 8, Bern.

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GASSENARBEIT
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BZ 30.12.10

Tschäppät hungert für die Gassenarbeit

 Wetten, Dass …sich der Verein Kirchliche Gassenarbeit Bern Ende 2011 mächtig freut? Dann erhält die Organisation, die sich um Randständige kümmert und von der katholischen und der reformierten Kirche finanziert wird, einen Zustupf von 3400 Franken. Dies sind die gesammelten Einsätze der Wetten, welche die BZ für 2011 mit Persönlichkeiten abschliesst: Jeweils 100 Franken Einsatz pro Wette. Dass der Betrag so hoch ausfällt, ist YB zu verdanken: Der Club setzt gleich 100 Franken pro Spieler ein. Die BZ hält Sie selbstverständlich auf dem Laufenden, wie die Wetten ausgehen.

 Bäuerinnen

 "Mindestens 1500 gefärbte Eier werden uns die Kundinnen und Kunden am Ostersamstag abkaufen." Dies wettet Heidi Binggeli (62) aus dem Schwarzenburger Weiler Mamishaus. Mit Kräutern färben die Landwirtin und andere "Gantrisch-Frauen" Eier von Freilandhennen, die sie an einem Stand vor dem Globus in der Berner Spitalgasse anbieten. 1500 ist eine sehr ehrgeizige Zahl. Denn gewöhnlich verkaufen die Bäuerinnen im Schnitt 600 Stück pro Tag. Doch schon einmal ist ihnen ein Coup gelungen: 2004 brachten sie am Ostersamstag vor dem Globus 1800 Eier an die Frau und den Mann. Werden sie diesen Rekord am

 23. April 2011 beinahe egalisieren können?kle

 Eurovision Song Contest

 Im Frühling vertritt die Basler Sängerin Anna Rossellini (Bild) die Schweiz am Eurovision Song Contest in Düsseldorf. Der Komponist David Klein wettet, dass es Anna mit seinem Song "In Love for A While" ins Finale vom 14. Mai schafft. "Keine Frage wir schaffen das", sagt er. fs

 Mister Schweiz

 Seit dem 20. Dezember ist im "Mister Schweiz-Seat" drin, was draufsteht. Der amtierende Schöhheitskönig Jan Bühlmann hat die Autoprüfung bestanden. Er fühlt sich am Steuer so sicher, dass er wettet, das Jahr 2011 mit weniger als drei Geschwindigkeitsbussen zu durchfahren. Das sind grosse Worte, wenn man bedenkt, wie rege ein Mister Schweiz von A nach B gepfiffen wird.mia

 YB

 Die ambitionierten Young Boys haben im neuen Jahr viel vor. Und um die hohen Ziele zu erreichen und einen Titel zu gewinnen, sind die Berner auch auf mehr Tore angewiesen. Gerade in der Super League lief es zuletzt nicht überragend, in der Vorrunde erzielte YB in 18 Partien bloss 24 Tore. Und jetzt wetten die YB-Spieler, dass sie in der Rückrunde in 18 Begegnungen 36 Tore schiessen. "Zwei Treffer im Schnitt pro Partie sind für uns möglich", sagt Captain und Torhüter Marco Wölfli. Er und seine Mitspieler gehen diese relativ mutige Wette ein, und das zeugt vom Selbstvertrauen im Team. Jeder der 25 Kaderspieler setzt 100 Franken ein - erfüllt YB die Vorgabe von 36 Toren (oder mehr), zahlt die Berner Zeitung 2500 Franken Wetteinsatz.fdr

 Parlamentarier-Ski-Rennen

 Am 8. Januar liefern sich die Bundesparlamentarier auf Pischa bei Davos ihr traditionelles Skirennen. In den vergangenen zwei Jahren wurde der Glarner Ständerat This Jenny Erster. Heuer soll der Sieg nach Bern gehen, sagt die Burgdorfer FDP-Nationalrätin Christa Markwalder. Sie wettet, dass entweder ihr Ratskollege Alec von Graffenried (Grüne) oder sie selber aufs Podest fahren. Alle anderen Berner Parlamentarier kneifen - auch die Skitalente aus dem Oberland wie etwa SVP-Nationalrat Hansruedi Wandfluh.as

 Miss schweiz

 Im Vorfeld der Miss-Schweiz-Wahlen 2010 galt Miss Bern Noemie Leibinn (Bild) als Geheimfavoritin auf das Krönchen. Es klappte nicht, die schöne Aarbergerin schied früh aus. Und so wartet der Grossraum Bern weiter auf einen Sieg bei der Wahl zur offiziell schönsten Schweizerin - seit 1997, als die gebürtige Seeländerin Tanja Gutmann gewann. 2011 solls endlich wieder einmal klappen. Und so wettet Valerio Concari, Geschäftsführer der Miss-Bern-Organisation, dass die neue Miss Bern, die im Frühling in Bern gekrönt wird, am 24. September in Lugano auch zur neuen Miss Schweiz gewählt wird.fs

 SC   Bern

 Im letzten Winter hat der Schlittschuhclub Bern seine Anhänger mit dem Meistertitel verwöhnt. In dieser Saison sind die Leistungen bisher schwankend, erst zweimal sind daher in der Postfinance-Arena alle 17131 Plätze verkauft worden. Der SCB wettet nun, dass die Halle bis zum Meisterschaftsende noch mindestens sechsmal ausverkauft sein wird. Indirekt bekräftigt der Meister durch die Wette seine Ambitionen im sportlichen Bereich. Sie kann wohl nur gewonnen werden, wenn das Team in den Playoffs weit vordringt.ar

 Bärenpark

 Gerade ein Jahr alt geworden sind Ursina und Berna, und trotz ihrer Jugend haben die Berner Bärenmädchen schon eine Menge erlebt. So wurde Ursina in den ersten Monaten ihres Lebens doch glatt für einen Urs gehalten. Nun, da die Geschlechterfrage geklärt ist, könnte eigentlich Ruhe einkehren im Bärenpark. Doch schon steht die nächste Herausforderung an: Ursina und Berna brauchen spätestens 2012 ein neues Zuhause. Tierpark-

 Direktor Bernd Schildger wettet, dass er bis Ende 2011 einen guten Platz für seine Bärenmädchen findet. Die Chancen sind gut: Die Interessenten stehen Schlange.mm

 Stadttheater Bern

 Das waren noch Zeiten, als das Berner Stadttheater mit stolzen Zuschauerzahlen auftrumpfen konnte. Seit Jahren läuft der Traditionsinstitution im Grossen Haus das Publikum davon, und der aktuelle Intendant Marc Adam hat den Turnaround bisher nicht geschafft. Stadttheaterpräsident Henri Huber zeigt sich dennoch optimistisch: Er wettet, dass das Haus in der laufenden Saison mindestens 97 000 Zuschauer erreicht. Mutig, mutig, kann man da nur sagen: Schliesslich konnte das Stadttheater letzte Saison bloss 87 600 Zuschauer vorweisen. Obs klappt? Abgerechnet wird im Dezember 2011.mei

 Alexander Tschäppät

 Der Berner Stadtpräsident Alexander Tschäppät will im nächsten Jahr abnehmen. Er wettet, dass er im Januar drei Kilo abnimmt und diese im Lauf des Jahres nicht wieder zunimmt. Mit seinen 99 Kilogramm fühle er sich zu schwer. "Ich merke mein Gewicht zum Beispiel beim Treppensteigen." Um seine Wette zu gewinnen, wird Tschäppät vermehrt auf seine Ernährung achten und längere Spaziergänge mit seinen Hunden unternehmen. "Ich will keine falsche Sportlichkeit vortäuschen. Abnehmen ist nur dann sinnvoll, wenn man es nicht übertreibt." Einen Jojo-Effekt möchte er bei sich verhindern.rah

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Langenthaler Tagblatt 29.12.10
(Grenchner Tagblatt 30.12.10)

Da sein und auf Wunsch weiterhelfen

 Stadt Bern. Kirchliche Gassenarbeit beruht, ohne zu werten, auf Nächstenliebe, sie hilft und vermittelt

Fabienne Wüthrich

 In einer Garage im Berner Breitenrain-Quartier versteckt sie sich. Von draussen erkennt man ihre Wichtigkeit nicht auf Anhieb. Erst wenn man drinnen sitzt und mit den beiden Frauen diskutiert, rückt sie in das Bewusstsein: die kirchliche Gassenarbeit Bern (siehe auch Text unter dem Bild). Die beiden Frauen sind Isabel Calvo und Ursula Aellen. Sie sitzen bei einem Kaffee an einem langen Holztisch. Das Interieur sieht nicht aus wie ein Büro. So nennen es aber Calvo und Aellen.

 Es gibt ein schwarzes Sofa, einen Computer, eine Infowand mit diversen Flyern und eine Herdplatte. Darauf stehen heute Esswaren. "Die hat uns jemand vorbeigebracht", sagt Calvo. "Wir sind auf Spenden angewiesen", sagt sie. Kleider, Geld oder eben Lebensmittel - die kirchliche Gassenarbeit kann diese Dinge gut gebrauchen.

 Wichtige Vernetzung

 Erzählen die beiden Frauen aus ihrem Alltag, klingt er spannend und vielseitig. Das Büro hat jeweils am Dienstag und Donnerstag von 14 bis 16 Uhr offen. "Die Zeiten sind bewusst so gewählt", sagt Calvo, "am Nachmittag haben die Ämter offen." Das Stichwort Vernetzung fällt. Es ist wichtig bei der Gassenarbeit. Wenn sie wollen, werden die Menschen vernetzt - unter anderem mit Sozialämtern, Beratungsstellen oder den verschiedensten Institutionen.

 Die Dienstage sind ausschliesslich für die Frauen bestimmt; jeder zweite gilt dem Magazin Mascara. Dabei wählen die schreibenden Frauen die Themen selber und lassen ihren Gedanken freien Lauf. Die Texte werden weder korrigiert noch zensiert; sie erscheinen so, wie sie geschrieben wurden.

 Am Donnerstagnachmittag ist das Büro für alle offen. "Egal welcher Herkunft, welchen Alters, welcher Konfession oder aus welchem Umfeld", sagt Calvo. Sie hätten eine breite Klientel und ihr Angebot sei niederschwellig. Das heisst: Die Menschen müssen sich weder anmelden noch ausweisen. Hierher kommen sie laut Aellen aus verschiedenen Gründen. Ob sie nun den Computer nutzen, sich beraten lassen, etwas essen oder sich einfach austauschen wollen.

 Mund-zu-Mund-Propaganda

 Die Gassenarbeiterinnen unterstützen ihre Klienten und Klientinnen im Sinne der Hilfe zur Selbsthilfe. Je nach Situation zum Beispiel durch Hilfe bei Wohnungssuche, Bewerbungen, Aufzeigen von Therapiemöglichkeiten oder auch einfach zur Begleitung auf ein Amt. "Wir handeln stets im Auftrag der Leute", sagt Calvo. Nebst dem Büro ist das Team draussen aufsuchend auf der Gasse unterwegs. Sie seien an verschiedenen Orten präsent, sagt Aellen.

 "Unsere Arbeit richtet sich nach dem Ort ‹Gasse› und nicht spezifischen Klientengruppen." Auf der Strasse verteilen die Gassenarbeiter Präventionsmaterial, Infoflyer oder im Winter auch mal eine warme Mütze. Sprechen mit Prostituierten, Jugendlichen oder jenen, die ihren Lebensmittelpunkt auf der Gasse haben. Dabei gehen sie behutsam vor und immer im Bewusstsein, Gast im Lebensraum eines anderen zu sein. "Wir drängen uns nicht auf. Man kennt uns, nimmt uns an und durch Mund-zu-Mund-Propaganda spricht sich das Angebot herum", sagt Aellen. Viele bringen jemanden ins Büro mit, sagen, wo es sich befindet.

 Die drei Grundsätze

 Die kirchliche Gassenarbeit Bern arbeitet nach drei Grundsätzen. Als Erstes nennen sie die Akzeptanz: "Wir akzeptieren den Menschen, stellen keine Bedingungen an ihn und unterstützen ihn in seiner Situation", so Aellen. Dem Betroffenen wird kein gesellschaftliches Bild übergestülpt, ihm wird eine Hilfestellung gegeben.

 Auch Parteilichkeit ist ein Grundsatz. Die Gassenarbeiter handeln stets im Auftrag und Sinn ihrer Klienten. "Es passiert nur etwas, wenn es die Betroffenen selber wollen", sagt Aellen. Fachlich sei das sinnvoll und nachhaltig, erklärt Calvo. Sei jemand so weit, beispielsweise einen Drogenentzug zu machen, seien sie da und beraten und vernetzen diese Person. "Nur so haben die Menschen Vertrauen zu uns", sagt Calvo. Und Beziehungsarbeit ist die wichtigste Ausgangslage.

 Ein weiteres Stichwort ist die Niederschwelligkeit. Das Wort fällt öfter in der Diskussion mit den zwei Frauen. Gemeint ist die einfache, schwellen- und bedingungslose Erreichbarkeit des Angebotes.

 Zu wenig Schlafplätze

 In ihrer Arbeit sind die Gassenarbeiter häufig mit den Konsequenzen politischer Entscheide konfrontiert, etwa wenn Angebote fehlen oder die Schwelle dazu zu hoch ist. Besonders aktuell ist das Thema Notschlafstelle. Der "Sleeper" - von einem privaten Verein betrieben - leiste eine hervorragende Arbeit. Jedoch seien die 20 dort angebotenen Plätze einfach zu wenig.

 Die Forderung nach einer städtischen Notschlafstelle wird gestellt, die günstig und ohne Ausweispflicht selbst Hunde willkommen heisst. Vor allem jetzt im Winter ist es besonders hart, wenn die Leute keinen Schlafplatz haben. Ein Obdachloser ist für die Gassenarbeiterinnen nicht jemand, der dauernd auf der Strasse lebt, sondern jemand, der eben kein zu Hause hat.

 Ein anderes Leben auf der Gasse

 Der Wegweisungsartikel, das Bettelverbot und das Bahnhofreglement erschweren die Lebensumstände der Leute auf der Gasse zusätzlich. Früher seien die Menschen unten im warmen Bahnhof gewesen, hätten sich dort ausgetauscht. Zunehmende Repression soll die sichtbaren Probleme lösen. "Es gibt sie immer noch, die Gesellschaft muss sie nur weniger wahrnehmen", sagt Aellen.

 Das Gespräch mit Calvo und Aellen ist zu Ende. Tritt man aus der Garage, ist plötzlich klar, was für eine wichtige Arbeit die Leute drinnen leisten - für die Menschen, die Gesellschaft und für die Stadt Bern.

 Web: http://www.gassenarbeit-bern.ch

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 Kunz: "ein Kernanliegen der Kirche"

 "Die kirchliche Gassenarbeit ist nicht missionarisch tätig", sagt die Präsidentin des Vereins kirchliche Gassenarbeit Bern, die Roggwiler Pfarrerin Sandra Kunz. Im Vordergrund stehe der jesuanische Gedanke der bedingungslosen Nächstenliebe; zu helfen, ohne den Menschen zu fragen, wer er sei und was er dafür tun könne. Die kirchliche Gassenarbeit finanziert sich durch die Beiträge ihrer Vereinsmitglieder (dazu gehören die evangelisch-reformierte und die römisch-katholische Gesamtkirchgemeinde Bern), durch regelmässige Zuwendungen von diversen Kirchgemeinden und durch Spenden. Laut Sandra Kunz verfügt die kirchliche Gassenarbeit zurzeit über 160 Stellenprozente. Drei Gassenarbeiter, zwei Frauen und ein Mann, sind in Bern tätig. Diese Kombination ist wichtig im Zusammenhang mit der Frauenarbeit; diese macht einen grossen Teil der Tätigkeit aus."Mit der Gassenarbeit wird das Kernanliegen der Kirche sichtbar", sagt Pfarrerin Sandra Kunz. "Eine Kirche, die sich nicht um Randständige kümmert, verliert ihre Glaubwürdigkeit." (fwb)

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POLICE BE
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Bund 28.12.10

Polizei möchte auch Ausländer rekrutieren

 Auch niedergelassene Ausländer sollen die Polizeiuniform tragen dürfen. So steht es im Entwurf des revidierten Polizeigesetzes, der damit weiter geht, als es ein Vorstoss im Grossen Rat gefordert hatte. Die Junge SVP ist kategorisch dagegen.

 Anita Bachmann

 In Zukunft sollen auch Ausländer Polizisten werden können. So steht es zumindest in einem internen Entwurf der Kantonspolizei Bern. Im schnellstmöglichen Fall wäre das erstmals in zwei Jahren möglich, sagt Christian Brenzikofer, Chef Personalabteilung der Kantonspolizei. Vor gut einem Jahr schaffte sie als erstes Polizeikorps der Schweiz die Altersguillotine ab. Bis dahin galt das Höchstalter von 35 Jahren für den Eintritt in die Polizeischule. Nun soll allenfalls bei Bewerbern auch die Bedingung der Schweizer Staatsangehörigkeit wegfallen. Es gehe darum, die Möglichkeiten zur Rekrutierung des Polizeinachwuchses auszudehnen, sagt Brenzikofer. Die Voraussetzung eines Schweizer Bürgerrechts sei zudem möglicherweise nicht mehr zeitgemäss. Schon heute sind Ausnahmen möglich, etwa für wissenschaftliche Mitarbeiter oder Dolmetscher. Für den normalen Polizisten ist der Eintritt in den Polizeidienst aber nach wie vor an das Schweizer Bürgerrecht gebunden - nebst den erforderlichen geistigen, charakterlichen und körperlichen Voraussetzungen und einer abgeschlossenen polizeilichen Grundschulung.

 Rekrutierung bleibt schwierig

 Als Polizisten zugelassen werden könnten Ausländer mit dem Niederlassungsausweis C. Diesen erhalten Ausländer nach einem Aufenthalt von fünf oder zehn Jahren. "Das sind Leute mit einer gewissen Verbundenheit mit der Schweiz", sagt Brenzikofer. Es gehe nicht darum, im süddeutschen Raum Leute zu rekrutieren. Die Polizei könne sich mit der Änderung nicht grosse Zuströme an Nachwuchs erschliessen, möchte aber auch nicht auf die einzelnen zusätzlichen Polizisten verzichten. Denn die Rekrutierung sei schwieriger geworden, sagt Brenzikofer. Zwar seien für die laufenden und die nächste Polizeischule genug Leute rekrutiert worden, aber für den Ausbildungsbeginn im nächsten Herbst sehe es schwierig aus. Je besser die Wirtschaftslage, desto schwieriger ist es für den Staat, die Stellen zu besetzen. "Es gibt nicht wenige Bewerbungen", präzisiert der Personalchef, "es ist mehr eine Frage der Qualität". Derzeit werden 46 neue Polizistinnen und Polizisten ausgebildet. Rund 50 Aspiranten stehen für den Kurs bereit, der im Februar beginnt. Bei diesen Zahlen seien die Aufstockungstranchen der Kantonspolizei sowie die zusätzlichen Polizeistellen für die Stadt Bern bereits mitgerechnet.

 Das Ziel der Kantonspolizei, mehr Leute zu rekrutieren, werde mit dem Verzicht auf das Bürgerrecht nicht erreicht, schreibt die Junge SVP Kanton Bern als Reaktion auf einen Bericht in der "Berner Zeitung". Die Jungpartei lehnt Ausländer als Kantonspolizisten kategorisch ab. Noch nicht festlegen will sich der zuständige Regierungsrat Hans-Jürg Käser (FDP). "Ich werde den Entwurf prüfen, wenn er zu mir kommt", sagt er.

 Lumengo meinte es anders

 In einer Antwort auf einen Vorstoss hatte sich der Regierungsrat bereits 2007 bereit erklärt, zu prüfen, ob es notwendig sei, das Schweizer Bürgerrecht als Voraussetzung für die Aufnahme in die Polizeischule beizubehalten. Die Regierung beantwortete damit ein Postulat des damaligen Bieler SP-Grossrats Ricardo Lumengo. Dieser forderte den Kanton aber lediglich auf, die Aufnahme von Personen ausländischer Herkunft in der Kantonspolizei zu fördern. Das Postulat meine in seinem ursprünglichen Sinn etwas anderes, sagt Käser heute. Trotzdem wurde der Vorstoss vom Grossen Rat mit 73 zu 68 Stimmen in der Meinung überwiesen, dass der Kanton prüfe, ob Ausländer Polizisten werden könnten. Auch die Kantonspolizei bezieht sich auf dieses Postulat und hat im Sinne eines politischen Auftrags einen Gesetzesentwurf erarbeitet. Die Änderung müsste im Kantonspolizeigesetz vorgenommen werden, das revidierte Gesetz müsste Käser dann dem Grossen Rat vorlegen. Ob das Parlament, das inzwischen noch bürgerlicher geworden ist, einer Abschaffung zustimmt, ist fraglich. "Wenn sich die Politik dagegen entscheidet, fahren wir so weiter wie bisher", sagt Brenzikofer.

 Stellvertreter selbst bestimmen

 Der interne Entwurf der Kantonspolizei umfasst noch weitere Punkte des 15-jährigen Kantonspolizeigesetzes. Die Polizei möchte auch auf die Wohnsitzpflicht verzichten, wobei selbstverständlich die Einsatzbereitschaft gewährleistet bleiben müsse. Wer heute in Murten wohne, könne nur mit einer Ausnahmegenehmigung bei der Kantonspolizei Bern arbeiten, sagt Brenzikofer. Weiter möchte die Polizei die "zweite Führungsebene" selber besetzen. Gemäss geltenden Vorschriften muss der Regierungsrat den Kommandanten, dessen Stellvertreter und die Abteilungsvorsteher ernennen. Letztere soll nach Wunsch der Polizei künftig der Kommandant selber auswählen dürfen.

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MIGRATION BE
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gr.be.ch 22.12.10

Illegale Einwanderung im Kanton Bern

Geschäfts-Nr.:      2010-9317
Geschäftstyp:     Interpellation 120-2010
Eingereicht durch:     Guggisberg Lars, SVP, Ittigen
Federführung:     POM Polizei- und Militärdirektion
Geschäft eröffnet am:     10.08.2010
http://www.gr.be.ch/etc/designs/gr/media.cdwsbinary.acq/394259ebc4594d5fb8d875d6e14139a5-332/4/PDF/2010-9317-Vorstossantwort-D-33646.pdf

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NOTHILFE
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Bund 29.12.10

Meiringen wehrt sich gegen Asylzentrum

 Der Gemeinderat von Meiringen verlangt vom Regierungsrat die Schliessung des sogenannten Sachabgabezentrums auf dem Brünigpass. Dies, nachdem die Berner Kantonspolizei in einer Razzia Drogen im Wert von mehreren Tausend Franken sowie Bargeld in ebendieser Höhe beschlagnahmt hat. Der Standort an gut erschlossener Lage sei ungeeignet für ein Asylzentrum, kritisiert die Gemeinde.(gum) - Seite 19

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Brünig: Gemeinde will Casa Alpina nicht mehr

 Der Gemeinderat von Meiringen fordert den Regierungsrat in einem Schreiben auf, das Sachabgabezentrum auf dem Brünig zu schliessen.

 Mireille Guggenbühler

 Es war acht Uhr morgens, als die Polizei am 14. Dezember im Sachabgabezentrum Casa Alpina auf dem Brünigpass den dort anwesenden Männern - abgewiesenen Asylbewerbern - Handschellen anlegte und ihnen die Sicht mit einer Schlafmaske verdeckte. Die Polizisten wollten im Haus eine Kontrolle durchführen, weil aufgrund verschiedener Hinweise und Ermittlungen davon ausgegangen werden musste, dass ein Teil der Bewohner mit Betäubungsmitteln handelt. Im Einsatz standen auch Polizisten der Sondereinheit Enzian, um die Sicherheit der anderen Polizisten und der Bewohner zu gewährleisten. Gefunden hat die Polizei unter anderem Kokain im Verkaufswert von 18 000 Franken, Streckmittel sowie mehrere Tausend Franken Bargeld. Sechs Personen wurden anschliessend dem Migrationsdienst des Kantons zugeführt und in Ausschaffungshaft versetzt. All das geht aus einer Stellungnahme der Kantonspolizei hervor, nachdem ihr Einsatz im Sachabgabezentrum Brünig vom Bleiberechtkollektiv Bern gerügt worden war.Es ist nicht das erste Mal, dass im Sachabgabezentrum Casa Alpina Betäubungsmittel sichergestellt worden sind.

 Nun hat der Gemeinderat von Meiringen genug, wie er mitteilt: Er fordert die sofortige Schliessung des Sachabgabezentrums und hat dies in einem Schreiben dem zuständigen Regierungsrat Hans-Jürg Käser mitgeteilt. Hans Knüsel, stellvertretender Leiter des Amts für Migration und Personenstand, bestätigt den Eingang des Briefs.

 Weniger abgelegen als gedacht

 Die Gemeinde Meiringen zeigte sich von Anfang an nicht begeistert vom Standort des Sachabgabezentrums - einem von insgesamt drei im Kanton. Gewählt worden sei der Standort vom Kanton, weil er geografisch als abgelegen gelte, sagt Gemeindepräsidentin Susanne Huber (SVP). Dies stimme indes nur bedingt: "Verkehrstechnisch ist der Brünigpass sehr gut erschlossen." Ergo sei es nicht schwer, auf dem Pass einen Drogenhandel abzuwickeln. "Wenn hier oben jemand mit dem Auto rasch anhält, fällt dies unter den vielen Touristen nicht weiter auf." Huber zweifelt zudem daran, dass die zuständigen Zentrumsverantwortlichen sich mit der "nötigen Vehemenz für Ordnung einsetzen". Sowohl von der für die Betreuung im Zentrum zuständigen Firma Asyl Region Biel sowie im Zentrum selber war gestern niemand erreichbar.

 Ob der Regierungsrat der Forderung aus Meiringen nachkommen wird, ist noch unklar. "Zurzeit wird die Situation analysiert. Für weitere Ausführungen ist der Zeitpunkt noch verfrüht. Sind alle nötigen Abklärungen gemacht, kann das Schreiben des Gemeinderats beantwortet werden", hält Hans Knüsel gegenüber dem "Bund" fest.

 Wie sich der Gemeinderat verhalten wird, sollte der Regierungsrat die Schliessung ablehnen, ist für Susanne Huber noch nicht klar. "Was wir ganz sicher fordern werden, sind regelmässigere Polizeikontrollen sowie strengere Verhältnisse im Zentrum selber."

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BZ 29.12.10

Gemeinde will Zentrum schliessen

 Meiringen. Das Sachabgabezentrum für Asylbewerber liege auf dem Brünig zu zentral, findet der Gemeinderat von Meiringen.

 Wie vor einigen Tagen bereits angekündigt, verlangt der Gemeinderat von Meiringen weiterhin die Schliessung des Sachabgabezentrums Casa Alpina auf dem Brünig. Anlässlich einer Polizeiaktion waren dort Mitte Dezember 40 Personen kontrolliert worden, wovon 13 Personen wegen Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz und das Ausländergesetz zur Anzeige gebracht wurden.

 "Aufgrund der nun öffentlich bekannt gewordenen Ergebnisse hat der Gemeinderat beschlossen, beim zuständigen Regierungsrat Hans-Jürg Käser die umgehende Schliessung des Sachabgabezentrums auf dem Brünig zu fordern", teilte der Gemeinderat gestern mit. Er sei nicht bereit, die Institution an dieser zentralen und ungeeigneten Lage weiterhin zu dulden. Weil der Standort verkehrsmässig sehr gut erschlossen und gleichzeitig das Tor zur Tourismusregion ist, haben sich die Gemeinden Meiringen und Hasliberg bereits vor der Eröffnung vehement gegen das Sachabgabezentrum auf dem Brünigpass gewehrt und auf den aus ihrer Sicht ungünstigen Standort hingewiesen.
 Pd

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20 Minuten 29.12.10

Meiringer Protest gegen Asylzentrum

 MEIRINGEN. Mit einer Protestnote hauen die Meiringer bei der kantonalen Polizeidirektion auf den Tisch: "Das Asylzentrum Brünig muss schnellstmöglich geschlossen werden", fordert Gemeindepräsidentin Susanne Huber. Schon seit längerem müsse man davon ausgehen, dass im Zentrum Drogenhandel im grossen Stil betrieben werde. "Der Brünig ist das Tor zu unserer Tourismusregion, wir können nicht dulden, dass dort solche Zustände herrschen." Die Meiringer Gemeindevertreter werden sich deshalb mit Regierungsrat Hans-Jürg Käser treffen und nach Lösungen suchen.

 Mitte Dezember hatte eine Sondereinheit der Kapo das Asylzentrum gestürmt (20 Minuten berichtete). Bei der Razzia fand sie Betäubungs- und Streckmittel. Von den insgesamt 40 kontrollierten Bewohnern wurden 13 angezeigt und sechs weitere in Ausschaffungshaft genommen. m  Ar

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bernerzeitung.ch 28.12.10

Gemeinde fordert Schliessung des Asylzentrums "Casa Alpina"

sda / vh

 Der Meiringer Gemeinderat fordert den kantonalen Polizei- und Militärdirektor Hans-Jürg Käser auf, das Asylzentrum auf dem Brünigpass zu schliessen.

 Das Zentrum, in dem die Polizei Mitte Dezember eine Razzia durchführte, sei an diesem Standort ungeeignet.

 Das sogenannte Sachabgabezentrum Casa Alpina liege an einer zentralen und verkehrsmässig gut erschlossenen Lage, die das Tor zur Tourismusregion Meiringen-Hasliberg darstelle, schreibt der Meiringer Gemeinderat in einer Mitteilung vom Dienstag.

 Institution wird nicht mehr geduldet

 Deshalb hätten sich die beiden Gemeinden Meiringen und Hasliberg schon vor der Eröffnung "vehement" gegen das Asylzentrum auf dem Brünigpass gewehrt. Nach den Ergebnissen der Razzia von Mitte Dezember sei der Gemeinderat nicht bereit, diese Institution dort weiter zu dulden.

 Die Kantonspolizei Bern kontrollierte bei der Razzia 40 Personen und verzeigte danach 13 wegen Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittel- und das Ausländergesetz. Sechs weitere Personen wurden in Ausschaffungshaft genommen. Ausserdem ging der Polizei eine zur Verhaftung ausgeschriebene Person ins Netz. Sie wurde inhaftiert.

 Im Sachabgabezentrum werden abgewiesene Asylsuchende aufgenommen. Sie erhalten dort vorübergehend Nothilfe.

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OBDACHLOS
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Telebärn 28.12.10

Obdachlose in der Kälte
http://www.kyte.tv/ch/telebaern/obdachlose-in-der-kalte/c=84713&s=1118977

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NLZ 28.12.10

Einige nächtigen draussen - trotz Kälte

 Obdachlose

Jan Flückiger

 Die klirrende Kälte macht den Obdachlosen zu schaffen. Trotzdem übernachten nicht alle in der Notschlafstelle.

 Weisse Weihnachten und die eisige Kälte haben auch eine Schattenseite. Insbesondere den Obdachlosen macht die Kälte zu schaffen. In der Nacht auf Montag erreichte das Thermometer in Luzern Tiefstwerte von minus 10 Grad.

 Trotz dieser eisigen Kälte verzeichnete die Notschlafstelle in Luzern letzte Woche pro Nacht im Schnitt nur sieben Übernachtungen. Selbst im wärmeren Oktober war der Monatsschnitt mit 14 Übernachtungen höher. Platz hätte es notfalls für 18 Leute. Das sagt Peter Erdösi, Leiter Sozialamt Stadt Luzern und Vorstandsmitglied des Vereins Jobdach, welcher die Notschlafstelle betreut, auf Anfrage.

 Ihn überraschen diese Zahlen nicht: "Über die Feiertage organisieren sich viele der Betroffenen privat", sagt Erdösi. Anscheinend sei es für die Obdachlosen einfacher, in dieser Zeit bei Freunden oder Verwandten Unterschlupf zu finden. Selbst bei einer höheren Nachfrage nach Schlafplätzen wäre die Stadt aber vorbereitet. "Das Sozialamt und der Verein Jobdach hätten einen Notfallplan in der Schublade", so Erdösi.

 30 bis 40 Leute ohne Wohnsitz

 Wie viele Leute von der Obdachlosigkeit betroffen sind, hängt von der Definition des Begriffes ab. Fridolin Wyss, Geschäftsführer des Vereins Gassenarbeit, der auch die Gassenküche betreut, geht von etwa 30 bis 40 Leuten aus, die keinen festen Wohnsitz haben.

 Die meisten von diesen seien aber nicht obdachlos im engeren Sinne. Sie würden bei Bekannten und Verwandten oder in der Notschlafstelle schlafen. Es gebe aber jedes Jahr etwa drei oder vier Leute, die nicht von den Angeboten der Stadt Gebrauch machten und selbst bei diesen Temperaturen draussen übernachteten.

 Schlafen auf der Spreuerbrücke

 So hatte auch in der kalten Nacht auf gestern ein Passant beobachtet, wie ein Obdachloser auf der Spreuerbrücke nächtigte. Der Luzerner Polizei sind bisher aber keine Vorfälle bekannt, dass jemand während der letzten Tage vor dem Erfrieren gerettet werden musste. Trotzdem sollte man als Passant wachsam sein (siehe Kasten).

 Die Spezialtruppe SIP wirft während der kalten Tage ein spezielles Auge auf die Obdachlosen. "Es sind in Luzern dieselben Leute wie jedes Jahr, die draussen übernachten", sagt Bereichsleiter Anton Häfliger. Sie seien das aber gewohnt und würden im Notfall irgendwo unterkommen. Neu seien dieses Jahr ein paar Roma hinzugekommen, aber auch sie hätten Orte, wo sie übernachten könnten.

 Jan Flückiger

 jan.flueckiger@luzernerzeitung.ch

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 So können Sie helfen

 Kälte flj. Wenn es draussen sehr kalt ist, wie dies in den letzten Nächten der Fall war, kann es für obdachlose Personen kritisch werden. Weil auf der Strasse lebende Personen häufig unter dem Einfluss von Alkohol und Drogen stehen, spüren sie allenfalls nicht oder zu spät, dass die Kälte zur Bedrohung wird.

 Zuerst ansprechen

 Um obdachlose Personen vor dem Erfrierungstod zu bewahren, sollten Passanten die Augen vor der Situation nicht verschliessen. Wenn man eine bedürftige Person draussen findet, sollte man darum zunächst abklären, ob diese auch abgeholt werden möchte. Ist die Person nicht mehr ansprechbar, sollte der Notfall (144) oder die Polizei (117) gerufen werden.

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Limmattaler Tagblatt 28.12.10

Für die Nacht ein Dach, ein Bett, ein Znacht

 Wohnen in Zürich (3) So schläft es sich als Obdachloser im Pfuusbus

Sarah Jäggi

 Eine gelbe Lichterkette und vier Sterne beleuchten dieser Tage den Pfuusbus von Pfarrer Sieber und verbreiten weihnachtlichen Charme. Im Innern der Notschlafstelle geht es zu und her wie in anderen Wohnungen, wenn auch ein wenig ausgeprägter: Man begrüsst sich laut, umarmt sich heftig, wenn der eine von einem langen Tag nach Hause kommt. Man wünscht sich überschwänglich "guten Appetit", bevor man sich über die Käseschnitten mit Salat beugt. Man nimmt viermal einen Apfel aus dem Korb, dreht und wendet und reibt und legt ihn zurück in den Korb, bevor man den fünften für richtig befindet und in ihn hineinbeisst. Man sagt rasch mal "Arschloch, ich mache dich kaputt", etwa dann, wenn der eine dem anderen die Wolldecke nimmt, die der andere schon für sich auf der Matratze bereitgelegt hat. Man lacht Tränen wegen eines ulkigen Plastikhundes oder wenn man erzählt, wie es kam, dass man obdachlos ist.

 "Keinen Job, einen Hund, keine Wohnung"

 Zum Beispiel Walti, 59. Im Sommer schläft er auf der Strasse, am See, in Tiefgaragen, im Winter im Pfuusbus. Jetzt stochert er im Abendessen, das ab 19.30Uhr bis 23.30Uhr serviert wird, neben ihm steht ein Blumentopf mit einem Weihnachtsstern, hinter ihm sitzt ein Hund. Es ist seine Hündin, "eine gute, eine feine", wie er mit zärtlicher Stimme sagt. Er nennt sie "du Huere", das Futter kauft er im Spezialgeschäft. Gefragt, seit wann er obdachlos sei, sagt Walti: "Lange. Wie lange, weiss ich nicht." Das Warum ist klar: "Keinen Job, einen Hund, keine Wohnung." Später berichtet er von Früher. Von einem Leben voller Erfolge, von Geld, New York, einem Studium in Geologie, der Edelsteinkunde, von Kickboxen. Er erzählt von Kokain, von der Arbeit als Akkordmaurer, von Aufenthalten in der Psychiatrie, von Verlusten und für immer Verlorenem und dass heute der Pfuusbus sein Daheim und die Bewohner seine Familie seien.

 Nicht-Zürcher, Hundehalter, Unruhestifter

 Der Pfuusbus ist eine Notschlafstelle, untergebracht in einem 17Meter langen Sattelschlepper, der seit acht Jahren beim Albisgütli in Zürich steht. Während der Wintermonate bieten er und die Freiwilligen, die dort kochen oder als Hüttenwarte arbeiten, Randständigen ein Dach für die Nacht. Getragen wird er von Spenden und der Stiftung Sozialwerke Pfarrer Sieber. Zwölf Pritschen im hinteren Teil des Sattelschleppers und ein Stapel Matratzen, die im Vorzelt ausgelegt werden können, bieten Platz für gut 30Personen.

 Letzte Saison wurden über 2000 Besucher und Besucherinnen und 3600Übernachtungen gezählt, die Bewohnerschaft war zwischen 20 und 74Jahre alt, acht von zehn waren Männer. Männer, die in der städtischen Notschlafstelle nicht unterkommen, weil sie keine Stadtzürcher sind, als Hundebesitzer dort keinen Zutritt haben oder weil ihnen ein Verbot auferlegt wurde, weil sie sich nicht an die dortigen Regeln gehalten haben. Seit die Notschlafstelle "Nachtliecht" in Urdorf geschlossen wurde, ist der Pfuusbus neben der Notschlafstelle der Heilsarmee das einzige Angebot im Kanton, das allen Obdachlosen offen steht. Um Engpässe zu vermeiden, dürfen seit Beginn des Winters ausländische Obdachlose - häufig Leute, die auf der Suche nach Arbeit in Zürich stranden - nicht länger als drei Nächte im Pfuusbus verbringen. Dass auch der Pfuusbus Regeln und viel Ordnung braucht, zeigen die Schlösser, die an Schränken und Türen hängen, die Tassen, die, so verschieden sie auch sind, höchst ordentlich im Regal stehen und die Hausordnung, die sagt, was verboten ist: Drogen, Alkohol, Rauchen, Gewalt. Wer dagegen verstösst, gefährdet das Projekt und wird ausgeschlossen.

 "Der Pfarrer hats erlaubt"

 Eine Referenz und omnipräsent, so scheint es, auch wenn er nicht da ist an diesem Abend, ist auch Pfarrer Ernst Sieber. Das wird dann klar, als die Stimmung, die ansonsten still, beinahe andächtig ist, kurz aufgeregt wird, jemand aufspringt, weil er meint, fotografiert worden zu sein, und um sich zu schlagen beginnt. Sofort sind drei, vier Bewohner und Freiwillige zur Stelle, halten den Mann zurück, reden auf ihn ein. Beruhigung bringen schliesslich die Worte: "Der Pfarrer hats erlaubt, dass hier fotografiert wird."

 Bald kehrt wieder Ruhe ein, die Ersten legen sich schlafen, die Letzten kommen erst, holen sich ihr Abendessen. Um Mitternacht dann Nachtruhe, Frühstück ab 6.30Uhr. Bis spätestens neun Uhr morgens müssen alle Bewohner den Bus verlassen haben samt ihrem Hab und Gut. Eine Tasche hier, ein Rucksack dort, ein elegant gekleideter Bewohner hat einen Rollkoffer dabei, Walti nichts als zwei Papiertaschen. Darin ein paar Dosen mit Hundefutter und ein Buch, 748Seiten stark, mit allem drin, "was der Hundefreund über seinen vierbeinigen Kameraden wissen muss".

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 Serie "Wohnen in Zürich"

 Der Zürcher Wohnungsmarkt ist notorisch ausgetrocknet. Die Nachfrage übersteigt das Angebot bei weitem. Das verändert das soziale Gefüge der Stadt und strahlt auch auf deren Umgebung aus. In einer sechsteiligen Serie beleuchten wir Zürichs Wohnlage aus verschiedenen Perspektiven. Heute: Obdachlose im Pfuusbus. Ebenfalls zu Wort kommen Gutsituierte, eine kinderreiche Familie, Senioren in einer Alters-WG und Bewohner des Unispital-Personalhauses. Zum Auftakt erschien am 24.12. eine Tour d'horizon mit Peter Schmid, Präsident des Dachverbands der gemeinnützigen Wohnbaugenossenschaften der Region Zürich und Präsident der Allgemeinen Baugenossenschaft Zürich (ABZ). (mts)

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Basler Zeitung 28.12.10

Eine warme Stube für alle

 Bei den eisigen Temperaturen herrscht im Tageshaus für Obdachlose Hochbetrieb

 Muriel Gnehm , Dina Sambar

 Festtage sind eine harte Zeit für Randständige. An der Wallstrasse 16 können sie sich aufwärmen. Mit einer Mahlzeit und in der Gesellschaft anderer.

 "Oh Mann, war das kalt diese Nacht", sagt Markus Elhadi und hängt seine Jacke in der Fernsehecke des "Tageshauses für Obdachlose ‹Wallstrasse›" an einen Haken. Der 53-Jährige wirkt auf den ersten Blick aufgeräumt, doch er hat eine "Horror-Nacht" hinter sich, wie er selber sagt.

 Markus Elhadi, der in Basel jahrelang als Taxifahrer gearbeitet hat, ist seit sechs Jahren obdachlos und schläft draus-sen. Sein Bett sind Kartons, Zeitungen und zwei Schlafsäcke. Bei Temperaturen über null Grad sei dies kein Problem, doch bei Minustemperaturen halte er die Kälte kaum aus: "Heute Nacht ist auch noch mein Schlafsack kaputt gegangen und da habe ich richtig Panik bekommen." Zudem wurden ihm letzte Woche seine Jacke und die Handschuhe gestohlen. Nach sechs Jahren als Obdachloser hat Markus Elhadi genug vom Leben auf der Strasse: "Ich wünsche mir schon lange ein Dach über dem Kopf. Doch für Leute wie mich ist es nicht einfach, eine Wohnung zu bekommen."

 Im gut geheizten Aufenthaltsraum des Tageshauses kann er sich aufwärmen. Wie so viele, die in der Notschlafstelle oder draussen übernachtet haben und sich irgendwo den Tag vertreiben müssen.

 Traditionen

An den Feiertagen ist das Obdachlosenheim sehr gut besucht: "In dieser Zeit suchen die Menschen Nähe und Kontakt zu anderen", sagt die Tageshaus-Mitarbeiterin Erika Scherrer. Und bei diesen eisigen Temperaturen natürlich auch Wärme. "Normalerweise tröpfeln die Leute langsam herein. Ist es aber so kalt wie in der letzten Nacht, stehen sie bereits vor zehn Uhr vor der Türe und warten auf uns."

 Es riecht nach Essen. Geschnetzeltes und Teigwaren stehen auf dem Speiseplan. Eine Frau mit Pferdeschwanz, die in ihrem dicken Wollpullover praktisch versinkt, holt sich einen Teller des Gerichts. Mit Weihnachtsschmuck verzierte Girlanden aus Tannenzweigen hängen über den Tischen. "Unsere Besucher legen viel Wert auf Traditionen", sagt Scherrer. Die Weihnachtsdekoration haben sich die Randständigen gewünscht. Allerdings musste Scherrer sie selber basteln: "Sich mit unseren Besuchern um eine bestimmte Zeit zu verabreden, ist schwierig."

 Im Zentrum des Aufenthaltsraumes steht ein Billardtisch, auf einem Abstelltisch liegen Pflaumen, Orangen und Äpfel. In einer Ecke läuft ein Flachbildfernseher. Davor sitzt Dominik. Der 42-Jährige ist heilfroh, dass er seine Zeit tagsüber im Warmen verbringen kann. Der gelernte Elektromonteur steht seit einem Monat auf der Strasse. Wegen Geld- und Drogenproblemen musste er aus seiner Wohnung raus. Obwohl er die Nächte in der Notschlafstelle verbringt, haben Schnee und Kälte für ihn eine neue Dimension erhalten: "Früher bin ich auch mit meinem Göttibueb schlitteln gegangen. Jetzt ist diese Jahreszeit für mich nur noch kalt und unangenehm."

 Ähnlich ergeht es wohl den anderen. Sie sitzen an den Tischen, nippen mit leerem Blick an einem Kaffee, ein Mann im EHC-Biel-Trikot blättert in einer Zeitung. Er ist 41 Jahre alt und Stammgast an der Wallstrasse. Im Alter von 17 Jahren hatte er einen schweren Unfall, lag einige Tage im Koma und monatelang in Rehabilitationskliniken. Die Lehre musste er abbrechen, den Einstieg ins Berufsleben fand er nicht mehr.

 Halbtagsjob

Heute lebt er in einer einfachen Wohnung, steht jeden Tag um 5.15 Uhr auf, schaut sich im Fernsehen Nachrichtenmagazine an und liest als gebürtiger Bieler das "Bieler Tagblatt". Der Vater zweier Kinder, zu denen er keinen Kontakt mehr hat, hätte gerne einen Halbtagsjob: "Als IV-Bezüger ist es sehr schwierig, einen solchen zu finden."

 Während der Essenszeit darf drinnen nicht geraucht werden. Deshalb - und weil sie hier weniger unter Beobachtung stehen - zieht es einige zurück in die Kälte. Im Hinterhof sind Alkohol und Zigaretten erlaubt, das Kiffen wird toleriert. Und auch die Hunde, die ständigen Begleiter mancher Obdachlosen, fühlen sich hier wohl.

 Wenn das Tageshaus um 17 Uhr schliesst, pilgern die meisten Besucher ins Soup & Chill beim Bahnhof SBB weiter und später zur Notschlafstelle. Weil Markus Elhadi dort keine Ruhe findet, wird er wohl auch diese Nacht im Freien verbringen. Die eisige Kälte wird ihn vermutlich wiederum wach halten.

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RUHE & ORDNUNG
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NLZ 29.12.10

Stadt Zug soll selber für Ordnung sorgen

 Sicherheit

Yvonne Anliker

 Die Alternativen wollen die Ordnung in Zug verbessern. Und nehmen sich Luzern zum Vorbild.

 Die Fraktion Alternative-CSP im Grossen Gemeinderat der Stadt Zug (GGR) fordert in einem Postulat, die Einführung eines städtischen Ordnungsdienstes zu prüfen - ähnlich dem Luzerner Modell (siehe Kasten). Wie kommt es dazu? Dieses Jahr liess die Stadt Zug einen Sicherheitsbericht erstellen. Dessen Fazit: Zug ist sicher. Trotzdem sah der Stadtrat Handlungsbedarf und verlangte unter anderem mehr Geld, um den Einsatz von privaten Sicherheitsdiensten wie beispielsweise Securitas ausbauen zu können; zur Stärkung der Prävention, der Ruhe und Ordnung. Der GGR stimmte dem zu. Bereits damals kam die Fraktion Alternative-CSP auf einen städtischen Ordnungsdienst zu sprechen, der ihrer Meinung nach dem Polizeiamt unterstellt werden könnte.

 Noch unklarer Aufgabenbereich

 "Die Aufrechterhaltung der Ordnung ist Aufgabe des Staates, nicht von Privaten", begründet Alternative-Gemeinderätin Astrid Estermann das Postulat. Wie genau der Aufgabenbereich des neuen Dienstes aussehen soll, hat die Fraktion jedoch nicht definiert. Der Vorstoss kommt so oder so nicht gut an. "Wir wollen keine zusätzlichen Verwaltungsangestellten in der Stadt - eine flexible Lösung ohne mehr Stadtangestellte ist gefragt", sagt FDP-Fraktionschef Karl Kobelt. Die Stadt soll also private Kräfte situativ einsetzen. "Diese sorgen für Ruhe und Ordnung und haben vor allem präventive Aufgaben ohne polizeiliche Gewalt." Doch CVP-Fraktionschef Hugo Halter ist von ebendiesen Einsätzen privater Sicherheitsdienste nicht überzeugt. Er lehnt aber auch einen städtischen Ordnungsdienst ab, fordert vielmehr den vermehrten Einbezug von Sicherheitsassistenten (SiAss) der Zuger Polizei. "Weil diese über polizeihoheitliche Kompetenzen verfügen", so der Vizekommandant der Zuger Polizei. Hier setzt auch SVP-Fraktionschef Manfred Pircher an: Er wünscht sich ebenfalls mehr SiAss. "Es geht uns vor allem um die Sicherheit." Gegen die SiAss aber wehrt sich der Stadtrat. Weil eben die polizeiliche Sicherheit der Kanton gewährleisten müsse, dieser also gefordert sei, mehr Patrouillen für die Stadt zur Verfügung zu stellen, heisst es immer wieder. Für SP-Fraktionschef Urs Bertschi wiederum ist diese Unterscheidung zwischen Sicherheit sowie Ruhe und Ordnung "viel zu akademisch, eine Abgrenzung ist doch schwierig" ... Eine weitere heftige Diskussion zum Thema ist dank des Postulats also garantiert.

 Yvonne Anliker

 yvonne.anliker@zugerzeitung.ch

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 Projekte in Luzern und Uri

SIP

 red. Das Projekt SIP (Sicherheit, Intervention, Prävention) gibt es in der Stadt Luzern seit 2005. Anfänglich als Pilotversuch gestartet, wurde das Projekt im Sommer 2008 vom Stadtparlament definitiv eingeführt. Aufgabe der SIP-Mitarbeiter ist es, in der Stadt zu patrouillieren und Konflikte - meist mit Jugendlichen - ohne Polizeieinsatz beizulegen. Mit dem Sparpaket 2011 wird die Präsenz der SIP eingeschränkt. Das Budget von 900 000 Franken wird um 150 000 Franken reduziert.

 Angelehnt an das Stadtluzerner Projekt, gibt es im Kanton Uri seit gut zwei Jahren das Projekt TIP (Toleranz, Intervention und Prävention). Seitdem sind zwei soziokulturelle Animatoren auf den Strassen von 14 Gemeinden unterwegs und arbeiten mit Jugendlichen, bieten Hilfe an, weisen auf Regelverstösse hin und vermitteln Fachstellen. Die Urner Regierung hat im April für 2011 bis 2013 jährlich 65 000 Franken an die Weiterführung des Projekts gesprochen.

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DROGEN
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Basler Zeitung 30.12.10

Die importierte Drogensucht

 Georgier kommen oft heroinabhängig in die Schweiz

 Mischa Hauswirth

 Rund 50 Prozent der Asylsuchenden aus Georgien sind drogensüchtig. Diese Entwicklung hat Behörden und Flüchtlingsorganisationen aufgeschreckt. Eine Untersuchung der Internationalen Organisation für Migration in Bern (IOM) soll erklären, warum es in dieser Bevölkerungsgruppe so viele Süchtige gibt.

 Bereits 2007 häuften sich die Meldungen: Mitarbeiter der Asylzentren berichteten von der desolaten gesundheitlichen Verfassung, in der sich georgische Asylsuchende befanden. Viele kamen heroinsüchtig und krank in die Schweiz. Betroffen waren vor allem junge Männer. 2008 lebten offiziell 1033 Georgierinnen und Georgier in der Schweiz. Von den 481 mit Asylstatus waren 222 drogensüchtig, also knapp die Hälfte. Tendenz steigend.

 Das Bundesamt für Migration (BFM) stuft die Lage inzwischen als so prekär ein, dass es in Georgien ein Projekt zur Heilung von Drogenkranken zu finanzieren begann, um das Drogenelend bereits im Herkunftsland zu tilgen. Ausserdem wollten die Schweizer Behörden Klarheit darüber, warum in der Schweiz so viele georgische Asylsuchende ein Drogenproblem haben.

 Aufklärung. Die Internationale Organisation für Migration (IOM) untersuchte dieses Phänomen. In ihrer Studie "Drug use among Asylum-Seekers from Georgia in Switzerland" kommt die Autorin Tanja Brombacher zum Schluss, dass vor allem die Unzufriedenheit, Arbeitslosigkeit und das schwierige Umfeld Asylsuchende aus Georgien noch mehr dazu antreibt, Drogen zu konsumieren. Auch Gruppenzwang könne mit ein Grund für eine Zunahme des Drogenkonsums in der Schweiz sein.

 Meist würden sie harte Drogen wie Heroin und Kokain konsumieren, hält die Studie fest. Aber auch weiche Drogen wie Cannabis und Alkohol seien weit verbreitet. In der Studie steht: "Alleinstehende Georgier zwischen 20 und 30 Jahren sind Drogenkonsumenten." Zudem leiden diese Asylsuchenden oft noch an Hepatitis C.

 Gemäss den Schweizer Polizeien sind georgische Asylanten eine der verbreitetsten Migrationsgruppen in der Drogenszene. Peter Gill, Mediensprecher der Staatsanwaltschaft Basel-Stadt, bestätigt diese Feststellung: "Uns ist bekannt, dass Georgier, die im Bässlergut wohnen, in den Gassenzimmern der Stadt verkehren." Interessant dabei: Georgier fallen lediglich als Drogenkonsumenten auf, nicht aber als Dealer.

 Die Studie der IOM zeigt ausserdem: Drogen sind in Asylzentren generell weit verbreitet. Übermässiger Alkoholkonsum ist zudem ein ständiges Thema. Mitarbeiter von Asylzentren schätzen, dass durchschnittlich zwanzig Prozent aller Asylanten verbotene Substanzen konsumieren. In einzelnen Zentren kann diese Zahl bis zu 80 Prozent betragen. Welche Zentren besonders betroffen sind, kann oder will das Bundesamt für Migration nicht beantworten. Mediensprecher Rolf Götschmann weist vor allem auf "Zwischenfälle wegen Alkoholkonsum" hin.

 Maroder Osten. Seit dem Kollaps der Sowjetunion und der Unabhängigkeit des Staates am Schwarzen Meer kam es im Zuge der sozialen und wirtschaftlichen Probleme zu einem massiven Anstieg des illegalen Drogenkonsums. In dem kleinen Land mit rund 4,4 Millionen Einwohnern nehmen 200 000 Personen Drogen, wovon 80 000 als problematische Drogenabhängige gelten. Auf der Suche nach einem besseren Leben gelangen junge georgische Männer meist über die gleichen Routen nach Westeuropa wie das Heroin. Einer der Wege führt über Polen nach Deutschland. Der andere über Griechenland und Bulgarien.

 Wo Drogen sind, ist auch die organisierte Kriminalität. Georgische Mafia-Banden gelten international als brutal. Den europäischen Ermittlern ist bekannt, dass die Kaukasus-Mafia ihre Mitglieder - genannt "Soldaten" - mit Drogen befehlsempfänglich macht. Die Fahnder richten ihre Aufmerksamkeit deshalb besonders auf die Machenschaften von Kaukasiern.

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Bund 30.12.10

Biel bleibt im Fokus der Drogenfahnder

 Seit zwei Jahren führt die Polizei gezielte Aktionen gegen den Drogenhandel in Biel durch. 2010 wurden über 200 Anzeigen erstattet.

 Anita Bachmann

 In Biel bekämpfte die Kantonspolizei mit gezielten Aktionen übers laufende Jahr den Drogenhandel. Über 200 Anzeigen gegen rund 150 Personen wurden erstattet, teilt die Polizei mit. 90 Personen wurden wegen Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz und ebenso viele Personen wegen Wiederhandlungen gegen das Ausländergesetz angezeigt. 20 Personen wurden in Ausschaffungshaft und 32 Personen in Untersuchungshaft gesetzt. Bei den Aktionen stellte die Polizei sieben Kilogramm Cannabis, fünf Kilogramm Kokain, 1900 Hanfpflanzen, 400 Gramm Heroin und 115   000 Franken Bargeld sicher. Ins Gewicht fällt vor allem das beschlagnahmte Kokain mit einem Wert von über einer halben Million Franken, das Cannabis entspricht auf dem Schwarzmarkt einem Handelswert von 35   000 Franken.

 Eine ähnliche Bilanz zog die Kantonspolizei bereits vor gut einem Jahr für 2009: Über 200 Personen wurden angezeigt, 29 wurden verhaftet, und es wurden rund 18 Kilogramm harte und weiche Drogen sichergestellt. Es handle sich beim Kampf gegen den Drogenhandel in Biel um eine längerfristige Aktion, sagt Polizeisprecherin Daniela Sigrist. Die polizeilichen Aktionen würden auch im kommenden Jahr fortgesetzt. Die Einsätze beschränkten sich in den letzten beiden Jahren nicht auf den öffentlichen Raum, sondern fanden auch in Wohnungen, Hotels und Bars statt.

 Gezielte Aktionen auch in Bern

 Die zur Anzeige gebrachten Personen stammten mehrheitlich aus afrikanischen Ländern, heisst es in der Mitteilung der Polizei. Genauer präzisieren wollte die Polizei die Nationalitäten der mutmasslichen Drogenhändler nicht. Biel spielt innerhalb des Kantons Bern eine besondere Rolle im Drogenhandel. Aufgeflogene Kokainhändler, die sich vor gut einem Jahr in Biel vor Gericht verantworten mussten, zeigten auf, dass Biel auch auf höheren Handelsstufen eine Rolle spielt. Im Gegensatz dazu steht die blosse Bedienung der Endverbraucher. Zumindest auf dieser Ebene ist auch die Stadt Bern ein Schwerpunkt der Drogenfahnder. "Gezielte Aktionen der Polizei wurden auch in der Stadt Bern durchgeführt", sagte Sigrist.

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BZ 30.12.10

Umfangreiche Aktionen gegen den Drogenhandel

 BielDie Kantonspolizei hat 2010 in Biel gezielte Aktionen gegen den Handel mit Drogen durchgeführt und dabei unter anderem fast sieben Kilo Cannabis sichergestellt.

 Die Polizei hat von Januar bis Juni und von Oktober bis Mitte Dezember in Biel mehrere Aktionen gegen den Drogenhandel und Widerhandlungen gegen das Ausländergesetz durchgeführt. Die Einsätze fanden im öffentlichen Raum, in Wohnungen, Hotels und Bars statt.

 Insgesamt wurden fast sieben Kilo Cannabis mit einem Wert von rund 35 000 Franken sichergestellt. Weiter wurden mehr als 1900 Hanfpflanzen, über fünf Kilogramm Kokain mit einem Wert von gegen 530 000 Franken sowie knapp 400 Gramm Heroin mit einem Gesamtwert von circa 15 000 Franken beschlagnahmt. Zudem wurden Bargeld in Höhe von rund 115 000 Franken, 14 000 Euro und Mobiltelefone sichergestellt.

 Im Zuge der Ermittlungen wurden circa 90 Personen wegen Widerhandlungen gegen das Ausländergesetz angezeigt. Rund 20 davon wurden in Ausschaffungshaft gesetzt. Ebenfalls rund 90 Personen wurden wegen Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz angezeigt. 32 wurden in Untersuchungshaft gesetzt.

 Die zur Anzeige gebrachten Personen stammen mehrheitlich aus afrikanischen Ländern. Die Polizei teilt ausserdem mit, dass sie gezielte Aktionen gegen den Handel mit Drogen auch in Zukunft fortsetzen wird.
 pd

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Solothurner Zeitung 30.12.10

Razzien gegen Drogenhandel

 Biel Die Kantonspolizei Bern hat von Januar bis Juni und von Oktober bis Mitte Dezember dieses Jahres in Biel mehrere Aktionen gegen den Drogenhandel und Widerhandlungen gegen das Ausländergesetz durchgeführt. Die Einsätze fanden im öffentlichen Raum, in Wohnungen, Hotels und Bars statt. Dies teilten die Kantonspolizei Bern und das Untersuchungsrichteramt Seeland-Berner Jura in einer gemeinsamen Presseerklärung mit. Insgesamt seien bei den Aktionen fast sieben Kilogramm Cannabis mit einem Wert von etwa 35000 Franken, mehr als 1900 Hanfpflanzen, über fünf Kilogramm Kokain mit einem Wert von gegen 530000 Franken sowie knapp 400 Gramm Heroin mit einem Gesamtwert von zirka 15000 Franken beschlagnahmt wurden. Zudem wurden Bargeld in der Höhe von etwa 115000 Franken, 14000 Euro und schliesslich auch Mobiltelefone sichergestellt. Im Zuge der Ermittlungen seien zirka 90 Personen wegen Widerhandlungen gegen das Ausländergesetz angezeigt worden. Etwa 20 davon wurden in Ausschaffungshaft gesetzt. Ebenfalls etwa 90 Personen seien wegen Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz angezeigt worden. 32 Personen wurden in Untersuchungshaft gesetzt. Die zur Anzeige gebrachten Personen stammen laut Kantonspolizei mehrheitlich aus afrikanischen Ländern. (pkb/tg)

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bernerzeitung.ch 29.12.10

Polizei beschlagnahmte im Jahr 2010 Kokain im Wert von 530'000 Franken

pd / gbl

 Die Kantonspolizei hat in Biel 2010 gezielt verschiedene Aktionen gegen Drogenhandel durchgeführt. Insgesamt wurden über 200 Personen angezeigt.

 Wie die Kantonspolizei Bern mitteilt, wurden die Einsätze von Januar bis Juni und von Oktober bis Mitte Dezember durchgeführt. Sie fanden im öffentlichen Raum, in Wohnungen, Hotels und Bars statt.

 Heroin im Wert von 15'000 Franken

 Insgesamt wurden fast sieben Kilogramm Cannabis mit einem Wert von rund 35'000 Franken sichergestellt. Weiter wurden mehr als 1900 Hanfpflanzen, über fünf Kilogramm Kokain mit einem Wert von gegen 530'000 Franken sowie knapp 400 Gramm Heroin mit einem Gesamtwert von zirka 15'000 Franken beschlagnahmt. Zudem wurden Bargeld in der Höhe von rund 115'000 Franken, 14'000 Euro und Mobiltelefone sichergestellt.

 Nach Angaben der Polizei wurden zirka 90 Personen wegen Widerhandlungen gegen das Ausländergesetz angezeigt. Rund 20 davon wurden in Ausschaffungshaft gesetzt. Ebenfalls rund 90 Personen wurden wegen Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz angezeigt. 32 wurden in Untersuchungshaft gesetzt.

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police.ch 29.12.10

Biel: Umfangreiche Aktionen gegen den Drogenhandel

29. Dezember 2010

pkb. Die Kantonspolizei Bern hat im Jahr 2010 in Biel verschiedene gezielte Aktionen gegen den Handel mit Drogen durchgeführt. Dabei wurden mehrere Kilogramm harte und weiche Drogen sichergestellt. Über 200 Personen wurden angezeigt. Mehrere davon wurden in Haft gesetzt.

Die Kantonspolizei Bern hat von Januar bis Juni und von Oktober bis Mitte Dezember in Biel mehrere Aktionen gegen den Drogenhandel und Widerhandlungen gegen das Ausländergesetz durchgeführt. Die Einsätze fanden im öffentlichen Raum, in Wohnungen, Hotels und Bars statt.

Insgesamt wurden fast sieben Kilogramm Cannabis mit einem Wert von rund 35.000 Franken sichergestellt. Weiter wurden mehr als 1.900 Hanfpflanzen, über fünf Kilogramm Kokain mit einem Wert von gegen 530.000 Franken sowie knapp 400 Gramm Heroin mit einem Gesamtwert von zirka 15.000 Franken beschlagnahmt. Zudem wurden Bargeld in der Höhe von rund 115.000 Franken, 14.000 Euro und Mobiltelefone sichergestellt.

Im Zuge der Ermittlungen wurden zirka 90 Personen wegen Widerhandlungen gegen das Ausländergesetz angezeigt. Rund 20 davon wurden in Ausschaffungshaft gesetzt. Ebenfalls rund 90 Personen wurden wegen Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz angezeigt. 32 wurden in Untersuchungshaft gesetzt.

Die zur Anzeige gebrachten Personen stammen mehrheitlich aus afrikanischen Ländern.

Die polizeilichen Aktionen werden fortgesetzt.

Untersuchungsrichteramt I Seeland-Berner Jura

(sd)

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20min.ch 28.12.10

Kampf um den Hanf: Gewehre, Stolperdrähte und Sprengfallen

 Balkan-Banden übernehmen die Kontrolle über den millionenschweren Cannabis-Handel. Die Verteilkämpfe werden mit harten Bandagen geführt.

Annette Hirschberg

 Die Diebe, auf die Hanfbauer Alfred E. vor einer Woche geschossen und dabei einen getötet hat, sollen mit einem Auto mit Freiburger Nummernschildern unterwegs gewesen sein. Die Insassen hingegen stammen aus dem Balkan, sind die Mitglieder des Vereins Schweizer Hanffreunde (VSHF) überzeugt. Die Berner Polizei will diese Angaben aus ermittlungstechnischen Gründen nicht bestätigen.

 Hinter der Behauptung der Hanffreunde steckt offenbar Szenekenntnis. Balkan-Banden hätten in den letzten Jahren den illegalen Handel von Cannabis an sich gerissen, sagt Peter Brunner, Sprecher der Hanffreunde. "Sie verfügen über ein ausgeklügeltes Netzwerk und steuern praktisch den gesamten Verkauf." Der Handel sei lukrativ und die Strafen milde. "Die lachen sich ins Fäustchen, weil sie bei uns so gute Geschäfte machen und das Gesetz kaum fürchten müssen", ärgert sich Brunner. Den legalen Industriehanf des Hanfbauern Alfred E. sollen die Banden zum Strecken ihres Marihuanas verwenden.

 Gut gesicherte und bewachte Anlagen

 Die Kantonspolizei St. Gallen bestätigt, dass sich beim Marihuana eine neue Entwicklung abzeichnet. "Personen aus dem Balkan haben in grossem Stil ihre Finger im Cannabis-Handel der Schweiz", sagt Mediensprecher Hanspeter Krüsi. So kontrollierten sie immer mehr die Verteilung des Schweizer Indoor-Hanfs. "Wir wissen aber auch, dass mittlerweile viele grosse Cannabis-Anlagen im Balkan betrieben werden."

 Im Bereich der illegalen Indoor-Anlagen in der Schweiz gebe es wohl auch Verteilkämpfe. Immer öfter treffe man auf gut gesicherte und bewachte Anlagen. "Unsere Ermittler haben schon Hanfproduktionen ausgehoben, die mit Stolperdrähten und Sprengfallen gesichert und äusserst gut versteckt waren", so Krüsi. Das sei aber nicht erstaunlich, werde doch in professionellen Anlagen mit über 1000 Pflanzen viel Geld umgesetzt. "Da geht es um Millionen."

 Milde Strafen

 Auch die geringen gesetzlichen Folgen für die Händler kann Mediensprecher Hanspeter Krüsi bestätigen: "Die Strafen sind eher mild."

 So erhielten 2009 drei Personen, die in Thun eine Indoor-Hanfanlage mit mehreren hundert Pflanzen betrieben hatten, je eine bedingte Strafe von mehreren Monaten. Ebenfalls bedingte Strafen erhielten drei Männer dieses Jahr im November am Kreisgericht St. Gallen. Sie hatten mit Hanf gehandelt und dabei 900 000 Franken umgesetzt und an die 200 000 Franken verdient.

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HEIRATSVERBOT
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Landbote 28.12.10

Standesbeamte haben bald mehr zu tun

 Im Kampf gegen Scheinehen gilt in der Schweiz nächstes Jahr ein strengeres Regime: Neu darf nur noch heiraten, wer ein Bleiberecht hat. Den politischen Anstoss für diese Neuregelung gab die SVP.

 bern - Als die Kantonspolizei Zürich letztes Jahr einen 41-jährigen Türken kontrollierte, ahnte sie nicht, worauf sie stossen würde. Sein abgelaufenes Visum führte die Polizisten zu einem ganzen Schneeballsystem von Scheinehen: Insgesamt acht Frauen und Männer hatten Schweizer und Schweizerinnen geheiratet, um eine Aufenthaltsbewilligung zu ergattern. Damit soll nun Schluss sein. Ab dem 1. Januar 2011 darf nur noch heiraten, wer sich rechtmässig in der Schweiz aufhält. Beweisen kann er das schriftlich - je nach Fall etwa durch Vorweisen des Ausländerausweises oder des gültigen Visums. Die Vorschriften gelten auch für hängige Verfahren.

 500 Scheinehen aufgedeckt

 Die entsprechende Änderung des Zivilgesetzbuchs geht auf eine Parlamentarische Initiative von SVP-Präsident und Nationalrat Toni Brunner zurück. Eine gesamtschweizerische Statistik zur Anzahl aufgedeckter Scheinehen gibt es zwar nicht. Einen Eindruck vermitteln aber die Zahlen aus dem Kanton Zürich: Von 3500 Ehen, die 2008 genauer unter die Lupe genommen wurden, stellten sich 500 als Scheinehen heraus.

 Eine zentrale Rolle im Kampf gegen solche Fälle kommt ab Januar den Zivilstandsbeamten in den Kantonen zu. Sie sind von Gesetzes wegen dazu verpflichtet, zu überprüfen, ob der rechtmässige Aufenthalt nachgewiesen ist. Dazu können sie unter anderem auf Zemis, das Zentrale Migrationsinformationssystem, zugreifen. Kann ein Ehewilliger nicht beweisen, dass er sich legal in der Schweiz aufhält, muss das Standesamt die Trauung verweigern - und die Identität des oder der Betroffenen der zuständigen Ausländerbehörde melden.

 Nicht mehr Personal

 "Wir können noch nicht abschätzen, wie viel Zeit die Abklärungen in Anspruch nehmen werden", sagt Roland Peterhans, Präsident des Schweizerischen Verbands für Zivilstandswesen, der Nachrichtenagentur SDA. "Sind es fünf Minuten oder zwei Stunden am Tag?" Die Sache sei äusserst "komplex", sagt Peterhans, Leiter des Stadtzürcher Zivilstandsamts. Nicht immer sei die Abklärung einfach. Liegt ein gültiger Ausländerausweis oder ein gültiges Visum vor, ist die Sache eindeutig. Doch in anderen Fällen werde man recherchieren und rechnen müssen, ob jemand den richtigen Visumstyp hat oder ob das Visum zum fraglichen Zeitpunkt noch gültig ist. Zumindest in Zürich wird das Personal dafür nicht aufgestockt.

 Vorschriften gilt es neu unzählige zu beachten. Fachleute des Eidgenössischen Amts für Zivilstandswesen haben daher die Verantwortlichen der Kantone geschult, und diese wiederum sollen nun ihr Wissen an die Zivilstandsämter weitergeben. (sda)

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Zürichsee-Zeitung 28.12.10

Scheinehen Ab dem kommenden Jahr gelten neue Regeln auf den Zivilstandsämtern

 Die Standesbeamten sind gefordert

 Im Kampf gegen Scheinehen gilt ab 1. Januar 2011 ein strengeres Regime: Neu darf nur noch heiraten, wer in der Schweiz ein Bleiberecht hat. Gefordert sind damit vor allem die Standesbeamten.

 Nicole Meier (SDA)

 Als die Kantonspolizei Zürich im vergangenen Jahr einen 41-jährigen Türken kontrollierte, ahnte sie nicht, worauf sie stossen würde. Sein abgelaufenes Visum führte die Polizisten zu einem ganzen Schneeballsystem von Scheinehen: Insgesamt acht Frauen und Männer hatten Schweizer und Schweizerinnen geheiratet, um eine Aufenthaltsbewilligung zu ergattern.

 Damit soll nun Schluss sein. Ab 1. Januar 2011 darf nur noch heiraten, wer sich rechtmässig in der Schweiz auf-hält. Beweisen kann er das schriftlich - je nach Fall etwa durch Vorweisen des Ausländerausweises oder des gültigen Visums. Die Vorschriften gelten auch für hängige Verfahren. Die entsprechende Änderung des Zivilgesetzbuchs geht auf eine parlamentarische Initiative von SVP-Präsident und Nationalrat Toni Brunner zurück.

 Eine gesamtschweizerische Statistik zur Anzahl aufgedeckter Scheinehen gibt es nicht. Einen Eindruck vermitteln aber die Zahlen aus dem Kanton Zürich: Von 3500 Ehen, die im Jahr 2008 unter die Lupe genommen wurden, stellten sich 500 als Scheinehen heraus.

 Eine "komplexe" Sache

 Eine zentrale Rolle im Kampf gegen solche Fälle kommt ab Januar den Zivilstandsbeamten in den Kantonen zu. Sie sind von Gesetzes wegen dazu verpflichtet, zu überprüfen, ob der rechtmässige Aufenthalt nachgewiesen ist. Dazu können sie unter anderem auf Zemis, das Zentrale Migrationsinformationssystem, zugreifen. Kann ein Ehewilliger nicht beweisen, dass er sich legal in der Schweiz aufhält, muss das Standesamt die Trauung verweigern - und die Identität des oder der Betroffenen der zuständigen Ausländerbehörde melden.

 "Wir können noch nicht abschätzen, wie viel Zeit die Abklärungen in Anspruch nehmen werden", sagt Roland Peterhans, Präsident des Schweizerischen Verbands für Zivilstandswesen, der Nachrichtenagentur SDA. "Sind es fünf Minuten oder zwei Stunden am Tag?" Die Sache sei äusserst "komplex", erklärt Peterhans, Leiter des Stadtzürcher Zivilstandsamts.

 Nicht immer sei die Abklärung einfach. Liegt ein gültiger Ausländerausweis oder ein gültiges Visum vor, ist die Sache eindeutig. Doch in anderen Fällen werde man recherchieren und rechnen müssen, ob jemand den richtigen Visumstyp hat oder ob das Visum zum fraglichen Zeitpunkt noch gültig ist. Zumindest in Zürich wird das Personal dafür nicht aufgestockt.

 Dschungel von Merkblättern

 Vorschriften gilt es allerdings unzählige zu beachten: Allein zu den Visumsvorschriften finden sich auf der Website des Bundesamts für Migration über 70 Dokumente - von den Vorschriften nach Staatsangehörigkeit bis zur Liste der konsultationspflichtigen Länder. Fachleute des Eidgenössischen Amts für Zivilstandswesen haben daher die Verantwortlichen der Kantone geschult, und diese wiederum geben ihr Wissen an die Zivilstandsämter weiter.

 Allerdings ist laut Roland Peterhans auch denkbar, dass sich illegal Anwesende von der drohenden Meldung an die Ausländerbehörde abschrecken lassen und gar nicht erst auftauchen. Bereits heute würden sich die meisten Ehewilligen vor der Trauung nach den Bedingungen erkundigen.

 Andere Länder, gleiche Sitten

 Die Schweiz ist mit der neuen Regelung in Europa nicht allein: Auch Dänemark, Norwegen, die Niederlande und Grossbritannien haben ähnliche Gesetze. Laut Bundesamt für Statistik waren von den rund 42 000 Ehen, die 2009 in der Schweiz geschlossen wurden, knapp 36 Prozent binationale Ehen.

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Freiburger Nachrichten 28.12.10

Neue Scheinehen-Regeln stehen und fallen mit den Standesbeamten

 Im Kampf gegen Scheinehen gilt ab 1. Januar 2011 ein strengeres Regime: Neu darf nur noch heiraten, wer ein Bleiberecht hat.

 Bern Am 1. Januar 2011 treten in der Schweiz eine Reihe von Gesetzesänderungen in Kraft, Revidiert wurde auch das Zivilgesetzbuch. Damit sollen Scheinehen besser bekämpft werden. Von 3500 Ehen, die 2008 im Kanton Zürich untersucht wurden, stellten sich 500 als Scheinehen heraus.

 Ab Neujahr darf nur noch heiraten, wer sich rechtmässig in der Schweiz aufhält. Beweisen kann er das schriftlich - je nach Fall etwa durch Vorweisen des Ausländerausweises oder des gültigen Visums. Die Vorschriften gelten auch für hängige Verfahren.

 Eine zentrale Rolle kommt dabei den Zivilstandsbeamten in den Kantonen zu. Sie sind von Gesetzes wegen dazu verpflichtet zu überprüfen, ob der rechtmässige Aufenthalt nachgewiesen ist. Dazu können sie auch auf Zemis das Zentrale Migrationsinformationssystem, zurückgreifen.

 Kann ein Ehewilliger nicht beweisen, dass er sich legal in der Schweiz aufhält, muss das Standesamt die Trauung verweigern - und die Identität des oder der Betroffenen der zuständigen Ausländerbehörde melden. sda

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SEXWORK
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NLZ 28.12.10

Prostitution: Nationales Gesetz gefordert

 Bordelle

Luzia Mattmann

 In der Romandie und im Tessin gibt es bereits Prostitutionsgesetze. Jetzt wird der Ruf nach einem nationalen Gesetz laut.

 Luzia Mattmann

 luzia.mattmann@luzernerzeitung.ch

 Prostituierte sollen im Kanton Luzern besser geschützt werden. Deshalb trifft das Justizdepartement Abklärungen für ein Prostitutionsgesetz (Ausgabe vom 20. Dezember). In den Kantonen Tessin, Waadt, Neuenburg und Genf ist bereits ein entsprechendes Gesetz in Kraft (siehe Kasten). Dieses sieht meist eine Registrierung der Prostituierten vor; damit verbunden sollen sie einen grösseren Schutz vor Missbrauch erhalten und unter gesetzeskonformen Bedingungen arbeiten. Und auch die Salonbetreiber werden kontrolliert.

 Bewilligung des Vermieters nötig

 Im Kanton Genf ist im Mai dieses Jahres ein Prostitutionsgesetz in Kraft getreten. Der umstrittene Knackpunkt: Mehrere Prostituierte, die gemeinsam eine Wohnung mieten, gelten nicht mehr als Selbstständige und müssen nach dem neuen Gesetz eine Bewilligung des Vermieters vorweisen. Dies ist oft schwierig - als Ausweg bleibt den Prostituierten deshalb oftmals nur, in einem Salon ein Zimmer zu mieten - zu überrissenen Preisen. Auch die Besitzer dieser Salons sind mit dem Gesetz nicht zufrieden: Sie müssen garantieren, dass die Prostituierten nicht mit dem Gesetz in Konflikt kommen - also auch, dass keine Frauen ohne Aufenthaltsbewilligung dort arbeiten. Nicolas Bolle, stellvertretender Sekretär des kantonalen Genfer Sicherheits- und Polizeidepartementes, sagt, dass man mit dem Gesetz zufrieden sei.

 Keine Basis für nationales Gesetz

 Aus der Bilanz der Kantone geht hervor: Die Registrierung von Prostituierten ist zwar eine gute Idee, um diese Personen besser zu schützen. Illegale Prostituierte oder solche, welche die Landessprachen nicht sprechen, haben damit oft ein Problem: Weil sie die Formulare nicht ausfüllen können oder weil sie fürchten, das Land verlassen zu müssen, wenn sie sich registrieren.

 Das beste Prostitutionsgesetz nützt nichts, wenn nicht auch die Nachbarkantone eines haben. Deshalb kommt von verschiedener Seite die Forderung nach einem nationalen Prostitutionsgesetz. Der Tessiner Staatsrat Luigi Pedrazzini etwa fordert ein solches, und auch Marc Tille, Chef der Waadtländer Gewerbepolizei, spricht sich dafür aus: "Viele Salons, die wir schliessen, öffnen einfach in einem anderen Kanton wieder." Derzeit besteht keine bundesrechtliche Regelung zur Prostitution. "Zur Schaffung eines Bundesgesetzes fehlen die verfassungsrechtlichen Grundlagen", sagt Stephan Hermann vom Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement.

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 Die Registrierung ist freiwillig

 Waadt lm. Im Kanton Waadt müssen nur Salons und Wohnungen, wo die Dienste von Prostituierten angeboten werden, registriert sein - eine Pflicht für die Prostituierten, sich zu registrieren, gibt es nicht. Dafür muss in jedem Salon ein Register aufliegen mit den Personen, die dort arbeiten. Das Gesetz gilt seit 2004.

 Schikanen vermeiden

 "Die Prostituierten befinden sich oft schon in einer prekären Situation. Wir wollen sie nicht zusätzlich mit einer Registrierung bestrafen", sagt Marc Tille, Chef der Gewerbepolizei Waadt. Derzeit sind rund 200 Sexsalons registriert, die regelmässig kontrolliert werden. In den letzten zwei Jahren wurden 24 Salons geschlossen, 138 wurden angezeigt: sei es, weil sie kein Register führten oder wegen Verstössen gegen das Ausländergesetz. "Die Hygienesituation in den Salons hat sich seit der Einführung des Gesetzes verbessert", sagt Tille.

 "Das Gesetz erlaubt mehr Kontrollen und lässt zu, dass der Kanton Prävention für Prostituierte bietet", erklärt Anne Ansermet Pagot, Direktorin der Beratungsstelle Fleur de Pavé in Lausanne. Bei illegalen Prostituierten bestehe aber die Gefahr, dass sie vor Kontrollen in den Untergrund flüchteten. Fremdsprachige Prostituierte hätten Mühe mit den komplexen Formularen.

 Strafen für die Freier?

 Tessin bin./lm. Das älteste Prostitutionsgesetz hat der Kanton Tessin: Es ist seit 2001 in Kraft. In den ersten Jahren meldeten sich kaum Prostituierte an, inzwischen sind rund 800 registriert. Luigi Pedrazzini, Direktor des zuständigen Departementes, rechnet damit, dass 200 bis 250 aktiv sind, und dass es eine Dunkelziffer von weiteren 200 Prostituierten gibt. "Viele haben aber inzwischen gemerkt, dass sie sich mit der Registrierung besser gegen Ausbeutung wehren können", sagt Pedrazzini. Ausserdem ist der Strassenstrich fast verschwunden.

 Angst vor der Mafia

 Nun wird das Gesetz revidiert - um eine bessere Handhabe bei Delikten zu haben. Da Strassenprostitution in Italien verboten ist, wurde das Tessin in den letzten Jahren überschwemmt von italienischen Freiern. Mit der Personenfreizügigkeit haben zudem viele Frauen aus der EU ein Recht auf eine Arbeitsbewilligung in der Schweiz; das Angebot im Tessin ist explodiert. Gemäss dem Gesetzesentwurf sollen Freier von illegalen Prostituierten mit mindestens 200 Franken bestraft werden, auch die Illegalen sowie Dritte, die von ihnen profitieren, sollen zur Kasse gebeten werden. Schutzorganisationen bezeichnen den Entwurf als Katastrophe: Er würde die Prostitution in die Hände der Mafia spielen, sagen sie.

 Rigorose Kontrollen

 Neuenburg m. Im Kanton Neuenburg müssen sich Prostituierte seit 2004, als das Gesetz in Kraft getreten ist, registrieren lassen. Auch Salons müssen registriert sein. Die Prostituierten müssen nachweisen können, dass sie Beiträge an ihre Pensionskasse und an die AHV bezahlen. "Es sind rund 50 Salons registriert; davon kontrollieren wir 8 bis 9 pro Monat", sagt Philippe Juillerat, Chef Kontrollen des kantonalen Arbeitsamtes. Prostituierte, die nicht registriert sind oder die nötigen Papiere nicht vorweisen können, zahlen 300 Franken Busse. Salonbetrieber, deren Angestellte sich nicht ausweisen können, werden mit 500 Franken bestraft. Strassenprostitution ist verboten.

 Sprache ist ein Problem

 "Generell funktioniert das System gut, schliesslich werden die Prostituierten mit der Registrierung besser geschützt", sagt Philippe Juillerat. Zudem versuche man ein Klima des Vertrauens zu schaffen, sodass sich Prostituierte bei Problemen mit Salonbetreibern einfacher an die Behörden wenden können. "Besonders bei Frauen aus Osteuropa ist jedoch die Sprache ein Problem, wir haben nicht immer Übersetzer dabei", sagt Juillerat. Ausserdem können sich Prostituierte einfach in andere Kantone absetzen, die kein Prostitutionsgesetz kennen.

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ANTI-SVP
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Landbote 29.12.10

"Ich verstehe den Ärger der Betroffenen"

 Felix Reich

 Polizeivorsteher Michael Künzle (CVP) weist nach den Farbattacken Vorwürfe der SVP zurück und lobt die Arbeit seiner Graffitijäger.

 Mehrere Wohnhäuser von SVP-Politikern wurden verschmiert. Wie viele Anzeigen sind eingegangen und können Sie den Sachschaden beziffern?

 Michael Künzle: Noch ist unklar, wie viele Häuser betroffen sind. Zur Schadenssumme kann ich keine Angaben machen. Die Ermittlungen laufen.

 Betroffene SVP-Exponenten werfen dem Stadtrat vor, sich nicht von linksextremen Gewalttätern zu distanzieren.

 Solche Vorwürfe weise ich entschieden zurück. Den Stadtrat trifft sicherlich keine Schuld. Wir verurteilen diese Taten aufs Schärfste. Der Stadtrat setzt sich für eine offene Dialogkultur ein und ist gegen jede Form von Gewalt, dazu gehört auch die Beschädigung von Eigentum. Ich verstehe jedoch den Ärger der Betroffenen gut. Denn solche Schäden werden von den Versicherungen oft nicht gedeckt.

 Ist die Polizei auf dem linken Auge blind oder wenigstens kurzsichtig?

 Ganz bestimmt nicht. Die Stadtpolizei beschäftigt beispielsweise die besten Graffitijäger der Schweiz, ihre Aufklärungsquote ist entsprechend hoch.

 Trotzdem werden die meisten Täter nie zur Rechenschaft gezogen.

 Absolut gesehen stimmt es, dass viele Delikte nicht aufgeklärt werden. Das liegt an der Guerillataktik, welche die Täter anwenden. Die Polizei kann nicht jedes Objekt in der Stadt schützen. Eine gute Ermittlungsarbeit ist entscheidend, dafür hat die Stadtpolizei ausgewiesene Spezialisten. Deshalb bleibe ich dabei: Im Vergleich mit anderen Städten ist die Aufklärungsquote bei solchen Delikten hoch.

 An die Fassade des Hauses von Nationalrätin Natalie Rickli wurde neben politischen Parolen die Drohung "Natalie wir kriegen dich" gesprayt. Spielt der Inhalt der Sprayereien eine Rolle?

 Zuerst entscheidet das Ausmass der Sachbeschädigung darüber, ob ein Strafantrag nötig ist oder ob es sich um ein Offizialdelikt handelt. Die Strafverfolgungsbehörde muss feststellen, ob weitere Tatbestände erfüllt sind. Beim erwähnten Satz kann es sich um eine Drohung handeln. Dann käme zum Tatbestand der Sachbeschädigung ein weiterer dazu. Es spielt also durchaus eine Rolle, was geschrieben wird.

 Ist die linksextreme Szene in Winterthur wieder aktiver geworden?

 Die Polizei hat schweizweit immer wieder mit solchen Vorfällen zu tun. Auch hier gilt: Wenn wir mit anderen Städten vergleichen, sind unsere Probleme verhältnismässig klein. Trotzdem sind sie ärgerlich und inakzeptabel.

 Auch auf das Hotel Wartmann wurde im Oktober ein Farbanschlag verübt. Ist die Tat inzwischen aufgeklärt?

 Nein. Die Ermittlungen laufen aber weiterhin. Um Sprayer zu erwischen, braucht es einen langen Atem. (fmr)

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 Farbattacken auf Privathäuser
 
Felix Reich

 In einer koordinierten Aktion haben unbekannte Täter die Wohnungen von mehreren SVP-Politikern mit Farbe beschmiert. Das Miethaus, in dem Nationalrätin Natalie Rickli wohnt, wurde beispielsweise ebenso mit Farbbeuteln attackiert wie das Elternhaus von Nationalrat Jürg Stahl. Im Internet bekannte sich eine "Aktionsgruppe Klassensolidarität" zu den Taten. Die Gruppe will die Wohnhäuser von insgesamt zehn SVP-Exponenten mit Parolen verschmiert haben. Eine ähnliche Attacke wurde bereits im Oktober auf das Hotel Wartmann verübt. Dort führte die SVP damals eine Werbeveranstaltung für ihre Ausschaffungsinitiative durch. (fmr)

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Landbote 28.12.10

Linksradikale mit Farbbeuteln gegen Politiker der SVP

 Martin Freuler

 WINTERTHUR - "Natalie, wir kriegen dich!" stand gestern Morgen am Wohnhaus der Winterthurer SVP-Nationalrätin Natalie Rickli. Der Eingang war mit Farbe verschmiert, an der Fassade hatte es mehrere Kleckse. Die Urheber der Attacke dürften aus linksextremen Kreisen stammen. Gestern Nachmittag bekannte sich auf einer einschlägigen Internetseite die sogenannte "Aktionsgruppe Klassensolidarität (AGK)" zum Farbanschlag. Der Titel: "Spätweihnächtliche Überraschung für ranghohe SVP-Politiker". Mit ihrer Aktion rufe die AGK dazu auf, "der Fremdenangst den Zusammenhalt aller Arbeitnehmenden unterschiedlicher Nationalität entgegenzusetzen", steht im Schreiben. Die linken Aktivisten hatten es in der Nacht auf gestern nicht nur auf Natalie Rickli abgesehen. Verschmiert wurden auch das Elternhaus von SVP-Nationalrat Jürg Stahl sowie die Wohnhäuser von SVP-Kantonsrat Yves Senn und SVP-Ex-Kantonsrat Rainer Heuberger. Die Politiker reagierten verärgert und forderten "ein härteres Durchgreifen gegenüber linken Chaoten". (mf)lSeite 9

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Attacken auf Häuser von SVP-Politikern

 Martin Freuler

 In der Nacht auf gestern wurden Wohnhäuser von SVP-Politikern verschmiert. Im Internet bekennen sich Linksextreme zur Tat.

 SVP-Nationalrätin Natalie Rickli war noch völlig ahnungslos, als sie gestern Morgen die ersten Medienanfragen bekam. Bei ihr zu Hause sei der Eingang mit Farbe und Parolen verschmiert worden, berichteten ihr die Journalisten. Vom nächtlichen Treiben vor der eigenen Haustür hatte die Politikerin nichts mitbekommen. Doch als sie den Schaden endlich sah, wurde sie sauer: "Solche Attacken sind dumm, feige und antidemokratisch." An der ganzen Fassade hat es Farbkleckse, beim Eingang wurde die Farbe kübelweise an Wand und Türe geschüttet. Die Drohung "Natalie, wir kriegen dich!" und die Parole "Klassenkampf statt Rassismus!" stehen gleich daneben. Die Briefkästen des Miethauses wurden zudem mit Sekundenleim verklebt.

 Vorwürfe an den Stadtrat

 Das sei nicht die Art, wie man mit Andersdenkenden umgehe, sagt Natalie Rickli. "Der Stadtrat von Winterthur muss sich endlich klar gegen linksextreme Gewalttäter aussprechen." Ähnliches forderte gestern SVP-Nationalrat Jürg Stahl, dessen Elternhaus in Töss ebenfalls verschmiert worden ist: "Gegen die linken Chaoten wird in Winterthur nicht hart genug durchgegriffen." Stadtrat und Behörden müssten sich darüber mal Gedanken machen, findet er. Bekannt wurden bis gestern Abend auch Farbattacken auf die Wohnhäuser von Kantonsrat Yves Senn und alt Kantonsrat Rainer Heuberger (beide ebenfalls SVP).

 Die Stadtpolizei hat Ermittlungen aufgenommen. Mehr konnte Sprecherin Tatiana Schwarz noch nicht bekannt geben. Die Vermutung der betroffenen Politiker, dass Linksextreme hinter den Taten stecken, wurde indes am späten Nachmittag durch ein Bekennerschreiben bestätigt. Die sogenannte "Aktionsgruppe Klassensolidarität (AGK)" vermeldete auf einem linken Internetportal eine "spätweihnächtliche Überraschung für ranghohe SVP-Politiker". Man habe die Wohnhäuser von insgesamt zehn SVP-Exponenten "mit einer Botschaft versehen". Damit wolle die AGK ihre "Solidarität mit den ausländischen Lohnabhängigen zum Ausdruck bringen, die immer häufiger zur Zielscheibe angstschürender SVP-Politik werden".

 Eine ähnliche Attacke wurde im Oktober auf das Hotel Wartmann verübt, das der SVP einen Saal vermietete. Und im Herbst 2007 wurde das Wohnhaus von SP-Nationalrätin Chantal Galladé mit linken Parolen versprayt. (mf)

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Blick 28.12.10

Farbanschlag auf das Haus von SVP-Rickli

 Unbekannte haben in der Nacht auf gestern das Haus von SVP-Nationalrätin Natalie Rickli (34) in Winterthur ZH verschmiert.

 Die Zürcher SVP-Nationalrätin Natalie Rickli provoziert politische Gegner mit ihrer harten Linie. Doch sie macht es öffentlich und verbal.

 Ihre Gegner greifen zu literweise Farbe und rächen sich im Schutz der Dunkelheit: "Natalie wir kriegen dich!", ist an den Hauseingang der Winterthurer Politikerin geschmiert. Und "Klassenkampf statt Rassismus". Das unschöne "Geschenk" wurde der SVP-Nationalrätin in der Nacht auf Montag gemacht.

 Die Täter kommen wohl aus der linksautonomen Ecke. Nicht nur Ricklis Haus wurde verschmiert: Auch SVP-Nationalrat Jürg Stahl wurde gleichennachts Opfer eines Farbanschlags.

 "Die Täter sind feig, dumm und antidemokratisch. In der direkten Demokratie steht man hin und sagt seine Meinung", sagt Natalie Rickli zu BLICK, "Ich verurteile diesen Anschlag."

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Zürichsee-Zeitung 28.12.10

Winterthur

 Nachtaktive Politvandalen

 Unbekannte Täter haben während der Nacht auf Montag Farbanschläge gegen die Häuser von Winterthurer SVP-Politikern verübt.

 Im Fokus hatten die Täter die Winterthurer Nationalräte Natalie Rickli und Jürg Stahl sowie Alt-Kantonsrat Rainer Heuberger. Gegen die Hausfassade von Rickli wurden Farbbeutel geworfen. Zudem sprayten die Täter die Parolen "Natalie wir kriegen dich" an die Hauswand sowie "Klassenkampf statt Rassismus" an ein Geländer. Den Briefkasten verklebten sie mit Leim. An die Fassade einer weiteren Winterthurer Liegenschaft, die unter anderem Nationalrat Jürg Stahl gehört, wurde der Spruch "Klassenkampf statt Fremdenangst" gesprayt. Ein ähnlicher Slogan prangte auch an Heubergers Hausfassade.

 Rickli und Stahl bestätigten auf Anfrage einen Bericht des Online-Portals tagesanzeiger.ch/newsnetz. "Die Täter verstehen offenbar nichts von Demokratie", sagte Stahl. Und Rickli verlangte, die Verantwortlichen müssten "gefasst werden und vollumfänglich für den angerichteten Schaden aufkommen".

 Anschläge bereits früher

 Anschläge gegen Politiker rechter wie auch linker Couleur hat es in der jüngeren und ferneren Vergangenheit im Kanton Zürich wiederholt gegeben. So besprayten Unbekannte Ende Februar 2008 das Haus der damaligen Zürcher Polizeivorsteherin Esther Maurer (SP). Wenige Tage später wurde in Dietikon das Auto der Frau des Zürcher Justizdirektors Markus Notter (SP) angezündet. Im darauffolgenden Juli besprayten Unbekannte dann das Haus des damaligen Zürcher Stadtpräsidenten Elmar Ledergerber (SP). Ein Bekennerschreiben im Internet deutete damals darauf hin, dass die Täter aus der linksautonomen Szene stammten.

 Doch bereits in den 1980er Jahren wurde in der Region Zürich wiederholt zu unzimperlichen Methoden gegriffen: 1984 etwa wurde ein Anschlag auf das Haus der damaligen Regierungsrätin Hedi Lang (SP) verübt. Und im selben Jahre explodierte vor dem Haus des damaligen Justizministers Rudolf Friedrich (FDP) ein Sprengsatz. (sda)

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Tagesanzeiger 28.12.10

Farbanschlag auf Natalie Ricklis Wohnhaus

 Unbekannte haben in der Nacht auf Montag die Häuser von SVP-Politikern aus Winterthur verschmiert.

 Von Stefan Hohler und Felix Schindler

 Winterthur - "Natalie, wir kriegen dich." Mit diesen Worten war der Eingang eines Wohnhauses in Winterthur verschmiert. Mit "Natalie" meinen die unbekannten Täter die SVP-Nationalrätin Natalie Rickli, die dort wohnt. Die Vandalen haben zudem eimerweise Farbe ausgeschüttet und Ricklis Briefkasten mit Sekundenleim zugeklebt. Weitere SVP-Politiker waren von Farbattacken betroffen: Nationalrat Jürg Stahl, Kantonsrat Yves Senn und Alt-Kantonsrat Rainer Heuberger.

 "Das ist zutiefst antidemokratisch", sagt Rickli zur anonymen Drohgebärde. "Die Täter sind dumm und feige. Wer in der Schweiz etwas zu sagen hat, soll gefälligst zu seiner Meinung stehen." Sie vermutet linksextreme Kreise. "Wir haben hier in Winterthur immer wieder Probleme mit Leuten aus dieser Szene." Kürzlich hätten Autonome die Scheiben des Hotels Wartmann eingeschlagen, als die SVP ein Treffen abhielt. An einer Veranstaltung im Albani-Music-Club habe die Polizei vermummte Autonome davon abhalten müssen, den Anlass zu stören.

 Anarchisten kritisieren Gewalt

 Zu einem anderen Vorfall hat sich die Libertäre Aktion Winterthur (LAW), ein Zusammenschluss von Anarchisten, zu Wort gemeldet: Sie distanziert sich von den Bombenanschlägen in Rom. Unter dem Titel "Keine Solidarität mit den‹anarchistischen› BriefbomberInnen" kritisieren die Winterthurer Anarchisten auf der linken Internetplattform Indymedia die an die Schweizer Botschaft in Rom verschickte Paketbombe. Am 23. Dezember wurde ein Angestellter der Botschaft an den Händen schwer verletzt, als er einen Umschlag öffnete. Die Verantwortung für den Anschlag übernahm eine italienische Anarchistengruppe namens Federazione Anarchica Informale. Die Winterthurer Anarchisten lehnen diese Tat entschieden ab: "Eine solche Praxis zeugt nicht nur von politischer Dummheit, sondern auch von grosser Feigheit und Inhumanität."

 Die Polizei vermutet, dass der Anschlag einen Zusammenhang mit dem in der Strafanstalt Pöschwies in Regensdorf inhaftierten "Ökoterroristen" Marco Camenisch haben könnte. Bereits im Oktober wurde vor der Schweizer Botschaft in Rom ein Sprengsatz gefunden. In einem Schreiben wurde damals die Freilassung von "Costa, Silvia und Billy" gefordert - drei Anarchisten, die im April in Zürich einen Anschlag auf das IBM-Forschungszentrum in Rüschlikon geplant haben sollen. Die drei befinden sich in Untersuchungshaft.

 In linksextremen Kreisen haben sie dafür viel Applaus erhalten. Für die Winterthurer Anarchisten sind dies Solidaritätsaktionen, "deren antizivilisatorischen Ergüsse wir höchstens mit Belustigung zur Kenntnis nehmen".

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telezueri.ch 27.12.10

Farbanschläge

Winterthurer SVP-Politiker im Visier von Autonomen (ab 17:42)
http://www.telezueri.ch/webtv/?&channel_id=71&video_id=182662

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SONDEREINHEIT
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BZ 31.12.10

Verwirrung um die zwei Elitetruppen der Armee

 Armee. Die für Befreiungsaktionen im Ausland zuständige Elitetruppe AAD 10 soll umgepolt werden - und nur noch Einsätze im Inland leisten. Das hat Verteidigungsminister Maurer angekündigt. Allerdings ist man selbst in der Armee irritiert: Für solche Inlandeinsätze gibt es nämlich bereits eine Elitetruppe.

 Bundesrat Ueli Maurer stiftet Verwirrung - selbst bei den eigenen Leuten. Diese Woche kündigte er an, dass er die umstrit-tene militärische Elitetruppe AAD 10 (Armee-Aufklärungsdetachement 10) künftig nicht mehr für Aufgaben im Ausland einsetzen will. Stattdessen soll der Trupp - bestehend aus rund 40 bestqualifizierten Berufssoldaten - für Einsätze im Inland bereitstehen.

 Irritierte Truppen

 Das Problem allerdings: Für genau solche speziellen sicherheitspolizeilichen Aufgaben im eigenen Land hat die Armee bereits eine andere Eliteeinheit: das sogenannte Spezialdetachement der Militärpolizei. Gemäss gut unterrichteten Quellen sind die beiden Truppen sehr ähnlich, So ist etwa auch der Ausbildungsstand der Truppenmitglieder praktisch identisch. Beim Spezialdetachement der Militärpolizei ist man deshalb irritiert über die Pläne des Verteidigungsministers, wie diese Zeitung in Erfahrung brachte.

 Naheliegend ist, dass unsinnige Doppelspurigkeiten entstehen, wenn beide Truppen plötzlich für Inlandeinsätze zuständig sind. Eine Nachfrage bei Maurers Verteidigungsdepartement zeigt allerdings, dass sehr vieles über die Zukunft der beiden Truppen noch gar nicht klar ist.

 Auf die Frage, ob sich die beiden Einheiten nicht gegenseitig in die Quere kämen, sobald sie beide dasselbe Einsatzrevier haben, gibt Armeesprecher Christoph Burri eine überraschende Antwort: "Es ist noch gar nichts entschieden."

 Ganz ähnlich tönt es auch eine Stufe höher, im Generalsekretariat des VBS. Auf die Frage, ob die beiden Truppen künftig gar zusammengelegt werden, antwortet VBS-Sprecher Sebastian Hueber nicht mit "Nein", sondern kurz und bündig mit:   "Es gibt keinen solchen Entscheid."

 In aller Regel streng geheim operierend, hat die Elitetruppe AAD 10 dieses Jahr mit der geplanten Geiselbefreiungsaktion in Libyen in der Öffentlichkeit Aufmerksamkeit erregt. Zum Einsatz gekommen ist die Truppe in Libyen schliesslich doch nicht.

 Angeblich tatsächlich im Einsatz stand die AAD 10 einmal in einem anderen Land: im Irak. Das soll ganz am Anfang des Irak-Krieges gewesen sein. Auch dort soll es um eine Befreiungsaktion von Schweizern gegangen sein. Ob dieser Einsatz wirklich stattgefunden hat, wurde offiziell nie bestätigt. Diese geplanten und angeblichen Befreiungseinsätze stellen indessen beispielhaft typische Aufgaben dieser Elitetruppe dar.

 Spez-Det: Noch geheimer

 Noch weniger bekannt ist, wo die andere Spezialeinheit der Armee bis jetzt eingesetzt wurde. Das Spezialdetachement der Militärpolizei existiert seit 2004. Bis jetzt hat es noch kaum die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich gezogen. Klar ist bloss, dass diese Einheit nicht nur für reine militärische Aufgaben eingesetzt werden darf, sondern auch zur "subsidiären Unterstützung von zivilen Behörden zugunsten der inneren Sicherheit", wie das VBS auf Anfrage mitteilt Wobei die Verantwortung eines solchen Einsatzes der zivilen Polizeibehörde obliegen muss. Die Einzelheiten über diese Einheit sind so geheim, dass das VBS nicht einmal Angaben über die Truppengrösse machen will.

 Neu: Gemeinsamer Chef

 Es gibt Hinweise, dass die beiden Spezialeinheiten in Zukunft zusammengelegt werden. Im April dieses Jahres publizierte die Armeeführung nämlich eine wenig beachtete Mitteilung. Darin führte sie aus, dass die beiden Einheiten einer gemeinsamen Führung unterstellt werden — und zwar dem Chef Führungsstab der Armee. Weiter heisst es, dass "die Leistungen" der beiden Truppen "so abgestimmt werden, dass sie in Zukunft gemeinsam und komplementär im In- und Ausland eingesetzt werden können".

 Mischa Aebi

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Blick 30.12.10

AAD10 heimlich im Irak Ein Verletzter

 Das jedenfalls sagen glaubwürdige Insider. Aber offiziell gelten die Operationen der Schweizer Sonderheit als Geheimsache.

 Verteidigungsminister Ueli Maurer (60, SVP) will die Kommandotruppe Armee-Aufklärungsdetachement AAD 10 möglichst nur noch im Inland einsetzen. Einsätze im Ausland, gegen den Willen des betroffenen Staates, würden politisch zu grossen Schaden anrichten, erklärte Maurer (BLICK berichtete).

 Einsätze im Ausland? Wo und wie das AAD 10 bisher konkret im Ausland tätig wurde, darüber wird offiziell nichts kommuniziert: Geheimsache.

 Zumindest ein Fall scheint aber belegbar: Laut Insidern war die Spezialeinheit relativ früh nach Ausbruch des Irakkriegs 2003 in Bagdad. Ein Soldat sei bei einem Schusswechsel verletzt und danach in der Schweiz in ein Spital gebracht worden. Der Mann quittierte danach den Dienst, heisst es.

 Der Zwischenfall wurde nie ausdrücklich dementiert. Ende 2006 sagte der damalige Verteidigungsminister Samuel Schmid (SVP) im Parlament nur, "in jüngster Zeit" hätten sich keine Schweizer Armeeangehörigen im Irak aufgehalten.

 Geheimsache AAD 10. Sicher ist, dass die Spezialeinheit ab Ende 2008 Fluchtplanungen für die Libyen-Geiseln anstellte.

 Auch dies wurde nur via Indiskretionen bekannt.

 Noch heute will das VBS nicht einmal mit dem exakten Bestand der Einheit herausrücken. Kommuniziert wird nur, dass der Bestand 2007 auf 40 Leute plafoniert wurde, wie VBS-Sprecher Martin Bühler sagt.

 Sicher ist dafür, dass das AAD 10 zum Teil im Ausland bei anderen Spezialeinheiten ausgebildet wird. Es nimmt auch an Wettkämpfen von Sondereinheiten teil. In den Gängen des VBS wird gemunkelt, dass die Schweizer regelmässig auf dem letzten Platz rangieren.

 Konkret geplant wurde der Einsatz von Aufklärungsprofis für Auslandseinsätze ab Ende der 90er-Jahre. 2001 nahm der bundesrätliche Sicherheitsausschuss von den Planungen erstmals zustimmend Kenntnis.

 Jetzt will VBS-Chef Maurer dem AAD 10 die Flügel wieder stutzen. Nur: Der Aufbau geht weiter. "Stand heute" fänden wie geplant ab Januar neue AAD 10-Ausbildungskurse statt, bestätigt das VBS.

 Henry Habegger

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NZZ 30.12.10

Kein Freipass für Spezialtruppe

 Unverändertes Zusammenspiel zwischen Armee und Kantonen

 Bundesrat Ueli Maurer hat mit seiner Ankündigung, die militärische Spezialeinheit AAD 10 nur noch im Inland einzusetzen, einen Sturm im Wasserglas entfacht. An der Rollenverteilung zwischen Bund und Kantonen ändert sich nichts.

 rz. · Das Armee-Aufklärungsdetachement 10 (AAD 10) wurde geschaffen, um in heiklen Kommandoaktionen eingesetzt zu werden. Die hochqualifizierte Spezialformation setzt sich ausschliesslich aus Berufssoldaten zusammen. Insbesondere sollte sie im Ausland zum Schutz von Personen und besonders schutzwürdigen Einrichtungen eingesetzt werden. Von dieser Option will Bundesrat Ueli Maurer jetzt abrücken. Er wolle das Armee-Aufklärungsdetachement künftig nur noch im Inland einsetzen, stellte der Verteidigungsminister in Aussicht (NZZ 29. 12. 10).

 Postwendend meldeten sich Sicherheitspolitiker zu Wort, die Maurers winterliche Meldung entweder belobigten oder aber kritisierten. Die Linke bekämpft Ordnungsdiensteinsätze der Armee im Landesinnern seit je. Andere Stimmen mahnten, das sicherheitspolitische Zusammenspiel zwischen den Kantonen und dem Bund bedürfe verbindlicher Absprachen.

 Genau dieser Aspekt ist aber bereits geregelt. Im Juni 2005 bildeten das VBS und die Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren (KKJPD) eine gemeinsame Plattform. Deren Aufgabe ist es, die Rollenverteilung zwischen den verschiedenen Akteuren zu klären. Man kam überein, dass ohne ein Gesuch der Kantone keine Einheit der Armee subsidiär zur Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit beigezogen werde. Inzwischen habe sich die Praxis etabliert, dass sämtliche kantonalen Gesuche via KKJPD an den Bundesrat adressiert werden, bestätigt Generalsekretär Roger Schneeberger. Klar definiert seien auch die Verantwortlichkeiten. Die Einsatzverantwortung liege immer bei den zivilen Behörden; der Armee obliege einzig die Führungsverantwortung für die militärischen Truppen. Diese Regeln für die Aufgabenverteilung bei der inneren Sicherheit gelten laut Roger Schneeberger integral auch für allfällige Einsätze des Aufklärungsdetachements 10. Daran ändere die Ankündigung von Verteidigungsminister Maurer nichts.

 Im November dieses Jahres hat die Plattform KKJPD - VBS die Aufgabenverteilung in der inneren Sicherheit verfeinert. Über alle Stufen soll zwischen zivilen und militärischen Stellen vertieft zusammengearbeitet werden. Zudem werden Prozesse und Aufgaben in gemeinsamen Übungen geschult. Einsatz- und Verhaltensregeln sollen im Dialog erarbeitet werden. Ausdrücklich wird festgehalten: "Im Konfliktfall entscheiden die zivilen Behörden."

 Auf eidgenössischer Ebene sind die Richtlinien für Truppeneinsätze im Ausland in einer Verordnung festgelegt, die 2006 erlassen wurde. Als mögliche Aufgaben werden darin genannt: Schutz eigener Truppen und Personen; Rettung und Rückführung von zivilen und militärischen Personen; Beschaffung von Schlüsselinformationen zugunsten der genannten Einsätze. Auf Anfrage erklärte VBS-Sprecher Martin Bühler, dass eine Revision dieser Verordnung noch nicht spruchreif sei. Zunächst würden selbstredend die parlamentarischen Sicherheitskommissionen konsultiert. Erst wenn die politische Debatte über die Zukunft des AAD 10 geführt sei, werde die genannte Verordnung allenfalls angepasst.

 Mehrere kantonale und städtische Polizeikorps verfügen über hochspezialisierte Eingreiftruppen, die bei besonders heiklen Einsätzen wie Geiselnahmen und Befreiungsaktionen aufgeboten werden können. Denkbar ist, dass die militärische AAD-10-Einheit aufgeboten werden kann, wenn die Kräfte der Kantone nicht ausreichen. Die Armee-Elite-Formation ist bisher hauptsächlich für Auslandeinsätze geschult worden. Die Ausbildungslehrgänge für künftige Mitglieder des Detachements laufen gemäss Angaben des VBS vorerst unverändert weiter.

 Der Bestand der Berufstruppe, die namentlich im Zuge der Libyen-Affäre in den Blickpunkt gerückt war, ist auf 40 Armeeangehörige plafoniert. Wie viel Personal das AAD 10 zurzeit effektiv umfasst, will man beim VBS nicht sagen. Diese Zahl sei klassifiziert.

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Bund 29.12.10

Maurer will Elitetruppe der Armee auf Inlandeinsätze spezialisieren

 Der Verteidigungsminister sieht für die Sondereinheit AAD 10 nur noch Einsatzmöglichkeiten im Inland. Damit holt sich Maurer den Applaus der SVP. Die Linke läuft gegen Inlandeinsätze Sturm.

 Markus Brotschi

 Geplant wurde die Sondereinheit AAD 10 vor einigen Jahren als 90 Mann starke Elitetruppe, die etwa Schweizer Bürger aus Krisengebieten holt. Doch ausgebildet wurden nur gut 40 Soldaten. Und seitdem das Parlament 2009 deren Einsatz gegen Piraten vor Somalia ablehnte, sucht die Armee eine neue Bestimmung für die AAD 10. Auch eine Aktion zur Befreiung der beiden Schweizer Geiseln in Libyen verwarf der Bundesrat 2009, weil das Risiko zu gross gewesen wäre.

 Da es im Ausland also keinen Auftrag für die kleine Berufstruppe gibt, will sie Verteidigungsminister Ueli Maurer nun auf Inlandeinsätze ausrichten. Dies gab er gestern an einem Medienanlass in Adelboden bekannt. Kommandoaktionen im Ausland gegen den Willen eines betroffenen Staates seien eine "politische Unmöglichkeit": "Kein Staat der Welt hat in den letzten Jahren solche Aktionen durchgeführt", sagte Maurer

 Maurers Ankündigung löst allerdings in der nationalrätlichen Sicherheitskommission (SiK) Irritationen aus. Zwar informierte Maurer die SiK beider Räte im Herbst darüber, dass die AAD 10 künftig im Inland zum Einsatz kommen soll. Es sei aber von einer Erweiterung des Einsatzspektrums auf das Inland die Rede gewesen, sagt SP-Nationalrat Max Chopard (AG). Dass Auslandeinsätze gar nicht mehr zu den Aufgaben der AAD 10 gehörten, hält Chopard für die persönliche Interpretation Maurers. Denn die Verordnung über den Einsatz der AAD 10 lasse Auslandeinsätze weiterhin zu.

 "Merkwürdiges Vorgehen"

 Auch FDP-Nationalrat Peter Malama (BS) findet Maurers öffentliche Ankündigung "merkwürdig". Die Ausrichtung der AAD 10 auf Inlandeinsätze hätte zuerst mit den Kantonen abgesprochen werden müssen, kritisiert Malama. Denn es gebe bereits mehrere Spezialeinheiten fürs Inland: neben jenen der Kantonspolizeien die Bundeskriminalpolizei-Einheit Tigris. Und nun komme noch die AAD 10 dazu. In der Sache geht Malama mit Maurer einig: "Das Know-how der AAD 10 muss erhalten werden. Jede Armee hat eine solche Spezialeinheit."

 Lob erntet Maurer von seiner SVP. "Die Ausrichtung aufs Inland ist die einzige Möglichkeit, um die AAD 10 am Leben zu erhalten", sagt Nationalrat Ulrich Schlüer (ZH). Die SVP hatte bei der Debatte über den Somalia-Einsatz und nach Bekanntwerden der Befreiungspläne für Libyen noch die Auflösung der AAD 10 gefordert. "Wenn das Korps jedoch nur für das eigene Land eingesetzt wird, unterstützen wir das", so Schlüer.

 Anstelle der SVP wird der grüne Nationalrat Jo Lang (ZG) erneut die Auflösung der AAD 10 beantragen. Für Inlandeinsätze sei die Truppe ungeeignet, gar ein Sicherheitsrisiko. Lang erhofft sich die Unterstützung von SP und SVP. Die SVP will Lang mit dem Argument gewinnen, dass Auslandeinsätze der AAD 10 weiterhin möglich seien, wenn der Gesamtbundesrat dies wolle. Zudem werde die Ära Maurer, der Auslandeinsätze ablehne, einmal zu Ende gehen. Ob Lang mit seinem Auflösungsantrag Erfolg hat, ist allerdings auch deshalb fraglich, weil Sicherheitspolitiker der SP die Sondereinheit für Auslandeinsätze erhalten wollen, etwa für den Schutz von Schweizer Botschaften in Krisengebieten oder Einsätze wie in Kosovo, wohin einige AAD-10-Soldaten geschickt wurden.

 Sicherheitskonferenz geplant

 Im bürgerlichen Lager hat Maurer keine grundsätzlichen Einwände gegen die Inlandfokussierung der AAD 10 zu erwarten. So scheiterte Chopard im Oktober in der SiK mit dem Antrag, Inlandeinsätze zu verbieten. Die Elitesoldaten verfügten über Spezialkenntnisse etwa zur Geiselbefreiung aus der Luft, oder sie könnten medizinische Notversorgung vornehmen, sagt Jakob Büchler (CVP, SG), Präsident der nationalrätlichen SiK. Allerdings hält auch Büchler die Absprache mit den Kantonen für ungenügend. Nachdem Maurer im Oktober die SiK informiert hatte, wurde Büchler von einem besorgten kantonalen Polizeikommandanten kontaktiert, der um die kantonale Polizeihoheit fürchtete. Büchler will zur Klärung im Mai eine Sicherheitskonferenz mit Beteiligung der Kantone einberufen. Klar ist für ihn, dass Inlandeinsätze der Elitesoldaten nur subsidiär und in Extremsituationen infrage kommen, wenn die Polizei überfordert ist. Als Beispiel nennt er Terroranschläge.

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NZZ 29.12.10

Eliteeinheit-Einsätze künftig im Inland

 Standortbestimmung Ueli Maurers


 cs. · Bundesrat Ueli Maurer hat die Medienvertreter auch dieses Jahr auf einen Winterspaziergang in seinen Heimatort Adelboden eingeladen. Er gab dabei bekannt, dass die für Kommandoaktionen im Ausland geschaffene Eliteeinheit AAD10 künftig primär im Inland für Spezialeinsätze eingesetzt werden soll. Ferner nutzte der Verteidigungsminister die Zeit nach Weihnachten für einen Rück- und Ausblick auf die Sicherheitspolitik. Er verteidigte den Sicherheitspolitischen Bericht, der viel Kritik geerntet hatte. Zwar fehle eine Priorisierung, räumte Maurer ein. Eine solche sei aber auch nicht möglich. Er wies darauf hin, dass die Verkleinerung der Armee mit der Schliessung von Waffenplätzen einhergehen werde.

 Schweiz, Seite 11

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Winterwanderung mit Ueli Maurer

 Aus- und Rückblick des Verteidigungsministers zur Sicherheitspolitik


 Zum zweiten Mal lud Bundesrat Ueli Maurer Medienvertreter nach Adelboden ein. Thema des Tages war das künftig zu verfolgende Sicherheitskonzept.

 Nadine Jürgensen, Adelboden

 Bundesrat Maurer ist ein Mann, der seine Ziele mit Strategie verfolgt. Die Politik vergleicht er gerne mit dem taktischen Spiel Curling. So kann die Einladung des Verteidigungsministers an die Journalisten für einen winterlichen Spaziergang in seinem Bürgerort Adelboden gewissermassen auch als taktischer Zug gesehen werden. Maurer nutzt die nachrichtenarme Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr geschickt, um seine Sicherheitsstrategie zu präsentieren, und gleichzeitig die Möglichkeit, die Medienvertreter für einmal aufs Glatteis zu führen.

 War am letztjährigen Winterspaziergang noch der eine oder andere Sturz wegen Eisglätte auf dem Weg zu beklagen, so stand heuer die Sicherheit an oberster Stelle. Dies nicht nur in Bezug auf die Journalistenschar, die mit Schutzwesten und Wanderstöcken ausgerüstet wurde, sondern auch inhaltlich.

 Priorität für die Sicherheit

 Im Hotel des Alpes bei Gilbach ob Adelboden erläuterte Maurer, wie er in den kommenden Jahren die schweizerische Sicherheitspolitik verfolgen will. Er skizzierte die Gefahren der Zukunft, die er im Gefälle zwischen Arm und Reich, beim Terrorismus, bei der Migration und bei schwindenden Ressourcen lokalisiert. Die Bevölkerung sei verunsichert. Es sei die Strategie seines Departements der nächsten 10 bis 15 Jahre, Gefahren vorzeitig zu erkennen, Mittel zur Verfügung zu stellen und die Sicherheit im Land mit anderen Partnern zu gewährleisten. Sein Departement skizziert Maurer als Schnittstelle aller im Bund zusammenlaufenden Sicherheitsfragen. Bis 2014 möchte er eine Sicherheitsdelegation einrichten.

 Für die im Sommer bekanntgewordenen Fichierungen durch den Staatsschutz wird alt Ständerat Hansruedi Stadler (Uri, cvp.) ab dem 1. Januar die Bereinigung der gesammelten Datensätze überwachen. Ab 2015 plant Maurer eine neue Armee, ohne ihr jedoch einen neuen Namen geben zu wollen. Dabei wird er sich an den Bundesbeschluss halten müssen, 80 000 Soldaten bei einem Budget von 4,4 Millionen Franken zu unterhalten. Diese Parameter könne das Parlament jedoch noch anpassen. Persönlich wünscht sich Maurer 100 000 Soldaten bei einem Budget von 5 Millionen Franken, wie er im Gespräch sagte.

 Die Eliteeinheit AAD10, die ursprünglich für Kommandoeinsätze im Ausland vorgesehen war, soll neu primär im Inland eingesetzt werden. Die heute aus 40 Leuten bestehende Einheit solle nicht weiter aufgestockt werden.

 Taktisches Spiel

 Mit schwarzer Adidas-Jacke spazierte Maurer dann 40 Minuten zurück nach Adelboden, umringt von Journalisten wie ein beliebter Lehrer auf der Schulreise. Sein Tagesziel, die Debatte um die Sicherheit anzukurbeln, hat Maurer erreicht, ebenso wie die Journalisten mit einem Crashkurs in die Taktik des Curlings einzuführen.

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Oltner Tagblatt 29.12.10

Elitetruppe gegen Terror

AAD 10 Bundesrat Ueli Maurer will die Spezialeinheit auf Inlandeinsätze ausrichten

 Von LORENZ HONEGGER

 Verteidigungsminister Ueli Maurer will die für Kommandoaktionen im Ausland geschaffene Eliteeinheit AAD 10 in Zukunft primär für Spezialeinsätze auf Schweizer Boden einsetzen. An seinem gestrigen Medientag in Adelboden bezeichnete der SVP-Bundesrat Auslandeinsätze als "politische Unmöglichkeit": "Kein Staat der Welt hat in den letzten Jahren solche Aktionen durchgeführt", so Maurer. Eine Einsatzmöglichkeit für das AAD 10 im Inland sieht der SVP-Bundesrat für den Fall, dass die Schweiz ins Visier terroristischer Gruppierungen gerät. "Nehmen wir an, es käme zu einem Terroranschlag in Zürich - vergleichbar mit dem Fall Stockholm Anfang Dezember -, dann müsste man sehr rasch einen Schutz aufbauen", so Maurer gegenüber dieser Zeitung.

 "Es braucht Profis"

 "Dafür braucht es Profis, die gut ausgebildet sind, die Ausbildung und die nötige Sensibilität haben. In einer solchen Situation kann man keine Milizsoldaten vom Bürotisch wegholen." Maurer fügt an, die Polizei bleibe "natürlich das Einsatzmittel der ersten Stunde".

 Sicherheitspolitiker aus dem linken Lager kritisieren Maurers Vorhaben scharf. "Die rechtsstaatliche Trennung zwischen Polizei und Armee muss eingehalten werden", moniert der grüne Nationalrat Geri Müller (AG).

 In Adelboden gab der Verteidigungsminister zudem bekannt, dass er alt Ständerat Hansruedi Stadler (CVP, UR) als externen Verantwortlichen für die Bereinigung der Staatsschutzfichen eingesetzt hat. Der Nachrichtendienst hatte auf Vorrat Daten gesammelt, ohne diese nach Vorschrift auf Relevanz zu prüfen.

 Kommentar rechts, Seite 4

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Kommentar

 "Räubereinsätze" im Inland?

 von Ueli Wild Stv. Chefredaktor

 Die für Kommandoaktionen im Ausland geschaffene Eliteeinheit AAD10 der Schweizer Armee soll künftig nicht mehr im Ausland eingesetzt werden. Auch bisher kamen die rund 40 Mann der AAD10 noch nie zum Einsatz. Aber in der Libyen-Affäre gab es Pläne für eine Befreiung der beiden Schweizer Geiseln. Nun bläst Verteidigungsminister Ueli Maurer grundsätzlich zum Übungsabbruch. "Politisch viel zu gefährlich", so Maurers Befund. Kommandoaktionen im Ausland gegen den Willen des betroffenen Staates seien eine "politische Unmöglichkeit". Selbst Länder mit grossen Armeen könnten sich keine derartigen "Räuberaktionen" erlauben.

 So kann man das durchaus sehen. Doch wer geglaubt hat, jetzt sei die Vernunft eingekehrt, sieht sich getäuscht. Was macht man mit einer Truppe, die überflüssig geworden ist, deren Schaffung sich als Schuss in den Ofen erwies? Man löst sie auf? Weit gefehlt! Man polt sie um. Geht es nach Maurer, wird die AAD10 für Spezialeinsätze im Inland eingesetzt. Oder etwa, um bei seiner eigenen Diktion zu bleiben, für "Räuberaktionen" im Inland?

 Einsätze im Innern sind per se problematisch. Die Bedenken der Linken, ob im vorliegenden Fall begründet oder nicht, sind historisch verständlich. Miliztruppen, das zeigt die Geschichte, eignen sich schlecht für Ordnungsdiensteinsätze. Elitetruppen lassen sich daher in diesem Kontext leicht als potenzielle Instrumente gegen die Bevölkerung verstehen. Der Ruf nach konsequenter Trennung ist berechtigt: Polizeiliche Funktionen sind der Polizei zu überlassen. Auch für Terrorfragen verfügen die grösseren kantonalen Polizeikorps über Spezialdetachemente. Da kann der Bund sparen und überflüssig gewordene Armee-Einheiten getrost liquidieren!

 wild@oltnertagblatt.ch

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Südostschweiz 29.12.10

Elitetruppe AAD10 soll nicht mehr ins Ausland

 Verteidigungsminister Ueli Maurer will das Armee- Aufklärungsdetachement 10 künftig auf Inlandeinsätze ausrichten. Eingreifen könne die Truppe etwa bei einem Terroranschlag - die Linke ist empört darüber.

 Von Lorenz Honegger

 Adelboden. - Der Verteidigungs- minister blieb gestern bei seiner schwarzen Adidas-Jacke und verzichtete auf eine der grellgelben Leuchtwesten, die vor seinem zweiten Medien-Spaziergang durch Adelboden im Berner Oberland verteilt wurden. Die Westen sollten Kollisionen mit Wintersportlern vermeiden, da ein Teil der bundesrätlichen Spazierroute über die Traverse einer Skipiste führte. Doch Ueli Maurer fiel auch ohne Weste auf: Der SVP-Bundesrat erklärte gestern nämlich seine Absicht, das Aufklärungsdetachement der Armee (AAD10) in Zukunft auf Inlandeinsätze auszurichten. Ursprünglich war die Elitetruppe für Kommandoaktionen im Ausland vorgesehen.

 "Einsätze politisch zu gefährlich"

 Diese "Korrektur" sei als Konsequenz der Libyen-Krise zu verstehen: "Die Einsätze, die man angedacht hat, sind für die Schweiz politisch viel zu gefährlich", so der Vorsteher des Eidgenössischen Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport. Eine Befreiungsaktion im Ausland sei allenfalls "in Zusammenarbeit mit einem befreundeten Staat" vorstellbar, aber unter keinen Umständen "gegen den Willen einer anderen Nation". Selbst Länder mit grossen Armeen könnten sich solche "Räuberaktionen" nicht erlauben, so Maurer: "Kein Staat der Welt hat in den letzten Jahren solche Aktionen durchgeführt."

 Als Beispiel für einen möglichen Inland-Einsatz des AAD10 nannte der Bundesrat Schutzaufgaben nach Terroranschlägen und verwies etwa auf das missglückte Bombenattentat von Anfang Dezember in Stockholm. Da brauche es "Profis, die gut ausgebildet sind und die nötige Sensibilität haben."

 Zum Einsatz im Ernstfall kam die 40 Mann starke Elitetruppe bislang notabene nicht. In die Schlagzeilen geriet das AAD10 jüngst aber, nachdem bekannt wurde, dass mehrere Bundesräte während der Libyen-Krise Pläne geschmiedet hatten, die festgehaltenen Schweizer Max Göldi und Rachid Hamdani durch Angehörige der Elitetruppe befreien zu lassen.

 Unmut bei der Linken

 Mit seiner Idee sticht Ueli Maurer in linken Kreisen in ein Wespennest. "Das kommt gar nicht infrage, für derartige Aufgaben im Inland führen mehrere grosse kantonale Polizeikorps eigene Spezialtruppen", sagt der grüne Aargauer Nationalrat Geri Müller. "Die rechtstaatliche Trennung zwischen Polizei und Armee muss eingehalten werden." Parteikollege Josef Lang aus dem Kanton Zug will in der Frühlingssession mit einer parlamentarischen Initiative erneut die Auflösung der Elitetruppe erreichen. "Die AAD10 verträgt sich weder mit der schweizerischen Aussen- noch mit der Innenpolitik", schreibt er in einer Mitteilung. Lang rechnet daher auch mit Zustimmung "aus allen politischen Lagern". Sowieso müsse die Umfunktionierung des AAD10 zuerst in der Verordnung über den Truppeneinsatz zum Schutz von Personen und Sachen im Ausland festgehalten werden, betont Lang. Auch der Solothurner SP-Ständerat Roberto Zanetti reagiert skeptisch auf Maurers Vorhaben: "Auslandeinsätze als Einsatzmittel sollte man nicht im Vornherein a priori ausschliessen."

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NLZ 29.12.10

Neuer Streit über Eliteeinheit lanciert

 Armee

 Der VBS-Chef lehnt Auslandeinsätze der Eliteeinheit AAD 10 ab. Nun wird deren Abschaffung gefordert.

 sda/red. Die für Kommandoaktionen im Ausland geschaffene Eliteeinheit AAD 10 der Armee soll künftig in erster Linie für Spezialeinsätze in der Schweiz eingesetzt werden. Dies gab gestern Bundesrat Ueli Maurer bekannt. Maurer begründete dies damit, Kommandoaktionen im Ausland seien gegen den Willen des betroffenen Staates eine "politische Unmöglichkeit". Zudem sei die Einheit mit 40 Mann für solche Einsätze viel zu klein. Welche Aufgaben die Eliteeinheit im Inland übernehmen soll, liess der VBS-Chef gestern offen.

 Umgehend reagierte Nationalrat Josef Lang (Alternative, Zug) auf die Äusserungen Maurers. Er will in der Frühjahrssession eine parlamentarische Initiative einreichen, welche die Auflösung der AAD 10 verlangt. Lang hofft dabei auf die Unterstützung seitens der SP und der SVP.

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"Politik ist wie Curling-Sport"

 Armee

 Ueli Maurer pfeift seine Ausland-Eliteeinheit zurück: Diese soll nur noch im Inland eingesetzt werden. Und er verrät, was er sich als VBS-Chef für 2011 wünscht.

 Christoph Reichmuth, Adelboden

 christoph.reichmuth@luzernerzeitung.ch

 Im schwarzen Rollkragenpulli empfing Verteidigungsminister Ueli Maurer gestern die Medienschar auf Gilbach ob Adelboden. Unverkrampft plauderte er über Armee, Sicherheit und Sport drauflos. Und verglich dabei die Politik mit dem Curlingsport: "Es braucht Gefühl und Taktik. Man schiesst einen Stein ins Haus, der Gegner räumt ihn wieder aus dem Weg. Und so geht das Spiel immer weiter."

 Deutlich waren die Worte Maurers zu den Einsatzmöglichkeiten der 40 Mann starken Schweizer Eliteeinheit AAD 10, die für Kommandoaktionen im Ausland geschaffen worden ist. "Wir müssen sie auf Sondereinsätze im Inland schulen". Damit machte Maurer deutlich, was er vom durch den Bundesrat geprüften Szenario hält, wonach die AAD 10 die beiden Libyen-Geiseln Max Göldi und Rachid Hamdani aus dem Wüstenstaat hätte befreien sollen. "Wir können nicht gegen den Willen eines entsprechenden Staates solche Auslandaktionen durchführen. Das wäre für die Schweiz überhaupt nicht gut."

 Skeptisch über Auslandeinsätze

 "Kühn und wagemutig" sei, wer der Schweiz eine solche Kommandoaktion überhaupt zutraue. "Dafür brauchen sie 1000 Leute." Abschaffen, wie dies seine SVP fordert, will Maurer die Sondereinheit aber nicht. Der heutige Bestand von 40 Mann sei seiner Ansicht nach aber ausreichend. Maurer machte kein Hehl daraus, dass ihm die Armee-Auslandeinsätze generell nicht gefallen. Der Swisscoy-Einsatz im Kosovo mache am ehesten Sinn. "Ein Einsatz im Sudan oder in Afghanistan kommt für meine Truppen aber nicht in Frage."

 Maurer sprach von diffusen Ängsten in der Bevölkerung, die nicht zuletzt in den beiden angenommenen Abstimmungen über die Minarette und die Ausschaffung zum Ausdruck gekommen seien. Er redete über neue Bedrohungen wie Cyberwar und Terrorismus und über den in Europa längst angekommenen Dschihadismus, weshalb man im Nachrichtendienst 9 Stellen zur Dschihad- und Terrorabwehr geschaffen habe. "Wir bewegen uns mit unserem Nachrichtendienst in der weltweiten Spitze", bemerkte er stolz.

 "Wesentliche Mängel beseitigt"

 Er lobte auch die Armee: "Wir haben die wesentlichen Mängel in der Logistik und im EDV-Bereich beseitigt. Bis Ende 2011 wird die Logistik vollumfänglich funktionieren." Zudem habe man 2010 das Armeebudget um 450 bis 500 Millionen Franken unterschritten - durch Einsparungen, aber auch dank verschobenen Projekten.

 Doch die Einladung in die verschneite Bergwelt Adelbodens, wo Maurer aufgewachsen ist, liess erahnen, dass es ihm nicht um eine konventionelle sicherheitspolitische Standortbestimmung ging. "Schnee, Skifahren und Langlauf, das ist für mich das Grösste", meinte Maurer beim Spaziergang durch die romantische Winterlandschaft. Lange grübeln brauchte er bei der Frage nach seinem grössten Wunsch für 2011 nicht: "Privat ein neues Rennvelo. Und beruflich, dass die allgemeine Stimmung in der Gesellschaft wieder armeefreundlicher wird. Es ist mir schon bewusst, dass wir nicht gerade jetzt die Armee vergrössern können."

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Kommentar

 Detachement, abtreten!

Fabian Fellmann

 Die ständigen Diskussionen über die Sondereinheit Armee-Aufklärungsdetachement 10 zeigen vor allem eines: Das AAD 10, so das Kürzel der Eliteformation der Grenadiere, soll abtreten.

 Schon kurz nach seiner Gründung vor vier Jahren kamen Zweifel auf: Rund um die Frage, wer eine Tauchausbildung absolvieren dürfe, entbrannten Kompetenzstreitigkeiten mit der Militärischen Sicherheit. Denn auch die hat Spezialformationen, die Personen und Einrichtungen schützen und dafür Informationen beschaffen - was dem Hauptauftrag des AAD 10 entspricht. Schon damals fragten sich Sicherheitspolitiker und selbst hohe Offiziere, wozu die Schweizer Armee zwei Sondereinheiten aufbaue.

 In der Zwischenzeit ist die Schweiz einige Erfahrungen reicher: Der Einsatz der Schweizer Elitesoldaten gegen Piraten im Golf von Aden kam politisch nicht in Frage. Die Befreiungspläne des AAD 10 für die Schweizer Geiseln in Libyen wurden an den ordentlichen Kanälen und Kontrollen vorbei geschmiedet. Und bei einer Schutzaktion für die Schweizer Botschaft in Teheran im Herbst 2006 half die Militärische Sicherheit dem AAD 10.

 Das Fazit hat Verteidigungsminister Ueli Maurer selber gezogen: Der Eliteeinheit fehlt ein klarer Auftrag - wie dem Rest der Armee. Wenn er nun das AAD 10 einfach im Inland einsetzen will, ist das Problem aber nicht gelöst, sondern lediglich verschoben. Es drohen weitere Kompetenzgerangel, selbst wenn die Sondereinheiten künftig enger zusammenarbeiten sollen. Denn die Elitetruppe beziehungsweise deren Chefs werden sich ihre Arbeit auch in Zukunft selber suchen müssen. Pannen sind da programmiert.

 Fabian Fellmann

 fabian.fellmann@luzernerzeitung.ch

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Blick 29.12.10

Beim Winterspaziergang rückt Maurer mit der Wahrheit raus!

 Spezialeinheit AAD 10 muss für immer zu Hause bleiben

 Von  Henry Habegger  (Text) und Peter Gerber (Fotos)

 VBS-Chef Ueli Maurer will seine Rambos nicht mehr ins Ausland schicken.

 Was für alt Bundesrat Pascal Couchepin die Sommerwanderung auf die Petersinsel war, ist für Ueli Maurer (60) der Winterspaziergang in Adelboden. Einmal pro Jahr lädt der Verteidigungsminister die Medienleute in seinen Heimatort im Berner Oberland ein. Jeweils in der Altjahrswoche, wenn sonst nicht viel los ist.

 Gestern wartete Maurer mit einer brisanten Neuigkeit auf.

 Er will seine 40-köpfige Sondereinheit, das Armee-Aufklärungsdetachement AAD 10, künftig vor allem im Inland einsetzen: "Kommandoaktionen im Ausland, gegen den Willen des betroffenen Staates, erachte ich als politische Unmöglichkeit." Selbst im Erfolgsfall wären die politischen Folgen verheerend, so Maurer.

 Das AAD 10 war die Einheit, die, mit Billigung Maurers, Fluchtaktionen für die Libyen-Geiseln plante.

 Davon will er in Zukunft nichts mehr wissen. Das AAD 10 wird also seine Homepage umschreiben müssen, auf der steht: "Der Berufsalltag ist vor allem durch die Einsätze im Ausland geprägt."

 Maurer stellte seinen Winterspaziergang ganz unter das Motto Sicherheit. "Die Welt ist nicht sicherer geworden in den letzten Jahren." Wegen Dschihadismus, Terrorismus, Cyberwar. Aber das VBS mache alles, um der Bevölkerung Sicherheit zu bieten. Maurer sieht sich mit seiner Sicherheitspolitik auf dem richtigen Weg. "Es ist uns gelungen, die Diskussion um die Armee anzustossen", sagt er zu BLICK. Bis zu acht Jahre, schätzt er, brauche es, um die Armee auf Vordermann zu bringen. Bleibt er so lange VBS-Chef? "Sofern ich weiterhin Spass daran habe und das Gefühl, dass ich mit meiner Strategie weiterkomme." Andernfalls wäre es wie im Fussball: "Dann müsste ein neuer Trainer her", sagt Maurer.

 Maurer wagte sich gestern auch auf unsicheres Gelände. In der neuen Sportarena in Adelboden liess er sich und den Medienleuten eine Schnellbleiche in Curling geben. Vom Curlingteam Adelboden, dem EM-Teilnehmer von 2007. "Curling ist wie Politik", sagte Maurer. Es gehe um Strategie, und eigene Steine könnten vom Gegner immer wieder weggefegt werden. Und umgekehrt.

 Sprachs, begab sich aufs Glatteis, schob einen Stein. Der geriet etwas zu kurz, aber die Richtung stimmte tatsächlich.

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KNAST
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Tagesanzeiger 31.12.10

Gefängnispersonal hätte besser reagieren sollen

 Verfahren wegen Fahrlässigkeit in der Strafanstalt Bochuz wurde eingestellt.

 Die Strafuntersuchung zum Tod eines Häftlings in Bochuz VD vom vergangenen März ist eingestellt worden. Trotz Fehlern könne dem medizinischen Personal, den Aufsehern und der Direktorin im Pikettdienst kein strafrelevantes Vergehen vorgeworfen werden, entschied der Richter.

 Ein 30-jähriger Häftling hatte am 11. März dieses Jahres seine Zelle in Brand gesteckt. Die Wärter löschten das Feuer, befreiten den Mann aber erst 90 Minuten später aus der Zelle. Der Häftling starb an einer Kohlenmonoxid-Vergiftung.

 In seiner Verordnung zur Einstellung des Verfahrens kommt Richter Daniel Stoll auf die damalige Nacht zurück: Der Häftling - genervt, weil die Wärter ihm Handschuhe und Radio weggenommen hatten - sprach Todesdrohungen gegen das Personal aus. Dann setzte er seine Matratze in Brand und rief in die Gegensprechanlage: "Auf Wiedersehen in einer anderen Welt" und "das brennt".

 Fehler, aber keine Tötung

 Der Untersuchungsrichter entlastet die Wächter und das medizinische Personal des Gefängnisses: "Zu keinem Zeitpunkt" sei zur Diskussion gestanden, den Häftling bewusst sterben zu lassen. Auch wenn zahlreiche Fehler passiert seien, fahrlässige Tötung gehöre nicht dazu. Unter anderem hätte das Gefängnispersonal die Zelle nicht wieder schliessen sollen, nachdem es das Feuer gelöscht hatte, schreibt der Richter. Auch hätten die verantwortliche Direktorin und der Aufseher sofort die Ambulanz alarmieren sollen.

 Aufgrund der verschiedenen Fehler müssen fünf Beteiligte einen symbolischen Beitrag von insgesamt 3500 Franken an die Kosten des Verfahrens zahlen.

 Mit dem Beschluss des Untersuchungsrichters nicht einverstanden ist der Anwalt der Schwester des Verstorbenen. Er werde gegen die Einstellung des Verfahrens Rekurs einlegen, sagte Nicolas Mattenberger am Donnerstag auf Anfrage der Nachrichtenagentur SDA. "Diese äusserst heikle Affäre verdient eine kohärente Beweisaufnahme", hielt er fest. Das müsse ein Gericht klären. Das Vorgehen des Richters ist unverständlich für den Anwalt: "Der Untersuchungsrichter stellt eine bestimmte Anzahl Fehler fest, und dennoch wäscht er alle rein."

 Das Innendepartement des Kantons Waadt nahm die Einstellung des Verfahrens zur Kenntnis, kommentierte den Entscheid aber nicht.(SDA)

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Le Matin 31.12.10

VOGT seul coupable!

 MORT en prisonPour le juge d'instruction, seul Skander Vogt est responsable de sa mort. Il a conclu hier son enquête par un non-lieu pour tous les prévenus.

humbert

 Non-coupables d'homicide par négligence: la vérité judiciaire sur la mort de Skander Vogt est connue depuis hier. Elle suscite déjà l'ire de l'avocat de la sœur de la victime (lire ci-dessous). Senda Vogt va recourir. Car, s'ils ont certes commis des fautes non condamnables pénalement, tous ceux qui ont assisté à l'agonie de ce détenu violent dans sa cellule du quartier de haute sécurité de la prison de la plaine de l'Orbe (VD) n'ont pas été inculpés par le juge d'instruction Daniel Stoll. Dans son ordonnance de 19 pages conclue par un non-lieu, le magistrat note des dysfonctionnements. Ceux-ci justifient qu'une partie "symbolique" des frais soit mise à la charge des gardiens, de leur directrice de piquet, et du personnel sanitaire présents durant la nuit tragique du 10 au 11   mars 2010. Seul le médecin averti trop tard échappe à tout blâme et frais (lire ci-dessous).

Ne pas intervenir

 Procédé unique, ce document a été transmis aux médias. On peut le comprendre, vu l'ampleur prise par les erreurs révélées par "Le Matin".

 Le juge rappelle le parcours chaotique de ce trentenaire né et élevé en Tunisie, abandonné par son père, orphelin de mère, élevé par sa grand-mère puis sa tante. En Suisse, sa scolarité est parsemée de placements dans des institutions dont il s'échappe. Il est plusieurs fois condamné, puis interné. Enfermé, Vogt allume des incendies. Lors de ceux-ci, les gardiens constatent qu'il colle son nez contre la ventilation et essaie de tenir le plus longtemps possible dans la fumée de sa cellule en feu. Le juge note encore qu'il aurait même fait semblant d'être inconscient avant de se jeter sur un pompier. A d'autres reprises, il se couche à terre près de la ventilation et bondit sur les gardiens. Les matons ont l'ordre de ne pas intervenir à son encontre sans mobiliser les "Rambos" de la gendarmerie.

Il veut des clips de r'n'b

 La nuit du drame démarre mal: Vogt menace. Peu après minuit, il se plaint qu'une chaîne de TV ne diffuse que de la "musique de m…". Par interphone, il exige des gardiens qu'ils appellent la chaîne pour lui demander des clips de r'n'b. Il fixe un ultimatum annonçant des "morts" si le personnel ne s'exécute pas. Vogt n'aurait jamais été aussi énervé, selon la justice. Peu avant 1 h, nouvel avertissement: "Au revoir et à dans un autre monde. " "Fais pas le con", réplique le gardien. "Trop tard, ça flambe", lui répond Skander Vogt. Du personnel se rend dans la cellule. La porte en est ouverte. Pas la grille, obstruée par un matelas en flammes. C'est ce matelas qui dégagera du cyanure mortel en brûlant.

Crainte d'une simulation

 L'incendie est éteint, mais la porte est refermée, a déterminé l'enquête. Les ordres sont de ne pas pénétrer dans la cellule, encore remplie de fumée en raison d'un arrêt d'un aspirateur interne. Vogt vit encore. Les gardiens et leur directrice craignent que le détenu ne simule. Le service sanitaire arrive une heure plus tard. Tout le monde attend les gendarmes. Les ambulanciers sont inquiets. Ils veulent intervenir: Vogt ne respire plus. Les gardiens s'équipent enfin d'un plastron et d'un casque. Il est 2 h 44. Près de deux heures se sont écoulées: 17   minutes de tentatives de réanimation ne changeront rien. Skander est mort. Le cyanure l'a tué en un temps que les experts ne peuvent évaluer.

 Le juge Daniel Stoll pense que personne n'a voulu la mort du trentenaire. Une directive commande cependant au personnel d'intervenir si la vie d'un détenu est en danger. Il y a eu des atermoiements, des fautes, des erreurs d'appréciation. Mais rien qui justifie une inculpation pour homicide par négligence, selon le magistrat. "Compte tenu de l'absence de lien de causalité entre les négligences retenues et le décès, aucune responsabilité pénale ne sera retenue contre les prévenus", écrit le juge. "La cause principale du décès est à mettre sur le compte de Skander Vogt lui-même, qui a mis le feu au matelas de sa cellule, non sans avoir auparavant menacé à plusieurs reprises les gardiens. "

 Chef du Département de l'intérieur, Philippe Leuba a indiqué qu'il ne ferait aucun commentaire sur cette décision de justice. Outre un changement de direction au Service pénitentiaire, le conseiller d'Etat rappelle ce qui a été mis en œuvre pour éviter un nouveau drame: directives de sécurité revues, service de piquet de nuit créé avec un agent supplémentaire ou interdiction des briquets dans la zone sécurisée.

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 "C'EST UNE MASCARADE DE JUSTICE!"

 Je suis aussi choqué que scandalisé par ce non-lieu général. Voilà un juge d'instruction qui, sur 19 pages, reconnaît et détaille les erreurs des différents protagonistes puis blanchit tout le monde! Et ce, en invoquant parfois un "bénéfice du doute". Je ne dis pas que ces personnes sont coupables, mais cette affaire mérite un procès - on parle d'un homme qu'on laisse suffoquer durant une heure et demie. C'est à un tribunal de juger si ces doutes doivent ou pas bénéficier aux différentes personnes, pas à un juge d'instruction. J'ai aujourd'hui l'impression d'une mascarade de justice. L'impression qu'on a mis cette affaire dans une machine à laver avec programme essorage rapide pour blanchir tout le monde… Je vais faire recours.

 MeNicolas MattenbergerAvocat de Senda, sœur de Skander Vogt

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 6 protagonistes blanchis

 Selon le juge, ils ont presque tous commis des erreurs. Mais ne sont pénalement pas punissables.

 LES TROIS SOIGNANTS

 Les faitsIls sont trois soignants la nuit du drame. Un infirmier de piquet et deux ambulanciers. Tous arrivés vers 2 h près de la cellule de Skander Vogt. Le détenu gît alors sur le sol. Aux trois, il est dit qu'on ne peut pas entrer dans la cellule sans le DARD, groupe d'intervention de la police vaudoise. Durant l'attente, leur inquiétude ne cesse d'augmenter. Ils demandent quand le DARD va arriver. Ou s'il est "envisageable" d'entrer quand même. A 2 h 30, un des ambulanciers comprend que le détenu a cessé de respirer. Ce qui mènera à l'entrée de gardiens dans la cellule, à 2 h 44. Skander Vogt est mort.

 Le verdict"Ils auraient dû savoir, selon l'expertise médicale, qu'une intervention immédiate de leur part était absolument nécessaire pour sauver Skander Vogt, écrit la justice. L'état d'urgence décrété uniquement au moment de l'arrêt respiratoire aurait dû l'être bien avant. Les règles de l'art médical n'ont pas été respectées. " Mais "aucune infraction pénale ne peut être retenue" contre eux. Ils devront chacun payer 500   fr. de frais de justice.

 LE GARDIEN DE PIQUET

 Les faitsA 1 h 30, malgré l'extinction du feu, le gardien responsable constate qu'il y a encore de la fumée dans la cellule. Il appelle Skander Vogt, qui ne répond pas. Il l'entend respirer. Il s'activera, téléphonera à la directrice de piquet, fera venir les infirmiers, une ambulance, le DARD. Mais, par peur d'une simulation, n'entre pas dans la cellule. A 2 h 30, il finit par dire à sa cheffe la nécessité d'intervenir d'urgence.

 Le verdict"Il n'a pas respecté les consignes en cas d'incendie consistant à tenter d'évacuer et de porter secours aux occupants des lieux en feu", souligne la justice. Reste qu'"aucune infraction pénale ne peut être retenue" contre lui. Il écope de 1000   fr. de frais de justice.

 LA RESPONSABLE PÉNITENTIAIRE

 Les faitsCette cadre du Service pénitentiaire est la responsable de piquet. Elle est chez elle. Elle est avertie de la situation à 1 h 20 environ. A 2 h 30, elle acceptera finalement que l'équipe de gardiens sur place entre dans la cellule. Elle partira pour le pénitencier lorsqu'on lui annonce la mort de Skander Vogt.

 Le verdictSelon la justice, elle n'aurait pas dû rester chez elle et avait l'obligation de se rendre sur place. "Son déplacement lui aurait permis de mieux se rendre compte de la situation et de donner immédiatement et vraisemblablement l'ordre d'entrer dans la cellule. " Mais "aucune infraction pénale ne peut être retenue" contre elle. 1000   fr. de frais de justice.

 LA MÉDECIN DU SMUR

 Les faitsLa prison appelle une équipe du SMUR (Service mobile d'urgence et de réanimation) en renfort vers 1 h 30. Cette équipe, menée par une femme médecin, arrive vers 2 h 20 devant la cellule de Skander Vogt. On lui dit d'attendre le DARD. La médecin "n'est arrivée que 5 minutes avant l'arrêt respiratoire dans la version qui lui est le plus favorable. Elle n'a ainsi guère eu le temps de réaliser l'importance du danger de mort", dit le jugement. La tentative de réanimation débutera à 2 h 44. A 3 h 01, c'est elle qui devra constater le décès.

 Le verdictOn ne peut absolument rien lui reprocher, selon le jugement. "Les règles de l'art, la concernant, ont été respectées. "

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 RAPPEL DES FAITS

 L'affaire Skander en trois dates

 JANVIER 2001Skander Vogt est condamné à 20   mois de prison, principalement pour voies de fait. Considéré comme violent et dangereux, instable, souffrant de troubles psychologiques, il voit sa peine commuée en une mesure d'internement sans date de sortie. Il est détenu dans le quartier de haute sécurité de la prison de Bochuz.

 MARS 2010Durant la nuit du 10 au 11   mars, Skander Vogt, très agité et menaçant, met le feu à son matelas. Les gardiens éteignent le feu mais n'entrent pas: ils craignent le détenu. Qui meurt étouffé dans sa cellule. Il avait 30   ans.

 MAI 2010"Le Matin" révèle les dysfonctionnementsqui ont eu lieu la nuit du drame. Peu à peu, les têtes tombent, un juge indépendant est nommé, la justice se saisit de l'affaire.

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La Liberté 31.12.10

Le juge prononce un sextuple non-lieu

 Affaire SKANDER VOGT - Le juge d'instruction cantonal Daniel Stoll ne renvoie personne au tribunal. A ses yeux, aucune faute pénale n'entoure l'asphyxie mortelle du détenu dans sa cellule de Bochuz, en mars.

 Jérôme Cachin

 Aucune des six personnes soupçonnées d'avoir tué Skander Vogt par négligence le 11 mars 2010 ne doit être renvoyée devant un tribunal. C'est la conclusion du juge d'instruction du canton de Vaud, Daniel Stoll. Son sextuple non-lieu rendu mercredi a été diffusé hier matin, après une enquête de huit mois. Il fera l'objet d'un recours de la partie civile (voir ci-dessous).

 La liste des erreurs de ces six personnes est longue, mais il ne s'agit pas de négligences qui ont causé la mort du prisonnier à cause d'une "intoxication aiguë au cyanure" émanant de la fumée du matelas en feu.

 D'abord, la porte n'aurait pas dû être refermée après l'extinction de l'incendie; Skander Vogt aurait dû être sorti de sa cellule et les pompiers auraient dû être appelés. Les gardiens ne savaient pas que la ventilation ne fonctionnait pas. "Aucun des gardiens n'avait réalisé et même imaginé que Skander Vogt était resté enfermé dans la fumée." Le piquet de service et la directrice de piquet ont ensuite commis l'erreur de ne pas laisser entrer les ambulanciers, puis l'équipe du SMUR.

 Mais les ambulanciers et le piquet infirmier n'étaient pas en mesure de "déterminer la réalité ou non de l'état d'inconscience" de Skander Vogt, affirme Daniel Stoll, rappelant que le détenu était considéré comme un simulateur, qui aurait pu mettre ses menaces à exécution et agresser le gardien qui aurait ouvert la grille. L'équipe médicale et les ambulanciers auraient mieux dû informer les gardiens des risques létaux. Le piquet de service aurait dû faire équiper les gardiens plus tôt. Enfin, la directrice de piquet aurait pu et dû venir plus tôt, ce qui lui aurait permis de "donner directement et plus tôt l'ordre d'intervenir dans la cellule".

 Agitation extrême

 Placé en quartier de haute sécurité, le prisonnier Skander Vogt, âgé de 30 ans, était connu des gardiens pour avoir déjà mis le feu à ses cellules. Ce soir-là, il est dans un état d'agitation extrême. Il hurle et menace verbalement pour protester contre la confiscation de sa radio. Vers 0 h 50, il annonce par l'interphone avoir mis le feu dans sa cellule. "Trop tard, ça flambe" sont les derniers propos que les gardiens entendent. Son décès est constaté à 3 h 01. Entre ces deux moments, les actions des gardiens, de leurs supérieurs et du personnel sanitaire sont reconstituées (voir ci-contre).

 Le juge Daniel Stoll fait aussi la liste des compléments d'enquête demandés par deux des parties et rejetés. La sœur de Skander Vogt et le piquet de service n'ont pas obtenu l'audition de témoins au sujet du débriefing du 13 mars. Lors de cette séance, il aurait été question du niveau d'information dont disposait la directrice de piquet, qui demandait aux gardiens d'attendre l'arrivée du DARD. De même, le piquet de service n'a pas obtenu que des témoins soient entendus sur l'existence d'une "directive orale" interdisant d'entrer de nuit, sans le DARD (forces spéciales de la police cantonale), dans la cellule d'un détenu comme Skander Vogt.

 Partie civile, la sœur de Skander Vogt demandait aussi: d'établir quelle était la formation de pompier du piquet de service; d'inculper et de renvoyer devant la justice les trois gardiens et la directrice de piquet; et d'auditionner le directeur de la prison sur l'obligation d'attendre le DARD. I

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Chronologie

 Dans l'attente du DARD

 Le 11 mars à 1 h 01, les gardiens ont constaté de visu l'incendie en ouvrant la porte de la cellule: le matelas était "appuyé" contre la grille de la cellule (qui restera fermée jusqu'à 2 h 43) et "des flammes s'en dégageaient". Ils referment la porte "pour éviter l'appel d'air", reviennent la rouvrir et éteignent le feu avec une lance à incendie, puis referment la porte et actionnent la ventilation. Un voyant rouge indique une panne de la ventilation. Un gardien ne parvient pas à résoudre cette panne. Mais "entre-temps, la fumée a pu être évacuée de la Division d'attente" (quartier de haute sécurité, ndlr).

 Vers 1 h 18, le piquet de service arrive à la prison, appelé par un des gardiens, et rapporte ces faits à la directrice de piquet, qui se trouve chez elle. Elle se rend sur place à 3 h 37, après avoir appris la mort de Skander Vogt.

 Vers 1 h 32, le piquet de service ouvre la porte de la cellule, y voit de la fumée et appelle le prisonnier qui ne répond pas. Il l'entend respirer, appelle le piquet médical, donne des ordres pour appeler une ambulance et le DARD, appelle à nouveau la directrice de piquet pour la tenir au courant. "Au vu des menaces qui avaient été proférées par Skander Vogt et par peur qu'il ne simule l'inconscience, la décision a été prise de ne pas intervenir dans la cellule, pour ne pas mettre en danger les gardiens."

 Vers 1 h 39, une ambulance et le DARD sont demandés à la centrale de la police. Vers 1 h 58, c'est le piquet infirmier qui arrive vers la cellule. Vers 2 h, les gardiens expliquent la situation aux ambulanciers qui viennent d'arriver. Le DARD est encore attendu pour ouvrir la grille. Les ambulanciers appellent le SMUR, qui arrive vers 2 h 20 ou 2 h 23.

 Entre 2 h 25 et 2 h 35, un ambulancier constate que le prisonnier ne respire plus. "Il en a avisé les gardiens, et notamment le piquet de service, qui ne paraît pas avoir saisi tout de suite l'urgence de la situation (...)" Suit une discussion entre le piquet médical et le piquet de service. Ce dernier appelle alors pour la troisième fois la directrice, qui lui ordonne de faire équiper les autres gardiens de casques et plastrons et d'entrer dans la cellule. A 2 h 43, ils ouvrent la grille de Skander Vogt et l'évacuent. La tentative de réanimation dure de 2 h 44 à 3 h 01, heure de constat du décès. Le DARD arrive à 2 h 53. JC

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 Me Nicolas Mattenberger: "C'est une mascarade de justice"

 Avocat de la sœur de Skander Vogt, Nicolas Mattenberger fera recours contre le non-lieu. Le Tribunal d'accusation dira donc s'il confirme cette décision de classement ou s'il renvoie l'affaire au juge Daniel Stoll pour inculpation. Joint en Thaïlande sur son lieu de vacances, il qualifie la décision de "mascarade de justice".

 Comment réagissez-vous après ce non-lieu général?

 Nicolas Mattenberger: Ce qui me choque, c'est que le juge d'instruction refuse de donner suite aux diverses mesures d'instructions complémentaires requises. Le directeur de la prison n'a même pas été entendu, ce que je trouve assez fou. Idem pour les différentes personnes ayant participé à la séance de débriefing (le 13 mars 2010, au surlendemain des faits, ndlr). Elles auraient entendu la directrice adjointe donner l'ordre de ne pas rentrer dans la cellule. Cela a tout de même une incidence importante sur le sort de l'enquête.

 Et puis le juge d'instruction rend cette décision le 30 décembre. Je ne vois pas où était l'urgence, alors que la majorité des études d'avocat sont fermées et que les gens sont en vacances. S'il avait attendu, il aurait dû y avoir très certainement des auditions finales en compagnie des conseils des parties, en vertu du nouveau droit de procédure pénale.

 Vous critiquez le rôle du juge d'instruction cantonal?

 Il aurait fallu que les choses soient vraiment claires pour rendre une ordonnance de non-lieu. Il suffit qu'une condamnation paraisse probable pour renvoyer les prévenus devant un tribunal qui a pour rôle de se prononcer sur la culpabilité. Or le juge d'instruction essaie de disculper tout le monde au bénéfice du doute. Ce n'est pas à lui de faire ce travail, mais à un tribunal d'accusation. Le juge d'instruction reconnaît qu'il y a eu un certain nombre de négligences et que des directives n'ont pas été suivies. Mais à chaque fois, il dit que le lien de causalité est rompu.

 Par exemple?

 Sur les menaces que proférait Skander Vogt, le juge d'instruction dit qu'on était en droit de penser qu'il pouvait simuler. Mais si on écoute bien les conversations téléphoniques, quand les gardiens ont appelé la première fois les secours, ils ne parlent pas de "simulation", mais disent bien "il est inconscient" et "il ne répond pas". Cet élément nécessite une confrontation en audience publique, devant un tribunal.

 C'est la même chose pour la directrice de piquet. Le juge reconnaît qu'elle aurait dû se déplacer, qu'elle aurait mis moins de 60 minutes pour venir à la prison, mais qu'on ne sait pas s'il serait mort malgré sa venue. Là, le juge ne se base que sur l'expertise, qui dit que l'on ne sait pas. A nouveau, lors d'une audience, les experts et les témoins sont entendus. Le cas échéant, c'est au Tribunal correctionnel de le dire, mais pas au juge d'instruction.

 Y a-t-il des différences significatives entre l'enquête administrative de Claude Rouiller, ancien président du Tribunal fédéral mandaté par le Conseil d'Etat, et l'enquête du juge d'instruction Daniel Stoll?

 Dans les deux cas, les faits sont assez proches de la réalité. L'enquête de Claude Rouiller met notamment en avant les directives de la prison et le fait qu'elles n'ont pas été respectées. Celle du juge d'instruction présente quant à elle Skander Vogt sous un plus mauvais jour que ne l'a fait Claude Rouiller. Ce que M. Rouiller avait relevé, c'est que Skander Vogt n'a jamais agressé physiquement un gardien de prison.

 Propos recueillis par jc

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24 Heures 31.12.10

Des erreurs à Bochuz et un non-lieu général

 Le juge a écarté l'homicide par négligence dans l'affaire Skander Vogt

 Dans la nuit du 10 au 11   mars, Skander Vogt, détenu au quartier de haute sécurité du pénitencier d'Orbe depuis 2005, met le feu à son matelas en lançant dans l'interphone: "Au revoir et à dans un autre monde. " Cette nuit-là, le juge Daniel Stoll l'a détaillée et analysée avant de prononcer le non-lieu communiqué hier. Si le magistrat reconnaît des erreurs comme des décisions et des interventions trop tardives vu les circonstances, il écarte tout lien de causalité entre ces négligences et le décès de la victime. Un avis que ne partage pas Nicolas Mattenberger. L'ancien avocat du détenu a d'ores et déjà annoncé qu'il allait recourir contre cenon-lieu. Pour lui la décision "est un peu une mascarade de justice. Le juge reconnaît qu'il y a un certain nombre d'erreurs, mais il blanchit tout le monde. " Dans un communiqué, le conseiller d'Etat Philippe Leuba a pris acte de cette ordonnance sans faire de commentaire puisqu'il s'agit d'une décision de justice.

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Le drame de Bochuz ne vaut pas un procès, décide le juge

 Affaire Skander VogtLe juge d'instruction a bouclé son enquête. Il relève de nombreuses négligences mais renonce à renvoyer les six inculpés devant un tribunal

 Georges-Marie Bécherraz

 "La cause principale du décès est à mettre sur le compte de Skander Vogt lui-même, qui a mis le feu au matelas de sa cellule, non sans avoir auparavant menacé à plusieurs reprises les gardiens. " Daniel Stoll, substitut du juge d'instruction cantonal, ne s'est bien sûr pas limité à cette observation pour renoncer à condamner ou à poursuivre pénalement les six personnes inculpées à la suite de la mort de ce détenu de 30 ans, survenue dans la nuit du 10 au 11   mars dernier dans le quartier de haute sécurité de Bochuz.

 L'ordonnance de non-lieu qui marque la fin de son enquête prend vingt pages pour expliquer comment et pourquoi aucune responsabilité pénale ne peut être retenue contre les deux gardiens, la responsable cantonale de piquet cette nuit-là, deux secouristes et le médecin de service poursuivis pour homicide par négligence.

 "À aucun moment il n'a été question de laisser volontairement mourir Skander Vogt", estime nécessaire d'écrire le juge. Selon lui, si les propos échangés entre le pénitencier et la centrale de la police cantonale laissaient croire le contraire, c'est parce qu'ils ont été sortis de leur contexte et interprétés de manière négative. Ainsi, pour Daniel Stoll, lorsqu'on entend un agent dire au téléphone "il peut crever", il faut comprendre "Il risque de mourir si l'on ne se dépêche pas. " Ou encore, celui qui a lancé "il est inconscient, c'est une bonne chose", voulait en fait dire: "Il est inconscient, c'est bien car cela permettra de le sortir plus facilement de sa cellule pour le mettre en main du personnel médical présent. "

 Claude Rouiller, l'ancien juge fédéral chargé de l'enquête administrative, avait observé que "dans cette affaire, chacun a fait tout faux, mais pas forcément par sa faute". Telle pourrait être aussi la conclusion des investigations menées par Daniel Stoll, qui cite le Code pénal: "Quiconque agit sous l'influence d'une appréciation erronée des faits est jugé d'après cette appréciation si elle lui est favorable. "

 Une chose semble claire: cette triste affaire résulte d'une cascade de négligences. Pourquoi débouchent-elles sur un non-lieu? Parce qu'il a été estimé qu'il n'y avait aucun lien de causalité entre ces négligences et le décès de Skander Vogt. Pas question pour autant de laisser croire aux inculpés qu'ils ont subi à tort les tracas du juge. Daniel Stoll: "Leur comportement n'a pas toujours été adéquat et conforme aux directives ou aux règles de l'art en matière médicale et a justifié une enquête approfondie avec la nécessité notamment d'ordonner des expertises. " Cinq de ces six personnes se partageront ainsi 3500 francs de frais, montant symbolique en regard du coût des investigations.

 Cette forme un peu particulière de condamnation - 1000 francs de frais - s'applique en premier lieu à la directrice de garde des établissements pénitentiaires vaudois cette nuit-là: "Son déplacement lui aurait permis de mieux se rendre compte de la situation et de donner immédiatement et vraisemblablement plus rapidement l'ordre d'entrer dans la cellule. " Même chose pour le cadre de piquet qui n'a pas respecté la consigne consistant à tenter d'évacuer et de porter secours aux occupants des lieux en feu. Les ambulanciers et l'agent sanitaire, qui auraient dû savoir qu'une intervention urgente était nécessaire, écopent chacun d'une facture de 500 francs. Seul le médecin de service est exempté: "Arrivée cinq minutes avant l'arrêt respiratoire, elle n'a guère eu le temps de réaliser l'importance du danger de mort imminente. "

 Ancien défenseur de Skander Vogt, l'avocat et député Nicolas Mattenberger annonce d'ores et déjà qu'un recours sera déposé contre ce non-lieu. "Je ne conteste pas que le bénéfice du doute doit profiter aux accusés, mais je dis que ce n'est pas au juge d'instruction de décider cela seul. Je m'étonne que M. Stoll n'ait pas jugé utile de renvoyer l'affaire devant un tribunal, lequel est plus apte à disculper les gens lorsqu'on admet qu'il y a eu des actes de négligence et qu'on n'a pas respecté les directives. "

 L'avocat, qui avait été étonné que les premiers intervenants ne soient pas inculpés, ne se faisait pas trop d'illusions sur l'issue de l'enquête: "Quand même, lorsque j'ai vu qu'étaient inculpés, il n'y a pas si longtemps, les ambulanciers, je pensais que l'on irait vers un renvoi devant un tribunal. "    

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 Skander, un destin tourmenté

 Pascale Burnier

 Skander Vogt, un nom devenu célèbre. Derrière cette fin tragique, il y avait surtout un jeune homme de 30 ans au destin tourmenté. Le 6   mars 1980, il naît à Tunis d'un père ingénieur bâlois et d'une mère cadre supérieur tunisienne. Il n'a que 3 ans lorsque sa mère décède. Son père revient en Suisse, sans lui ni sa sœur aînée. Les deux enfants sont alors recueillis par leur grand-mère maternelle, puis par une tante. Une époque où Skander aurait été victime de violences physiques et d'abus sexuels d'un parent plus âgé. Après une scolarité chaotique, il prend en 1995 le chemin de la Suisse avec sa sœur. De familles d'accueil en institutions, il devient ingérable. En 1997, il est condamné par le Tribunal des mineurs pour vol en bande et par métier, brigandage, recel, violation de domicile, violence, menace contre les autorités. Skander est placé en maison d'éducation. Les psychiatres voient en cet adolescent intelligent une âme en carence affective, prête à commettre des actes violents en cas de frustration. Il est encore condamné en 1999 à 15 mois de prison pour des faits similaires. Puis en 2001 à 20 mois de détention. Une peine suspendue au profit d'un internement. Dès lors, il ne ressortira jamais de prison. Un incendie en 2005 lui vaut une dernière peine. Détenu, Skander Vogt s'était affiché en montant sur le toit de Bochuz en 2008. Avant sa mort, il disait attendre des hélicoptères qui n'existaient que dans son imagination. Pascale Burnier

 Incidences politiques

 L'affaire Skander Vogt connaîtra des suites judiciaires puisqu'un recours est annoncé. Sur le plan politique, l'affaire n'est pas terminée non plus. Plusieurs objets au Grand Conseil concernent la situation des prisons vaudoises. En particulier, la présidente des socialistes, Cesla Amarelle, a mis directement en cause les conditions de détention dans le quartier de haute sécurité de Bochuz, en dénonçant des mesures d'économie et de durcissement réalisées depuis 2008. Il se pourrait bien que la gauche tente par ce biais de déstabiliser le chef libéral du Département, Philippe Leuba. Par ailleurs, cette affaire a révélé d'autres cas de détention jugés critiquables. Et les élus interpellent de plus en plus le Conseil d'Etat sur le Service pénitentiaire vaudois. Dans le même temps, la section vaudoise de la Ligue suisse des droits humains s'est engagée à publier des rapports sur les conditions de détention dans les prisons. On n'a pas fini de parler des conditions d'incarcération dans le canton. J. FD

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 Dates-clés de l'affaire

 11   mars 2010

 Skander Vogt contacte plusieurs fois la centrale de la prison de Bochuz. Il exige, entre autres, que la musique diffusée sur une chaîne TV soit changée et menace les gardiens. A 00 h 50, il met le feu à son matelas. A 3 h 01, après 17 minutes de réanimation, son décès est constaté par un médecin.

 13   mars 2010

 Philippe Leuba, chef du Département de l'intérieur, déclare: "En l'état je n'ai décelé aucune erreur du Service pénitentiaire, aucun retard ni faute dans la procédure. Nous attendons désormais les conclusions du juge d'instruction et de l'enquête interne que j'ai commandée. "

 16   avril 2010

 Les bandes sonores des conversations entre les autorités, le soir de la mort de Skander Vogt, sont dévoilées parLe Matin. Elles révèlent des dysfonctionnements et un ton inapproprié. Le scandale éclate. Le lendemain, la ministre Jacqueline de Quattro et le commandant de la police cantonale, Jacques Antenen, adressent leurs excuses à la famille Vogt.

 20   avril 2010

 Le Parti socialiste, les Verts et A Gauche toute! demandent l'ouverture d'une enquête administrative indépendante, sachant qu'elle est jusqu'alors menée par Catherine Martin, cheffe du Service pénitentiaire.

 26   avril 2010

 Philippe Leuba nomme deux nouveaux enquêteurs. L'ancien juge fédéral Claude Rouiller succède à François Jomini, lui-même remplaçant de Catherine Martin, mais suspecté de ne pas être suffisamment indépendant du Service pénitentiaire. Daniel Stoll, substitut du juge d'instruction cantonal, reprend l'enquête pénale.

 27   avril 2010

 La prison du Bois-Mermet se révolte en signe de solidarité avec Skander Vogt.

 23   juin 2010

 Le juge d'instruction Daniel Stoll inculpe plusieurs protagonistes du drame pour homicide par négligence.

 8   juillet 2010

 Philippe Leuba annonce que la cheffe du Service pénitentiaire, Catherine Martin, quitte son poste avec effet immédiat. Le rapport accablant de Claude Rouiller sur les circonstances du décès de Skander Vogt est rendu public. Philippe Leuba conclut que le Service pénitentiaire "doit être réformé en profondeur". P. B.

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L'£xpress/L'Impartial 31.12.10

MORT D'UN DÉTENU À BOCHUZ

 La justice rend un non-lieu mais pointe des erreurs

 L'enquête sur le décès d'un détenu à Bochuz (VD) en mars 2010 a abouti à un non-lieu général. Il y a eu des erreurs mais rien de pénalement répréhensible ne peut être retenu à l'encontre du personnel médical, du gardien et de la directrice de piquet la nuit du drame. Un recours est annoncé.

 Dans son ordonnance de non-lieu, le juge Daniel Stoll revient sur la nuit du 11 mars. Skander Vogt, qui était énervé parce qu'on lui avait retiré ses gants et sa radio, a menacé de mort les gardiens. Ensuite il a mis le feu à son matelas lançant dans l'interphone: "Au revoir et à dans un autre monde" puis "ça flambe".

 Le juge d'instruction détaille l'intervention des gardiens et du personnel médical appelé au pénitencier d'Orbe. "A aucun moment", précise-t-il, "il n'a été question de laisser mourir volontairement Skander Vogt". Le magistrat écarte l'homicide par négligence: une série d'erreurs ont été commises, mais il n'y a pas de lien de causalité entre ces négligences et le décès de la victime.

 Première erreur: avoir refermé la porte de la cellule après avoir éteint le feu, au lieu d'en sortir le détenu. Mais, reconnaît le juge, personne n'a réalisé que le système de ventilation ne fonctionnait pas et que le prisonnier restait dans la fumée. La directrice et le gardien de piquet sont épinglés pour ne pas avoir autorisé immédiatement les ambulanciers à entrer dans la cellule. Certes, admet le juge, ils craignaient que le prisonnier simule un état d'inconscience et qu'il devienne agressif dès qu'on ouvre la porte.

 Skander Vogt avait été condamné début 2001 à une peine de vingt mois d'emprisonnement pour voies de fait notamment. En prison, il était considéré comme dangereux et séjournait depuis le 12 août 2005 en régime de haute sécurité.

 Enfin, le juge estime que l'équipe médicale aurait dû mieux informer les gardiens des risques létaux encourus par Skander Vogt.

 Me Nicolas Mattenberger, avocat de la sœur de Skander Vogt, va recourir contre ce non-lieu. Il s'étonne que le juge n'ait pas renvoyé le dossier devant un tribunal. "Cette affaire ultrasensible méritait une instruction cohérente", a-t-il dit à l'ATS. "C'est un peu une mascarade de justice. Le juge reconnaît qu'il y a un certain nombre d'erreurs mais il blanchit tout le monde". /ats

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20 Minutes 31.12.10

Skander Vogt: des erreurs, mais pas de négligence

bochuz (VD). La justice annonce qu'elle ne poursuivra pas le personnel de la prison et les secours pour la mort du détenu, en mars 2010.

 "La cause principale du décès de Skander Vogt est à mettre sur le compte de Skander Vogt lui-même, qui a mis le feu au matelas de sa cellule", conclut le juge d'instruction dans son ordonnance de 19 pages rendue publique hier.

 Le magistrat blanchit les six prévenus: un gardien, une directrice et des membres du corps médical, pour la mort par asphyxie du jeune homme de 30 ans, le 11 mars dernier à la prison de Bochuz. "A aucun moment il n'a été question de laisser volontairement mourir Skander Vogt", note le juge, qui ne retient aucune infraction pénale. En revanche, poursuit-il, "le comportement de certains prévenus n'a pas toujours été adéquat et conforme aux directives". Raison pour laquelle cinq d'entre eux devront payer les frais de justice qui s'élèvent à 3500 fr.

 Skander Vogt, incarcéré depuis 1999, était un prisonnier à problèmes. L'ordonnance souligne que, par le passé, il avait déjà bouté le feu à sa cellule et menacé ses gardiens.

 Le 11 mars, vers 0 h 50, le détenu a appelé la centrale de la prison, à laquelle il a calmement annoncé: "Au revoir, et à dans un autre monde." Le gardien a essayé de le raisonner, mais il lui a répondu: "Trop tard, ça flambe." Si le personnel a tout de suite réagi en allant éteindre le feu, il n'a pas sorti immédiatement Skander Vogt de sa cellule, soupçonnant le détenu de simuler un évanouissement.

 Le Canton a pris acte de cette décision de justice. Les autorités n'ont fait aucun commentaire. -  

Renaud Bournoud/ats

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 "Une mascarade de justice"

 Me Nicolas Mattenberger, avocat de la sœur de Skander Vogt, va recourir contre ce non-lieu. Il s'indigne que le juge n'ait pas renvoyé le dossier devant un tribunal. "Cette affaire ultrasensible méritait une instruction cohérente, a-t-il réagi hier. C'est un peu une mascarade de justice. Le juge reconnaît qu'il y a un certain nombre d'erreurs, mais il blanchit tout le monde."

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Tagesanzeiger 30.12.10

"Wo Grenzen sind, wird naturgemäss geschmuggelt"

 Der Direktor der Strafanstalt Pöschwies räumt ein, dass Drogen ins Gefängnis geschmuggelt werden. Bei Besuchern haben Kontrollen rechtliche Grenzen.

 Mit Ueli Graf sprach Simone Rau

 Eine Studie zeigt, dass zahlreiche Häftlinge des Genfer Gefängnisses Champ-Dollon bei ihrem Eintritt von Substanzen wie Kokain, Heroin oder Beruhigungsmitteln abhängig sind (TA von gestern). Besonders häufig konsumieren sie Alkohol und Marihuana. Wie präsentiert sich die Situation diesbezüglich in der Pöschwies?

 Eine vergleichbare Studie gibt es nicht. Zudem ist Champ-Dollon ein Gefängnis für Untersuchungshaft, die Pöschwies hingegen eine Justizvollzugsanstalt, in der die Gefangenen nach Monaten oder Jahren in Untersuchungshaft ihre Freiheitsstrafe verbüssen. Bei ihrem Eintritt in die Pöschwies haben die Gefangenen in der Regel also keine Entzugserscheinungen mehr. Illegale Substanzen sind im Straf- und Massnahmenvollzug verboten.

 Dennoch versuchen die Häftlinge, im Gefängnis an Drogen zu kommen - und schaffen es auch.

 Die Ergebnisse der regelmässig durchgeführten Urinkontrollen geben Hinweise auf den Konsum von harten und weichen Drogen sowie Anabolika. Auf 1000 durchgeführte Proben fallen pro Jahr etwa 10 Proben positiv aus.

 Wie gelangen die Drogen ins Gefängnis?

 Wo Grenzen sind, wird naturgemäss geschmuggelt. Dies gilt auch für den Strafvollzug. Es gibt verschiedene Wege, auf denen Schmuggelgut in unsere Anstalt gelangt. Im Rahmen unserer personellen und technischen Mittel und der rechtlichen Möglichkeiten versuchen wir, diese Wege zu schliessen oder durch geeignete Kontrollen das Schmuggelgut abzufangen. So erzielen wir auch eine präventive Wirkung.

 Was heisst das konkret?

 Sämtliche Drittpersonen, die bei uns eintreten, so etwa Besucher, Handwerker oder Rechtsanwälte, werden kontrolliert - unter anderem mit einem Röntgengerät. In Verdachtsfällen führen gleichgeschlechtliche Aufsichtspersonen eine oberflächliche Leibesvisitation durch. Mehr - zum Beispiel eine gynäkologische Untersuchung bei weiblichen Besucherinnen - ist aus rechtlichen Gründen nicht möglich. Zudem kontrollieren wir Fahrzeuge sowie Briefe und Pakete.

 Wie kontrollieren Sie die Häftlinge?

 Sowohl nach dem Besuch als auch nach dem Urlaub müssen sie sich vollständig ausziehen. Kleider und Effekten werden kontrolliert. Bei Verdacht auf Drogenschmuggel versetzen wir den Gefangenen in eine sogenannte Bodypackerzelle, wo wir seinen Stuhlgang kontrollieren.

 Laut den Genfer Forschern ist das Verlangen der Gefangenen nach Substanzen auch ohne tatsächliche Süchte gross. Weshalb ist das so?

 Kein Mensch ist gerne eingesperrt. Der Freiheitsentzug kann folglich zu psychischen Problemen führen. Mit ärztlich verschriebenen Medikamenten können wohl die schädlichen Folgen, die Symptome des Freiheitsentzuges gemildert werden, aber nicht deren Ursachen. Die Symptome versuchen die Insassen auch mit dem Konsum von verbotenen Substanzen zu bekämpfen.

 Wie steht es um den Konsum von Alkohol?

 Alkoholschmuggel ist schwieriger. In Einzelfällen versuchen die Gefangenen, mit Hefe Früchte anzusetzen, um Alkohol zu gewinnen.

 Fast die Hälfte der Häftlinge in Champ-Dollon leidet an psychischen Problemen. Das ist viel.

 Bei einem Teil der Gefangenen bestand das psychische Problem schon in Freiheit oder war gar Ursache der Delinquenz. Bei einem weiteren Teil sind die Probleme eine Wirkung des Freiheitsentzugs, die sogenannte Haftreaktion.

 Das Interview wurde schriftlich geführt.

 Ueli Graf

 Der Psychologe ist seit 1997 Direktor der Strafanstalt Pöschwies in Regensdorf. Ab dem 1. 1. 2011 heisst sie Justizvollzugsanstalt Pöschwies.

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Tagesanzeiger 29.12.10

Häftlinge mit Depressionen

 Im grössten Gefängnis der Schweiz leidet beinahe die Hälfte der Insassen an psychischen Problemen.

 Von Simone Rau

 Angstzustände, Depressionen oder autoaggressives Verhalten wie Hautritzen: 45,3 Prozent der männlichen Insassen des Genfer Gefängnisses Champ-Dollon haben psychische Probleme. Bei den Frauen ist der Anteil sogar noch höher, nämlich 56,6 Prozent. Das zeigt eine Studie von Forschern des Genfer Universitätsspitals, die im "International Journal of Law and Psychiatry" veröffentlicht wurde.

 Es handelt sich dabei um die erste Untersuchung, welche die mentale Gesundheit der Häftlinge im grössten Gefängnis der Schweiz detailliert beschreibt. Die Forscher um Ariel Eytan und Hans Wolff analysierten dazu 1510 Dossiers, darunter 76 von Frauen, die ihnen die medizinische Station von Champ-Dollon 2007 zur Verfügung gestellt hatte.

 Ein weiteres Ergebnis der Studie: Viele Häftlinge sind bei ihrer Ankunft in Champ-Dollon abhängig von Substanzen: 31,1   Prozent gaben an, Beruhigungsmittel zu schlucken, 26,6   Prozent schnupfen Kokain und 17,4   Prozent konsumieren Heroin. Alkohol (41,2   Prozent) und Marihuana (35,9   Prozent) sind sogar noch verbreiteter. Dementsprechend schwierig sei es für die Häftlinge, im Gefängnis auf die Substanzen zu verzichten, sagt der Psychiater Ariel Eytan. In manchen Fällen seien Medikamente gegen die Entzugserscheinungen nötig. Überhaupt sei das Leben in Haft "langweilig" und das Verlangen nach Substanzen umso grösser. "Dies trifft besonders dann zu, wenn die Insassen an Angstzuständen oder Schlafstörungen leiden."

 Zum Teil schafften es die Häftlinge, im Gefängnis zu Drogen zu kommen, sagt Eytan. "Es handelt sich dabei vermutlich hauptsächlich um Cannabis. Alkohol ins Gefängnis zu schmuggeln, ist praktisch unmöglich." Zu den harten Drogen will sich der Psychiater nicht äussern, ebenso wenig zum Schmuggel an sich. Noch weniger sagen will die Gefängnisleitung. Direktor Constantin Franziskakis sei am 3. Januar wieder im Büro, hiess es gestern auf Anfrage.

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BZ 29.12.10

Genf: Viele Häftlinge sind psychisch angeschlagen

 Strafvollzug. Im Genfer Gefängnis Champ-Dollon leidet beinahe die Hälfte der Insassen an psychischen Problemen.

 Diese Studie sorgt für Aufsehen: Die Forscher um Ariel Eytan und Hans Wolff vom Genfer Universitätsspital (HUG) analysierten die mentale Gesundheit der Häftlinge im Genfer Gefängnis Champ-Dollon, dem grössten Gefängnis der Schweiz. Das Resultat: Praktisch jeder zweite Insasse leidet unter psychischen Problemen. 45,3 Prozent der Männer und 56,6 Prozent der Frauen sind laut Untersuchung psychisch angeschlagen. Die Forscher haben insgesamt 1510 Dossiers analysiert. Das Alter der betroffenen Häftlinge lag zwischen 18 und 82 Jahren, im Durchschnitt bei 30 Jahren. Die Zahlen der Studie von Eytan und Wolff bestätigen die Befunde internationaler Untersuchungen. "Der hohe Anteil an Insassen mit psychischen Problemen ist leider keine Besonderheit von Champ-Dollon", sagte Ariel Eytan der Nachrichtenagentur SDA. In Europa liege der Anteil zwischen 27 und 78 Prozent.

 Die Studie ergab zudem, dass in Champ-Dollon ein Grossteil der Insassen nach Suchtmitteln greift, sei es Alkohol, Tranquilizer, Kokain oder Heroin.
 sda

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Le Matin 29.12.10

Les "fous" de Champ-Dollon

 Étude. Selon une publication médicale, 46% des détenus de la prison genevoise souffrent de troubles psychiques. Le directeur de l'établissement explique pourquoi cela ne l'étonne pas.

 A Champ-Dollon (GE), près d'un détenu sur deux (46%) souffre de troubles psychiques. Chez les femmes, ce chiffre monte à 56%, selon une étude d'Ariel Eytan et de Hans Wolff, des Départements de psychiatrie et de médecine communautaire des Hôpitaux universitaires de Genève (HUG).

 Les deux auteurs de l'étude, publiée dans l'International Journal of Law and Psychiatry, ont analysé les dossiers de 1510 détenus - dont 76 femmes - ayant fait appel à l'unité médicale de la prison genevoise en 2007. Ils constatent que le principal symptôme décelé est la dépression. Elle touche 9,6% des hommes et plus de 22% des femmes incarcérées. Les troubles de la personnalité ou de l'adaptation sont moins fréquents, comme d'ailleurs les psychoses à proprement parler (1,2% et 5,3%).

 Drogués et alcooliques

 Mais les psychiatres genevois incluent les personnes dépendantes - d'une drogue, de l'alcool, voire du tabac - dans leur rapport. Et ils sont nombreux: plus de 41% d'entre elles souffraient d'alcoolisme avant leur incarcération, 36% fumaient régulièrement du cannabis, près de 27% prenaient de la cocaïne et 17% étaient des héroïnomanes. Ainsi, 31% des prisonniers se retrouvent dépendants de benzodiazépines (BZD), une classe de médicaments psychotropes utilisés dans le traitement de l'anxiété, de l'insomnie, de l'agitation psychomotrice, des convulsions, des spasmes, ou dans le contexte d'un syndrome de sevrage alcoolique.

 La comorbidité (troubles associés) entre le tabac (70% des prisonniers fument), l'alcool et d'autres produits est de plus très fréquente. Elle est souvent associée à l'anxiété, à l'insomnie, ainsi qu'à des problèmes de peau, dus généralement aux seringues. Mais une chose surprenante est également démontrée: si 1,5% de ces prisonniers souffrent d'un stress post-traumatique (un état morbide dû à un événement exceptionnellement violent), on ne trouve aucune femme dans cette catégorie. Cependant, 70% des prisonnières ont subi des violences ou des abus sexuels.

 Cette première étude fournissant une description détaillée de la santé mentale des détenus de la plus grande prison préventive de Suisse ne surprend pas Constantin Franziskakis, directeur de la prison de Champ-Dollon. "Les chiffres peuvent sembler élevés, relève-t-il au téléphone. Mais il faut se dire que l'anxiété des détenus, surtout ceux qui sont emprisonnés pour la première fois, est immense. Des symptômes qui passeraient inaperçus chez les gens vivant en liberté se révèlent omniprésents en milieu carcéral. Il faut par exemple prendre en compte le sevrage que subissent les délinquants dépendants d'une drogue ou de l'alcool. Ils risquent de faire des réactions psychiques importantes quand ils se retrouvent derrière les barreaux. "

 Les effets de la Surpopulation

 Prévue pour 270 personnes, la prison de Champ-Dollon comptait entre 450 et 500 détenus à l'époque de l'étude. Mais la barre des 600 a été dépassée en mai dernier et un record de 622 détenus a été atteint le 19   juillet. Heureusement, une annexe d'une centaine de places devrait voir le jour l'an prochain.

 "Réduire la surpopulation irait dans le bon sens en permettant de diminuer les tensions à l'intérieur de l'établissement, tant entre détenus et personnel de surveillance que concernant les détenus entre eux", estime pour sa part le Dr Ariel Eytan, l'un des responsables de ce rapport.

 Manon Schick, porte-parole et future directrice générale d'Amnesty International Suisse, abonde dans son sens et note qu'"il serait intéressant de mener une telle enquête aussi en Suisse alémanique, où les prisons souffrent nettement moins de la surpopulation, et de voir quels effets provoque cette surpopulation carcérale. "

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sf.tv 28.12.10

Genfer Gefängnis: Psychische Probleme und Drogen

sda/godc

 Im Genfer Gefängnis Champ-Dollon leidet beinahe die Hälfte aller Insassen an psychischen Problemen. Bei den weiblichen Gefangenen ist der Anteil sogar noch höher, wie eine Studie von Genfer Forschern zeigt. Zur Tagesordnung gehören zudem auch Drogen jeglicher Art.

 Ariel Eytan und Hans Wolff, Forscher vom Genfer Universitätsspital (HUG), analysierten für die Studie 1510 Dossiers von Insassen des Gefängnisses Champ-Dollon, darunter 76 Dossiers von Frauen. Die medizinische Station von Champ-Dollon hatte die Akten den Forschern im Jahr 2007 zur Verfügung gestellt.

 Das Alter der betroffenen Häftlinge lag damals zwischen 18 und 82 Jahren. Der Durchschnitt lag bei 30 Jahren.

 Alkohol, Kokain, Heroin

 Die Studie, die im "International Journal of Law and Psychiatry" publiziert wurde, ergab, dass 45,3 % der Männer und 56,6 % der Frauen an diversen psychischen Problemen leiden.

 Zudem ist im Genfer Gefängnis der Substanzmissbrauch verbreitet. 41,2 % trinken Alkohol, 35,9 % kiffen, 31,1 % schlucken Benzodiazepine (Tranquilizer), 26,6 % schnupfen Kokain, und 17,4 % konsumieren Heroin.

 Auch starkes Rauchen ist in Champ-Dollon an der Tagesordnung. 68,9 % sind Raucher - das sind mehr als doppelt so viele wie in der Gesamtbevölkerung. 11,6 % der Männer und 9,2 % der Frauen gaben ausserdem an, Opfer von Gewalt durch Polizei oder Aufseher geworden zu sein.

 Forscher: Leider keine neuen Daten

 Die Wissenschafter bemängeln, dass es trotz der gut ausgebauten medizinischen Versorgungen in zahlreichen Anstalten keine aktuellen epidemiologischen Daten zu den Schweizer Gefängnissen gebe.

 Die Zahlen der Genfer Studie bestätigen allerdings die Befunde internationaler Untersuchungen. "Der hohe Anteil an Insassen mit psychischen Problemen ist leider keine Besonderheit von Champ-Dollon", sagte der Forscher Ariel Eytan.

 In Europa liege der Anteil zwischen 27 und 78 %. Ähnliche Beobachtungen seien praktisch überall auf der Welt gemacht worden, vor allem aber in Grossbritannien. Auch die beunruhigende Situation in Frankreich mit den hohen Suizidraten ist laut Eytan bekannt.

 Geziele Massnahmen ergreifen

 Die Forscher zeigen weitere Zusammenhänge auf. So nehmen beispielsweise Frauen weniger Drogen, leiden aber häufiger unter Angstzuständen und Depressionen. Junge Häftlinge wiederum neigen am meisten zum Missbrauch von Alkohol, Cannabis und Benzodiazepinen - und auch zu Persönlichkeitsproblemen und autoaggressivem Verhalten wie Hautritzen.

 Der Missbrauch von Tabak, Alkohol und anderen Suchtmitteln ist eng mit psychischen Problemen wie Angstzustände, Schlaflosigkeit, Hautprobleme oder Atem- und Kreislaufschwierigkeiten verbunden.

 Die Autoren der Studie empfehlen deshalb gezielte Interventionen. Australien mit einem Raucheranteil von 90 % in Gefängnissen hat beispielsweise Anti-Tabakmissbrauch-Programme lanciert.

 Schlaflosigkeit als "Nebeneffekt"

 Die Autoren empfehlen ebenfalls Massnahmen spezifisch für psychisch angeschlagene Frauen, obwohl diese nur eine Minderheit darstellen. Nach internationalen Statistiken wurden über 70 % der Gefängnis-Insassinnen in ihrem Leben Opfer von Gewalt oder sexuellen Missbrauchs.

 Schlaflosigkeit dürfe zudem nicht als sekundäres Problem betrachtet werden. Sie hänge meist eng mit der schlechten psychischen Verfassung zusammen. Die Forscher verweisen in ihrem Artikel auch auf die Weltgesundheits-Organisation (WHO), welche die Pflege in Gefängnissen verbessern will.

 Bei der Genfer Studie handelt es sich um die erste Untersuchung, welche die mentale Gesundheit der Häftlinge im grössten Gefängnis der Schweiz detailliert beschreibt.

 Offener Strafvollzug in Witzwil

 Das Gefängnisleben beschäftigt in dieser Woche auch "Schweiz aktuell". Die SF-Redaktion berichtet bis zum 30. Dezember live aus dem grössten offenen Gefängnis der Schweiz: Witzwil im Berner Seeland.

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nzz.ch 28.12.10

Viele Häftlinge leiden an psychischen Problemen

 Erstmals wissenschaftliche Daten zur Situation im Genfer Gefängnis Champ-Dollon

 Im grössten Gefängnis der Schweiz leidet fast die Hälfte der Insassen an psychischen Problemen. Verbreitet sind auch Suchtmittelmissbrauch, Schlafstörungen und autoaggressives Verhalten. Dank einer Studie gibt es erstmals wissenschaftliche Daten zur Anstalt Champ-Dollon.

 Im Genfer Gefängnis Champ-Dollon leidet beinahe die Hälfte der Insassen an psychischen Problemen. Bei den Frauen ist der Anteil sogar noch höher, wie eine Studie von Genfer Forschern zeigt.

 Erste Studie zur mentalen Verfassung

 Bei der Studie handelt es sich um die erste Untersuchung, welche die mentale Gesundheit der Häftlinge im grössten Gefängnis der Schweiz detailliert beschreibt.

 Die Forscher um Ariel Eytan und Hans Wolff vom Genfer Universitätsspital (HUG) analysierten 1510 Dossiers, darunter 76 von Frauen, die ihnen 2007 die medizinische Station von Champ-Dollon zur Verfügung gestellt hatte. Das Alter der betroffenen Häftlinge lag zwischen 18 und 82 Jahren, im Durchschnitt bei 30 Jahren.

 Verschiedene Probleme

 Die Studie, die im "International Journal of Law and Psychiatry" publiziert wurde, ergab, dass 45,3 Prozent der Männer und 56,6 Prozent der Frauen an diversen psychischen Problemen leiden.

 Zudem ist der Substanzmissbrauch verbreitet: 41,2 Prozent trinken Alkohol, 35,9 Prozent kiffen, 31,1 Prozent schlucken Benzodiazepine (Tranquilizer), 26,6 Prozent schnupfen Kokain, und 17,4 Prozent konsumieren Heroin.

 Starkes Rauchen an der Tagesordnung

 Auch starkes Rauchen ist an der Tagesordnung. 68,9 Prozent sind Raucher   - das sind mehr als doppelt so viele wie in der Gesamtbevölkerung. 11,6 Prozent der Männer und 9,2 Prozent der Frauen gaben ausserdem an, Opfer von Gewalt durch Polizei oder Aufseher geworden zu sein.

 Forscher: Leider keine neuen Erkenntnisse

 Die Wissenschafter bemängeln, dass es trotz der gut ausgebauten medizinischen Versorgung in zahlreichen Anstalten keine aktuellen epidemiologischen Daten zu den Schweizer Gefängnissen gebe.

 Die Zahlen der Studie von Eytan und Wolff bestätigen allerdings die Befunde internationaler Untersuchungen. "Der hohe Anteil an Insassen mit psychischen Problemen ist leider keine Besonderheit von Champ-Dollon", sagte Ariel Eytan der Nachrichtenagentur SDA. In Europa liege der Anteil zwischen 27 und 78 Prozent.

 Daten aus Frankreich und Grossbritannien

 Ähnliche Beobachtungen seien praktisch überall auf der Welt gemacht worden, vor allem aber in Grossbritannien. Auch die beunruhigende Situation in Frankreich mit den hohen Suizidraten ist laut Eytan bekannt.

 Gezielte Massnahmen ergreifen

 Die Forscher aus der Schweiz zeigen weitere Zusammenhänge auf. So nehmen beispielsweise Frauen weniger Drogen, leiden aber häufiger unter Angstzuständen und Depressionen. Junge Häftlinge wiederum neigen am meisten zum Missbrauch von Alkohol, Cannabis und Benzodiazepinen   - und auch zu Persönlichkeitsproblemen und autoaggressivem Verhalten wie Hautritzen.

 Der Missbrauch von Tabak, Alkohol und anderen Suchtmitteln ist eng mit psychischen Problemen wie Angstzustände, Schlaflosigkeit, Hautprobleme oder Atem- und Kreislaufschwierigkeiten verbunden.

 Die Autoren der Studie empfehlen deshalb gezielte Interventionen. Australien mit einem Raucheranteil von 90 Prozent in Gefängnissen hat beispielsweise Anti-Tabakmissbrauch-Programme lanciert.

 Schlaflosigkeit nicht als sekundäres Problem

 Die Autoren empfehlen ebenfalls Massnahmen spezifisch für psychisch angeschlagene Frauen, obwohl diese nur eine Minderheit darstellen. Nach internationalen Statistiken wurden über 70 Prozent der Gefängnisinsassinnen in ihrem Leben Opfer von Gewalt oder sexuellem Missbrauch.

 Schlaflosigkeit dürfe zudem nicht als sekundäres Problem betrachtet werden. Sie hänge meist eng mit der schlechten psychischen Verfassung zusammen. Die Forscher verweisen in ihrem Artikel auch auf die Weltgesundheitsorganisation, welche die Pflege in Gefängnissen verbessern will.

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ANTI-WEF
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Indymedia 29.12.10

Demonstration gegen das WEF in St. Gallen ::

AutorIn : anti-wef bündnis st.gallen         

Demo gegen WEF und Kapital in St.Gallen Demonstration gegen das WEF
Samstag 22. Januar 2011
14.00 Uhr, St. Gallen Bahnhofplatz
(Bewilligung eingereicht)     
    
http://ch.indymedia.org/images/2010/12/79431.jpg
Demo gegen WEF und Kapital in St.Gallen

World Economic Forum (WEF) : Wenn sich Ausbeuter treffen

Auch dieses Jahr treffen sich vom 26.01.2011 bis am 30.01.2011 die selbsternannten Global-Leaders in Davos. Das Weltwirtschaftsforum besteht aus den 1000 einflussreichsten Unternehmen, RegierungsvertreterInnen aus 40 Ländern sowie einigen hundert JournalistInnen.

Ziel des Weltwirtschaftsforums

Ziel ist es, globale (politische sowie wirtschaftliche) Themen zu behandeln und mögliche "Lösungsvorschläge" hervorzubringen. Kapitalismus in der Krise, Hunger und Aids in Afrika sind nur wenige Beispiele der verschiedenen Themen welche die Herrschenden in der letzten Januarwoche behandeln. Betrachtet man das WEF jedoch etwas genauer, wird einem schnell klar um was es den Herren und Damen in ihren Anzügen wirklich geht, nämlich um die Erhaltung und Entwicklung ihrer kapitalistischen Herrschaft. Jedes Jahr trifft sich die globale Elite um die Ausbeutung von Mensch und Natur möglichst profitabel zu organisieren und sie mit einem "sozialen" Deckmantel zu umgeben.
Natürlich entsteht die kapitalistische Herrschaft und Ausbeutung nicht am WEF. Wir begreifen das WEF auch nicht als Ursache der wirtschaftlichen Probleme, sondern als Symbol für die kapitalistische Wirtschaftsordnung. Und mit diesem Wirtschaftssystem kann es nicht weitergehen.

Unser Ziel: Überwindung des Kapitalismus

Sogar wieder in das Parteiprogramm der SP aufgenommen, sorgt dieser Slogan, für rote Köpfe. Was heisst das denn? Ist der Kapitalismus etwa doch nicht das Ende der Geschichte?

Der Kapitalismus hat eine Masse von Besitzlosen geschaffen, die den Reichtum der Welt produziert - und zwar für die KapitalbesitzerInnen. Den Besitzlosen / den ArbeiterInnen wird dafür einen Lohn gezahlt, der zum (Über)leben reicht. Das Kapital bekommt den grossen Rest. Überdies wird nur das produziert, was auch profitabel verkauft werden kann. Es wird also gerade nicht nach den menschlichen Bedürfnissen produziert, sondern nach dem Portmonee der KäuferInnen. So überrascht es nicht, dass Millionen von Menschen noch immer an Hunger leiden und ohne jede wirtschaftliche Entwicklung sind, währenddessen in anderen Teilen masslose Verschwendung an den Tag gelegt wird. Die ungleiche Verteilung des Reichtums ist also im System selbst angelegt und kann nur durch die Überwindung desselben aufgehoben werden.

Auswirkungen und Ausweg aus der Krise

Nicht nur in Zeiten der wirtschaftlichen Krise wird von der Krise des Systems abgelenkt und andere Sündenböcke gesucht. Feindbilder werden geschaffen: Etwa die gierigen ManagerInnen oder die kriminellen AusländerInnen. Diese Sündenböcke sind weder verantwortlich für die Misere, noch kann ihr verschwinden die sozialen Ungleichheiten aufheben. Als ArbeiterInnen und Ausgebeutete können wir nur gewinnen, wenn wir uns nicht gegeneinander ausspielen lassen, wenn wir vereinigt und organisiert kämpfen und zwar bis zur globalen Ebene. Nur dann ist eine Welt möglich, die sozial und solidarisch für die Bedürfnisse aller eintritt.

Dafür stehen wir zusammen ein, nicht nur auf der Strasse, sondern auch am Arbeitsplatz, in sozialen Bewegungen, in der Öffentlichkeit, an der Universität oder in den Schulen.

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BIG BROTHER
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Bund 29.12.10

Fichen-Bereiniger Hansruedi Stadler soll aufräumen

 Verteidigungsminister Ueli Maurer hat Alt- Ständerat Hansruedi Stadler (CVP, UR) als externen Verantwortlichen für die Bereinigung der Staatsschutz-Fichen eingesetzt. Der Nachrichtendienst hatte auf Vorrat Daten gesammelt, ohne diese, wie vorgeschrieben, auf ihre Relevanz zu prüfen, wie im Sommer bekannt wurde. Die für die Aufsicht über den Nachrichtendienst zuständige Geschäftsprüfungsdelegation kritisierte dies. Sie for- derte, dass der Staatsschutz die nicht ge- prüften Daten vorläufig sperre und überprüfe. Danach solle eine externe Person entscheiden, welche Daten zu löschen seien und welche wiederverwendet werden dürften. Damit hat Maurer nun Stadler beauftragt.

 Der SVP-Bundesrat gab dies in Adelboden bekannt. Er hatte die Medienschaffenden be- reits zum zweiten Mal auf einen Spaziergang in seinen Heimatort eingeladen. Nach der Medienkonferenz konnten die rund 25 Journalistinnen und Journalisten dann ein geschütztes Mannschaftstransportfahrzeug besichtigen.(sda)

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NLZ 29.12.10

Stadler wird Fichen-Kontrolleur

 Ernennung

 cr. Der Urner alt Ständerat Hansruedi Stadler (CVP) wird als externer Berater des VBS zugezogen. Laut Bundesrat Ueli Maurer wird Stadler als externer Verantwortlicher für die Bereinigung der im Sommer bekannt gewordenen Fichierungen durch den Schweizer Staatsschutz eingesetzt. Stadler soll dabei die Bereinigung der Datensätze überwachen.

 Der Nachrichtendienst hatte auf Vorrat Daten gesammelt, ohne diese auf ihre Relevanz zu prüfen, wie die Geschäftsprüfungsdelegation in einem Bericht festhielt. Laut Maurer wurden inzwischen "Tausende Adressen" gelöscht. Bis 2012 soll die Liste lediglich noch Namen von Personen umfassen, "die für den Staatsschutz wichtig sind. Dazu zählen nicht irgendwelche Leute, die an einer Demonstration aufgefallen sind", betonte der Verteidigungsminister. Hansruedi Stadler war gestern für eine Stellungnahme nicht erreichbar.

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ANWALT DER 1. STUNDE
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BZ 30.12.10

Anwälte richten Pikett-Dienst ein

 VerhaftungenAb 2011 gilt landesweit die neue Strafprozessordnung. Wer von der Polizei verhaftet wird, hat neu das Recht auf einen "Anwalt der ersten Stunde". Die Berner Anwälte richten dafür einen Pikett-Dienst ein.

 "Sie haben das Recht zu schweigen. Alles was Sie sagen, kann und wird vor Gericht gegen Sie verwendet werden. Sie haben das Recht, zu jeder Vernehmung einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen." Die berühmten Sätze, bislang amerikanischen Cops vorbehalten, werden künftig in ähnlicher Form auch von Schweizer Polizisten zu hören sein: Ab dem 1. Januar erhalten Verhaftete das Recht, bereits bei der ersten Einvernehmung einen Anwalt beizuziehen.

 Die Macht des Staatsanwalts

 Der sogenannte "Anwalt der ersten Stunde" wird schweizweit mit der eidgenössischen Strafprozessordnung eingeführt. Der beschuldigten Person wird das Recht zugesprochen, dass ihr Verteidiger bei polizeilichen Einvernahmen anwesend sein darf und Fragen stellen kann. Durch das frühere Beiziehen eines Anwalts sollen gleich lange Spiesse zwischen Anklage und Verteidigung hergestellt werden. Denn ab dem neuen Jahr ist im Kanton Bern die untersuchende Behörde (bislang Untersuchungsrichter) gleichzeitig auch die anklagende (bislang Staatsanwaltschaft). Ermittlung, Anklage und zu einem gewissen Teil auch die Rechtsprechung werden künftig von den Staatsanwälten übernommen. Kann ein Beschuldigter im Falle einer notwendigen Verteidigung keinen Anwalt bestimmen, fällt diese Aufgabe ebenfalls der Staatsanwaltschaft zu. "Eine solche Verteilung der Macht schafft ein starkes Ungleichgewicht", sagt denn auch Simone Rebmann, Geschäftsführerin der Demokratischen Juristinnen und Juristen Bern (djb). Der Verein, der sich für den Ausbau des Rechtsschutzes einsetzt, hatte sich für die Einführung des Anwaltes der ersten Stunde stark gemacht. Falls das Konzept seriös umgesetzt werde, so Simone Rebmann, würden sich die Bedingungen für die Beschuldigten verbessern. "Ob das aber wirklich der Fall ist, davon sind wir noch nicht überzeugt." Viel hänge davon ab. ob die Pikett-Listen angewandt würden, welche ihre Organisation zusammen mit dem Bernischen Anwaltsverband erarbeitet hat. Mit Hilfe der Listen kann die Polizei sieben Tage die Woche während 24 Stunden einen Anwalt erreichen. Für Simone Rebmann ist zudem zentral, dass Verhaftete schriftlich auf ihre neuen Rechte hingewiesen werden.

 Anwalt wider Willen

 Bei der zuständigen Generalprokuratur in Bern gibt man sich zuversichtlich: "Wir glauben, dass die neue Praxis funktionieren wird", sagt der stellvertretende Generalprokurator des Kantons, Markus Schmutz. Die angepassten Merkblätter für Beschuldigte liegen bereit - übersetzt in "alle gängigen Sprachen". Die wichtigsten Punkte: Recht zur Aussageverweigerung, Recht auf Verteidigung und Recht auf Übersetzung. Zwar sei die schriftliche Information der Beschuldigten keine rechtliche Pflicht, man mache sich damit aber selbst einen Gefallen: "Wird das Recht auf den Anwalt der ersten Stunde missachtet, führt das zu einem Beweisverwertungsverbot." Laut Schmutz wird die Polizei deshalb bei gravierenden Deliktsvorwürfen selbst dann einen Anwalt beiziehen, wenn die beschuldigte Person keinen verlangt. Besteht das Bedürfnis für eine sofortige Einvernahme, wird die Polizei in aller Regel bis zum Eintreffen des Anwalts zuwarten. Ausnahmen dürften in der Praxis kaum mehr vorkommen.

 Die Polizei ist bereit

 Wie viele Ausnahmen es geben wird, hängt letztlich von der Polizei ab. Diese ist laut Christof Kipfer, Chef Kriminalabteilung bei der Kantonspolizei bestens gewappnet. Die Berner Polizistinnen und Polizisten seien in einer Schulung auf die Änderungen vorbereitet worden. Grundsätzlich würden sich für sie drei Neuerungen ergeben: formell neue Ansprechpersonen bei der Staatsanwaltschaft, direkter Kontakt mit den Anwälten sowie die Notwendigkeit einer erhöhten Aufmerksamkeit bei der Dokumentation und der Einhaltung der Rechtsbelehrung.

 Sollten die neuen Vorgaben nicht eingehalten werden, stehen Simone Rebmann und ihre demokratischen Juristinnnen und Juristen bereit: Auf http://www.djs-jds.ch wird ab 1. Januar eine Meldeplattform für Fälle aufgeschaltet, in denen das Recht auf einen Anwalt erster Stunde missachtet wurde.
 
Christian Zeier

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 Neue Strafprozess-Ordnung

 In einigen Kantonen wird das Rechtssystem ab 2011 auf den Kopf gestellt. Der Grund: die neue Strafprozessordnung.

 Justiz In Zeiten internationaler Kriminalität haben kantonale Regelungen ausgedient. Ab 1. Januar 2011 gilt deshalb schweizweit eine einheitliche Strafprozessordnung. Unter anderem verschwinden die Untersuchungsrichter - und die letzten Geschworenengerichte (das Tessin erhält eine Gnadenfrist).

 Von der Abschaffung der Untersuchungsrichter (UR) sind 20 Kantone betroffen. Einzig in den Kantonen Basel-Stadt, Tessin, St. Gallen, Appenzell Innerrhoden, Solothurn und Zürich gibt es bereits heute keine UR mehr. Anstelle des UR wird künftig die Staatsanwaltschaft über Strafverfolgungen entscheiden, Untersuchungen führen, Anklage erheben und Urteile fällen. Damit sollen Zeit und Personal gespart werden, weil im Vorverfahren kein Handwechsel vom Untersuchungsrichter zum Staatsanwalt mehr stattfindet.

 Damit es nicht zu Machtkonzentrationen bei den Staatsanwaltschaften kommt, wird ein Zwangsmassnahmengericht geschaffen, und die Verteidigungsrechte werden ausgebaut (siehe Text oben). Das Zwangsmassnahmengericht wird über die Notwendigkeit einer Untersuchungshaft entscheiden. Gegen seine Entscheide kann nicht rekurriert werden. Für Strafen bis höchstens sechs Monate erlaubt die neue Strafprozessordnung dem Staatsanwalt, ein Urteil zu sprechen, ohne dass der Fall vor ein Gericht kommt und ohne dass der Beschuldigte zwangsläufig befragt werden muss.

 2011 verschwinden auch die letzten Geschworenengerichte der Schweiz - jene in Zürich, Genf, Neuenburg.

 Neben der neuen Strafprozessordnung treten am 1. Januar auch die Jugendstrafprozessordnung und die Schweizerische Zivilprozessordnung in Kraft. sda

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Tagesanzeiger 29.12.10

Der "Anwalt der ersten Stunde" ist beim ersten Polizeiverhör dabei

 Neu dürfen Verhaftete sofort einen Anwalt aufbieten. Zürcher Anwälte lancieren einen Pikettdienst.

 Von Stefan Hohler

 Zürich - Ab dem 1. Januar darf jeder Verhaftete schon bei der ersten Einvernahme bei der Polizei einen Anwalt beiziehen. Konkret bedeutet dies, dass der Polizist dem Verhafteten folgenden Text vorlesen muss: "Sie können jederzeit eine Verteidigung nach freier Wahl und auf eigenes Kostenrisiko beiziehen. Auch können Sie eine amtliche Verteidigung beantragen. Die Voraussetzungen der amtlichen Verteidigung wurden Ihnen erläutert."

 Der "Anwalt der ersten Stunde", so der Name der Neuerung, ist die Konsequenz der ersten eidgenössischen Strafprozessordnung. Diese tritt vom neuen Jahr an in Kraft und gilt landesweit. Damit ist ein langjähriges Anliegen der Verteidiger realisiert worden, um gegenüber den Untersuchungsbehörden "Waffengleichheit" zu haben, wie Tanja Knodel, Sprecherin des Zürcher Anwaltsverbands, sagt.

 Die Anwälte haben deshalb einen 24-Stunden-Pikettdienst lanciert, damit rund um die Uhr ein Anwalt der ersten Stunde für beschuldigte Personen zur Stelle ist. Der angeforderte Verteidiger muss bei allen Einvernahmen zugelassen werden. Im Fall einer vorläufigen Festnahme hat jede Person Anspruch darauf, mit ihrem Anwalt frei zu sprechen und sich über alle Aspekte der ihr vorgeworfenen Straftat und der Verteidigungsstrategie auszutauschen.

 Vorbild der Idee des Anwalts der ersten Stunde ist das amerikanische Recht, wo die Cops einen Verhafteten seit Jahrzehnten mit folgenden Worten "begrüssen": "Sie haben das Recht zu schweigen. Alles, was Sie sagen, kann und wird vor Gericht gegen Sie verwendet werden. Sie haben das Recht, zu jeder Vernehmung einen Rechtsanwalt beizuziehen. Wenn Sie sich keinen leisten können, wird Ihnen einer gestellt." Die sogenannte "Miranda-Warning" geht auf das Jahr 1966 zurück. Diese Rechtsbelehrung hat der wegen Raub, Entführung und Vergewaltigung verhaftete und verurteilte Ernesto Arturo Miranda sich im Nachhinein beim obersten Gerichtshof der USA erstritten.

 Polizisten seit Monaten geschult

 Laut Susann Birrer, Sprecherin der Stadtpolizei, weist die Polizei schon seit 2005 verhaftete Personen darauf hin, dass sie das Recht haben, die Aussage zu verweigern und einen Anwalt beizuziehen. Neu würde nun die Ergänzung erfolgen, dass der Anwalt bereits bei der ersten polizeilichen Einvernahme dabei sein dürfe. Die Polizisten seien über diese Neuerung genau informiert und geschult worden. Christiane Lentjes Meili, Chefin der Kripo bei der Kantonspolizei, sagt, man habe die Polizisten seit Monaten auf das Konzept des Anwalts der ersten Stunde geschult und es seien entsprechende Workshops durchgeführt worden.

 Im Kanton Zürich führte der Anwalt der ersten Stunde zu einem Zwist zwischen Strafuntersuchungsbehören und Verteidiger. Oberstaatsanwaltschaft und Polizei wollten in der Rechtsbelehrung den Hinweis auf das Kostenrisiko erwähnen, die Anwaltsverbände wehrten sich dagegen. Für Oberstaatsanwalt Martin Bürgisser gehört dies zur Aufklärungspflicht der Strafverfolger.

 Die Anwaltsverbände befürchten, dass viele Angeschuldigte wegen möglicher finanzieller Konsequenzen vom Beizug eines Anwalts abgeschreckt werden könnten. Ansonsten, so Bürgisser und Knodel, hätte zwischen den beiden Parteien in den meisten Punkten Konsens geherrscht. Kommentar Seite 2

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 Notrufnummer

 Pikettverteidiger ist immer erreichbar

 Unter der Telefonnummer 044 201 00 10 ist im Kanton Zürich rund um die Uhr ein Anwalt verfügbar.

 Die neue Dienstleistung ist vom Zürcher Anwaltsverband und den Demokratischen Juristen und Juristinnen Zürich initiiert worden. Auf http://www.anwalt-erste-stunde.ch werden die wichtigsten Fragen beantwortet. Bezüglich der Verteidigerkosten geben sich die Anwälte bedeckt. Der Anwaltsverband kennt keine Honorarempfehlungen - das Gleiche gilt auch für den "Anwalt der ersten Stunde". Rechtsanwältin Tanja Knodel empfiehlt Verhafteten, schon bei der Polizei ein Gesuch auf amtliche Verteidigung zu stellen. Dieser Stundenansatz beträgt 200 Franken. Wer bezahlt, hängt von der vorgeworfenen Straftat, von den finanziellen Verhältnissen der beschuldigten Person und vom Ausgang des Verfahrens ab. Oft finanziert der Staat den Anwalt oder schiesst das Honorar vor.

 Bei einer Festnahme ruft der Polizist den Pikettanwalt an und verbindet ihn mit dem Verhafteten. Bei Hausdurchsuchungen kann der Angeschuldigte selber telefonieren. Der Anwalt wird so schnell wie möglich auf dem Polizeiposten erscheinen. Der Verhaftete kann darauf bestehen, dass mit dem Beginn der Einvernahme zugewartet wird, bis er sich mit dem Anwalt besprechen konnte. Verweigert die Polizei den Kontakt zum Anwalt, so kann der Beschuldigte die Aussage verweigern und protestieren. Dabei soll man verlangen, dass der Protest protokolliert wird.(hoh)

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Landbote 29.12.10

Anwälte jetzt allzeit bereit
 flu

 Zürcher Anwältinnen und Anwälte stellen einen 24-Stunden-Pikettservice auf die Beine.

 zürich - In der Neujahrsnacht beginnt in der Zürcher Strafverfolgung eine neue Epoche. Am 1. Januar tritt die Schweizerische Strafprozessordnung in Kraft. Neu ist unter anderem, dass eine beschuldigte Person schon beim ersten Polizeiverhör eine Anwältin oder einen Anwalt beiziehen darf. Die Polizei muss die Beschuldigten darüber informieren.

 Zürcher Strafverteidigerinnen und Strafverteidiger haben sich darum zusammengetan, um einen Pikettservice aufzuziehen. Dies teilte der Anwaltsverband gestern mit. Damit soll garantiert werden, dass rund um die Uhr ein "Anwalt der ersten Stunde" angerufen werden kann. Der 24-Stunden-Service ist ein Dienst des Vereins Pikett Strafverteidigung, der unter dem Patronat des Zürcher Anwaltsverbands und der Demokratischen Juristen und Juristinnen steht. Die Organisation befindet sich im Aufbau. Derzeit machen rund 200 Anwältinnen und Anwälte mit.

 Der Kontakt zum Pikettverteidiger soll von der Polizei hergestellt werden. Klient und Anwalt können dann am Telefon besprechen, ob der Rechtsbeistand zur Einvernahme kommen soll. Gemäss Anwältin Tanja Knodel wird ein Pikettverteidiger auch reisen, falls dies nötig sein sollte. Zum Beispiel von Zürich nach Winterthur.

 Klient muss bezahlen

 Der "Anwalt der ersten Stunde" muss grundsätzlich vom Klienten selber bezahlt werden. Die Tarife sind nicht festgelegt. Gemäss Regierungsrat kann das Mandat aber unter gewissen Umständen in eine amtliche Verteidigung umgewandelt und vom Staat finanziert werden. (flu)

 Hotline: 044 201 00 10

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admin.ch 27.12.10

Projekt ,BA 2011": Arbeiten abgeschlossen

Bern, 27.12.2010 - Am 1. Januar 2011 treten die neue Schweizerische Strafprozessordnung (StPO) und das neue Strafbehördenorganisationsgesetz des Bundes (StBOG) in Kraft. Gleichzeitig wird die Bundesanwaltschaft (BA) aus den Strukturen des EJPD und der Bundesverwaltung herausgelöst. Die Aufsicht über die Bundesanwaltschaft wird einer speziellen Aufsichtsbehörde übertragen. Die organisatorische Ausgliederung der BA und die Anpassungen an das neue Strafverfolgungsmodell erfolgten gleichzeitig. Die umfangreichen Arbeiten konnten zeitgerecht abgeschlossen werden.

Am 1. Januar 2011 tritt die Schweizerische Strafprozessordnung (StPO) in Kraft. Sie ersetzt die 26 kantonalen Strafprozessordnungen sowie den Bundesstrafprozess. Damit werden Straftaten in der Schweiz künftig nicht nur einheitlich im Strafgesetzbuch umschrieben, sondern auch nach den gleichen prozessualen Regeln verfolgt und beurteilt. Charakteristisch für das neue Modell ist das Fehlen eines Untersuchungsrichters. Folglich wird das Eidgenössische Untersuchungsrichteramt (URA) aufgehoben und in die Bundesanwaltschaft überführt. Künftig leitet die Staatsanwaltschaft das Vorverfahren, führt die Untersuchung, erhebt die Anklage und vertritt diese vor den Gerichten. Durch die einheitliche Ermittlung, Untersuchung und Anklageerhebung wird ein hoher Grad an Effizienz in der Strafverfolgung erreicht.

Mit Inkrafttreten des Strafbehördenorganisationsgesetzes per 1. Januar 2011 wird die Bundesanwaltschaft als Strafbehörde des Bundes zu einer ausserhalb der Bundesverwaltung stehenden, sich selbst verwaltenden Behörde. Der Bundesanwalt und die Stellvertretenden Bundesanwälte werden künftig durch die Eidgenössischen Räte gewählt. Die Aufsicht über die Bundesanwaltschaft nimmt eine ebenfalls von der Vereinigten Bundesversammlung gewählte Aufsichtsbehörde wahr.

Die umfangreichen Arbeiten für das Projekt ,BA 2011" wurden auf mehrere Projektteams vereilt und fristgerecht erledigt. Im Rahmen eines externen Projektreviews wurde dem Projekt eine fachmännische, zielgerichtete und effiziente Vorgehensweise attestiert.

Mitteilung an die Medien:

Der Medien- und Kommunikationsdienst der Bundesanwaltschaft ist wie bis anhin unter den folgenden Koordinaten zu erreichen:

Info-Line         Tel. +41 31 324 32 40
                      Fax +41 31 322 43 13
Mail                info@ba.admin.ch
Website          www.bundesanwaltschaft.ch

Die Bundesanwaltschaft veröffentlicht Medienmitteilungen weiterhin über die üblichen Kanäle (News Service Bund, Website BA). Bisherige Abonnemente der BA-Informationen bei News Service Bund werden automatisch weitergeführt.
Adresse für Rückfragen:
Walburga Bur, Medien- und Kommunikationsdienst BA, Tel. +41 (0)31 324 32 40

Herausgeber:
Bundesanwaltschaft
Internet: http://www.ba.admin.ch/ba/de/home.html

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RECHTSEXTREMISMUS
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sf.tv 31.12.10

Bundesgericht gibt umstrittenen Komiker Recht

 Die Stadt Genf hat mit ihrer Weigerung, dem umstrittenen französischen Komiker Dieudonné einen Saal zu vermieten, das Recht auf freie Meinungsäusserung verletzt. Das Bundesgericht hat den Entscheid des Genfer Verwaltungsgerichts bestätigt.

sda/horm

 Genf hatte dem französisch-kamerunischen Komiker vor rund einem Jahr die Vermietung des städtischen Theaters Alhambra verwehrt. In den Medien rechtfertigte der zuständige Kulturverantwortliche den Entscheid damit, dass Dieudonné klar antisemitisch sei. Die Stadt wolle sich nicht zum Komplizen machen.

 Auf Vertragsfreiheit berufen

 Dieudonné zeigte sein Programm "Sandrine", das sich um eheliche Gewalt dreht, im vergangenen März schliesslich in der "Cité Bleue" der Stiftung Cité Universitaire. Im Mai entschied das Genfer Verwaltungsgericht, dass die Stadt die Vermietung zu Unrecht verweigert und das Recht auf freie Meinungsäusserung verletzt habe.

 Das Bundesgericht hat die dagegen erhobene Beschwerde der Stadt nun abgewiesen. Diese hatte sich darauf berufen, dass die Vermietung des Alhambra nach privatrechtlichen Regeln laufe und sie entsprechend frei sei, mit wem sie einen Vertrag abschliessen wolle.

 "Vorgängige Zensur"

 Die Richter in Lausanne halten der Stadt entgegen, dass sie bei der Vergabe des Saals hoheitlich handelt und entsprechend zur Einhaltung der Grundrechte verpflichtet sei. Im Fall von Dieudonné habe die Stadt eine Art "vorgängiger Zensur" ausgeübt und die Meinungsäusserungsfreiheit verletzt.

 Dass sich der Komiker in der Vergangenheit mehrfach provokativ oder in stossender Weise geäussert habe, erlaube es nicht, ihm öffentliche Auftritte zu verbieten. Das Bundesgericht stellt gleichzeitig klar, dass eine Miet-Verweigerung durchaus rechtmässig sein kann, wenn bestimmte Bedingungen vorliegen.

 Bei Dieudonné wäre dies etwa der Fall gewesen, wenn er in seinem Stück die Grenze zur Strafbarkeit überschritten hätte, etwa durch einen Verstoss gegen das Verbot der Rassendiskriminierung oder durch die Störung der Glaubens- und Kultusfreiheit. Entsprechendes habe das Verwaltungsgericht indessen nicht festgestellt.

 Preis für Holocaust-Leugner

 Rein hypothetischen Charakter habe zudem die von der Stadt gehegte Befüchtung, dass Aktionen gegen den Auftritt die Sicherheit hätten gefährden können. Falls diese Gefahr real gewesen wäre, hätte die Stadt laut Gericht die Möglichkeit gehabt, auf Kosten des Mieters den Ordnungsdienst im Alhambra zu verstärken.

 Dieudonné M'Bala-Bala war früher mit einem jüdischen Komiker aufgetreten. Heute steht er dem rechtsextremen Front National nahe. Er wurde mehrfach für judenfeindliche Äusserungen verurteilt. Bei einem seiner Auftritte hatte er den französischen Holocaust-Leugner Robert Faurisson eingeladen und diesem einen Preis verliehen.

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nzz.ch 30.12.10

Schwede wegen Diebstahl des Auschwitz-Schildes verurteilt
 
Neonazi kann knapp dreijährige Haftstrafe in Schweden absitzen

 Wegen Anstiftung zum Diebstahl des Schriftzugs "Arbeit macht Frei" aus der Gedenkstätte des Konzentrationslagers Auschwitz hat ein polnisches Gericht am Donnerstag einen Schweden zu zwei Jahren und acht Monaten Haft verurteilt. Das Krakauer Gericht habe damit einer Absprache zwischen dem ehemaligen Neonazi Anders Högström und der Staatsanwaltschaft zugestimmt, teilte ein Gerichtssprecher mit.

 Der ehemalige Vorsitzende einer rechtsradikalen schwedischen Partei hatte zugegeben, in den Diebstahl des Schriftzugs im Dezember 2009 verwickelt gewesen zu sein. Högström wird nach Angaben des Gerichts in den kommenden Wochen nach Schweden überstellt, wo er seine Haftstrafe verbüssen wird.

 Auch die Absprachen zwischen der Anklage und zwei polnischen Angeklagten akzeptierte das Gericht. Die Männer wurden wegen Beteiligung an dem Diebstahl zu Haftstrafen bis zu zweieinhalb Jahren verurteilt.

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BOMBEN ROM
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Tagesanzeiger 31.12.10

Terror. Der linke Untergrund lebt auf. Die militanten Minigruppen mögen Sprengstoff und lancieren ihre Attacken des Öftern per Post.

 Der Anarchist geht in Europa wieder um

Von Thomas Widmer

 Gestern gabs in Athen wieder einen Bombenanschlag, diesmal gegen ein Gericht. Die Urheber sollen Linksanarchisten gewesen sein. Ein isolierter Vorfall war das nicht, im Gegenteil. Wer die politisch motivierten Anschläge auflistet, stellt schnell fest, dass sie System haben. 2010 war das Jahr, in dem sich in Europa - vor allem in dessen Süden - ein militanter linker Untergrund gross in Szene setzte.

 Der neue Terror grassiert in Griechenland, Italien, Spanien, Portugal. Er hat sich über die Grenzen vernetzt. So wirkt in der italienischen Federazione Anarchica Informale die Revolutionäre Zelle Lambros Fountas, benannt nach dem griechischen Anarchisten, der im März bei einer Schiesserei mit der Polizei in Athen starb.

 Die Anarchisten sind dezentral organisiert in vielen Grüppchen; entsprechend zahlreich die Fronten, an denen sie aktiv sind. Im Kontrast etwa zur Roten Armee Fraktion, die in Deutschland einst gezielt Exponenten des Staates und der Wirtschaft attackierte, nehmen heutige linksextreme Gewalttäter eine verwirrende Fülle von Personen und Einrichtungen ins Visier.

 Eine grobe Zweiteilung immerhin lässt sich vornehmen: Die ökonomische Frustration mancher Leute versuchen jene Zellen auszunutzen, die gegen Banken und Regierungsinstitutionen agieren. Anderseits sind da gewalttätige Umweltschützer. Diesen Frühling wurde im Kanton Zürich ein Kommando aus Italien verhaftet, das einen Sprengstoffanschlag auf das IBM-Nano-Labor von Rüschlikon plante. Es gehörte zur Vereinigung Il Silvestre, von der man noch nie gehört hatte.

 Kein Land ist sicher. Die Schweiz nach den Verhaftungen im Zusammenhang mit Rüschlikon sowieso nicht: Im Oktober fand man in Rom einen Sprengsatz bei der Schweizer Botschaft, ein Brief forderte die Freilassung der drei von Il Silvestre. Ihr Kopf, Constantino Ragusa, kämpft gegen Bio-, Nano- und Nukleartechnik. Und er verehrt - noch ein Exempel internationaler Vernetzung - einen Bündner: Marco Camenisch, sogenannte "Ikone des Widerstands", sprengte Strommasten, erschoss einen Zöllner und sitzt seit langem in einer Schweizer Zelle. Bereits führte er einen Soli-Hungerstreik für die drei "Genossen" durch.

 Eisenbolzen in der Brust

 Die Lage ist unübersichtlich. Anders als im Oktober in Rom hatte die Paketbombe einen Monat später gegen die Schweizer Botschaft in Athen nichts mit Rüschlikon zu tun. Die wirtschaftspolitisch motivierte Gruppe Konspiration der Zellen des Feuers war diesmal wohl am Werk, sie beschickte auch andere Botschaften in der Stadt. Am Tag vor Heiligabend dann explodierten in Rom zwei Paketbomben, eine in der Schweizer Botschaft, eine in derjenigen Chiles. Bei solchen Aktionen können die Täter nicht genau berechnen, wen es trifft. Das scheint ihnen egal zu sein: Hauptsache, Gewalt. Ein Schweizer Mitarbeiter verlor fast die Hand, einem Angestellten der Chilenen musste ein Eisenbolzen aus der Brust operiert werden.

 Zum Doppelanschlag in Rom bekannte sich die erwähnte Federazione Anarchica Informale mit der Botschaft: "Wir haben uns entschlossen, von neuem unsere Stimme zu Gehör zu bringen, mit den Worten und den Taten. Wir zerstören das Herrschaftssystem." So klingt der Anarchismus, er verwendet seine Energie vor allem auf Destruktion. Manchmal wirkt er dabei anfängerhaft, improvisiert Bömbchen im Do-it-yourself-Stil. Er ist aber nicht harmlos. Im August erhielten mehrere Genfer Privatbankiers Pakete mit einer Plastikdose nach Hause gesandt. Wer sie öffnete, dem spritzte Säure ins Gesicht. Auch ein Kind wurde verletzt.

 Nach den Anschlägen von 9/11 in New York befürchteten Terror-Spezialisten, die al-Qaida könnte in einer Metropole eine Koffer-Atombombe zünden. Der Anarchistenterror erscheint neben dem Szenario krud und dilettantisch; er rührt nicht von einer globalen Schattenarmee her, hat in keinem Land eine Bevölkerung hinter sich, kann weder auf ausgeklügelte Logistik noch auf viel Geld zurückgreifen. Es handelt sich um Kleinzirkel, die ideologisch überschäumen. Sie können Europas Ordnung nicht zerstören. Aber sie irritieren den Erdteil, der derzeit mit allerlei Turbulenzen kämpft.

 Im August erhielten Genfer Privatbankiers eine Dose zugeschickt. Wer sie öffnete, dem spritzte Säure entgegen.

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Le Matin 30.12.10

L'icône des anarchistes

Colis piégés. Le Grison Marco Camenisch, détenu à la prison de Bochuz (VD) pour avoir abattu un douanier, est considéré comme un héros par les groupuscules italiens notamment.

 "L'anarcho-écologiste Marco Camenisch a mené du 6 au 8   décembre dernier une grève de la faim solidaire avec les trois militants Verts-anarchistes accusés d'une tentative d'attentat contre le centre de recherche d'IBM en Suisse. " Ce communiqué diffusé sur le site de Secours Rouge/APAPC, une organisation de la mouvance alternative, semble lier définitivement l'écoterroriste suisse aux attentats perpétrés la semaine dernière dans les ambassades de Suisse et du Chili à Rome.

 L'arrestation à Zurich des militants anarchistes est en effet évoquée dans la revendication écrite des terroristes qui ont envoyé les colis piégés dans les représentations diplomatiques en Italie.

 Deux attentats

 Marco Camenisch est incontestablement un anarchiste. "Il n'a jamais nié son parcours révolutionnaire", disent de lui ses camarades italiens, notemment, qui le considèrent comme une icône de la lutte anarchiste et écologique. Cet homme, né le 21   janvier 1952 à Schiers (GR), a commencé son engagement en soutenant des prisonniers "révolutionnaires" et, dès 1978, il s'est joint à la lutte contre les centrales nucléaires. Mais il ne se fera remarquer par le public qu'au début de 1980, quand il est arrêté à cause de deux attentats à l'explosif contre des pylônes à haute tension. L'un avait le tort de desservir une centrale nucléaire et l'autre une centrale hydroélectrique qui défigurait le paysage des Grisons, selon lui.

 Camenisch écope de 10 ans ferme. La sévérité du tribunal grison a étonné la presse, mais elle était probablement liée au contexte européen général. A cette époque, les agissements des groupuscules d'extrême gauche semaient la panique. Les mouvements anarcho-communistes telles la Fraction Armée rouge allemande, les Brigades rouges italiennes ou encore l'Action directe française tuent à tour de bras. Les juges de Marco Camenisch voyaient donc en lui un partisan de ces violences.

 Un meurtre

 Marco Camenisch a été ainsi marqué au fer rouge. Cet homme, diplômé d'un CFC d'une école d'agriculture, va vivre le reste de sa vie en cavale, de 1981 à 1989 en Italie, ou en prison. Il sera en effet arrêté en Italie, où il est brièvement retourné, après avoir abattu un douanier suisse, fin 1989. Ce collègue de son père l'avait reconnu alors que le Grison voulait se rendre à l'enterrement de son géniteur.

 L'Italie l'enferme, mais le renvoie en Suisse en 2002 pour finir de purger sa peine. Arrivé dans son pays natal, un nouveau procès pour le meurtre du garde-frontière l'attend. "Marco Camenisch est brutal, dénué de scrupules, et fait preuve d'un mépris total pour la vie humaine", avait estimé à l'époque le procureur Ulrich Weder dans sa plaidoirie. Le Grison aurait pourtant déclaré à un pasteur, ami de son père, "avoir tué pour ne pas être tué", rapporte un de ses proches, qui préfère rester anonyme.

 Une défense qui n'aura servi à rien. Camenisch est condamné pour la troisième fois. Il se trouve actuellement à la prison de la Plaine de l'Orbe, où il se conduit en prisonnier modèle, selon ses gardiens. Il pourrait être libéré en 2018.

 La vie carcérale n'empêche pas le Grison de continuer à militer. "Il joue un rôle actif dans l'alliance de différents groupes: cercles anarchistes, collectifs d'écologistes et des groupes œuvrant à la création du Secours Rouge international", écrit justement Secours Rouge sur son site. "Parmi ces gens, il y a aussi beaucoup de camarades qui ne l'ont connu que grâce à l'affinité dans la pensée (…) et à ses nombreux textes qui ont contribué et contribuent toujours à la croissance et au renforcement de la lutte contre toute forme d'oppression et d'exploitation, et pour la défense de l'être humain, de la terre et de tous les êtres vivants. "

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 RAPPEL DES FAITS

 23   décembreDeux colis piégés avaient explosé dans les ambassades suisse et chilienne à Rome, blessant grièvement une personne dans chaque bâtiment. Un bref message découvert sur les lieux, signé par la Fédération anarchiste informelle (FAI), exprimait sa solidarité avec "des camarades en prison".

 24   décembreUn responsable du Ministère de l'intérieur, Alfredo Mantovano, a confirmé que la Suisse avait été visée parce que des anarchistes italiens s'y trouvaient emprisonnés. L'ambassadeur suisse à Rome a évoqué pour sa part une probable réponse à l'incarcération de Marco Camenisch.

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NZZ 29.12.10

Griechische Anstifter der Anschläge

(ddp)

 (ddp) · Die italienische Polizei hat am Dienstag Kontakte zwischen anarchistischen Gruppen in Italien und Griechenland bestätigt. Die Bombenanschläge auf Botschaften in Rom hätten italienische Anarchisten auf Aufforderung ihrer griechischen Komplizen verübt, hiess es aus Kreisen der Ermittler. Eine anarchistische Gruppe aus Italien mit dem Namen Informeller Anarchistischer Bund (FAI) hatte sich zu den Anschlägen auf die schweizerische und die chilenische Botschaft bekannt, bei denen am vergangenen Donnerstag zwei Personen verletzt worden waren. Die Sicherheitskräfte konnten am Montag eine Paketbombe in der griechischen Botschaft entschärfen. Der FAI sei auch für den jüngsten Anschlagsversuch verantwortlich, teilte die Polizei am Dienstag mit.

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24 Heures 29.12.10

Terrorisme

 Le sens caché des colis piégés aux ambassades

Olivier Bot

 Pourquoi a-t-on visé l'ambassade de Suisse à Rome? Quel est le lien entrele groupe qui a revendiqué l'action et la Grèce? Indices

 Olivier Bot

 "Nous avons décidé de faire entendre notre voix avec les paroles et les faits…" Signé: Fédération anarchiste informelle (FAI) cellule révolutionnaire "Lambros Fountas". Ce message, retrouvé près de l'un des deux blessés des ambassades de Suisse et du Chili à Rome, destinataires de colis piégés, jeudi dernier, a très vite orienté l'enquête des policiers italiens, qui collaborent désormais avec la police grecque sur cette affaire.

 Opération "Santa Klaus"

 La cellule italienne qui a revendiqué l'action violente a en effet pris le nom d'un militant révolutionnaire grec abattu en mars dernier par la police. Et le modus operandi rappelle l'envoi de 14 colis piégés partis d'Athènes en novembre, à destination d'ambassades et de dirigeants européens. Cette opération fait ainsi figure de répétition générale à celle menée à la veille de Noël et répétée avant-hier encore à l'ambassade de Grèce.

 Qui sont ces anarchistes? Quels liens ont-ils avec la Grèce? Pourquoi frappent-ils maintenant? Et pourquoi ont-ils aussi visé la Suisse et le Chili? Plusieurs indices permettent de proposer des réponses à ces questions. Le sigle FAI fait référence à la défunte Fédération anarchiste italienne. Il est apparu pour la première fois en 2003 lors d'une opération baptisée "Santa Klaus", une série de colis piégés partis de Bologne vers des institutions européennes, là aussi à Noël.

 En Grèce, les groupuscules actifs se revendiquant de l'action directe se réfèrent à un idéologue italien, Alfredo Maria Bonanno, quasi inconnu en Italie, mais dont les livres sont traduits en grec. De plus, les groupes insurrectionnels grecs et italiens sont en contact étroit depuis des années. Une délégation grecque s'était ainsi rendue dans le Piémont en 1998 pour les funérailles d'Edo Massari, militant révolutionnaire suicidé en détention. Si l'ambassade suisse a été visée par un colis piégé, fracturant la main gauche d'un fonctionnaire, ce n'est pas par hasard.

 Trois détenus en Suisse

 Un premier paquet incendiaire avait été trouvé devant la représentation helvétique à Rome, demandant "la libération de Costa, Silvia et Billy". Ce sont les prénoms de trois anarchistes de la mouvance écoterroriste, suspectés d'avoir préparé un attentat contre le laboratoire de nanotechnologie d'IBM, près de Zurich. Ils ont été arrêtés en avril dernier et sont détenus depuis dans les prisons de Berne, de Bienne et de Thoune. L'autre colis était adressé à l'ambassade du Chili, à Rome. Or une cellule de la mouvance anarchiste italienne a pris le nom d'un militant nommé Mauricio Morales, tué par la bombe qu'il transportait en 2009 à Santiago. C'est cette cellule italienne qui avait visé en 2009 l'Université de Milan.

 Par ailleurs, cette action intervient à quelques jours du procès de quinze activistes de la Conspiration des cellules de feu, un groupuscule qui avait revendiqué l'envoi des 14 colis d'Athènes. Une cour spéciale grecque va les juger, le 17   janvier prochain. Cinq d'entre eux sont en détention préventive à Athènes, dont l'ambassade a été destinataire d'un colis piégé, avant-hier.

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 Un ex-garde suisse blessé à l'ambassade

 C'est leBlickqui l'a révélé hier. Le fonctionnaire de l'ambassade de Suisse à Rome qui a été grièvement blessé aux mains par un colis piégé, le 23   décembre dernier, est un ancien garde suisse. Andreas C. , 53 ans, est originaire de Stalden, en Valais. Il est arrivé à 27 ans à Rome en tant que garde suisse du pape Jean-Paul   II. Une fois sa mission accomplie, il a souhaité rester dans la capitale italienne, dont il est tombé amoureux. Il s'y mariera d'ailleurs et travaillera dans différents secteurs avant d'occuper le poste de portier à l'ambassade de Suisse à Rome, en 2004.

 Le 23   décembre, l'explosion du colis piégé a grièvement endommagé sa main gauche, en particulier l'annulaire qui portait sa bague de mariage. Toute la presse parlait alors d'amputation. Mais les mains d'Andreas se remettront finalement grâce aux chirurgiens de la polyclinique Umberto I.

 Toujours selon leBlick, le Valaisan a reçu lundi une lettre de soutien de Micheline Calmy-Rey, cheffe du Département fédéral des affaires étrangères, alors que de nouvelles menaces de colis piégés planaient sur plusieurs ambassades de Rome.

 Rédaction on line

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NZZ 28.12.10

Die Öko-Anarchisten aus Italien

 Schleppende Ermittlungen der Bundesanwaltschaft gegen drei inhaftierte Tatverdächtige

 rsp./-yr. · Nach einem chirurgischen Eingriff hat sich der Gesundheitszustand jenes Angestellten der Schweizer Botschaft in Rom verbessert, der sich am Donnerstag vergangener Woche bei einem Paketbombenanschlag schwere Verletzungen zugezogen hatte. Dies hat am Montag auf Anfrage Mauro Reina gemeldet, Chargé d'Affaires der Botschaft. Zunächst war befürchtet worden, dem 53-jährigen Botschaftsangestellten müsse ein Teil seiner linken Hand amputiert werden. Dies könne inzwischen ausgeschlossen werden. Laut Reina ist es aber noch zu früh, um beim Opfer bleibende Schäden auszuschliessen. Als Konsequenz des Bombenanschlags werden zurzeit die Sicherheitsvorkehrungen in der Schweizer Vertretung, die im Römer Stadtteil Parioli liegt, verschärft.

 Derweil hat die italienische Polizei die kriminaltechnische Analyse der Explosion eingeleitet. Die Ermittlungen laufen parallel mit jenen in der chilenischen Botschaft, wo gleichentags ebenfalls eine Paketbombe explodierte. Insbesondere werden mögliche Zusammenhänge mit früheren Anschlägen untersucht, die auf das Konto einer Gruppierung namens Federazione Anarchica Informale (FAI) gehen. Mit diesem Kürzel war ein Bekennerschreiben unterzeichnet, das nach den beiden Bombenanschlägen gefunden wurde.

 Neben Verweisen auf "gefangene Kameraden" in Griechenland, Chile, Mexiko, Spanien und Argentinien wird im Schreiben auch Bezug genommen auf "Costa, Silvia und Billy", die Mitte April in Langnau am Albis festgenommen wurden. Im Auto der drei Tatverdächtigen, die der italienischen Szene der Öko-Anarchisten zugerechnet werden, fanden sich Sprengstoff und ein Bekennerschreiben. Ihnen wird vorgeworfen, einen Anschlag auf das Forschungszentrum für Nanotechnologie des amerikanischen Computerunternehmens IBM im zürcherischen Rüschlikon geplant zu haben. Ob die drei Tatverdächtigen tatsächlich, wie von der Polizei damals mitgeteilt, bei einer Verkehrskontrolle überführt wurden, ist strittig. Möglich erscheint auch eine gezielte Überwachung.

 Die Inhaftierten - ein Italiener, eine Italienerin sowie ein in Italien lebender Tessiner - befinden sich in drei verschiedenen Gefängnissen im Kanton Bern. Als schleppend erweist sich das gerichtspolizeiliche Ermittlungsverfahren, das von der Bundesanwaltschaft geführt wird. Es wird erwartet, dass Bundesanwalt Hansjörg Stadler das Verfahren Anfang nächsten Jahres zum Abschluss bringt. Sollte sich der Verdacht erhärten, würde daraufhin nach altem System ein eidgenössischer Untersuchungsrichter eine Strafuntersuchung, das sogenannte Vorverfahren, einleiten.

 Einer der Festgenommenen gilt als Kopf einer anarchistisch-ökologischen Gruppierung namens "il Silvestre", die von Pisa aus agiert. Die Gruppierung nennt als Ziel ihres militanten Kampfes unter anderem die Verhinderung von Tierversuchen, Gen- und Nanotechnologie. Der in der Schweiz inhaftierte Anführer hatte in Italien wegen Brandanschlägen bereits eine mehrjährige Gefängnisstrafe verbüsst. In verschiedenen Solidaritätsschreiben werden die drei Tatverdächtigen häufig zusammen mit Marco Camenisch genannt. Der Bündner Öko-Terrorist mit Verbindungen nach Italien verbüsst wegen der Ermordung eines Grenzwächters eine langjährige Freiheitsstrafe. Vorübergehend haben Camenisch und die drei Häftlinge aus Italien auch einen gemeinsamen Hungerstreik ausgerufen.

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 Paketbombe in griechischer Botschaft entdeckt

 rsp. Rom · Nach den Anschlägen auf die Botschaften Chiles und der Schweiz ist es in Rom am Montag erneut zu einem Vorfall in einer diplomatischen Vertretung gekommen. In der griechischen Botschaft wurde eine mit Sprengstoff gefüllte Postsendung entdeckt. Die Paketbombe konnte von der Polizei entschärft werden. Verletzt wurde niemand.

 Der an die Vertretung adressierte Umschlag soll bereits am Freitag eingetroffen sein und wurde von einem Angestellten der Botschaft geöffnet. "Es war nur ein Zufall, dass die Bombe nicht explodierte", wurden Ermittler in italienischen Medien zitiert. Nach dem Alarm liessen die Carabinieri das Gebäude der Botschaft evakuieren und machten den Sprengkörper unschädlich. Die Polizei geht davon aus, dass die Postsendung gleichen Ursprungs wie die Paketbomben ist, die am vergangenen Donnerstag in der Schweizer und in der chilenischen Botschaft hochgegangen sind. In Rom schlugen auch weitere diplomatische Vertretungen wegen verdächtiger Päckchen Alarm, die Postsendungen erwiesen sich aber in allen Fällen als harmlos. Betroffen waren die Botschaften Venezuelas, Dänemarks, des Fürstentums Monaco, Albaniens sowie die finnische Vertretung für den Vatikan.

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BZ 28.12.10

Weitere Paketbombe in Rom entdeckt

 Terrorismus. Schon zum zweiten Mal innerhalb weniger Tage sorgt Bombenalarm für Terrorangst in Rom. In der griechischen Botschaft wurde gestern eine Paketbombe entdeckt, die aber rechtzeitig entschärft werden konnte. In sieben weiteren Botschaften gab es Fehlalarm.

 In der griechischen Botschaft sei ein verdächtiges Paket vom Postbeauftragten geöffnet worden, jedoch nicht explodiert, sagte ein Polizeisprecher gestern der Nachrichtenagentur AFP. Italienische Experten machten den Sprengsatz mit einer kontrollierten Explosion unschädlich. Die Paketbombe habe seit Heiligabend in der Botschaft gelegen. Wegen der Feiertage sei es aber zunächst nicht geöffnet worden, wird der griechische Botschafter Michalis Kambanis auf der Internetseite der Zeitung "La Repubblica" zitiert.

 Vor dem Botschaftsgebäude wimmelte es nach der Entdeckung von Polizisten, Carabinieri und Feuerwehrleuten. Die Strasse in dem Wohnviertel Parioli blieb für den Verkehr geöffnet.

 Parallelen

 Auch in anderen Vertretungen wurde nach dem Eingang von verdächtigen Päckchen Bombenalarm ausgelöst. Allerdings habe es sich in allen Fällen um falschen Alarm gehandelt, der Verdacht auf Sprengstoff bestätigte sich nicht. Verdachtsmeldungen kamen aus den Botschaften von Monaco, Venezuela, Marokko, Dänemark, Schweden, der Ukraine und Finnland. Die in der griechischen Botschaft entdeckte Paketbombe ähnelte laut Polizei denjenigen, die am vergangenen Donnerstag in den Vertretungen der Schweiz und Chiles explodiert waren und je einen Botschaftsangestellten schwer verletzt hatten.

 Ermittlungen bei Anarchisten

 Zu den Anschlägen am Donnerstag hatte sich eine anarchistische Gruppe aus Italien mit dem Namen Informeller Anarchistischer Bund (Fai) bekannt. Das Bekennerschreiben der Fai stammte von einer "revolutionären Zelle Lambros Fountas". Fountas war ein griechischer Anarchist, der im März dieses Jahres bei einem Feuergefecht mit der Polizei in Athen ums Leben gekommen war. Die italienischen Ermittler prüfen gegenwärtig die Kontakte der Fai zur anarchistischen Szene in Griechenland. Mehrere Botschaften, darunter jene der Schweiz und Chiles, waren in Athen Anfang November Ziele von Paketbomben.

 Schweizer Botschaft offen

 Ungeachtet des erneuten Bombenfundes war die Schweizer Botschaft gestern wieder normal geöffnet. Die Sicherheitsmassnahmen seien aber in Absprache mit den italienischen Behörden verstärkt worden, hiess es beim Eidg. Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA). Dem 53-jährigen Schweizer, der bei der Explosion der Paketbombe am Donnerstag verletzt worden war, gehe es den Umständen entsprechend gut, hiess es weiter. Er bekam gestern Besuch von einem Botschaftsmitarbeiter.
 sda

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Le matin 28.12.10

Nouveau colis piégé à rome
 
Attentat. L'ambassade de Grèce a reçu un paquet contenant des explosifs. Le dispositif a été désamorcé à temps. Des courriers suspects ont été signalés dans six autres représentations, il s'agissait de fausses alertes.

 Les représentations diplomatiques de Rome ont connu hier un nouvel état d'alerte après la découverte d'un paquet contenant des explosifs à l'ambassade de Grèce. Le dispositif désamorcé par les artificiers est semblable à ceux qui ont explosé la semaine dernière aux ambassades du Chili et de Suisse, ainsi qu'à l'engin explosif rudimentaire découvert dans une rame vide du métro romain à la même période, ont indiqué les autorités italiennes.

 L'ambassadeur de Grèce à Rome, Michael Cambanis, a fait savoir que le colis piégé avait été acheminé par coursier le vendredi   24 décembre alors que l'ambassade était déjà fermée. "Le personnel l'a trouvé hier matin, mais des mesures de sécurité avaient déjà été prises", a-t-il déclaré. "Nous avons aussitôt prévenu les carabiniers, qui (…) ont neutralisé la bombe", a-t-il ajouté. Les représentations diplomatiques de la capitale italienne ont été placées en état d'alerte et des paquets suspects ont été signalés hier dans les ambassades de Monaco, du Venezuela, du Maroc, du Danemark, de Suède, d'Albanie et d'Ukraine en Italie ainsi qu'à l'ambassade de Finlande auprès du Vatican. Mais il s'agissait à chaque fois de fausses alertes.

 Des précédents

 Les autorités italiennes ont dit s'attendre à d'autres attaques de ce genre en cette période des fêtes de Noël. Elles précisent que les ambassades d'Italie à l'étranger ont été placées en état d'alerte.

 La semaine dernière, d'autres fausses alertes avaient concerné les ambassades d'Irlande et d'Ukraine, tandis que deux colis piégés avaient explosé jeudi dans les ambassades de Suisse et du Chili. Ils avaient fait deux blessés graves. Ces deux attentats avaient été revendiqués par la Fédération anarchiste informelle (FAI), un groupuscule proche de groupes extrémistes grecs, dont le groupe de Lutte révolutionnaire (EA). "Pour l'instant, aucun élément matériel liant la vague de colis piégés du mois dernier en Grèce et les actions récentes en Italie n'est apparu", a toutefois déclaré hier le chef de la police. Il faisait référence aux 14 paquets adressés à des dirigeants européens, dont Angela Merkel et Nicolas Sarkozy, et d'autres institutions et ambassades européennes. Ces attentats avaient fait un blessé. Ils avaient été revendiqués par la "Conspiration des cellules de feu", un groupe issu de la mouvance anarchiste.

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 Le blessé suisse passera un mois à l'hôpital

 Après les attentats contre

 Les ambassades de Suisse et du Chili jeudi dernier, à Rome, la représentation helvétique a rouvert ses portes hier, entourée de mesures de sécurité renforcées. L'état de santé du préposé au courrier de 53 ans qui avait été grièvement blessé à une main lors de l'explosion du colis à l'ambassade de Suisse s'améliore. Mais il devra rester encore un mois à l'hôpital. Le jour de Noël, il a reçu la visite d'un membre de l'ambassade et une nouvelle visite était prévue hier. Une "lettre de soutien" signée Micheline Calmy-Rey, cheffe du DFAE, "devait lui être remise à cette occasion", a précisé le département.

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10vor10 27.12.10

Paketbombenanschlag auf griechische Botschaft

Erneut Terroralarm in Rom: Vier Tage nach den beiden Anschlägen mit Briefbomben, ist heute vor der griechischen Botschaft eine Bombe entdeckt worden. Sprengstoffexperten konnten sie rechtzeitig entschärfen.
http://videoportal.sf.tv/video?id=17107beb-227f-4a3f-a693-2486b0d17450

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MIGRATION CONTROL
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sf.tv 1.1.11

Athen will Grenzzaun zur Türkei

 Um den Strom von Flüchtlingen aus der Türkei zu stoppen, plant Griechenland einen Grenzzaun entlang des grössten Teils der 206 Kilometer langen Grenze zu Nachbarland. Dies sagte der griechische Minister für Bürgerschutz, Christos Papoutsis

sda/blur

 "Die Kooperation mit den Grenzschützern aus anderen EU-Staaten läuft gut", sagte Papoutsis der halbamtlichen griechischen Nachrichtenagentur ANA. "Jetzt planen wir einen Zaun zu bauen, um die illegale Migration abzuwehren." Im Jahre 2010 kamen nach Angaben des Ministers "täglich rund 200 Flüchtlinge" aus der Türkei.

 Als Vorbild soll der Zaun gelten, den die USA entlang der Grenze zu Mexiko errichtet haben. Unklar bleibt die Haltung der EU-Kommission dazu. Die EU führt Beitrittsgespräche mit der Türkei. Die griechisch-türkische Grenze führt durch Flachland am Fluss Evros (türkisch: Meric) und dem Flussdelta entlang. Griechenland hatte vor zwei Monaten unter dem Druck der immer mehr zunehmenden Migrationswelle die Hilfe der EU-Grenzagentur Frontex angefordert.

 Der Weg nach Europa

 Seit November arbeiten dort zusammen mit den Griechen rund 200 Beamte der Frontex. Die EU-Beamten helfen Griechenland, die Landgrenze zur Türkei zu kontrollieren und Flüchtlinge in die Auffanglager zu bringen.

 Unklar ist aber, wie es dann weitergehen soll. Die Aufnahmelager sind restlos überfüllt. Menschenrechtsorganisationen kritisieren scharf die griechische Asylpolitik und die Zustände in griechischen Aufnahmelagern.

 Griechenland ist in den vergangenen Monaten zum Einfallstor für Flüchtlinge in die EU geworden, weil das Mittelmeer schärfer kontrolliert wird. Während Flüchtlinge aus Afrika bislang vor allem mit Booten von Libyen aus über das Meer in die EU gelangten, kommen sie inzwischen über die Türkei. Dabei handelt es sich laut EU-Kommission vor allem um Afrikaner, Afghanen, Pakistani und Iraker.

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Reformiert 31.12.10

Freiwillige aus allen Ecken EUROPAS

 Engagement/ Eva Nordheim pflegt Katzen. Sophie Gohar coacht Schülerinnen. Doktor Lisa leistet Armen medizinische Hilfe, und Pater Prokopios gibt Flüchtlingen Obdach. Vier Porträts von vier Freiwilligen aus vier Ländern.

 Griechenland

 Griechenland hat keine Freiwilligentradition. Offiziell wird von 30 000 Freiwilligen gesprochen, was weniger als einem Prozent entspricht. Vom Staat gibt es kaum Unter-stützung für Nichtregie-rungsorganisationen. Die orthodoxe Kirche engagiert sich stark im Sozialbereich. Nach Ausbruch der Finanz-krise wurde unter Erzbischof Ieronymos die bisher grösste griechische Freiwilligen-organisation gegrün-det. In Suppenküchen erhalten täglich 85 000 Menschen, meist illegale Einwanderer, eine warme Mahlzeit.

 ATHEN

 Pater Maximos, 42

 "Der humanistische Priester"

 Der Migrantenpater/ In Athen stranden derzeit Tausende von illegalen Migranten. Ihnen schlägt blanker Hass entgegen. Geistliche der orthodoxenKirche setzen sich unentgeltlich für sie ein. Zum Beispiel Pater Maximos.

 "Alle Menschen sind Geschöpfe Gottes. Ungeachtet ihrer Rasse, Farbe und Religion." Mit diesen Worten öffnete ein orthodoxer Geistlicher, Pater Prokopios, vor zwei Jahren mitten in Athen an einem kalten Wintertag kurzerhand die Tore seiner Kirche - für Dutzende von verzweifelten obdachlosen Migranten. Er richtete eine Armenküche ein und verwandelte die Lagerräume des Gotteshauses in eine Herberge. Die vorwiegend muslimischen Migranten verehrten den orthodoxen Popen und nannten ihn liebevoll "unseren humanistischen Priester".

 Stranden

Das Kirchenvolk des zentralen Viertels rund um die Kirche "Aghios Panteleimon" war für die humanitäre Geste hingegen weniger empfänglich. Seit der Jahrtausendwende führt der Hauptstrom der illegalen Einwanderung in die Europäische Union über die Türkei und Griechenland. Abertausende Einwanderer aus Afghanistan und Pakistan, aus dem arabischen Raum und neuerdings auch aus Nordafrika stranden mittellos in der griechischen Hauptstadt. Über 300 000 Sans-Papiers sollen mittlerweile in Athen untergetaucht sein. Kriminalität, Prostitution und Rauschgifthandel nehmen in Vierteln wie Aghios Panteleimon sprunghaft zu. Parallel dazu wachsen die Fremdenfeindlichkeit und die rassistischen Übergriffe. Ein Teufelskreis.

 Kämpfen

Pater Prokopios bekam das zu spüren: Er wurde als "Priester der Prostituierten und Rauschgifthändler" verunglimpft, in seiner Kirche brach ein Feuer aus, die Spannung nahm zu und teilte die Einheimischen dieses ehemals gutbürgerlichen und nun zu einem Ghetto heruntergekommenen Viertels in zwei verfeindete Lager.

 Dann wurde Pater Prokopios zum Bischof befördert und aus Aghios Panteleimon entfernt.

 Das war im November vor einem Jahr. Der neue Kirchenvater, Pater Maximos, setzt das Werk seines Vorgängers unbeirrt fort. Er hat sich vorgenommen, Brücken zu bauen zu jenen Gruppen, welche die Migranten als Bedrohung empfinden. Unter dem Motto Sagt Nein zur Intoleranz will er die Tore seiner Kirche öffnen und für Fremde und Einheimische ein Konzert veranstalten.

 Integrieren

"Fremde raus!", haben Rassisten kürzlich auf den Platz vor der Kirche geschrieben und Migrantenkinder vom Spielplatz vertrieben. Seither patrouilliert hier die Polizei. Hat Pater Maximos Angst? Er erzählt von einer fröhlichen Taufe vor einigen Tagen und sagt: "Wir müssen kulturelle und geistige Bedingungen schaffen, um die Integration eines jeden Fremden zu ermöglichen." Er selbst ist 1968 als Kind griechischer Gastarbeiter in Leverkusen zur Welt gekommen und war fast zwanzig Jahre Priester in Stuttgart: "Ich weiss genau, was es heisst, fremd zu sein.".  

Amalia van Gent, Athen

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Frankfurter Allgemeine 29.12.10

Auf der Sklavenroute durch die Wüste

 Europa heißt ihr Ziel, doch wenn sie es überhaupt erreichen, warten dort neue Demütigungen auf sie: Fabrizio Gattis aufrüttelnder Bericht über seine Reise mit afrikanischen Migranten.

ANNIKA MÜLLER

 Die Reise, die der italienische Journalist Fabrizio Gatti für sein Buch "Bilal" unternommen hat, war alles andere als ungefährlich: Er folgte Migranten, die auf der Suche nach einer besseren Zukunft aus Westafrika durch die Sahara in Richtung Europa ziejien. Monatlich fünfzehntausend Menschen, darunter Frauen, Kinder und Alte, machen sich von der Tuareg-Stadt Agadez aus auf den Weg durch die Wüste. Was der Chefreporter des Nachrichtenmagazins "Espresso" mit ihnen erlebt, ist so schockierend, dass man seine Schilderungen gerne für Fiktion halten würde.

 Gatti zwängt sich mit den Glückssuchern auf Jeeps und Lastwagen. Fast hundertdreißig Personen zählt er einmal auf der Ladefläche eines Kleintransporters. Eine Reifenpanne in der Wüste kann den Tod aller bedeuten. Wer einschläft und herunterfällt oder erkrankt, wird zurückgelassen. Nicht selten setzen die Schlepper ihre Ware einfach aus, um schneller an neuen Kunden verdienen zu können.

Denn verdienen wollen alle an der Völkerwanderung: Soldaten, Polizisten, Schlepper, Stadtverwalter, Militärbefehlshaber, Banditen. An offiziellen wie inoffiziellen Kontrollstationen, in den Oasen und Siedlungen pflegt man den Reisenden alle Habseligkeiten abzunehmen. Wer nichts hat oder nichts geben möchte, wird misshandelt. Das Geschäft lohnt sich. An einem einsamen Militärposten kommen mit Gatti allein an einem einzigen Tag über 800 Personen an. Während der Journalist durch seinen italienischen Pass geschützt ist, sind seine Mitreisenden der Willkür machtlos ausgeliefert.

 Um alle Ersparnisse gebracht, bleibt die Mehrheit der Migranten auf dem Weg stecken. Die "stranded people" verdingen sich als Hausdiener oder Prostituierte, um wenigstens das Geld für die Rückreise aufbringen zu können. Moderne Sklavenrouten nennt Gatti darum die Pisten durch die Sahara ans Mittelmeer.

 Gatti beschränkt sich nicht auf die Rolle des passiven Beobachters. Er gewinnt das Vertrauen vieler Mitreisender, schließt Freundschaften und teilt, was er besitzt. Per E-Mail hält er den Kontakt und hilft später von Italien aus finanziell und organisatorisch. Daher weiß er auch, dass keiner seiner neuen Freunde tatsächlich in Europa angekommen ist.

 Am Mittelmeer endet Gattis Reise. Er entscheidet sich im letzten Moment dagegen, auf eines der überladenen Boote zu steigen. Als er kein libysches Visum erhält, kehrt Gatti über Tunesien mit dem Flugzeug in seine Heimat zurück. Was Illegale in Libyen erwartet - Verfolgung, Abschiebehaft, Folter -, erfährt der Leser aus E-Mails ehemaliger Reisegefährten.

 Diese nüchterne Wiedergabe des Schriftverkehrs ist eines der erschütterndsten Kapitel des Buchs: Die Immigranten sehen sich mit einem Mob konfrontiert, der, aufgehetzt durch die Reden al-Gaddafis, mit Hämmern und Steinen Jagd auf Schwarzafrikaner macht. Einwanderer, die teilweise seit vielen Jahren in Tripolis leben und arbeiten, werden in die Wüste gejagt oder in Lager gesteckt in denen vergewaltigt und misshandelt wird.

 Der Hintergrund ist ein bilaterales Abkommen mit Italien, in dem sich Libyen zur Flüchtlingskontrolle verpflichtet. Dafür erhielt es 4,3 Milliarden Euro. Gleichzeitig verdient das Land weiter am lukrativen Schlepper-Geschäft. Italien hat seinerseits den einstigen Schurkenstaat zum sicheren Dritt- und Freundesstaat erklärt, um der illegalen Zuwandererströme Herr zu werden. Dass die Rechte der Illegalen in Libyen mit Füßen getreten werden, wird dabei in Kauf genommen. Zwei der neuen Freunde Gattis, Akademikern aus Ghana, wird trotz gültiger Pässe und Flugtickets, Visen für Europa und der Einladung einer europäischen Universität die Ausreise aus Libyen verweigert. Sie haben, so Gatti, "einen dramatischen Fehler gemacht: Sie haben auf das Gesetz vertraut". James und George werden grundlos inhaftiert und beinahe zu Tode gefoltert. Als Gatti das erfährt, macht er sich auf den Weg, um den Sohn al-Gaddafis zutreffen, der sich in Italien zu einem Fußballspiel aufhält.

 Gatti ist nun endgültig kein Unbeteiligter mehr. Als er sich nun noch einmal in umgekehrter Richtung auf den Weg durch die Wüste macht, ist es nicht mehr die journalistische Recherche, sondern die Sorge um die Freunde, die ihn antreibt. Er reiht sich ein in den Zug, der Libyen nach Süden zu verlässt, und wird Zeuge einer Tragödie. Er erlebt, wie Tausende von Menschen in der Sahara ausgesetzt werden, um die Lastkraftwagen für die nachkommenden Flüchtlingsmassen freizumachen. Apokalyptische Szenen spielen sich hier ab. Als er selbst in der Wüste strandet, kommt auch er in Lebensgefahr.

 Der für Italien unbequemste Teil des Buches sind aber wohl Gattis verdeckte Recherchen auf italienischem Boden. Vor der Küste Lampedusas springt er ins eiskalte Meer, lässt sich aufgreifen und als irakischer Kurde Bilal in das Flüchtlingslager stecken. Nun bekommt er zu spüren, wie Europa Migranten ohne Papiere empfängt. Er watet durch knöchelhohen Kot und Urin, schläft auf einem Handtuch, seinem einzigen Besitz. Es gibt keine Türen, keinen Strom, keine Privatsphäre, keine medizinische Versorgung und nur Salzwasser zum Waschen.

 Gatti kann verbergen, dass er Italienisch spricht. So erfährt er einiges über die perfiden Verhörmethoden und über die Haltung der Carabinieri, die die Einwanderer verachten. Und auch er wird so Opfer von willkürlicher Gewalt und Demütigung von Seiten seiner Landsleute, bevor er freigelassen wird mit der Auflage, Italien in fünf Tagen zu verlassen. Als sein Buch in Italien erschien, führte es zu einer parlamentarischen Untersuchung der Verhältnisse im Lager von Lampedusa.

 An Berichte über Leichen und Gestrandete vor den Kanaren, Griechenland und Lampedusa hat man sich längst gewöhnt. Gattis beeindruckendes Buch hilft, die Menschen hinter diesen Nachrichten zu sehen.

Fabrizio Gatti: "Bilal". Als Illegaler auf dem Weg nach Europa.
Aus dem Italenischen von Rita Seuß und Friederike Hausmann.
Antje Kunstmann Verlag, München 2010. 457 S., geb., 24,90 €.

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ANTI-ATOM
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sf.tv 31.12.10

"Ferien" auf der Atommüll-Deponie

sda/from

 Die Diskussion über den Bau von neuen Atomkraftwerken gewinnt an Vehemenz. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund allenthalben prophezeiter Stromlücken. Nicht alle im Land sind von der Idee neuer AKW begeistert. Um sie zu gewinnen lässt sich der Energiekonzern BKW etwas besonderes einfallen: Reisen zu einem französischen Lager für radioaktive Abfälle.

 Der Energieunternehmer verstärkt damit vor der Abstimmung zur Position des Kantons Bern zu einem neuen Atomkraftwerk Mühleberg seine Informationsanstrengungen.

 "Kaffeefahrt" in die Champagne

 Diese Reise kostet 90 Franken pro Person und führt zum Lager für schwach- und mittelradioaktiven Atomabfall der Firma Andra in der Region Champagne-Ardenne, wie aus einem am 31. Dezember in Berner Tageszeitungen erschienenen Inserat hervorgeht.

 BKW-Sprecher Sebastian Vogler sagte, ob diese Reise für die BKW kostendeckend sein werde, hänge von der Anzahl Interessenten ab. Die BKW führt Interessenten per Car nach Frankreich.

 Unlautere Propaganda oder Service Public?

 Die Reise zum Abfalllager ist nur einer von sechs "Tagen der offenen Tür", welche die BKW vor der Abstimmung vom 13. Februar über ein neues AKW Mühleberg durchführt. Auf dem Programm stehen etwa auch Führungen durchs bestehende AKW Mühleberg und durch Solarkraftwerke.

 Die bernische Regierung hat kürzlich die BKW aufgerufen, sich bei Abstimmungen zurückzuhalten. Entspricht diese Informationsoffensive noch der Vorgabe des Hauptaktionärs? Vogler: "Diese Angebote bleiben im Rahmen der Informationen, die wir der Kundschaft und den Stimmbürgern schon immer gegeben haben und nun verstärken".

 Neues AKW ja, aber nur mit Auflage

 Auf ihrer Seite ist zumindest das Nuklearsicherheits-Inspektorat des Bundes. Im November veröffentlichte es ein Gutachten, das den Neubau von AKW an drei Standorten in der Schweiz grundsätzlich für machbar hält. Einer davon ist Mühleberg. Dem Bau positiv gegenüber steht das Inspektorat aber nur unter gewissen Bedingungen, wie der Archiv-Beitrag von "10vor10" zeigt.

 Wie sich die Scharm- und Info-Kampagne der BKW tatsächlich auf die Akzeptanz in der Bevölkerung auswirken wird, darf mit Spannung erwartet werden.

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Bund 31.12.10

Meinungen

 In Medias res

 Lücke im Schafspelz

Nick Lüthi

 So besinnlich, wie das alte Jahr zu Ende geht, so lärmig dürfte es schon bald im neuen zu- und hergehen. Mit der kantonalen Konsultativabstimmung vom 13. Februar über ein neues Atomkraftwerk in Mühleberg steht in wenigen Wochen eines der wichtigsten und politisch umstrittensten Ereignisse des kommenden Jahres auf der Agenda. Befürworter und Gegner der Kern- respektive Atomkraft messen dem Ausgang der Abstimmung Bedeutung bei für die Zukunft der Energiepolitik. Entsprechend hitzig wird der kurze Abstimmungskampf geführt werden.

 Im Zentrum der Debatte steht ein Begriff: die Stromlücke. Jener Versorgungsengpass, der entstehen soll, wenn der Stromkonsum weiter steigt und keine neuen Kraftwerke in Betrieb genommen werden. Das klingt plausibel und dürfte von grossen Teilen der politisch aktiven und interessierten Bevölkerung genau so verstanden werden. So sachlich-nüchtern, wie die "Stromlücke" heute daherkommt, so neutral ist sie aber nicht. Der Begriff ist eine Wortschöpfung der Kernenergiebefürworter. Noch vor sechs Jahren existierte er sozusagen nicht. Ganze viermal haben ihn 2004 Journalisten in Schweizer Zeitungen und Zeitschriften erwähnt. Bereits ein Jahr später stand er fast hundertmal in Medien zu lesen.

 Was war geschehen? 2005 präsentierte der Energiekonzern Axpo erstmals seine "Stromperspektiven". In diesem Dokument tauchte die "Stromlücke" prominent auf und fand flugs Eingang in die Berichterstattung. Einzelne Medien, etwa die NZZ, setzen die Wortschöpfung bis heute in Anführungszeichen, um den Lesern transparent zu machen, dass es sich hier um einen Propagandabegriff der Stromwirtschaft handelt. Die meisten anderen Medien haben die einprägsame Formel jedoch ohne diesen Vorbehalt in ihre Berichterstattung aufgenommen.

 Die PR-Agentur Burson-Marsteller, welche die Atomindustrie bei Kommunikations- und Lobbyarbeit berät und unterstützt, erzielte mit dem Begriff einen Glückstreffer. Roman Geiser, ehemaliger CEO von Burson-Marsteller Schweiz, bezeichnete die "Stromlücke" schon 2007 als Selbstläufer, "weil er einfach und einprägsam ist, gewissermassen mediengerecht". Womit Geiser klarmachte, worauf es bei solchen Wortschöpfungen ankommt: Mediengerecht müssen sie sein. Denn ohne die Verbreitung durch die Medien bringt der cleverste Einfall nicht viel.

 Bei der "Stromlücke" spielen die meisten Journalisten das Spiel der Stromindustrie mit und verwenden den Kampagnebegriff als quasi neutrales Faktum. Damit ist für Axpo & Co. die Rechnung aufgegangen. Sie konnten in der Diskussion um die Energiezukunft der Schweiz einen wichtigen Punkt für sich verbuchen, indem sie es schafften, ihre Sichtweise dank einem unverdächtigen Begriff zu popularisieren. Den AKW-Gegnern bleibt als Trost immerhin, dass die mit Gefahren assoziierte Terminologie der "Atomkraft" gegenüber der sauberen und ungefährlichen "Kernkraft" in den Medien weiterhin die Oberhand behält.

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Basler Zeitung 31.12.10

Zwei Grad zu heiss für Stromversorger Axpo

 Der Konzern liess atomkritische Passage aus der Klimaausstellung auf dem Dreispitzareal entfernen

 David Weber

 In einer animierten Computergrafik der Klimaschau "2 Grad" auf dem Dreispitzareal wurde Atomkraft als wenig zukunftsträchtig dargestellt. Daran hatte Ausstellungspartner Axpo keine Freude.

 Was beeinflusst das Klima der Erde und wie beeinflusst das Klima uns? Diesen und anderen Fragen widmet sich die aktuelle Wetter- und Klimaausstellung "2 Grad" im Kunstfreilager auf dem Dreispitzareal. Die Klimaschau mit einem Gesamtbudget von 3,8 Millionen Franken warnt auch vor den unvorhersehbaren Folgen einer Klimaerwärmung.

 Nicht erwärmt, sondern abgekühlt hat sich das Verhältnis zwischen den Ausstellungsmachern und einem ihrer Partner, der Axpo Holding AG - wenn auch nur vorübergehend. Für Verstimmung sorgte eine animierte Computergrafik, die zu Beginn in der Ausstellung zu sehen war. Dort hiess es über Atomkraftwerke: "Uran ist eine begrenzte Ressource. Bei einem massiven Umstieg auf Atomkraft wären die Uranvorräte nach nur 18 Jahren verbraucht. Der radioaktive Abfall strahlt noch sehr lange und ein schwerer Unfall kann nie ausgeschlossen werden." Das passte Ausstellungspartner Axpo nicht.

 Intervention

Der Grund dafür: Das Energieunternehmen führt auch Strom aus Atomkraftwerken im Angebot. An der Klimaausstellung wirbt Axpo nicht nur im Rahmen einer Energiewoche vom 29. Januar bis 5. Februar für ihren "praktisch CO2-freien Strommix", auch CEO Heinz Karrer lässt sich auf der "2 Grad"-Homepage zitieren: "Als grösster Stromproduzent der Schweiz möchte Axpo mit der Förderung der CO2-armen Technologien wie Wasserkraft, Kernkraft und neuen erneuerbaren Energien ihren Beitrag zur Eingrenzung der Treibhausgas-Emmission leisten."

 Deshalb stiess Axpo die kritische Aussage zur Atomenergie sauer auf. Der Stromkonzern intervenierte und "bat den Veranstalter um eine Entfernung des Videos", wie Axpo-Sprecherin Daniela Biedermann Informationen der BaZ bestätigt. Seither sind diese atomstromkritischen Aussagen in der Klimaausstellung nicht mehr zu sehen.

 "Teilweise falsch"

Dabei begrüsst Axpo laut Biedermann "eine kontroverse Diskussion zu Energiethemen, auch zur Kernkraft". Trotzdem intervenierte Axpo. Denn die Aussagen in der Computergrafik waren "fachlich nicht haltbar" und "zum Teil falsch", kritisiert Biedermann und legt sogleich "folgende Fakten" nach: Neben den weltweit 444 Kern- respektive Atomkraftwerken befänden sich derzeit 40 Einheiten im Bau, für 80 weitere lägen konkrete Projekte vor. Und Uran aus konventionellem Bergbau reiche noch für mehrere Hundert Jahre. Weiter verweist die Axpo-Sprecherin auf das Schweizer Entsorgungskonzept, das geologische Tiefenlager vorsieht. Biedermanns Fazit: "Kernenergie ist also eine bewährte Technologie mit Zukunft."

 Die Ausstellung "2 Grad" wurde vom Deutschen Hygiene-Museum Dresden konzipiert. In die Schweiz geholt wurde die Klimaschau von der Stiftung Mercator Schweiz, die mit 1,5 Millionen Franken auch deren Hauptförderer ist.

 Mercator-Geschäftsführer Albert Kesseli teilt auf Anfrage der BaZ mit: "Die Axpo hat uns darauf aufmerksam gemacht, dass die Aussagen in einer animierten Computergrafik, die wir aus Dresden übernommen haben, einseitig und zum Teil fachlich nicht richtig seien." Im Sinne einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit hätten sie sich dazu entschlossen, die entsprechende Grafik zu entfernen, schreibt Kesseli in seiner Stellungnahme, zumal an anderer Stelle in der Ausstellung - wo Klimapolitik und Zukunftsfragen diskutiert werden - Kernenergie nach wie vor kritisch betrachtet und kontrovers besprochen werde.

 Plattform

Weiter betont der Präsident des Trägervereins "Ausstellung 2 Grad": Das Thema Kernenergie sei nur einer von zahlreichen Aspekten der Ausstellung, die historische, kulturelle und wissenschaftliche Fakten zu Fragen rund um Wetter, Klima und Klimawandel vermittle. Die Stiftung Mercator Schweiz arbeite bewusst mit Partnern aus ganz unterschiedlichen Bereichen, wie Kesseli erklärt - vom WWF bis hin zur Axpo. Das entspreche dem Plattformgedanken der Ausstellung.

 "2 Grad - das Wetter, der Mensch und das Klima". Dreispitz, Tor 13. Noch bis zum 20. Februar 2011. > http://www.2grad.ch

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Aargauer Zeitung 31.12.10

"Kein Grund, um als Regierungsrat aufzuhören"

 Interview

Mit Landammann Peter C. Beyeler zu umstrittenen Gesetzen, seiner Rolle in der Partei und seiner Amtszeit

Urs Moser und Hans Lüthi

(...)

 Das gilt auch für die Stromzukunft: Axpo und BKW schreiben die Atomkraftwerke Beznau und Mühleberg aus, bevor Bundesrat, Parlament und Volk entscheiden. Dürfen die Unternehmen das so machen?

 Sicher schon, denn das ist ein Entscheid der Unternehmen. Die Ausschreibung und Auswahl eines Kernkraftwerks dauert sehr lange, das ist nicht wie bei einem Autokauf. Darum ist es richtig, die Varianten heute zu evaluieren, um bis zum möglichen Volksentscheid schon genauere Daten zu haben. Ob das Kraftwerk ein Druckwasser- oder ein Siedewasserreaktor ist und 1400 oder 1600 Megawatt Leistung haben wird, sind wichtige Informationen. Bei einem möglichen positiven Volksentscheid ist das Geld gut investiert, bei einer Ablehnung müssen die Axpo und die BKW das Geld abschreiben können. Wegen der drohenden Stromlücke drängt die Zeit.

 Warum wollen Axpo, BKW und Alpiq alle ein AKW und lassen die Standortfrage weiter offen?

 Es geht für die drei Unternehmen darum, für die künftige Versorgung der Schweiz genügend Strom zu haben. Es geht ihnen auch um die Unabhängigkeit vom Ausland bei der Schlüsselenergie Strom. Dabei ist die Nutzung der bisherigen Standorte ein Akt der Vernunft, denn die ganze Infrastruktur ist vorhanden.

 Die Regierung will den Standort Beznau. Im Energiegesetz ist der Atomrappen weg, die Standortabgeltung wird gestrichen. Der Aargau trägt die Lasten und überlässt den Profit anderen?

 Nein, das kann man nicht so sehen. Die Abgeltung wollten wir zur Diskussion stellen, um darüber einen Entscheid des Parlaments zu bekommen, obwohl Widerstand absehbar war. Wir wollten auch für Energienutzungen gleich lange Spiesse schaffen. Vereinbarungen über Abgeltungen sind auch ohne Gesetz zwischen Bauherr und Gemeinden möglich.

 Ob Klingnau und Böttstein beim Bau von Beznau 3 auch profitieren oder nur die Standortgemeinde Döttingen, ist damit völlig offen?

 Wenn Döttingen und Klingnau fusionieren, stellt sich ja dieses Problem nicht mehr. Nein, ernsthaft, ich gehe davon aus, dass man eine regionale Lösung sucht. Eindeutig ist aber, dass nicht Dutzende von Millionen Franken verteilt werden können.

 Die Partnerwerke zahlen kaum Steuern, hat der Kanton auch nichts von einem neuen AKW?

 Doch, wir haben die Steuererträge aus der Energieverwertung der Axpo. Aber es ist richtig, bei einem Kernkraftwerk auf der Beznau als Partnerwerk reduziert sich der Steuerertrag gegenüber heute, das ist eindeutig.

 Zum Tiefenlager: Würden Sie ein solches in Ihrer Wohnregion akzeptieren?

 (schweigt lange) Ich gebe darauf keine Antwort, ich bin zu exponiert. Die Haltung der Regierung ist klar, wir wollen kein Tiefenlager. Niemand sucht ein Tiefenlager, auch einen KKW-Standort sucht heute in der Schweiz niemand. Nur, es gibt Verpflichtungen gegenüber der Gesellschaft, so ist es auch bei einem Tiefenlager. Wir sind gesetzlich ver- pflichtet, einen Standort in der Schweiz zu suchen und ihn festzulegen. Darum machen wir als Regierung mit im ganzen Evaluationsverfahren des Bundes.

 Nach welchen Kriterien wird der Standort am Schluss festgelegt?

 Wir verlangen mit Nachdruck, dass die absolute Sicherheit entscheidend sein muss. Also nicht eine relative Sicherheit. Es ist offensichtlich, dass ein Lager in einer dickeren homogenen Schicht Opalinuston sicherer sein muss als in einer dünnen Schicht, die gerade noch genügt. Weiche Kriterien wie die Bevölkerungsdichte oder das Mass der regionalen Opposition dürfen kein Entscheidungskriterium sein.

 Aber der Widerstand nimmt zu.

 Das ist richtig und auch verständlich. Ich gehe allerdings davon aus, dass wenn ein Lager einmal gebaut ist, es nach einer gewissen Zeit kein lautes Thema mehr sein wird. Ausserhalb der Region weiss ja heute auch kaum jemand, wo das Zwischenlager Würenlingen steht. Nach einem hoch emotionalen Entscheid kommt oft die Sachlichkeit zurück, wenn etwas realisiert ist.

(...)


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Bund 29.12.10

Atomkraftwerke sind fragliche Klimaschützer

 Auch damit das Klima auf unserem Planeten lebenswert bleibe, brauche es neue Atomkraftwerke. Dies verkündet die Nuklearbranche bei jeder Gelegenheit. Allerdings eignen sich AKW kaum für eine wirksame Klimapolitik, schon gar nicht weltweit.

 Sarah Nowotny

 Glühend heisse Sommer im hohen Norden, entfesselte Stürme und Schnee unter Palmen. Inzwischen kann sich niemand mehr den weltweiten Klimakapriolen entziehen. Das Rezept zur Verhinderung einer vollständigen Entgleisung ist eigentlich bekannt und sogar weitgehend anerkannt: Der Ausstoss des Treibhausgases CO2 muss gedrosselt werden. An dieser Stelle schlägt nun die Stunde für eines der Hauptargumente der Atomenergiebranche und der grossen Schweizer Stromkonzerne, die hierzulande zwei neue Atomkraftwerke (AKW) bauen möchten. Neben den geringen Kosten von Atomstrom stellen sie seine relative CO2-Armut in den Vordergrund.

 Tatsächlich produzieren AKW im Vergleich wenig Treibhausgas - da sind sich die meisten Studien einig, egal ob sie vom Paul-Scherrer-Institut stammen und der Nuklearbranche als Referenz dienen oder vom eher atomkritischen Öko-Institut Darmstadt (siehe unten) verfasst worden sind. Allerdings ist auch Atomstrom nicht völlig klimafreundlich: Berücksichtigt man nicht nur die reine Stromproduktion, sondern die ganze Kette vom Uranabbau bis zum AKW-Rückbau, sammelt sich durchaus CO2 an.

 Die entscheidende Frage lautet indes, ob sich mit dem Bau neuer AKW wirksame Klimapolitik machen lässt. "Ja, denn sie sind ein wichtiger Pfeiler für eine Zukunft mit klimafreundlichem Strom", sagt Antonio Sommavilla, Sprecher des Energieversorgers BKW. Das CO2-Gesetz kommt zwar erst nächstes Jahr in den Ständerat, aber die Schweiz wird wohl am Ziel festhalten, ihre Emissionen bis 2020 im Vergleich zu 1990 um 20 Prozent zu reduzieren - 30 Prozent könnten es werden, falls eine entsprechende Initiative angenommen wird. Die Krux ist aber der Weg, der dorthin führen soll. Das Parlament dürfte sich kaum zu wirklich einschneidenden Massnahmen wie einer CO2-Abgabe auf Benzin und Diesel bewegen lassen.

 "Nebenwirkungen gravierend"

 Dabei würde Klimaschutz in den Bereichen Verkehr und Gebäudeisolierung stärker einschenken als beim Strom, denn sie sind je für mehr als ein Drittel des CO2-Ausstosses verantwortlich. Ausserdem kommt der in der Schweiz produzierte Strom - vor allem auch dank der Wasserkraft - schon heute weitgehend ohne Treibhausgase im Inland aus. Der Bau neuer AKW werde deshalb kaum zu noch "CO2-freierem" Strom führen, sagt Reto Burkard, der beim Bundesamt für Umwelt (Bafu) fürs Klima zuständig ist. Für eine Senkung der Emissionen um einige wenige Prozent sollte ausserdem die staatliche Förderung erneuerbarer Energie wie Wind und Sonne sorgen. Hier setzt Blaise Kropf, Präsident der Grünen Kanton Bern, an. "Wir müssen jetzt ganz auf die effiziente Nutzung der Energie und erneuerbare Energieträger setzen. Abgesehen davon, dass sich AKW nicht für Klimaschutz eignen, sind die Nebenwirkungen wie radioaktive Verstrahlung allzu gravierend."

 Die Abneigung gegen AKW und der Wille, sie zu verhindern, gehen bei Kropfs nationaler Mutterpartei sogar so weit, dass ausgerechnet die klimabewussten Grünen möglicherweise bereit wären, bei Gaskraftwerken ein Auge zuzudrücken - obwohl diese einen zehnmal höheren Kohlendioxidausstoss verursachen als AKW. Konkret dachte die Partei vor einiger Zeit laut darüber nach, bei der Gaskraft mehr CO2-Kompensation im Ausland und weniger im Inland zu erlauben."Gaskraftwerke sind in der Schweiz bezüglich Treibhausgas weitgehend unbedenklich, weil die CO2-Emissionen vollumfänglich und nach strengen Kriterien kompensiert werden müssen", sagt Burkard vom Bafu. Gerade wegen der strengen Vorschriften lohnt sich aber ihr Bau im Moment nicht.

 Wichtig ist die globale Politik

 Freilich gibt es zum Thema Gas- und Atomkraftwerke in Zeiten von dringend benötigtem Klimaschutz auch andere Meinungen. So sagte der Klimaforscher Thomas Stocker, Universitätsprofessor in Bern und am mit dem Nobelpreis ausgezeichneten UNO-Bericht zur Klimaerwärmung beteiligt, dem "Bund" vor einiger Zeit Folgendes: "Gaskraftwerke sind wegen des Problems der CO2-Emissionen nicht die Lösung. Ausserdem würde mit ihnen die Abhängigkeit nur von einem auf einen anderen fossilen Energieträger verlagert. Der Ersatz alter Kernkraftwerke durch neue, effizientere und modernere Anlagen sollte jedoch ernsthaft geprüft werden."

 Allerdings spielt es fürs Klima nur eine marginale Rolle, was in der Schweiz passiert, denn wirksamer Klimaschutz muss weltweit angepackt werden. Und auf der globalen Bühne haben AKW nur eine kleine Nebenrolle. Sie decken heute je nach Rechnungsart zwischen 2,2 und 6 Prozent des weltweiten Bedarfs an Strom ab. Oder anders gesagt: Um zehn Prozent des weltweiten CO2-reichen Kohlestroms durch Atomstrom zu ersetzen, wären 1000 zusätzliche AKW nötig - das ist utopisch. Noch aus einem anderen Grund hat Burkard zumindest leise Zweifel an der Klimawirksamkeit neuer AKW. "Es müsste nachgewiesen werden, dass die grossen CO2-Produzenten wie China Kohlestrom durch Atomstrom ersetzen und nicht einfach zusätzliche Kapazitäten bauen", sagt er.

 Drastischer formuliert es die Umweltschutzorganisation Greenpeace: "AKW sind eine Ablenkung vom eigentlichen Klimaschutz", sagt Graziella Regazzoni, zuständig für Kampagnen. Klimaschutz müsse jetzt erfolgen und global wirken - das sei mit AKW schlicht nicht möglich.

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 Uranvorräte als Knackpunkt

 Verschlechterung der CO2-Bilanz?

 Bei der Frage, wie klimafreundlich Atomenergie ist, spielen auch die weltweiten Uranvorräte eine Rolle. Gehen die hoch konzentrierten, leicht abbaubaren Reserven zur Neige, muss der unerlässliche Rohstoff mithilfe aufwendigerer und wohl auchCO2-reicherer Verfahren gewonnen werden. Deshalb wird laut einer niederländischen Studie die CO 2-Bilanz von AKW in 45 bis 70 Jahren schlechter sein als jene der gasbefeuerten Kraftwerke - die Arbeit geht davon aus, dass keine Vorkommen in hoher Konzentration, das heisst mit bis zu 20 Prozent Uran pro Kilogramm Gestein, mehr gefunden werden. Das Nuklearforum Schweiz hält dagegen fest, dass "Uranerze mit Konzentrationsgraden bis zu 0,01 Prozent oder noch tiefer ohne massiv steigenden Energieaufwand gewonnen werden können". Widersprüchlicher könnten denn auch die Prognosen zu den Uranvorräten nicht sein: Laut der deutschen Regierung gibt es schon in 30 Jahren zu wenig Uran, gemäss dem Nuklearforum reicht es noch für Hunderte von Jahren. "Für die nächsten Jahrzehnte sehen wir keine Uranknappheit, die zu höheren CO 2-Werten führen würde", heisst es beim Energiekonzern Axpo. Allerdings sprechen auch Rohstoffhändler immer wieder von einer drohenden Knappheit - die sich nicht zuletzt am Uranpreis ablesen lässt. Stromkonzerne erklären dann jeweils, zur Not Uran aus Meerwasser oder Phosphatgestein gewinnen zu wollen. Sie fügen aber nicht hinzu, dass diese Methoden heute weit von der Wirtschaftlichkeit entfernt sind.(sn)

 Neues AKW in Mühleberg? Am 13. Februar 2011 entscheidet das Volk im Kanton Bern. muehleberg.derbund.ch

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Internationale Klimapolitik

 Keine Emissionsgutschriften für AKW

 Die Atomindustrie will Atomkraftwerke als "Klimatechnologie" einstufen lassen.

 Die Nutzung der Atomenergie ist immer wieder auf der Traktandenliste internationaler Klimakonferenzen. Die Industrie fordert, Nuklearenergie als "Klimatechnologie" anzuerkennen. Das hiesse: Bauherren neuer AKW in Entwicklungsländern würden Emissionsgutschriften erhalten, wenn sie belegen können, wie viel Treibhausgas durch den Bau eingespart wird. Klimatechnologien sind im Kyoto-Protokoll unter den sogenannten Clean Development Mechanisms, kurz CDM, zugelassen. Atomenergie ist allerdings im Kyoto-Protokoll explizit als CDM ausgeschlossen worden. Auch an der letzten UNO-Klimakonferenz in Cancún Anfang Dezember wiesen die Vertragsstaaten Vorschläge zurück, die eine Erweiterung der CDM-Technologien in Erwägung zogen, falls die Verpflichtungsperiode des Klimavertrages verlängert würde. Industriestaaten haben sich verpflichtet, von 2008 bis 2012 Treibhausgase zu reduzieren. Ob die Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls verlängert wird, darüber wird an der nächsten Klimakonferenz in Südafrika in einem Jahr verhandelt. Es ist davon auszugehen, dass die Atomenergie dann wieder ein Thema sein wird.

 Die meisten Vertragsstaaten anerkennen die Atomenergie als zuverlässige Energieform, die wenig Treibhausgase produziert. Umweltorganisatoren wehren sich hingegen vehement dagegen, die Nutzung der Atomenergie als Klimatechnologie einzuführen. Der Bau in Entwicklungsländern, so die Meinung, würde das Unfallrisiko bei den Kernreaktoren steigern. Da ausgediente Brennstäbe in AKW als radioaktiver Abfall zurückblieben, könne diese Energieform nicht als saubere Energie bezeichnet werden, zumal die Entsorgung bis heute in keinem Land gelöst sei. Zudem wachse die Gefahr, dass mit dem Betrieb von AKW in neuen Staaten auch die Weiterverbreitung von Kernwaffen erhöht werde.(ml)

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Finanz und Wirtschaft 29.12.10

Beznau in Pole Position

 Stromkonzerne arbeiten für neue AKW zusammen - Axpo sichert sich Vorrecht für Standort Beznau

Christoph Gisiger
 

 Drei Jahre haben sich Axpo, Alpiq und die Bernischen Kraftwerke BKW FMB Energie um den Bau neuer Kernkraftwerke gezankt. Endlich raufen sich die grossen drei der Schweizer Strombranche nun zusammen, um die politischen und technischen Herausforderungen gemeinsam in Angriff zu nehmen. Der Schulterschluss kommt in letzter Minute, denn bereits in wenigen Wochen steht dem neuen nuklearen Bündnis der erste Härtetest bevor.

 Noch sind um den Ersatz der dienstältesten Schweizer Kernkraftwerke viele Fragen offen. Immerhin gründen Axpo, Alpiq und die BKW aber jetzt nach "intensiven Verhandlungen" eine gemeinsame Planungs- und Projektgesellschaft. Die Vorarbeiten zu den Rahmenbewilligungsgesuchen für die zur Diskussion stehenden Standorte Beznau (Axpo), Mühleberg (BKW) und Solothurner Niederamt (Alpiq) werden künftig partnerschaftlich weitergeführt. Das soll politische und behördliche Verfahren beschleunigen, Synergien freisetzen sowie Kosten sparen.

 Härtetest im Kanton Bern

 Wie die drei Projekte letztlich untereinander gewichtet werden, steht weiterhin aus. Bevor eine definitive Reihenfolge in der Standortwahl festgelegt wird, soll zunächst ein ganzer Strauss von politischen, technischen und nicht zuletzt wirtschaftlichen Fragen geklärt werden. Auf dieser Basis bereitet der Bund zusammen mit den betreffenden Kantonen und Nachbarstaaten voraussichtlich bis Mitte 2012 einen Bundesratsentscheid vor. Nach der Beratung im Parlament könnte dann 2013 eine Volksabstimmung zu neuen Kernkraftwerken folgen.

 Seit mehr als einem Vierteljahrhundert wurde in der Schweiz kein neuer Reaktor in Betrieb genommen. Der erste grosse Test, wie es die Bevölkerung künftig mit der Kernenergie hält, steht unmittelbar bevor. Die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger des Kantons Bern werden am 13. Februar 2011 darüber befinden, ob das BKW-Kernkraftwerk Mühleberg ersetzt werden soll. Es dürfte zwischen 2020 und 2025 vom Netz gehen, nachdem das Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) nach zähem juristischem Hickhack eine unbefristete Betriebsbewilligung erteilt hat.

 Dass sich die Stromkonzerne nun kurz vor der Abstimmung in Bern einigen, ist kein Zufall. Fällt der Volksentscheid zu- gunsten Mühlebergs aus, so hätte das die Position der BKW in weiteren Verhandlungen gestärkt und einen für Alpiq günstigen Kompromiss erschwert. Umgekehrt hätte eine Niederlage an der Urne den Berner Versorger mit dem Rücken zur Wand gestellt. Für einen solchen Poker war der Einsatz offensichtlich allen Spielern zu hoch. Auch wird das Thema Kernenergie bis zur Parlamentswahl im Herbst 2011 ohnehin für heisse Debatten in der Öffentlichkeit sorgen.

 Versteckter Verteilschlüssel

 Das strahlende Bündnis spiegelt die nuklearen Kräfteverhältnisse. An den maximal zwei neuen Partnerwerken soll der Stromverbund Axpo 59% halten, während sich Alpiq zu 25,5% und die BKW zu 15,5% beteiligen. Resultieren aus den politischen Verfahren ferner keine "relevanten Unterschiede" zwischen den drei Projekten, so ist das technische Lebensalter der bestehenden Anlagen - respektive die Reihenfolge ihrer Ausserbetriebnahme - für den Ersatz ausschlaggebend. Mit dem Standort Beznau steht Axpo damit in der Pole Position, worauf die Stromgruppe von Beginn weg gepocht hat.

 Alpiq hat gleichzeitig das Gesicht nicht verloren. Anders als Axpo und die BKW, deren Werke zuerst vom Netz gehen werden, steht der Konzern nicht unter Zugzwang. Die "Aufteilung spiegelt den heutigen Anteil der drei Partner am nuklearen Produktionspark der Schweiz und nicht die Marktanteile an der Versorgung (Axpo 35, Alpiq 24, BKW 14%)", heisst es im gemeinsamen Communiqué. Warum die Marktaufteilung explizit in harten Zahlen festgehalten wird, leuchtet auf den ersten Blick nicht ein. Es könnte sich dahinter aber ein versteckter Hinweis für den künftigen Verteilschlüssel verbergen, wenn auch die Werke in Gösgen sowie Leibstadt ausser Betrieb gehen und die Energieverträge mit Frankreich ausgelaufen sind.

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gr.be.ch 22.12.10

Woher kommt das viele Geld für die Propaganda der Atomlobby?

Geschäfts-Nr.:     2010-9866
Geschäftstyp:     Interpellation 214-2010
Eingereicht durch:     Hofmann Andreas, SP, Bern
Federführung:     BVE Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion
Dringlichkeit beantragt:     Ja
Dringlichkeit gewährt:     Ja, am 25.11.2010
Geschäft eröffnet am:     22.11.2010
http://www.gr.be.ch/etc/designs/gr/media.cdwsbinary.acq/11cf43b8d2a64ec78b5173bd0e5440bf-332/3/PDF/2010-9866-Vorstossantwort-D-33753.pdf

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gr.be.ch 22.12.10

Ersatz-Kernkraftwerk Mühleberg: Wie engagiert sich die Regierung im Abstimmungskampf?

Geschäfts-Nr.:     2010-9865
Geschäftstyp:     Interpellation 213-2010
Eingereicht durch:     Leuenberger Samuel, BDP, Trubschachen
Federführung:     BVE Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion
Dringlichkeit beantragt:     Ja
Dringlichkeit gewährt:     Ja, am 25.11.2010
Geschäft eröffnet am:     22.11.2010
http://www.gr.be.ch/etc/designs/gr/media.cdwsbinary.acq/96b5b7a89cfe4397aa79d539658b6569-332/2/PDF/2010-9865-Vorstossantwort-D-33752.pdf