MEDIENSPIEGEL 12.1.11
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)

Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Kulturtipps (Tojo, DS, GH, Norient
- RaBe-Info 7.-12.1.11
- FAU Bern: Schwarze Katze + Anarchafeminismus
- Squat BE: La Biu-Kalender
- Big Brother Video: Videoüberwachung Studen + Co.
- Big Brother: GB-Spion; Hotelregister; Fichenaffäre-Film
- Deine Rechte: Strafprozessordnungs-News
- Ruhe & Ordnung: Bahnhofsgeschichten
- Obdachlos: Hunde-Hilfspakete; Kreuzlingen
- Big Brother Sport: Kostenfragen
- Sondereinheit: Streit wegen AAD 10
- Prozesse: Uhaft für S. in ZH; Freispruch in Winterthur; Prozess UBS-Farbe ZH
- Anti-SVP: Disco gegen SVP
- Rechtsextremismus: Breitsch-Hassparolen; Hans Stutz-Bashing; Euro-Freysinger; Nazi-Kreuze Meisterschwanden + BS; Dieudonné vs GE
- Sempach: Ritter gegen Neonazis
- Nationalismus: Nation als Neurose
- Sexwork: Glarus
- Drogen: BAG-Nein zu Haschabgabe; Legalisierung Kalifornien; Dast Winterthur
- Knast: Bericht Anti-Folter-Kommission; Überbelegung
- Anti-WEF: Sicherheit; Armee-Einsatz; Demo
- Nothilfe: SG; ZH
- Härtefälle: Beurteilungen in ZH; Bleiberecht AG
- Sans-Papiers: BS; Portrait; Schul-Petzen; neue Repression
- Ausschaffungen: Theater in GL
- Migration Control: Griechenland; Mauern
- Gaza Youth: Manifest
- SVP Israel: Alles Terroristen...
- Anti-Atom: Mühleberg; BKW-Spiele; Juso SO; Public Award für Axpo; Ensi; Standorte; aus YB zu Bern; Info-Zeitung; Axpo-Uran

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REITSCHULE
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Do 13.01.11
20.00 Uhr   -  Kino   -    2. Norient Musikfilm Festival: Muezzin, Türkei/Österreich 2009; Schweizer Premiere, in Anwesenheit des Regisseurs. Anschliessend: Taqwacore: The Birth of Punk Islam, USA/Pakistan 2009, 80 min., OV/e - Schweizer Premiere
20.00 Uhr  -   Frauenraum   -  BarOmeter - elektronische Leckerbissen zu lesbisch-schwulem Chillen; mit DJ Xylophee, DJ Dunch, DJ FRATZ, Bruno, Isabelle, Mike & DJ ELfERich
20.30 Uhr   -  Tojotheater   -  Jazzy Text: Sandra Künzi. Regie: Dominique Müller.
21.00 Uhr   -  Rössli   -  YOUCOCO (SVK); Dee Diglers

Fr 14.01.11
20.00 Uhr  -   Kino  -   2. Norient Musikfilm Festival: Whose is this Song? Bulgarien 2003 - In Anwesenheit der Regisseurin. Anschliessend: Fokofpolisiekar (Fuck-Off-Police-Car), Südafrika 2009 - Schweizer Premiere
20.00 Uhr - Infoladen - Anarchafeminismus (Vortrag + Diskussion)
20.30 Uhr   -  Tojotheater   -  Jazzy Text: Sandra Künzi. Regie: Dominique Müller.
22.00 Uhr   -  Dachstock  -   THE FARANAS (be) Plattentaufe! & Support

Sa 15.01.11
12.00 Uhr   -  Grosse Halle  -   Ungleichheiten: Ausstellung der Künstlergruppe Stan's Cafe
17.00 Uhr  -   Grosse Halle  -   Ungleichheiten - Vernissage Ausstellung der Künstlergruppe Stan's Cafe
20.00 Uhr   -  Kino  -   2. Norient Musikfilm Festival: Full Metal Village, Deutschland 2006. Anschliessend: We don?t Care about Music Anyway..., Frankreich/Japan 2009
20.30 Uhr   -  Tojotheater   -  Jazzy Text: Sandra Künzi. Regie: Dominique Müller.
23.00 Uhr   -  Dachstock   -  Local Darkside: OPTIV (Cause4Concern), VCA (biotic rec), DEEJAYMF (UTB), OLIV (Loccomotion), ANDRE (Loccomotion), SUBMERGE (beatsandpics)

So 16.01.11
12.00 Uhr   -  Grosse Halle  -   Ungleichheiten: Ausstellung der Künstlergruppe Stan's Cafe (bis 18.00 h)
19.00 Uhr   -  Tojotheater   -  Jazzy Text: Sandra Künzi. Regie: Dominique Müller.

Mo 17.01.11
16.00 Uhr   -  Grosse Halle   -  Ungleichheiten: Ausstellung der Künstlergruppe Stan's Cafe (bis 19.30 h)

Infos:
http://www.reitschule.ch

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kulturagenda.be 13.1.11

"Jazzy" swingt im Tojo Theater

Eine verstaubte ländliche Beiz in der Schweiz der 1930er-Jahre. Der humanitären Tradition verpflichtet, gewährt die Wirtin trotz Fremdenangst einem Flüchtling Unterschlupf und lässt ihn im Stübli Swing spielen. "Jazzy" ist ein musikalisches Theaterstück von Sandra Künzi über Jazz und Überfremdungsangst.
Tojo Theater, Bern. Do., 13., bis Sa., 15.1., 20.30 Uhr, und So., 16.1., 19 Uhr

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kulturagenda.be 13.1.11

Die Leichtigkeit der Kraft ohne Kräftemessen

Seit ein paar Jahren entdeckt der Westen den Afrobeat neu. Das wissen die Berner Faranas, die im Dachstock ihr erstes Album taufen, aus eigener Erfahrung.

"Wenn Schweizer versuchen, traditionelle afrikanische Musik zu spielen, hat das für mich oft einen komischen Touch", sagt Saxofonist Daniel "Bean" Bohnenblust. Und tatsächlich: Wer die Musikszene in den Neunzigern erlebte, verbindet den Begriff "Afro" fast zwangsläufig mit käsbleichen Schweizern in bunten afrikanischen Gewändern, die Djembes malträtieren.
Es liegt (nicht nur, aber) auch an der gut gemeinten Ethno-Begeisterung in der Worldmusic-Szene, weshalb der Afrobeat trotz seines Pioniers Fela Kuti ausserhalb der Szene kaum Beachtung fand. Dabei schwafelt man in der Rockmusik gern vom polyrhythmisch- afrikanischen Erbe, sobald man keinen Vierviertel klopft. Bewusst im Mainstream landete der Afrobeat erst in den letzten Jahren. Kuti-Drummer und Stil-Mitbegründer Toni Allen arbeitete plötzlich mit Damon Albarn, Charlotte Gainsbourg, Air oder Jimi Tenor, und TV on the Radio jubelte dem (weissen) Indierock Polyrhythmik unter.
Während dieser Zeit formierten sich in Bern die Felas (2005). Als neunköpfige Band mit Musikern aus der Berner Jazzszene spielten sie an einem Fest Stücke von Kuti und begeisterten ihr Publikum. Kein Wunder. Der anspruchsvolle Afrobeat mit seinen Einflüssen aus Jazz und Funk ist äusserst tanzbar und partytauglich, ohne sich anzubiedern.

Songs für den Perkussionisten

Beflügelt vom Erfolg, zogen die vielbeschäftigten Musiker die Band weiter, bis vor etwa zwei Jahren der senegalesische Perkussionist Mory Samb zu ihnen stiess. "Er beherrscht den traditionellen Griot-Gesang", erklärt Bohnenblust und dass man ihn nicht zu Coverversionen singen lassen wollte. "Weil Afrobeat an sich schon viele Stile vereint, fühlt man sich auch als Schweizer recht wohl dabei. Rein traditionelle Musik würde ich mich nicht zu komponieren getrauen. " Mit der Umstellung von Coverversionen zu Originalmaterial passte aber der alte Name nicht mehr, weshalb sich die Felas augenzwinkernd in Faranas umbenannten: "die Fremden".
Zwei Jahre nach dem Einstieg von Samb tauft die Band nun ihre erste CD, "Who Are You?". Geschrieben hat man die meisten Songs gemeinsam: "Oft nehmen wir zuerst die Grooves auf, stellen sie dann auf einen internen Server, und wer Lust hat, arbeitet daran weiter. So gibt es Stücke, die nur von zwei, und solche, die von fünf oder sechs Musikern bearbeitet wurden. Es ist work in progress, die höllisch Spass macht", beschreibt Bohnenblust die Arbeit.

Frei von Zwängen

Den Spass hört man "Who Are You?" an. Faranas ist für die Beteiligten ein Herzensprojekt. Reich wird man damit nicht, bleibt aber auch frei von Zwängen wie etwa jenem, Stücke absichtlich auf Radiotauglichkeit hin zu schreiben. Die Band verfolgt das Lustprinzip, was auf der Bühne ohnehin viel besser funktioniert. Entscheidend ist dabei eine weitere Qualität, die Bohnenblust von Samb gelernt hat: "Afrikanische Musik hat sehr viel Kraft, aber immer eine Leichtigkeit. Es gibt kein Kräftemessen, wie es im Funk oft der Fall ist."

Silvano Cerutti

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Plattentaufe: Dachstock in der Reitschule, Bern. Fr., 14.1., 22 Uhr
http://www.myspace.com/thefaranas

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kulturagenda.be 13.1.11

Ausstellung "Ungleichheiten" in der Grossen Halle

Bereits zum zweiten Mal ist Stan's Cafe in Bern zu Gast. Wiederum stellt die Künstlergruppe aus Birmingham anhand von Reiskörnern Statistiken nach, wobei ein Reiskorn jeweils eine Person symbolisiert. Diesmal trägt die Installation den Titel "Ungleichheiten" und gibt anhand unterschiedlich grosser Haufen Reis Antworten auf soziale Fragen.
Grosse Halle in der Reitschule, Bern. Ausstellung bis 30.1.

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BZ 11.1.11

Musik von Islam-Punk bis Japan-Noise

 Musikfilm-Festival. Wer wissen will, wie die Welt anderswo klingt, ist mit dem Norient Musikfilmfestival im Progr und in der Berner Reitschule gut bedient. Sieben Filme und eine Clubnacht liefern ab morgen Mittwoch Musiktrends zum Hören, Schauen und Staunen.

 Ihre liebste Geste ist der gestreckt Mittelfinger: "Fuck you!" Nur zeigen ihn Amerikas Muslim Punks gleich zweihändig - zum einen den westlichen Ignoranten, die in jedem von ihnen einen potentiellen Selbstmordattentäter sehen, zum andern den ewig gestrigen Vätern. Wie befreiend dies in Verbindung mit kreischenden Gitarren und donnernden Trommeln ist, zeigt das Roadmovie "Taqwacore - the birth of Punk Islam".

 Verbotenes Singen

 Wenn muslimische Teenager am Mikrofon "Sharia in the USA" fordern und im nächsten Atemzug "Sex during Ramadan", dann ist dies Provokation in bester Punk-Tradition. Und wenn die einzige Mädchenband nach drei Takten gestoppt wird, dann hat die Sängerin immerhin drei Takte lang gebrüllt, obwohl ihr öffentliches "Singen" als Frau verboten ist.

 Neue Musik, made in Japan

 Das zweite Norient Musikfilmfestival präsentiert in jeder Hinsicht ein breites Spektrum. Das Gegenstück zum Islam-Punk ist wohl der japanische Dokumentarfilm "We don't care about music anyway". Jede Geste will hier Kunst sein: Cellos werden an Mauern aufgeschrammt, Glühbirnen mittels verstärktem Herzfrequenzmesser zum Leuchten gebracht. Ein blutjunges Paar stellt seine Anlage an einem verdreckten Strand auf, er erzeugt Sounds, sie tanzt im Bikini mit der E-Gitarre knöcheltief im Zivilisationsmüll. Entsprechend "taktlos" klingt das - wie einst das Festival für improvisierte Musik, das in Bern oft japanische Gäste vorführte. Neue Musik, made in Japan.

 Schweizer Premieren

 Authentizität ist das Wichtigste für Musikethnologe Thomas Burkhalter und Filmemacher Michael Spahr, Betreiber der Internetplattform norient.com und Veranstalter des gleichnamigen Musikfilmfestivals. Burkhalter und Spahr wollen keinen eurozentrischen Blick auf andere (Musik-)kulturen werfen, sondern dem fremden Blick folgen, durch fremde Ohren Neues erlauschen. Neben dem Roadmovie "Taqwacore - the birth of Punk Islam" bieten die Norient-Macher dieses Jahr zwei weitere Schweizer Premieren an: "Fokofpolisiekar - Fuck off police car", das Portrait einer weissen Afrikaans-Band im Post-Apartheid-Südafrika, und "Muezzin", einen Film aus der Türkei, der die Rufer der Moscheen im modernen Wettbewerb zeigt.

 Musiktrend aus der Türkei

 Ein Musiktrend aus der Türkei ist es auch, der diesmal im Zentrum des Interesse steht: Das Festival beginnt morgen Mittwoch Abend im Progr mit einer grossen Arabesknacht, welche Sound- und Videoperformances sowie den Film "Arabesk - Gossensound und Massenpop" umfasst. Ein weiterer "Special" ist die Clubnacht am Freitag nach den Filmvorführungen, ab 23 Uhr im Club Bonsoir mit Schlachthofbronx, Wildlife! und Radiorifle. Nach langem Sitzen endlich abtanzen.

 Tina Uhlmann

 2. Norient Musikfilmfestival: Mittwoch, 12. Januar, bis Samstag, 15. Januar, Progr und Reitschule

http://www.norient.com

 Wenn muslimische Teenager "Sharia in the USA" fordern und im nächsten Atemzug "Sex during Ramadan", dann ist dies Provokation in bester Punk-Tradition.

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kulturstattbern.derbund.ch 10.1.11


Kulturbeutel 02/11

Von Gisela Feuz am Montag, den 10. Januar 2011, um 06:01 Uhr

Frau Feuz empfiehlt:
Besuchen Sie unbedingt eine Veranstaltung des diesjährigen Norient Musikfilm Festivals, zum Beispiel am Donnerstag im Kino der Reitschule "Taqwacore: The Birth of Punk Islam", ein Dokumentarfilm über die muslimische Punkszene. Des weiteren können Sie am Donnerstagmorgen bei der nicht ganz ernst zu nehmenden Casting-Show auf Radio RaBe mitbestimmen, wer in Zukunft die donnerstägliche Morgensendung moderieren darf. Zwischen 9:30-11 Uhr bekommen die Bewerber die Möglichkeit, ihre Radiotauglichkeit zu beweisen, wobei sie von einer unerbittlichen Jury beurteilt werden, bestehend aus der "Crème de la Crème der alternativen Cervalat-Prominenz". Ähem.

Frau Kretz empfiehlt:
"Jazzy", ein Stück über alten Jazz mit viel altem Jazz von Sandra Künzi und mit einer wunderbaren Besetzung (Herwig Ursin, Lilian Naef, Margrit Rieben, Regula Frei,  Künzi selbst und Dominique Müller, der auch noch Regie führt) ab Donnerstag im Tojo. Man kann sich kaum vorstellen, dass da was schief geht! Oder aber gestandeneres Musiktheater mit dem grossen Marthaler-Musiker Jürg Kienberger: "Ich Biene - ergo summ" am Samstag und Sonntag im Schlachthaus.

(...)

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RABE-INFO
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Mi. 12. Januar 2010
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_12._Januar_2010.mp3
http://www.rabe.ch/nc/webplayer.html?song_url=uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_12._Januar_2010.mp3&song_title=RaBe-%20Info%2012.%20Januar%202010
- Zaghafte Erhöhung der Entwicklungshilfe: Die von der UNO geforderten 0,7 Prozent bleiben ein Fernziel
- 20 Jahre Schweizerisches Literaturarchiv: Eintauchen in die persönliche Welt von Kulturschaffenden
- Mondlandung, Kennedy-Attentat und 11. September: Das Phänomen der Verschwörungstehorien

Links:
http://www.nb.admin.ch/sla/

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Di. 11. Januar 2011
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_11._Januar_2011.mp3
http://www.rabe.ch/nc/webplayer.html?song_url=uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_11._Januar_2011.mp3&song_title=RaBe-%20Info%2011.%20Januar%202011
- Metropolen für Klimaschutz: 40 Grossstädte wollen zusammen Energie sparen
- Preis für Skrupellosigkeit: sech Unternehmen für Public Eye Awards
- Kampagne für bessere Welt: eine Verfassung für alle ErdenbürgerInnen gefordert

Links:
http://www.c40cities.org/
http://globalenergybasel.com
http://www.publiceye.ch/
http://www.swisstheworld.org

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Mo. 10.Januar 2011
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_10._Januar_2010.mp3
http://www.rabe.ch/nc/webplayer.html?song_url=uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_10._Januar_2010.mp3&song_title=RaBe-%20Info%2010.%20Januar%202010
- Award für ausländerfreundlichste Gemeinde der Schweiz: Secondos Plus rüsten sich für die National- und Ständeratswahlen
- Zusammen sind wir stark: Im Parents Circle setzen sich Palästinenser und Israelis für den Frieden im Nahen Osten ein

Links:
http://www.secondos-plus.ch
http://www.theparentscircle.com

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Fr. 7. Januar 2011
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_7._Januar_2011.mp3
http://www.rabe.ch/nc/webplayer.html?song_url=uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_7._Januar_2011.mp3&song_title=###TITLE###
- Saubere Energie oder Naturschutz: Das geplante Wasserkraftwerk am Laubeggfall im Berner Oberland wird zum Testfall
- Von Zäunen und schwimmenden Flüchtlingslagern: Griechenland plant neue Massnahmen gegen die illegale Einwanderung
- Wegweisendes Referendum im Südsudan: Am Sonntag entscheiden die Südsudanesen über ihre Unabhängigkeit

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FAU BERN
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Indymedia 12.1.11

di schwarzi chatz # 10 jetzt online ::

AutorIn : FAU Bern         

Die zehnte (und somit eine Jubiläums-)Ausgabe von di schwarzi chatz ist jetzt online! Klicken und lesen oder direkt abonnieren!

Aus dem Inhalt:

- Rattenkampf statt Rattenfalle
- Über den Ursprung der schwarzen Katze
- Drei, zwei, eins...keins! Die Aktivitäten des Mayr-Melnhof Konzerns in der Schweiz
- Kritiken und Grussbotschaften für di schwarzi chatz
- Artikel der LAW zu den Briefbomben in Italien
- ZuS ZugbegleiterInnen im Arbeitskampf
- Deisswil: Rezension zu "Der geplante Tod einer Fabrik"
- Kultur

Zum Download:  http://faubern.ch/_texte/di_schwarzi_chatz_10.pdf

Wir freuen uns natürlich auch über Rückmeldungen zu dieser Ausgabe. Bei inhaltlicher Kritik sind wir gerne bereit fundierten Gegenpositionen oder Kritiken in der nächsten Ausgabe Raum zu geben.

Sowohl di schwarzi chatz als auch die Direkte Aktion (Organ der FAU Deutschland) können bei der uns abonniert werden. Beide erscheinen alle zwei Monate.
Ein Kombi-Abo kostet 50.- pro Jahr, ein di schwarzi chatz - Abo 25.- pro Jahr. Wenn du eines der beiden willst, schreib uns eine Mail an info(at)faubern.ch. Zustelladresse nicht vergessen!
Wenn du nur reinschnuppern willst, können wir dir auch ein unverbindliches und kostenloses Probeexemplar schicken (solange Vorrat).

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faubern.ch 11.1.11

Veranstaltung am Freitag, den 14. Januar im Infoladen Bern
Anarchafeminismus. Ein Ansatz der noch ausgearbeit werden muss

Die Referentinnen nehmen uns mit auf eine Reise durch Zeit, Raum und Theorie. Wenn sie selbst auch lieber fragend voranschreiten, als allzu leichtfertig Antworten in die Welt zu entlassen, so gewähren sie uns doch einen profunden Einblick in eine Bewegung, die mehr als eine Wurzel hat. Diejenigen die weder etwas über die anarchistische noch die feministische Bewegung wissen, werden die Veranstaltung reichhaltig und fundiert informiert verlassen. Aktivistinnen beider Bewegungen werden über die jeweils andere Bewegung neues erfahren und ggf. das eine oder andere Vorurteil verlieren.

Obwohl der Anarchismus die "Ablehnung jeder Herrschaft des Menschen über den Menschen" und die "Ablehnung jeder Ausbeutung des Menschen durch den Menschen" postuliert, haben sich Frauen von Beginn der anarchistischen Bewegung bis heute dazu gezwungen gesehen, ihre eigenen "feministischen" Standpunkte auch innerhalb der anarchistischen Bewegung explizit zu vertreten. Dabei haben sie sich immer von bürgerlichen und parteikommunistischen Feministinnen distanzieren müssen. Oft wendeten sie viel Energie auf, um ihre Positionen in gemischtgeschlechtlichen Organisationen zu entwickeln und zu vertreten. Aber es gibt auch zahlreiche Beispiel für eine autonome Organisierung der Anarchistinnen. Andererseits haben auch immer wieder Frauen in der feministischen Bewegung anarchistische Ideen und Prinzipien übernommen und sich früher oder später von auftauchenden reaktionären Strömungen im Feminismus distanziert.

So treffen sich immer wieder Anarchistinnen und Feministinnen, ohne jedoch bisher eine geschlossene "Anarchafeminisistische Theorie" abgeliefert zu haben. Den Referentinnen geht darum, mit AnarchistInnen und Feministinnen und vielleicht sogar auch mit antipatriarchalen Männergruppen in eine Diskussion darüber zu kommen, wie beide Ansätze heute miteinander verknüpft werden können. Dabei geht es neben der Theorie auch um praktische Konsequenzen für eine anarchafeministische Bewegung. Beim Anarchafeminismus handelt es sich, so jedenfalls die These der Referentinnen, trotz einer langen Geschichte und einer eindrucksvollen Ahnenreihe aktuell noch immer um einen "Ansatz der noch ausgearbeitet werden muss".

In der Diskussion wird mit den Referentinnen über Stärken und Schwächen, sowie Potentiale und mögliche Synergieeffekte, die aus einer Verschmelzung von anarchistischer und feministischer Theorie und Praxis (!) entstehen können, diskutiert werden. Vielleicht fangen wir ja auch schon direkt damit an?!

Die Referentinnen sind Teil der Arbeitsgruppe Anarchafeminismus der Libertären Aktion Winterthur.

Die Veranstaltung findet am Freitag, den 14. Januar 2011, um 20.00 Uhr im Infoladen der Reitschule Bern statt. Eintritt frei, Kollekte.

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Nicht vergessen: Diesen Freitag (14.01.) um 20.00 Uhr findet im Infoladen der Reitschule eine Veranstaltung zu Anarchafeminismus statt (siehe Kalender oder FAU Homepage). Zahlreiches erscheinen erwünscht!

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Willst du dich an der Arbeit der FAU Bern beteiligen? Schreib einfach eine Mail an  info@faubern.ch und wir vereinbaren ein unverbindliches Treffen mit dir.     

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SQUAT BE
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Le Matin 8.1.11

Un squat revisite les Contes et légendes

Photos. En trois ans, le calendrier du collectif biennois LaBiu est devenu un collector. Sa vente permet l'occupation légale d'un immeuble.

Donzé

 Mieux que celui des rugbymen ou celui des paysannes: le calendrier des squatters fait mouche en 2011. Si le talentueux photographe biennois Antal Thoma a réussi des clichés parfaits sur le plan technique, l'œuvre est collective. C'est pour payer le loyer conclu avec les autorités biennoises et financer les travaux de rénovation que les occupants d'un immeuble ont revisité contes et légendes.

 Esprit théâtral

 Passer à un tirage de 140 à 1800 exemplaires en trois ans, c'est un succès qui en dit long sur la qualité du travail fourni. "C'est la croissance chez les anticapitalistes", rigole le photographe. Après la version pin-up de 2009 et l'histoire de l'art revisitée pour 2010, le collectif a choisi de maltraiter les histoires populaires pour 2011. A chaque fois, les occupants se sont mis en scène: "S'il faut se prostituer, allons-y franchement. "

 "Alice au pays des merveilles" ou "Le loup et les sept chevreaux", le choix des histoires s'est fait sans véritable cohérence, avec l'envie de véhiculer un message politique ou tout simplement ludique, dans un esprit théâtral. "Choisir un conte, trouver les accessoires: les idées sont nées avec une richesse et une énergie incroyables le jour même de la prise de vue", relève Antal Thoma.

 Auteur des deux calendriers précédents, le photographe biennois s'est surpassé. Pour démultiplier les accessoires récoltés par les figurants, Antal Thoma a superposé les prises de vue: ainsi, les grenouilles synthétiques lancées contre un mur par une princesse revêche n'existaient en réalité qu'à deux exemplaires. Les images ont été traitées à l'ordinateur: "L'œil aussi réunit des fragments pour construire une image. Chaque réalité est personnelle. " Sur terrain, le photographe a en outre déployé de gros efforts dans l'éclairage, pour souligner les contrastes.

 Vendu sur Internet, le calendrier s'écoule mieux à Zurich qu'à Bienne. Et pas uniquement dans le milieu alternatif: les créatifs zurichois ne perdent jamais de vue la scène artistique biennoise, qui sort souvent des sentiers battus.

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 Une occupation légale grâce à la ville

 C'est dans un immeuble de huit appartements voué à la démolition que le collectif LaBiu s'est installé en 2007. Le sort de cette maison et de son jardin dépendait de l'avancement du contournement autoroutier de Bienne, la parcelle située entre la gare et le lac étant destinée à servir de dépôt pour le chantier de la N5. En dépit de la lenteur du projet, l'Office cantonal des ponts et chaussées avait exigé l'expulsion des occupants, après l'échec des négociations. Mais devant l'ampleur des manifestations de soutien, la Ville a joué un rôle tampon en louant l'immeuble au canton. Le contrat d'utilisation passé dans la foulée avec les squatters mentionne le remboursement du loyer. C'est pour honorer une dette rétroactive de 6000 francs qu'un calendrier à 35 francs a été lancé en 2008, 5 francs étant reversés au collectif AntiRep, qui sert de permanence juridique aux personnes qui se disent victimes de violences policières à l'occasion de manifestations. Si les étages servent de logements à la douzaine d'occupants permanents, le rez-de-chaussée est un lieu public, ouvert à ceux qui n'ont pas d'endroit où se poser quelques heures ou passer la nuit au chaud. Si les squatters biennois occupent des maisons, c'est "pour en finir avec la propriété privée" et "pour casser des murs et changer les rapports sociaux".

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BIG BROTHER VIDEO
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Bund 8.1.11

Erste Gemeinde mit Videoüberwachung

 Nach jahrelangen Diskussionen über Sinn und Unsinn von Videoüberwachung sind jetzt die ersten Kameras im Kanton Bern in Betrieb. Dieser Tage hat Studen Anlagen beim Feuerwehrmagazin und beim Bahnhof eingeschaltet. "Damit wollen wir Vandalen abschrecken und das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung stärken", sagt Gemeindepräsident Mario Stegmann (FDP). Im März dürfte Münsingen mit einer Anlage beim Schulhaus Schlossmatt folgen. Ebenfalls ab Frühling will Thun fünf neuralgische Punkte in der Stadt elektronisch beobachten. In Bern werden frühestens Anfang 2012 Kameras den "Fanwalk" zwischen Stade de Suisse und Bahnhof Wankdorf überwachen.(rw) — Seite 25

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Erste Überwachungskameras laufen

 Jahrelang hat die Politik über Videokameras im öffentlichen Raum debattiert. Nun hat Studen als erste Gemeinde im Kanton Bern Überwachungsgeräte in Betrieb genommen. Weitere werden folgen.

 Reto Wissmann

 Vor gut einem Jahr wurde Mario Stegmann (FDP) als jüngster Gemeindepräsident des Kantons Bern gewählt. Jetzt macht der 26-Jährige Studen bereits zur Pioniergemeinde. Als Erste hat die Gemeinde zwischen Biel und Lyss vor einigen Tagen Videokameras in Betrieb genommen. Damit sollen Sachbeschädigungen und Drogenhandel beim Feuerwehrmagazin sowie beim Bahnhof verhindert werden. "Es ging zwar nicht so schnell, wie ich gehofft hatte", sagt Stegmann, "jetzt bin ich aber doch ein bisschen stolz, dass wir es geschafft haben."

 Die Vorgeschichte ist lang und kompliziert. Bereits vor zehn Jahren wollte der damalige Bieler Polizeidirektor Jürg Scherrer (FPS) sogenannte Points chauds in der Innenstadt mit Kameras überwachen. Wenig später doppelte sein Berner Amtskollege Kurt Wasserfallen (FDP) mit ähnlichen Plänen nach. Jahre später merkte man jedoch, dass zunächst eine kantonale Gesetzesgrundlage geschaffen werden muss. Diese ist nun seit einem halben Jahr in Kraft. Die Gemeinden können damit aber immer noch nicht nach Belieben Kameras aufstellen. Zunächst müssen sie entsprechende Bestimmungen im Ortspolizeireglement erlassen und danach ein aufwendiges Bewilligungsverfahren durchlaufen. Erst wenn die Kantonspolizei für die einzelnen Überwachungsgeräte grünes Licht gibt, ist der Weg frei.

 "Mit den Kameras wollen wir Vandalen abschrecken und das subjektive Sicherheitsgefühl der Bevölkerung stärken", sagt Mario Stegmann. In den letzten Jahren habe man auf Securitas-Patrouillen gesetzt. Mit den Kameras könne man nun mit weniger Geld eine bessere Wirkung erzielen. Die Installation der insgesamt elf Geräte hat gut 40 000 Franken gekostet. Betrieb und Unterhalt werden auf 1000 Franken pro Jahr veranschlagt. Für die Securitas habe man jährlich über 20 000 Franken ausgegeben, so der Gemeindepräsident. Er hofft auch, dass es dank den Kameras weniger Sachbeschädigungen geben wird.

 Der schlecht einsehbare Platz vor dem Feuerwehrmagazin war bisher nachts inoffizieller Jugendtreff und Drogenumschlagplatz. Jetzt blicken drei elektronische Augen in jeden Winkel. Sobald sich auf dem Platz etwas bewegt, beginnt die Aufzeichnung. Kommt es beispielsweise zu einer Sachbeschädigung, erstattet die Gemeinde Anzeige, und die Polizei wertet die Videoaufnahmen als Beweismittel aus. Stegmann kann in seinem Gemeindepräsidentenbüro aber nicht etwa live die Aufnahmen verfolgen. Die Daten werden lediglich auf einem Gerät im Feuerwehrmagazin gespeichert. Gleich funktioniert die Anlage beim Bahnhof Studen mit acht Kameras. Sie decken Vorplatz, Zugänge, Perrons, Warteräume und Unterführung ab. Blaue Tafeln mit der Aufschrift "Sie werden videoüberwacht" machen überall auf die Kameras aufmerksam.

 "Vorbehalte unverständlich"

 Auf eine Live-Überwachung habe man bewusst verzichtet, um die Privatsphäre der Leute zu schützen, sagt Stegmann. Passiert nichts, so werden die Aufnahmen spätestens nach 100 Tagen automatisch gelöscht. "Die Vorbehalte der Leute gegenüber den Kameras kann ich manchmal nicht ganz verstehen", sagt Studens Gemeindeverwalter Rudolf Stuber, "in jedem Warenhaus werden die Kunden gefilmt." Und Stegmann ergänzt: "Wer sich korrekt verhält, hat nichts zu befürchten." Der junge Gemeindepräsident ist nun gespannt, ob sein neustes Projekt tatsächlich Wirkung zeigt - oder ob die Übeltäter einfach an andere Orte ausweichen. Sollten sich die Kameras bewähren, will Stegmann bei der Abfallsammelstelle bald weitere Kameras installieren.

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Videoüberwachung im Kanton Bern

 Münsingen ist bereit, Thun dreht Ehrenrunde und Bern wartet Fristen ab

 Die meisten Gemeinden klären ihren Bedarf an Videokameras erst ab.

 Studen ist die erste Gemeinde, die öffentlichen Grund mit Videokameras überwachen lässt (siehe oben). Als nächste folgt Münsingen. Sie hat die Bewilligung der Kantonspolizei zur Installation von drei Kameras auf dem Schulareal Schlossmatt kürzlich erhalten. Wie Sicherheitsbeauftragter Thomas Schafroth sagt, wird die Anlage voraussichtlich im März installiert und soll vor allem präventiv wirken. Bei der Schule kam es in der Vergangenheit immer wieder zu Sachbeschädigungen. Ausserdem konsumierten Jugendliche dort Drogen und liessen Abfall liegen. Weitere Kameras sind in der Gemeinde derzeit nicht geplant.

 Busswil (seit 1. Januar Gemeinde Lyss) hat ebenfalls bereits eine Bewilligung in der Tasche. Ob die Kameras beim Schulhaus aber überhaupt noch nötig seien, müsse jetzt nochmals analysiert werden, sagt der zuständige Gemeinderat Werner Arn (SVP).

 Das umfangreichste und mit 100 000 Franken teuerste Überwachungsprojekt im Kanton verfolgt die Stadt Thun. Mit Kameras an der oberen und unteren Hauptgasse, an der Kyburgecke, beim Kinderspielplatz hinter dem Mühleplatz sowie auf dem Vorplatz des Schorenfriedhofs will sie Vandalen und Ruhestörer abschrecken. Anders als beispielsweise Studen setzt Thun aber auch auf Echtzeitüberwachung und wollte die Aufnahmen direkt in den Polizeiposten übertragen lassen. Dies lehnte die Kantonspolizei jedoch ab, wie Erwin Rohrbach, Leiter der städtischen Abteilung Sicherheit, sagt. Nun müsse das Bewilligungsgesuch angepasst werden. Rohrbach hofft, dass die elf Kameras spätestens im Frühling in Betrieb gehen.

 Länger wird es in der Stadt Berndauern. Hier hat der Stadtrat zwar im November nach zähem Ringen ein Videoreglement verabschiedet. Dieses könne laut Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP) aber frühestens Anfang März in Kraft treten. Danach werde ein konkretes Projekt für die Überwachung des "Fanwalks" zwischen Stade de Suisse und Bahnhof Wankdorf erarbeitet. Dieses müsse dann wiederum vom Stadtrat bewilligt werden. Mit der Installation der Kameras rechnet Nause frühestens Anfang 2012.

 In Biel, wo der ehemalige Polizeidirektor Jürg Scherer (FPS) einst eine Pionierrolle in Sachen Videoüberwachung spielte, geht man das Thema ebenfalls gemächlich an. Voraussichtlich im zweiten Halbjahr 2011 stimmt der Stadtrat über die nötigen Grundlagen im Polizeireglement ab. Ob und wo danach tatsächlich Kameras installiert werden, sei noch völlig offen, sagt André Glauser, Leiter der Abteilung Sicherheit.

 Viele andere Gemeinden wie Zollikofen, Ittigen oder Moosseedorf klären derzeit ebenfalls ihren Bedarf nach Videoüberwachung ab. (rw)

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Thuner Tagblatt 7.1.11

Videoüberwachung in Thun verzögert sich weiter

 Innenstadt. Die Stadt Thun wollte die Bilder der geplanten Videoüberwachung in die Einsatzzentrale der Kantonspolizei an der Allmendstrasse übertragen und sie dort speichern. Nur: Die Polizei lehnt dies ab.

 An fünf Standorten sollen in Thun Kameras aufgestellt werden und so mithelfen, die negativen Auswüchse des Nachtlebens einzuschränken. Doch nach diversen Verzögerungen im Jahr 2010 gibt es jetzt einen neuen Rückschlag für das Projekt. Die Kantonspolizei will nicht, dass die Videobilder in die Einsatzzentrale an der Allmendstrasse übertragen und dort gespeichert werden. Der Grund: Andere Gemeinden könnten mit demselben Anliegen auf die Polizei zukommen, was den Rahmen für die Beamten sprengen würde. Jetzt muss die Thuner Sicherheitsabteilung nochmals über die Bücher. Der benötigte Server könnte etwa bei der städtischen Informatik installiert werden. Es müssten allerdings Massnahmen getroffen werden, um die Daten vor unerlaubtem Zugriff zu schützen. Einzig die Polizei darf nämlich die Bilder der Überwachungskameras auswerten, wenn sie helfen könnten, ein Verbrechen aufzuklären.mik Seite 3

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Rückschlag für Videoüberwachung

Thun. Die geplante Video-überwachung an fünf neuralgischen Punkten in Thun verzögert sich weiter. Die Stadt wollte die Videobilder in die Einsatzzentrale der Kantonspolizei an der Allmendstrasse in Thun übertragen und sie dort speichern. Doch die Polizei will das nicht.

 "Wir haben ein Schreiben der Kantonspolizei erhalten: Die von uns nachgesuchte Übertragung der Videobilder an die Allmendstrasse 18 und die dortige Speicherung sind abgelehnt worden." Das sagt Erwin Rohrbach, Leiter der Abteilung Sicherheit der Stadt Thun, auf Anfrage zum aktuellen Stand der geplanten Videoüberwachung in Thun (siehe auch Kasten). Der Grund: Die Kantonspolizei will laut Rohrbach verhindern, dass zu einem späteren Zeitpunkt möglicherweise zahlreiche Gemeinden die Aufnahmen von Überwachungskameras direkt in die Einsatzzentrale übertragen wollen. "Es ist klar, dass wir nicht verlangen können, dass dauernd ein Polizist vor den Bildschirmen sitzt", sagt Rohrbach. Doch ähnlich wie bei den Überwachungskameras in Tunnels hätte er sich vorstellen können, dass die Bilder aus der Innenstadt sporadisch angeschaut würden, wenn ein Beamter gerade Zeit hat. "So könnten die Beamten reagieren, wenn sie etwas beobachten - und der Einsatz in der Innenstadt könnte gezielter gestaltet werden."

 Zudem war Erwin Rohrbach davon ausgegangen, dass die Bildübertragung in die Zentrale zumindest bei jenen Gemeinden, die einen Ressourcenvertrag mit der Kantonspolizei abgeschlossen haben, und bei denen die Sicherheitsproblematik dringlicher ist, Sinn machen würde. Rohrbach kritisiert: "Da werden Gesetze gemacht - aber um die konkrete Umsetzung kümmert man sich wenig. Wie sollen sie angewendet werden, damit das beabsichtigte Resultat erreicht wird? Da hapert es."

 Neuer Standort für Server

 Klar ist: Das Installieren der an fünf Standorten vorgesehenen Videoüberwachung verzögert sich weiter. Um wie lange kann Rohrbach noch nicht abschätzen - er spricht von rund einem Monat. "Wir haben bezüglich Datenschutz die umfangreichen Formulare ‹Checkliste Grundschutz› und ‹Risikoanalyse›, ausgerichtet auf den Übermittlungs- und Serverstandort Allmendstrasse 18, erarbeitet und mit dem Gesuch eingereicht", führt der Leiter der Abteilung Sicherheit aus. "Wir werden diese Formulare umgehend auf einen neuen Standort in einem städtischen Verwaltungsgebäude umarbeiten und der Kantonspolizei einreichen, die dann das ganze Gesuch weiter behandeln wird." Der Server könnte etwa bei der Informatik der Stadt "angesiedelt" werden. Es müssten allerdings Massnahmen getroffen werden, um den Server vor unerlaubtem Zugriff zu schützen. Denn: Auswerten darf die Bilder nur die Kantonspolizei.

 Rohrbach: "Die Gemeinden dürften die Echtzeitbilder zwar anschauen. Sie haben aber erstens kaum jemanden, der zu den kritischen Zeiten arbeitet und die Bilder verfolgen kann, und zweitens kaum Einsatzmittel, um wenn nötig, eine Intervention vorzunehmen. Es müsste auf die Einsatzzentrale der Polizei telefoniert, das am Bildschirm Gesehene geschildert und um einen Polizeieinsatz ersucht werden." Eine Möglichkeit sieht er darin, dass bei Grossanlässen wie dem Thunfest ein Stadtmitarbeiter die Bilder überwacht.

 Auch die geplanten Kamerastandorte müssen von der Kantonspolizei bewilligt werden. Dazu hat sich diese laut Erwin Rohrbach bisher noch nicht geäussert.

 Michael Gurtner

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BIG BROTHER
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Aargauer Zeitung 12.1.11

Der Spion, der seine Taten bereut

Ralf Sotscheck, dublin

 Grossbritannien Jahrelang spionierte Mark Kennedy alias Mark Stone die Umweltszene aus. Mehr und mehr wurde er dabei zum Agent provocateur. Dann flog er auf.

 Er sieht aus, wie sich die Polizei einen Öko-Aktivisten offenbar vorstellt: Bart, lange Haare, Tätowierungen, Ohrringe. So war Mark Kennedy von der britischen Polizei verkleidet worden, bevor sie ihn vor mehr als sieben Jahren auf geheime Mission schickte. Er tauchte 2003 auf einem Bauernhof in der englischen Grafschaft Yorkshire auf, wo die Organisation Earth First ihre Aktionen plante. Er nannte sich Mark Stone, und das stand auch in seinem Pass und in seinem Führerschein.

 Bei jeder Umweltdemo dabei

 Da der damals 33-Jährige einen Kleintransporter besass und über jede Menge Geld verfügte, mit dem er Flugblätter und Informationsbroschüren finanzierte, aber auch Geldstrafen für andere Aktivisten bezahlte, war er schnell in die Bewegung integriert. Und er schien hoch motiviert: Keine Umweltdemonstration in Grossbritannien fand fortan ohne ihn statt, er war bei der Organisation der Proteste gegen den G-8-Gipfel im schottischen Gleneagles dabei, er kletterte auf Bäume in London und hängte Protestplakate gegen BP auf, er kettete sich an einen Zaun des Atomkraftwerks Hartlepool, besetzte einen Kran am Didcot-Kraftwerk in Oxfordshire, kaperte mit 29 anderen einen Kohlezug für das Drax-Kraftwerk in Yorkshire und organisierte den Transport für das Klimacamp in Heathrow. Er infiltrierte Dutzende andere Organisationen, von anarchistischen Gruppen über Anti-Rassismus-Organisationen bis hin zu militanten Tierschützern. Er bereiste 22 Länder, darunter Deutschland, Italien, Spanien und Island, um dort Umweltschutzaktivitäten auszuspionieren.

 Kennedy war 1994 in London in den Polizeidienst eingetreten. Als neun Jahre später die National Public Order Intelligence Unit gegründet wurde, ein Geheimdienst, der "einheimische Extremisten" im Visier hat, war er eines der ersten Mitglieder. Er beschränkte sich aber keineswegs darauf, im Hintergrund Informationen zu sammeln und sie an seine Vorgesetzten weiterzugeben, sondern entwickelte sich immer mehr zum Agent provocateur und plante ständig neue Aktionen.

 So flog er schliesslich auch auf. Er war die treibende Kraft hinter der geplanten Besetzung des vom Energiekonzern EON betriebenen Kohlekraftwerks in Ratcliffe-on-Soar in den East Midlands. Kennedy hatte ausgekundschaftet, wie man am besten in das Kraftwerk gelangte. Die Vorbereitungstreffen hatten in seinem Haus stattgefunden, er hatte einen Lastwagen für 778 Pfund gemietet, um das notwendige Material zu transportieren. Vor der Besetzung versteckten sich 114 Aktivisten in einer Schule in der Nähe des Kraftwerks. Einige wollten die Aktion wegen der erhöhten Polizeipräsenz in letzter Sekunde abblasen und sandten Kennedy aus, um die Lage zu erkunden. Er kehrte mit der Information zurück, dass weit und breit keine Polizisten zu sehen seien. Minuten später wurde die Schule von der Polizei gestürmt.

 Mitstreiter wurden misstrauisch

 113 der Verhafteten nahmen denselben Anwalt, nur Kennedy beauftragte einen anderen Anwalt, woraufhin die Klage gegen ihn sofort fallen gelassen wurde. Das erregte natürlich Misstrauen, und als seine Mitstreiter nachforschten, fanden sie seinen echten Pass sowie Papiere, die ihn als Polizisten auswiesen. Als man ihn zur Rede stellte, brach Kennedy weinend zusammen, gestand alles, entschuldigte sich und nannte den Namen einer Kollegin, die ebenfalls als Polizeispitzel arbeitete. Ausserdem bot er an, als Zeuge für die Angeklagten auszusagen.

 Von den 113 Menschen, die in der Schule bei Ratcliffe-on-Soar festgenommen worden waren, wurden 26 angeklagt. Da 20 von ihnen geständig waren, wurden sie in der vergangenen Woche zu milden Strafen verurteilt. Das Verfahren gegen die übrigen sechs wurde sang- und klanglos eingestellt, nachdem sie von der Staatsanwaltschaft verlangt hatten, Informationen über Kennedys Rolle preiszugeben.

 "Ein aussergewöhnlicher Lügner"

 Kennedy lebt inzwischen im Ausland. Er hat den Polizeidienst quittiert und soll zu der Überzeugung gelangt sein, dass Aktionen gegen den Klimawandel gerechtfertigt seien. Craig Logan, einer seiner früheren Freunde, sagt: "Dieser Mann war ein aussergewöhnlicher Lügner. Nichts von dem, was er sagt, kann man ihm glauben."

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NLZ 12.1.11

Fichierte Hotelgäste werden Politikum

 Luzern

Barbara Inglin

 Die Polizei überprüft alle Hotelgäste im Kanton Luzern - was aus Datenschutzgründen heikel ist. Jetzt sind politische Vorstösse geplant.

 "Die gesetzliche Grundlage für eine solche Rasterfahndung ist fragwürdig", sagt Nino Froelicher, Fraktionschef der Grünen im Luzerner Kantonsrat. Er bezieht sich damit auf einen gestern in unserer Zeitung publizierten Artikel, welcher die systematische Überprüfung von Hotelgästen publik machte. Die Polizei gibt die Daten aller rund 800 000 Hotelgäste, die jährlich in Luzern übernachten, in ein nationales Fahndungssystem ein - ohne dass ein Verdacht gegen die Gäste vorliegt. Auch unbescholtene Hotelgäste werden somit einer Rasterfahndung unterzogen. Ob dieses Vorgehen rechtlich legitimiert ist, ist fragwürdig (siehe Kasten).

 Grüne und SP werden aktiv

 "Der Bezug eines Hotelbetts ist kein potenzielles Verbrechen", stellt Froelicher klar. "Wir Grünen unterstützen die Intervention des kantonalen Datenschützers." Zudem würden sich die Grünen einen parlamentarischen Vorstoss überlegen, "um den Gang ins Hotelzimmer vom Eingang in die systematische polizeiliche Überprüfung zu entkoppeln".

 Auch die SP will das Thema heute oder in einer Woche an der Fraktionssitzung diskutieren und prüfen, ob ein Vorstoss eingereicht werden soll. "Die systematische Überprüfung von persönlichen Daten braucht zwingend eine gesetzliche Grundlage", sagt Fraktionschefin Silvana Beeler. "Mir war zwar aus meiner früheren Arbeit im Hotelbereich bekannt, dass die Meldescheine der Gäste an die Polizei gehen. Doch dass diese Formulare systematisch und ohne Ausnahme überprüft werden - und dass dafür die gesetzliche Grundlage fehlt -, das wusste ich nicht."

 Zuerst stelle sich die Frage, ob Schweizer Hotelgäste überhaupt überprüft werden sollen. Und falls ja, welche Hotelgäste wann und in welchem Masse kontrolliert werden sollen. Beeler stellt auch die Aufbewahrungsdauer der Daten in Frage. Bei der Luzerner Polizei werden diese für fünf Jahre gespeichert.

 Beeler fordert eine kantonale Regelung. "Der kommunale Weg ist meiner Meinung nach keine Lösung." In Graubünden etwa überlässt der Kanton den Gemeinden die Überprüfung der Hotelgäste.

 Rolf Born, Fraktionschef der FDP, schliesst sich der Kritik an, stellt aber im Gegensatz zu SP und Grünen keine politischen Forderungen. Auch er findet zwar, "dass es nicht geht, ohne jedes Verdachtsmoment und ohne konkrete Hinweise jeden Hotelgast über den gleichen Leisten zu schlagen". Ein politischer Vorstoss sei aber nicht nötig. "Das Problem ist auf dem Tisch. Ich erwarte nun von den Zuständigen beim Justiz- und Sicherheitsdepartement, dass sie das Problem mit Hilfe des kantonalen Datenschützers von sich aus angehen." Würde dies nicht gemacht, müsste auch die FDP über einen Vorstoss nachdenken.

 "Es geht um die Staatssicherheit"

 CVP-Fraktionschef Bruno Schmid sieht hingegen "grundsätzlich nichts Schlechtes in der systematischen Überprüfung der Hotelgäste. Schliesslich geht es um die Staatssicherheit." Allerdings sei es problematisch, dass dies heute ohne gesetzliche Grundlage geschehe. "Hier sehe ich Handlungsbedarf; die Gesetzeslücke muss geschlossen werden." Auch Schmid vertraut darauf, dass sich die Regierung nun von sich aus um das Thema kümmern wird. Ein grosses Fragezeichen setzt Schmid allerdings hinter die Effizienz der Rasterfahndung. "Aus 800 000 gesammelten Namen ergeben sich lediglich ein Dutzend Verhaftungen."

 SVP hat "keine Mühe damit"

 Hinter die heutige Praxis stellt sich SVP-Fraktionschef Guido Müller. "Weltweit muss man in jedem Hotel an der Réception einen Meldeschein ausfüllen. Ich habe keine Mühe damit, wenn das in der Schweiz auch so gemacht wird." Die Daten seien ja nicht sehr persönlich, der positive Effekt der Datensammlung überwiege klar: "Immer wieder werden so Personen gefunden, die zur Fahndung ausgeschrieben sind. Das ist doch erfreulich."

 Barbara Inglin

 barbara.inglin@luzernerzeitung.ch

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 Rechtliche Grundlage fraglich

 Luzern bin. "Es gibt keine genügend präzise gesetzliche Grundlage für die systematische Überprüfung von Hotelgästen", sagt Amédéo Wermelinger, Datenschutzbeauftragter des Kantons Luzern. "Grundsätzlich ist diese Form von Rasterfahndung deshalb problematisch." Er stufe die Thematik als "bedeutend" ein und werde der Sache nun nachgehen. Bisher sei er von der Polizei weder zur aktuellen Praxis noch zur geplanten Änderung befragt worden.

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NLZ 11.1.11

Über 800 000 Hotelgäste fichiert

 Kanton Luzern

bin.

 Wer in einem Luzerner Hotel übernachtet, wird automatisch von der Polizei überprüft. So gehen immer wieder Verbrecher ins Netz.

 bin. In Luzern stehen Hotelgäste unter Generalverdacht. Sämtliche Personen, die im Kanton ein Hotelzimmer mieten, müssen an der Réception ihre Personalien angeben. Wie Recherchen unserer Zeitung zeigen, werden diese Angaben von der Polizei eingesammelt und mit dem nationalen Fahndungssystem abgeglichen. Im Jahr 2009 wurden so 882 445 Personen kontrolliert, davon über 300 000 Schweizer Bürger. Kontrolliert wird systematisch, ohne konkrete Verdachtsmomente.

 Für die Luzerner Polizei lohnen sich diese Kontrollen. Gemäss deren Einschätzungen werden jährlich über ein Dutzend Personen aufgrund von Hotelkontrollen festgenommen.

 Rechtlich problematisch

 Der Datenschutzbeauftragte des Kantons Luzern, Amédéo Wermelinger, kritisiert nun diese Praxis. Denn: "Es gibt keine genügend präzise gesetzliche Grundlage für dieses Vorgehen." "Grundsätzlich ist diese Form von Rasterfahndung deshalb problematisch." Er stuft die Thematik als "bedeutend" ein und will darum jetzt aktiv werden. Bislang sei er von der Luzerner Polizei nicht einbezogen worden. Auch beim Luzerner Hotelverband wusste man bisher nicht, dass die Datensammlung und -überprüfung durch die Polizei gesetzlich auf wackligen Beinen steht.

 Auch im Kanton Zug werden Hotelgäste systematisch überprüft, wie die Zuger Polizei auf Anfrage bestätigt.

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Gäste unter Generalverdacht

 Datenschutz

Barbara Inglin

 Sämtliche Hotelgäste im Kanton Luzern werden einer Rasterfahndung unterzogen. Die gesetzliche Grundlage dafür ist fragwürdig.

 Barbara Inglin

 barbara.inglin@luzernerzeitung.ch

 Wer heute in einem Luzerner Hotel eincheckt, muss ein Gästeformular ausfüllen: Name, Adresse, Geburtsdatum und bei Ausländern die Passnummer werden vermerkt. Was viele nicht wissen: Sämtliche Daten werden an die Polizei weitergeleitet und dort mit dem nationalen Fahndungssystem Ripol (siehe Kasten) abgeglichen. Gesucht wird also nach zur Fahndung ausgeschriebenen Personen. Überprüft werden sämtliche Hotelgäste, unabhängig davon, ob sie Schweizer oder Ausländer sind. Und unabhängig davon, ob ein Verdacht gegen sie vorliegt. Allein im Jahr 2009 wurden somit im Kanton Luzern 882 445 Personen (davon 321 946 Schweizer Bürger) ohne ihr Wissen einer Rasterfahndung unterzogen. Ihre Daten bleiben fünf Jahre lang bei der Luzerner Polizei gespeichert.

 Systematik nirgends festgelegt

 Aus Sicht des Datenschutzes ist dieses Vorgehen fragwürdig. Denn die Polizei hat per Gesetz zwar den Auftrag, die Strafverfolgung zu übernehmen. Doch ist nirgends explizit festgelegt, dass dafür systematisch Hotelgäste überprüft werden sollen. "Es gibt keine genügend präzise gesetzliche Grundlage für dieses Vorgehen", sagt Amédéo Wermelinger, Datenschutzbeauftragter des Kantons Luzern, auf Anfrage. "Grundsätzlich ist diese Form von Rasterfahndung deshalb problematisch." Dass Hotelgäste ohne Verdachtsmoment überprüft würden, suggeriere, dass eine Hotelübernachtung per se ein verdächtiges Verhalten sei. "Das ist, als würden sämtliche Migros- oder Coop-Kunden überprüft, nur weil sie eine Kundenkarte besitzen."

 Die Hotels ihrerseits liefern die Gästedaten seit Jahren an die Polizei weiter. "Wir waren uns bis anhin nicht bewusst, dass die gesetzliche Grundlage fragwürdig ist", sagt Patric Graber, Präsident des Verbandes Luzern Hotels. "Wir werden nun die Situation im Vorstand diskutieren und dann entscheiden, ob wir etwas unternehmen müssen." Im Grossen und Ganzen habe sich die Regelung aber bewährt. "Es ist auch schon vorgekommen, dass die Polizei dank der Gästeliste eine gesuchte Person in meinem Hotel festgenommen hat. Dagegen haben wir nichts einzuwenden", sagt Graber, der das Hotel Waldstätterhof in Luzern leitet.

 Ein Dutzend Festnahmen jährlich

 Die Polizei kann keine genauen Angaben zur Anzahl der Festnahmen aufgrund der Rasterfahndung bei Hotelgästen machen, da diese statistisch nicht separat erfasst werden. "Gemäss Einschätzungen dürften es aber jährlich über ein Dutzend Personen sein, welche aufgrund der Hotelkontrollen festgenommen werden", sagt Urs Wigger, Mediensprecher der Luzerner Polizei.

 In Zürich und Basel ist die Datenerfassung von Hotelgästen schon länger ein Politikum (siehe Kasten). Der Zürcher Datenschutzbeauftragte Bruno Baeriswyl hat zwei rechtliche Hauptprobleme ausgemacht: "Erstens fehlt bei Schweizer Staatsbürgern die Rechtsgrundlage für deren Datenerfassung." Für Ausländer gebe es hingegen ein entsprechendes Bundesgesetz, welches eine Meldepflicht bei Hotelübernachtungen vorsehe. Im Kanton Luzern stammt jedoch laut Bundesamt für Statistik über ein Drittel der Hotelgäste aus der Schweiz.

 "Zweitens ist es problematisch, dass automatisch alle Personen mit dem Fahndungssystem abgeglichen werden, ohne dass ein Verdacht vorliegt", so Baeriswyl. Während aber in Zürich nur die elektronisch erfassten Daten automatisch überprüft werden (diese machen rund 50 Prozent aus), sind es in Luzern sämtliche Daten. "Alle Daten werden in Papierform an die Polizei überliefert und dann via Computer mit dem Fahndungssystem abgeglichen", sagt Urs Wigger von der Luzerner Polizei.

 Datenschützer nicht einbezogen

 Der Luzerner Datenschützer Amédéo Wermelinger stuft die Thematik als "bedeutend" ein. "Ich werde dem nachgehen." Bislang sei er von der Polizei nicht zur aktuellen Praxis einbezogen worden. Nun plant die Polizei eine Praxisänderung, zu der sie noch keine Details bekannt geben will. Auch hierfür wurde der Datenschutzbeauftragte nicht um Mithilfe gebeten.

 Eine Patentlösung hätte freilich auch Wermelinger nicht vorzuweisen, er würde sich jedoch sicher an einer Zürcher Lösung orientieren. "Wir wollen ja die Datenüberprüfung nicht ganz verbieten und so Kriminelle schützen. Aber es geht nicht an, dass sämtliche Personen ohne jeglichen Verdachtsmoment überprüft werden."

 Zürich schlägt Kriterienregel vor

 Sein Zürcher Berufskollege Bruno Baeriswyl hat schon klare Vorstellungen. "Es reicht nicht, dass nur die systematische Überprüfung aller Hotelgäste im Gesetz verankert wird. Meiner Meinung nach wäre das unverhältnismässig." Hingegen könnte er sich vorstellen, dass aufgrund bestimmter Kriterien ausgewählte Personengruppen oder Hotels überprüft würden, wenn ein Verdacht bestehe. "Dafür müssten die Hotels die Daten zwar weiterhin erfassen und entweder selber für eine bestimmte Dauer aufbewahren oder an die Polizei weiterleiten. Doch der systematische Abgleich mit dem Fahndungssystem würde wegfallen, der Datenschutz wäre somit gewährleistet", so Baeriswyl.

 Ein weiteres Fragezeichen setzt er hinter die Aufbewahrungsdauer der Personendaten. Im Kanton Zürich bleiben die Daten für zehn Jahre im elektronischen System. In Luzern sind es immerhin fünf Jahre. Bruno Baeriswyl erklärt die datenschützerische Problematik der langen Speicherzeit: "Mit einem einzigen Knopfdruck können so noch nach Jahren persönliche Daten ganz einfach abgerufen werden."

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 Auch Zuger fahnden in Hotels

 Kantone bin/jem. Was im Kanton Luzern mit der Stadt als Touristenhochburg praktiziert wird, hat auch in Zug, Zürich und Basel-Stadt System. Die Zuger Polizei bestätigt auf Anfrage unserer Zeitung, dass die Hotelgäste systematisch kontrolliert werden. Die grösseren Hotels würden die Daten elektronisch schicken, die kleineren in Papierform. Laut Mediensprecherin Judith Aklin werden so pro Jahr "einige gesuchte Personen" ermittelt.

 Zürich: Neues Polizeigesetz?

 Die systematische polizeiliche Erfassung von Hotelgästen ist im Kanton Zürich schon seit 2009 ein Politikum. Die vom Regierungsrat vorgeschlagene rechtliche Regelung via Gemeindegesetz wurde vom Kantonsrat indes abgelehnt. Gemäss "Tages-Anzeiger" gehen die Bedenken der Parlamentarier quer durchs politische Spektrum: Während linke Exponenten die Angelegenheit als störend oder sehr problematisch bezeichnen, wird es etwa einem SVP-Parlamentarier unwohl ob der automatischen Vorgehensweise. Die Freiheit des Bürgers stehe im Zweifelsfall im Zentrum, "für alles andere braucht es eine Gesetzesgrundlage". Eine solche will die Zürcher Regierung nun mit der Änderung des Polizeigesetzes schaffen, das Parlament soll in diesem Jahr darüber entscheiden.

 Graubünden: 2013 ist Schluss

 In Basel-Stadt überprüft der Datenschutzbeauftragte die rechtliche Grundlage der Sammlung von Hotelgast-Daten. Der Touristenkanton Graubünden überlässt die Überprüfung von Schweizer Gästen gemäss "Tages-Anzeiger" den Gemeinden, ab 2013 sollen nur noch Ausländer erfasst werden.

 System des Bundes

 Ripol-Fahndung jem. Die Hotelgäste-Daten werden mit dem automatisierte Fahndungssystem des Bundes, Ripol, abgeglichen. Ripol ist die Abkürzung der französischen Bezeichnung "Recherches informatisées de police". Das System umfasst Datenbanken für Personen-, Fahrzeug- und Sachfahndungen sowie ungeklärte Straftaten. Die Federführung liegt beim Bundesamt für Polizei, rechtlich geregelt wird das System mittels Verordnung.

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Kommentar

 So geht das sicher nicht

Jérôme Martinu

 Jede Frau, jeder Mann, die in einem Luzerner Hotel absteigen, egal welcher Nationalität, werden von der Luzerner Polizei kontrolliert. Dass dafür eine präzise rechtliche Grundlage fehlt, war bis dato weder den Hoteliers, der Öffentlichkeit noch dem von unserer Zeitung befragten kantonalen Datenschützer bekannt. 2009 wurden über 880 000 Hotelgäste auf diese systematische Art und Weise kontrolliert, rund ein Dutzend gesuchte Personen gehen der Luzerner Polizei auf diese Art und Weise jährlich ins Netz. Je nach Perspektive wird man eine solche Erfolgsquote als "anständig" beurteilen oder sich an die Redewendung vom blinden Huhn erinnern, das auch einmal ein Korn findet.

 Die polizeiliche Erfolgsquote bei der Fichierung von Hotelgästen ist indes nicht die Hauptfrage. In hohem Masse problematisch ist die Tatsache, dass diese Art der Rasterfahndung in Bezug auf Schweizer Bürger rechtlich nur unzureichend abgestützt ist. Ebenso heikel ist, dass mit dieser Ermittlungsweise sämtliche Hotelgäste einem Generalverdacht unterworfen werden. Zu Recht hebt nun der Datenschützer den Warnfinger und will aktiv werden - zumal die Luzerner Polizei nun auch eine Systemanpassung plant, ihn aber diesbezüglich bis dato nicht eingebunden hat.

 Damit keine Missverständnisse entstehen: Selbstverständlich soll die Polizei auch im grossen Personenkreis der Hotelgäste ermitteln dürfen. Kriminalität gibts schliesslich in allen Lebensbereichen. Für Personenkontrollen braucht es aber klare gesetzliche Spielregeln. Und diese müssen so ausgestaltet werden, dass nur gezielt, auf konkreten Verdacht hin und nicht nach dem "Jäger-und-Sammler-Prinzip" kontrolliert werden kann. Der Gesetzgeber, also der Luzerner Kantonsrat, wird sich nun mit dieser Problematik beschäftigen müssen.

 Jérôme Martinu

 jerome.martinu@luzernerzeitung.ch

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Sonntag 9.1.11

Wenn das Pendel zwischen Wahrheit und Lüge schwingt

 Pascal Verdosci und Alex Martin haben Walter Matthias Diggelmanns Roman "Das Verhör des Harry Wind" mit den Stars Klaus Maria Brandauer und Sebastian Koch in den Hauptrollen verfilmt

Von Evelyne Baumberger

 Mit "Manipulation" von Pascal Verdosci kommt die Schweizer Fichenaffäre ins Kino.

 Er ist ein brillanter Geschichtenerzähler, dieser Harry Wind, dazu sympathisch, gut aussehend und selbstbewusst. Der geborene PR-Fachmann Wind weiss ganz genau, wie er Menschen für ein Anliegen einnehmen kann. Das bleibt auch den politisch Mächtigen nicht verborgen. Die Schweiz leistet sich in der2. Hälfte der 50er-Jahre das verhältnismässig grösste Heer Europas.

 Doch das muss vor dem Volk gerechtfertigt werden: ohne Feind keine Angst, ohne Angst kein Grund, in die Armee zu investieren, und kein Geld, um insgeheim an einer eigenen Atombombe zu arbeiten. Harry Wind erfindet also einen Feind, erzählt dem Volk die Geschichte des bösen Russen, gegen den es sich zu verteidigen gilt.

 Ein talentierter Erzähler ist auch Pascal Verdosci. Man hört dem Regisseur gern zu, wie er im Basler "Unternehmen Mitte", wo er auch sein Büro hat, von den Hintergründen seines Films spricht und über die literarische Vorlage von Walter Matthias Diggelmann (1927-1979) diskutiert. Dessen Roman "Das Verhör des Harry Wind" erschien 1962 und machte ihn schlagartig zu einem der bekanntesten und umstrittensten Autoren der deutschsprachigen Welt. Pascal Verdosci hat das Buch zusammen mit dem Drehbuchautor und Produzenten Alex Martin verfilmt.

 "Manipulation" ist der Eröffnungsfilm der diesjährigen Solothurner Filmtage und, obwohl der Film in den spä-ten 1950er-Jahren spielt, hochaktuell. Im Film oszillieren Wahrheit und Lüge, Realität und Fiktion, die Macht von Bildern und Worten wird ausgelotet. Die Enthüllungswebsite Wikileaks, der ausländische "Vergewaltiger" auf den SVP-Plakaten, Bilder aus dem Irak-Krieg schiessen einem durch den Kopf.

 "Für mich ist es wichtig, dass esdie eine Wahrheit gibt", sagt Pascal Verdosci, "und es hat immer Konsequenzen, mit ihr zu spielen." Als Beispiel nennt er den ehemaligen US-Aussenminister Colin Powell, der im Jahr 2003 vor den Vereinten Nationen behauptete, der Irak besitze Massenvernichtungswaffen, und für den Sturz Saddam Husseins plädierte. Viele Menschen haben im Irak-Krieg ihr Leben verloren, die Konsequenzen der falschen Behauptung waren verheerend. Zwei Jahre später entschuldigte sich Powell öffentlich für seine Rede. Und jetzt stehe der damalige US-Präsident George W. Bush als Verlierer da, sagt Verdosci: "Die Lüge gewinnt nicht immer." Der 43-Jährige führt weitere Beispiele auf, wo die Wahrheit zwar aufgedeckt wurde, der Skandal jedoch ausblieb. "Meist interessiert es nach einer spektakulären Geschichte niemanden mehr, wenn die Wahrheit ans Licht kommt", sagt Verdosci. "Das Gerücht ist immer spannender."

 Auch um die Entstehung von "Manipulation" gab es Gerüchte: Nach den Dreharbeiten erschienen Medienberichte, in denen über einen Bruch zwischen Alex Martin und Pascal Verdosci berichtet wurde. Verdosci beschwichtigt: Er sei in der Postproduktion immer wieder hinzugezogen worden. "Ich stehe in Kontakt mit Alex Martin und auch hinter dem Film, so, wie er jetzt rauskommt."

 Bereits vor 15 Jahren hatten Verdosci und Martin eine Verfilmung von "Das Verhör des Harry Wind" geplant. Das Projekt war jedoch zu weitläufig angelegt und scheiterte am Budget. Der ein Jahrzehnt später realisierte Film spielt im Gegensatz zur Erstversion praktisch ausschliesslich in den Verhörräumen der Polizei; das Studio dazu wurde in einem Lörracher Einkaufszentrum aufgebaut. In vielen Dialogen zwischen dem Ermittler Urs Rappold (grossartig: Klaus Maria Brandauer) und Harry Wind (Sebastian Koch) lichten sich die Nebel um den Selbstmord eines als Kommunist und Spion verdächtigten Radiojournalisten, mit dem der Film beginnt. Rappold muss sich eingestehen, dass er sich daran unwissentlich mitschuldig gemacht hat. Die Situation, die anfangs so klar schien, entpuppt sich als Zerrbild - die Wahrheit liegt woanders. Verdosci: "Für mich ist es eine tief psychologische Geschichte eines Polizisten, der erkennen muss, dass mit ihm in einem politischen Rahmen ‹gespielt› wurde."

 Für Pascal Verdosci sind Film und Literatur immer Metaphern. Geschichten, die man dem Publikum erzählt und hinter denen sich - um bei den Begrifflichkeiten rund um "Manipulation" zu bleiben - eine Wahrheit zeigt. "Im Film baut man Realitäten, das ist der Reizam Beruf des Regisseurs." Auch wenn die filmischen Realitäten nicht unbedingt den physikalischen entsprechen, wie zum Beispiel in Verdoscis Erstling "Anjas Engel", wo ein verstorbener Mann (Anatole Taubman) seiner Ehefrau (Barbara Maurer) in Gestalt eines Engels beisteht.

 Übrigens war schon in diesem Filmdie Schweizer Armee ein Thema: Der Verstorbene ist in der Geschichte ein ehemaliger Pilot der Patrouille Suisse. Offenbar hegt Verdosci, der sich selbst als Pazifist bezeichnet und dessen Vater aus Italien stammt, eine Faszination fürs Militär? Er lacht, um gleich wieder ernst zu werden. "Eigentlich fasziniert mich nicht die Armee, schliesslich habe ich sie ja auch nicht besucht, sondern vielmehr die Gewalt."

 Gewalt sei Ausdruck eines mit friedlichen Mitteln nicht mehr lösbaren Konflikts, und insofern auch vom schweizerischen Standpunkt aus - etwa in Bezug auf den Einsatz der Swisscoy im Kosovo - ein Thema: "Da fasziniert mich die Armee, weil sie am Schnittpunkt der heute so aktuellen Frage steht: sich einmischen oder zuschauen?"

 Manipulation (CH/DE 2011) 90 Min. Regie: Pascal Verdosci. Mit: Klaus Maria Brandauer, Sebastian Koch, Thomas Douglas u.a.

 20. Jan., 17.30 Uhr, Reithalle

 20. Jan., 18.30 Uhr, Palace

 26. Jan., 20.30 Uhr, Landhaus

 Ab 3. Februar im Kino.

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Aargauer Zeitung 8.1.11

Datenschutz: Basler Polizei gibt nach

 Erfolg für den Basler Datenschutzbeauftragten Beat Rudin: Seit dem 1. Januar sind die Basler Hoteliers bis auf weiteres nicht mehr verpflichtet, die Identität ihrer Gäste an die Polizei zu melden. Damit reagieren die Sicherheitsbehörden auf eine Intervention Rudins vom letzten Dezember, wie ein Polizeisprecher bestätigt. Bis zum 31. Dezember mussten die Basler Hotelbetriebe die Identität aller Gäste an die Polizei weiterleiten, diese glich die Daten dann im nationalen Fahndungssystem Ripol ab - auch ohne konkreten Verdacht. Rudin hatte die Polizei aufgefordert, diese Praxis zu überprüfen. Über die Aussetzung ist der Datenschützer hoch erfreut: "Das ist eine gute Reaktion und schafft Zeit, um über eine künftige Regelung zu diskutieren", sagt Rudin. Im Kanton Baselland müssen Hotelbetriebe weiterhin die Namen ihrer Gäste an die Polizei melden. Danach werden die Datensätze für zwei Jahre gespeichert.(btu)Seite 5

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Polizei hat in Hotels ausgeschnüffelt

 Gastgewerbe Basler Hoteliers müssen die Identität ihrer Gäste nicht mehr an die Polizei melden

Benno Tuchschmid

 Die Polizei guckt in Basler Hotels nicht mehr durchs Schlüsselloch: Seit dem 1. Januar müssen die Hoteliers nicht mehr automatisch die Identität ihrer Hotelgäste an die Polizei weiterleiten. Dies bestätigt Polizeisprecher Martin Schütz gegenüber der az. Mit der provisorischen Aufhebung dieser Praxis reagiert die Basler Kantonspolizei auf eine Beanstandung des kantonalen Datenschutzbeauftragten. "Wir haben festgestellt, dass eine automatisierte Kontrolle im Schengener Durchführungsabkommen nicht vorgesehen ist", sagt Schütz. Bis anhin hatten die Hotelierbetriebe alle Daten ihrer Gäste elektronisch verschlüsselt an die Kantonspolizei Basel-Stadt gemeldet. Dort wurden die Identitäten mit dem Schweizer Fahndungssystem Ripol abgeglichen - auch ohne konkreten Verdacht. Der Basler Datenschutzbeauftragte Beat Rudin ist zufrieden mit der vorläufigen Aussetzung: "Das ist eine gute Reaktion der Polizei und schafft Zeit, um über eine künftige Regelung zu diskutieren."

 Kanton Zürich will Gesetz schaffen

 Im Kanton Zürich ist genau diese Diskussion über eine gesetzliche Regelung des Datenabgleichs noch am Laufen. In Zürich müssen Hoteliers die Namen ihrer Gäste an die Kantonspolizei weitermelden - ohne, dass es dafür eine gesetzliche Regelung gibt. Dies berichtet der "Tages-Anzeiger" gestern. Bruno Baeriswyl, Zürcher Datenschutzbeauftragter und Präsident der Schweizer Datenschützer, gefällt das gar nicht: "Es ist fragwürdig, wenn die Polizei Daten von Schweizer Bürgern ohne gesetzliche Grundlage sammelt und mit Fahndungssystemen abgleicht." Doch die Polizei hält an ihrem Vorgehen fest und will nun ein entsprechendes kantonales Gesetz schaffen. Laut einem Sprecher erarbeitet sie derzeit einen gesetzlichen Rahmen für die Datenabgleiche aus und will diesen bald in die Vernehmlassung schicken.

 "Unnötig und unverhältnismässig"

 Die Weitergabe der Hotelgäste-Daten ist in der Schweiz kantonal geregelt. Eine Umfrage der az bei ausgewählten Kantonen zeigt: Auch im Kanton Baselland müssen Hotelbetriebe ihre Gästeliste direkt an die Polizei weiterleiten. Das stösst auf Kritik, trotz entsprechenden Gesetzen: "Ich habe meine Zweifel, ob es verhältnismässig ist, verdachtsunabhängig einfach alle Hotelgäste zu überprüfen. Auch der Gesetzgeber muss das Verhältnismässigkeitsprinzip beachten", sagt Rudin. Auch Baeriswyl hält den automatischen Datenabgleich für unnötig und nicht verhältnismässig.

 Im Kanton Baselland sind Hotelbetriebe gesetzlich verpflichtet, die Namen ihrer Gäste selbstständig an die Polizei zu melden. Dort werden sie im Fahndungssystem des Bundes Ripol überprüft. Die Daten werden für zwei Jahre gespeichert.

 Die Zürcher Kantonspolizei sammelt die Daten sämtlicher Hotelgäste - diese werden im Ripol geprüft und sogar für 10 Jahre gespeichert. Doch noch fehlt im Kanton Zürich eine gesetzliche Grundlage zur automatischen Überprüfung.

 Seit 15 Jahren werden die Hotelbulletins im Kanton Solothurn nicht mehr automatisch eingezogen. Die Betriebe sind gesetzlich verpflichtet, die Meldescheine ihrer Gäste drei Jahre lang zu archivieren. Bei einem konkreten Verdacht kontrolliert die Polizei die Daten.

 Im Kanton Basel-Stadt werden seit Anfang Jahr die Daten der Hotelgäste nur noch bei Verdacht überprüft. Vorher gingen alle Namen direkt an die Polizei. Dort wurden sie im Ripol überprüft und für drei Jahre gespeichert.

 Im Kanton Aargau werden die Hotelmeldescheine seit 2001 nicht mehr eingezogen. Auch sind die Hoteliers nicht verpflichtet, die Personalien ihrer Gäste zu speichern. Die vor 2001 gesammelten Daten wurden vernichtet.

 Keine systematische Übermittlung der Namen von Hotelgästen gibt es im Kanton Bern. Allerdings müssen Hotelbetriebe die Gäste-Daten für mindestens fünf Jahre speichern und der Polizei bei Anfragen jederzeit zur Verfügung stellen.

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Tagesanzeiger 7.1.11

Zürcher Polizei sammelt Daten von allen Hotelgästen

 Obwohl eine rechtliche Grundlage fehlt, werden systematisch auch Schweizer elektronisch erfasst.

 Von Mario Stäuble

 Die Zürcher Hotels müssen Tag für Tag die Personaldaten ihrer Gäste an die Kantonspolizei übermitteln. Diese gleicht sie mit ihren internen Datenbanken ab. Zuweilen mit Erfolg: Es kommt vor, dass verdächtige Gäste direkt im Hotelzimmer verhaftet werden. Für die Polizei ist die Überprüfung der Hotels ein "wichtiger Baustein" im Rahmen der Personenfahndung. Dafür bewahrt sie die Einträge zehn Jahre lang auf.

 Das Datensammeln ist einfacher geworden: Inzwischen wird bereits die Hälfte der Personendaten nicht mehr physisch - mithilfe von Meldescheinen - erfasst, sondern elektronisch übermittelt. Diese Praxis steht aber rechtlich auf wackligen Füssen. Umstritten ist vor allem die systematische Überprüfung von Schweizer Gästen mittels der elektronischen Fahndungssysteme. In diesem Fall fehlt es nach Meinung des kantonalen Datenschutzbeauftragten an einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage.

 Der Kantonsrat hat das Problem zwar längst erkannt. Doch das Parlament hat eine Gesetzesänderung, welche die Lücke hätte stopfen sollen, abgelehnt. Eine zweite Vorlage ist in der Pipeline, aber noch längst nicht abstimmungsreif.

 Die Praxis der Kantonspolizei stösst auf Kritik. AL-Kantonsrat Markus Bischoff etwa verlangt, dass die Daten nach dem Abgleich mit den Verbrecherkarteien sofort gelöscht werden, falls in der Datenbank kein Treffer erzielt wird. Auch auf der rechten Seite gibt es Unbehagen, weil die "Freiheit des Bürgers" tangiert werde.

 Andere Kantone verfolgen unterschiedliche Strategien zur Überwachung der Hotelgäste: Im touristischen Graubünden ist es heute laut Jürg Domenig, Präsident von Hotelleriesuisse Graubünden, den Gemeinden überlassen, die Überprüfung von Schweizer Gästen vorzuschreiben. Ab 2013 werden kantonsweit nur noch Ausländer registriert.

 In Basel-Stadt setzt man dagegen - ähnlich wie in Zürich - zunehmend auf die elektronische Datenübertragung. Auch in Basel ist der Datenschutzbeauftragte aktiv geworden und lässt untersuchen, ob die dortige gesetzliche Grundlage genügt. - Seite 13

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Wie die Polizei in Zürcher Hotels auf Verbrecherjagd geht

 Im Kanton Zürich sammelt die Polizei in allen Hotels täglich die Daten der Gäste ein. Politiker und Datenschützer kritisieren die Praxis der Fahnder - weil sie rechtlich fragwürdig ist.

 Von Mario Stäuble

 Zürich - Jeden Morgen zwischen 3 und 4 Uhr besucht ein Angestellter der Securitas das Hotel Zürcherhof im Niederdorf. Er kommt vorbei, um die sogenannten Meldescheine einzusammeln - Formulare, welche die Gäste ausfüllen müssen: Name, Adresse, Reiseziel, Beruf. Der Securitas-Mitarbeiter bringt die Meldescheine anschliessend zur Polizei, wo die Daten in die Fahndungssysteme Ripol und SIS eingespeist werden (siehe Kasten). Dies passiert nicht nur im Zürcherhof: In allen Zürcher Hotels werden täglich Personaldaten gesammelt.

 Laut Kantonspolizei werden darauf die Gästedaten aufbewahrt und stehen den Ermittlern während zehn Jahren "für Recherchen zur Aufklärung von Delikten oder für die Eruierung von vermissten Personen zur Verfügung". Im Klartext: Die Kantonspolizei weiss auch Jahre später noch, wer wann in einem Zürcher Hotel übernachtet hat.

 Diese Fahndungsmethode verspricht durchaus Erfolg: "Es ist schon vorgekommen, dass die Polizei einen Verdächtigen direkt in seinem Hotelzimmer verhaftet hat", erklärt Jean-Marc Bühler, langjähriger Direktor des Hotels Zürcherhof. Seitens der Kantonspolizei spricht man von einem "wichtigen Baustein" im Rahmen der vorhandenen Fahndungsmittel.

 Patrick Schiesser, Manager des Easyhotels Zürich, schätzt die Arbeit der Polizei: "Wir sind froh, dass diese Kontrollen gemacht werden, zumal sich unser Hotel im Kreis 4 befindet." Für die Hoteliers ist die Überwachung indes ein zweischneidiges Schwert: "Vor allem für Stammgäste ist die fortlaufende Registrierung, die wir intern‹Misstrauensantrag› nennen, natürlich ärgerlich", sagt Jean-Marc Bühler.

 Automatisch ist problematisch

 Laut Bruno Baeriswyl, dem kantonalen Datenschutzbeauftragten, werfen diese polizeilichen Überprüfungen rechtliche Probleme auf. Denn: Etwa 50 Prozent der Gästedaten werden heute nach Angaben der Kantonspolizei nicht mehr in Papierform erfasst, sondern auf elektronischem Weg übermittelt. Bei der Polizei werden die Daten sodann automatisch mit den Fahndungssystemen abgeglichen, was einer systematischen Überprüfung gleichkommt. Das kritisiert Baeriswyl: "Man muss zwischen Ausländern und Schweizern unterscheiden. Bei Schweizer Gästen gibt es für die systematische Überprüfung der Daten keine Rechtsgrundlage." Benötigt würden ausdrückliche Gesetzesbestimmungen - solche fehlten aber bis anhin.

 Bei ausländischen Gästen schreibe zwar das Schengener Durchführungsübereinkommen eine Prüfung vor; es sei jedoch zweifelhaft, ob es gerechtfertigt sei, Informationen breitflächig und automatisch überprüfen zu lassen. Verhältnismässig wäre nach Ansicht des Datenschützers lediglich eine Abfrage bei einem konkreten Verdacht.

 Das Problem ist nicht neu. Schon 2009 hatte der Regierungsrat vorgeschlagen, die Rechtslücke durch eine Änderung im Gemeindegesetz zu stopfen. Der Kantonsrat lehnte jedoch die entsprechende Bestimmung ab. Stattdessen hat er Anfang 2010 ein dringliches Postulat von Ruedi Lais und Yves de Mestral (beide SP) überwiesen. Der Auftrag: Die Regierung soll aufzeigen, wie sie die Überwachung schweizerischer Gäste neu regeln will - unter Berücksichtigung des Datenschutzes. Im gestern veröffentlichten Bericht zu diesem Vorstoss kündigt der Regierungsrat nun an, dass er die Gesetzeslücke mit einer Änderung des Polizeirechts schliessen will. Mitte 2011 sei mit einer Vorlage an den Kantonsrat zu rechnen.

 Das hindert die Polizei nicht daran, die Daten bereits heute elektronisch zu sammeln und zu verarbeiten - bevor eine Diskussion darüber geführt wurde, welche Gäste überhaupt überwacht werden dürfen. Unklar ist auch, ob eine Aufbewahrung der Daten während zehn Jahren politisch erwünscht ist. Kantonsrätin Esther Guyer (Grüne) hat Bedenken: "Ich halte diese Überwachung für sehr problematisch." Auch Kantonsrat und Rechtsanwalt Markus Bischoff (AL) ärgert sich: "Mich hat es schon immer gestört, dass man registriert wird, nur weil man im Hotel übernachtet." Zumindest müsste man die Daten, sofern kein Treffer im Fahndungssystem erfolge, unverzüglich löschen.

 Der SVP-Kantonsrat Claudio Zanetti weiss, wie wichtig die Hoteldaten für die Polizei sind: "Wenn sich ein erfahrener Fahnder um die Meldezettel kümmert und verdächtigen Einträgen nachgeht, habe ich auch kein Problem damit. Bei der automatischen Überprüfung ist mir aber nicht mehr wohl." Im Zweifelsfall stehe die Freiheit des Bürgers im Zentrum. "Für alles andere braucht es eine Gesetzesgrundlage."

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 Polizeiregister Fahnden in der Datenbank

 Das Schengener Informationssystem (SIS) ist eine europaweit vernetzte Datenbank für Polizeibehörden. Beispielsweise können Schweizer Beamte im SIS eine gesuchte Person über die Landesgrenzen hinweg zur Festnahme und Auslieferung ausschreiben. Das Gegenstück dazu: Polizisten überprüfen bei einer Verhaftung, ob der Festgenommene bereits in der Datenbank eingetragen ist. Auf diese Weise wird ersichtlich, ob ausländische Dienststellen nach der Person suchen. Je nach Rechtslage wird der Verdächtige daraufhin an die entsprechenden Behörden ausgeliefert. Mittels SIS lassen sich aber auch vermisste Personen oder gesuchte Beweismittel wie beispielsweise Fahrzeuge oder Waffen aufspüren. Ebenso können Einreisesperren für den gesamten Schengen-Raum eingetragen werden. Als nationale Drehscheibe der Datenbank fungiert ein zentrales Büro, - bezeichnenderweise Sirene genannt - das beim Bundesamt für Polizei angesiedelt ist. Das SIS wurde in der Schweiz im August 2008 eingeführt, nachdem sich die Bevölkerung 2005 in einer Volksabstimmung für den Beitritt zum Schengen-Raum ausgesprochen hatte.

 Ripol (Recherches Informatisées de Police) ist das schweizerische Pendant zum SIS. Es dient der Personen- und Sachfahndung auf nationaler Ebene. Neben der Polizei haben - in gewissen Bereichen - auch andere Amtsstellen Einblick in die Datensätze: So etwa die Strassenverkehrsämter, das Staatssekretariat für Wirtschaft - und die Spielbankenkommission.(ms)

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DEINE RECHTE
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Beobachte 7.1.11

Strafprozessordnung: Kann mich die Polizei einfach mitnehmen?

Daniel Leiser

 Wenn Sie eine polizeiliche Vorladung erhalten, müssen Sie diese befolgen. Da ändert auch die neue Strafprozessordnung nichts. Immerhin haben Sie seit 1. Januar 2011 schweizweit dieselben Rechte.

 Die Polizei kann Personen für eine Befragung vorladen, und zwar ohne besondere Formen und Fristen. Einer polizeilichen Vorladung - auch einer telefonischen - sollten Sie deshalb Folge leisten. Sie riskieren sonst, dass die Polizei Sie zu Hause abholt und mit dem Streifenwagen zur Einvernahme fährt.

 Sind Sie einmal auf dem Posten, können Sie sich zurückhaltend geben und erst einmal abwarten - vor allem dann, wenn Sie als beschuldigte Person vorgeladen worden sind.

 Die Polizei muss Sie gemäss der neuen, am 1. Januar 2011 in Kraft getretenen Schweizerischen Strafprozessordnung zu Beginn der ersten Einvernahme in einer für Sie verständlichen Sprache darüber informieren, dass gegen Sie eine Strafuntersuchung eingeleitet worden ist und welche Straftaten Gegenstand des Verfahrens bilden. Zudem muss man Sie darauf hinweisen, dass Sie die Aussage und die Mitwirkung verweigern können.

 Daniel Leiser Fachbereich Staat

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RUHE & ORDNUNG
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St. Galler Tagblatt 12.1.11

Nur wenige setzen auf "Bahnhof-Göttis"

 Am Bahnhof Heerbrugg sollen ab Frühling "Paten" für Ruhe sorgen. Doch das Projekt läuft harzig an - und bleibt ein Einzelfall in der Ostschweiz: Die Gemeinden setzen stattdessen auf private Sicherheitsdienste und Repression.

 Urs-Peter Zwingli

 Leichte Klassik aus Lautsprechern und Bahnhof-Paten, die Konflikte lösen und Hilfe leisten: Die Gemeinde Au-Heerbrugg hat im vergangenen November unkonventionelle Ideen formuliert, um am Bahnhof Heerbrugg "ein besseres Zusammenleben aller Gruppen" zu ermöglichen, wie Gemeindepräsident Walter Grob damals sagte.

 Noch kämpft das Projekt aber mit Anlaufschwierigkeiten: Bis gestern hatten sich erst sechs Freiwillige bei Projektleiter Walter Schwendener gemeldet. "Vielen Leuten fehlt wohl die Zivilcourage für den Job", sagt der in Buchs wohnhafte Schwendener, dem als pensioniertem SBB-Regionalleiter "seine" Bahnhöfe am Herzen liegen.

Sicherheitsdienste verbreitet

 Tatsächlich können die Bahnhof-Paten eine Alternative oder zumindest Ergänzung zu privaten Sicherheitsdiensten sein, die heute in fast jeder grösseren Ostschweizer Gemeinde zum Ortsbild gehören - auch in Au-Heerbrugg gibt's solche Patrouillen. "Der Ansatz des Sicherheitsdienstes ist eher repressiv", sagt Gemeindeschreiber Marcel Fürer auf die Frage, warum die Gemeinde mit den Paten per Frühling 2011 ein zusätzliches Angebot aufbauen will.

 Wie eine Umfrage unserer Zeitung zeigt, ist die angesprochene Repression nach wie vor das probate Mittel der Gemeinden: Nur in Buchs und in Frauenfeld kennt man in der Ostschweiz das Modell der Paten auch - andere dörfliche und kleinstädtische Gebilde setzen seit Jahren auf eigene Sicherheitsdienste. In Gossau war zwar 2007 vorgesehen, die Situation am Bahnhof ebenfalls mit freiwilligen Paten zu beruhigen. Nachdem der für das Projekt zuständige Stadtrat aus dem Amt schied, verlief die Idee aber im Sande. Stattdessen patrouilliert ein Sicherheitsdienst - die Paten-Idee wieder aufzugreifen, ist laut Stadtsprecher Urs Salzmann nicht vorgesehen.

 "Kontakt auf Augenhöhe"

 Der Anstoss zu einem Paten-Projekt geben laut SBB-Sprecher Daniele Pallecchi die Gemeinden. Auch er sagt, dass die Paten im Vergleich zu Sicherheitsdiensten "eher einen Kontakt auf Augenhöhe erlauben" - was helfe, Konflikte früh zu unterbinden. Aktuell seien aber keine weiteren Projekte in der Ostschweiz geplant.

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St. Galler Tagblatt 11.1.11

Nicht nur Frauenfeld greift hart durch

 Nulltoleranz am Bahnhof: Ein Vergleich mit Kreuzlingen, Weinfelden und Winterthur zeigt: Frauenfeld ist nicht die einzige Stadt, welche am Bahnhof repressive Mittel anwendet. Winterthur hat jedoch auch gute Erfahrungen mit sozialen Projekten gemacht.

Thomas Ammann

 Mit Randständigen und Problemgruppen müsse jede Stadt leben, sagt Michael Künzle. "Sie gehören zum Stadtbild. Sie wollen anders sein und sich nicht integrieren. Diese Leute lassen sich nicht aus dem Stadtbild vertreiben. Das macht die Arbeit am Bahnhof zur Sisyphusarbeit." Künzle ist Stadtrat von Winterthur - einer Stadt mit fast fünfmal so vielen Einwohnern wie Frauenfeld. "Verglichen mit anderen Städten stehen wir bezüglich Gewaltdelikten sehr gut da", meint der Vorsteher des Departements für Sicherheit und Umwelt.

 "Kehren immer wieder zurück"

 Winterthur ist ein Knotenpunkt mit einer nahe am Bahnhof gelegenen Ausgangsmeile. Reibereien sind da fast nicht zu verhindern. Stadt und Kantonspolizei haben jedoch grosse Anstrengungen zur Verbesserung der Sicherheit am Bahnhof unternommen. Vor knapp drei Jahren zerschlugen sie einen grossen Drogenring am Bahnhof und sprachen Wegweisungen und Rayonverbote aus. Die Polizeipräsenz wurde erhöht.

 Dem Nutzen von Wegweisungen steht Künzle skeptisch gegenüber: "Gewisse Personen weisen wir x-mal vom Gelände, sie kehren immer wieder zurück." Der Erfolg sei vielmehr im Zusammenwirken von polizeilichen und sozialen Massnahmen erreicht worden. "Wir haben eine Drogenanlaufstelle geschaffen. Diese wird rege genutzt. Wir arbeiten mit den Jugend- und Sozialdiensten zusammen, um Randständige in Projekte aufzunehmen", erzählt der CVPler. Zudem unterhält die Koordinationsstelle für Arbeitsprojekte eine gesicherte Velostation beim Bahnhof, welche durch Arbeitslose betrieben wird. Ist Repression doch nicht alles?

 Aufenthalts- und Alkoholverbot

 Weinfelden mit etwas über 10 000 und Kreuzlingen mit knapp 20 000 Einwohnern spielen zwei Ligen tiefer als Winterthur - ebenso wie Frauenfeld mit 22 000 Bewohnern. Beide Orte kennen zwar Probleme mit Jugendlichen. "Aber bei uns ist grundsätzlich alles gut", sagt der Kreuzlinger Stadtrat David Blatter. "Letztes Jahr gab es praktisch keine Beschwerden." Sorgen machten dem SVP-Stadtrat das Asyl-Empfangszentrum beim Hauptbahnhof und Gruppierungen junger Erwachsener am Hafenbahnhof. "Deshalb haben wir die Kontrollen etwas verstärkt und arbeiten mit dem Sicherheitsdienst des Empfangszentrums zusammen", sagt Blatter. Am Hafen patrouilliert mittlerweile ein privater Sicherheitsdienst. Wegweisungen oder Rayonverbote kennen sie nicht.

 Auch Weinfelden hat das Polizeiaufgebot etwas erhöht und arbeitet mit einer Sicherheitsfirma zusammen. "Vor etwa zwei Jahren gab es eine problematische Phase", sagt der zuständige Gemeinderat Hans Eschenmoser. Für ihn ist ständige Kontrollen unerlässlich. In der Ladenpassage wurde mittlerweile ein Aufenthaltsverbot erlassen - am Marktplatz darf kein Alkohol mehr getrunken werden. "So ist es momentan sehr ruhig", so der SVPler.

 Es Nulltoleranz nennen?

 Vermehrte Kontrollen haben andere Städte also auch eingeführt. Das Ganze Nulltoleranz zu nennen kam jedoch niemandem in den Sinn. Und es in Frauenfeld auch mit sozialen Projekten zu versuchen, würde sicher nicht total am Ziel vorbeischiessen, wie das Winterthurer Beispiel zeigt.

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 Am Bahnhof sinnlos verprügelt

 Am 21. Mai 2009 geschah am Hauptbahnhof in Kreuzlingen eine besonders brutale Tat: Kurz nach Mitternacht griffen drei Jugendliche ohne Vorwarnung und ersichtlichen Grund zwei Personen an, welche sich auf dem Perron aufhielten. Auch als die Opfer bereits wehrlos am Boden lagen, schlugen die Täter weiter auf sie ein.

 Mithilfe einer Videoaufnahme, welche die Polizei eine Woche später ins Internet stellte, konnten die Täter verhaftet werden. Sie gestanden die Tat. Sie hätten ohne Grund zugeschlagen und seien alkoholisiert gewesen, gaben die drei Schweizer an. Einer sprach gar von Filmriss. Die Opfer erlitten leichte bis mittelschwere Verletzungen. Die Täter kamen mit einer bedingten Geldstrafe davon. (tam)

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OBDACHLOS
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St. Galler Tagblatt 11.1.11

Hilfspakete für Obdachlosen-Hunde

 Viele obdachlose Menschen besitzen Hunde - können diese aber mehr schlecht als recht ernähren. Für sie verteilt die Tierambulanz Thurgau am Hauptbahnhof "Doggy-Bags".

 Am kommenden Donnerstag startet die Tierambulanz Thurgau am Hauptbahnhof St. Gallen eine besondere Aktion: Zwischen 10 und 12 Uhr verteilt die private Kleinfirma beim Treffpunkt "Doggy-Bags" an obdachlose Hundehalter. In diesen Hilfspaketen für Hunde werden sich laut Medienmitteilung Hundefutter, Decken oder anderes Tierzubehör befinden. Damit sollen die Grundbedürfnisse der Hunde gestillt werden - Bedürfnisse, denen obdachlose Menschen "kaum oder nur mangelnd" nachkommen könnten.

 Andreas Gähler ist der Leiter der Tierambulanz Thurgau. Die Idee, Hundepakete an obdachlose Menschen abzugeben, stamme aus Deutschland, sagt er. St. Gallen sei die erste Schweizer Stadt, in welcher das Sozialprojekt durchgeführt werde. Bis im Frühling sollen jeden Donnerstag "Doggy-Bags" verteilt werden. Sollte das Projekt ein Erfolg werden, wolle man die Dienstleistung auch in Zürich oder anderen Städten anbieten, sagt Gähler.

 Die Tierambulanz wurde ursprünglich ins Leben gerufen, um verletzten und kranken Tieren Erstversorgung zu gewähren. Bei Notfällen übernimmt die Tierambulanz den Transport zum nächsten Tierarzt. Daneben bietet sie Tiersitting oder Spaziergänge mit Hunden an. (pd/rst)

http://www.dietierambulanz.ch

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St. Galler Tagblatt 8.1.11

Niemandsland für Obdachlose

 Der Kreuzlinger Diakon und Gemeindeleiter Matthias Loretan ist überzeugt, dass der Bedarf für eine Notschlafstelle in der Stadt oder der Region gegeben ist. Anderer Meinung sind Caritas und Stadt.

Martina Eggenberger Lenz

 Kreuzlingen. Ein Mann klopft bei Matthias Loretan an die Tür. Der Typ ist gemäss eigenen Aussagen zusammengeschlagen worden, der Pass ist weg - so ist es kürzlich passiert. Der Mann fragt den Geistlichen nach einer Unterkunft. Obdachlose gibt es bei uns nicht? "Doch, sehr wohl", betont der Gemeindeleiter von St. Ulrich. Loretan hat schon Personen angetroffen, die in der Kirche schliefen. Das sei für die übrigen Kirchgänger irritierend und daher kein Zustand.

 Schlafen vor der Bank

 Die meisten Hilfesuchenden klingeln direkt und fragen nach Geld, Nahrung oder eben: einer Übernachtungsmöglichkeit. Loretan erzählt Geschichten von Roma, die in die Schweiz kommen und nicht wissen, wohin. Oder schildert Fälle von deutschen Harz-IV-Empfängern, die nach erfolgloser Stellensuche in der Schweiz hier stranden. Er wisse von Personen, die Nächte in öffentlichen Anlagen, im Empfang des Spitals oder im Bancomat-Bereich von Banken verbracht hätten. Zwei- bis dreimal pro Woche werde die Kirchgemeinde von Bedürftigen direkt um Hilfe gebeten. Im Winter und besonders zur Weihnachtszeit würden sich die Anfragen häufen. Gehe es darum, ein Bett für eine Nacht zu finden, organisiert der Diakon mangels einer Notschlafstelle entweder ein günstiges Hotelbett oder er bezahlt den Bedürftigen ein Billett, damit sie mit dem Zug in eine Stadt mit Notschlafstelle (siehe Kasten) fahren können. In ganz seltenen Fällen habe er auch schon ein Bett im Pfarrhaus zur Verfügung gestellt. Loretan glaubt, dass eine regionale Notschlafstelle einem Bedürfnis entsprechen würde (TZ vom 3.1.).

 Zwei Drittel sind Ausländer

 Kommt ein Hilfesuchender zur Kirche, wird zuerst abgeklärt, woher er stamme. Wenn möglich und sinnvoll, gibt man den Fall dann den Sozialbehörden oder den Kirchgemeinden am Wohnsitz weiter. "Das Problem sind aber nicht die registrierten Menschen, sondern jene zwei Drittel ausländischer Herkunft und jene Menschen, die nicht sesshaft sein wollen." Die Kirchgemeinde dokumentiere jeden einzelnen Besuch, auch um kontrollieren zu können, wer wie häufig auftauche. "Manche kommen immer wieder, vor allem die provisorisch aufgenommenen Flüchtlinge", so der Gemeindeleiter. Da zeigt sich die Nähe zur Empfangsstelle. Die einen suchen nach Hilfe, weil sie nichts mehr haben. Die anderen haben nichts, weil sie durch alle sozialen Maschen fallen. Zum Beispiel weil sie therapieresistent seien, so Loretan. "Solche Menschen wird es immer geben."

 Essensgutscheine statt Geld

 St. Ulrich lasse sich solche Kriseninterventionen jährlich gut 5000 Franken kosten, sagt der Diakon. Bargeld werde möglichst selten abgegeben, um Missbrauch zu verhindern. Die Kirchgemeinde gibt lieber Essensgutscheine von der Migros ab oder sorgt eben für einen Schlafplatz.

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BIG BROTHER SPORT
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Sonntag 9.1.11

EVZ befürchtet hohe Sicherheitskosten

Freddy Trütsch

 Muss der Hockeyklub bald einen Grossteil der Sicherheitskosten selber tragen? In anderen Kantonen ist man sehr grosszügig.

 freddy.truetsch@zugerzeitung.ch

 Die Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren hat vor einem guten Jahr diverse Forderungen an die Fussball- und Eishockeyvereine gestellt und damit das Thema "Sicherheit und Hooligans" medienwirksam lanciert. So war die Rede von einer Fan-Karte, die man schaffen müsse, oder von gesammelten Fan-Transporten an den Spielort. Doch da winkten die Sportklubs mehrheitlich ab - "nicht machbar". Noch auf dem Tisch sind Forderungen finanzieller Art. In einigen Kantonen wird nämlich ernsthaft darüber nachgedacht, den Veranstaltern die Polizeieinsätze bis zu 80 Prozent zu verrechnen.

 Auch in Zug läuft die Diskussion - und sie wird in den kommenden Wochen intensiv geführt werden: Im Rahmen der Beratungen des neuen Polizei-Organisationsgesetzes sowie verschiedener parlamentarischer Vorstösse müssen sich nämlich Regierung und Kantonsrat darauf verständigen, wie sie künftig Veranstaltern Einsätze der Zuger Polizei in Rechnung stellen wollen. Kaum davon betroffen dürften die kleinen Vereine sein, denen die Gemeinden die Kosten mehrheitlich erlassen.

 Polizeieinsatz variiert je nach Spiel

 Die Schlüsselfrage ist, wie es beim EVZ gehandhabt wird, der mit seinen Spielen regelmässig Grosseinsätze der Polizei nötig macht. Wie viel Manpower dafür konkret nötig ist, wurde in Zug noch nie kommuniziert. Klar ist, dass der Polizeieinsatz stark variiert - je nachdem, welche gegnerische Mannschaft anreist.

 Anderswo gibt es ganz unterschiedliche Vereinbarungen: Dem HC Ambri-Piotta werden Polizeieinsätze bislang nicht weiter verrechnet. Zwar berichten Verantwortliche von ersten informellen Gesprächen mit dem Kanton - doch sie sind zuversichtlich, dass sich an der bisherigen Regelung nichts ändern wird. Der SC Bern, nicht nur finanziell, sondern auch zuschauermässig der Krösus der Liga, bezahlt für die Polizeipräsenz ausserhalb der Postfinance-Arena 60 000 Franken - pauschal für die ganze Saison. Im Vergleich dazu sind die 35 000 Franken, welche der viel kleinere Verein der Rapperswil-Jona-Lakerslaut einer Vereinbarung der Stadt pauschal für die ganze Saison abliefern muss, geradezu viel. Die Vereinbarung ist aufgrund verschiedener Massnahmen der Stadt Rapperswil erfolgt. Sie überwacht den Weg vom Bahnhof bis zum Stadion mit Videokameras.

 Der HC Davos erhält pro Spiel 24 Polizisten gratis zur Verfügung gestellt. Den ZSC Lions bezahlt der Kanton pro Spiel 200 Mannstunden. Hier wie dort reichte in der letzten Saison das Kontingent. Sprich: Weder der Davoser noch der Zürcher Verein musste Polizeikosten tragen.

 "Das können wir nicht bezahlen"

 Dies käme natürlich auch dem EVZ sehr gelegen. Er hofft auf eine ähnliche Lösung, wie sie in Zürich gilt. Roland Wyss, der kaufmännische Geschäftsführer: "Wenn man den Zürcher Kantonsratsbeschluss auf uns umrechnet, dann müssten wir mit unseren durchschnittlich 7015 Zuschauern rund 130 Mannstunden pro Veranstaltung geschenkt bekommen."

 Sorgen bereitet Wyss dagegen die Vorstellung, künftig bis zu 80 Prozent der Polizeikosten übernehmen zu müssen: "Dann bekämen wir finanzielle Probleme. Das könnten wir nicht bezahlen." Für die Sicherheit innerhalb der Bossard-Arena wendet der EVZ bereits heute beträchtliche Mittel auf: Rund 400 000 Franken wird der Klub diese Saison dafür investieren. Ausserdem bezahlt er rund 90 000 Franken für den öffentlichen Verkehr, damit möglichst viele Fans mit S-Bahn oder Bus zu den Spielen fahren. Stadt und Gemeinden finanzieren diesen Service nicht mehr mit.

 Der EVZ betont, dass er sich nicht vor seiner Verantwortung drücken wolle. "Wir wollen einfach angehört werden und unseren Standpunkt darlegen können. Ich denke, wenn wir zu einer Lösung wie in Zürich kommen, dann sind wir sehr zufrieden." Der erste Wunsch geht jedenfalls bereits am 17. Januar in Erfüllung. Dann sind Verantwortliche des Klubs zu einer Sitzung der vorberatenden Kommission geladen.

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 So viel bezahlt der FC Luzern

 ft. Der FC Luzern hat im Dezember mit dem Kanton Luzern einen Vertrag unterzeichnet, der die Kostenverteilung und Massnahmen zur Sicherheit bei Fussballspielen regelt. Für den Verein ist dies mit erheblichen Kosten verbunden. Künftig stellt die Polizei maximal 24 Polizisten unentgeltlich zur Verfügung - als Service public. Für zusätzliches Personal bei den 18 Meisterschaftsspielen bezahlt der FCL pauschal 570 000 Franken. Für weitere Spiele erfolgt die Abrechnung nach Aufwand. Dabei werden dem Klub 80 Prozent der Kosten übertragen. Bislang hatte der Verein pauschal 240 000 Franken bezahlt.

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Kommentar

 Der Klub redet mit

 Freddy Trütsch

 Die Verantwortlichen des EVZ verfolgen derzeit aufmerksam die Überarbeitung des Zuger Polizei- Organisationsgesetzes. Mit gutem Grund: Denn je nachdem, was die vorberatende Kommission und im Anschluss der Kantonsrat beschliessen, gehen die künftig für die Sicherheit aufzuwendenden Kosten an die Substanz des Vereins.

 Positiv zu werten ist, dass der Verein nicht einfach tatenlos auf den Entscheid wartet. Schon in der Vergangenheit suchte der EVZ immer wieder das Gespräch mit der Polizei und der verantwortlichen Direktion. Er traf in Zusammenarbeit mit der Stadt im Eisstadion viele Vorkehrungen für die Sicherheit seiner Besucher. Allerdings profitierte er auch vom Neubau der Arena, denn die eingebauten Sicherheitsmassnahmen sind im Schweizer Eishockey bis heute einmalig.

 Wenn nun der Staat sich überlegt, ob ein Klub mit solch professionellen Strukturen nicht auch angemessen an die Sicherheitskosten ausserhalb des Stadions zahlen soll, dann ist das richtig - es geht immerhin um Steuergelder. Gut ist aber auch, dass die vorberatende Kommission sich schon an ihrer ersten Sitzung mit dem EVZ berät. Und dann ist es ja auch nicht verboten, dahin zu schauen, wo bereits Antworten auf die Frage gefunden wurden: nach Bern, Zürich, Davos oder Rapperswil.

 freddy.truetsch@zugerzeitung.ch

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Tagesanzeiger 8.1.11

Zürcher Polizei will 1,6 Millionen von Fussballklubs

 Die Grasshoppers drohen mit dem Auszug aus dem Letzigrund, wenn sie der Stadt weiterhin rund 3 Millionen pro Jahr für Stadion und Polizei abliefern müssen. Auch der FC Zürich ächzt unter den hohen Kosten für die Sicherheit: Die Stadtpolizei Zürich stellte dem Klub letzte Saison für die Einsätze vor und nach den Heimspielen 900 000 Franken in Rechnung - 200 000 Franken mehr als GC. Die beiden Zürcher Fussballklubs wollen das nicht hinnehmen. Sie haben Einsprache erhoben und verhandeln derzeit mit dem Polizeidepartement. Die beiden Vereine möchten, dass die Stadt zumindest einen namhaften Teil der Kosten übernimmt. Die SVP will ihnen diese ganz erlassen. Doch die anderen Parteien und Polizeivorsteher Daniel Leupi (Grüne) winken ab.

 Eine Umfrage zeigt, dass GC und FCZ im Vergleich mit anderen Super-League-Klubs für die Sicherheit tief in die Tasche greifen müssen. Nur St. Gallen verlangt bisher mehr. YB und Thun dagegen bezahlen nur einen fünfstelligen Betrag. Mit einer Jahresmiete von 2 Millionen berappen die Zürcher Vereine auch deutlich mehr fürs Stadion.(pak)

 Berichte Seite 19, Interview Seite 54

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SONDEREINHEIT
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NLZ 12.1.11

"Sondereinheit? Verzichten wir darauf"

 Armee

Interview Christoph Reichmuth

 Daniel Roubaty leitet neu die Kaderausbildung der Armee in Luzern. Er sagt, weshalb er auf die Sondereinheit verzichten kann, nicht aber auf neue Kampfjets.

 Interview Christoph Reichmuth

 christoph.reichmuth@luzernerzeitung.ch

 Daniel Roubaty, rückten Sie mit dem Ziel in die Gebirgsinfanterie-RS ein, es einmal ins Armeekader zu schaffen?

 Daniel Roubaty*: Ganz und gar nicht. Ich absolvierte ohne Hintergedanken die RS.

 Sie mussten recht begeistert gewesen sein, wie sonst entscheidet man sich für ein Leben in der Armee.

 Roubaty: Vom Virus wurde ich eigentlich erst später, 1980 als Kompanie-Kommandant erfasst. Davor arbeitete ich vier Jahre als Versicherungsmathematiker in der Privatwirtschaft.

 Wie soll heute jemand vom Virus gepackt werden, wenn es doch immer heisst, die Armee sei am Verlottern?

 Roubaty: Ideal wäre natürlich, wenn die jungen Leute heute ohne vorgefasste Meinung in die RS einrückten. Das Gros von ihnen wird nämlich erkennen, dass die Armee gar nicht in einem so schlechten Zustand ist, wie da und dort behauptet wird. Wir sind gut organisiert, haben gutes Material, Munition und Infrastruktur.

 Das Bild, das gezeichnet wird, ist doch keine Erfindung der Medien.

 Roubaty: Selbstverständlich hat die Armee in einigen Bereichen Probleme, aber am Verlottern sind wir deswegen noch lange nicht. Bis jetzt konnten wir immer alle Rekrutenschulen und WK durchführen. Man muss in der Schweiz ein bisschen den Anspruch an das Militär revidieren: Vor 20 Jahren spielten die Finanzen keine Rolle, es hatte Material, Treibstoff und Schüsse und Fahrzeuge in Hülle und Fülle. Ein israelischer General sagte einmal zu mir: Ich bin froh, wenn ich über 90 Prozent der Materialien verfüge. Wohlgemerkt: Ein israelischer Soldat zieht de facto in den Krieg mit einem Unterbestand an Material. Was ich damit sagen will: Wir können auch mit weniger Material, Munition und Ausrüstung problemlos unsere Ausbildungsziele erreichen. Die ältere Generation hat vielleicht Mühe, dies zu akzeptieren, weil sie noch die Armee von früher kennt. Aber die meisten können die Veränderungen akzeptieren.

 Die von der Politik verordneten Sparübungen bereiten Ihnen also keine Kopfschmerzen?

 Roubaty: Ich kann nach wie vor sehr gut schlafen. Natürlich zwingen uns die Sparübungen zu Anpassungen, ich muss meinem Kader beibringen, mit weniger Ressourcen umzugehen. Aber man kann das Gefechtsverhalten auch üben, ohne dass man ständig schiesst. In der französischen Armee schiessen die Soldaten zehn Schuss, wir für dieselbe Übung 1000. Die Franzosen sind aber nicht schlechtere Soldaten als wir.

 Jede Firma wird ihrem jungen Arbeitgeber raten, anstatt der Offiziersschule das MBA zu absolvieren.

 Roubaty: Man darf nicht eine Ausbildung gegen die andere ausspielen. Mit einer rein militärischen Ausbildung wird man kaum CEO eines Unternehmens. Wenn aber ein 20- oder 21-Jähriger einen Zug mit 30 Leuten zu führen lernt, wird er diese Erfahrungen in die Privatwirtschaft mitbringen. Meine Aufgabe ist es, die militärische Führungsausbildung der Privatwirtschaft schmackhaft zu machen.

 Und?

 Roubaty: Ich bin erstaunt, welch überholte Meinung über das Militär in der Privatwirtschaft vorherrscht. Viele Firmenchefs glauben, der Kommandant befehle, und die Untergebenen gehorchten blind. Das war vielleicht in den 40er-Jahren so, als die Armee preussisch organisiert war. Heute werden die Unterstellten in die Entscheidungsprozesse voll integriert. Der Kasernendrill ist passé. Natürlich gibt es noch immer schlechte Chefs. Ich sage immer: Ein Kommandant, der seine Leute anbrüllt, hat Angst vor seinen Untergebenen.

 Die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee will die Wehrpflicht abschaffen. Weniger Soldaten, weniger Kosten.

 Roubaty: Um zu sparen, müssen wir nicht den Armeebestand reduzieren, sondern die Anzahl Diensttage pro Jahr. Zur Wehrpflicht: Am Milizmodell müssen wir unbedingt festhalten. Wir würden kaum 80 000 oder 100 000 Freiwillige finden. Die GSoA-Initiative ist aber ohnehin überflüssig, weil es schon heute x Möglichkeiten gibt, um die Armee herumzukommen. Man kann ja ohne Gewissensprüfung Zivildienst leisten.

 Ueli Maurer will die Sondereinheit AAD 10 für Inlandeinsätze nutzen, das passt der Polizei aber nicht. Braucht es die Sondereinheit überhaupt noch?

 Roubaty: Das hat die Politik zu entscheiden. Im Rahmen der Verteidigungsarbeit kann man eine Spezialeinheit natürlich immer brauchen. Aber wenn das AAD 10 die Behörden im Inland unterstützen soll, bin ich skeptisch. Die Polizeien verfügen über sehr gut geschulte Sondertruppen. Ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen, dass bei einem Banküberfall mit Geiselnahme das AAD 10 zum Zuge kommen würde. Für die Verteidigung ist ein AAD 10 nice to have, aber wenn wir sparen müssen wie zurzeit, kann man auch sagen: Verzichten wir darauf.

 Wie auch auf neue Kampfjets.

 Roubaty: Das habe ich nicht gesagt. Eine Armee ohne dritte Dimension ist nicht glaubwürdig. Wir können mit der Beschaffung neuer Jets sicher noch ein paar Jahre zuwarten. Aber wenn wir neue Jets wollen, müssen wir bald reagieren. Man kann ja die Flieger nicht am Morgen bestellen und am Nachmittag mit ihnen herumfliegen.

 In knapp fünf Wochen stimmt die Schweiz darüber ab, ob die Armeewaffe künftig im Zeughaus anstatt zu Hause aufbewahrt werden soll. Wo haben Sie denn Ihre Waffe?

 Roubaty: In meinem Büro. Ich verfüge über fünf Waffen, darunter ein altes Sturmgewehr 57 und natürlich meine Ordonnanzpistole.

 Wäre doch verkraftbar, wenn die Waffen im Zeughaus lagern.

 Roubaty: Für mich stellt sich bei dieser Abstimmung eine Grundsatzfrage: Bis jetzt hatten wir ausreichend Vertrauen in unsere Bürger, um ihnen die Dienstwaffe mit nach Hause zu geben. Jetzt wollen wir den Bürgern plötzlich misstrauen?

 Die Zahl der Suizide mit der Dienstwaffe würde reduziert, und Schusswaffen-Einsätze bei häuslicher Gewalt würden verhindert - diese Kröte könnte man also schlucken.

 Roubaty: Es ist richtig, die Suizidrate in der Schweiz ist zu hoch. Aber nicht, weil die Menschen die Dienstwaffe zu Hause aufbewahren. Niemand kommt auf die Idee, sich das Leben zu nehmen, weil er eine Waffe im Schrank hat. Wer sich das Leben nehmen will, findet andere Möglichkeiten dazu - man kann sich von einer Brücke stürzen, vor den Zug werfen, erhängen.

 Aber die Hemmschwelle sinkt, wenn ich eine Waffe im Schrank habe.

 Roubaty: Das glaube ich nicht. Wer Suizid begehen will, findet auch ohne eine Waffe einen Weg. Das gilt auch bei häuslicher Gewalt: Wenn jemand durchdreht, ist auch ein Küchenmesser sehr gefährlich. Wo wir ansetzen müssen: Man muss besser überprüfen, wem eine Dienstwaffe ausgehändigt wird, wer eine potenzielle Gefahr darstellt. Wenn man in der Rekrutenschule durch Beobachtungen feststellt, dass jemand psychisch labil ist, muss man ihm auch die Waffen entziehen können.

 Das sind Bauchentscheide.

 Roubaty: Nein, ganz im Gegenteil. Wir haben bei RS-Antritt Kenntnisse von Rekruten, welche in Clinch mit der Justiz gekommen sind. Im vergangenen Jahr haben wir bei insgesamt 248 angehenden Rekruten einen vorläufigen Aufgebotsstopp verhängt. Grund dafür ist, dass diese ein Risiko für sich oder ihr Umfeld darstellen.

 * Divisionär Daniel Roubaty (59) ist seit Anfang Januar Kommandant Höhere Kaderausbildung der Armee (HKA) in Luzern. Der gebürtige Fribourger studierte Mathematik an der ETH Lausanne.

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Divisionär gegen Sondereinheit

 Luzern

 red. Die militärische Sondereinheit AAD 10 gerät nun auch armeeintern unter Beschuss. "Für die Verteidigung ist das AAD 10 nice to have, aber wenn wir sparen müssen wie zurzeit, kann man auch sagen: Verzichten wir darauf", sagt Divisionär Daniel Roubaty im Interview mit unserer Zeitung. Der 59-jährige Fribourger ist seit Anfang Jahr neuer Kommandant Höhere Kaderausbildung der Armee in Luzern.

 Verteidigungsminister Ueli Maurer hatte wiederholt betont, dass er die Sondereinheit nur noch im Inland einsetzen will - zur Unterstützung der Polizei. Dies trug ihm die Kritik von Politikern ein. Die Polizeien würden über sehr gut geschulte Sondertruppen verfügen, sagt nun auch Daniel Roubaty.

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St. Galler Tagblatt 10.1.11

"Im Inland kein Bedarf für AAD10"

 Karin Keller-Sutter, Präsidentin der kantonalen Polizeidirektoren, hält nichts davon, die Armee-Eliteeinheit AAD10 neu primär für Spezialeinsätze im Inland einzusetzen.

 St. Gallen. Die St. Galler Regierungsrätin Karin Keller-Sutter, zurzeit Präsidentin der Justiz- und Polizeidirektorenkonferenz, sieht im Inland keinen Bedarf für die Armee-Eliteeinheit AAD10. Dies sagte sie in einem Interview der "Sonntags-Zeitung". Ende letzten Jahres hatte VBS-Chef Ueli Maurer bekanntgemacht, er wolle die für Kommandoaktionen im Ausland geschaffene Eliteeinheit AAD10 künftig primär für Spezialeinsätze im Inland einsetzen.

 Trainiert für Auslandeinsätze

 Laut Keller-Sutter gibt es aber im Inland keine Verwendung für diese Einheit. Das AAD10 sei ein Sicherheitsinstrument des Bundesrates, geschaffen für den Einsatz in der Aussenpolitik. Die Mitglieder dieser Einheit seien trainiert für Geiselbefreiungen, Rückführungen oder "sonstige schwierige Einsätze im Ausland".

 Unterhalb der Kriegsschwelle seien die Kantone für die Sicherheit zuständig - und nicht die Armee. Die Kantone hätten im übrigen bereits jetzt schon genügend Interventionseinheiten.

 Für subsidiäre Einsätze nötig

 Keller-Sutter sieht die Armee auch künftig als subsidiäre Hilfe der zivilen Sicherheitsorgane, denn sie sei die einzige Sicherheitsreserve des Landes. Sie komme sinnvoll dann zum Einsatz, wenn die zivilen Mittel nicht mehr ausreichten. Dabei habe sie aber keine Polizeiaufgaben zu erfüllen, sondern mache Assistenzdienst, um die Polizei zu entlasten. Zudem sei es sinnvoll, wenn die Armee in ausserordentlichen Lagen kritische Infrastrukturen bewache. Dazu brauche es aber keine Interventionseinheiten.

 Armeebestand wichtig

 Wichtiger sei der gesamte Truppenbestand. Dieser müsse die "Durchhaltefähigkeit" in solch ausserordentlichen Lagen sicherstellen, und da hätten Berechnungen gezeigt, dass diese "mit 80 000 Mann vor Problemen" stehe. VBS-Chef Maurer hat Ende Jahr die "Kurskorrektur" beim Einsatz der AAD10 damit begründet, dass Kommandoaktionen im Ausland gegen den Willen eines betroffenen Staats eine "politische Unmöglichkeit" seien: "Kein Staat der Welt hat in den letzten Jahren solche Aktionen durchgeführt."

 Die Eliteeinheit war zuletzt im Zusammenhang mit der Libyen-Affäre im Gespräch. Das Aussen- und das Verteidigungsdepartement hatten geprüft, die AAD10 für eine mögliche Flucht der beiden in Libyen festgehaltenen Geiseln einzusetzen.

 AAD10 vor Auflösung?

 Die ständerätliche Geschäftsprüfungskommission (GPK) kritisierte in ihrem Bericht zur Libyen-Affäre, dass die beiden Departemente den Bundesrat zu spät über diese Pläne informierten. Welche Rolle genau die Eliteeinheit gespielt hätte, gab sie nicht bekannt.

 Druck zur Auflösung der AAD10 kommt auch aus dem Parlament. Sicherheitspolitiker Jo Lang (Grüne/ZG) hat die Einreichung einer parlamentarischen Initiative zur Auflösung der Elitetruppe angekündigt. (red.)

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NLZ 10.1.11

Sondertruppe gerät in Bedrängnis

 Armee

 Die Polizei will keinen Support der Sondertruppe AAD 10 im Inland. Nationalrat Josef Lang wittert die Chance, die Einheit ganz abzuschaffen.

 sda/cr. Die Präsidentin der kantonalen Polizeidirektoren, Karin Keller-Sutter, hält nichts davon, die Armee-Eliteeinheit AAD 10 neu primär für Spezialeinsätze im Inland einzusetzen. "Ich sehe im Inland keinen Bedarf für diese Einheit", sagte Keller-Sutter in einem Interview mit der "Sonntagszeitung". Verteidigungsminister Ueli Maurer hatte die Neuausrichtung des AAD 10 Ende Dezember an seiner Jahresmedienkonferenz in Adelboden BE angekündigt.

Polizei: Genügend Möglichkeiten

 Die Präsidentin der kantonalen Polizeidirektoren erfuhr davon aus den Medien: "Es gab keine formelle Konsultation." Mit der AAD 10 habe der Bundesrat ein Sicherheitsinstrument für den Einsatz in der Aussenpolitik geschaffen.

 "Diese hoch spezialisierten Leute sind für Geiselbefreiungen, Rückführungen oder sonstige schwierige Aktionen im Ausland trainiert." Unterhalb dieser "Kriegsschwelle" seien die Kantone für die innere Sicherheit zuständig und nicht die Armee, hielt die St. Galler Justizdirektorin fest. "Interventionseinheiten haben wir in den Kantonen genügend."

 Maurers Taktik

 Aber "vielleicht taktiert Herr Maurer ein wenig. Man weiss ja, dass er kein Freund von Auslandeinsätzen ist." Wenn Maurer diese Truppe im Inland einsetzen wolle, es dafür aber keine Verwendung gebe, "dann schafft man die Einheit faktisch ab". Zur Unterstützung der Kantone müsse man diese Truppe nicht aufrechterhalten, sagte Keller-Sutter weiter.

 Maurer hatte die Kurskorrektur Ende Dezember damit begründet, dass Kommandoaktionen im Ausland gegen den Willen des betroffenen Staats eine "politische Unmöglichkeit" seien. Kein Staat der Welt habe in den letzten Jahren solche Aktionen durchgeführt.

 Lang reicht Vorstoss ein

 Die Haltung der höchsten Polizeidirektorin gegen einen Einsatz des AAD 10 im Inland ist ganz nach dem Gusto des Zuger Nationalrates Josef Lang: Der Politiker der Alternativen möchte die Eliteeinheit ohnehin ganz abschaffen. In der Frühjahrssession im März will Lang eine parlamentarische Initiative zur Auflösung des AAD 10 einreichen. Lang: "Die Existenz des AAD 10 stellt ein aussenpolitisches Risiko dar, das wissen wir seit den unsinnigen Atalanta-Plänen und seit der Libyen-Affäre." Die Eliteeinheit war zuletzt im Zusammenhang mit der Libyen-Affäre im Gespräch. Das Aussen- und das Verteidigungsdepartement hatten geprüft, das AAD 10 für eine mögliche Flucht der beiden in Libyen festgehaltenen Geiseln einzusetzen. Zudem spielte der Bund mit dem Gedanken, die Eliteeinheit im Kampf gegen die Piraten im Golf von Aden einzusetzen. "Die Versuchung zu solchen Abenteuern, deren aussen- und sicherheitspolitischen Kosten sehr hoch sein können, ist bedeutend kleiner, wenn der Bundesrat und die Armee nicht über eine solche Elitetruppe verfügen", sagt Lang und schliesst: "Die Schweiz hat militärisch keine koloniale Vergangenheit. Sie soll auch keine koloniale Gegenwart und Zukunft haben."

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Sonntagszeitung 9.1.11

Kantone: "Kein Bedarf für Elitetruppe"

 St. Gallen Die Präsidentin der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren stellt sich gegen Verteidigungsminister Ueli Maurer (SVP): Die FDP-Regierungsrätin Karin Keller-Sutter sieht im Inland keinen Bedarf für die Armee-Elitetruppe AAD10. Maurer hatte angekündigt, diese künftig auf Inlandeinsätze auszurichten. "Zur Unterstützung der Kantone muss man diese Truppe nicht aufrechterhalten", sagt Keller-Sutter im Interview. Die AAD10 sei ein Instrument der Aussenpolitik, und der Bundesrat müsse entscheiden, ob man sie als solches beibehalten wolle. Weiter kritisiert Keller-Sutter den Entscheid des Bundesrats, die Armee auf 80 000 Mann zu beschränken. SEITE 3

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"Ich sehe im Inland keinen Bedarf"

 Sicherheitspolitikerin Karin Keller-Sutter über den Einsatz der Armee-Elitetruppe AAD10

 Von Joël WIdmer, Matthias Halbeis (Text) und Marco Zanoni (Foto)

 Hat Verteidigungsminister Ueli Maurer die Kantone informiert, dass er die Armee-Elitetruppe AAD10 künftig vor allem im Inland einsetzen will?

 Es gab keine formelle Konsultation dazu. Davon habe ich aus den Medien erfahren.

 Sehen Sie im Inland überhaupt Einsatzmöglichkeiten?

 Ich sehe im Inland keinen Bedarf für diese Einheit. Das AAD10 ist ja ein Sicherheitsinstrument des Bundesrats, geschaffen für den Einsatz in der Aussenpolitik. Diese hochspezialisierten Leute sind für Geiselbefreiungen, Rückführungen oder sonstige schwierige Aktionen im Ausland trainiert. Unterhalb der Kriegsschwelle sind die Kantone für die innere Sicherheit zuständig und nicht die Armee. Ihre Aufgabe ist eine unterstützende. Zudem: Interventionseinheiten haben wir in den Kantonen genügend.

 Wo sehen Sie die Motivation von Herrn Maurer, das AAD10 künftig im Innern einzusetzen?

 Vielleicht taktiert Herr Maurer ein wenig. Aber das ist erlaubt. Man weiss ja, dass er kein Freund von Auslandeinsätzen ist. Wenn er diese Truppe im Inland einsetzen will, es aber keine Verwendung gibt, dann schafft man die Einheit faktisch ab. Zur Unterstützung der Kantone muss man diese Truppe nicht aufrechterhalten. Letztlich muss aber der Bundesrat entscheiden, ob er das - aus meiner Sicht sinnvolle - AAD10 als Sicherheitsinstrument der Aussenpolitik beibehalten will.

 Welche Armee-Einheiten sind für Sie im Inneren nötig?

 Die Armee kommt zum Einsatz, wenn die zivilen Mittel nicht mehr genügen. Sie hat dann aber keine eigentlichen Polizeiaufgaben, sondern macht Assistenzdienst - zum Beispiel Logistik, Transport oder Verkehrsregelung. Es geht darum, die Polizei zu entlasten, damit diese ihren Grundauftrag wahrnehmen kann. Zudem ist es sinnvoll, wenn die Armee in ausserordentlichen Lagen kritische Infrastrukturen bewacht. Dazu braucht es aber keine Interventionseinheiten.

 Zur Unterstützung der zivilen Kräfte in ausserordentlichen Lagen sehen Sie andere Einheiten im Vordergrund?

 Wir brauchen die subsidiäre Hilfe, die Armee ist die einzige Sicherheitsreserve der Schweiz. Aber für uns ist die gesamte Truppenstärke der Armee wichtig. Der Bundesrat will die Armee auf 80 000 Mann beschränken. Wir haben berechnet, dass wir mit dieser Verkleinerung Probleme mit der Durchhaltefähigkeit in ausserordentlichen Lagen erhalten. Ursprünglich ging man von künftig 95 000 Mann aus.

 An welche Situationen denken Sie dabei?

 Wir denken an eine Naturkatastrophe oder an einen grossflächigen Ausfall der Elektrizität. Dann müsste man kritische Infrastrukturen bewachen. Nach 96 Stunden geht die Durchhaltefähigkeit der Polizei langsam zur Neige. Dann brauchen wir die Armee. Zuerst kommt die Militärische Sicherheit zum Einsatz; diese bildet die nachrückenden Miliztruppen aus. Sollte die ausserordentliche Lage länger dauern, braucht es entsprechende Truppenstärken.

 Sie sagen, es gebe in den Kantonen genügend Spezialeinheiten: Gibt es gar zu viele?

 Wir sollten unter den Kantonen die Spezialkräfte besser koordinieren. Es wäre gut, wenn man sich in den Konkordaten organisieren könnte. In der Schweiz fehlen rund 1500 Polizisten. Im Zusammenhang mit diesem Unterbestand ist es Teil des Auftrags einer Arbeitsgruppe unserer Konferenz, Synergien aufzuzeigen.

 Synergien gäbe es auch mit dem Grenzwachtkorps.

 Die ganze Rollenteilung mit dem GWK ist eine Baustelle. Mit der heutigen Situation bin ich mehr als unzufrieden. Damit sage ich aber nicht, dass die Grenzwächter ihren Job nicht gut machen. Durch Schengen wurde das Grenzwachtkorps in den rückwärtigen Raum verdrängt. Daraus ergeben sich Doppelspurigkeiten mit der Polizei. Das ist nicht effizient. Eine politische Klärung ist darum dringend nötig.

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PROZESSE
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Indymedia 12.1.11

Freiheit für S.

 AutorIn : solidarität für s.

Am 15. Dezember wurde unser Freund S. in Zürich von Zivibullen verhaftet. (Anscheinend wurde er seit längerer Zeit überwacht) Seither befindet er sich in Untersuchungshaft. Ihm wird vorgeworfen, einen Brand auf der Hardbrücke am 18. September 2010 verursacht zu haben.

Der Staatsanwalt will S. bis zum Prozess im U-Haft behalten.
Trotz unklarer Beweislage, titulierten Blick und Tagi den Gefangenen bereits als Täter. Wir wünschen unserem Freund viel Kraft, wer ihm schreiben will soll sich informieren...

 ⁃ Freiheit für S.
 ⁃ Freiheit für alle politischen Gefangenen
 ⁃ Freiheit für alle Gefangenen - Knäste sind keine Lösung


Zürich, 12. Januar 2011

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20min.ch 12.1.11

Winterthur: Vandalismus gegen Mercedes bleibt ungesühnt

 Laut Bezirksgericht Winterthur hat ein Winterthurer Linksautonomer einen Personenwagen der Marke Mercedes zerkratzt und mit Farbe beschmiert. Nicht zu beweisen, befand am Dienstag das Obergericht.

Attila Szenogrady

 Es war in der Nacht auf den 21. Dezember 2008, als rund 50 Linksautonome in der Winterthurer Altstadt für Randale sorgten und diverse parkierte Fahrzeuge mutwillig beschädigten. Zu den betroffenen Personenwagen zählte auch ein Luxusauto der Marke Mercedes. Der oder die Täter zerkratzten an der Palmstrasse nicht nur die Karosserie des Fahrzeugs, sondern schmierten mit gelber Farbe das Wort "Container" auf die Frontscheibe. Der Sachschaden für die kroatische Wagenhalterin betrug über 5000 Franken.

 Gelbe Hände führten zur Anklage

 Die ausgerückte Polizei konnte kurz nach ein Uhr mehrere flüchtende Jugendliche festnehmen. Zu den gefassten Linksautonomen gehörte auch ein heute 24-jähriger Maurer aus Winterthur. Die Fahnder stellten beim jungen Ostschweizer gelb gefärbte Hände fest. Die gelbe Farbe klebte auch an seinem Mobiltelefon.

 Für die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland war der Fall trotz den hartnäckigen Bestreitungen des verdächtigen und bereits einschlägig vorbestraften Mannes aufgeklärt. Sie klagte ihn wegen Sachbeschädigung an und verlangte eine unbedingte Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu 50 Franken, also insgesamt 9000 Franken, zudem den Widerruf der Vorstrafe von 30 Tagessätzen zu 30 Franken.

 Zuerst als Mittäter verurteilt

 Schon dem Bezirksgericht Winterthur war im letzten Juli klar, dass eine schlechte Beweislage gegen den Angeklagten vorlag. Auch wenn ein Gutachten die gelben Farbspuren vom Tatort mit den Stoffen an den Händen des Beschuldigten in Uebereinstimmung bringen konnte. Die Verteidigung machte geltend, dass niemand seinen Mandanten zur Tatzeit beim beschädigten Fahrzeug gesehen habe.

 Der Winterthurer Einzelrichter verlegte sich deshalb auf einen juristischen Kunstgriff und verurteilte den Angeklagten wenigstens als Mittäter. Die Sanktion fiel mit einer bedingten Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu 30 Franken dementsprechend milde aus.

 Zu wenig Beweise: Freispruch

 Am Dienstag kam es für den Angeklagten vor dem Zürcher Obergericht noch besser. Der Verteidiger Michael Bessler setzte sich mit Erfolg für einen vollen Freispruch ein. Das Obergericht stufte es als unzulässig ein, den Beschuldigten als Mittäter ins Recht zu fassen. So seien gar keine weiteren Täter ausfindig gemacht worden, sagte der Referent. Ohnehin sei dem Angeklagten mangels Zeugen und harten Hinweisen keine Schuld nachzuweisen, lautete die zentrale Begründung für den Freispruch. Der Angeschuldigte profitiere vom Rechtsstaat, der hohe Anforderungen für einen Nachweis stelle, sagte der Gerichtsvorsitzende Reinhold Schätzle zum Schluss.

 Dank des Freispruchs erhält der Winterthurer neben einem Schmerzensgeld von 150 Franken eine Umtriebsentschädigung von 300 Franken. Zudem eine Prozessabfindung von 4500 Franken.

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Landbote 12.1.11

Schuldspruch aufgehoben

 Attila Szenogrady  Attila SZENOGRADY

 Ein Linksautonomer aus Winterthur soll einen Mercedes zerkratzt und mit Farbe beschmiert haben. Das Zürcher Obergericht sprach ihn frei.

 In der Nacht auf den 21. Dezember 2008 sorgten rund 50 Linksautonome in der Altstadt für Randale. Sie beschädigten diverse parkierte Fahrzeuge. Zu den betroffenen Personenwagen zählte auch ein Luxusauto der Marke Mercedes. Der oder die Täter zerkratzten die Karosserie des Fahrzeugs und schmierten mit gelber Farbe das Wort "Container" auf die Frontscheibe. Der Sachschaden für die kroatische Wagenhalterin betrug über 5000 Franken. Die Polizei konnte kurz nach ein Uhr mehrere flüchtende Jugendliche festnehmen. Zu den gefassten Linksautonomen gehörte auch ein heute 24-jähriger Mann. Die Fahnder stellten beim Verhafteten gelb gefärbte Hände fest. Die gelbe Farbe klebte auch an seinem Mobiltelefon. Für die Winterthurer Staatsanwaltschaft war der Fall deshalb trotz hartnäckigen Bestreitungen des verdächtigen und bereits vorbestraften Mannes aufgeklärt. Sie klagte ihn wegen Sachbeschädigung an und verlangte eine unbedingte Geldstrafe von insgesamt 9000 Franken.

 Zu wenig Beweise: Freispruch

 Das Bezirksgericht Winterthur befand im letzten Juli, dass die Beweislage gegen den Angeklagten spricht. Ein Gutachten konnte die gelben Farbspuren vom Tatort mit den Stoffen an den Händen des Beschuldigten in Übereinstimmung bringen. Die Verteidigung wies aber darauf hin, dass niemand den Angeklagten zur Tatzeit beim beschädigten Fahrzeug gesehen habe. So wurde der Mann nur noch als Mittäter verurteilt.

 Gestern kam es für den Angeklagten vor dem Zürcher Obergericht noch besser. Der Verteidiger konnte einen vollen Freispruch erzielen. Da gar keine weiteren Täter ausfindig gemacht worden seien, befand das Obergericht, den Mann freizusprechen.

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Indymedia 11.1.11

Update zum Prozess am Donnerstag ZH ::

AutorIn : reader         
gefunden unter: http://www.aufbau.org/index.php?option=com_content&task=view&id=951&Itemid=69
    
Die Anklage der Staatsanwältin Rosmarie Müller gegen die zwei Jugendlichen, welche beschuldigt werden am 17. Januar 2009 die UBS am aradeplatz mit Farbe angegriffen zu haben, wurde erneut zurückgewiesen!

Die dilettantisch arbeitende Staatsanwältin hat nicht bemerkt, dass seit dem 1. Januar 2011 die neue Strafprozessordnung gilt. Sie hat dadurch zum wiederholten Mal einen Fehlschlag produziert, da nun diese gerichtliche Instanz für die Beurteilung des Falles nicht mehr zuständig ist.

Anstelle des öffentlichen Prozesses muss die Staatsanwaltschaft nun hinter verschlossenen Türen einen Strafbefehl gegen die Angeklagten ausarbeiten.

Dadurch versucht man uns die Möglichkeit zu nehmen, uns zu diesem Prozess politisch zu äussern. Denn es geht nicht um einen Sachschaden an irgendeinem Gebäude: Der Angriff gegen die UBS
war ein Angriff gegen das schweizerische Grosskapital. So steht im Communiqué, welches auf Indymedia veröffentlicht wurde, geschrieben:

"Die UBS und ihre Adresse sind für uns Symbole der Krise des Kapitalismus, aus der es nur einen revolutionären Ausweg geben kann. Banken sind der Motor des Kapitalistischen Systems, ohne sie läuft gar nichts".

Die politische Bedeutung des Angriffs ist auch der Grund, wieso die Staatsanwaltschaft trotz fehlender Beweise und Scheitern der ersten Anklage (welche vom Gericht aufgrund schlechter Beweislage zurückgewiesen wurde) so hartnäckig versucht die zwei Jugendlichen zu verurteilen: Es geht darum, die Sicherheit für das Kapital zu gewährleisten und den politischen Widerstand abzuschrecken!

Dies wird ihnen jedoch nicht gelingen: Auch dieses Jahr läuft bereits eine revolutionäre und kämpferische Mobilisierung gegen das WEF in Davos!
Wir akzeptieren nicht, dass versucht wird diesen Prozess zu entpolitisieren und vor der Öffentlichkeit zu verstecken!

Darum gilt jetzt erst recht:

KOMMT ALLE ZUM PROZESSTERMIN GEGEN DIE BEIDEN JUGENDLICHEN:
DONNERSTAG, 13. JANUAR 2011 AB 7 UHR, BEZIRKSGEBÄUDE ZÜRICH!

Kapitalisten in den Knast!
Der Widerstand geht weiter:
WEF & den Kapitalismus angreifen!
Infos auf: http://www.aufbau.org // http://www.rjz.ch
Wiitersäge & cho!

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ANTI-SVP
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tagesanzeiger.ch 11.1.11

Linksautonome Disco an Albisgüetli-Tagung

fsc

 Im Internet rufen Linksautonome dazu auf, am Freitag in einer Woche vor dem Schützenhaus Albisgüetli eine Störaktion abzuhalten. Für die Sicherheit der SVP-Sympathisanten sorgt eine private Sicherheitsfirma.

 Am 21. Januar geben sich 1500 Sympathisanten der SVP am Albisgütli ein Stelldichein: Alle namhaften Exponenten wie Parteipräsident Toni Brunner und Christoph Blocher werden sich dort versammeln - und die Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey (SP) wird sich in die Höhle des Löwen wagen. Nun haben Linksautonome angekündigt, die Tagung zu stören, wie "20 Minuten" heute schreibt.

 Der Aufruf ist im Internet auf einer einschlägigen Plattform publiziert worden. "Mit Konzert, Reden und evt. Disco" wollen die Linksautonomen vor dem Albisgüetli "etwas Lärm veranstalten", schreibt ein Initiant, versteckt hinter dem Pseudonym "Süneliuntergang". "Ein Gesuch für ist aus diesen Kreisen jedoch kaum zu erwarten und bislang auch nicht eingegangen", sagt Polizeisprecherin Judith Hödl zur Pendlerzeitung.

Polizei und private Sicherheitsfirma gegen Störenfriede

 Parteisekretär der SVP des Kantons Zürich Yves Gadient hat von der Polizei erfahren, was die Chaoten planen - und reagiert gelassen. "Es ist ausgeschlossen, die Tagung von aussen akustisch zu stören." Und: "Sobald sich diese Leute auf privatem Grund bewegen, werden sie weggewiesen. Die 1500 Teilnehmer brauchen sich nicht zu sorgen - wir sind vorbereitet", sagt Gadient zu "20 Minuten". Wie in den vergangenen Jahren wird neben der Polizei auch eine private Sicherheitsfirma die Veranstaltung vor Störenfrieden abschirmen.

 An der Albisgüetli-Tagung vor drei Jahren hatten Chaoten für einen Schreckensmoment gesorgt: Während Christoph Blocher seine Rede abhielt, warfen sie eine Rauchpetarde in einen Lüftungsschacht. Daraufhin gingen im Saal die Lichter aus und Rauch breitete sich auf der Bühne aus.

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20 Minuten 11.1.11

Autonome planen Disco gegen Albisgüetli-Tagung

 ZÜRICH. Eine Disco vor dem Schützenhaus soll der SVP die Albisgüetli-Tagung am 21. Januar verderben. Die Volkspartei reagiert darauf gelassen und vertraut auf die gute Saal-Isolation.

 Es wird heiss am 21. Januar an der traditionellen Albisgüetli-Tagung der Zürcher SVP. Nicht nur weil sich Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey (SP) in die Höhle des Löwen wagt. Bereits vor dem Schützenhaus soll es zur Sache gehen: Linksautonome haben im Internet dazu aufgerufen, die Tagung von aussen mit Konzerten, Reden und einer Disco zu stören. SVP-Parteisekretär Yves Gadient, der via Polizei davon erfahren hat, reagiert gelassen: "Es ist ausgeschlossen, die Tagung von aussen akustisch zu stören." Zudem hält er fest: "Sobald sich diese Leute auf privatem Grund bewegen, werden sie weggewiesen." Eine solche angekündigte Tagungs-Störung habe es zwar noch nie gegeben, "die 1500 Teilnehmer brauchen sich aber nicht zu sorgen - wir sind vorbereitet", sagt Gadient. Neben der Polizei schaut auch eine private Firma für die Sicherheit.

 Stadtpolizei-Sprecherin Judith Hödl sagt: "Der Aufruf wird in unsere Lagebeurteilung einfliessen." Falls nötig werde man entsprechende Massnahmen treffen. Grundsätzlich wäre eine politische Kundgebung bewilligungspflichtig. "Ein Gesuch ist aus diesen Kreisen jedoch kaum zu erwarten und bislang auch nicht eingegangen", so Hödl.

 2008 hatte ein Rauchpetarden-Anschlag während der Rede von Christoph Blocher für Aufruhr gesorgt. Dieser redete weiter, nur die Musikanten ergriffen panikartig die Flucht.  

Roman Hodel

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Indymedia 8.1.11

Ganz Fest gegen die Albisgüetlitagung ::

AutorIn : Süneliuntergang         

Am 21. Januar wird die SVP im Zürcher Albisgüetli ihre alljährliche Parteitagung durchführen. Die Albisgüetli-Tagung ist die wichtigste Zeremonie der rechtspopulistischen Partei, da werden Märsche gespielt und politische Selbstbeweihräucherung abgehalten. Fredi Heer wird da sein und selbstverständlich SVP-Obermufti Christoph Blocher, und auch Micheline Calmy-Rey ist sich nicht zu schade. Wir haben nicht vor, einfach zuzuschauen, wie die rechte Propaganda immer mehr an Boden gewinnt! Wir werden da hochgehn und etwas Lärm veranstalten gegen die unerträgliche rechte Hetze. Mit Konzert, Reden und evt. Disco.     
    
Mit der Ausschaffungsinitiative ist es der SVP gelungen, das politische Klima ein weiteres Stück nach Rechts zu rücken. Die riesigen Geldmengen, welche diese stinkreiche Partei immer wieder in solche Hetzkampagnen hineinbuttert, lassen keinen Zweifel zu: Hier sind mächtige Interessen im Spiel. Die SVP betreibt eine aggressive Klassenpolitik von oben: Sie peitscht massive Sparprogramme durch, macht die Steuerpolitik der Reichen und und bekämpft mit ihren rassistischen Kampagnen die letzten Reste gesellschaftlicher Solidarität.
Es reicht aber nicht, das Übel einfach bei der SVP zu suchen. Sie ist nur eine unter vielen Kräften im derzeitigen Rechtsruck, und dieser wiederum geschieht auf dem Boden der aktuellen Ausbeutungsverhältnisse. In ihrer Krise dringt die kapitalistische Verwertung immer gewaltsamer in alle Lebensbereiche vor und holt das Letzte aus den natürlichen und menschlichen Ressourcen heraus. Das bedeutet einen umfassenden Angriff auf die Lebensverhältnisse proletarischer Menschen: Immer mieser werden die Jobs, immer brutaler die Arbeitsmarktkonkurrenz, immer prekärer die sozialen Absicherungen. Mit solchen Angriffen verbinden sich aber auch Ideologische Offensiven: Ein abstruser konservativer Wertekanon, die Anrufung von Leistungsmoral und nationaler Zugehörigkeit, die Feindseligkeit gegen MigrantInnen, Arbeitslose und IV-BezügerInnen; das ist das ideale Klima für die Demontage sozialer Errungenschaften.
Gegen all dies wehren wir uns. Runter mit den Schweizerfahnen, sie verstellen nur den Blick auf die sozialen Verhältnisse. Kämpfen wir gemeinsam gegen die kapitalistischen Zumutungen und die rassistische Politik der SVP.
Auf zum Albisgüetli, die rechten Stimmungsmacher sollen sich nicht ungestört abfeiern!

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Vielleicht nicht ganz unwichtig: die Mobilisierung...

Besammlung: Freitag, 21. Januar 2011, 18.00 Uhr, Strassenverkehrsamt Zürich

AutorIn: Süneliuntergang

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RECHTSEXTREMISMUS
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20 Minuten 12.1.11

Schmierereien gegen Ausländer

 BERN. "‹Tod der Ausländer› - rassistische Schmierfinken verängstigten mit diesem Spruch Primarschüler aus dem Berner Breitenrainschulhaus", sagt die Stadtparlamentarierin Cristina Anliker-Mansour (Grüne). Laut der Politikerin seien nach der Annahme der Ausschaffungsinitiative öfter solche Schmierereien an Berner Schulhauswänden gesichtet worden.

 "Häufen sich diese Hetzsprüche weiter, dann stört das so entstehende Angstklima den sozialen Frieden in der Stadt", befürchtet Anliker-Mansour. Deshalb verlangt sie mit einem Vorstoss, dass die Sprayer-Fälle aufgeklärt werden.

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gbbern.ch 9.12.10

Rassistische Schmierereien auf öffentlichem Raum

Interpellation Fraktion GB/JA! (Cristina Anliker-Mansour)

Die Politik hat in letzter Zeit MigrantInnen zunehmend für ihre Zwecke instrumentalisiert. Mit Unwahrheiten werden sie blossgestellt, sie werden immer mehr auch verantwortlich gemacht für Konflikte, die unsere Gesellschaft systematisch und umfassend angehen sollte. In den letzten Jahren mussten Migrantinnen und Migranten immer wieder als Sündenböcke für gesamtgesellschaftliche Probleme hinhalten. Sie sollen Schuld sein an der Kriminalität, am Zustand der Sozialversicherungen, an den hohen Mieten, an der Arbeitslosigkeit und vielem mehr. Es ist aber viel zu einfach und verfälscht die gesellschaftliche Situation, wenn  Migrantinnen und Migranten für Probleme verantwortlich gemacht werden, deren Ursachen im wirtschaftlichen und sozialen Wandel zu suchen sind. Solche Sündenbockmechanismen schaden nicht nur den MigrantInnen, sie stören den sozialen Frieden in der Gesellschaft  und schaffen ein vergiftetes Klima, das vor und nach der Abstimmung zur Ausschaffungsinitiative klar zum Ausdruck gekommen ist.

Nach dem Abstimmungssonntag wurden verschiedene Schulhäuser in der Stadt Bern mit ausländerfeindlichen Slogans verschmiert. Die Breitenreinschulkinder seien verängstigt nach Hause gekommen. Dies war die Aussage einer beunruhigten Mutter.

Wir bitten den Gemeinderat deshalb folgende Fragen zu beantworten:
1. Wie viele Schulhäuser wurden in der Stadt Bern mit ausländerfeindlichen Slogans verschmiert?
2. Was haben die Schulen unternommen, um diese Verunsicherungen mit den Kindern zu verarbeiten?
3. Wurden die Eltern rechtmässig informiert? Wenn Ja, wie? Wenn nein, warum nicht?
4. Wurden andere Gebäude auf öffentlichem Raum mit ausländerfeindlichen Slogans verschmiert? Wenn ja, welche?
5. Was wurde unternommen um die Verantwortlichen ausfindig zu machen?

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20 Minuten 12.1.11

Luzerner Politiker erneut im Visier von Rechtsextremen

 LUZERN. Auf Plakaten und Flyern wird zurzeit scharf gegen den linken Politiker Hans Stutz geschossen. Er hat deswegen diePolizei eingeschaltet.

 Die Plakate und Flyer wurden in der Nacht auf gestern in der Umgebung von Stutz' Wohnung und Büro aufgehängt und in Briefkästen gelegt. Darauf wird der Grossstadtrat, Journalist und Beobachter der rechtsextremen Szene beschuldigt, schon mehrere Privatpersonen aus der Nachbarschaft angezeigt zu haben, die sich über "kriminelle Ausländer" geäussert hätten. Die anonymen Verfasser raten deshalb den Nachbarn, auf ihre Wortwahl zu achten, "um künftig nicht selbst an den Pranger zu gestellt zu werden".

 Stutz weist den Vorwurf zurück: "Ich habe nur Leute angezeigt, die mich direkt bedroht hatten. Allenfalls kam es zu Strafverfolgungen aufgrund eines meiner Berichte." Für ihn ist klar, dass die Verfasser Rechtsextreme aus der Innerschweiz sind. Stutz ist besorgt: "Diese Aktion zeigt den bedrohlichen Charakter der rechtsextremen Szene." Er habe die Luzerner Polizei orientiert. Deren Sprecher Urs Wigger bestätigte gestern auf Anfrage, dass man Kenntnis vom Vorfall habe: "Wir werden die Situation im Auge behalten."

 Stutz ist in der Vergangenheit mehrmals ins Visier von Rechtsextremen geraten. So hatte ihm die Neonazi-Band Amok in einem Lied mit dem Tod gedroht (20 Minuten berichtete).  

Lena Berger/mfe

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Le Temps 12.1.11

L'UDC à la pointe des "blocs identitaires"?

François Cherix

L'époque où Christoph Blocher et les siens évitaient de s'afficher avec les avec les extrêmes droites européennes est révolue. L'UDC a rejoint un nouvel agglomérat de forces populistes. Une réalité inquiétante, et lourde de conséquences pour la Suisse, affirme le politologue François Cherix

Surprise, au lendemain de la votation instaurant l'expulsion automatique des criminels étrangers, les compliments admiratifs et répétés de Marine Le Pen n'ont nullement dérangé l'UDC. Au contraire, badinant à la Radio suisse romande avec la représentante du Front national, Oskar Freysinger a souligné les liens fraternels unissant "les partis identitaires" européens. Mieux, n'hésitant pas à prêcher hors de son fief, le conseiller national s'est fait ovationner à Paris, en fustigeant "la religion du multiculturalisme" lors d'un meeting anti-islam. Manifestant un prosélytisme similaire et pour le moins désinhibé, une motion signée par 28 membres de l'UDC, dont le président du parti, veut permettre aux régions limitrophes d'entrer dans la Confédération. Dans un même élan, les nationalistes suisses s'expriment hors de leur patrie, qu'ils rêvent au passage d'agrandir, et revendiquent désormais leur parenté avec les "blocs identitaires" étrangers. Changement de paradigme, ce dépassement du cadre helvétique mérite d'être interrogé.

Jusqu'alors, Christoph Blocher et les siens s'étaient toujours gardé d'afficher leurs liens avec les extrêmes droites européennes. Certes, l'examen des programmes montrait combien les thèses de l'UDC, du FN français, ou encore du FPÖ autrichien, se ressemblent; en outre, certains élus ne se privaient pas d'arpenter discrètement les congrès xénophobes du continent. Mais ces cousinages restaient invisibles et, à l'inverse, les contacts officiels avec des leaders sulfureux étaient soigneusement évités. D'une part, il s'agissait de ne pas brusquer trop ouvertement les restes du vieux parti agrarien, dont Christoph Blocher avait effectué la captation. D'autre part, la nature même de l'idéologie nationaliste imposait de construire un mouvement totalement suisse, protégé d'influences étrangères susceptibles d'altérer sa pureté. Enfin et surtout, le maintien de cloisons étanches avec les extrêmes droites voisines permettait de développer des propositions stigmatisantes, tout en se présentant comme un parti propre, refusant les dérives racistes. Ainsi, des milliers de citoyens ont suivi l'UDC, persuadés que la démarche de Christoph Blocher, citoyen respectable, n'avait rien de comparable avec celle d'un Jean-Marie Le Pen, tribun méprisable.

Cette séquence paraît s'achever. Pour l'UDC, il n'est plus nécessaire de feindre. A l'intérieur, la mue est terminée; le vieux parti agrarien a disparu au profit d'un mouvement conduit par un chef et focalisé sur les thèmes que l'on sait. A l'extérieur, mithridatisée, l'opinion ne s'émeut plus de ses affiches, ni de ses provocations; simultanément, le style plus moderne et plus policé de Marine Le Pen contribue à la rendre fréquentable. En fait, un renversement des légitimations du nationalisme suisse semble se dessiner: celle générée par son isolement perd de son utilité, alors que celle tirée d'une banalisation par l'étranger devient féconde. Autrement dit, à ceux qui ont osé voter UDC parce qu'elle se distinguait des extrêmes droites européennes pourraient succéder ceux qui la rejoignent puisque tant d'autres ailleurs saluent son action.

Confortant cette hypothèse, l'attitude du Front national organise un jeu semblable sur la scène française. En portant régulièrement aux nues le principe de l'initiative populaire, comme le montre Le Temps du 7 janvier, Marine Le Pen tente de donner la caution du peuple suisse à ses idées. Premiers fruits de cette stratégie, nombre de commentaires sur les sites des médias hexagonaux notent qu'elle ne saurait être dangereuse, puisqu'elle se borne à préconiser ce que la Suisse, modèle de pondération démocratique, a déjà décidé. Nous sommes donc peut-être en train d'assister à un nouvel agglomérat de forces identitaires qui se copient et s'épaulent, espérant tirer leur respectabilité de leurs ressemblances. Certes, une ligue supranationale de nationalistes s'apparente à la création de "douaniers sans frontières"; mais son non-sens ne la rend pas moins redoutable; au contraire, les mouvements en question ont toujours progressé à l'abri de leurs contradictions. Ainsi, prétextant sauvegarder les valeurs européennes ou la dignité des peuples, ils travaillent chaque jour à briser les cultures, les lois et l'Union qui les incarnent. De même, pervertissant la notion d'identité, ils remplacent le "connais-toi toi-même" socratique, prémisse à l'acceptation d'autrui, par un "mentons-nous les uns aux autres", arsenal de stéréotypes réducteurs visant le rejet de la différence.

Pour les partis classiques et les gouvernements, ces alliances souples et décomplexées entre des droites dures relookées, mais toujours aussi xénophobes, posent des défis considérables. D'abord, ils doivent trouver des réponses efficaces à l'intérieur d'Etats dont les marges de manœuvre se sont rétrécies. De surcroît, ils sont tenus de dépasser les contextes locaux pour élaborer un discours et des projets communs à l'échelle du continent. Comme l'indique le philosophe Jürgen Habemas dans Le Monde du 3 janvier, "ce dont nous avons besoin en Europe, c'est d'une classe politique revitalisée, qui surmonte son propre défaitisme avec un peu plus de perspectives, de résolution et d'esprit de coopération".

Pour la Suisse, l'activisme hors frontières de l'UDC et les louanges des populistes étrangers pose un problème spécifique. Depuis toujours, le succès de la Confédération doit beaucoup à sa discrétion, celle de ses banquiers, de sa diplomatie précautionneuse et d'une gouvernance à bas bruit. Pour qui souhaite bénéficier du grand marché européen sans prendre sa carte de membre, tout en préservant des particularismes lucratifs, mieux vaut se faufiler entre les règles sans trop se faire remarquer.

Or, en promenant à Paris une torche enflammée sur des nappes de misères, de frustrations ou de racismes larvés, un Oskar Freysinger complique ouvertement les équations déjà difficiles des démocraties voisines. Si cet esprit missionnaire se développe, la Suisse risque d'ajouter à son image d'égoïste silencieuse celle d'activiste nuisible. Pire, si les droits populaires deviennent la bannière de Marine Le Pen, ils perdront leurs vertus aux yeux du monde; et, circonstance aggravante, le peuple entier sera touché par ce désamour, puisque c'est lui qui prend des décisions qui, faute de règles adéquates, peuvent blesser les droits fondamentaux. Pour la Suisse, il est donc temps de se demander à la pointe de quel combat elle entend se profiler. Celui des blocs identitaires? Ou celui des Etats responsables? Dans ce contexte, les piques récurrentes de Doris Leuthard contre l'UE, analysées dans Le Temps du 8 janvier, sont révélatrices du climat fédéral. Au lieu d'une réflexion sur les nationalismes qui cisaillent l'Europe, un opportunisme électoral se déploie, sourire aux lèvres, laissant la définition du rôle de la Suisse aux bons soins des circonstances.

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NZZ am Sonntag 9.1.11

Die Anti-Islamisten und die SVP

 Der Niederländer Geert Wilders baut eine "Internationale Allianz" gegen den Islam auf - Nationalrat Oskar Freysinger bietet seine Unterstützung an

 Unter Führung des niederländischen Rechtspopulisten Geert Wilders formieren sich die Anti-Islamisten Europas. Auch SVP-Nationalräte gehören zum Netzwerk.

Lukas Häuptli

 Es war am 2. Oktober 2010, als Geert Wilders in Berlin auftrat. Polizei und Staatsschutz sicherten die Veranstaltung, und der niederländische Rechtspopulist machte das, was er immer macht: Er legte los gegen die Islamisierung Europas und gegen das politische Establishment, das nichts gegen diese Islamisierung unternehme. "Es ist unsere Pflicht, [. . .] unsere Nation für unsere Kinder zu bewahren", sagte Wilders und rühmte das antiislamistische Engagement seiner Partei - und dasjenige von "Oskar Freysingers Schweizerischer Volkspartei".

 An der Veranstaltung war vor Wilders Rede eine Video-Ansprache von Oskar Freysinger abgespielt worden. "Unsere politischen Eliten sind [. . .] gekauft und bereiten dem Islam eine Autobahn, damit er sich langsam bei uns einnistet", sagte der Walliser SVP-Nationalrat. "Im Namen der Multikultur wird die schlimmste der Monokulturen importiert."

 "Den Islam stoppen"

 Wilders' und Freysingers Auftritte in Deutschland waren nicht zufällig. Der Rechtspopulist, dessen Partei für die Freiheit bei den niederländischen Parlamentswahlen 2010 am drittmeisten Stimmen holte, will eine "International Freedom Alliance" aufbauen - ein Bündnis der islamfeindlichen Parteien Europas und Nordamerikas. Im letzten Sommer hatte er das angekündigt, jetzt läuft die Umsetzung. Der Slogan der "Allianz": "Die Freiheit verteidigen - den Islam stoppen". Oskar Freysinger zeigt gegenüber dem Bündnis offene Sympathie: "Die <International Freedom Alliance> von Geert Wilders ist eine gute und nützliche Sache. Ich werde in dieser Angelegenheit mit Geert Wilders Kontakt aufnehmen und ihm meine Unterstützung anbieten."

 Offensichtlich ist die Sympathie gegenseitig: "Geert Wilders hat es sehr begrüsst, dass Oskar Freysinger an der Veranstaltung in Berlin eine Video-Ansprache gehalten hat", sagt René Stadtkewitz, der die Auftritte von Wilders und Freysinger organisiert hatte. "In der europäischen Bewegung gegen den Islam ist Oskar Freysinger sicher die entscheidendste Person aus der Schweiz." Stadtkewitz sitzt im Landesparlament von Berlin, war früher CDU-Mitglied und hat im September die Partei "Die Freiheit" gegründet. Ihr Thema: der Anti-Islamismus. Stadtkewitz gilt denn auch als Wilders' Hoffnungsträger in Deutschland. Nicht zufällig nannte ihn das Nachrichtenmagazin "Spiegel" in seiner letzten Ausgabe den "deutschen Geert".

 Am 18. Dezember 2010 hatten sich Stadtkewitz und Freysinger an einer antiislamistischen Veranstaltung in Paris persönlich getroffen. Es war einer der zahlreichen Auftritte Freysingers in halb Europa. Der SVP-Nationalrat sprach in Brüssel, in Antwerpen und eben in Paris, er wird in Dresden reden (auf Einladung des früheren CDU-Mitglieds und heutigen Rechtsaussen Henri Nitzsches) und in Berlin (auf Einladung Stadtkewitz'). Das Thema ist immer das gleiche: der Kampf gegen die Islamisierung. "Weil die Grenzen der Schweiz völlig offen sind, braucht es im Kampf gegen den dogmatischen Islam eine internationale Zusammenarbeit", sagt Freysinger.

 Nähe zum Rechtsextremismus

 Mit seinem islamfeindlichen Engagement bewegt sich der SVP-Nationalrat mitten in Europas Rechtspopulisten - und hart an der Grenze zu Rechtsextremen. Freysinger sei auch zu einer Reise zu israelischen Siedlern eingeladen worden, hält Stadtkewitz fest. An der Reise Anfang Dezember nahmen neben Stadtkewitz auch Heinz-Christian Strache von der österreichischen FPÖ und Filip De Winter vom belgischen Vlaams Belang teil. Allerdings dementiert Freysinger: "Ich bin meines Wissens nie für eine Reise nach Israel eingeladen worden. Vielleicht habe ich eine Mail übersehen."

 Verbindungen soll der SVP-Nationalrat auch zur islamfeindlichen Partei Pro NRW in Deutschland haben. Die Nachfolgepartei von Pro Köln wird vom Verfassungsschutz wegen Verdachts auf Rechtsextremismus beobachtet. Ihr Vorsitzender Markus Beisicht sagt: "Wir haben sehr gute Kontakte zu Oskar Freysinger. Wir stehen mit ihm in regem Austausch und unterstützen uns. Er hat für uns verschiedene Grussbotschaften verfasst." Allerdings dementiert der SVP-Nationalrat auch das: "Ich kann mich nicht erinnern, je eine Grussbotschaft für eine Bewegung namens Pro NRW oder Pro Köln verfasst zu haben."

 Neben Freysinger ist namentlich der Solothurner SVP-Nationalrat Walter Wobmann mit islamfeindlichen Gruppierungen im Ausland vernetzt. "Die Islamisierung der Gesellschaft ist ein Problem, das in fast allen europäischen Ländern besteht. In diesem Zusammenhang habe ich Kontakt mit verschiedenen islamkritischen Gruppierungen im Ausland, unter anderem mit der FPÖ", sagt Wobmann, der wie Freysinger dem Initiativkomitee für die Minarett-Initiative angehört hatte.

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Newsnetz 7.1.11

Marine Le Pen sucht die Nähe zur SVP

Matthias Chapman

 Die französische Rechtsaussen-Politikerin bewundert die Schweiz, sucht den Kontakt zur SVP und lobt den Mut von Oskar Freysinger. Und sie hat beste Chancen, die neue Chefin von Frankreichs Front National zu werden.

 In neun Tagen ist beim französischen Front National (FN) Tag der Entscheidung. Der inzwischen 82-jährige FN-Gründer Jean-Marie Le Pen gibt nach 39 Jahren die Führung der rechtsnationalistischen Partei ab. Zwei Anwärter kämpfen um den Posten: Le Pens Tochter Marine und der langjährige Weggefährte des Übervaters, Bruno Gollnisch.

 Das Rennen ist offen, wobei sich Vater Le Pen für seine Tochter stark macht ("Le Pen ist eine gute Marke"). Während der 60-jährige Gollnisch eher mit traditioneller FN-Rhetorik zu punkten versucht, wagt die 42-jährige Marine Le Pen auch mal die (sanfte) Öffnung der Partei. Etwa Homosexuelle oder Juden gehören - anders als bei ihrem Vater - nicht zu ihren Feindbildern.

 Nazi-Vergleich mit Muslimen

 Gleichwohl leistete sie sich jüngst einen Aussetzer der üblen Art. Bei einem Auftritt in Lyon verglich Marine Le Pen Muslime, die in manchen Vierteln französischer Grossstädte freitags auf der Strasse beten, weil es nicht genug Platz in den Gebetshäusern gibt, mit der Besetzung Frankreichs durch die Nationalsozialisten zwischen 1940 und 1944.

 Überhaupt scheint sich Marine Le Pen den Kampf gegen Muslime auf die Fahne geschrieben zu haben. Vor zehn Jahren sei der Schleier aufgetaucht, inzwischen gebe es mehr und mehr Schleier in Frankreich, wetterte sie. Dann sei die Burka gekommen, inzwischen gebe es mehr und mehr Burkas.

 Dass die Muslime in den Fokus fremdenfeindlicher Debatten geraten, kennen wir auch aus der Schweiz. Mit der Minarettinitiative hat die SVP weit über die Grenzen hinaus für Aufsehen gesorgt. Auch Marine Le Pen ist das politische Wirken der SVP nicht entgangen. So sehr findet sie daran gefallen, dass sie künftig die Nähe zur Schweizer Partei zu suchen beabsichtigt. Sie werde bei einem Sieg Kontakt zu gleichgesinnten Parteien in Europa - darunter die SVP - aufnehmen, sagte Marine Le Pen laut "Le Temps" gestern bei einer der letzten öffentlichen Veranstaltungen ihre Vaters vor dem Abgang.

 Druck in der Ausländerpolitik dank direkter Demokratie

 Innerhalb der SVP hat es Marine Le Pen vor allem Oskar Freysinger angetan. Als er kürzlich bei einer Veranstaltung von rechtsgerichteten Gruppierungen in Frankreich auftrat, erhielt der Walliser Nationalrat ihre ausdrückliche Zustimmung. Sie lobte Freysingers "Mut und die freie Art zu reden".

 Überhaupt scheint Marine Le Pen der Blick Richtung östliches Nachbarland zu beflügeln. Sie zeigt sich als Bewunderin des schweizerischen politischen Systems. Die Volksrechte der Schweizer mit Referendum und Volksinitiative würde sie am liebsten direkt ins französische System übernehmen. Die Absicht ist klar: Via Volksabstimmungen will sie Druck machen auf die französische Ausländerpolitik. Sollte Frankreich über die Abschiebung krimineller Ausländer abstimmen, wäre die Ja-Quote noch grösser als in der Schweiz, erklärte Marine Le Pen.

 Hans Fehr skeptisch

 Ob sie allerdings Schützenhilfe aus der Schweiz erhält, scheint fraglich. "Gegen einen losen Gedankenaustausch habe ich nichts", erklärt zwar der Zürcher Nationalrat Hans Fehr auf Anfrage von . Eine Zusammenarbeit kann er sich aber kaum vorstellen. "Ich auf jeden Fall würde dafür nicht nach Frankreich reisen." Für Fehr liegt der Fokus klar auf der Arbeit im eigenen Land. Sowieso sei seine Partei zurückhaltend mit grenzüberschreitender Zusammenarbeit. Fehr weiss zwar von "gewissen Kontakten" mit gleichgesinnten Gruppierungen im Ausland. Von Kooperation könne aber keine Rede sein.

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Le Temps 7.1.11

Marine Le Pen envie le "bon sens" helvétique

 La fille du fondateur du Front national admire la Suisse. Et envisage, si elle est élue à la présidence du mouvement dans dix jours, de prendre contact avec l'UDC, ainsi que d'autres partis populistes européens

Catherine Dubouloz, Paris

 On croirait un clin d'œil. C'est à la rue des Suisses, à Nanterre, au nord-ouest de Paris, entre des maisons individuelles proprettes, qu'est installé le siège du Front national (FN). Dans ce bâtiment moderne bleu et gris, qui n'annonce pas ses locataires en devanture, Jean-Marie Le Pen a fait jeudi ses derniers vœux à la presse, avant-dernier acte d'un parcours de 40   ans à la tête du FN. Il quittera la présidence du mouvement dans dix jours, lors du congrès de Tours des 15 et 16   janvier.

 Deux candidats sont en lice pour lui succéder. Sa fille, Marine, qu'il soutient ouvertement, et Bruno Gollnisch, son vieux compagnon de route. La campagne interne est achevée et les pronostics donnent Marine Le Pen gagnante. Son père restera président d'honneur et distillera ses conseils. Il conservera aussi ses mandats de député européen et de conseiller régional.

 Si les candidats, tous deux vice-présidents du FN, accompagnaient hier Jean-Marie Le Pen, Marine a focalisé toute l'attention. Parmi ses projets, si elle est élue, celui de "prendre des contacts et d'échanger avec un certain nombre de partis qui partagent les mêmes préoccupations" dans les pays d'Europe, telle l'UDC. Ni elle, ni Bruno Gollnisch, chargé des relations internationales au FN, n'ont pour l'instant tissé de liens avec des dirigeants du parti de la droite dure en Suisse. Mais la fille de Jean-Marie Le Pen rêve de rencontrer le conseiller national valaisan Oskar Freysinger, invité récemment aux "Assises contre l'islamisation de l'Europe" organisées à Paris par plusieurs groupements, dont certains d'extrême droite. Marine Le Pen n'y était pas. Mais elle loue "le courage" et la "liberté de parole" d'Oskar Freysinger.

 L'avocate, divorcée, mère de trois enfants et eurodéputée est une admiratrice de la Suisse, du "bon sens" helvétique, de son "modèle démocratique" et surtout des droits populaires, initiative et référendum. Elle envie ces instruments qui permettent à la droite populiste de faire passer ses idées, notamment dans le domaine de la politique des étrangers.

 "Depuis des années, le FN a inscrit dans son programme le référendum d'initiative populaire. Et je peux vous dire, lance-t-elle, que si nous demandions aux Français leur avis sur l'expulsion des criminels étrangers, nous aurions un résultat positif encore plus élevé qu'en Suisse." Fin novembre, au lendemain de l'acceptation à 52,9% du texte de l'UDC, elle avait félicité les Suisses pour ce vote. Un an plus tôt, tandis que l'image du pays était largement écornée dans la presse internationale, Marine Le Pen avait salué l'initiative sur l'interdiction de la construction de nouveaux minarets, adoptée à 57,9%. Elle en profitait, suivant une rhétorique bien rodée, pour demander aux "élites de cesser de nier les aspirations et les craintes des peuples européens."

 Marine Le Pen dit regretter qu'en France "le patriotisme soit une tare". Et elle ne retire rien des propos tenus peu avant Noël, lorsqu'elle assimilait à une "occupation" du territoire les prières de rue des musulmans qui ne disposent pas de lieux de culte suffisamment grands. Un accroc dans sa tentative de dédiabolisation du FN? Non, rétorque-t-elle: "Je n'ai pas le goût du scandale obligatoire. Je défends mes convictions et j'aborde les problèmes." Elle martèle son argument: "Des territoires de plus en plus nombreux échappent à la souveraineté nationale, cela ne peut pas durer." Pour autant, la politicienne reste sur sa ligne de différenciation face à Bruno Gollnisch: "Nous avons une stratégie différente. Il veut voir revenir au sein du Front des groupes et des mouvements dissidents laissés au bord du chemin parce qu'ils expriment une radicalité nuisible. Pour ma part, je m'y oppose."

 Marine Le Pen défend également une ligne économique nettement moins libérale que son rival. "Il n'est pas pour la sortie de l'euro, moi si. Il est pour la retraite à 65 ans, moi non." La position antimondialiste et protectionniste de la candidate à la présidence du FN, basée sur la préférence nationale, a été affûtée auprès des électeurs du Nord-Pas-de-Calais, où elle est conseillère régionale. Elle s'est aussi renforcée avec la crise.

 Celle qui a été surnommée par les éditorialistes "Jean-Marine ou la peste blonde" est-elle plus modérée que son père? Elle répond en prenant la tangente: "Nous ne sommes pas de la même génération. Il est absurde de comparer un homme de 82   ans qui a vécu la guerre et une jeune femme de 42   ans" qui cherche à ouvrir un nouveau chapitre dans l'histoire du FN.

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telem1.ch 7.1.11

Nazi-Kreuze in Meisterschwanden
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20 Minuten 7.1.11

Polizei griff zwei junge Sprayer auf

 BASEL. Die Polizei hat am Mittwochabend zwei junge Männer im Alter von 21 und 22 Jahren erwischt, die am Unteren Rheinweg zehn Hakenkreuze an verschiedene Orte gesprayt und Tags hingeschmiert hatten. Ein Passant hatte die beiden bei ihrem Tun beobachtet und es einer Patrouille gemeldet. Bei der anschliessenden Kontrolle hatten die beiden noch die Spraydosen dabei. Laut Markus Melzl von der Staatsanwaltschaft ist das Duo den Behörden bereits bekannt. Es sei aber bisher nicht im Neonazi-Kontext aufgefallen. Die Männer müssen sich nun wegen Sachbeschädigung verantworten, nicht aber wegen Verstoss gegen das Anti-Rassismus-Gesetz: "Dafür müsste die Sprayerei gezielt gegen eine Person oder Gruppe gerichtet sein", erklärt Melzl.  HYS

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Blick am Abend 6.1.11

Uferweg mit Hakenkreuzen versaut

 ERWISCHT

 Die Polizei fasste die Tatverdächtigen. Zwei junge Schweizer.

 Hässlicher Asphalt zwischen Dreirosen- und Johanniterbrücke auf der Kleinbasler Uferseite. An rund zwanzig Orten prangen Hakenkreuze und Tags. Auch ein paar Strassenschilder, mehrere kleine Tische und ein Rettungsringkasten sind seit gestern mit dem Nazi-Symbol verschmiert.

 Zwei Schweizer im Alter von 21 und 22 Jahren dürften diese Schande zu verantworten haben.

 Die Polizei nahm sie gestern Abend fest. Die beiden hatten zu diesem Zeitpunkt noch die Spraydosen und Sprayköpfe bei sich. Ausserdem waren sie mit Farbe verschmiert. Ein Passant sah gestern Abend auf Höhe Dreirosenbrücke gegen 20.30 Uhr, wie die beiden jungen Männer mehrere Hakenkreuze sprayten. Die darauf verständigte Polizei erwischte das Duo umgehend am Unteren Rheinweg.

 Laut Staatsanwaltschaft sind die Verhafteten den Behörden bereits bekannt, allerdings waren sie bisher nicht im Zusammenhang mit der Neonazi-Szene aufgefallen. Kleines Detail: Die Tatsache, dass die Hakenkreuze nicht dem Vorbild entsprechen, macht die Tat nicht weniger idiotisch. rw

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Tachles 7.1.11

ANTISEMITISCHER KOMÖDIANT

 Genfer Zensur im Fall Dieudonné

>Die Stadt Genf wollte sich nicht zum Komplizen des antisemitischen Komödianten Dieudonné machen und verweigerte ihm eine Saalmiete. Das Bundesgericht wertet dies als vorverurteilende Zensur. Die Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus ist anderer Meinung, akzeptiert aber den Entscheid.

ANDREAS SCHNEITTER

 Im Dezember 2009 hat sich die Stadt Genf geweigert, dem Schweizer Agenten des bekannten französischen Komödianten Dieudonnö den Saal Alhambra zu vermieten. Dieudonné sollte dort im März 2010 zwei Auftritte absolvieren. Weil Dieudonné in der Vergangenheit regelmässig sowohl als Politiker wie als Komödiant durch antisemitische Aktionen aufgefallen war, hat die Stadt Genf die Anfrage abgelehnt.

 Akt der Zensur?

Dieudonné führte sein Programm "Sandrine", das nicht politischer Natur ist, sondern von Beziehungsproblemen und ehelicher Gewalt handelt, daraufhin in den Räumlichkeiten der Stiftung Cité Universitaire auf. Sein Agent hatte in der Zwischenzeit Rekurs beim Genfer Verwaltungsgericht gegen den Entscheid der Stadt eingelegt. Am 11. Mai bekam er Recht.

 Dieser Entscheid wurde nun vom Bundesgericht bestätigt. In seiner Urteilsbegründung kritisiert es den Entscheid der Stadt als einen Akt der Zensur, der sich nicht mit dem verfassungsmässig geschützten Recht auf freie Meinungsäusserung vertrage. Sollte Dieudonnés Programm tatsächlich antisemitische oder andere diffamierende Ausserungen enthalten, die gemäss der Anti-Rassismus-Strafnorm strafbar seien, so sei es Sache der Polizei und der Gerichte, solche Vergehen nachträglich zu ahnden.

 Patrice Mugny, Vorsteher des Kulturdepartements der Stadt Genf, akzeptiert den Entscheid des Bundesgerichts. Er sagt aber: "Unsere Absicht war nicht, Dieudonné für eine Straftat zu verurteilen, die er zu diesem Zeitpunkt noch nicht begangen hatte. Es interessiert mich nicht, wovon sein Programm handelt. Fakt ist, dass er ein bekannter Antisemit ist. Mit solchen Personen machen wir keine Geschäfte." Die Richter in Lausanne hielten der Stadt entgegen, dass sie bei der Vergabe des Saals hoheitlich handle und demzufolge die Grundrechte berücksichtigen müsse.
Dass sich Dieudonné in der Vergangenheit mehrfach in stossender Weise geäussert habe, erlaube es nicht, seine Auftritte in vorgängiger Zensur zu verbieten. Gleichzeitig stellte das Bundesgericht klar, dass eine Mietverweigerung rechtens sein kann, wenn im konkreten Fall, dem Bühnenprogramm "Sandrine", eine Grenze der Strafbarkeit überschritten worden wäre. Entsprechendes habe jedoch bereits das Genfer Verwaltungsgericht nicht feststellen können.

 Redefreiheit vor Diskriminierungsverbot

Ronnie Bernheim, Präsident der Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus, rät zu einer pragmatischen Haltung: Wenn ein Veranstalter mit dem auftretenden Künstler eine verbindliche Vereinbarung treffen könne, dass keine strafrechtlich relevanten oder diskriminierenden Inhalte auf dem Programm stehen, so müsse man in einem demokratischen Staat auch einen Dieudonné auftreten lassen, auch wenn man ihn als Person nicht gutheisse. "In dieser Güterabwägung zwischen Redefreiheit und Diskriminierungsverbot hat das Bundesgericht zugunsten der ersten entschieden", sagt Bernheim. "Ich kann jedoch die Haltung der Stadt Genf nachvollziehen, ohne verbindliche Zusicherung auf stossende Inhalte zu verzichten, die Saalmiete zu verweigern. Bei öffentlichen Auftritten von Personen, die bekanntermassen regelmässig antisemitische Elemente in ihr Programm einbauen, ist besondere Zurückhaltung gefordert." Für Patrice Mugny von der Stadt Genf ändert auch der Bundesgerichtsentscheid nichts an seiner Uberzeugung, richtig gehandelt zu haben: "Ich werde in Zukunft nicht anders entscheiden", sagt er.

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SEMPACH
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Blick am Abend 12.1.11

Ritter gegen Neo-Nazis

 SCHLACHTFEIER

 Ein Mittelalter-Fest soll die Neo-Nazis von der Feier in Sempach fernhalten.

 625 Jahre nach der Schlacht bei Sempach nimmt der Kanton Luzern einen Anlauf, um die Gedenkfeier neu zu gestalten. Anlass gab der in den letzten Jahren zunehmende Aufmarsch von Extremisten. Mit dem Verzicht auf den Umzug hofft man, sie vom Schlachtfeld fernzuhalten.

 Grosse Erwartungen setzt die Regierung auf eine Jugend-Debatte, die auf den 2. Juli angesetzt ist und die politische Partizipation der Jugendlichen fördern will. Das Ergebnis der Debatte soll in die kantonale Politik einfliessen. Höhepunkt wird der auf den 3. Juli verschobene eigentliche Gedenktag. Bisher fand er jeweils am letzten Juni-Samstag statt und fiel mit dem Altstadtfest in Luzern zusammen. Die Feier am Sonntag beginnt mit einem Gottesdienst und dem Morgenbrot. Dann findet in Sempach - als Ersatz für den Umzug - ein Mittelalterfest statt. SDA

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presseportal.ch 12.1.11

Sempacher Jubiläums-Gedenkfeier 2011: Fest für die ganze Bevölkerung

Luzern (ots) - Der Luzerner Regierungsrat hat an seiner ersten Sitzung im neuen Jahr das Detailkonzept und das Budget für die Sempacher Jubiläums-Gedenkfeier 2011 genehmigt. Er will die bestehenden und bewährten lokalen Anlässe mit neuen, publikumsgerechten Veranstaltungsformen zu einer Feier für die gesamte Kantonsbevölkerung verbinden.

An einem Mediengespräch haben am Mittwochmorgen Regierungspräsident Marcel Schwerzmann, Staatsschreiber Markus Hodel und der Sempacher Stadtpräsident Franz Schwegler die Neukonzeption der Gedenkfeier erläutert.

Als kantonale Hauptelemente vorgesehen sind ein Forum Geschichte, eine Jugend-Debatte, der eigentliche Gedenktag am Sonntag, 3. Juli 2011 sowie eine Luzerner Musikplattform. Auf den Umzug zum Schlachtgelände wird aus Sicherheitsgründen verzichtet.

Die bisherigen, traditionsreichen Anlässe Hellebardenlauf, Sempacherschiessen und Städtlifest finden eine Woche vorher statt. Sie gehören nicht zu den vom Kanton organisierten Veranstaltungen, werden aber mit diesen koordiniert.

Aus Anlass des 625-Jahr-Jubiläums der Schlachtjahrzeit wird ausserdem das Schlachtgelände informativ beschriftet und das Morgenbrotstöckli renoviert.

Anlass wird ausgewertet

Das Budget für die Sempacher Gedenkfeier 2011 beträgt 330 000 Franken und als einmalige Investition 56 000 Franken für die Beschriftung der Schlacht und die Renovation des Morgenbrotstöcklis. Die Jubiläums-Gedenkfeier 2011 wird evaluiert. Anschliessend erfolgt der Entscheid, welche Elemente für die Gedenkfeiern der Folgejahre übernommen werden.

Der Luzerner Regierungsrat hatte die Neukonzeption der Sempacher Gedenkfeier im Frühjahr 2010 in Auftrag gegeben. Als Projektziele gab er vor: die Präsentation des Kantons Luzern als traditionsreiches, lebendiges und zukunftorientiertes Staatswesen, eine hohe Akzeptanz des Anlasses, die Ausstrahlung auf die ganze Schweiz, die Minimierung der Sicherheitsrisiken, eine durchgängige Organisation sowie die Nutzung der Gedenkfeier für die Kommunikation langfristig angelegter Strategien des Kantons.

Feier für ein breites Publikum

Die kantonale Jubiläums-Gedenkfeier 2011 umfasst gemäss genehmigtem Detailkonzept folgende zentrale Elemente:Forum Geschichte: Das Forum Geschichte bringt neuere Erkenntnisse der Geschichtswissenschaft einem breiten Publikum näher. Die Termine der drei Abendveranstaltungen wurden mit Rücksicht auf das Sessionsprogramm des Kantonsrates bestimmt. Am dritten Abend (28. Juni), dem letzten Tag der Juni-Session, werden die Themen der beiden ersten Abende zusammengefasst und in einem Podiumsgespräch öffentlich diskutiert.

-  Jugend-Debatte: Das Ziel der Jugend-Debatte am Samstag, 2. Juli ist die Förderung der politischen Partizipation. Deshalb wird Wert gelegt auf eine niederschwellige Veranstaltung, an der Jugendliche unabhängig von ihrem Bildungsstand und ihrer Nationalität über Themen diskutieren können, die für sie von Bedeutung sind. Die Jugendlichen nehmen in Gruppen teil, die sich vorbereitet haben und von Erwachsenen beglei tet werden. Das Ergebnis der Jugend-Debatte soll in die kantonale Politik einfliessen. Im Vorfeld der Debatte stellen die vier Entwicklungsträger des Kantons ihre Wirkungsbereiche jugendgerecht vor und bieten Inputs für die Themenwahl.

- Sempacher Gedenktag: Der Sempacher Gedenktag besteht aus dem Jahrzeit-Gottesdienst, dem Morgenbrot und dem Mittelalterfest, dem eigentlichen Rahmen für den Austausch von Bevölkerung und Politikern. Der ökumenische Gottesdienst in der Kirche St. Stefan beginnt um 9.30 Uhr. Im Festakt hält eine bedeutende Persönlichkeit eine Rede mit historischem Bezug. Das Morgenbrot um 10.30 Uhr wird von der Stadt Sempach und vom Kanton offeriert und leitet zum Mittelalterfest in der Unterstadt über. Dieses dauert bis um 16 Uhr.

- Musikplattform: Die Luzerner Musikplattform besteht aus halbakustischen Konzerten auf der Seebühne vor der Festhalle. Die Konzerte finden von Mittwoch, 22. bis Samstag, 25. Ju ni statt, jeweils zwischen 19 und 22 Uhr, und umfassen verschiedene Stilrichtungen. Vor, während und nach der Jugend-Debatte, also am Freitag, 1. Juli und am Samstag, 2. Juli spielen auf einer Open-Air-Bühne unterhalb der Schlachtkapelle jüngere, zugkräftige Bands aus dem Kanton Luzern. Im Anhang finden Sie den Zeitplan und eine Visualisierung.

    Bilder vom Mediengespräch erhalten Sie separat in einer zweiten Mitteilung.

    Anhänge

http://www.lu.ch/download/sk/mm_photo/8587_20110112_Zeitplan.pdf
http://www.lu.ch/download/sk/mm_photo/8587_20110112_Visual.jpg

ots Originaltext: Staatskanzlei Luzern
Internet: www.presseportal.ch

Kontakt:
Regierungspräsident Marcel Schwerzmann
Tel.:    +41/41/228'55'41 (heute von 14.00-16.00 Uhr)
E-Mail: marcel.schwerzmann@lu.ch    

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NATIONALISMUS
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NZZ 12.1.11

Nation als Neurose
 
Pierre de Senarclens' provokante Thesen

 Urs Hafner

Pierre de Senarclens wartet mit einem Paukenschlag auf: Es gebe keine gute Nation - oder zumindest keinen guten Nationalismus. Was die fürchterlichsten Ausprägungen in Faschismus und Nationalsozialismus gefunden habe, sei mit der Durchsetzung des modernen Nationalstaats entstanden, schreibt der Lausanner Politikwissenschafter in einem bemerkenswerten Essay, der vor allem um die neuere Geschichte Deutschlands, Frankreichs und Italiens kreist.

 Keim der Destruktion

 In der Unabhängigkeitserklärung der USA und der französischen Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte sieht der Autor dieselben Prinzipien am Werk, denen Mussolinis Schlägertrupps und die SS-Schergen, aber auch der sowjetische Totalitarismus folgten: Herstellung einer inneren Einheit (Gleichheit der Bürger), Ausschluss des Fremden (Ausländer, Juden, Randständige), Unterwerfung unter ein autoritäres Prinzip - sei es die Idee der Überlegenheit oder ein militärischer Führer -, religiöse Verherrlichung der eigenen Geschichte. Während eine linke und liberale Lesart zwischen dem schlechten Nationalismus der Rassisten und Imperialisten einerseits und dem demokratisch-freiheitlichen Nationalismus von 1789, 1848 sowie der westlichen Gegenwart anderseits unterscheidet, trägt laut Senarclens jeder Nationalismus, auch ein aufklärerisch inspirierter, den Keim der Destruktion in sich.

 Zu diesem provokanten Schluss gelangt der Autor nicht durch eine Darstellung der Geschichte von Prinzipien oder Ideen, sondern mit Hilfe nicht immer leicht nachvollziehbarer psychoanalytischer Deutungen. Er überträgt Freuds Interpretation der Religion auf die Nation. Der Glaube an die Nation sei eine Illusion, ja eine kollektive Neurose, die sich auf ein in sagenhafter Vorzeit zurückliegendes traumatisches Ereignis zurückführen lasse: den Mord der Söhne am "Urvater". Ob dieses für die Entwicklung der Menschheit so folgenschwere und verdrängte Drama tatsächlich stattgefunden hat - im Lichte der neueren Anthropologie: wohl eher nicht -, ist nach Senarclens gar nicht so wichtig.

 Zu offensichtlich sind für ihn die Indizien dafür, dass Freuds Analyse plausibel sei: Nationale Gemeinschaften gründeten auf gewalttätigen Ereignissen und Mythen, die immer wieder erinnert würden. Gerade in Zeiten der Krise und des Umbruchs, etwa während der Industrialisierung oder heute der Globalisierung, die zur sozialen Deklassierung breiter Schichten führten, würden die auf den verlorenen "Urvater" gerichteten Phantasmen reaktiviert und stillten das Bedürfnis nach Sicherheit und Grösse. Die Nation befriedige einen regressiven Narzissmus, der zwischen der Lust an Selbsterhöhung und der Lust an Selbstunterwerfung oszilliere - und der es erlaube, die aggressiven Triebe auf das Fremde zu richten. Die Politik, schreibt der Autor, sei eine Affäre von Gefühlen.

 Bedrohliche Entwicklung

 Diese Nationalismus-Analyse leuchtet in ihren groben, phänomenologischen Zügen ein. Sie spitzt zu, aber überzeichnet nicht. Offensichtlich befinden sich in Afrika, Asien und Osteuropa ethno- und religiös-nationalistische Bewegungen und Parteien auf dem Vormarsch. Anders sieht es im Westen aus, wie Senarclens differenziert. Westeuropas Nationalstaaten hätten sich seit dem Zweiten Weltkrieg zu Sozialstaaten gewandelt und in supranationale Organisationen eingebunden, die etwaige kriegerische Ambitionen dämpften. Die Massen fänden ihre narzisstische Befriedigung nicht mehr in der Hetze gegen Nachbarstaaten, sondern im Warenzauber der Konsumwirtschaft. Diese sorge für einen hohen Beschäftigungsgrad und wirke so der fremdenfeindlichen Radikalisierung entgegen.

 Über diese Argumentation liesse sich streiten. Erstens dürfte die Ankurbelung der Konsumwirtschaft das Problem der Arbeitslosigkeit auf die Dauer nicht lösen; die Automatisierung wird fortschreiten und menschliche Arbeitskraft überflüssig machen. Zweitens übergeht der Autor die ökologischen Folgen dieser Wirtschaftspolitik. Drittens: Soll man also froh sein, dass die Mehrheit der Bevölkerung sich nicht mit Politik und - bezogen auf ihre nationalistische Radikalisierung - etwa der "Ausschaffung krimineller Ausländer", sondern der Anschaffung des nächsten Automobils beschäftigt?

 Freilich: Das tut das Wahlvolk gerade nicht, wie die erstarkenden rechtsnationalistischen Kräfte in Westeuropa zeigen. Eine Schweizer Partei ist mit einem dumpfe Ressentiments bedienenden Programm und dem perfiden Zerrbild des "kriminellen Ausländers" erfolgreich geworden und weit in die Wählerschichten der Mitteparteien und der Sozialdemokratie vorgedrungen. Dazu äussert sich der Autor nicht. Und doch kann man sich kaum ein anderes Motiv denken, als dass er mit seinem Essay vor dieser bedrohlichen Entwicklung warnen will.

 Pierre de Senarclens: Le nationalisme. Le passé d'une illusion. Editions Armand Collin, Paris 2010. 279 S., Fr. 45.80.


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SEXWORK
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Südostschweiz  11.1.11

Schwarze Zukunft für Rotlichtbranche

 In den Glarner Cabarets hat es sich ausgetanzt. Denn die Tänzerinnen erhalten vom Kanton keine Bewilligung mehr.
 Von Marco Lüthi

 Glarus. - Der Kanton Glarus lässt seit Anfang Jahr nur noch Cabaret-Tänzerinnen aus den EU- und EFTA Staaten zu, nicht aber aus sogenannten "Drittstaaten". Damit folge er einer bereits seit Jahren in anderen Kantonen der Ostschweiz geübten Praxis, teilte er den Betreibern der Cabarets mit.

Prostitution ist lukrativer

 Für die Besitzer der Erotiklokale und ihre Kunden bedeutet das geschlossene Türen. Denn mit der neuen Regelung würden sie keine Tänzerinnen mehr finden, erklärt der Geschäftsführer des Cabarets "Alpenrose" in Oberurnen. Die Frauen aus der EU würden lieber in der Prostitution arbeiten, wo der Verdienst besser sei. Die "Alpenrose" hat deshalb seit Anfang Jahr geschlossen.

 Auch im Cabaret "Linthbrücke" in Mollis oder im Näfelser "Central" treten keine Tänzerinnen mehr auf. Bisher wurden vor allem Frauen aus Südamerika oder Fernost beschäftigt. Bericht Seite 3

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"Tote Hose" in den Cabarets

 Der Betreiber des Cabarets "Alpenrose" in Oberurnen kann die Verschärfung der Bewilligungspraxis für seine Tänzerinnen nicht verstehen. Er will dagegen vorgehen.

 Von Marco Lüthi

 Oberurnen. - Männer, die sich in Erotiklokalen von tanzenden Frauen bezirzen und verführen lassen wollen, stehen im Kanton Glarus neuerdings vor verschlossenen Türen. Das Cabaret "Alpenrose" in Oberurnen hat geschlossen und in der Molliser "Linthbrücke" oder im Näfelser "Central" wird auch nicht mehr getanzt.

 Die Tänzerinnen in diesen Lokalen kamen bisher aus so genannten "Drittstaaten", wie etwa der Dominikanischen Republik, Thailand oder Brasilien. Anfang dieses Jahres wurde die Praxis für die Spezialbewilligungen dieser Tänzerinnen vom Kanton verschärft (siehe Box). Die Betreiber stehen deshalb zurzeit ohne ihre Hauptattraktionen da.

 "Frauen aus der EU sind frei"

 Raffaele Bezzulla, Betreiber der "Alpenrose" in Oberurnen, erklärt, bis vor Kurzem seien bei ihm sechs Frauen aus der Dominikanischen Republik aufgetreten. "Das Geschäft lief nicht schlecht, doch wegen dieser idiotischen neuen Regelung musste ich meinen Club vorübergehend schliessen", sagt der Cabaretbesitzer verärgert. Zwar dürfte er sein Etablissement auch weiterhin betreiben. Für ihn ist aber klar, dass er es ohne Tänzerinnen aus Drittstaaten kaum mehr öffnen kann.

 Bezzulla erklärt, nur Frauen aus diesen Drittstaaten seien dazu bereit, in den Schweizer Cabarets zu tanzen.

 Frauen aus EU- und EFTA-Staaten dürfte er zwar beschäftigen, aber diese seien nicht gewillt, einen Monatsvertrag zu unterschreiben. "Die Frauen aus der EU sind frei und können deshalb auch wieder gehen, wenn es ihnen nicht mehr passt." Daher sei das Interesse gleich Null, so Bezzulla. Zudem bevorzugten die jungen Frauen aus dem Osten der EU die Prostitution. Indem sie selbstständig dem ältesten Gewerbe der Welt nachgingen, würden sie viel mehr Geld verdienen als mit dem Tanzen.

 Widerstand aus neun Kantonen

 Doch die verschärfte Praxis in Sachen Spezialbewilligungen für Cabarettänzerinnen will Erotiketablissement-Betreiber Bezzulla nicht einfach so hinnehmen. Zusammen mit Berufskollegen aus acht weiteren Kantonen sei er beim Bund vorstellig geworden.

 Wie die Zukunft seines Cabarets aussieht, weiss Raffaele Bezzulla noch nicht. Im Moment warte er den Bescheid aus Bern ab. Den Kanton Glarus zu verlassen und in eine weniger restriktive Gegend zu wechseln komme für ihn aber nicht in Frage.

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 "Zur Prostitution gezwungen"

 Glarus. - Der Kanton Glarus lässt seit dem 1. Januar keine so genannten Cabaret-Tänzerinnen mehr zu, die aus Nicht-EU- oder EFTA-Staaten kommen. Damit werde "eine seit Jahren immer wieder erhobene und berechtigte politische Forderung" umgesetzt. Glarus folge einer Praxis, die sich in anderen Kantonen der Ostschweiz teils seit Jahren bewähre, heisst es in einem Schreiben der Fachstelle Migration, das Ende Mai an die Vermittler von Cabaret-Tänzerinnen ging.

 Es bestehe ein ausgewiesenes öffentliches Interesse an diesem Stopp, heisst es weiter. Denn die Zulassung der Frauen diene laut Studien "in vielen Fällen keineswegs deren sozialen und ökonomischen Bedürfnissen". Im Gegenteil würden die Frauen "nicht selten zur Prostitution und zur Animation zum Alkoholkonsum gezwungen".

 Das Ausländergesetz erleichtere nur Hochqualifizierten aus Drittstaaten, in die Schweiz zu kommen, gegenüber anderen Arbeitstätigen seien die Hürden massiv erhöht worden. Ausserdem würden Frauen benachteiligt, die sich nicht als Cabaret-Tänzerin verdingen wollten, wenn jene andern weiter in die Schweiz kommen dürften.

 Die Praxisänderung betrifft Tänzerinnen aus dem EU- und EFTA-Raum nicht, so das Schreiben weiter. Diese könnten im Rahmen des Freizügigkeitsabkommens auch Tätigkeiten "ausserhalb des Erotikgewerbes" legal ausüben. Weshalb sie weniger unter Druck stünden, sich zu Prostitution oder Animation zwingen oder überreden zu lassen. (fra)

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DROGEN
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Blick am Abend 12.1.11

Rückschlag für die Kiffer

 KIFFEN

 Dämpfer für Dampfer: Das BAG sagt Nein zu einer kontrollierten Hasch-Abgabe.

 michael.graber@ringier.ch

 Weg vom Strassendealer, hin zu einer Hasch-Abgabestelle der Stadt. Diesen Pilotversuch forderten Parlamentarier in den Städten Basel, Bern und Luzern im letzten Sommer, nachdem das Zürcher Parlament zuvor schon Ja gesagt hatte. Doch bei aller Sympathie, der dem Vorstoss entgegengebracht wurde: Die Chancen für die Idee verdampfen.

 "Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) kommt zum Schluss, dass wir das schlicht nicht dürfen", sagt Paolo Hendry, Präsident der Städtischen Konferenz der Beauftragten für Suchtfragen (SKBS). Diese hatte für alle drei Städte den rechtlichen Rahmen abgeklärt. Laut Hendry würden sich die Städte bei einer Umsetzung auf rechtliches Glatteis begeben. Nur in medizinischen Fällen dürfe Cannabis abgegeben werden, etwa zur Schmerzlinderung.

 Auch aus fachlicher Sicht sei man skeptisch.

 "Wie kontrolliert man, dass jemand das Gras nicht einfach an Minderjährige weiterverkauft?", so Hendry.

 Einen Funken Hoffnung für legale Gras-Stellen gibt es aber noch: "Da der Vorstoss in Zürich überwiesen wurde, klärt die Stadt das noch vertiefter ab", sagt Hendry. Sollte es dort wider Erwarten grünes Licht geben, müsse man die Idee noch einmal prüfen.

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 Kiffer müssen nun auf Zürich hoffen.

 NACHGEFRAGT

 Aline Trede (27) Stadträtin (GB)

 "Wir geben nicht auf"

 Sie haben den Vorstoss eingereicht. Überrascht es Sie, dass er nicht umsetzbar sei?

 Es überrascht mich nicht, aber ich glaube ebenso wenig, dass er nicht umsetzbar ist. Wir geben nicht auf.

 Ihr nächster Schritt?

 Schon 2006 wurde ein entsprechendes Postulat vom Stadtparlament angenommen. Ich kämpfe dafür, dass mein Vorstoss auch jetzt durchkommt. Die Chancen stehen gut. Juso, GLP und die BDP sind auch dabei.

 Müsste man eine Legalisierung nicht auf Bundesebene prüfen?

 Es ist vor allem ein städtisches Problem. Im Nationalrat wurde schon darüber diskutiert, Kiffer nur noch zu büssen statt anzuzeigen. Ich prüfe jetzt einen solchen Vorstoss im Stadtrat. pp

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NACHGEFRAGT

 Hans Stutz Grossstadtrat Fraktion Grüne

 "Hanf muss legal werden"

 Sie haben den Vorstoss eingereicht. Überrascht es Sie, dass er nicht umsetzbar sei?

 Es geht mir um das politische Zeichen: Hanf muss legalisiert werden. Darum halte ich auch an der Überweisung fest.

 Aber müsste man dies nicht auf Bundesebene machen?

 Ja, sicher. Aber die Städte sollen politische Zeichen setzen, hier kiffen Leute im Ausgang. Hier findet auch mehr Handel statt.

 Lange gab es Hanfshops. War das besser?

 Ich fand die Situation im Prinzip richtig. Allenfalls müsste man sich überlegen, wie man den THCGehalt begrenzen könnte. Dieser ist in letzter Zeit stetig gestiegen. mg

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NZZ 11.1.11

Cannabis-Legalisierung in Kalifornien - eine Frage der Zeit

 Trotz internationaler Kritik und einer gescheiterten Initiative ist die Mehrheit der Bevölkerung für eine liberale Lösung

 Eine Initiative zur Hanf- Legalisierung ist in Kalifornien kürzlich abgelehnt worden. Vom Tisch ist das Thema damit noch lange nicht. Seine Bedeutung geht weit über den Gliedstaat hinaus. Es betrifft die Drogenpolitik Nord- und Südamerikas.

 Bettina Ambühl, Palo Alto

 Am 2. November hat die Bevölkerung von Kalifornien die Legalisierung des Konsums und des Handels von Marihuana mit einer relativ knappen Mehrheit von 53,5 Prozent abgelehnt. Der Abstimmungskampf war auf Bundesebene wie auch in lateinamerikanischen Ländern aufmerksam verfolgt worden. Die Hanf-Legalisierung in Kalifornien hätte die gesamten USA sowie ihre südlichen Nachbarn mitbetroffen. Trotz dem Misserfolg haben die Befürworter nicht aufgegeben. Eine nächste Initiative ist für 2012 bereits in Planung.

 Riesige Nachfrage in den USA

 Die Befürworter erhoffen sich von der Legalisierung neben lukrativen Besteuerungsmöglichkeiten eine bedeutende Schwächung des Schwarzmarktes und damit der mexikanischen Drogenkartelle. Wie gut organisiert und effizient diese sind, hat kürzlich die Entdeckung zweier Geheimgänge zwischen Mexiko und Kalifornien gezeigt. Die rund 600 Meter langen Tunnels enden in einem Lagerhaus in San Diego. Sie sind mit Licht, Lüftungen und Schienen ausgestattet, auf denen ganze Wagenladungen transportiert werden konnten. Bei der Aufdeckung dieses ausgeklügelten Schmuggelsystems wurden 40 Tonnen Marihuana beschlagnahmt. Die Nachfrage ist in den USA gross. Im Jahr 2009 haben nach staatlichen Angaben rund 11 Prozent der über 12-jährigen Amerikaner Cannabis konsumiert, das sind 28 Millionen Menschen. Die Menge an Marihuana, das an der mexikanischen Grenze abgefangen werden konnte, hat in den letzten Jahren stark zugenommen - im Jahr 2009 waren es rund 1500 Tonnen. Der Anstieg wird in erster Linie auf die stark gesteigerte Produktion in Mexiko zurückgeführt. Trotz dem enormen Ausmass des Hanfschmuggels ist allerdings umstritten, ob und wie stark eine Legalisierung von Marihuana in Kalifornien die mexikanischen Drogenkartelle schwächen könnte. Das Justizdepartement in Washington gibt zu, keine verlässlichen Angaben über die verschiedenen Einnahmequellen der Drogenkartelle machen zu können.

 Aus Sicht der amerikanischen Regierung, aber auch aus Sicht Mexikos und Kolumbiens, der wichtigsten Produktions- und Transitländer im illegalen Drogenhandel mit den USA, würde die Legalisierung von Marihuana in Kalifor nien vor allem Probleme bringen. Die USA würden gegenüber den südlichen Nachbarn in eine äusserst widersprüchliche Situation geraten, da sich Washing ton seit langem für eine restriktive internationale Drogenpolitik einsetzt. Mexi kos Präsident, Felipe Calderón, hatte während des Abstimmungskampfs darauf hingewiesen: Es wäre scheinheilig, wenn die Vereinigten Staaten den Marihuanakonsum legalisieren würden, während sie gleichzeitig andere Länder dazu aufforderten, die Drogenproduktion zu bekämpfen, sagte er. Der Präsident von Kolumbien, Juan Manuel Santos, monierte seinerseits, dass es nicht möglich sei, Drogen unilateral zu legalisieren, weil diese nicht nur ein nationales, sondern vor allem ein internationales Sicherheitsproblem darstellten.

 Einige zentral- und südamerikanische Staaten sind der Legalisierung von Marihuana jedoch nicht mehr grundsätzlich abgeneigt. Inzwischen sehen viele ein, dass es trotz restriktiver Drogenpolitik nicht gelungen ist, die Nachfrage nach Rauschmitteln abzuschwächen. Ein florierender Schwarzmarkt, Gewalt und Korruption sind die Folgen. Einzelne Länder haben erste Schritte hin zu einer liberaleren Drogenpolitik gemacht. Mexiko entkriminalisierte 2009 den Besitz kleiner Mengen Marihuanas zu persönlichem Gebrauch, ebenso den Besitz geringer Mengen von Kokain, Heroin und LSD. Wer allerdings dreimal mit der erlaubten Menge der Droge erwischt wird, wird zu einem Entzugsprogramm verpflichtet. Auch in Argentinien ist der Marihuanakonsum seit einem Jahr nicht mehr strafbar.

 Bereits jetzt leichter Zugang

 Während ein kalifornisches Ja zur Legalisierung von Cannabis weitreichende und schwer einschätzbare Folgen für die Drogenpolitik der USA hätte, wären die Auswirkungen im Staat selbst weniger tiefgreifend. Der Konsum und die Produktion von Marihuana sind in Kalifornien seit 1996 zu medizinischen Zwecken erlaubt. 2009 hat auch Washington dieses Gesetz akzeptiert. Seither ist es für Volljährige eine Leichtigkeit, ganz legal an die Droge heranzukommen. Die begehrte Marihuana-Patientenkarte wird von Ärzten bei Symptomen wie Ängsten, Krämpfen oder Schmerzen vergeben. In dafür lizenzierten Verkaufsstellen kann damit Marihuana zum persönlichen Gebrauch bezogen werden. Zunehmend profitieren auch die Verwaltungen vom lukrativen Geschäft. So vergibt die Stadt Oakland seit kurzem grosszügig Lizenzen zum Anbau von Hanf zur Herstellung von medizinischem Marihuana und streicht dafür Gebühren und Steuern ein.

 Rückhalt bei den Jungen

 Aufgrund der weitgehenden Entkriminalisierung von Marihuana in Kalifornien wird die Hürde zu einer vollständigen Legalisierung immer kleiner. Beispiele wie Oakland verheissen zudem neue, dringend benötigte Steuereinnahmen dank einer regulierten Cannabis-Industrie. Der vergangene Abstimmungskampf hat diesen Aspekt des Cannabis-Konsums ins Bewusstsein der Öffentlichkeit und der Politik gebracht. Die Legalisierungsbefürworter haben damit einen beachtlichen Zuwachs an finanzieller und ideologischer Unterstützung erzielt und sind bereit, einen neuen Anlauf zu nehmen.

 Umfragen zeigen, dass die Mehrheit der Bevölkerung einer Legalisierung nicht grundsätzlich abgeneigt ist. Einige Punkte der abgelehnten Initiative wird das Komitee jedoch überdenken müssen. Dazu gehört die grosse Freiheit, welche den einzelnen Gemeinden zur Ausgestaltung der Regulierung und Besteuerung von Marihuana überlassen worden wäre. Die Chancen für eine neue Hanf-Initiative stehen 2012 besonders gut. Wegen der gleichzeitig stattfindenden Präsidentschaftswahlen wird nämlich eine höhere Stimmbeteiligung junger Erwachsener erwartet. Diese stimmten schon diesen Herbst mehrheitlich für die Initiative. "Die Frage bezüglich der Legalisierung von Marihuana ist nicht mehr, wann oder ob, sondern wie", sagt Ethan Nadelmann, ein prominenter Kritiker der amerikanischen Drogenpolitik.

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Landbote 10.1.11

Etappensieg für die Drogenanlaufstelle

 David Herter

 Das kantonale Verwaltungsgericht hat den Rekurs gegen die Baubewilligung für die Drogenanlaufstelle abgewiesen. Offen ist, ob die Gegner ans Bundesgericht gelangen werden. Dort wartet bereits ihre Stimmrechtsbeschwerde auf einen Entscheid.

 Im Detail wollen die Beteiligten das Urteil des Verwaltungsgerichtes nicht bekannt geben. Die Gegner der geplanten Drogenanlaufstelle, weil sie noch nicht über einen Weiterzug entschieden haben. Die Stadt, weil sie keine Risiken eingehen und den Umbau ihrer Liegenschaft an der Zeughausstrasse 76 nicht durch noch mehr Rechtsverfahren weiter verzögern will.

 Stadtschreiber Arthur Frauenfelder fasst immerhin die wichtigsten Punkte des Urteils zusammen. "Das Verwaltungsgericht hat den Entscheid der Baurekurskommission voll und ganz bestätigt." Der Umbau eines Hausteils zur Anlaufstelle für rund 700 Sucht- und psychisch Kranke in der Stadt Winterthur ist demnach zonenkonform und braucht keine weiteren "sichernden Bestimmungen". Möglicherweise im Umfeld entstehende Probleme wie Drogenhandel oder Beschaffungskriminalität fielen nicht in die Zuständigkeit der Baubehörden, sondern der Polizei, befand das Gericht.

 Laut Frauenfelder trat das Verwaltungsgericht, wie schon die Baurekurskommission, auf die Beschwerden von drei der vier Rekurrenten gegen die Baubewilligung gar nicht ein. Die Mitglieder des Quartiervereins Wildbach-Langgasse seien in ihrer Mehrheit nicht betroffen, ebenso wenig zwei weitere Beschwerdeführer.

 Nur Nachbarin zugelassen

 Das Gericht beurteilte lediglich die Anträge einer Nachbarin zum nicht korrekten Abstand zwischen Velounterstand und Strasse sowie zu den nicht geschlechtergetrennt geplanten WC- und Duschanlagen der Anlaufstelle, sagt Frauenfelder. "Das Verwaltungsgericht kam zum Schluss, dass die Nachbarschaft davon nicht negativ betroffen ist."

 Die Gegner der neuen Drogenanlaufstelle gaben sich am Freitag wortkarg. Die Frist für einen Weiterzug ans Bundesgericht läuft wegen der Gerichtsferien über Weihnachten noch bis Ende Januar. Je nachdem muss sich danach das Bundesgericht gleich zweimal mit der Winterthurer Drogenanlaufstelle befassen. In Lausanne liegt bereits ein Stimmrechtsrekurs zur Beurteilung, den sowohl der Bezirksrat als auch das Verwaltungsgericht bereits abgelehnt haben.

 Dieselbe Gegnerschaft aus dem Umkreis des Quartiervereins Wildbach-Langgasse wirft der Stadt vor, in den Abstimmungsunterlagen "irreführend und fehlerhaft" über die Drogenanlaufstelle informiert zu haben. Das Volk hat das Projekt im November 2009 mit einem Ja-StimmenAnteil von 62 Prozent gutgeheissen. Den Rekurs gegen die Baubewilligung hätten die Beschwerdeführer mit "zum Teil originellen" Zusatzanträgen ergänzt, sagt Stadtschreiber Frauenfelder. "Sie forderten vom Verwaltungsgericht, alle Vorinstanzen zu rechtsstaatlichem Handeln zu verpflichten." Der Antrag wurde vom Gericht abgelehnt mit der Begründung, für allgemeine Ermahnungen von Bauausschuss und Rekurskommission habe man keine Befugnis.

 Ordnungsbusse angedroht

 Heftiger reagierte das Verwaltungsgericht offenbar auf den Vorwurf der Gegner, die Vorinstanzen hätten sich mit den Befürwortern "verbrüdert". Dabei handle es sich um eine ungehörige Unterstellung, hält das Gericht in seinem Urteil fest. Im Falle einer Wiederholung werde es dafür eine Ordnungsbusse aussprechen.

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KNAST
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sf.tv 12.1.11

Anti-Folter-Kommission kritisiert Schweizer Haftanstalten

 Im Frauengefängnis Hindelbank (BE), im Untersuchungsgefängnis Brig (VS) und im Ausschaffungsgefängnis Granges (VS) liegt vieles im Argen. Das sagt die nationale Kommission zur Verhütung von Folter (NKVF), die erstmals Gefängnisse besuchte.

sda/buet

 Die seit einem Jahr tätige NKVF veröffentlichte drei Berichte über ihre Anstaltsbesuche im Mai und Juni 2010. Die von den Behörden unabhängige Kommission besteht aus 12 Expertinnen und Experten aus Medizin, Psychiatrie, Recht, Polizei und Strafvollzug.

 In Hindelbank sei das Niveau an Isolation im Hochsicherheitstrakt, in dem besonders die zwei derzeit verwahrten Insassinnen gehalten würden, aus menschlicher, rechtlicher und medizinischer Sicht kaum zu rechtfertigen, schreibt die NKVF. Das komme einer unmenschlichen Behandlung nahe und stehe einer positiven Entwicklung der Insassinnen absolut entgegen.

 Jede kleinste Normabweichung bestraft

 Allgemein sei die Betreuung der zur Zeit des Besuchs insgesamt 100 Insassinnen stark auf den konformen Ablauf des Anstaltslebens und auf das Regelverhalten ausgerichtet. Das minutiöse Festhalten der kleinsten Regelverstösse durch das Betreuungspersonal könne negative Auswirkungen auf den Strafvollzug als Ganzes haben.

 Insbesondere die paradoxe Situation, dass einerseits viele Freiheiten bestünden, anderseits aber jede kleinste Normabweichung in fast schulmeisterlicher Manier bestraft werde, sei einer zukünftigen Reintegration nicht förderlich.

 Bei ihrem Besuch in Hindelbank stellte die Kommission zudem fest, dass die Raumverhältnisse in den älteren Wohneinheiten zu eng seien und verbessert werden sollten. Die sanitären Anlagen entsprächen nicht dem schweizerischen Standard. Der geplante Neu- und Umbau des oberen Teils der Anstalt sollte möglichst bald erfolgen.

 Strenges Haftregime

 Im Ausschaffungsgefängnis in Granges sei der Gefängnischarakter besonders ausgeprägt, und auch die Haftbedingungen entsprächen einem eher strengen Haftregime, schreibt die Kommission. Die Insassen befänden sich in Zweierzellen mit Stehtoiletten und verfügten über keine Rückzugsmöglichkeiten und keine Intimsphäre.

 Es gebe wenige Sozialkontakte ausser jenen mit dem Zellengenossen, was als belastend empfunden werde. Dies sei insbesondere bei langer Haftdauer der Fall. Die Haftbedingungen sollen gelockert werden, empfiehlt die NKVF. Nach Möglichkeit sollten Einzelzellen mit normalem WC zur Verfügung stehen.

 Die Insassen beklagten sich auch über die bei externen Arztbesuchen angewandten Sicherheitsmassnahmen. Die Fesselungen empfänden sie als erniedrigend. Besonders kritisiert die NKVF auch, dass für die Behandlung von psychischen Problemen bei Insassen keine psychiatrische Fachperson zur Verfügung steht. Und das Besuchsregime werde zu streng gehandhabt. Der Besuch von Kindern sollte erleichtert werden.

 "Erniedrigende Behandlung"

 Von "erniedrigender Behandlung" berichtet die Kommission aus dem Untersuchungsgefängnis in Brig, das sich im gleichen Gebäude befindet wie der Polizeiposten.

 Bei der Leibesvisitation seien die männlichen Personen völlig nackt und müssten sich gegen eine Wand bücken, bevor eine visuelle Kontrolle des Anus vorgenommen werde. Diese systematisch bei allen Insassen angewandte Massnahme sei unverhältnismässig und entwürdigend.

 Die Begleitung handgefesselter Personen durch stark bevölkerte Plätze und Strassen sei zu vermeiden, ebenso deren Aufenthalt in Wartesälen und dergleichen, empfiehlt die Nationale Kommission zur Verhütung von Folter.

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Tagesanzeiger 12.1.11

Wo Häftlinge erniedrigt werden

 Strenge Isolation und nacktes Bücken: Die nationale Kommission zur Verhütung von Folter kritisiert gewisse Zustände in Schweizer Gefängnissen. Vor allem psychisch Kranke drohten ohne Perspektive jahrelang vor sich hinzuvegetieren.

 Von Daniel Friedli, Bern

 Wenn es um das Treiben in den Schweizer Gefängnissen geht, sprechen vorab SVP-Vertreter gerne von Verhältnissen wie im Hotel oder dem gesellig-luxuriösen Club Med. Eine andere Sicht präsentierte gestern die nationale Kommission zur Verhütung von Folter (NKVF). Sie hat vor einem Jahr die Aufgabe übernommen, die Menschenrechtslage der Häftlinge in der Schweiz zu beobachten und so mitzuhelfen, Folter und andere unmenschliche oder erniedrigende Behandlungen zu verhindern. Nun hat sie die ersten Berichte vorgelegt - und dabei festgestellt, dass es offenbar doch einiges zu tun gibt.

 Die Kritik der Kontrolleure betrifft zum einen das Frauengefängnis Hindelbank BE, wo zwei Frauen unter Umständen verwahrt sind, die laut NKVF einer "unmenschlichen Behandlung nahekommen". Die beiden psychisch kranken Insassinnen leben, essen und arbeiten allein, auch im Aussenhof, wo ihnen ein mit Stacheldraht gesicherter Auslauf von 10 mal 3 Metern zur Verfügung steht. Selbst die Therapiegespräche werden durch Gitter hindurch geführt, an Kursen nehmen sie hinter einer Sicherheitswand teil.

 Eine solch strenge Isolationshaft über mehrere Jahre erachtet die Kommission als menschenunwürdig. Erschwerend kommt im Urteil von Präsident Jean-Pierre Restellini dazu, dass sich der Krankheitszustand der beiden durch dieses Haftregime verschlimmert statt verbessert. Denn aus psychologischer Warte wären sie auf möglichst viele soziale Kontakte angewiesen, die ihnen aber verwehrt bleiben, was eine Heilung behindere. "Das Niveau an Isolation (...) ist aus menschlicher, rechtlicher und medizinischer Sicht kaum zu rechtfertigen", lautet das Urteil der NKVF.

 Entwürdigender Blick in Anus

 Alarmiert ist die Kommission auch über die Praxis, wie im Untersuchungsgefängnis von Brig Leibesvisitationen durchgeführt werden. Die Kontrolleure stellten fest, dass sich die Häftlinge dazu komplett ausziehen und sich dann nackt gegen eine Wand bücken müssen, worauf die Aufseher auch in den Anus der Männer blicken. Die systematische Anwendung dieser Massnahme erachtet die NKVF als unverhältnismässig und entwürdigend. Auch hier handle es sich um eine Praxis, die dem UNO-Übereinkommen gegen die Folter zuwiderläuft.

 Die kritisierten Kantone teilen diese Vorwürfe indes nicht. Der Kanton Bern sagt zur Situation in Hindelbank, man könne nicht von Isolationshaft sprechen, zumal die Frauen durchaus intensive Kontakte zum Personal und den Therapeuten hätten. Was die Sprechstunde durchs Gitter angehe, so stehe eben die Sicherheit an erster Stelle. Mit demselben Argument reagiert das Wallis. Natürlich dürfe eine Leibesvisitation nicht erniedrigend sein, so der Staatsrat. Man sei aber umgekehrt auf kohärente Methoden angewiesen, die dem Imperativ der Sicherheit genügten.

 Gefahren für psychisch Kranke

 Wenig Verständnis für diese Argumente hat Amnesty International. Die Menschenrechtsorganisation sah sich gestern in ihrer Kritik bestärkt, dass auch in Schweizer Anstalten lange nicht alles zum Besten bestellt ist. Sprecherin Denise Graf hofft denn auch, dass durch den Bericht der NKVF nun endlich eine Diskussion darüber in Gang kommt.

 Als weit weniger dramatisch beurteilt indes SVP-Nationalrätin Natalie Rickli die Verhältnisse. Sie habe bei ihren Besuchen die Haftbedingungen ganz anders erlebt, nämlich geradezu luxuriös, sagte Rickli gestern. Und ohne sich damit zu den einzelnen Vorwürfen der NKVF zu äussern, fügte sie an, dass man in der geschlossenen Anstalt durchaus einen Unterschied zum offenen Vollzug spüren dürfe - und dass die Kriminalität der Häftlinge bisweilen leider besondere Massnahmen nötig mache. Zur Kommission selber sagt Rickli: "Es braucht sie nicht."

 Präsident Jean-Pierre Restellini sieht dies naturgemäss anders. Da man bewusst in Kantonen mit einem guten Ruf im Strafvollzug begonnen habe, sei zu erwarten, dass etwa die Befunde zur Behandlung von psychisch kranken Menschen andernorts kaum besser ausfallen werden. "Es besteht die ernsthafte Gefahr, dass eine grosse Zahl von Insassinnen und Insassen ohne Perspektive und ohne Therapieerfolg auf unbestimmte Zeit in ungeeigneten Bedingungen festgehalten wird." Deshalb müsse man prüfen, ob die Gefängnisse für solche Menschen wirklich der richtige Ort seien.

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 Mehr Inhaftierte

 72 Prozent sind Ausländer

 Fast 6200 Personen sind in der Schweiz inhaftiert. Das ist der höchste Stand seit 1999. Im Vorjahr waren es 6048. Im Verhältnis zur Bevölkerungszahl blieb der Häftlingsbestand aber konstant. Dennoch sind in der lateinischen Schweiz einige Gefängnisse überbelegt. Dies geht aus der Statistik über den Freiheitsentzug 2010 hervor.

 Seit 1999 schwankt die Zahl der Inhaftierten in der Schweiz zwischen knapp 5000 (2002) und 6200 (2010). Auf 100 000 Einwohner gab es letztes Jahr 80 Insassen in Haftanstalten - eine seit 2004 ziemlich konstante Grösse. Die Schweiz hat im westeuropäischen Vergleich eine relativ niedrige Häftlingsrate. Die Gefängnisse waren zu 92,5 Prozent belegt. Diese Rate nahm gegenüber 2009 um 1,5 Prozent zu. Während in der Deutschschweiz die Anstalten zu rund 87 Prozent belegt waren, erreichte die Belegungsrate in den lateinischen Kantonen 105 Prozent. So musste etwa die Genfer Anstalt Champ-Dollon, die auf 270 Haftplätze angelegt ist, zeitweilig 622 Häftlinge aufnehmen. Einige Waadtländer Gefängnisse waren zu 130 bis 170 Prozent belegt.

 Seit 2004 ist der prozentuale Anteil an ausländischen Inhaftierten stabil: Er macht 72 Prozent des Gesamtbestands aus. Bei den Untersuchungshäftlingen lag der Ausländeranteil gar bei über 81 Prozent.(SDA)

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BZ 12.1.11

Bericht

 Anti-Folter-Kommission kritisiert Anstalt Hindelbank

 In der Frauenstrafanstalt Hindelbank herrschen laut der Nationalen Kommission zur Verhütung von Folter kaum haltbare Zustände. Die Anstaltsleitung wehrt sich.

 In der Strafanstalt Hindelbank liegt etliches im Argen. Zu diesem Schluss kommt ein gestern publizierter Bericht der Nationalen Kommission zur Verhütung von Folter.

 Besonders hart ist die Kritik in Bezug auf den Hochsicherheitstrakt. In Hindelbank sei das Niveau an Isolation im Hochsicherheitstrakt, in dem besonders die zwei derzeit verwahrten Insassinnen gehalten würden, aus menschlicher, rechtlicher und medizinischer Sicht kaum zu rechtfertigen, schreibt die Kommission.

 Das komme einer unmenschlichen Behandlung nahe und stehe einer positiven Entwicklung der Insassinnen absolut entgegen. Allgemein sei die Betreuung der zur Zeit des Besuchs insgesamt hundert Insassinnen stark auf den konformen Ablauf des Anstaltslebens und auf das Regelverhalten ausgerichtet gewesen. Das minutiöse Festhalten der kleinsten Regelverstösse durch das Betreuungspersonal könne negative Auswirkungen auf den Strafvollzug als Ganzes haben.

 Die Anstaltsleitung wehrt sich gegen die Kritik. Sie bedaure, dass die Kommission den Bericht bloss auf Aussagen der Insassinnen abstütze statt auf objektivierte Fakten, sagt Anstaltsdirektorin Marianne Heimoz gegenüber dieser Zeitung.

 Die erst seit einem Jahr tätige Anti-Folter-Kommission hat auch zwei Haftanstalten im Wallis unter die Lupe genommen. Auch dort fand sie diverse Mängel. So kritisierte sie "erniedrigende Behandlungen" von Insassen bei Leibesvisitationen.maSeite 15

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Anstalt Hindelbank   - Kritik der Anti-Folter-Kommission

 Experten kritisieren Umgang mit den gefährlichsten Frauen der Schweiz

 Im Hochsicherheitstrakt der Strafanstalt Hindelbank leben die beiden gefährlichsten Frauen der Schweiz weitgehend isoliert. Die Nationale Anti-Folter-Kommission kritisiert nun den Umgang mit den Insassinnen scharf. Die Anstaltsleitung wehrt sich.

 Wie hart darf der Umgang mit gefährlichen Schwerstverbrecherinnen in Strafanstalten sein? Darüber ist gestern eine Kontroverse entbrannt. Die nationale Kommission zur Verhütung von Folter hat einen Bericht veröffentlicht, in dem sie Haftbedingungen in verschiedenen Schweizer Gefängnissen und Strafanstalten kritisierte.

 Im Fokus der Kommission stand unter anderem der Hochsicherheitstrakt der Frauenstrafanstalt Hindelbank. Dort sind jene beiden Frauen eingesperrt, die von Amtes wegen als die gefährlichsten Frauen der Schweiz eingestuft sind. Eine davon ist die aus früheren Medienberichten bekannte Parkhausmörderin. Die Identität der anderen ist nicht bekannt.

 Die Kritik der Kommission an den Haftbedingungen in Hindelbank ist hart: Das Niveau an Isolation der beiden Frauen sei "aus menschlicher, rechtlicher und medizinischer Sicht kaum zu rechtfertigen", schreibt die Kommission. Ein solcher Umgang komme einer unmenschlichen Behandlung nahe und stehe "einer positiven Entwicklung der Insassinnen absolut entgegen".

 Konkret kritisiert die Kommission, dass die Therapeutinnen mit den beiden verwahrten Frauen die Therapiegespräche nur durch Gitterstäbe führen können. Die Kommission empfiehlt, Sicherheitsmassnahmen den reellen Risiken anzupassen - "eher durch vermehrte personelle Präsenz anstatt durch technische Mittel wie Gitter, Scheiben und Handschellen".

 Zudem, so die Kommission, werde den Frauen zu wenig Gelegenheit für menschliche Kontakte geboten. Und das Personal habe zum Teil keine adäquate Ausbildung.

 Sicherheit hat Priorität

 Anstaltsdirektorin Marianne Heimoz wehrt sich gegen diese Vorwürfe. Sie bedaure, dass die Kommission den Bericht bloss auf Aussagen der Insassinnen statt auf objektivierte Fakten abstütze. Man müsse sich bewusst sein, dass es sich bei den Frauen im Hochsicherheitstrakt um zeitweise unberechenbare Menschen handle, welche nicht von ungefähr als gemeingefährlich eingestuft worden seien. "Es kommt immer wieder vor, dass die Frauen auch das Personal aus heiterhellem Himmel angreifen." Die Sicherheit müsse an oberster Stelle stehen. Käme es wegen Lockerungen der Sicherheitsvorkehrungen zu Interventionen, könnte dies zu lebensbedrohlichen Situationen führen. Diese Einschätzung teilt auch die Regierung des Kantons Bern in einer Mitteilung.

 Die Kommission kritisiert aber auch die Situation in den anderen Abteilungen der Anstalt: Allgemein sei die Betreuung der zur Zeit des Besuchs insgesamt 100 Insassinnen stark auf den konformen Ablauf des Anstaltslebens und auf das Regelverhalten ausgerichtet. Das minutiöse Festhalten der kleinsten Regelverstösse durch das Betreuungspersonal könne negative Auswirkungen auf eine spätere Integration haben. Bei ihrem Besuch in Hindelbank stellte die Kommission zudem fest, dass die Raumverhältnisse in Wohneinheiten zu eng seien und verbessert werden sollten. Die sanitären Anlagen entsprächen nicht dem schweizerischen Standard. Der geplante Umbau des oberen Teils der Anstalt sollte bald erfolgen. In diesem Punkt geben Gefängnisleitung und Regierung der Kommission recht.
 
Mischa Aebi

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 Neue Organisation

 Kommission Die Nationale Kommission zur Verhütung von Folter ist eine Organisation des Bundes. Sie ist noch jung, hat ihre Arbeit erst im letzten Sommer aufgenommen. Sie setzt sich aus Fachleuten verschiedener Richtungen zusammen.

 Neben Hindelbank hat sie auch Kontrollen in zwei Anstalten respektive Gefängnissen im Wallis durchgeführt. Auch bei diesen Haftinstitutionen hat sie diverse Haftumstände scharf kritisiert.ma

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 Ohne zusätzliche Haftplätze geht es nicht mehr

 Die Schweizer Gefängnisse platzen aus allen Nähten. In der Romandie liegt die Belegungsrate bei 105 Prozent. Und der Kanton Bern warnt, dass Strafen wegen des Vollzugsnotstands verjähren könnten.

 Fast 6200 Personen sitzen in der Schweiz hinter Gittern. Das ist der höchste Stand seit 1999. Wie aus der Statistik über den Freiheitsentzug 2010 des Bundesamts für Statistik hervorgeht, waren am 1. September 2010 in der Schweiz 6181 Personen in Einrichtungen des Freiheitsentzugs inhaftiert. Im Vorjahr waren es 6084.

 Die Gefängnisse waren zu 92,5 Prozent belegt. Die Belegungsrate nahm gegenüber 2009 um 1,5 Prozentpunkte zu. Im Tessin und in der Romandie lag die Belegungsrate gar bei 105 Prozent.

 Von den Inhaftierten befanden sich 31 Prozent in Untersuchungshaft, 61 Prozent im Straf- und Massnahmenvollzug, 6 Prozent waren im Rahmen von Zwangsmassnahmen gemäss Bundesgesetz über die Ausländer und 2 Prozent aus anderen Gründen inhaftiert.

 Seit 2004 ist der prozentuale Anteil an ausländischen Inhaftierten stabil und macht 72 Prozent des Gesamtbestands aus. Bei den Untersuchungshäftlingen lag der Ausländeranteil gar bei über 81 Prozent. Ausländer werden wegen Fluchtgefahr eher in Untersuchungshaft genommen als Schweizer.

 Die Erhebung zum Freiheitsentzug wurde bei den 114 Anstalten und Institutionen des Freiheitsentzugs der kantonalen Justiz- und Polizeidepartemente durchgeführt. Sie verfügen über total 6683 Haftplätze.

 Prekäre Situation in Bern

 Auch im Kanton Bern ist die Situation äusserst angespannt, wie Beat Jost, stellvertretender Leiter des Amts für Freiheitsentzug und Betreuung (FB), auf Anfrage erklärt. "Wir sind am Anschlag", gibt er unumwunden zu. Eine Einrichtung gelte gemeinhin bei einer Auslastung von 85 Prozent als voll besetzt. Die fünf Regionalspitäler im Kanton Bern seien jedoch im vergangenen Jahr zu 94 Prozent belegt gewesen, die Strafanstalten Hindelbank und Witzwil zu 95 und das Massnahmezentrum St. Johannsen gar zu 100 Prozent. "Auf dem Thorberg besteht eine Warteliste", so Jost weiter. Und derzeit gebe es keinerlei Anzeichen, dass sich die Lage im laufenden Jahr noch entspannen könnte. Im Gegenteil: Während in den Berner Gefängnissen der Vollzugsnotstand herrscht, müssen im Kanton gleichzeitig rund 3000 Personen hinter Gitter, weil sie eine Geldstrafe nicht bezahlt haben. Pikant daran ist: Wenn Übertretungen nicht innert drei Jahren vollzogen werden, verjähren sie. "Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit", sagt Beat Jost. "Wenn wir das geplante Gefängnis für Kurzstrafen nicht realisieren können, werden wir diesen Wettlauf verlieren, und viele Strafen werden ungesühnt bleiben."

 Containerzellen in Witzwil

 Das Kurzstrafengefängnis ist auf dem Anstaltsgelände Witzwil im Seeland geplant. Bis im Herbst sollen da Container mit 36 bis 48 Haftplätzen aufgestellt und umzäunt werden. Kostenpunkt: rund 2,2 Millionen Franken. Der Antrag von Polizeidirektor Hans-Jürg Käser (FDP) soll im Februar dem Gesamtregierungsrat vorgelegt werden.

 Weitere neue Haftplätze entstehen bis im April 2012 im neuen Regionalgefängnis Burgdorf. Auch im Aargau und in Solothurn sind neue Plätze geplant.
 sda/pas

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NZZ 12.1.11

Kommission prüft Gefängnisse

 Erste Berichte - Kritik an Leibesvisitationen und Stehtoiletten

 nj./ (sda) · Den Kantonen Wallis und Bern kann vorerst grundsätzlich ein gutes Zeugnis ausgestellt werden: Bisher seien keine Anzeichen von Folter in den untersuchten kantonalen Haftanstalten festgestellt worden. Dies bestätigte die Leiterin des Sekretariats der Nationalen Kommission zur Verhütung von Folter (NKVF), Sandra Imhof, auf Anfrage. Die Einrichtungen in der Schweiz hätten im Allgemeinen einen hohen Standard, insbesondere im Vergleich zum Ausland.

 Die NKVF hat am Dienstag ihre ersten beiden Berichte zu den im Mai und Juni 2010 durchgeführten Anstaltsbesuchen in den Kantonen Wallis und Bern veröffentlicht. Anlass zu Kritik und Verbesserung gaben dennoch einige Sachverhalte, die in den Anstalten beobachtet worden sind. Von "erniedrigender Behandlung" etwa berichtet die Kommission aus dem Untersuchungsgefängnis in Brig, das sich im gleichen Gebäude befindet wie der Polizeiposten. Bei der Leibesvisitation seien die männlichen Personen völlig nackt und müssten sich gegen eine Wand bücken, bevor eine visuelle Kontrolle des Anus vorgenommen werde. Diese systematisch bei allen Insassen angewandte Massnahme sei unverhältnismässig und entwürdigend. Die Begleitung gefesselter Personen durch stark bevölkerte Plätze und Strassen sei zu vermeiden, ebenso deren Aufenthalt in Wartesälen und dergleichen, empfiehlt die NKVF.

 Im Ausschaffungszentrum in Granges (Wallis) sei der Gefängnis-Charakter besonders ausgeprägt, und auch die Haftbedingungen entsprächen einem eher strengen Regime, hält die Kommission fest. Die Insassen befänden sich in Zweierzellen mit Stehtoiletten und verfügten über keine Rückzugsmöglichkeiten und keine Intimsphäre. In Hindelbank sei das Niveau an Isolation im Hochsicherheitstrakt, in dem die zwei derzeit verwahrten Frauen leben müssten, aus menschlicher, rechtlicher und medizinischer Sicht kaum zu rechtfertigen, schreibt die NKVF. Das komme einer unmenschlichen Behandlung nahe und stehe einer positiven Entwicklung der Insassinnen entgegen.

 Die Kommission hat ihre Tätigkeit vor einem Jahr aufgenommen, gestützt auf das internationale Fakultativprotokoll zur Verhütung von Folter, das für die Schweiz 2009 in Kraft getreten ist. Die Kommission untersucht Haftanstalten und andere Orte des Freiheitsentzugs im Hinblick auf alle für die Schweiz geltenden Menschenrechtsnormen, lehnt sich jedoch stark an die Richtlinien der europäischen Folterkonvention an. Dieses Jahr werden weitere Anstalten in 15 verschiedenen Kantonen untersucht.

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Aargauer Zeitung 12.1.11

Häftlinge müssen sich nackt gegen die Wand bücken

 Strafvollzug Erniedrigende Behandlung in Hindelbank, Granges und Brig

 Im Frauengefängnis Hindelbank, im Untersuchungsgefängnis Brig und im Ausschaffungsgefängnis Granges VS liegt vieles im Argen. Das sagt die Nationale Kommission zur Verhütung von Folter (NKVF), die erstmals Gefängnisse besuchte. Grosse Fragezeichen setzt die Kommission hinter die Haftbedingungen in Brig. Sie berichtet von "erniedrigender Behandlung" aus dem Untersuchungsgefängnis, das sich im gleichen Gebäude befindet wie der Polizeiposten.

 Anus-Kontrolle an der Wand

 Bei der Leibesvisitation seien die männlichen Personen völlig nackt und müssten sich gegen eine Wand bücken, bevor eine visuelle Kontrolle des Anus vorgenommen werde. Diese systematisch bei allen Insassen angewandte Massnahme sei unverhältnismässig und entwürdigend. Auch die Begleitung handgefesselter Personen durch stark bevölkerte Plätze und Strassen sei zu vermeiden.

 Zweierzelle mit Stehtoilette

 In Hindelbank sei das Niveau an Isolation im Hochsicherheitstrakt, in dem besonders die zwei derzeit verwahrten Insassinnen gehalten würden, aus menschlicher, rechtlicher und medizinischer Sicht kaum zu rechtfertigen, schreibt die NKVF. Das komme einer unmenschlichen Behandlung nahe. Allgemein sei die Betreuung der Insassinnen stark auf das Regelverhalten ausgerichtet. Die paradoxe Situation, dass einerseits viele Freiheiten bestünden, anderseits jede kleinste Normabweichung bestraft werde, sei einer zukünftigen Reintegration nicht förderlich.

 In Granges entsprächen die Haftbedingungen einem strengen Haftregime. Die Insassen befänden sich in Zweierzellen mit Stehtoiletten und verfügten über keine Intimsphäre. Es gebe wenige Sozialkontakte ausser jenen mit dem Zellengenossen, was belastend sei. Die Haftbedingungen sollen gelockert werden, empfiehlt die NKVF. Zudem würden die Insassen bei Arztbesuchen gefesselt.

 Die NKVF besuchte die Gefängnisse im Mai und Juni 2010. Die von den Behörden unabhängige Kommission besteht aus 12 Expertinnen und Experten aus Medizin, Psychiatrie, Recht, Polizei und Strafvollzug. (sda)

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Le Temps 12.1.11

Excès sécuritaires dans des prisons suisses

 Les premiers rapports de la Commission nationale contre la torture dénoncent l'isolement prolongé, des fouilles corporelles injustifiées et un cadre trop strict pour les étrangers sous mesures de contrainte

Fati Mansour

 "On m'envoie en Sibérie pour stopper ce genre de pratiques et voilà que je les trouve en Suisse." Jean-Pierre Restellini, le président de la jeune Commission nationale de prévention de la torture (CNPT) est encore sous le choc de ses découvertes. Chargée d'inspecter les lieux de privation de liberté en Suisse, cette structure indépendante a publié mardi ses tout premiers rapports. Ceux-ci concernent la prison pour femmes de Hindelbank (BE), le poste de police et la prison préventive de Brigue (VS) ainsi que le centre de détention administrative de Granges (VS).

 Pour ses débuts, cette structure indépendante, composée de douze spécialistes recrutés dans les milieux du droit, de la médecine, de la police et du social, avait pourtant choisi des établissements encore peu exposés à la polémique. Le constat est tout de même sévère sur certains points. Les conditions de détention imposées à deux femmes internées dans le quartier de haute sécurité de la prison bernoise sont ainsi qualifiées de "particulièrement inquiétantes" et pouvant s'apparenter à "un traitement inhumain".

 La mort de Skander Vogt dans une cellule enfumée de Bochuz, avait déjà révélé au grand jour les effets pervers de l'internement et de l'utilisation prolongée d'un régime hautement sécurisé. La délégation de la CNPT n'a pas tardé à être confrontée à cette même problématique. En visitant Hindelbank, elle a constaté que deux femmes, soumises à une mesure d'internement, y sont détenues (depuis 7 ans pour l'une d'elles) dans un isolement quasi complet. Même la thérapie se déroule à travers les barreaux en raison de la dangerosité alléguée des personnes concernées.

 "Je ne comprends pas que des psychiatres acceptent de travailler dans de telles conditions. On ne peut pas établir des relations thérapeutiques dans un pareil cadre. En privant ces femmes de contacts plus fréquents avec le personnel, d'échanges avec les autres détenues et d'un traitement plus approprié, on aggrave leur trouble de la personnalité et on en fait des sauvages", précise Jean-Pierre Restellini.

 La Commission recommande ici aux autorités concernées de prévoir un lieu plus propice à la thérapie et d'abaisser le niveau de l'isolement afin de ne pas détériorer encore l'état mental des intéressées. En gros, la CNPT estime que les mesures de sécurité sont ici disproportionnées par rapport aux risques envisagés. "C'est notre rôle que de faire contrepoids à l'exigence sécuritaire qui imprègne toutes ces institutions et de tirer la sonnette d'alarme pour dire que cela va trop loin", ajoute son président.

 A la prison préventive de Brigue, la délégation a constaté la systématique d'une fouille corporelle comprenant un contrôle visuel de l'anus. "Cette mesure, qui s'applique à tous les détenus, est disproportionnée et dégradante", souligne le rapport. La CNPT recommande également d'éviter de conduire des personnes menottées à travers des rues fréquentées et de la faire attendre dans des lieux publics comme cela semble être le cas.

 Lieu sensible car dédié à la rétention des étrangers sous mesures de contrainte, le centre de Granges n'a pas fait meilleure figure qu'en 2008, lors de la visite du Comité européen contre la torture. D'ailleurs, le rapport mentionne que le responsable du centre n'a même jamais lu les premières recommandations. Aujourd'hui encore, le "caractère carcéral particulièrement marqué" et les conditions d'un régime plutôt strict sont pointés du doigt. Les pensionnaires passent pratiquement 20 heures par jour en cellule et ne disposent d'aucune activité.

 Rappelant que les détenus qui y séjournent ne sont pas des délinquants mais des étrangers destinés à être renvoyés ou expulsés de force, la CNPT préconise un assouplissement des conditions de détention, la mise à disposition de cellules individuelles équipées de toilettes normales et la création de possibilités d'occupation appropriées.

 Les 13 détenus rencontrés à Granges se trouvaient en outre "dans un état psychologiquement marqué par de l'énervement et une grande inquiétude". Aucun spécialiste n'étant disponible pour traiter les problèmes psychiques de ces personnes, le rapport recommande de mettre sur pied ce suivi "indispensable" en créant un service adapté.

 En fonction depuis tout juste un an, la Commission se félicite de l'accueil qui lui a été réservé par les autorités cantonales même si l'accès à certains détenus - en haute sécurité par exemple - n'est pas allé de soi. Des moyens financiers limités ont aussi empêché la traduction des rapports dans les trois langues nationales. Celui sur la prison d'Hindelbank n'existe donc qu'en allemand.

 D'autres visites ont été menées et donneront lieu prochainement à de nouveaux rapports. La Commission s'est intéressée aux vols spéciaux organisés par l'Office fédéral des migrations et à la prison de l'aéroport de Zurich où attendent les candidats au renvoi forcé. Un sujet particulièrement explosif depuis le décès d'un ressortissant nigérian.

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20 Minuten 12.1.11

Häftlingsrekord in den Schweizer Gefängnissen

 NEUENBURG. Schweizer Gefängnisse haben mit 6181 Häftlingen eineRekordbelegung.

 Die Gefängnisse sind übervoll: Am 1. September 2010 waren 6181 Personen - davon 72% Ausländer - in Einrichtungen des Freiheitsentzugs inhaftiert. "Dies ist der höchste Bestand seit 1999", schreibt das Bundesamt für Statistik in einer gestern veröffentlichen Studie. Dabei sei vor allem in den lateinischen Kantonen, wo die Gefängnisse mit einer Belegungsrate von 105% überfüllt seien, eine Sättigung festzustellen.

 "Mögliche Gründe gibt es viele", meint Thomas Freytag, Präsident von Freiheitsentzug Schweiz. Zum Einen sei die erhoffte Wirkung der Strafrechtsrevision von 2007 ausgeblieben. Diese hatte unter anderem zum Ziel, kurze Freiheitsstrafen vermehrt durch Geldstrafen zu verdrängen. "Wenn ein Straftäter seine Geldstrafe aber nicht bezahlt, kommt er trotzdem ins Gefängnis", meint Freytag. "So werden Prozesse verlängert, Anstalten aber kaum entlastet."

 Zudem sei eine Verschärfung der Entlassungspraxis zu beobachten: "Durch Vorfälle wie zuletzt der Mordfall von Lucie im Kanton Aargau stieg der Druck seitens der Öffentlichkeit und Politiker auf die Behörden." Die Häftlinge würden heute tendenziell länger in den Anstalten verweilen. "Dies verstopft die Gefängnisse."

 Auch in der Wirtschaftskrise sieht Stefan Leutert, Sekretär der Kommission für Straf- und Massnahmenvollzug der KKJPD, einen Grund für die Rekordzahl: "Je mehr Arbeitslose es gibt, desto mehr Leute sind straffällig."  

Cécile Blaser

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 Untragbare Zustände

 BERN. Im Frauengefängnis Hindelbank BE, im Untersuchungsgefängnis Brig VS und im Ausschaffungsgefängnis Granges VS liegt vieles im Argen. Zu diesem Schluss kommt die Nationale Kommission zur Verhütung von Folter (NKVF), die erstmals Gefängnisse besuchte. Die seit einem Jahr tätige NKVF veröffentlichte drei Berichte über ihre Anstaltsbesuche im Mai und Juni 2010. In Hindelbank etwa sei das Niveau an Isolation im Hochsicherheitstrakt, in dem die zwei derzeit verwahrten Insassinnen gehalten würden, aus menschlicher, rechtlicher und medizinischer Sicht kaum zu rechtfertigen, schreibt die NKVF.

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10vor10 11.1.11

Schweizer Gefängnisse kritisiert

Die nationale Kommission zur Verhütung von Folter kritisiert verschiedene Schweizer Gefängnisse scharf. Die Häftlinge müssen teilweise entwürdigende Kontrollen über sich ergehen lassen.
http://videoportal.sf.tv/video?id=d3cb3522-8bcf-476f-8512-b02dff5172c9

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nkvf.admin.ch 11.1.11

Die Nationale Kommission zur Verhütung von Folter veröffentlicht ihre ersten Berichte

Medienmitteilungen, NKVF, 11.01.2011

Bern. Ein Jahr nach Aufnahme ihrer Tätigkeiten veröffentlicht die Nationale Kommission zur Verhütung von Folter (NKVF) die ersten Berichte. Diese sind das Ergebnis eines konstruktiven und regelmässigen Dialogs mit den kantonalen Behörden. In Anwendung des Fakultativprotokolls zur Anti-Folter- Konvention der UNO überprüft die NKVF in der Schweiz die Situation von Personen im Freiheitsentzug und stellt mit ihren Besuchen sicher, dass die Rechte der Inhaftierten eingehalten werden.

Die NKVF hat heute ihre ersten beiden Berichte zu den im Mai und Juni 2010 durchgeführten Anstaltsbesuchen in den Kantonen Wallis und Bern veröffentlicht. Diese Berichte sind das Ergebnis eines kontinuierlichen Dialogs, welcher die Kommission mit den Behörden der Kantone Wallis und Bern geführt hat. Auf diese Weise soll eine nachhaltige Zusammenarbeit entstehen.

"Das von der NKVF definierte Berichterstattungsverfahren hat sich insofern bewährt, als dass wir einen konstruktiven Dialog mit den kantonalen Behörden aufbauen konnten, der ein wichtiger Handlungsgrundsatz unserer Kommission darstellt", sagt der NKVF-Präsident Jean-Pierre Restellini. Im Anschluss an einen Anstaltsbesuch übermittelt die Kommission den kantonalen Behörden ihre wichtigsten Beobachtungen und richtet erste Empfehlungen an sie. Die kantonalen Behörden haben anschliessend die Möglichkeit, zum Inhalt des Berichtes Stellung zu nehmen.

In ihrem Schlussbericht berücksichtigt die NKVF die Stellungnahme der kantonalen Behörden, sofern es sich um zusätzliche Informationen oder Korrekturen handelt, welche den Bericht in sinnvoller Weise ergänzen. Allerdings hält sie stets an den von ihr formulierten Empfehlungen fest, welche das Ergebnis sämtlicher während eines Besuches gesammelten Beobachtungen sind. Diese Empfehlungen bilden ausserdem den Kern der gesamten Kommissionsarbeit.

Die NKVF ist eine von den Behörden unabhängige Kommission. Sie besteht aus 12 Expertinnen und Experten aus den Bereichen Medizin, Psychiatrie, Recht, Polizei und Strafvollzug, die regelmässige Besuche in allen Orten des Freiheitsentzuges durchführen.

Kontakt / Rückfragen
Sandra Imhof, Nationale Kommission zur Verhütung von Folter, T +41 79 573 40 78, Kontakt

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Dokumente

* Bericht an den Staatsrat des Kantons Wallis betreffend den Besuch der Nationalen Kommission zur Verhütung von Folter im Untersuchungsgefängnis und Polizeiposten Brig vom 28. Mai 2010 (243 Kb, pdf)
http://www.nkvf.admin.ch/content/dam/data/nkvf/110110_ber_vs_brig-d.pdf
* Bericht an den Staatsrat des Kantons Wallis betreffend den Besuch der Nationalen Kommission zur Verhütung von Folter im LMC Granges vom 27. Mai 2010 (266 Kb, pdf)
http://www.nkvf.admin.ch/content/dam/data/nkvf/110110_ber_vs_granges-d.pdf
* Prise de position du Canton du Valais suit au rapport final de la Commission nationale de prévention de la torture (1874 Kb, pdf)
http://www.nkvf.admin.ch/content/dam/data/nkvf/101103_stn_vs-f.pdf
Dieses Dokument steht auf Deutsch nicht zur Verfügung.
* Bericht an den Regierungsrat des Kantons Bern betreffend den Besuch der Nationalen Kommission zur Verhütung von Folter in den Anstalten Hindelbank vom 11. und 12. Juni 2010 (245 Kb, pdf)
http://www.nkvf.admin.ch/content/dam/data/nkvf/110110_ber_be_hindelbank-d.pdf
* Stellungnahme: Bericht vom 3. September 2010 betreffend den Besuch in den Anstalten Hindelbank vom 11. und 12. Juni 2010 (1144 Kb, pdf)
http://www.nkvf.admin.ch/content/dam/data/nkvf/101208_stn_be_hindelbank-d.pdf

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admin.ch 11.1.11

Freiheitsentzug - Rekordbelegung in den Gefängnissen der lateinischen Kantone

Neuchâtel, 11.01.2011 - (BFS) - Am 1. September 2010 waren in der Schweiz 6181 Personen in Einrichtungen des Freiheitsentzugs inhaftiert. Dies ist der höchste Bestand seit 1999. Die Belegungsrate nahm gegenüber 2009 um 1,5 Prozentpunkte auf 92,5 Prozent im gesamtschweizerischen Mittel zu. In den lateinischen Kantonen ist eine Sättigung festzustellen, und ihre Belegungsrate von 105 Prozent zeigt eine weitere Verschlechterung der Situation an. Von den Inhaftierten befanden sich 31 Prozent in Untersuchungshaft, 61 Prozent im Straf- und Massnahmenvollzug, 6 Prozent waren im Rahmen von Zwangsmassnahmen gemäss Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer und 2 Prozent aus anderen Gründen inhaftiert. Seit 2004 ist der prozentuale Anteil an ausländischen Inhaftierten stabil und macht 72 Prozent des Gesamtbestandes aus.
Ganze Medienmitteilung als pdf-Datei verfügbar (siehe rechte Spalte)

Adresse für Rückfragen:
Daniel Laubscher, BFS, Sektion Kriminalität und Strafrecht, Tel.: +41 32 71 36598

Herausgeber:
Bundesamt für Statistik
Internet: http://www.statistik.admin.ch

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Zusätzliche Verweise:

Freiheitsentzug (174 KB)
http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/news/medienmitteilungen.Document.139525.pdf
Link zum Portal Statistik Schweiz des BFS
http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/themen/19.html

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ANTI-WEF
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Sonntag 9.1.11

"Ohne Armee wäre das WEF wohl nicht mehr in Davos"

 Erstmals äussert sich der neue Sicherheitschef, Beat Eberle, zur Gefahrenlage am Weltwirtschaftsforum

VON LORENZ HONEGGER

 Vor knapp einem Jahr wühlte der Suizid des Bündner Polizeikommandanten Markus Reinhardt die Schweiz auf. Nun sagt sein Nachfolger Beat Eberle, wie er dafür sorgen will, dass sich die Mächtigen der Welt trotz erhöhter Terrorgefahr in Davos sicher fühlen können.

 Herr Eberle, Sie werden zum ersten Mal als Gesamtleiter für die Sicherheit am World Economic Forum in Davos verantwortlich sein. Was hat Sie bis jetzt besonders gefordert?

 Beat Eberle: Die grösste Herausforderung war, das Dispositiv an den Neubau des Kongresshauses anzupassen. In den vergangenen Jahren hatte sich eine gewisse Routine mit der bestehenden Geografie des WEF-Geländes eingependelt. Nun hat sich die Geografie aber massiv verändert.

 Mit welchen Konsequenzen?

 Wir konnten nicht einfach den Planaus dem letzten Jahr aus der Schublade holen, sondern mussten eine taktische Neubeurteilung vornehmen.

 Beispiele?

 Während des WEF herrscht ein grosses Kommen und Gehen. Manche Gäste bewegen sich zu Fuss zwischen Hotel und Kongress. Andere kommen mit dem Auto. Wir mussten uns etwa Gedanken machen, wo die Gäste aussteigen, damit der Ort ausserhalb jeglicher Wurfdistanz liegt.

 Als Sicherheitschef tragen Sie die Verantwortung für Staatschefsund Wirtschaftsführer aus aller Welt. Wie gross ist der Druck?

 Ich kann mich auf einen kleinen Stab verlassen, der extrem erfahren ist, was diesen Druck wesentlich von meinen Schultern nimmt. Solange die Lage nicht eskaliert, ist es ein abstrakter und kein konkreter Druck.

 Und wenn tatsächlich etwas vorfallen würde?

 Dann können Sie sicher sein, dass der Druck spürbar wird. Polizeilich bin ich genug erfahren, um durch ein solches Ereignis hindurchzuführen und es zu bewältigen.

 Im Dezember 2010 wurde in Stockholm erstmals ein terroristischer Anschlag auf ein kleineres europäisches Land verübt. Haben Sie das Sicherheitsdispositiv erhöht?

 Wir berücksichtigen solche Anschlagsversuche, aber auch die angekündigten Demonstrationen und andere Entwicklungen auf der ganzen Welt. Entsprechend passen wir auch das Sicherheitsdispositiv laufend an. Genaue Zahlen können wir keine nennen.

 Welche ausserkantonalen Polizeikorps werden der Bündner Kantonspolizei während des WEF aushelfen?

 Sämtliche Kantone der Schweiz sowie das Fürstentum Liechtenstein stellen zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und für Personen- und Objektschutz personelle und materielle Mittel zur Verfügung.

 Die Zusammenarbeit zwischenArmee und Polizei gilt als Kernelement des WEF-Sicherheitskonzepts. Wie wichtig ist die Unterstützungder Armee?

 Sie übernimmt enorm wertvolle Aufgaben und stellt uns Manpower zur Verfügung, auf die wir angewiesen sind. Schliesslich muss jedes beteiligte Polizeikorps während des WEF auch die Lage im eigenen Kanton im Griff haben.

 Ginge es nicht ohne Soldaten?

 Ohne Armee könnte das WEF heute wohl nicht mehr in Davos stattfinden. Das WEF hat sich über die Jahre derart entwickelt, dass wir diesen Einsatz schon lange nicht mehr nur mit eigenen Mitteln bewältigen können.

 Die Intensität der Anti-WEF-Demonstrationen hat in den vergangenen Jahren abgenommen. Wird sich dieser Trend fortsetzen?

 Gemäss jetzigem Wissensstand dürfte sich eine allfällige Kundgebung im Rahmen der Vorjahre abspielen. Hinweise auf nicht bewilligte Demonstrationen liegen uns keine vor.

 Werden bekannte Unruhestifter ander Grenze kontrolliert?

 Um die Sicherheit am WEF zu gewährleisten, werden als gewalttätig bekannte Personen durch grenzpolizeiliche Massnahmen von der Schweiz ferngehalten. Ihnen wird nötigenfalls die Einreise durch befristete Einreiseverbote verweigert.

 Militante Demonstranten gelangen also gar nicht bis nach Davos?

 Auch mit verstärkten Kontrollen wird vor und während des World Economic Forum nur ein Bruchteil des Reisendenverkehrs kontrolliert. Vollständige Kontrollen sind nicht möglich.

 Wird man als Wintersportler ohne grössere Umstände nach Davosfahren können?

 Grundsätzlich ist der Wintersport in der Region Davos und Prättigau während des WEF nicht beeinträchtigt. Allerdings sind Beschränkungen auf den Zufahrtswegen nach und im Innenbereich von Davos wahrscheinlich.

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 Klaus Schwab auf Goodwill-Tour bei Politikern

 Am 25. Januar beginnt in Davos das Weltwirtschaftsforum (WEF). Während der Wintersession des Parlaments begab sich WEF-Gründer Klaus Schwab auf eine Goodwill-Tour in Bern, wie nun bekannt wird: Mehrere ausgewählte Parlamentarier erhielten eine Einladung zu einer mittäglichen "Aussprache" mit Schwab, wie es der Aargauer Nationalrat Geri Müller (Grüne, AG) umschreibt. Begleitet von seinen engsten Mitarbeitern versuchte Schwab die Politiker von der globalen Bedeutung des Forums zu überzeugen. Hintergrund von Schwabs Bemühungen sind die andauernden politischen Angriffe auf den Anlass: Linke Politiker lancieren seit Jahren Vorstösse, welche auf die Streichung der finanziellen Beteiligung an den WEF-Sicherheitskosten abzielten. Alleine im Jahr 2005 beliefen sich die Kosten des Armee-Einsatzes laut dem Verteidigungsdepartement (VBS) auf 19,5 Millionen Franken. Inzwischen ebbt der Widerstand selbst in wirtschaftskritischen Kreisen allmählich ab: "Es hat sich eine gewisse Gleichgültigkeit eingestellt", sagt Aussenpolitiker Müller. "Man anerkennt nicht sonderlich begeistert,dass sich das WEF etabliert hat." (LH)

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Bund 8.1.11

WEF Davos

 Bis 5000 Soldaten im Einsatz

 Die Schweizer Armee ist auch dieses Jahr für Sicherheitsaufgaben am World Economic Forum (WEF) zuständig. 220 Armeeangehörige nahmen gestern ihren Dienst in Davos auf. Die Zusatzkosten für die Armee betragen laut VBS 1,5 Mio Franken. Die Soldaten bereiten die Aufbauarbeiten für die Sicherheit, die Logistik und die Führungsunterstützung vor. Maximal können von 17. bis 31. Januar 5000 Armeeangehörige aufgeboten werden.(sda)

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sf.tv 7.1.11

Armee-Einsatz fürs WEF hat begonnen

sf/buet

 In knapp drei Wochen findet in Davos das World Economic Forum (WEF) statt. Bereits jetzt hat der Sicherungs-Einsatz der Armee für das Treffen begonnen. Während des Forums Ende Januar werden bis zu 5000 Armeeangehörige für die Sicherheit der Teilnehmer sorgen.

 Zurzeit sind bereits rund 220 Armeeangehörige mit den Vorbereitungen des WEF-Einsatzes beschäftigt, wie das VBS mitteilt. Beim Engagement der Armee für das Treffen handelt es sich um einen subsidiären Einsatz. Das heisst, dass die Verantwortung bei den zivilen Behörden liegt.

 Zusammenarbeit mit Österreich

 Während dem Jahrestreffen, das von 26.-30. Januar dauert, kommen für Sicherungsaufgaben in Davos selber hauptsächlich Berufssoldaten zum Einsatz. Ausserhalb des Dorfes werden Milizangehörige Verkehrswege und Gebäude schützen und die Logistik sicherstellen.

 Für die Sicherung des Luftraums kommt die Schweizer Luftwaffe zum Einsatz. Wegen der Nähe zur Grenze arbeitet sie dafür auch mit Österreich zusammen. Die freie Benutzung des Luftraums rund um Davos wird zwischen 25. und 31. Januar eingeschränkt. Sollte in dieser Zeit ein Flugzeug unerlaubt in den Luftraum eindringen, könnte VBS-Chef Ueli Maurer in letzter Konsequenz einen Abschuss anordnen.

 Für den Armeeeinsatz in Davos werden Soldaten im Rahmen von ordentlichen Wiederholungskursen aufgeboten. Trotzdem entstehen dadurch Mehrkosten von rund 1,5 Mio. Fr., wie das VBS mitteilt.

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admin.ch 7.1.11

WEF 2011: Einsatz der Armee hat begonnen

Bern, 07.01.2011 - Der Einsatz der Armee zugunsten des Kantons Graubünden im Rahmen der Sicherheit rund um das World Economic Forum (WEF) 2011 hat begonnen. Im Auftrag der zivilen Behörden wird derzeit am Aufbau des Sicherheitsdispositives gearbeitet. Vom 17. bis 31. Januar 2011 leisten maximal 5000 Armeeangehörige einen Einsatz im Assistenzdienst.

In diesen Tagen haben die ersten Armeeangehörigen die Arbeit zugunsten des Kantons Graubünden im Rahmen der Sicherheit des WEF-Jahrestreffens 2011 aufgenommen. Zurzeit stehen rund 220 Armeeangehörige im Einsatz. Sie bereiten die Aufbauarbeiten im Bereich der Sicherheitsmassnahmen, der Logistik und der Führungsunterstützung vor, die nächste Woche beginnen.

Der Einsatz der Armee erfolgt nach dem Subsidiaritätsprinzip, das heisst, die Einsatzverantwortung liegt bei den zivilen Behörden. In Davos selbst gelangen während des WEF-Jahrestreffens mit wenigen Ausnahmen nur die Berufssoldaten der Militärischen Sicherheit für Personenschutz und Zutrittskontrollen zum Einsatz. Ausserhalb Davos schützen Milizangehörige der Armee Infrastruktureinrichtungen und erbringen Leistungen in der Logistik und in der Führungsunterstützung. Die Truppe verfügt zur Erfüllung ihrer Aufgaben während des Assistenzdienst-Einsatzes über Polizeibefugnisse gemäss der "Verordnung über die Polizeibefugnisse der Armee".

Die Gewährleistung der Sicherheit im Luftraum ist eine Bundesaufgabe. Die Luftwaffe führt nebst dem Luftpolizeidienst auch Überwachungsflüge und Lufttransporte zu Gunsten des Kantons Graubünden durch. Für die Erstellung eines umfassenden Bildes der Lage im Luftraum arbeitet die Luftwaffe in diesem Bereich mit Österreich zusammen. Die freie Benützung des Luftraums und der Flugplätze der Region Davos wird am 21. und 24. Januar von 08.00 bis 18.00 Uhr (Training) sowie durchgehend vom 25. Januar 2011, 08.00 Uhr, bis spätestens am 31. Januar 2011, 18.00 Uhr, eingeschränkt. Die Anordnung eines allfälligen Waffeneinsatzes zur Durchsetzung luftpolizeilicher Massnahmen obliegt dem Chef des Eidgenössischen Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS), Bundesrat Ueli Maurer.

Der Chef des Führungsstabs der Armee, Divisionär Jean-Marc Halter, führt den Einsatz der Armee als Kommandant Subsidiärer Sicherungseinsatz (KSSE). Die Einsatzverantwortung obliegt wie in jedem subsidiären Einsatz den zivilen Behörden. Gesamteinsatzleiter ist der Kommandant der Kantonspolizei Graubünden, Beat Eberle. Die zum Einsatz kommenden Truppen sind gegliedert in einen Einsatzverband Boden (unter der Führung des Kommandanten der Territorialregion 3, Divisionär Marco Cantieni) und einen Einsatzverband Luft (unter dem Kommando des Chefs Einsatz Luftwaffe, Divisionär Bernhard Müller). Hinzu kommen Leistungen der Militärischen Sicherheit, der Logistikbasis der Armee (LBA) und der Führungsunterstützungsbasis der Armee (FUB).

Der Einsatz verursacht für die Armee gegenüber den normalen Wiederholungskursen, welche die eingesetzten Truppen dieses Jahr ordentlich zu leisten hätten, voraussichtlich Mehrkosten von rund 1,5 Millionen Franken.

Das World Economic Forum wurde vom Bundesrat im Jahr 2000 aufgrund seiner Bedeutung für die internationalen Interessen der Schweiz als ausserordentliches Ereignis qualifiziert. 2009 haben Bundesrat und Parlament weiteren Assistenzdienst-Einsätzen zu Gunsten der zivilen Behörden des Kantons Graubünden und des WEF für die Jahre 2010 bis 2012 zugestimmt. In diesem Jahr können - wie schon in den Vorjahren - maximal 5000 Armeeangehörige eingesetzt werden.

Hinweis an die Medien:

Kommunikation Armeeeinsatz am WEF 2011
Am 24. Januar 2011 bietet die Armee den Medien Einblick in verschiedene Aspekte rund um ihren Einsatz. Dabei wollen wir insbesondere aufzeigen, wie die Luftpolizei-Aufgaben wahrgenommen werden. Die Einladung folgt in den nächsten Tagen.

Adresse für Rückfragen:
Stefan Hofer
Chef Kommunikation Führungsstab der Armee
Telefon 031 323 37 41

Herausgeber:
Eidgenössisches Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport
Internet: http://www.vbs.admin.ch

Zusätzliche Verweise:

Armeeeinsatz zu Gunsten Kanton Graubünden im Rahmen WEF 2011
http://www.armee.ch/wef

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Südostschweiz  7.1.11

Am WEF wird wieder demonstriert - aber wo?

 Auch dieses Jahr wird am Rande des World Economic Forum (WEF) eine Demonstation stattfinden. Vollkommen unklar ist noch, wo die Demonstrationsroute durchführen wird.

 Von Rahel Schneppat

 Davos. - Die Grüne Partei Davos und die Jungsozialisten (Juso) organisieren auch dieses Jahr eine WEF-Demonstration. Unterstützt werden die Parteien unter anderem von Amnesty International, Greenpeace Schweiz und von der Autonomen Jugend Davos. Entgegen dem Motto des diesjährigen WEF "Gemeinsame Normen für eine neue Realität" wollen die Organisatoren an ihrer Kundgebung vom Samstag, 29. Januar, darauf aufmerksam machen, dass es "eine Gleichschaltung nach dem WEF-Motto" für "die Bewegung" nicht gibt. Deshalb wolle man "lautstark, farbig und friedlich" die Vielfalt nach Davos tragen, wie es im Programm der WEF-Informations- und -Aktionswochen heisst. Im Vorfeld des WEF finden auch weitere WEF-kritische Anlässe statt (siehe Kasten).

 Gemäss Rolf Marugg, Ortssekretär der Grünen Partei Davos, haben die Organisatoren der Gemeinde Davos bislang noch kein Demonstrationsgesuch eingereicht; daran werde noch gearbeitet. Fest stehe aber, dass auch dieses Jahr darum ersucht werde, den Demonstrationszug über die Davoser Promenade passieren zu lassen. Dort hielten sich die meisten Leute auf, entsprechend werde man dort am ehesten wahrgenommen, so Marugg.

 In den Vorjahren war die Route über die Promenade nicht bewilligt worden, da diese aus verkehrstechnischen Gründen nicht gesperrt werden konnte. Deshalb führte die Route unterhalb des Kongresszentrums und entlang der Talstrasse durch.

 Weder Promenade noch Talstrasse?

 Laut Michael Straub, Landschreiber der Gemeinde Davos, wird es auch heuer kaum möglich sein, die Demonstranten die Promenade nutzen zu lassen: "Dort müssen Ambulanz, Feuerwehr und Polizei zirkulieren können", erklärte er auf Anfrage. Und wenns - zumindest aus Sicht der Aktivisten - ganz dumm läuft, dürfen sie dieses Jahr auch auf der Talstrasse nicht demonstrieren. Denn just an dieser befindet sich der neue Haupteingang des Kongresszentrums. Und auch hier müssen wohl Zugang und angrenzende Strasse freigehalten werden. Die Möglichkeit, dass auch an der Talstrasse nicht demonstriert werden kann, besteht also durchaus.

 "Das wäre für die Aktivisten natürlich nicht gerade schön", meint dazu Straub. Doch sei noch nichts sicher, schliesslich liege der Gemeinde noch nicht einmal das Demonstrationsgesuch vor. "Darauf warten wir nun, dann erst kann von den Sicherheitsorganen und dem Davoser Kleinen Landrat beurteilt werden, wie genau alles organisiert werden kann."

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 Sechs WEF-kritische Anlässe

 - Am Samstag, 15. Januar, wird um 20 Uhr im Hotel "Montana" in Davos das Theater "Abflug" aufgeführt. Gemäss Programm zeigt das Stück die humanitäre Tragik einer Zwangsausschaffung auf.

 - Am Mittwoch, 26. Januar, bereitet das "Demonstrations-Welcoming-Comittee" den WEF-Teilnehmern ab 12 Uhr in Davos Laret "einen gebührenden Empfang in der Landschaft Davos". Sprich: Demonstranten werden mit Plakaten und Transparenten Präsenz markieren.

 - Am Mittwoch, 26. Januar, werden um 14 Uhr im Hotel "Montana" die Public Eye Awards verliehen. Die Schmähpreise werden für üble Machenschaften wie etwa Menschen- und umweltverachtende Geschäftspraktiken vergeben.

 - Am Freitag, 28. Januar, findet ein Fackelumzug zum Denk-Mal beim Schiabach an der Hohen Promenade statt. Damit soll jenen geistiger Beistand gezollt werden, für die "das Auflehnen gegen das neoliberale Wirtschaftssystem ein Kampf ums Überleben ist".

 - Am Freitag, 28. Januar, beginnt um 19 Uhr im "Walhalla" die WEF-Party mit Live-Musik, zu der "viel Prominenz aus dem In- und Ausland" und möglicherweise auch Polizei erwartet wird.

 - Am Samstag, 29. Januar, beginnt um 14 Uhr beim Rathaus in Davos Platz die WEF-Demonstration. (ras)

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NOTHILFE
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St. Galler Tagblatt 12.1.11

Steinach kontert Kritik an Nothilfe

 Steinach. Die Beobachtungsstelle für Asyl- und Ausländerrecht St. Gallen hat die Praxis der Gemeinde Steinach bei der Unterkunft abgewiesener Asylbewerber und deren Entschädigung bemängelt. Im November 2010 wurde im Kantonsrat eine Einfache Anfrage zur Nothilfepraxis eingereicht. Darin wird die Praxis in Steinach hinterfragt: Die Unterkunft in der dortigen Zivilschutzanlage sei nur am Abend und in der Nacht geöffnet. Zudem müssten die Nothilfebezüger das Essensgeld täglich im Gemeindehaus abholen. Der Gemeinderat hat in seiner Vernehmlassung an das Sicherheits- und Justizdepartement festgehalten, dass die Vorschriften bezüglich der Nothilfebezüger eingehalten würden. Die Beantwortung der Einfachen Anfrage durch die Regierung ist noch pendent. (red.)

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Limmattaler Tagblatt 11.1.11

Die Hälfte der Nothilfebezüger lebt komfortabler als nötig

Alfred Borter

 Zürich Weil im Kanton 500 Plätze für Nothilfebezüger fehlen, sind diese zusammen mit Asylbewerbern untergebracht und beziehen wie diese Sozialhilfe in normaler Höhe.

 Immigranten, deren Asylgesuche endgültig abgewiesen worden sind und die daher ausreisen müssten, erhalten eigentlich bloss noch Nothilfe. In Tat und Wahrheit aber ist nur gerade gut die Hälfte der 1150Personen in den vom Sozialamt betriebenen, für Nothilfebezüger vorgesehenen Zentren mit eher spartanischer Einrichtung untergebracht, wie Ruedi Hofstetter, Chef des kantonalen Sozialamts, einen Bericht der "NZZ" bestätigt.

 Die sieben teils unterirdisch angelegten Notunterkünfte werden, wie auch die sechs Durchgangszentren für frisch aufgenommene Asylsuchende, vom Sozialamt betrieben. Weil es an genügend Notzentren fehlt, sind 500Personen in den Unterkünften der Gemeinden für Asylsuchende untergebracht. In diesen hat es genügend Platz.

 Nicht bloss Gutscheine

 Die Personen, die bloss noch einen Anspruch auf Nothilfe haben, aber in den gemeindeeigenen Einrichtungen leben, haben insofern Glück, als sie für ihre Verpflegung nicht bloss Migros-Gutscheine erhalten, sondern die üblichen Leistungen, welche auch Asylbewerber bekommen, die noch auf den Entscheid zu ihren Gesuchen warten. Es wäre, gibt Hofstetter zu verstehen, den Gemeinden nicht zuzumuten, die in den Asylantenheimen untergebrachten Leute unterschiedlich zu behandeln - je nachdem, ob sie nun bloss noch auf Nothilfe Anspruch haben oder nicht.

 Nach seinen Worten macht man bei der Zuweisung der verschiedenen Personen in eine für die Nothilfe geeignete oder eine bessere Unterkunft durchaus einen Unterschied. "Wer ausreisen könnte, dies aber geflissentlich unterlässt, der muss mit weniger zufrieden sein", betont der Chef des Sozialamts.

 Hofstetter bestätigt, dass es nicht nur schwierig ist, Nothilfezentren bereitzustellen, auch die Suche nach normalen Durchgangszentren für Asylsuchende verläuft harzig. In Eglisau etwa möchte der Kanton längst ein Zentrum bauen, doch ist eine Baubewilligung für 120Plätze verweigert worden. Jetzt führt der Kanton einen Architekturwettbewerb durch, damit das Argument, der Bau passe nicht ins Ortsbild, nicht mehr vorgebracht werden kann, denn den Standort aufgeben will der Kanton nicht. "Wir brauchen die Plätze", betont Hofstetter, und verweist darauf, dass anfängliche Befürchtungen in Oberembrach, wo man die frühere Klinik Sonnenhof in ein Asylantenzentrum umfunktioniert hat, widerlegt werden konnten.

 Asylbewerber werden zunächst vier bis sechs Monate in einem Durchgangszentrum untergebracht, bevor sie einer Gemeinde zur weiteren Unterbringung zugewiesen werden.

 Oder sie tauchen unter

 Gegenwärtig sind im Kanton Zürich 7430Personen aus dem Asylbereich zu betreuen. Fast 2300 warten auf einen Entscheid auf ihr Asylgesuch, und rund 4000 sind vorläufig aufgenommen, weil sie in ihre jeweiligen Heimatländer nicht zurückgeschafft werden können, etwa weil dort Bürgerkrieg herrscht. 1150 weitere haben, wie erwähnt, nur noch auf Nothilfe Anspruch.

 Wie geht es weiter? Hofstetter geht in Bezug auf die Nothilfebezüger davon aus, dass sich deren Gesamtzahl kaum verändert. Einige Personen kommen neu dazu, andere reisen aus - oder sie tauchen unter und erscheinen darum nicht mehr in den Zahlen des Sozialamts.

 Wie Hofstetter ausführt, sind Zürich und seine Agglomeration auch für abgewiesene Asylbewerber sehr attraktiv. "Sie würden auch dann lieber dableiben, wenn sie keine Nothilfe bekämen", denkt er. Er macht dafür auch Hilfswerke verantwortlich, welche die Bemühungen der Behörden, die illegal Anwesenden zum Verlassen der Schweiz anzuhalten, unterlaufen. Dem Kanton Zürcher selber jedenfalls könne man nicht vorwerfen, er tue zu wenig, um die Illegalen zur Ausreise anzuhalten, so Hofstetter.

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NZZ 10.1.11

Im Kanton Zürich fehlen 500 Plätze für Nothilfebezüger

 Harzige Suche nach Durchgangszentren für Asylsuchende

 Obwohl der Kanton Zürich weniger Asylsuchende als noch vor drei Jahren aufnehmen muss, fehlen ihm 500 Plätze zur Unterbringung von Nothilfebezügern.

 vö. · Seit einigen Jahren ist die Zahl der Asylsuchenden in der Schweiz konstant. Sie hat sich bei jährlich 13 000 bis 14 000 eingependelt. Die Anerkennungsquote der Asylgesuchsgründe betrug Ende 2010 17,9 Prozent (2009: 16,3 Prozent). Wenn eine Rückschaffung von abgewiesenen Asylbewerbern ins Heimatland wegen Foltergefahr oder Bürgerkrieg nicht zumutbar ist, kann der Bund die vorläufige Aufnahme gewähren. Letztes Jahr war dies bei rund einem Viertel der Asylsuchenden der Fall. Für die Unterbringung aller in die Schweiz einreisenden Asylbewerber haben die Kantone zu sorgen. Gemäss Verteilschlüssel muss der Kanton Zürich 17 Prozent der Asylsuchenden aufnehmen.

 Gemeinden erfüllen Quoten

 Während der ersten sechs Monate, in denen die Asylbewerber nicht arbeiten dürfen, leben sie in einem der vom Kanton betriebenen Durchgangszentren. Sie lernen Deutsch und werden mit den elementaren Regeln in der Schweiz vertraut gemacht. Danach haben die 171 Gemeinden für deren Unterbringung zu sorgen. Die Aufnahmequote beträgt seit drei Jahren nur noch 0,5 Prozent der jeweiligen ihrer Wohnbevölkerung.

 Laut Ruedi Hofstetter, dem Chef des Sozialamts, ist die Aufnahme von Asylbewerbern bei den Gemeinden nach wie vor unbeliebt, weil günstiger Wohnraum fehlt. Trotzdem erfüllten nur noch wenige die Quote nicht; nur selten müsse der Kanton Fristen setzen. Manche Gemeinden, so etwa die Städte Zürich und Dietikon, hätten inzwischen dauerhafte Lösungen mit Containersiedlungen geschaffen.

 Harzig ist hingegen die Suche nach Durchgangszentren, wie Hofstetter weiter festhält. Dabei zeige die Erfahrung, dass Asylzentren mit ihrer Betreuung rund um die Uhr keine Probleme bescherten, wenn sie einmal da sind. Seit einigen Jahren wehrt sich Eglisau vehement gegen eine solche Einrichtung. Doch aufgrund der Erfahrung mit der Gemeinde Oberembrach, die ebenfalls lange ein Asylzentrum bekämpft hat, ist Hofstetter optimistisch: "Eine gute Lösung braucht Zeit." Momentan betreibt der Kanton sechs Durchgangszentren mit insgesamt 728 Plätzen. Weil die Mietverträge kündbar sind, sucht der Kanton laut Hofstetter "überall und über alle Kanäle" nach Liegenschaften.

 Standard nicht weiter senken

 Engpässe gibt es bei den zum Teil unterirdischen Nothilfeunterkünften. Zurzeit fehlen 500 Plätze für abgewiesene Asylbewerber. Obwohl diese illegal im Land sind, haben sie ein Recht auf Nothilfe. Dieser Gruppe stellt der Kanton Zürich ehemalige Durchgangszentren als Unterkünfte zur Verfügung, beschränkt aber die Versorgung aufs Minimum. "Den Standard können wir nicht weiter senken, wir wollen keine Verelendung", sagt Hofstetter.

 Momentan leben im Kanton Zürich 7430 Asylsuchende. Davon sind 3981 vorläufig Aufgenommene, die gemäss Bund integriert werden müssen. 2299 sind in einem laufenden Verfahren, und 1150 haben einen ablehnenden Entscheid, beziehen aber Nothilfe. Mangels Plätzen in den kantonalen Einrichtungen lebt fast die Hälfte der Nothilfebezüger in den Gemeinden und wird nach Ansätzen für Asylbewerber unterstützt.

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HÄRTEFÄLLE
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20 Minuten 12.1.11

81 Härtefälle beurteilt

 ZÜRICH. Die Zürcher Härtefallkommission hat im ersten Amtsjahr seit ihrer Wiedereinführung 81 Gesuche beurteilt. In 63 Fällen war sie mit dem Migrationsamt einig. Das teilte die Kommission gestern mit. Elf Fälle hat das Migrationsamt als Härtefälle anerkannt. Bei zwei Dossiers war die Kommission allerdings für eine Ablehnung des Asylgesuchs. 70 Dossiers beurteilte das Migrationsamt negativ - bei 16 Fällen plädierte die Härtefallkommission allerdings für eine positive Empfehlung. Die Zürcher Härtefallkommission ist im September 2009 wieder eingeführt worden. Ihr gehören neun Personen an.

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Tagesanzeiger 12.1.11

17 abgewiesene Ausländer gelten als Härtefälle und dürfen bleiben - Sicherheitsdirektor Hollenstein steht in der Kritik

 Die Härtefallkommission hat 2010 total 81 Fälle beurteilt - als Härtefall wurde jeder fünfte Fall anerkannt. Der SVP passt dies nicht.

 Von Stefan Häne

 Zürich - Die Härtefallkommission (HFK) hat seit ihrem Start im November 2009 bis Ende letzten Jahres 81 Fälle unter die Lupe genommen. Das Gremium beurteilt Fälle, in welchen den Betroffenen von Gesetzes wegen keine Rechtsmittel zur Verfügung stehen. Dabei handelt es sich zum Beispiel um abgewiesene Asylsuchende oder Ausländer, die seit mehreren Jahren hier leben und in der Schweiz noch nie ein asyl- oder ausländerrechtliches Bewilligungsverfahren durchlaufen haben.

 11 der 81 Antragssteller hat das kantonale Migrationsamt als Härtefall anerkannt. Zum gleichen Resultat kam die HFK nur in 9 Fällen. Bei diesen ersucht das Migrationsamt beim Bund um eine Aufenthaltsbewilligung. Bei Pattsituationen muss Sicherheitsdirektor Hans Hollenstein (CVP) von Gesetzes wegen Schiedsrichter spielen. In einem Fall folgte er der abschlägigen Beurteilung der HFK, der andere ist noch hängig. Bei den 70 negativen Beurteilungen des Migrationsamts kam die HFK in 16 Fällen zu einer gegenteiligen Empfehlung. Hollenstein fällte in der Folge in je 8 Fällen einen positiven respektive negativen Stichentscheid. Insgesamt wurden also 17 Härtefälle bewilligt. Zum Vergleich: 2009 waren es 33, 2008 deren 10.

 Präsident zieht positive Bilanz

 Das Gremium besteht aus neun Repräsentanten von Landeskirchen, Hilfswerken, Gemeindevertretern und kantonalen Integrationsbeauftragten. Der Regierungsrat hat die HFK ins Leben gerufen, nachdem Asylsuchende Ende 2008 die Predigerkirche besetzt hatten - ein umstrittener Entscheid. Die Linke sieht in der HFK ein Gegengewicht zum Migrationsamt, dessen Praxis sie als zu rigide taxiert. Den Bürgerlichen ist sie ein Ärgernis. Die SVP machte Hollenstein gestern prompt Vorwürfe: Statt Entschlossenheit zu zeigen, wolle er niemandem auf die Füsse treten. Wegen der HFK würden die Verfahren unnötig in die Länge gezogen, der Rechtsstaat werde ad absurdum geführt.

 Anders als die SVP zieht Harry Kalt, Präsident der HFK, eine positive Bilanz: Das Gremium arbeite sehr gut zusammen. Eine politische Wertung möchte Kalt, selber FDP-Mitglied und Ex-Richter, nicht vornehmen. Er versichert aber, die Entscheide würden sachlich gefällt.

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NZZ 12.1.11

18 Gesuche anders beurteilt

 Jahresbilanz der Zürcher Härtefallkommission

 (sda) / vö. · Die Zürcher Härtefallkommission hat im ersten Amtsjahr seit ihrer Wiedereinführung 81 Gesuche von abgewiesenen Asylbewerbern beurteilt. In 63 Fällen war sie mit dem Migrationsamt einig. Das teilte die Kommission am Dienstag in einem Communiqué mit. 11 Fälle hat das Migrationsamt als Härtefälle anerkannt, wie die Kommission schreibt. Bei zwei dieser Dossiers war die Kommission allerdings für eine Ablehnung des Härtefallgesuchs.

 Straffälligen Vater ausweisen

 Sind sich das kantonale Migrationsamt und die Härtefallkommission in dieser Arbeit nicht einig, landen die Akten auf dem Tisch des zuständigen Zürcher Regierungsrats Hans Hollenstein (CVP). Dieser trifft einen Entscheid. Eines der beiden Gesuche lehnte der Sicherheitsdirektor entgegen dem Migrationsamt-Entscheid ab. Das Migrationsamt wollte einer ganzen Familie das Aufenthaltsrecht erteilen. Die Härtefallkommission war allerdings dafür, den von der Familie geschiedenen Vater auszuweisen, da er unter anderem straffällig geworden war. Das sagte Kommissionspräsident Harry Kalt auf Anfrage der Nachrichtenagentur SDA.

 Bei 16 der insgesamt 70 negativen Beurteilungen des Migrationsamts gab die Kommission eine positive Empfehlung. ab. Der Sicherheitsdirektor folgte ihr in 8 Fällen. In den übrigen 8 Fällen blieb es beim negativen Entscheid. Die positiven Entscheide von Hollenstein müssen vom Bund genehmigt werden.

 Individuelle Schicksale

 Neben dem Kriterium "Straffälligkeit" spielen bei der Beurteilung der Härtefallkommission auch die wirtschaftliche und die soziale Integration einer Person eine wichtige Rolle. Jedes Dossier sei ein individueller Einzelfall, sagte Kalt. "Hinter jedem Fall steht eine menschliche Tragödie." Eine Person aus Afrika kämpfe mit anderen Schwierigkeiten als jemand, der aus dem Irak fliehe. Unterschiedlich kann gemäss Kalt etwa das soziale Netzwerk sein. "Jemand kann schnell Schweizer Kontakte knüpfen oder mit Personen der gleichen Nationalität in einer Enklave leben." Auch die Anreisen in die Schweiz gleichen sich laut Kalt kaum. Die Zürcher Härtefallkommission wurde im September 2009 wieder eingeführt. In einem Pressecommuniqué vom Dienstag bekräftigte die SVP ihre grundsätzliche Ablehnung die ses Instruments. Mit dessen Wiedereinführung habe der Sicherheitsdirektor seine Verantwortung nicht wahrgenommen; das geltende Recht werde weiter ausgehöhlt, schreibt die SVP.

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Limmattaler Tagblatt 12.1.11

11 Fälle als Härtefälle anerkannt

 Nach Wiedereinführung Die Zürcher Härtefallkommission hat im ersten Amtsjahr 81Gesuche beurteilt. In 63Fällen war sie mit dem Migrationsamt einig.

 Elf Fälle hat das Migrationsamt als Härtefälle anerkannt, teilte die Härtefallkommission gestern mit. Bei zwei dieser Dossiers war die Kommission allerdings für eine Ablehnung des Asylgesuches. Sind sich das kantonale Migrationsamt und die Härtefallkommission nicht einig, landen die Akten auf dem Tisch von Regierungsrat Hans Hollenstein (CVP). Dieser trifft einen Entscheid. Eines der Gesuche lehnte der Sicherheitsdirektor entgegen dem Migrationsamt-Entscheid ab.

 Das Migrationsamt wollte einer ganzen Familie das Aufenthaltsrecht erteilen. Die Härtefallkommission war allerdings dafür, den geschiedenen Vater auszuweisen, da er unter anderem straffällig geworden war. Das sagte Kommissionspräsident Harry Kalt. Neben dem Kriterium "Straffälligkeit" spielen bei der Beurteilung der Härtefallkommission die wirtschaftliche und die soziale Integration einer Person eine wichtige Rolle.

 Menschliche Tragödien

 "Hinter jedem Fall steht eine menschliche Tragödie." Eine Person aus Afrika kämpfe mit anderen Schwierigkeiten als jemand, der aus dem Irak fliehe. Unterschiedlich kann gemäss Kalt etwa das soziale Netzwerk sein. "Jemand kann schnell Schweizer Kontakte knüpfen oder mit Personen der gleichen Nationalität in einer Enklave leben."

 Auch die Anreise in die Schweiz gleicht sich kaum. Auf einer Schiffsreise entstehe aber unter Umständen schneller eine Schicksalsverbundenheit, sagte Kalt. Nach seinem ersten Amtsjahr ziehe er grundsätzlich ein positives Fazit.

 Der Präsident der Härtefallkommission zeigte sich aber überrascht davon, wie viel Arbeit alle beteiligten Ämter leisteten. Ein einzelner Entscheid könne gut und gerne fünfzig Seiten umfassen, weshalb die Arbeit sehr zeitaufwändig sei.

 Von allen 81 bearbeiteten Dossiers beurteilte das Migrationsamt 70 negativ. Die Härtefallkommission plädierte allerdings in 16Fällen davon für eine positive Empfehlung. Hollenstein folgte dieser Empfehlung in acht Fällen. In den übrigen acht Fällen blieb es beim negativen Entscheid. Stimmt Hollenstein einem Gesuch der Härtefallkommission zu, wird dieses ans Bundesamt für Migration weitergeleitet. Dieses entscheidet definitiv über Ausweisung oder Aufnahme.

 Die Zürcher Härtefallkommission ist im September 2009 wieder eingeführt worden. Ihr gehören neun Personen an. Das politisch unabhängige Gremium beurteilt Härtefallgesuche von abgewiesenen Asylsuchenden. (sda)

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Landbote 12.1.11

Migrationsamt war zweimal milder als die Kommission

 Thomas Schraner  THOMAS SCHRANER

 Zürich. Kein Härtefall: Zweimal hat die Härtefallkommission (HFK) 2010 strenger entschieden als das Migrationsamt. In einem Fall beanstandet die Kommission die Kriterien für vorläufig Aufgenommene.

 Strenger beurteilte die neunköpfige Härtefallkommission den Fall eines geschiedenen und straffälligen Mannes, den das Migrationsamt zuvor als Härtefall eingestuft hatte. Die Härtefallkommission (HFK) interpretierte den Fall anders und wollte nur der Familie, nicht aber dem Mann das Aufenthaltsrecht geben, wie Harry Kalt, Präsident der HFK, auf Anfrage sagte. Weil sich die beiden Instanzen uneinig waren, kam - wie in solchen Fällen vorgesehen - dem Sicherheitsdirektor der Stichentscheid zu. Hans Hollenstein (CVP) folgte der HFK und verneinte einen Härtefall.

 Ebenfalls strenger als das Migrationsamt urteilte die HFK in einem zweiten Fall. Dabei geht es um Grundsätzliches: Für die vorläufig Aufgenommenen müssen laut Kalt die gleichen Härtefallkriterien gelten wie für die übrigen Gesuchsteller. Hinter diesem Disput steht das Schicksal eines Mannes, dem vor Jahren einmal der Status des vorläufig Aufgenommenen zugesprochen worden war. Aufgrund einer neuen Länderbeurteilung hätte er später ausreisen müssen. Dies tat er aber nicht und bewarb sich als Härtefall. Das Migrationsamt akzeptierte seine Argumente, die HFK nicht. Hollenstein hat laut Kalt seinen Stichentscheid noch nicht gefällt. Die HFK findet, das Migrationsamt müsste die Kriterien für diese Personenkategorie überarbeiten.

 Migrationsamt meist rigider

 Dass die HFK strenger urteilt als das Migrationsamt, ist aber die Ausnahme. 16 Mal war es letztes Jahr umgekehrt. Gemeinsame Merkmale für all diese Fälle sieht Kalt keine. In einigen Fällen seien gut integrierte Kinder der Grund für die Milde gewesen. In andern habe die gute wirtschaftliche Integration der Betroffenen den Ausschlag gegeben. In der HFK sind die Meinungen meistens geteilt: "Selten hat es einstimmige Entscheide gegeben", sagt Kalt.

 Normalerweise kommen Migrationsamt und HFK zum selben Schluss, wie die gestern veröffentlichte Jahresbilanz der HFK zeigt. Von 81 Fällen, welche die Kommission 2010 zu beurteilen hatte, war dies 63 Mal der Fall. Das Migrationsamt bejahte 11 Mal einen Härtefall, die HFK insgesamt 25 Mal. Regierungsrat Hollenstein kam - ohne den erwähnten pendenten Fall - 17 Mal zum Zug, 9 Mal entschied er für den Härtefall. Hollensteins Verdikt gilt, wenn der Bund zustimmt.

 Vor die HFK kommen alle Entscheide des Migrationsamtes, bei denen den Betroffenen kein Rechtsmittel des Bundes offensteht. Betroffene - das sind Papierlose oder abgewiesene Asylsuchende. Allen anderen steht der normale Instanzenweg offen. Wer als Härtefall anerkannt wird, hat zum Beispiel auch Anspruch auf Sozialhilfe, sofern er beim Sozialamt die Voraussetzungen erfüllt.

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Zofinger Tagblatt 12.1.11

Abgewiesener Asylbewerber darf bleiben

 Aarau. Härtefallgesuch von Olivier Cayo wurde gutgeheissen - er kann sein Jus-Studium an der Uni Neuenburg fortsetzen

irena jurinak

 Nach fünf Jahren Bangen und Hoffen ist es amtlich: Olivier Cayo aus Aarau darf in der Schweiz bleiben. Letzte Woche erhielt er vom Migrationsamt des Kantons Aargau den positiven Entscheid auf sein Härtefallgesuch. Der 22-jährige Student aus der Elfenbeinküste, der vor fünf Jahren wegen politischer Unruhen in seiner Heimat in die Schweiz kam und um Asyl ersuchte, bekommt eine Aufenthaltsbewilligung.

 Im Oktober letzten Jahres war das Asylgesuch von Olivier Cayo in letzter Instanz abgelehnt worden, die Situation in seinem Heimatland schien sicher zu sein und eine Rückreise zumutbar. Fünf Jahre hatte sein Asylverfahren gedauert, in dieser Zeit der Ungewissheit lernte Olivier Cayo Deutsch und durfte schliesslich in die Alte Kantonsschule Aarau eintreten. Vor einem halben Jahr bestand er die Matur und wurde für eine der besten fünf Maturarbeiten im Kanton Aargau ausgezeichnet.

 Lage in der Heimat unsicher

 "Ich bin froh, dass ich bleiben darf und allen dankbar, die mich unterstützt haben", sagte Olivier Cayo auf Nachfrage. "Ich bin auch dem Kanton Aargau sehr dankbar für die Unterstützung." Bei der Beurteilung seines Härtefallgesuches hat vor allem seine gute Integration eine grosse Rolle gespielt. Laut dem Bundesamt für Migration sind für die Erteilung einer Härtefallbewilligung die soziale und berufliche Integration, die familiäre und gesundheitliche Situation massgebend. Die politische Situation im Herkunftsland spielt keine Rolle.

 Die politische Situation in der Elfenbeinküste hat sich seit den Präsidentschaftswahlen im November 2010 verschlechtert. Laut der Uno sind bereits über 200 Menschen bei gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den politischen Lagern ums Leben gekommen, viele sind auf der Flucht. "Ich finde das sehr traurig", sagt Cayo, "hoffe aber, dass der Konflikt gelöst werden kann."

 Der Aarauer studiert mittlerweile an der Universität in Neuenburg Jus. "Das Studium ist super, viel spannender, als ich gedacht habe." Ende Februar wird er an einem Seminar zum Thema Erziehungspsychologie der Professorin Margrit Stamm an der Uni Fribourg teilnehmen und von seinen Erfahrungen erzählen.

 Das Umfeld von Olivier Cayo freut sich über den positiven Entscheid. "Das war ein schöner Einstieg ins neue Jahr", sagt sein ehemaliger Lehrer Tiziano Mattiolo, "ich habe mich sehr über die Nachricht gefreut."

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 Härtefallregelung

 In der Schweiz können Asylsuchende ein Härtefallgesuch stellen, wenn sie seit fünf Jahren in der Schweiz leben und so gut integriert sind, dass ein Härtefall vorliegt. Voraussetzungen für die Bewilligung des Gesuches sind die genügende Kenntnis einer Landessprache, ein soziales Umfeld und dass der Gesuchsteller nicht sozialhilfeabhängig ist. Die Regelung gilt auch für abgewiesene Asylbewerber. Wird das Gesuch angenommen, erhält die Person eine Aufenthaltsbewilligung (Ausweis B). Im Jahr 2009 wurden laut Statistik des Bundesamtes für Migration in der Schweiz 429 Härtefallgesuche gutgeheissen und 80 abgelehnt. (ju)

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20min.ch 11.1.11

Aufenthaltsbewilligung: Olivier Cayo darf bleiben

 Fünf Jahre war er im Ungewissen. Jetzt ist klar: Der Ivorer Olivier Cayo darf im Aargau bleiben. Das Härtefallgesuch des abgewiesenen Asylbewerbers wurde gutgeheissen.

 Der Jus-Student Olivier Cayo muss nicht zurück in die Elfenbeinküste. Letzte Woche erhielt er vom Migrationsamt des Kantons Aargau einen entsprechenden Entscheid. Dies berichtet die "Aargauer Zeitung" in ihrer aktuellen Ausgabe.

 Das Härtefallgesuch des 22-jährigen Mannes aus der Elfenbeinküste wurde gutgeheissen, fünf Jahre lang musste Cayo darauf warten. Damals kam er wegen politischen Unruhen in die Schweiz und ersuchte um Asyl, jetzt hat er eine Aufenthaltsbewilligung.

 Im Oktober des letzten Jahres wurde sein Gesuch abgelehnt

 Noch im Oktober 2010 wurde ein Asylgesuch in letzter Instanz abgelehnt. Zu diesem Zeitpunkt schien die Situation in der Elfenbeinküste sicher, eine Rückreise zumutbar. Seit dem November hat sich die Situation in der Elfenbeinküste verschlechtert. Nach den Präsidentschaftswahlen kam es zu Unruhen. Bei einem Härtefallgesuch spielt aber die politische Situation im Herkunftsland keine Rolle. Es kommt auf die soziale und berufliche Integration, die familiäre und gesundheitliche Situation an.

 Integriert hat sich Cayo während den fünf ungewissen Jahren vorbildlich. Er lernte Deutsch, schaffte es an die Kantonsschule Aarau und bestand die Matura schliesslich mit Auszeichnung - und schrieb eine der besten fünf Maturarbeiten im Kanton.

 "Ich danke dem Kanton Aargau"

 "Ich bin froh, dass ich bleiben darf und allen dankbar, die mich unterstützt haben", sagte Cayo gegenüber der Aargauer Zeitung. Er sei auch dem Kanton Aargau sehr dankbar für die Unterstützung. Cayo studiert aktuell an der Universität in Neuenburg Jus. Das Studium findet er spannend. Ende Februar wird er an einem Seminar zum Thema Erziehungspsychologie an der Uni Freiburg teilnehmen und von seinen Erfahrungen erzählen. (feb)

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Aargauer Zeitung 11.1.11

Jus-Student Olivier Cayo darf bleiben

 Aarau Das Härtefallgesuch des abgewiesenen Asylbewerbers Olivier Cayo wurde gutgeheissen

Irena Jurinak

 Nach fünf Jahren Bangen und Hoffen ist es amtlich: Olivier Cayo aus Aarau darf in der Schweiz bleiben. Letzte Woche erhielt er vom Migrationsamt des Kantons Aargau den positiven Entscheid auf sein Härtefallgesuch. Der 22-jährige Student aus der Elfenbeinküste, der vor fünf Jahren wegen politischer Unruhen in seiner Heimat in die Schweiz kam und um Asyl ersuchte, bekommt eine Aufenthaltsbewilligung.

 Im Oktober letzten Jahres war das Asylgesuch von Olivier Cayo in letzter Instanz abgelehnt worden, die Situation in seinem Heimatland schien sicher zu sein und eine Rückreise zumutbar. Fünf Jahre hatte sein Asylverfahren gedauert, in dieser Zeit der Ungewissheit lernte Olivier Cayo Deutsch und durfte schliesslich in die alte Kantonsschule Aarau eintreten. Vor einem halben Jahr bestand er die Matur und wurde für eine der besten fünf Maturarbeiten im Kanton Aargau ausgezeichnet.

 Lage in der Heimat unsicher

 "Ich bin froh, dass ich bleiben darf und allen dankbar, die mich unterstützt haben", sagte Olivier Cayo der az Aargauer Zeitung gestern auf Nachfrage. "Ich bin auch dem Kanton Aargau sehr dankbar für die Unterstützung." Bei der Beurteilung seines Härtefallgesuches hat vor allem seine gute Integration eine grosse Rolle gespielt. Laut dem Bundesamt für Migration sind für die Erteilung einer Härtefallbewilligung die soziale und berufliche Integration, die familiäre und gesundheitliche Situation massgebend. Die politische Situation im Herkunftsland spielt keine Rolle.

 Die politische Situation in der Elfenbeinküste hat sich seit den Präsidentschaftswahlen im November 2010 verschlechtert. Laut der Uno sind bereits über 200 Menschen bei gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den politischen Lagern ums Leben gekommen, viele sind auf der Flucht. "Ich finde das sehr traurig", sagt Cayo, "hoffe aber, dass der Konflikt gelöst werden kann."

 Der Aarauer studiert mittlerweile an der Universität in Neuenburg Jus. "Das Studium ist super, viel spannender, als ich gedacht habe." Ende Februar wird er an einem Seminar zum Thema Erziehungspsychologie der Professorin Margrit Stamm an der Uni Fribourg teilnehmen und von seinen Erfahrungen erzählen.

 Das Umfeld von Olivier Cayo freut sich über den positiven Entscheid. "Das war ein schöner Einstieg ins neue Jahr", sagt sein ehemaliger Lehrer Tiziano Mattiolo, "ich habe mich sehr über die Nachricht gefreut."

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 Härtefallregelung

 In der Schweiz können Asylsuchende ein Härtefallgesuch stellen, wenn sie seit fünf Jahren in der Schweiz leben und so gut integriert sind, dass ein Härtefall vorliegt. Voraussetzungen für die Bewilligung des Gesuches sind die genügende Kenntnis einer Landessprache, ein soziales Umfeld und dass der Gesuchsteller nicht sozialhilfeabhängig ist. Die Regelung gilt auch für abgewiesene Asylbewerber. Wird das Gesuch angenommen, erhält die Person eine Aufenthaltsbewilligung (Ausweis B). Im Jahr 2009 wurden laut Statistik des Bundesamtes für Migration in der Schweiz 429 Härtefallgesuche gutgeheissen und 80 abgelehnt. (ju)
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SANS-PAPIERS
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Basellandschaftliche Zeitung 12.1.11

Der Schutz von Sans-Papiers an Schulen bröckelt

 Protest Basel wehrt sich für papierlose Schüler

Andreas Maurer

 Etwa 400 Kinder besuchen in Basel die Schule, obwohl sie sich illegal in der Schweiz aufhalten. Das zeigt eine Erhebung der Gesellschaft für praktische Sozialforschung. In Basel ist die Rechtslage klar: Sans-Papiers, die hier leben und im schulpflichtigen Alter sind, haben ein Recht auf Bildung. Mehr noch: Sie haben sogar die Pflicht, in die Schule zu gehen. Die Schulbehörden decken sie vor der Fremdenpolizei. Die Schulen geben nämlich keine Angaben über ihre Sans-Papiers weiter.

 Diese Praxis hat sich in Basel aus Sicht der Regierung und der Mehrheit des Parlaments bewährt. Der Bundesrat stellt die Praxis nun aber infrage. Er prüft, ob Schulen ihre Sans-Papiers neu den kantonalen Migra-tionsämtern melden müssen. Bis Ende Jahr erstellen die Bundesbehörden einen Bericht dazu. Danach wird definitiv entschieden.

 Basler Bildungsleiter ist entsetzt

 Hans Georg Signer ist alarmiert. Der Leiter Bildung im Basler Erziehungsdepartement befürchtet, dass Kantone, die das Problem gar nicht haben, es politisch zu ihrem eigenen machen und die urbanen Kantone überstimmen. Er verurteilt den Prüfungsantrag des Bundesrats: "Solche Fragen um Kinder sollte man aus der politischen Polarisierung heraushalten." Dass das Thema nun im "Gezerre der Politik" lande, bezeichnet er als "himmeltrauriges Elend". Er warnt vor negativen Folgen einer Meldepflicht: "Sans-Papiers-Eltern würden ihre Kinder nicht mehr in die Schule schicken. Dann lungern sie auf der Strasse herum."

 Hintergrund der Auseinandersetzung sind widersprüchliche Gesetze: Einerseits haben in der Schweiz alle Kinder unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus ein Recht auf Bildung. Andererseits dürfen sie nur in der Schweiz leben, wenn sie eine Aufenthaltsbewilligung besitzen. Diesen Widerspruch der Gesetzgebung findet Signer wunderbar: "Denn sonst wäre sie totalitär."

 Sie stören den Unterricht nicht

Sans-Papiers-Schüler stören den Unterricht laut Signer nicht. Im Gegenteil:"Durch die schwierigen Situa- tionen, die sie erlebt haben, sind sie es oft gewohnt, sich anzupassen." Pauschalisierungen seien aber schwierig: "Es sind Jugendliche wie andere auch. Es ist eine Frage der Menschlichkeit, ihnen Bildung anzubieten."

 Diesen Grundsatz hat kürzlich auch das Bundesparlament unterstrichen: Es hat entschieden, dass Sans-Papiers neu eine Lehre machen dürfen. Trotzdem denkt der Bundesrat an einen Kurswechsel. "Es besteht momentan viel Druck, auch medial", erklärt Mirjam Ringenbach, Leiterin der Basler Anlaufstelle für Sans-Papiers. Sie kritisiert: "Mehr als 100000 Sans-Papiers leben und arbeiten in der Schweiz, weil eine Nachfrage nach Arbeitskräften besteht. Die einzige Lösung des Problems wäre eine Erteilung von Arbeitsbewilligungen."

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 Malama: "Status von kindern und Erwachsenen trennen"

 Viele Sans-Papiers leisten Sozialversicherungsbeiträge oder erhalten Sozialgeld, ohne dass die Asylbehörden informiert werden. Diese Praxis stellt der Bundesrat mit einem Prüfungsantrag ebenfalls infrage. Entschieden ist aber noch nichts. FDP-Nationalrat Peter Malama würde eine Meldepflicht für Sozialhilfebehörden begrüssen. Gleichzeitig wehrt er sich aber gegen eine Meldepflicht für Schulen. Man müsse zwischen dem Status eines Sans-Papiers-Jugendlichen und dem Status der Eltern unterscheiden: "Jugendliche sollen nicht für das illegale Verhalten ihrer Eltern bestraft werden." Die Eltern aber möchte Malama anzeigen. (öpf)

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Zentralschweiz am Sonntag 9.1.11

Bloss nicht auffallen!

Anouk Holthuizen

 Miguel lebt seit sechs Jahren in der Schweiz. Die Behörden wissen nichts von ihm und seiner Familie. Würden sie ihn erwischen, müsste der Südamerikaner zurück in sein Geburtsland.

 Anouk Holthuizen

 zippy@zentralschweizamsonntag.ch

 Miguel würde gerne mal auf den Eiffelturm in Paris. Aber eine Reise dorthin ist für den Elfjährigen unmöglich. Selbst wenn ihn jemand einladen würde, würde er ablehnen. Miguel muss jede Situation vermeiden, in der er einen Ausweis zeigen müsste. Denn dann würde man sehen, dass der junge Südamerikaner keine Aufenthaltsbewilligung für die Schweiz hat. Und man würde ihn mit grosser Sicherheit in sein Geburtsland zurückschicken. Miguel ist ein sogenannter Sans-Papiers: ein Mensch ohne Papiere, die zum Verbleib in einem Land berechtigen.

 Ohne Helfer keine Wohnung

 "Meine Mutter sagt, dass man nicht in jedes Land ziehen darf, in das man will", erzählt Miguel. Er sitzt am Besprechungstisch eines Büros in einer Schweizer Stadt. Hier arbeitet ein Berater für Sans-Papiers. Er hilft der kleinen Familie, wenn sie Probleme hat. Ohne ihn und andere Helfer hätten sie zum Beispiel keine Wohnung.

 Miguel kann sich nicht mehr an das Land in Südamerika erinnern, in dem er geboren ist. Er weiss: "Meine Eltern waren arm. Manchmal wussten sie nicht, woher sie das Essen für den nächsten Tag nehmen sollten." Irgendwann erzählte ihnen ein Verwandter, der in der Schweiz lebte, dass man dort gut leben kann, wenn man tüchtig ist. Dieser Mann sagte auch: "Wenn ihr dort leben wollt, müsst ihr das heimlich tun. Die Behörden dürfen nichts von euch wissen."

 Im Jahr 2000 flogen Miguels Eltern in die Schweiz. Ihren einjährigen Sohn liessen sie bei einer Tante zurück. In der Schweiz fanden sie Arbeit, die es offiziell nicht gibt: Schwarzarbeit. Miguels Mutter schuftete als Putzfrau, der Vater auf Baustellen. Ihren Lohn erhielten sie bar auf die Hand. So mussten ihre Chefs nirgendwo angeben, dass sie Leute für niedrigen Lohn beschäftigten.

 "Meine Mutter holte mich in die Schweiz, als ich drei Jahre alt war", erzählt Miguel. "Aber für mich ist es so, als hätte ich immer schon hier gelebt." Ein Jahr nach Miguels Umzug in die Schweiz wurde sein Vater auf der Baustelle erwischt. Als die Behörden seinen Ausweis sehen wollten, konnte er nichts vorweisen. Er wurde sofort verhaftet und in sein Land zurückgeschickt. Doch er verriet niemandem, dass auch seine Frau und sein Sohn in der Schweiz lebten. Miguel hat heute keinen Kontakt mehr zu seinem Vater. "Meine Eltern haben sich getrennt", sagt er nur.

 Die Angst beim Busfahren

 Die Angst, erwischt zu werden, begleitet Miguel und seine Mutter jeden Tag. "Jedes Mal, wenn wir mit dem Bus oder Tram irgendwohin fahren, frage ich Mama, ob sie das Billett hat", sagt er. "Denn wer ohne Billett erwischt wird und die Busse nicht gleich bezahlen kann, muss einen Ausweis zeigen."

 Von Miguels Freunden weiss niemand, dass er ein Sans-Papiers ist. Miguel hält dieses Geheimnis fest in einer Schublade in seinem Herzen verschlossen. Zum Glück unternahm seine Schulklasse bisher auch keinen Ausflug ins Ausland. Dann müsste er sich krankmelden. Ansonsten fällt Miguel als Ausländer unter seinen Kollegen sowieso kein bisschen auf. "Meine Freunde stammen aus der Türkei, aus Spanien, Portugal, Albanien und der Schweiz." Seine Mutter hat auch nichts dagegen, wenn Miguel seine Freunde mit nach Hause nimmt. Die Eltern anderer Sans-Papiers-Kinder sind da ängstlicher. Miguel geht auch ins Fussballtraining und in wöchentliche Bastelstunden.

 "Ich führe eigentlich ein ganz normales Leben", sagt er. "Nur haben wir halt sehr wenig Geld."

 Hoffen auf die Zukunft

 Miguels Mutter verdient als Putzfrau etwa 1700 Franken im Monat. Davon gehen 900 Franken für die Wohnungsmiete weg. Damit lebt die Familie weit unter der Armutsgrenze. Familien mit solch kleinem Einkommen haben in der Schweiz normalerweise Anspruch auf Sozialhilfe, also auf Gelder von der Gemeinde. Miguels Familie muss darauf verzichten. Miguel hofft, dass er eines Tages arbeiten und Geld verdienen kann. Doch er weiss: Ohne Aufenthaltsbewilligung wird er keine Lehrstelle bekommen. Aber er gibt die Hoffnung nicht auf. "Vielleicht verstehen die Behörden ja eines Tages, warum wir hier bleiben möchten. Hier ist meine Heimat!"

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Warum darf nicht jeder hier leben?

 aho. Schätzungsweise 100 000 Menschen leben in der Schweiz ohne Aufenthaltspapiere ("Sans-Papiers": französisch "ohne Papiere"). Doch das sind Schätzungen. Die Menschen werden ja nirgends registriert, sind fast "unsichtbar". Die meisten von ihnen sind in die Schweiz gekommen, weil sie in ihren Heimatländern zu wenig Geld zum Leben verdienen.

 Dass Menschen in andere Länder ziehen, hat es schon immer gegeben. Die wichtigsten Gründe sind Kriege und Armut in der Heimat. Das reiche und friedliche Europa ist für Menschen aus ärmeren Ländern und Kriegsregionen besonders attraktiv. Jedes Land hat jedoch bestimmte Regeln, wie viele Menschen einwandern dürfen und unter welchen Voraussetzungen. Manche Politiker sagen, zu viele Menschen könnten das Zusammenleben und die Wirtschaft gefährden.

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Le Matin Dimanche 9.1.11

Sans-papiers Un projet fédéral scandalise les profs

 Les enseignants refusent de dénoncer les enfants

 Stupéfiant: dans le catalogue de mesures sur l'immigration clandestine que le Conseil fédéral est en train d'examiner,on envisage de débusquer les sans-papiers par le biais des écoles. Les enseignants devraient dénoncer les élèves sans papiers pour qu'on puisse remonter jusqu'à leurs parents.

 Outrés, les professeurs ne cachent pas leur colère, comme en témoigne Georges Pasquier, président du Syndicat des enseignants romands: "Je ne vois qu'une solution: la désobéissance civile!" Marcel Jaquier, directeur du Cycle d'orientation de Pérolles, à Fribourg, parle, lui, d'un "terrifiant retour en arrière": "Cela fait vingt ans que je suis directeur d'école et jamais on n'a osé remettre en question un acquis, pour lequel je m'engagerais à 150% s'il fallait de nouveau le défendre. "

 Côté UDC, l'idée semble poser moins de problèmes. Oskar Freysinger, conseiller national UDC et professeur, n'hésiterait pas, lui, à désigner ses élèves: "Soit ces enfants et leurs parents ont de bonnes raisons d'être en Suisse et ils peuvent rester, soit ce n'est pas le cas et il faut les renvoyer. " La polémique enfle.

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"Dénoncer des enfants? Ce serait un effrayant retour en arrière"

Magalie Goumaz

SANS-PAPIERS Le Conseil fédéral veut lutter contre l'immigration clandestine. Mais obliger les enseignants à dénoncer des élèves clandestins va à l'encontre de tous les principes. Tollé. magalie. goumaz@edipresse. ch stephanie. germanier@edipresse. ch

 "Si on oblige les enseignants à dénoncer des enfants, je ne vois qu'une solution: la désobéissance civile!" Le ton est donné. Georges Pasquier, président du Syndicat des enseignants romands, n'entre pas en matière une seule seconde sur l'idée émanant du Conseil fédéral de passer par les salles de classe pour débusquer les élèves sans papiers, et donc leurs parents.

 Le Conseil fédéral touche là à l'école, dont le devoir est de délivrer un enseignement gratuit, sans discrimination. Il s'en prend à l'enfant, dont l'éducation est un droit qui n'est pas lié à son statut. Et évidemment à l'enseignant, dont le rôle est d'accompagner ses élèves sur le chemin du savoir… et non du retour forcé.

 Contre tous les principes

 Un groupe de travail de l'administration est actuellement chargé d'examiner la faisabilité de cette mesure lancée parmi d'autres pour lutter contre l'immigration clandestine (lire ci-dessous). Mais obliger les enseignants à la délation irait à l'encontre de tous les principes défendus actuellement.

 La scolarisation des enfants sans papiers n'est plus une revendication de militants depuis une vingtaine d'années. Il s'agit d'un acquis, intégré dans des conventions internationales, lois fédérales et cantonales, directives. "Le remettre en cause revient à vouloir retirer le droit de vote aux femmes", explose Tania Ogay, professeur en sciences de l'éducation à l'Université de Fribourg.

 En Suisse, on estime le nombre de sans-papiers entre 100 000   et 300 000. Par déduction, le nombre d'enfants concernés pourrait s'élever à quelques milliers. Neuchâtel recense environ 80 cas par an. Le canton le sait car il rembourse les frais de scolarité aux communes scolarisant des enfants de parents clandestins, soit 250 francs par élève et par an. Des données qui ne sont en aucun cas utilisées pour déloger les parents.

 Pas forcément au courant

 De leur côté, les enseignants ne sont pas forcément informés du statut de leurs élèves. "Nous le découvrons par hasard", explique Brigitte Roth, enseignante à Renens (VD), qui se souvient du parcours d'une fillette latino. "Lorsqu'elle est arrivée, elle n'avait aucune notion acquise. Elle avait vécu en Allemagne, en Italie. On a pu l'intégrer dans une classe spéciale. Si tel n'avait pas été le cas, la famille serait partie une nouvelle fois. " Pour Brigitte Roth, ce ne sont pas ces enfants qui posent le plus de problèmes, mais ceux dont les parents ne s'occupent pas, suisses ou étrangers.

 Directeur du Cycle d'orientation de Pérolles, à Fribourg, Marcel Jaquier aime les belles histoires, celles d'enfants qui ont gravi les échelons en partant d'un statut de sans-papiers. "J'ai accueilli une élève albanaise qui est actuellement en train de finir son doctorat!" Aujourd'hui, il se dit effaré par l'idée de demander aux enseignants de dénoncer ces enfants. "C'est dans l'air du temps, malheureusement", déplore-t-il. "Mais c'est aussi un terrifiant retour en arrière. Cela fait vingt ans que je suis directeur d'école, et jamais on n'a osé remettre en question un acquis, pour lequel je m'engagerais à 150% s'il fallait de nouveau le défendre", poursuit-il.

 Les années Schwarzenbach

 Si Marcel Jaquier réagit aussi vivement, c'est qu'il a vécu les années Schwarzenbach, du nom de ce conseiller national qui, dans les années 1970, a lancé une série d'initiatives contre les étrangers. Tout un climat qu'a également connu Raymond Durous, ancien enseignant à Lausanne, auteur de plusieurs ouvrages sur la question. "Un jour, ma maîtresse m'a traité de sale Italien, raconte-t-il. En apprenant ce qui se tramait à Berne, je me suis demandé si ce que nous avions vécu pouvait se répéter. "

 Georges Pasquier reconnaît que certains enseignants pourraient accepter de dénoncer des élèves. "Il y a certains que l'illégalité dérange", estime-t-il. Et le conseiller national UDC valaisan Oskar Freysinger, enseignant à Sion, ne s'en cache pas: il le ferait. "Pour un enfant, vivre dans l'illégalité est aussi très dommageable psychologiquement. Il ne s'agit pas d'épurer l'école, mais de définir le statut des gens. Soit ces enfants et leurs parents ont de bonnes raisons d'être en Suisse et ils peuvent rester, soit ce n'est pas le cas et il faut les renvoyer. "

 Est-ce aussi simple? Enseignant à Leytron (VS), David Evéquoz est pour sa part convaincu de l'effet inverse: "Les parents n'oseront plus envoyer leurs enfants à l'école. C'est la clandestinité qu'on renforce!"

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 L'IDÉE VIENT D'UN CONSEILLER FÉDÉRAL ET PAS DE L'ADMINISTRATION

 UN GESTE POLITIQUELe projet d'obliger les enseignants ou leur direction à dénoncer les enfants sans papiers aux autorités n'est pour l'instant qu'une piste de réflexion, mais une piste qui remonte à une décision politique. "Cette proposition ne vient pas de l'administration mais fait suite à une procédure de corapport au sein du Conseil fédéral", fait savoir Dieter Biedermann, porte-parole de l'Office fédéral de la justice.

 C'est donc sur proposition d'un ministre que, lors de sa séance du 22   décembre 2010, le Conseil fédéral a intégré "la chasse aux enfants clandestins" au mandat plus large d'évaluation de mesures pour traquer les sans-papiers. Un mandat qui incombe désormais à un groupe de travail composé de fonctionnaires, qui va évaluer, d'ici à la fin de l'année, la faisabilité de la mesure, notamment en regard de la Convention internationale des droits de l'enfant.

 Confidentialité des affaires du Conseil fédéral oblige, il est difficile de savoir lequel des sept ministres a demandé au Département de justice et police de Simonetta Sommaruga d'examiner s'il était envisageable d'appeler les enseignants à la délation. Beaucoup imaginent mal que cette proposition choc vienne du camp bourgeois, quand bien même les libéraux-radicaux proposaient cette semaine encore de fermer davantage le robinet de l'immigration. Tous les regards se tournent donc vers le seul UDC du gouvernement, Ueli Maurer. Son parti thématise depuis plusieurs mois les conditions-cadres de l'école et répétait dans un communiqué de presse paru le 20   décembre son rigorisme en matière d'immigration illégale. La chasse aux sans-papiers figure même en bonne place du nouveau programme politique de l'UDC, adopté sur la paille de Coinsins (VD) par les délégués. x

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 L'AVIS DEL'EXPERT

 DOMINIQUE FÖLLMI Ancien conseiller d'Etat genevois (PDC), il avait fait accepter la scolarisation des clandestins à la fin des années 1980

 Dominique Föllmi, vous êtes resté dans les mémoires parce qu'en 1986 le conseiller d'Etat que vous étiez avait accompagné une petite clandestine turque à l'école, pour éviter que la police ne l'arrête. Comment réagissez-vous à l'idée qu'on puisse reprendre la traque?

 Je suis scandalisé et je promets de monter au créneau pour qu'on abandonne tout de suite cette réflexion. Je vais prendre des contacts avec les politiciens fédéraux et avec la direction du PDC. Bien sûr, pour l'instant, ce n'est qu'un embryon de proposition, mais que l'on ose seulement penser à cette mesure est quelque chose de condamnable et de choquant. C'est un retour en arrière. On remet en question 25   ans de réflexion pour intégrer ces enfants à l'école.

 Quelles étaient les circonstances de votre geste en 1986?

 Quelqu'un m'avait appelé pour me signaler le cas d'une famille turque qui avait été arrêtée par la police. Le père avait été renvoyé par avion et la mère mise en garde à vue car on ne pouvait pas l'expulser puisqu'on ne savait pas où était sa fille. Elle était en colonie de vacances. Des amis de la famille l'avaient cachée quelque temps. A la rentrée des classes, j'ai décidé d'aller la chercher et de l'accompagner à l'école car j'étais certain que la police viendrait l'arrêter. Cette enfant avait finalement pu terminer son année scolaire, mais, moi, j'avais passé un mauvais quart d'heure dans mon canton et j'avais même été convoqué à Berne par le ministre de Justice et Police de l'époque, Arnold Koller.

 Quelles furent les conséquences?

 A l'époque se posait le problème des saisonniers, qui n'avaient pas droit au regroupement familial et qui étaient quand même rejoints par leur famille. Le canton de Genève a finalement reconnu le droit de ces enfants à être scolarisés en 1989 et la mesure a fait tache d'huile. Tous les cantons ont fini par suivre.

 Le ton se durcit de nouveau dans le domaine de l'immigration. Pensez-vous que cette proposition ait une chance dans le contexte actuel?

 C'est tout simplement impensable que les enseignants puissent obtempérer si cette idée devait se concrétiser. Aucun d'entre eux ne peut accepter moralement de faire de la délation. Cela va contre leur éthique, contre leur métier qui est de former, et pas de dénoncer. L'UDC parle beaucoup d'école et d'étrangers, c'est le moment ou jamais avec ce sujet de se saisir du problème et de dire stop. J'ai l'espoir que les Suisses vont réagir. Ils ne peuvent pas rester insensibles au sort de ces enfants.

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La Liberté 8.1.11

Berne prépare de nouvelles mesures contre les sans-papiers

 Immigration - L'une des pistes étudiées par le Conseil fédéral viserait les enfants scolarisés de travailleurs sans statut légal. Des élus s'en indignent.

 Olivier Chavaz

 Interdits de mariage depuis le 1er janvier, les sans-papiers seront-ils à l'avenir privés de cotisation aux assurances sociales et d'école obligatoire? Plutôt draconiennes, ces deux nouvelles mesures, visant à combattre l'immigration illégale, sont actuellement examinées par un groupe de travail de l'administration fédérale (Départements de justice et police et de l'intérieur), a révélé en début de semaine le "Tages-Anzeiger". Un rapport sur le sujet est attendu d'ici à la fin de l'année. Inquiétudes dans le camp progressiste.

 Une partie des 100 000 à 200 000 sans-papiers de Suisse cotisent à l'AVS/AI. Si aucun ne peut rêver de toucher la retraite, l'affiliation aux assurances sociales couvre dans certains cas l'invalidité. Mais elle peut surtout constituer un argument de poids lorsque ces personnes déposent une demande de régularisation. Si Berne persiste dans ses intentions, l'Office des assurances sociales et celui des migrations pourront bientôt échanger leurs informations en vue de débusquer le travail "au gris".

 Réalité économique niée

 "Cette proposition nie la nécessité pour l'économie suisse de disposer d'une main-d'œuvre non qualifiée pour occuper des emplois que le marché local ne parvient pas à pourvoir", tranche le conseiller national Vert Antonio Hodgers. Ceux que l'on prétend ainsi chasser seront immédiatement remplacés. "Cela ne résoudra rien et tout le monde le sait", ajoute le Genevois.

 Son collègue démocrate-chrétien Luc Barthassat, qui milite pour l'intégration au cas par cas des sans-papiers "bien établis", ne dit pas autre chose: "Si ces gens sont là, c'est que nous en avons besoin. Dans de nombreux domaines, comme le mien, le paysagisme, il est très difficile de trouver du personnel."

 Mais c'est évidemment la perspective de voir l'école obligatoire dénoncer les élèves dépourvus d'autorisation d'établissement qui inquiète le plus. Les autorités fédérales oseront-elles franchir ce pas? Les élus progressistes peinent à y croire. "Ce serait extrêmement grave. On reviendrait vingt-cinq ans en arrière avec les "enfants du placard", que leur parents n'osaient pas envoyer en classe", s'étrangle Antonio Hodgers. Une telle directive serait aussi contraire à la Convention relative aux droits de l'enfant, ainsi qu'à la Constitution.

 "Il n'est pas question de lancer une sorte de chasse aux sorcières parmi des enfants", balaye Luc Barthassat. Le conseiller national n'oublie pas que la scolarisation des mineurs sans papiers doit beaucoup au courage d'un démocrate-chrétien, l'ancien conseiller d'Etat genevois Dominique Föllmi, qui a fait œuvre de pionnier sur ce thème à la fin des années 1980.

 "Les cantons y ont adhéré depuis longtemps. J'imagine qu'ils monteraient au créneau pour défendre leur politique", ajoute Antonio Hodgers. A Genève, notamment, l'exécutif a récemment encore refusé de la remettre en question, en opposant une fin de non-recevoir à l'extrême droite qui réclamait des statistiques sur les élèves "clandestins".

 Apprentissage en stand-by

 Dans ce climat répressif, la motion Barthassat autorisant l'accès à un apprentissage aux jeunes sans statut légal fait figure d'ovni. Elle a pourtant été acceptée par les Chambres et le gouvernement a maintenant pour mission de modifier la loi en ce sens. Les priorités semblent pourtant être ailleurs. "Cela prendra du temps, peut-être trois ou quatre ans. Mais je ne compte pas baisser les bras, même en année électorale. J'irai rencontrer la conseillère fédérale Simonetta Sommaruga lors de la session de printemps", lâche Luc Barthassat. Le Courrier

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24 Heures 8.1.11

Travail au noir

 Le sans-papiers était un employé modèle, l'entreprise est punie

Alain Détraz

 Une société de déménagement est exclue pour un an de tout marché pu- blic. Elle employait un Equatorien depuis quatorze ans

 Alain Détraz

 Employer des travailleurs au noir peut coûter cher. Depuis hier, les employeurs savent qu'ils risquent désormais de figurer sur une liste de moutons noirs. Le canton de Vaud vient en effet d'exclure des marchés publics un déménageur de Renens, condamné pénalement à des jours-amendes. Pendant un an, l'entreprise Veillard et Fils figurera sur la liste fédérale des sociétés exclues que chacun peut consulter sur le site du Secrétariat d'Etat à l'économie (SECO). Durant ce délai, elle ne pourra briguer aucun contrat avec une commune, un canton ou la Confédération.

 La décision rendue par le Département des infrastructures (DINF) tombe deux ans après l'entrée en vigueur de la loi fédérale contre le travail au noir. Si la liste tenue par le SECO ne comporte pour l'heure qu'un nom vaudois, le déménageur n'est pas le premier à être épinglé. "Les condamnations pénales se soldent généralement par des jours-amendes. Les cas qui nous avaient été transmis jusqu'alors n'étaient pas assez graves pour être sanctionnés d'une exclusion", explique Michel Rubattel, secrétaire général du DINF.

 Critères non précisés

 A partir de combien de jours-amendes intervient une telle mesure? La loi ne le dit pas, ce que déplore Michel Rubattel. La décision intervient donc par appréciation du canton. Selon quels critères de gravité? "On ne peut pas les détailler publiquement mais disons que le nombre de jours-amendes est fixé en fonctoin de la durée d'emploi", dit Michel Rubattel. Ainsi, l'entreprise renanaise employait un sans-papiers depuis quatorze ans(lire ci-contre).

 Le cas a été jugé suffisamment grave par le canton pour faire du déménageur un premier exemple. "Ce n'est pas une mise au pilori, corrige Michel Rubattel. L'entreprise a été entendue et informée de cette démarche; nous ne ferons pas un communiqué de presse pour chaque nouvelle entrée sur la liste. " Une mesure que le législateur espère dissuasive dans sa lutte contre le travail au noir.

 Pour l'heure, la liste du SECO contient surtout des entreprises genevoises, notamment de restauration. Une vaudoise et une zurichoise complètent le tableau. Comparé à Genève, qui manifeste ainsi sa volonté politique de traquer le travail au noir, Vaud aurait-il du retard? "Ce n'est pas un signe d'inefficacité", assure François Vodoz, chef du Contrôle du marché du travail et protection des travailleurs.

 Ses 25 inspecteurs contrôlent chaque année quelque 2700 entreprises et le déménageur renanais semble avoir été le premier cas à mériter une exclusion. La liste promet de se compléter au rythme des décisions de justice. En effet, 136 entreprises vaudoises ont été dénoncées l'an dernier.    

 "Il était irremplaçable, et ils l'ont expulsé de Suisse"

 ULe syndicat Unia réagit positivement à l'annonce du canton. Il faut "donner du travail aux entreprises qui respectent les conventions collectives et les dispositions légales", commente Jean Kunz, secrétaire régional d'Unia. Toutefois, à Renens, le patron épinglé est loin de partager cet enthousiasme.

 A la tête de l'entreprise familiale exclue par le Département des infrastructures, Claude Veillard a l'habitude de travailler pour le canton. "D'ailleurs, ils m'ont invité à leur apéro de fin d'année", sourit le déménageur. Il se console de cette année d'exclusion des marchés publics en considérant que le gros de sa clientèle est d'origine privée. Reste que sa condamnation lui a fait perdre un très bon employé. "Osvaldo a travaillé avec nous pendant quatorze ans. C'était un employé modèle, irremplaçable, et ils l'ont expulsé de Suisse. " Le salarié était en effet Equatorien. Sans-papiers, il a été expulsé avec sa femme et ses deux enfants à fin octobre, quelques mois après sa découverte par le Service de l'emploi. D'après son patron, le cas d'Osvaldo semblait pourtant connu à Renens. Y compris de la police.

 "Le juge voulait qu'il arrête immédiatement de travailler, j'ai refusé, dit Claude Veillard. Osvaldo avait une famille à nourrir et besoin d'argent pour rentrer au pays. " Il a travaillé jusqu'au dernier jour et son container de déménagement lui a été offert par son employeur. Devant la justice, le patron déménageur a dû s'acquitter de 8500 francs et a été condamné à 120 jours-amendes, assortis d'un sursis de cinq ans. A entendre Claude Veillard, on est loin d'une situation d'exploitation de la misère humaine. L'employé qui lui a valu sa condamnation bénéficiait d'un salaire honorable, bien que payé à l'heure, et de vacances payées. En retournant au pays, il a pu retirer le pécule de son 2e pilier. "Là, ils n'ont pas manqué de le taxer comme n'importe quel Suisse", dénonce Claude Veillard. Reste que la situation de son employé n'a jamais été régularisée, et le canton n'a pas pu fermer les yeux sur cette affaire de travail au noir avéré. D'ailleurs, Claude Veillard en accepte la sentence. "Pour un employé comme lui, je ne regrette pas d'avoir été pénalisé. "

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AUSSCHAFFUNGEN
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Südostschweiz 12.1.11

Ein Theater zeigt, was Ausschaffung ist

 "Abflug" ist am Mittwoch, 9. Februar, 20 Uhr, in der Aula der Kantonsschule Glarus angesagt. Das Theaterstück lässt eine Ausschaffung hautnah erleben.

 Glarus. - "Ausschaffung" sei das Schlüsselwort des Jahres 2010, schreiben die Veranstalter. Das Theaterstück "Abflug" zeige auf, was dahinterstecke. Das Stück erzählt die Geschichte einer Ausschaffung und der Menschen, die betroffen sind. Es ist ein Theaterstück zwischen den Welten, zwischen Afrika und Europa, über Fluchtgründe, über Wege in die Fremde, über Heimat und Integration. Das Thema sei aufwühlend und berührend, man sollte nicht wegschauen. Das Stück zeigt das Theater Stückwerk in Zusammenarbeit mit Amnesty International ab Januar in zehn Schweizer Städten und Dörfern. Die Aufführungen organisieren Amnesty-Gruppen und -Aktivmitglieder.

 Ein Tag verändert alles

 Melina Nkapou ist siebzehn. Ihre Familie musste aus Togo fliehen, weil der Vater Flugblätter gegen die Diktatur verfasst hatte. Melina besucht den Kindergarten, die Grundschule, die Realschule. Irgendwann wird zu Hause nur noch Deutsch gesprochen. Wenn es in der Schule eine Feier gibt, kocht ihre Mutter zwar afrikanische Spezialitäten, aber Melina isst lieber Bratwurst.

 Dann kommt der Tag, der alles verändert. Die Familie wird um 5 Uhr morgens von der Polizei aus dem Schlaf gerissen. Ihre Duldung ist abgelaufen. Nun sollen sie nach Togo abgeschoben werden. Sie haben eine halbe Stunde Zeit, um 20 Kilo Gepäck für ihr zukünftiges Leben zu packen - ein Leben in Westafrika, das Melina nur aus den Erzählungen ihrer Eltern und aus dem Fernsehen kennt. Eine Reise ins Ungewisse beginnt, an deren Ende ein Land auf sie wartet, dessen Amtssprache Französisch Melina genauso wenig beherrscht wie die Stammessprache Ewe.

 Raimou Hamadou ist nach Europa gekommen, um Geld zu verdienen. Er wusste keinen anderen Ausweg, seine Familie zu Hause durchzubringen. Die Tomatenmarkfabrik, für die er in Ghana gearbeitet hatte, war zusammengebrochen. EU-subventionierte Produkte hatten den Markt überschwemmt. Seine abenteuerliche Flucht quer durch Afrika nach Europa endet am Spültisch eines Restaurants. Sie seien unfreiwillige Passagiere der ersten europäischen Sammelabschiebung. Ein Erfolgsmodell, mit EU-Mitteln gefördert, entwickelt von Udo Krapke von der Ausländerbehörde, heisst es in der Mitteilung. "Abflug" sei ein schnelles Stück, das mit seiner aktuellen Thematik und seinen rasanten Szenen und Figurenwechseln den Nagel auf den Kopf treffe.

 Reale Hintergründe

 Das Stück basiert auf dem Artikel "Abschiebeflug FH 6842", der im Januar 2008 im "Zeit"-Magazin erschienen ist. Das Theater Stückwerk hat frei nach dieser Geschichte realer Personen sein Theaterstück entwickelt. (pd)

 Ticketverkauf an der Abendkasse.

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MIGRATION CONTROL
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Le Temps 10.1.11

A la frontière gréco-turque, la police est débordée par l'afflux de migrants

 La Grèce a été critiquée par Bruxelles après l'annonce la semaine dernière de son intension de boucler la frontière par une clôture de barbelés. Sur place, policiers grecs et européens sont pourtant débordés. Reportage

Angélique Kourounis, Athènes

 "Si   j'avais su que c'était comme ça, je ne serais pas venu. Hier on nous a sortis tous, un par un. Ils en ont frappé quelques-uns, comme ça pour rien, sinon on n'a pas trop à se plaindre, on n'est pas dans notre pays quand même." Youssef a 24 ans. Il est Tunisien mais lors de son interrogatoire par les agents de la Frontex, l'Agence de surveillance des frontières extérieures de l'Europe, il a   menti. Pour pouvoir rester en territoire européen, en Grèce, il s'est déclaré Palestinien. Ainsi venant d'un pays en guerre, il ne peut être renvoyé mais ce privilège semble cher payé.

 Youssef, vient d'être libéré du camp de Filakio, proche de Nea Vissa, en Thrace occidentale, à quelques   kilomètres de la Turquie. Ce camp est un ancien dépôt désaffecté, transformé en camp d'accueil avec une guérite à l'entrée. Devant l'afflux des migrants c'est devenu un camp de rétention avec une double rangée de barbelés, et des miradors. Un bus amène tous les jours les migrants cueillis dans la nuit le long de la frontière au   camp de rétention le plus proche. Un autre vient prendre ceux qui sont libérés pour les emmener à Athènes. Prix du billet 60 euros. Ceux qui n'ont pas assez d'argent sont   laissés sur le bord de la route en fonction de la somme qu'ils ont réglée.

 Youssef fait partie des quelque 140 à 150 migrants sans papiers qui franchissent à pied ou sur des barques la frontière turco-grecque quotidiennement. Avant   l'arrivée des unités de la Frontex, les "Rabbits", appelés à l'aide par Athènes pour faire face à cette vague d'immigration massive, ils étaient 300 tous les jours à franchir l'Evros, le   fleuve frontière entre les deux pays. Beaucoup trop pour la Grèce qui, elle-même en proie à une crise financière sans précédent, a atteint ses capacités d'accueil de clandestins. "Le pays n'en peut plus", a indiqué il y a une semaine le ministre en charge de l'immigration Christos Papoutsis avant d'annoncer la clôture de cette frontière par des barbelés. L'Union européenne émet beaucoup de réserves   envers cette initiative mais le gouvernement grec persiste et signe: la frontière sera bel et bien fermée.

 Sur place, on a des doutes sur l'efficacité de cette mesure: "Le problème", explique Werner, officier autrichien, "c'est qu'il n'y a aucune coopération entre l'armée grecque qui est souveraine sur cette région frontalière, la police et les unités de la Frontex qui ont d'autres priorités. Ici tout est plus compliqué car la frontière avec la Turquie est sensible. On a l'impression de marcher   sur des œufs". Un autre militaire "frontexiste" qui veut garder l'anonymat est plus direct: "En face, les Turcs ne font pas leur boulot et nous ici on ne peut rien faire d'autre que de cueillir les migrants qui arrivent pour les emmener au camp".

 Cette mauvaise coopération a donné lieu il y a quelques mois à un incident tragico-comique: 32 migrants ont été signalés alors qu'ils traversaient le "no man's land" de quelques mètres entre la Grèce et la Turquie. Les gardes frontières grecs les arrêtent avant qu'ils n'entrent en Grèce et interpellent leurs collègues turcs qui leur tournent le dos. Pour   eux, ces migrants viennent de Grèce et   veulent entrer   illégalement en Turquie. L'affaire se passe à 7 heures du matin. Les deux frontières se ferment et les 32 malheureux restent coincés sur ce bout de terre sans nourriture, sans eau. Le soir, après 12 heures de négociations entre les ministères grec et turc, les deux armées et les deux gardes-frontière, on en arrive à une solution à la Salomon: 16 migrants   sont pris par les Grecs et 16 par les Turcs…

 Le voyage n'est pas sans risques. Beaucoup, se noient dans les courants glacés de l'Evros. Le mufti de la région se charge de les enterrer quand on retrouve leurs corps. Sinon, il fait la prière des morts au-dessus du fleuve, au hasard. Ce vieux monsieur est très en colère: "44 personnes se sont noyées l'année dernière. Je m'en suis occupé, qu'on s'occupe dignement des vivants. Puisqu'on ne peut les stopper, qu'on leur donne un visa et qu'ils viennent dans des bus ou des trains sans se noyer. Ce qui se passe ici est indigne de   toute   humanité."

 Ioanna Pertsinidou, assistante sociale de Médecins sans frontières confirme: "Ce que j'ai vu dans ces camps est innommable. Dans celui de Soufli, je n'avais pas assez de place pour marcher dans les dortoirs et   distribuer des kits hygiéniques. Dans les camps les toilettes sont bouchées, les femmes et les enfants dorment souvent à même le sol. Les pièces sont surpeuplées. C'est inadmissible." MSF mais aussi Médecins du monde, Amnesty International et le Haut-Commissariat aux réfugiés parlent d'une crise humanitaire. "Et on n'est encore qu'en hiver, s'exclame Kostas, habitant de Nea Vissa. Dès qu'il va faire beau, la Frontex ne servira qu'à jouer au taxi entre la frontière et les camps. On ne peut plus les accueillir." A 900 kilomètres de là, à Athènes, où échouent les migrants munis d'un permis de séjour valable un mois, on fait le même constat. Aux dernières élections municipales, un néo-nazi a été élu conseiller d'Agios Pantéléïmonas, un quartier en voie de ghettoïsation.

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NZZ am Sonntag 9.1.11

Nachdem 1989 die Mauern fielen, werden jetzt neue gebaut

 Mehr und mehr Staaten investieren heute in massive Grenzsicherungen. Das ist kein Widerspruch zur Globalisierung, es ist eine Folge davon, meint Thomas Isler

 Griechenland will die neue Grenzbefestigung unbedingt. Über drei Meter hoch soll sie sein, ausgerüstet mit Infrarotkameras und Bewegungsmeldern. Und sie soll so schnell wie möglich die Landgrenze zur Türkei sichern, auf jenen 12,5 Kilometern, wo diese nicht dem Fluss Evros folgt, sondern über ein freies Feld verläuft. Hier wurden letztes Jahr Zehntausende Flüchtlinge festgenommen. 90 Prozent aller illegalen Einreisen in die EU erfolgen aus der Türkei nach Griechenland. Man kann es dem finanziell ausgezehrten EU-Mitglied kaum verargen, dass es Mittel sucht, den Flüchtlingsstrom aufzuhalten.

 Griechenland ist nicht das einzige Land, das seine Grenze befestigen möchte. Solche Bemühungen sind auf der ganzen Welt zu beobachten. Die USA bauen ihren Grenzwall zu Mexiko stetig aus, Rumänien hat moderne Systeme für seine Grenze im Osten eingekauft, Saudiarabien und Katar bauen elektronische Barrieren, Südafrika befestigt die Grenze zu Simbabwe, Brasilien jene zu Paraguay. Auf der ganzen Welt werden Grenzanlagen gebaut, die den Vergleich zum Limes des Römischen Reichs oder zur Grossen Mauer der chinesischen Kaiser nicht zu scheuen brauchen.

 Wie sehr die ausgeklügelte Grenzbefestigung zum sicherheitspolitischen Mittel der Stunde geworden ist, zeigen die Trends in der Rüstungsindustrie. Der Luft-, Raumfahrts- und Rüstungskonzern EADS wickelt derzeit in diesem Bereich den grössten Auftrag ab, den es je gab: Bis 2014 verwandelt die Firma in Saudiarabien die 9000 Kilometer messende Aussengrenze - sie ist noch ein bisschen länger als die Chinesische Mauer - in einen befestigten Wall. Die Mittel dazu sind Radarstationen, Sensoren, Infrarotkameras, Drohnen und ausgeklügelte Systeme zur Führung der Grenztruppen. Die Kosten betragen 2,5 Milliarden Dollar. Die integrierten Grenzsicherungssysteme für ganze Nationen sind laut Branchenexperten einer der am schnellsten wachsenden Märkte. Das ist für die Branche umso erfreulicher, als die staatlichen Mittel für die klassische Rüstung im Zuge der Budgetkrisen stetig schrumpfen.

 Die Abwehr von Terroristen spielt beim Bau neuer Grenzbefestigungen eine untergeordnete Rolle. Sie mag ein Grund sein für die Befestigung der Grenze in Saudiarabien oder für den Bau der Mauer zwischen Israel und den besetzten palästinensischen Gebieten. Gerade Israel baut aber seit letztem November auch einen neuen, 260 Kilometer langen Sicherheitszaun an der Grenze zu Ägypten, der vor allem den Zustrom von Flüchtlingen verhindern soll. Diese versuchen heute mangels leichter Wege nach Europa via den Sinai nach Israel zu gelangen. 2010 schafften dies 10 000 Afrikaner. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu spricht von "einer Flut", die sein Land bedrohe.

 Europa muss mittlerweile als grosser Wirtschafts- und Wohlfahrtsraum gedacht werden, dessen Grenzsicherung im Stil eines Imperiums weit vor der Grenze beginnt, auch an Schauplätzen wie Marokko, Libyen - oder auf dem Sinai. Das mag gerade Politikern in Europa etwas peinlich sein, wo der Jubel über den Fall der Berliner Mauer besonders gross war. Die Utopie einer Welt ohne Grenzen schien in der optimistischen Grundstimmung vor gut 20 Jahren auf einmal greifbar. Es ist eine Ironie der Geschichte, dass das Ende des Eisernen Vorhangs (der die Auswanderung verhinderte) jetzt indirekt zur Errichtung zahlreicher neuer Befestigungen gegen die Einwanderung führt.

 Das Ende des Kalten Krieges erwies sich nämlich als starker Treiber für die Globalisierung. Und der liberalisierte Welthandel hat Strömungen von grosser Kraft erzeugt, die nationale Identität und Souveränität mitzureissen drohten. Flüchtlinge, Arbeitskräfte, Kapital, Handelswaren, Rohstoffe, Schmuggelgut zirkulieren schneller und schneller, auch befeuert von einer Globalisierung der Medien, welche die Welt - zumindest im Fernsehen - weiter schrumpfen liess. Der Druck auf die Grenzen zwischen Räumen mit viel Wohlstand und wenig Menschen und jenen mit wenig Wohlstand und viel Menschen nimmt zu. Und die Angst vor zu viel Globalisierung wird nach der Finanzkrise nicht kleiner. Die neuen Mauern werden deshalb nicht schnell wieder verschwinden. Zumal sie ja die Einwanderung nicht stoppen - sondern filtern. Arbeitswillige Spezialisten werden weiter mühelos das Land wechseln können. Entscheidend wird damit die Frage der Durchlässigkeit von Grenzen. Der verstorbene Soziologe Ralf Dahrendorf, der von sich sagte, er habe nie "in den Chor derer eingestimmt, die die Abschaffung aller Grenzen fordern", hat das Dilemma erfasst: "Eine Welt ohne Grenze ist eine Wüste; eine Welt mit geschlossenen Grenzen ist ein Gefängnis; die Freiheit gedeiht in einer Welt offener Grenzen." (tis)

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GAZA YOUTH
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Bund 8.1.11

Gazas Jugend schreit ihren Frust in die Welt

 Eine anonyme Gruppe junger Palästinenser beklagt sich in einem Internetmanifest über Israel, die Welt - und besonders die Hamas.

 Susanne Knaul, Jerusalem

 Es ist ein Aufschrei von jungen Leuten, die nichts anderes wollen, als ein normales Leben führen. Israel, die Hamas und das Schweigen der internationalen Gemeinschaft prangert die Gruppe palästinensischer Studenten in Gaza an. Sie veröffentlichte ihr wütendes Manifest auf Facebook und Twitter. "Gaza Youth Breaks Out", zu deutsch: "Gazas Jugend bricht aus", so der Name der Gruppe, die aus gutem Grund die Öffentlichkeit scheut. Ein einziges Mal waren acht junge Frauen und Männer bereit, eine ausländische Reporterin zu treffen. Sie musste versprechen, die Anonymität der Gruppe zu wahren. Keine Namen, keine Fotos.

 Radikales Hamas-Regime

 Das islamistische Regime der Hamas im Gazastreifen lässt keinen Raum für kritische Stimmen. Die Extremisten machen mit ihren Gegnern gern kurzen Prozess. Zwei der jungen Rebellen hatten bereits Kontakt mit den Ordnungshütern. Unter dem Vorwand des unkeuschen Verhaltens sind Verhaftungen und körperliche Züchtigungen nicht ungewöhnlich im Reich der Extremisten. Laut Anordnung aus dem Innenministerium dürfen sich unverheiratete Paare nicht in der Öffentlichkeit blicken lassen. Frauen ist es zudem verboten, Wasserpfeife zu rauchen oder sich die Haare von einem männlichen Friseur schneiden zu lassen.

 "Wir haben Angst vor Verhaftungen", heisst es in dem Manifest, "vor Verhören und Folter." Trotzdem schreiben sich die Studenten ohne jeden Abstrich die Wut von der Seele, reden von der "Organisation, die sich wie eine bösartige Krebskrankheit verbreitet", und die "alles Lebende, Gedanken, Träume tötet und so die Menschen lähmt mit ihrem Terrorregime". Auslöser für ihren wütenden Protest waren die polizeilichen Aktionen gegen Sharek, eine mit internationalen Geldern finanzierte Organisation für junge Palästinenser in Gaza, deren Büros Ende November geschlossen wurden. Sharek veranstaltete Sommerlager und Workshops. Als es nach der Schliessung ihrer Büros zu Demonstrationen kam, griff die Hamas-Polizei mit Gewalt durch.

 Für die "Gaza-Jugend" selbst überraschend kam die Welle von Rückmeldungen aus dem Gazastreifen wie dem Ausland. Über 13 000 Internetnutzer haben das Manifest bei Facebook bereits positiv kommentiert. Sie wünschen Mut oder fragen, wie man sie unterstützen könne. Die "Gaza-Jugend" hält konkrete Aufgabenstellungen parat. Dabei geht es um das Verbreiten ihres Manifestes, um Unterstützung der "palästinensischen Sache" und dem Kampf gegen Menschenrechtsverletzungen, vor allem dort, wo sie gegen Jugendliche gerichtet sind.

 Über die Hälfte der Menschen, die heute in Gaza leben, sind minderjährig. Sich frei bewegen zu können, gehört zu ihrem Traum, der jedoch so bald nicht in Erfüllung gehen wird. Israel und Ägypten halten die Grenzen für Palästinenser, die nicht über Sondergenehmigungen verfügen, geschlossen. Die Studenten wollen deshalb anfangen, die Besatzung selbst aufzubrechen und sich "zu befreien von der mentalen Inhaftierung", um "Würde und Selbstrespekt zurückzugewinnen".

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Auszug aus dem Manifest der Freien Gaza-Jugend

 "Es reicht! Wir wollen leben!"

 "Scheiss-Hamas. Scheiss-Israel. Scheiss-Fatah. Scheiss-UNO. Scheiss-UNWRA. Scheiss-USA! Wir, die Jugend von Gaza, haben die Nase voll von Israel, Hamas, der Besatzung, der Gleichgültigkeit der internationalen Gemeinschaft! Wir schreien, damit diese Mauer des Schweigens einstürzt; wir schreien mit der ganzen Kraft unserer Seelen, um diesen Riesenfrust rauszulassen, der uns auffrisst.

 Wir haben es satt, zwischen den Fronten zerrieben zu werden; wir haben die pechschwarzen Nächte satt, in denen Helikopter über unseren Häusern kreisen; wir haben die bärtigen Typen satt, die mit Knarren rumlaufen und ihre Macht missbrauchen, um junge Leute zu verprügeln und einzusperren, weil diese für ihre Überzeugungen auf die Strasse gehen; wir haben die Mauer der Schande satt, die uns gefangen hält auf einem Stück Erde, so klein wie eine Briefmarke!

 Wir sind es satt, dass man uns als Terroristen darstellt, als Fanatiker mit Sprengstoff in den Taschen und dem Teufel in den Augen! Wir haben die Nase voll von diesen sogenannten Experten, die voller Gleichgültigkeit Resolutionen verfassen, aber zu feige sind, irgendetwas durchzusetzen, worauf sie sich geeinigt haben. Wir haben genug von diesem beschissenen Leben, wir sind es leid, von den Israelis eingesperrt und von der Hamas verprügelt zu werden, während der Rest der Welt uns vergessen hat.

 In uns wächst eine Revolution heran, eine riesige Unzufriedenheit und Enttäuschung türmen sich auf, die uns zerstören werden, wenn es uns nicht gelingt, diese Energie in etwas umzuwandeln, das den Status quo infrage stellt und uns etwas Hoffnung gibt. Unsere Herzen wurden endgültig gebrochen, als Ende November Offiziere der Hamas in das Jugendforum Sharek kamen mit ihren Waffen, Lügen und ihrer Aggressivität. Sie warfen alle raus, nahmen einige fest und verboten Sharek überhaupt.

 Wir haben die israelische Militäroperation "Gegossenes Blei" nur knapp überlebt, wir hatten während der Bombardierungen eine Scheissangst, Tausende Häuser wurden zerstört und noch mehr Leben und Träume. Nicht losgeworden sind die Israelis aber die Hamas, die in den letzten Jahren alles daran gesetzt hat, unsere Gedanken zu kontrollieren, unser Leben, unsere Hoffnungen.

 Es reicht! Genug Schmerz, genug Tränen, genug Leid, genug der Kontrolle, der Begrenzung, des Terrors, der Folter, der Entschuldigungen, der Bomben, der schlaflosen Nächte, der toten Zivilisten, der schwarzen Erinnerungen, der düsteren Zukunft, der herzerweichenden Gegenwart, der verstörenden Politik, der fanatischen Politiker, des religiösen Schwachsinns, genug der Verhaftungen! WIR SAGEN HALT! Das ist nicht die Zukunft, die wir haben wollen!

 Wir wollen frei sein. Wir wollen ein normales Leben leben können. Wir wollen Frieden. Ist das zu viel verlangt?"

 freegazayouth@hotmail.com

 Übersetzung: Benedikt Rüttimann

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SVP ISRAEL
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NZZ 12.1.11

Nationalistischer Wind in Israel

 Hexenjagd gegen Missliebige

 Israels Aussenminister Lieberman will sich mit der Provokation Andersdenkender als Führer der Rechten positionieren. Etablierte Politiker schweigen.

 gsz. Jerusalem · Der israelisch Aussenminister Avigdor Lieberman, Chef der nationalistischen Partei Israel Beiteinu, hat am Montag zu einem Rundumschlag gegen alle Gruppen und Politiker ausgeholt, die nicht mit der rechtsnationalen Politik seiner Partei einig sind. Am folgenden Tag versuchte Ministerpräsident Netanyahu die wüsten Worte zu relativieren, nahm aber seinem Wesen entsprechend mit einer lauwarmen Erklärung bloss seine angegriffenen Parteikollegen in Schutz, nicht aber die von Lieberman harsch kritisierten Nichtregierungsorganisationen. Mit extremen Positionsbezügen will sich Lieberman offenbar als Führer der nationalistischen Rechten etablieren, um von einer vermeintlichen Schwäche des Likud zu profitieren.

 "Feinschmeckerei"

 An dem Vortrag vor seiner Parteifraktion verstieg sich Lieberman zu der Behauptung, dass israelische Menschenrechtsorganisationen terroristische Aktivitäten unterstützten. Dabei griff er nicht nur Menschenrechtsorganisationen an, sondern auch Politiker des Likud, weil sie sich gegen eine umstrittene, von Israel Beiteinu portierte Gesetzesvorlage aussprachen. Die Bemerkungen waren insbesondere gegen die Minister Benny Begin und Dan Meridor sowie den Parlamentspräsidenten Reuven Rivlin gemünzt. Sie hatten sich scharf gegen die von Lieberman und seiner Partei befürwortete Einführung von Komitees ausgesprochen, die "antiisraelische Aktivitäten linksgerichteter Gruppen" untersuchen sollen. Die nationale Einstellung von Begin, Meridor und Rivlin ist über jeden Zweifel erhaben, doch fühlen sie sich unbedingt der Demokratie verpflichtet. Lieberman behauptet jedoch, dass es wegen solcher "Feinschmeckerei" dazu gekommen sei, dass die Rechte nie regiere, auch wenn sie die Wahlen gewonnen habe. (Der deutsche Begriff ist im Hebräischen zu einem geflügelten Wort geworden, das in diesem Zusammenhang etwa mit Humanitätsduselei übersetzt werden kann.)

 Dieser Tage hat ein parlamentarischer Ausschuss zudem einen von Israel Beiteinu vorgelegten Gesetzestext genehmigt, laut dem verurteilten Terroristen die Staatsbürgerschaft aberkannt werden soll. Damit hat die Vorlage die erste Hürde knapp mit vier gegen drei Stimmen passiert, obwohl sich sogar der israelische Geheimdienst gegen eine solche Sanktion für Verräter aussprach. Der Abgeordnete der Arbeitspartei, dessen Stimme in der Kommission zumindest ein Patt ergeben hätte, war mit Verspätung an der Sitzung erschienen.

 Aufgeheizte Atmosphäre

 Linke Gruppierungen, Organisationen der Bürgergesellschaft und Menschenrechtsorganisationen fühlen sich in der aufgeheizten Atmosphäre einer regelrechten Hexenjagd ausgesetzt. In einem Appell im Internet wurde schon zur Ermordung eines Staatsanwaltes aufgerufen, der angeblich zu weich gegenüber Linken und Arabern und zu hart gegenüber Siedlergruppen vorgehe. Die Polizei leitete eine Untersuchung ein und ordnete dem Beamten einen Leibwächter zu. Ein Sprecher der Friedensbewegung "Peace Now" erklärte, dass er vor allem über das Schweigen etablierter Politiker enttäuscht sei. Dass Lieberman anstössige Äusserungen mache, sei man ja gewohnt. Dass aber bis anhin weder der Ministerpräsident noch Verteidigungsminister Barak, noch die Chefin der Opposition, Tzipi Livni, unmissverständlich das Wort zur Verteidigung der freien Meinungsäusserung ergriffen hätten, sei besorgniserregend.

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ANTI-ATOM
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Bund 12.1.11

Keine Angst vor einem neuen AKW

 Es sei besser, ein neues AKW zu bauen als ein Gas- oder Kohlekraftwerk, findet Gemeindepräsident Kurt Herren (SVP). Opposition gibt es wenig in Mühleberg - die lokale SP will sich nicht die Finger verbrennen.

 Simon Wälti

 Eines ärgert Gemeindepräsident Kurt Herren (SVP). Wenn es heisst, Mühleberg sei nur "wäge de Stütz" für ein neues AKW. "Das stimmt einfach nicht", erklärt Herren, der bis zu seiner Pensionierung 2001 Swissair-Pilot war. Rund 1,2 bis 1,5 Millionen Franken von der BKW kann Mühleberg jedes Jahr unter dem Posten "Steuerteilungen juristische Personen" verbuchen. Eine hübsche Summe bei einem Budget, das Ausgaben von gesamthaft 12,6 Millionen Franken aufweist. "Die Steuern sind eine schöne Nebenerscheinung", sagt Herren dazu. Mühleberg konnte die Steueranlage in den letzten Jahren dank der BKW mehrmals senken: Heute liegt sie noch bei 1,25 Einheiten.

 Herren weist aber auch darauf hin, dass Mühleberg erst seit 2001 in den Genuss der Steuerteilungen kommt und dass die Gemeinde wegen der guten Finanzlage auch gegen eine halbe Million Franken in den Disparitätenabbau des Kantons einzahlt. Zudem wird die Abrechnung nicht sofort erstellt, fünf Jahre beträgt die Verzögerung. Für 2010 steht noch die Steuerteilung von 2005 aus. Die positive Seite: Es gibt noch Geld, wenn Mühleberg längst abgeschaltet ist.

 Vertrauen in die Sicherheit

 Die Haltung des Gemeinderats sei klar, hält Herren fest. Man sei überzeugt, dass es grosse Kraftwerke brauche, um die Stromversorgung zu garantieren. Alternativenergien reichten nicht aus. "Es ist besser, ein Kernkraftwerk als ein Gas- oder Kohlekraftwerk zu bauen." Die CO2-Bilanz spreche für die Kernkraft. Zudem sei die Sicherheit des Betriebs garantiert, sagt der ausgebildete Maschineningenieur. "Dass Mühleberg ein Schrottreaktor sein soll, ist Blödsinn." Er sei schon oft im Werk gewesen und habe sich vom guten Zustand überzeugen können. Zudem werde es dauernd modernisiert und revidiert. "Ich kenne auch die Leute, die dort arbeiten, und habe Vertrauen zu ihnen." Rund 50 bis 60 Angestellte des AKW leben in der Gemeinde Mühleberg, die knapp 2700 Einwohner zählt. Angst hat Herren nicht: "Das Arsenal an Atomwaffen macht mir Angst oder alte Reaktoren auf dem Meeresgrund, aber nicht die AKW in der Schweiz."

 "Wenig Opposition in Mühleberg"

 Bei einer Umfrage, die 2009 im Auftrag der BKW durchgeführt wurde, resultierte in Mühleberg eine satte Mehrheit für den Bau eines neuen AKW. 65 Prozent gaben eine positive oder eher positive Stellungnahme ab. "Es gibt wenig Opposition gegen ein neues Werk in Mühleberg, die Leute haben eher Bedenken wegen der langen Bauzeit und der damit verbundenen Immissionen."

 Tatsächlich ist es sehr still in Mühleberg. Während die kantonale SP das Projekt an vorderster Front bekämpft, beschäftigt sich die SP Mühleberg nicht näher mit dem Thema. Man habe es vor anderthalb Jahren diskutiert, sagt Andreas Remund, Präsident der lokalen SP. "Es ist ein grosses Spannungsfeld, und wir lassen Stimmfreigabe zu." Als Ortspartei in einer kleinen Gemeinde wie Mühleberg befinde man sich in einer schwierigen Situation. "Wie ernst würden wir bei einem Nein im Dorf noch genommen?" Man wolle sich auch zu anderen politischen Themen äussern. Remund sagt zudem, es handle sich um eine nicht verbindliche Konsultativabstimmung.

 "Mehrheit ist politisch neutral"

 Auch bei der IG Salzweid will man sich nicht zum Fenster hinauslehnen. "Die Mehrheit ist politisch neutral, und wir machen als Organisation nicht im Abstimmungskampf mit", sagt Christian Minder. Wobei sich einige Mitglieder privat gegen die Atomkraft engagierten. Die IG wehrte sich gegen die geplanten Standorte für den Logistikplatz und die Arbeitersiedlung. Landwirt Minder wohnt in Frauenkappelen gleich neben dem Feld, auf welches die Arbeitersiedlung zu stehen kommen soll. Ob man zu einem späteren Zeitpunkt im Baubewilligungsverfahren Einsprache machen werde, lässt Minder offen.

 Klar gegen ein neues AKW Stellung nimmt die Ökogruppe Laupen, von deren etwa 50 Mitgliedern einige aus Mühleberg stammen. Thomas Koch von der Ökogruppe hat eine einfache Erklärung dafür, weshalb die AKW-Diskussion in der Standortgemeinde selber kaum geführt wird. "Kritik ist eine heikle Sache und wird quasi als Nestbeschmutzung aufgefasst." SP-Mitglied Koch, Grossratspräsident 2005/2006 und früher selber in der Gemeinde Mühleberg wohnhaft, will kein Mühleberg II. "Ein neues AKW mit vierfacher Leistung ist Verhältnisblödsinn."

 Wie die Abstimmung am 13. Februar auch ausfällt, eine Grossbaustelle erhält Mühleberg vielleicht schon im Sommer. Die BLS plant den Ausbau der Strecke Rosshäusern-Mauss auf Doppelspur mit Kosten von 190 Millionen Franken. Dafür braucht es auch einen neuen, 2,1 Kilometer langen Tunnel.

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Komplizierte Steuerteilung

 Auch umliegende Gemeinden wollen profitieren

 Unter der Führung von Wohlen soll ein Modell für eine Entschädigung ausgearbeitet werden.

 Unklar ist, wie stark Mühleberg steuerlich von einem neuen AKW profitieren würde. Es gibt viele Fragen: Wo würde sich der Sitz der Firma befinden, welche Mühleberg II betreibt? Schliesslich würde die Axpo die Mehrheit daran besitzen, die BKW "nur" 15,5 Prozent. Wie lange werden die hohen Baukosten dafür sorgen, dass es mangels Gewinn gar nichts zu verteilen gibt? Welchen Einfluss hat das angestrebte Gentlemens Agreement zwischen den Kantonen Bern, Solothurn und Aargau? Gebaut werden ja höchstens zwei neue AKW.

 Bliebe die Ausgangslage unverändert, so müsste ein Werk, das bis zu viermal mehr Strom produziert als das heutige, auch mehr Gewinn für die Besitzer abwerfen. Diese müssten also auch mehr Steuern zahlen, welche im Rahmen des komplexen Steuerverfahrens verteilt werden könnten. Bei solchen Diskussionen wird unweigerlich das Sprichwort eingeflochten: "Man soll das Fell nicht verteilen, bevor der Bär erlegt ist." Auch von den Gemeindepräsidenten umliegender Gemeinden. Klar ist aber, dass Wohlen, Radelfingen oder Frauenkappelen von einem neuen AKW finanziell profitieren wollen. Dabei kam man überein, einen allfälligen Schlüssel politisch auszumachen, ohne Einbezug der BKW. Im Frühling sorgte die BKW für Kritik, weil sie selber Varianten für eine Steuerteilung ausarbeitete. "Wir werden uns aber erst nach der Abstimmung vom 13. Februar damit befassen", sagt Wohlens Gemeindepräsident Eduard Knecht (FDP). Bei einer Zustimmung würden die Gemeinden unter Federführung von Wohlen ein Modell ausarbeiten, das anschliessend der Gemeinde Mühleberg unterbreitet würde.

 "Es braucht eine Entschädigung"

 In Frauenkappelen sei die Stimmung der Bevölkerung ruhig, ja gelassen, sagt Cristoforo Motta (Freie Wähler). "Eine grosse Mehrheit hat sich an die Nähe des AKW gewöhnt." Gleichzeitig will die Gemeinde bei einem neuen AKW nicht leer ausgehen. "Es braucht eine jährliche Entschädigung für die Standortnachteile", sagt Motta. Die Finanzen stünden nicht im Vordergrund, sagt der Radelfinger Gemeindepräsident Urs Martin Kuhn (BDP). Die BKW ist wegen des Kraftwerks Niederried und der vielen Hochspannungsleitungen auch in Radelfingen der beste Steuerzahler. Kuhn sieht weitere Probleme auf Radelfingen zukommen: Immissionen durch Bau und Betrieb, neue Hochspannungsleitungen oder Wertverluste für Gebäude.

 Man wolle die eigenen Anliegen einbringen, heisst es bei der Gemeinde Laupen. Man sei zwar etwas weiter weg als Wohlen oder Frauenkappelen, sagt Gemeindepräsident Urs Balsiger (SVP). Doch die Gemeinde befinde sich mit Wileroltigen, Ferenbalm, Gurbrü, Kriechenwil und Golaten in Fusionsverhandlungen. Dadurch würde sie näher an den Standort des AKW heranrücken. Wie in Wohlen und Radelfingen hält sich auch die Exekutive von Laupen aus atompolitischen Diskussionen heraus. "Wir stehen dem neutral gegenüber", sagt Balsiger. Er selber findet, man könne die Stromversorgung im Moment nicht mit alternativen Energien decken, und ist daher eher für Mühleberg II. Amtskollege Knecht in Wohlen sagt, man solle das eine tun und das andere nicht lassen: "Es braucht beides." Und Kuhn sagt, er habe eine kritische Haltung gegenüber der Kernenergie. "Es gibt zu viele Unbekannte, zum Beispiel bezüglich der Entsorgung." Auch Cristoforo Motta drückt sich ähnlich aus: "Ich bin gespalten. Ich bezweifle, dass sich die Stromsicherheit mit Alternativenergie herstellen lässt, bevorzuge aber persönlich erneuerbare Energien, vor allem wegen der ungelösten Entsorgung bei Atomstrom."(wal)

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Die wichtigste Nachbargemeinde ist antinuklear

 Das Stadtberner Volk hat am 28. November für den Atomausstieg der Stadt votiert.

 Simon Thönen

 Mit 130 000 Einwohnern ist die Stadt Bern mit Abstand die bedeutendste Nachbargemeinde von Mühleberg - und hier ist eine antinukleare Grundhaltung solide verankert: Seit über einem Jahrzehnt ist der Atomausstieg in der Gemeindeordnung festgeschrieben, und am 28. November hat das Stadtberner Volk der Ausstiegsstrategie für das stadteigene Werk EWB mit über 60 Prozent Ja-Stimmen zugestimmt.

 "Für die Energiepolitik der Stadt braucht es kein neues AKW in Mühleberg", sagt Stadtpräsident Alexander Tschäppät (SP), "ich bin klar dafür, dass man das bestehende Werk Mühleberg auslaufen lässt und kein neues AKW an diesem Standort baut." Offensichtlich sei auch die Haltung der Stadt als solche: "Das Volk hat sich vor wenigen Wochen klar geäussert, das wissen alle." Ein Gemeinderatsbeschluss zum Thema Mühleberg II erübrige sich deshalb.

 Gemeinderätinnen auf Barrikade

 Allerdings möchte Tschäppät auch die Kollegialität im Gemeinderat "nicht strapazieren". Ein formeller Entscheid zur kantonalen Abstimmung über Mühleberg II sei nicht vorgesehen, da in der Stadtregierung "verschiedene Meinungen" vorhanden seien.

 In der Tat findet man Finanzdirektorin Barbara Hayoz (FDP) auf der Mitgliederliste des Komitees "Ja zu Mühleberg", die Gemeinderätinnen Edith Olibet (SP) und Regula Rytz (Grünes Bündnis) hingegen auf jener des Komitees "Nein zum neuen AKW in Mühleberg". Auch der höchste Stadtberner, Stadtratspräsident Urs Frieden (GB) macht dort mit. Seine designierte Nachfolgerin, Vania Kohli (BDP), unterstützt jedoch das Pro-Komitee.

 Angesichts des jüngsten Volksentscheids zum städtischen Atomausstieg ist es zumindest sehr wahrscheinlich, dass das Stadtberner Volk in der kantonalen Abstimmung vom 13. Februar gegen ein neues AKW in der unmittelbaren Nachbarschaft stimmen wird.

 Einsprachen erst später möglich

 Falls im Kanton ein Ja zu Mühleberg II resultieren sollte, stehen weitere Verfahrensschritte an, in denen die Stadt Vorbehalte geltend machen könnte. Der erste mögliche Anlass wäre laut Bundesamt für Energie (BFE) die öffentliche Auflage der Rahmenbewilligung, die im Sommer stattfinden soll. Da Bern in der Gefahrenzone 2 eines neuen AKW Mühleberg läge, wäre die Stadt wahrscheinlich zu Einsprachen berechtigt.

 Ein Präzedenzfall war die unbefristete Betriebsbewilligung für das bestehende AKW Mühleberg. Die Stadt hatte 2008 dagegen Einsprache erhoben, wenn auch erfolglos. Anders als private Einsprecher verzichtete sie jedoch auf einen Weiterzug - dies zum Unmut des Stadtrats: Am 9. Dezember forderte er den Gemeinderat mit 35 zu 27 Stimmen auf, dem Komitee der Einsprecher beizutreten. Energiedirektor Reto Nause (CVP) will sich weder dazu noch zu allfälligen späteren Verfahren äussern. Der Gemeinderat habe nun ein Jahr Zeit für seine Antwort, sagt er. Aus der Debatte um Mühleberg II will sich Nause heraushalten. Für ihn stehe die Umsetzung der Ausstiegsstrategie von EWB im Vordergrund, sagt Nause: "Ich bin überzeugt, dass sie sich nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch lohnen wird."

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BZ 12.1.11

Was passiert bei einem AKW-Nein?

 AtomstreitLaut der Regierung zieht die BKW ihr Gesuch für ein neues AKW in Mühleberg nach einem Nein am 13. Februar zurück. Die BKW will aber weiterplanen.

 Der Clinch zwischen Regierungsrat und BKW-Führung spitzt sich zu und erreicht einen neuen Höhepunkt. Grund dafür ist der laufende Abstimmungskampf zur Frage, ob in Mühleberg ein neues Atomkraftwerk gebaut werden soll oder nicht. Konkret geht es um die Frage, wie es im Kanton Bern nach einem allfälligen Nein am 13. Februar zu einem neuen AKW weitergeht. SP-Regierungsrätin und Energiedirektorin Barbara Egger liess am 6. Dezember im Interview mit dieser Zeitung mit folgendem Satz aufhorchen: "Die BKW-Führung hat versprochen: Wenn die Berner Bevölkerung am 13. Februar sagt, es gibt kein Mühleberg 2, dann wird die BKW nicht weiterplanen."

 Bei der BKW dagegen tönt es gänzlich anders: Die Medienstelle betont auf Anfrage, man wolle auch bei einem Nein das eigene AKW-Projekt weiterverfolgen, und das habe die BKW auch immer so betont. Gemeinsam mit den anderen Stromkonzernen Alpiq und Axpo werde die BKW voraussichtlich 2012 entscheiden, wo die Branche neue AKW bauen wolle.

 Aktuell gibt es weitere Beispiele, die zeigen, dass sich das Verhältnis zwischen Regierungsrat und BKW-Spitze zunehmend abkühlt.phm Seite 11

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Atomstreit zwischen Regierung und BKW erreicht neuen Höhepunkt

 AKW-DebatteDas Verhältnis zwischen Regierungsrat und BKW-Führung ist getrübt wie selten zuvor. Das zeigt sich etwa an der Frage, wie es bei einem allfälligen Nein zu Mühleberg 2 weitergeht: Für die Regierung ist klar, dass die BKW dann das AKW-Projekt aufgibt. Bei der BKW tönts anders: Sie will weiterplanen.

 Dieser Satz sorgte in der Chefetage des Energiekonzerns BKW für rote Köpfe. Am 6. Dezember 2010 sagte die Berner SP-Regierungsrätin und Energiedirektorin Barbara Egger im Interview mit dieser Zeitung zur aktuellen AKW-Debatte: "Die BKW-Führung hat versprochen: Wenn die Berner Bevölkerung am 13. Februar sagt, es gibt kein Mühleberg 2, dann wird die BKW nicht weiterplanen." Will heissen: Nach Eggers Auffassung würde die BKW bei einem Nein zu einem Atomkraftwerk in Mühleberg das Rahmenbewilligungsgesuch zurückziehen und das Projekt begraben.

 Auf Anfrage bestreitet die BKW dies vehement. "Diese Aussage stimmt nicht", lässt Mediensprecher Antonio Sommavilla ausrichten. Bei einem Nein würde das Neubauprojekt Mühleberg zwar empfindlich geschwächt, weiterplanen würde die BKW aber trotzdem. Das habe der Konzern auch immer so kommuniziert. Das stimmt tatsächlich: Wie in den Zeitungsarchiven nachzulesen ist, haben die Geschäftsleitungsmitglieder um Chef Kurt Rohrbach mehrmals öffentlich gesagt, die BKW würde ihr Gesuch auch bei einem allfälligen Nein nicht zurückziehen.

 Egger wehrt sich

 Warum aber behauptet AKW-Gegnerin Barbara Egger das genaue Gegenteil? Auf Nachfrage verteidigt sich die Regierungsrätin und sagt, "namhafte BKW-Vertreter" hätten ihr gegenüber mehrmals betont, das Projekt nach einem Volksnein am 13. Februar zurückzuziehen.

 Tatsächlich gibt BKW-Verwaltungsratspräsident Urs Gasche etwas Boden preis: Er sagt zwar zunächst dasselbe wie die Medienstelle auch. Nämlich dass die BKW auch bei einem Nein grundsätzlich weiterplanen wolle. Gasche sagt aber auch: Sollte sich das Berner Stimmvolk am 13. Februar mit deutlicher Mehrheit gegen ein neues AKW in Mühleberg aussprechen, "so müsste der Verwaltungsrat diskutieren, ob es sinnvoll sein kann, weiterhin grössere Beträge in die AKW-Planung zu investieren".

 AKW-Gegner in der Aufsicht

 Auch wenn Gasche Barbara Egger in diesem Fall etwas Rückendeckung gibt: Das angespannte Verhältnis zwischen dem links-grün dominierten, atomkritischen Regierungsrat und der BKW bleibt bestehen. Das Verhältnis ist schon deshalb kompliziert, weil die BKW zu 52 Prozent im Besitz des Kantons Bern ist und aus diesem Grund zwei Regierungsvertreter im Verwaltungsrat der BKW Einsitz nehmen. Das führt zur paradoxen Situation, dass die leidenschaftliche AKW-Gegnerin Barbara Egger im Aufsichtsgremium eines Unternehmens sitzt, das ein neues Atomkraftwerk bauen will. Dass da Interessenkonflikte vorprogrammiert sind, mag nicht so richtig überraschen.

 Konflikt spitzt sich zu

 Aufmerksame Beobachter können den Konflikt derzeit quasi in Echtzeit mitverfolgen: Wegen der bevorstehenden AKW-Abstimmung (siehe Kasten) werden im Grossen Rat im Moment zahlreiche Vorstösse zum Thema eingereicht. In den jeweiligen schriftlichen Antworten dazu lässt die Regierung kaum eine Gelegenheit aus, ihrer atomkritischen Haltung Ausdruck zu verleihen. Beispiel eins: In einer Interpellation hat EVP-Grossrat Josef Jenni (Oberburg) die Frage gestellt, wie viel der Bau eines neuen Atomkraftwerks kosten würde. Während die Schätzung der BKW zwischen 7 und 9 Milliarden Franken liegt, schätzte die Regierung die Kosten plötzlich auf bis zu 15,7 Milliarden Franken. Prompt kam die energische Reaktion der BKW, sie halte an ihrer Kostenschätzung von 7 bis 9 Milliarden Franken fest und könne die Zahlen der Regierung nicht nachvollziehen.

 Beispiel zwei: Ende Dezember war der Tonfall von Eggers Energiedepartement erneut angriffig: In einer Interpellationsantwort zum Thema Uranherkunft platzierte die Regierung den Vorwurf, es sei nicht zufriedenstellend, dass die BKW-Spitze nicht wisse, woher das Uran für ihre AKW-Brennstäbe stamme. Es sei nicht akzeptabel, dass Uran aus ethisch fragwürdigen Quellen stammen könnte. Mitte November hatte die BKW einräumen müssen, dass in den letzten Jahren mindestens eine Uranlieferung Spuren der Aufbereitungsanlage in der verseuchten russischen Stadt Majak aufwies.

 Selten zuvor war das Verhältnis zwischen Vertretern des Regierungsrats und der BKW so getrübt wie derzeit. Das liegt vor allem am emotionalen Thema, über das im Februar abgestimmt wird. BKW-Präsident Urs Gasche bestätigt, dass sich der Konflikt derzeit zuspitzt. Auch wenn er als ehemaliger Regierungsrat das Spannungsfeld verstehe, indem sich etwa Barbara Egger befindet, "so stelle ich doch fest, dass diese Situation innerhalb unserer Unternehmung und insbesondere bei den Mitarbeitenden zunehmend für Verunsicherung sorgt". Der Konflikt dürfte sich in den nächsten Wochen noch akzentuieren, denn die heisse Phase des Abstimmungskampfs steht erst noch bevor.
 

Philippe Müller

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 AKW: ja oder nein?  

 Abstimmung Am 13. Februar stimmt das Bernervolk darüber ab, ob es in Mühleberg nach dem Jahr 2020 ein neues Atomkraftwerk will oder nicht. Wichtig zu wissen: Es handelt sich dabei um eine konsultative Abstimmung. Das heisst: Das Resultat ist für den Bund nicht bindend, dürfte aber eine grosse Signalwirkung haben.

 Diese Zeitung beleuchtet vor der wegweisenden Abstimmung in einer Serie das Thema von verschiedenen Seiten.

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Langenthaler Tagblatt 12.1.11

Kritik an BKW von allen Seiten

 Erneuerbare Energien Die Ankündigung der BKW Energie AG, ihre Investitionen in erneuerbare Energien bis 2030 massiv zu reduzieren, provoziert weitere Kritik (gestriges az Langenthaler Tagblatt): Nach SP und Grünen wollen nun auch die Grünliberalen (glp) im Grossen Rat aktiv werden. Sie reagierten "erstaunt", dass die BKW wegen wachsenden Widerstandes gegen einzelne Projekte zum dritten Mal in vier Jahren ihr Engagement für Alternativenergien zurück- fahren will. "Widerstände gibt es gegen verschiedenste Kraftwerkprojekte, besonders auch gegen das neue AKW in Mühleberg", so die glp. "Deshalb zurückzustecken, war bisher nie die Art und Weise der BKW." Darum fordern die Grünliberalen den mehrheitlich in Kantonsbesitz stehenden Konzern dazu auf, seine Strategie zu überdenken und künftig auf eine "3-Säulen-Energiepolitik" zu setzen. Diese bestünde aus Energieeffizienz, einheimischen Erneuerbaren und solchen aus einem internationalen Verbund.

 Auch Aves kritisiert BKW

 Unerwartet heftig reagierte auch die AKW-freundliche Aktion für eine vernünftige Energiepolitik: "Wenn man die bundesrätliche 4-Säulen-Strategie wie geplant umsetzen will, darf man sich von diesen Widerständen genau so wenig beirren lassen wie von denjenigen gegen die Kernenergie." Nationalrat Christian Wasserfallen (FDP/Bern), Präsident Aves Bern, lässt sich so zitieren: "Wenn wir anfangen, einzelne Säulen zu vernachlässigen, riskieren wir mittel- bis langfristig einen instabilen Energiehaushalt". (sat)

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Oltner Tagblatt 12.1.11

Anti-AKW-Initiative Juso Kanton Solothurn machen mit

 Die Juso Kanton Solothurn machen bei der geplanten Initiative gegen neue Atomkraftwerke im Kanton mit. Das hat die Mitgliederversammlung am Montag beschlossen. Anfang Dezember 2010 hatten die Jungen Grünen Kanton Solothurn eine kantonale Volksinitiative angekündigt, mit der sich das Volk gegen den Bau neuer Atomanlagen auf Kantonsgebiet aussprechen soll. Nach Auskunft von Juso-Mediensprecher Sebastian Walter ist Ende Januar die Gründung eines Trägervereins für die Initiative vorgesehen. Es wird offenbar eine Initiative der Jungen bleiben, denn wie bei den Grünen werde auch bei der SP die Mutterpartei nicht mitmachen. Der Initiativtext liegt noch nicht vor, soll sich aber an der Verfassungsbestimmung von Baselland orientieren, welche die Behörden verpflichtet, sich konsequent gegen neue Atomkraftwerke einzusetzen. (cva)

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St. Galler Tagblatt 12.1.11

Axpo, BP und Foxconn am Pranger

 Am Rande des World Economic Forums werden wieder die Public Eye Awards für "übelste Unternehmen" vergeben. Nominiert sind auch Firmen, die Tod und Zerstörung gebracht haben.

 Viera Malach/Infosüd

 Diese Woche läuft die Online-Abstimmung auf www.publiceye.ch. Eine Jury der Nichtregierungsorganisationen (NGO) Erklärung von Bern (EvB) und Greenpeace hat für die Preisvergabe am 28. Januar aus gut 30 Nominationen die sechs "übelsten Unternehmen" ausgewählt. Der britische Ölkonzern BP, dessen Ölpest im Golf von Mexiko elf Menschen und zahllose Tiere das Leben kostete sowie das Meer und weite Küstenstriche verseuchte, erhielt am ersten Abstimmungstag die meisten Negativstimmen.

 Die Axpo und das russische Uran

 Mit den zweitmeisten Voten folgt die Axpo. Der Stromkonzern bezieht Uran aus der russischen Anlage Majak, die neben Tschernobyl als der am stärksten verstrahlte Ort der Welt gilt. Laut Greenpeace leiden die Menschen überdurchschnittlich an Krebs, Fehlgeburten und Kindern mit schwersten Behinderungen. Der Brennmaterialbezug aus Majak sei "umso stossender, als die Axpo sich und ihren AKW stets ein grünes Mäntelchen umhängt und den Atomstrom als sauber bezeichnet", kritisieren die NGO.

 Der Stromkonzern wehrt sich

 Die Axpo ihrerseits äussert Befremden über die Nominierung für die Schmähpreise. Die hohen Belastungswerte stammten aus Vorfällen in den 50er- und 60er- Jahren, und die Axpo kläre ab, ob die Grenzwerte heute eingehalten würden oder nicht, hält der Konzern fest. Allerdings gibt es Medienberichten zufolge keine unabhängig erhobenen Messresultate und keine offiziellen Zahlen etwa zur Belastung durch die hochgefährlichen Radionuklide Plutonium-239 und Tritium.

 Den Vorwurf, sie habe Informationen verheimlicht, weist die Axpo ebenfalls zurück. Die NGO hingegen betonen, der Stromkonzern habe sich bis letzten Herbst in Schweigen gehüllt und die Herkunft seiner Brennstoffe unterschlagen, derweil er von den haarsträubenden Verhältnissen in russischen Wiederaufbereitungsanlagen profitiert habe.

 Gold, Biosprit und Zigaretten

 Wegen miserabler Arbeitsbedingungen und Entlöhnung angeprangert wird zudem der taiwanische Foxconn-Konzern, der Elektronik für Apple, Dell, Nokia und andere Weltmarken herstellt. In den Foxconn-Fabriken in China war es zu mindestens 18 Selbstmorden gekommen. Schlecht weg kommt auch der südafrikanische Bergbaukonzern Anglo Gold Ashanti, weil er laut EvB "beim Goldabbau in Ghana seit Jahren Land und Leute vergiftet".

 Die finnische Neste Oil verkaufe unter einer irreführenden Bezeichnung "Green Diesel" europaweit Biosprit aus Palmöl, was in Südostasien zu Landvertreibung und Regenwaldzerstörung führe. Sechster Kandidat ist Philip Morris mit Sitz in Lausanne. Der US-Tabakkonzern habe Klage erhoben gegen Uruguays neues Raucherschutzgesetz, was aufgrund eines Schweizer Abkommens mit Uruguay möglich sei.

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Le Temps 12.1.11

Le sort incertain de la centrale de Mühleberg

Le 13 février, Berne donnera son avis sur l'avenir de "sa" centrale. Vaud et le Jura vont aussi se prononcer. Le reste du pays regarde

Bernard Wuthrich, Berne

Il pourrait n'y avoir qu'un seul thème de votation fédérale en 2011: l'initiative populaire sur les armes, sur laquelle peuple et cantons s'expriment le 13 février. Faute de référendum et d'initiative prête à passer devant le peuple, le scrutin suivant, fixé au 15 mai, pourrait être annulé. Et, en raison des élections fédérales de l'automne, la dernière date prévue, le 27 novembre, ne sera vraisemblablement pas utilisée.

Un seul vote fédéral sur l'ensemble d'une année: un tel événement ne s'est pas produit depuis 1967! Pourtant, cette année, un triple scrutin cantonal aura valeur de test national. Trois cantons doivent en effet voter sur le nucléaire. Berne ouvre les feux le 13 février, le Jura suivra le 27 mars ou éventuellement le 15 mai, et les Vaudois s'exprimeront aussi dans le courant du printemps.

Tous les cantons sont invités à prendre position dans le cadre de la procédure d'autorisation générale de renouvellement des trois centrales nucléaires de Beznau (AG), Gösgen (SO) et Mühleberg (BE) d'ici à fin mars. Or, Berne, le Jura et Vaud vont consulter leur population sur ce sujet. Le 13 février, la population bernoise donne son avis sur un arrêté du Grand Conseil favorable au remplacement de Mühleberg.

Le sujet est si controversé qu'il a été décidé de soumettre cet arrêté au peuple. Si le Grand Conseil a approuvé la poursuite de l'approvisionnement énergétique nucléaire par 91 voix contre 53 et 7 abstentions, une forte minorité de gauche ainsi que le gouvernement cantonal (Conseil-exécutif à majorité rose-verte) s'y opposent.

Mais le résultat du scrutin du 13 février n'aura qu'une valeur consultative. La Confédération ne sera pas obligée de tenir compte de l'avis exprimé par le canton, que celui-ci soit positif ou négatif. Elle pourra poursuivre sa stratégie de renouvellement des centrales même si la population bernoise dit non. En revanche, tous les observateurs s'accordent pour dire que le résultat bernois scellera le sort de la centrale de Mühleberg.

Trois demandes ont été déposées à l'Office fédéral de l'énergie (OFEN) pour remplacer les trois centrales existantes. Le Conseil fédéral prendra une décision en 2012. Il pourra théoriquement choisir de construire une, deux ou trois nouvelles centrales atomiques. Or, les groupes Axpo, Alpiq et FMB (Forces motrices bernoises) se sont entendus juste avant Noël (LT du 24.12.10) pour construire deux nouvelles centrales et non trois. L'un des projets passera ainsi à la trappe.

C'est là que le résultat du scrutin bernois aura une influence. Un vote négatif compromettrait les chances des FMB de construire une nouvelle usine à Mühleberg pour remplacer le complexe existant, qui a été mis en service en 1972 au fond de la vallée de l'Aar et arrivera en fin de vie vers 2020.

Les deux autres votations auront lieu dans les cantons du Jura et de Vaud, où la consultation populaire sera quadruple. Le Conseil d'Etat a en effet décidé en novembre de soumettre à sa population les demandes d'autorisation des trois projets de centrales nucléaires ainsi que le plan sectoriel d'entreposage des déchets radioactifs. La Constitution cantonale prévoit en effet une telle procédure. La date du vote n'est pas encore fixée. Le Conseil d'Etat a demandé une prolongation de délai à la ministre de l'Energie, Doris Leuthard, mais il n'est pas impossible que le scrutin puisse quand même être organisé avant fin mars.

Bien que consultatifs, ces trois scrutins seront observés de près par les partisans et les ennemis du nucléaire, tout comme la votation du 13 février des Nidwaldiens, qui doivent dire si le site de Wellenberg peut, le cas échéant, servir de site d'entreposage des déchets radioactifs. "L'ensemble de ces votes donnera une indication importante sur le plan national", note le conseiller national Christian Van Singer (Verts/VD), vice-président de l'Alliance "Non au nucléaire", qui rappelle que la population du pays sera appelée à s'exprimer de manière officielle à fin 2013.

Il se montre prudent sur le vote bernois. "Les opposants ont la partie difficile, car les FMB sont une institution très fortement appréciée dans le canton de Berne. Il est difficile d'aller contre leur mot d'ordre, notamment parce que le nucléaire rapporte de l'argent au canton et aux communes", commente le Vaudois.

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"Les FMB veulent nous imposer du nucléaire"

Propos recueillis par Yelmarc Roulet

Les Forces motrices bernoises (FMB), actives notamment au Mont-Crosin, ont annoncé lundi qu'elles réduisaient de 40% leurs objectifs 2030 pour la production d'énergie éolienne. Une décision justifiée par la lenteur des procédures et la multiplication des blocages. Un tournant? Questions au conseiller national Roger Nordmann (PS/VD), défenseur des énergies renouvelables.

Le Temps: L'un des principaux acteurs revoit ses objectifs éoliens à la baisse. Craignez-vous un effet boule de neige?

Roger Nordmann: Non. Même si les FMB ont été pionniers dans ce secteur, les principaux acteurs sont aujourd'hui les compagnies d'électricité des villes, qui remplissent des mandats populaires et constitutionnels de développement de l'énergie éolienne. De bons projets vont aboutir en 2011 et 2012, par exemple ceux des Services industriels de Lausanne et de Genève. Le projet d'Eoljorat (en collaboration avec Alpiq, ndlr), qui permettrait de couvrir 10% de la consommation de Lausanne, est exemplaire.

- Les objectifs du parlement suisse (4500 GWh en énergies renouvelables d'ici à 2030) sont-ils irréalistes, comme le soutiennent les FMB?

- Cet objectif reste valable. L'Autriche, qui connaît des conditions similaires aux nôtres, produit déjà 2000 GWh d'éolien par an et vise les 7000 GWh en 2020. Heureusement, les projets dans la file d'attente du rachat à prix coûtant totalisent 2000 GWh.

- Les procédures ne sont-elles pas trop lentes?

- Il faut certainement simplifier certaines procédures et clarifier des points dont l'interprétation porte à contestation (par exemple l'implantation dans les parcs naturels régionaux ou la lisière des forêts). Il est indispensable de rechercher le consensus, ce qui n'est pas toujours le fort des grandes sociétés électriques. De leur côté, les organisations de protection de l'environnement doivent admettre que le remplacement des énergies fossiles et nucléaire passe forcément par le développement de la production renouvelable.

- Que faire pour redonner de la popularité aux projets éoliens?

- Les regrouper en parcs plutôt que les disperser, éviter les crêtes, bien choisir les emplacements. La distance minimale légale de 300 m par rapport aux habitations est trop faible, il faudrait la pousser à 800 m. Il faut impliquer la population.

- On fait parfois aux producteurs d'électricité un procès d'intention: ils chercheraient surtout à démontrer qu'il n'y a pas d'autre solution que le nucléaire. La décision des FMB conforte-t-elle cette version?

- Ne mettons pas toutes les compagnies dans le même panier. Celles que j'appelle les trois soviets de l'atome, FMB, Axpo et Alpiq, veulent nous imposer du nucléaire, comme les constructeurs de locomotives à vapeur essayaient de vendre encore leur produit au moment de l'électrification des chemins de fer. Mais d'autres, en particulier les distributeurs romands, sont beaucoup plus crédibles, car leur politique inclut aussi les efforts en faveur des économies d'énergie. Ils développent sérieusement le renouvelable.Propos recueillis par Yel

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La population suisse votera vers la fin de 2013

B.W.

Les demandes d'autorisation pour les trois nouveaux complexes nucléaires ont été déposées en 2008 par Axpo, Alpiq et les FMB. Les trois sites retenus se situent à proximité immédiate des réacteurs de Mühleberg, Beznau et Gösgen.

En novembre 2010, l'Inspection fédérale de la sécurité nucléaire (IFSN) a donné un préavis favorable pour les trois emplacements. Elle s'est basée sur une série d'expertises portant sur la géologie, les risques sismiques, l'hydrologie, les voies de communication, la protection contre les accidents (incendies, explosions, chutes d'avions), la protection de la population et de l'environnement, la désaffectation ultérieure et l'évacuation des déchets. L'IFSN a cependant demandé des compléments d'information sur deux points. Les promoteurs de Mühleberg doivent approfondir le risque de chutes de pierres ou d'éboulements dans les falaises qui jouxtent l'emplacement prévu pour le nouveau bâtiment alors que ceux de Beznau doivent fournir des indications supplémentaires sur les risques de crues, le site se trouvant sur une île plantée au milieu de l'Aar.

Lundi, la Commission fédérale de sécurité nucléaire, organe consultatif de la Confédération, a jugé le travail de l'IFSN. Elle estimé que l'inspection fédérale avait procédé à un "examen complet et détaillé des demandes sous l'angle de la sécurité et de la faisabilité technique". Elle conclut que "les trois sites respectent les prescriptions légales pour la protection de la population et de l'environnement". Elle suggère de tenir compte de quelques éléments supplémentaires (assurer la sécurité sans mesures de protection d'urgence externe, recourir aux moyens géologiques modernes, tenir compte de l'évolution de la flotte aérienne) dans le cadre des procédures d'autorisation. La mise à l'enquête publique est prévue pour cette année. Le Conseil fédéral fera son choix en 2012 et un vote populaire fédéral est prévu à la fin de 2013.

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Südostschweiz 11.1.11

Axpo und Co. im Rennen um Firmen-Schmähpreis

 Sechs Grossfirmen müssen befürchten, wegen der Missachtung der Umwelt oder von Menschenrechten Ende Monat den Schmähpreis Public Eye Award zu erhalten. Nominiert ist auch die Axpo.

 Von Viera Malach

 Davos. - Für die gestern lancierte Online-Abstimmung für den Public Eye Award, der wie immer am Rande des World Economic Forum (WEF) in Davos verliehen wird, hat eine Jury der beiden Nichtregierungsorganisationen Erklärung von Bern und Greenpeace aus über 30 Nominationen die sechs "übelsten Unternehmen" ausgewählt. Der britische Energiemulti BP, "dessen Öldesaster im Golf von Mexiko elf Menschen das Leben kostete und längerfristig riesige Zonen des Ozeans abtöten wird", erhielt bereits am ersten Abstimmungstag im Internet die meisten Negativstimmen.

 Mit den zweitmeisten Voten folgt die Axpo Holding. Die Schweizer Stromversorgerin bezieht Uran aus der russischen Anlage Majak, die neben Tschernobyl als der verstrahlteste Ort der Welt gilt. Greenpeace zufolge leidet die Bevölkerung unter überdurchschnittlich hohen Krebsraten, Fehlgeburten und Kindern mit schwersten Behinderungen. Der Brennmaterialbezug aus Majak sei umso stossender, "als Axpo sich und seinen Atomkraftwerken stets ein grünes Mäntelchen umhängt und seinen Atomstrom als 'sauber' bezeichnet".

 Axpo weist Kritik zurück

 Die Axpo äusserte in einer Stellungnahme Befremden über die "Nominierung" für den Negativ-Award. Die hohen Belastungswerte stammten aus Vorfällen in den Fünfziger- und Sechzigerjahren; und die Axpo sei am abklären, ob die Grenzwerte heute nicht eingehalten würden. Allerdings gibt es Medienberichten zufolge keine unabhängig erhobenen Messresultate und keine offiziellen Zahlen - etwa zur Belastung durch die hochgefährlichen Radionuklide Plutonium-239 und Tritium.

 Auch den Vorwurf, Informationen verheimlicht zu haben, weist die Axpo zurück. Die Nichtregierungsorganisationen hingegen betonen, der Stromriese habe sich bis letzten Herbst in Schweigen gehüllt und die Herkunft seiner Brennstoffe unterschlagen.

 Apple-Zulieferer am Pranger

 Wegen miserabler Arbeitsbedingungen und Entlöhnung angeprangert wird weiter die taiwanesische Firma Foxconn, die Elektronik für Apple, Dell, Nokia und andere Weltmarken herstellt. Die Zustände in den gigantischen chinesischen Fabriken seien derart schlecht, dass sie mindestens 18 junge Chinesen in den Suizid getrieben hätten. Zur Wahl in die "Hall of Shame", welche die Erklärung von Bern 2005 lanciert hat, steht auch der südafrikanische Bergbaukonzern AngloGold Ashanti. "Weil er beim Goldabbau in Ghana seit Jahren Land und Leute vergiftet", begründet die Erklärung von Bern. Die finnische Neste Oil verkaufe derweil unter der irreführenden Bezeichnung Green Diesel europaweit Biosprit aus Palmöl, was in Südostasien zu Landvertreibung und Regenwaldzerstörung führe, prangern Greenpeace und die Erklärung von Bern an.

 Letzter Kandidat für die Negativ-Awards ist der amerikanische Zigarettenproduzent Philip Morris mit Hauptsitz in Lausanne. Er habe Klage gegen Uruguays neues Raucherschutzgesetz erhoben, was aufgrund eines Schweizer Abkommens mit Uruguay möglich sei. Dies sei ein Exempel dafür, dass die Interessen der Tabakindustrie höher gewichtet würden als die Gesundheitspolitik der Entwicklungsländer.

 Die Online-Abstimmung über "die sechs skandalösesten Fälle von Grossfirmen" läuft noch bis 27. Januar. Die Schmähpreise werden dann einen Tag später in Davos verliehen.

 Internet-Voting auf http://www.publiceye.ch

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24 Heures 11.1.11

Philip Morris et Axpo sont montrés du doigt

 Le cigarettier et le groupe énergétique sont critiqués pour leur mauvais rapport à l'environnement

 Comme les années précédentes, la Déclaration de Berne distribuera cette année ses Public Eye Awards en marge du World Economic Forum (WEF) 2011 à Davos. La liste des six nominés publiée lundi comprend le groupe énergétique AXPO, le pétrolier BP et le cigarettier Philip Morris.

 Ces "prix de la honte" décernés par l'ONG avec le concours de Greenpeace et le vote d'internautes sont attribués aux entreprises jugées les plus irresponsables en matière d'environnement et de droits humains. En 2010, ils étaient allés au groupe pharmaceutique Roche pour ses activités de tests en Chine et à la Royal Bank of Canada pour ses financements dans l'extraction de pétrole à partir de sables bitumineux.

 Cette année, le producteur et distributeur d'énergie suisse AXPO est épinglé pour s'être procuré de l'uranium auprès d'une usine de retraitement russe à Maïak, considéré comme un des endroits les plus irradiés de la planète. Quant à Philip Morris, géant américain du tabac dont le siège social est à New York mais dont le centre d'exploitation se trouve à Lausanne, il est montré du doigt pour les pressions qu'il exerce sur certains Etats, notamment de l'hémisphère Sud, afin d'affaiblir leur volonté de lutte contre le tabagisme. ATS

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BZ 11.1.11

BKW wirbt trotz Verbot im Bahnhof

 SBB. Die BKW verteilte ihre Abstimmungspropaganda in den Bahnhöfen Bern und Thun. Die SBB bewilligten die "verschleierte" Aktion. Denn politische Werbung ist gemäss Reglement nicht erlaubt.

 Ueli Stückelberger, Leiter der Abteilung Politik beim Bundesamt für Verkehr und Co-Präsident des WWF Bern, sah am Samstagmorgen, wie die BKW in der Nähe der Perrons im Bahnhof Bern Broschüren verteilen liess: "Ich war erstaunt. Ich habe geglaubt, politische Werbung sei in der Bahnhofordnung der SBB untersagt." Deren Sprecher Reto Kormann bestätigt dies auf Nachfrage. Man habe Kenntnis von der BKW-Aktion. Diese sei als reine Informationsvermittlung angekündigt worden. Die Aktion habe sich im Nachhinein aber als verschleierte politische Propaganda herausgestellt: "Wir bieten zu keinen politischen Aktionen Hand", stellt er klar. Dass die BKW dies trotzdem tat, sei bei den SBB "wenig amüsiert" registriert worden. "So etwas würden wir nicht mehr bewilligen."

 Am Freitag und am Samstag liess die BKW in den Bahnhöfen Bern und Thun die Informationsbroschüre verteilen, die im Hinblick auf die Konsultativabstimmung vom 13. Februar in sämtliche Haushalte im Kanton Bern versandt worden ist. Dies bestätigt BKW-Sprecher Sebastian Vogler. Er besteht allerdings darauf, dass es darin um reine "Sachinformation in Bezug auf die Versorgungssicherheit" gehe. "Wir haben dies einfach aktiv zu den Leuten getragen. Das war keine politische Information."

 Jörg Rüetschi, Geschäftsführer des WWF Bern, sieht das anders: "Uns fällt auf, dass die Gegenseite an die Grenze des Zulässigen geht." Seinerseits auf die Aktion mit dem YB-Slogan in Adelboden angesprochen, meint er: "Wir vom Komitee ‹Nein zum neuen AKW Mühleberg› haben nichts damit zu tun und würden so etwas auch nicht machen."

 Am Wochenende waren am Weltcupanlass in Adelboden gefälschte Flyer im Umlauf, auf denen gegen ein neues AKW geworben wurde (siehe gestrige Ausgabe). Die Flugblätter waren mit dem Logo von YB bedruckt und trugen den Slogan "Aus YB zu Bern - Nein zum AKW Mühleberg". Sowohl beim Komitee als auch bei YB wusste man nichts von den Flugblättern. Nun haben die Young Boys gestern in dieser Sache Anzeige gegen unbekannt eingereicht, wie der Verein mitteilte.
 cab, wrs

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Bund 11.1.11

BKW erntet Kritik für Rückzieher beim "grünen" Strom

 Bürgerliche befürchten, der Energiekonzern BKW könnte AKW-Gegnern in die Hände spielen.

 David Schaffner, Sarah Nowotny

 Wenige Wochen vor der kantonalen Abstimmung über ein neues Atomkraftwerk in Mühleberg zieht der Energieversorger BKW den geballten Zorn von Atomgegnern und -befürwortern auf sich. Wegen des zunehmenden Widerstandes gegen Windparks und Kleinwasserkraftwerke sei es unmöglich, die Ziele des Bundes bei den erneuerbaren Energien zu erreichen, teilte die BKW gestern mit. Ihre eigenen Ausbauprojekte in der Schweiz will die BKW bis ins Jahr 2030 um 40 Prozent reduzieren. Im Jahr 2010 hat der Konzern 80 neue Anlagen in Betrieb genommen - vier Fünftel davon stehen im Ausland.

 Politiker aller Parteien und die Umweltverbände werfen der BKW nun vor, dass sie den Widerstand gegen neue Projekte übertrieben darstelle und blosse Angstmacherei betreibe. "Die BKW versucht auf billige Weise, Druck auf die Stimmbürger auszuüben", ärgert sich Raimund Rodewald von der Stiftung Landschaftsschutz Schweiz. Die SP kritisiert, dass der Konzern das Potenzial von Windturbinen oder Solarzellen bewusst herunterspiele, um den Stimmbürgern die Atomenergie schmackhaft zu machen. Die Grünen des Kantons Bern finden, die BKW habe sich nun selbst entlarvt und benutze die erneuerbaren Energien lediglich als "Deckmantel". Der SVP-Ständerat This Jenny vermutet ebenfalls einen Zusammenhang zur wichtigen Abstimmung in Bern. Als Atombefürworter befürchtet er allerdings eine ungewollte Stärkung der Gegner: "Wenn sich die Energiekonzerne nicht gezielt für erneuerbare Energien einsetzen, können wir später die Bevölkerung kaum für ein Ja zur Atomkraft gewinnen", ist Jenny überzeugt. Aus seiner Sicht braucht es künftig erneuerbare Energien und Atomkraft: "Kleinwasserkraftwerke schiessen zurzeit wie die Pilze aus dem Boden", sagt er. "Von einem übertriebenen Widerstand kann nicht die Rede sein."

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Die BKW will viel weniger tun für Wind, Wasser, Sonne und Biomasse

 Die BKW reduziert ihr Engagement bei erneuerbaren Energien - ein Problem für die Stromversorgung?

 Sarah Nowotny

 Die BKW betonte, sie setze sich nach Kräften für erneuerbare Energien ein, wolle eine Milliarde Franken investieren. Aber Naturschützer, Touristiker und Regierungen machten dem drittgrössten Schweizer Energiekonzern das Leben schwer. So begründete das Unternehmen gestern vor den Medien kurz zusammengefasst die Ankündigung, es werde bis 2030 in der Schweiz bloss 600 statt 1000 Gigawattstunden "grünen" Strom produzieren. Mit Kraftwerken im Ausland baut die BKW ihr Portfolio an erneuerbaren Energien freilich weit stärker aus. Dennoch sind vor allem ihre Inland-Pläne einen Monat vor der kantonalen Abstimmung über ein neues Atomkraftwerk in Mühleberg bedeutsam für die Schweizer Energiepolitik. Das eidgenössische Parlament will nämlich bis 2030 5400 Gigawattstunden Strom aus erneuerbaren Energien bereitstellen können und damit fünf bis zehn Prozent des Bedarfs decken.

 Bei den anderen Grossen der Branche zeichnet sich zwar noch kein konkretes Herunterschrauben der Zielsetzungen ab, aber Vorbehalte scheinen auch Axpo und Alpiq zu haben. "Wir spüren den Widerstand ebenfalls, besonders bei Holzkraftwerken. Natürlich überlegen wir uns, wie wir künftig damit umgehen wollen", sagte Axpo-Sprecherin Daniela Biedermann auf Anfrage. Im Moment halte der Konzern aber an seinem Ziel von 2200 Gigawattstunden Strom aus erneuerbaren Energien bis in 20 Jahren fest. Auch Alpiq will nicht abrücken von den geplanten 1800 Gigawattstunden. "Besonders bei den kleinen Wasserkraftwerken schlägt aber auch uns oft eine Welle des Widerstands entgegen. Es fehlen Rechts- und Investitionssicherheit", so Sprecher Andreas Werz.

 Bundesamt kontert

 Im Kanton Jura betreibt Alpiq seit kurzem den Windpark Peuchapatte - und stösst mit den drei Windturbinen auf heftige Ablehnung. Anfang Januar forderte die Stiftung Landschaftsschutz, deren Präsidentin FDP-Ständerätin Erika Forster ist, die Anlage sei abzureissen. Ausserdem wurden die Masten mit Sprayereien beschmiert. Mit diesem Beispiel illustrierte Martin Pfisterer, Präsident der auf erneuerbare Energien spezialisierten BKW-Tochter Sol-E Suisse, gestern die "martialischen" Töne, welche die BKW beim Thema erneuerbare Energien im ganzen Land und bei allen politischen Lagern vernommen haben will. In Grindelwald beispielsweise habe der Konzern das geplante Wasserkraftwerk Bort am Bachlägerfall wegen des lokalen Widerstands nach "anderthalb Jahren teurer Planung" beerdigen müssen. "Inoffiziell baten uns sogar die höchsten kantonalen Stellen, das Vorhaben aufzugeben", sagte Pfisterer. Allerdings ist die Opposition laut der BKW nur ein Teil des Problems. "Völlig unverständlich sind die komplizierten Bewilligungsverfahren." Der Bund und die Kantone stellten Geld für die Förderung des "grünen" Stroms zur Verfügung, ohne sich um die Raumplanung zu kümmern. "Das Ergebnis ist, dass wir uns für den Bau eines einzigen Windparks an 30 Ämter auf allen 3 staatlichen Ebenen wenden müssen - und wehe, wir vergessen eines." Unter diesen Umständen liessen sich die Ziele bei den erneuerbaren Energien "kaum" erreichen. Ganz anders sei die Lage in Deutschland und Italien - nicht zuletzt deshalb stünden vier von fünf BKW-Kraftwerken im Ausland. "Dort gilt die Einheitsbewilligung. Das heisst, wir kontaktieren eine Behörde, die alles für uns erledigt. Bewilligungen erhalten wir innert Jahresfrist."

 Beim Bundesamt für Energie weist man die harsche Kritik indes zurück. "Wir werden unsere Strom-Ziele erreichen", sagte Sprecherin Marianne Zünd auf Anfrage. Die Subventionen für erneuerbare Energien im Rahmen der kostendeckenden Einspeisevergütung seien ein Erfolg, der sich in den nächsten Jahren deutlich manifestieren werde - trotz langer Wartelisten. Es gebe in der Schweiz genug geeignete Standorte, die nicht mehr unberührt seien und sich problemlos energetisch nutzen liessen. "Natürlich könnte der Bund die Bewilligung von Kraftwerken an sich reissen. Damit würden wir aber den Föderalismus aushebeln." Stattdessen müssten jetzt in erster Linie die Kantone ihre Hausaufgaben machen und festlegen, wo Wind und Wasser wünschbar seien. "Dabei sollten die Stände unbedingt zusammenarbeiten - Stichwort ist die Windenergie auf den Jurahöhen. 26 verschiedene Verfahren bringen nichts." Gerade die Flut von unkoordinierten Projekten, an der auch die grossen Stromkonzerne schuld seien, habe die Menschen verunsichert.

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Zur Sache

 "BKW weist zu Recht auf ein Problem hin"

 Die BKW handelt mit der Reduktion ihrer Projekte für erneuerbare Energien nicht im Sinne der kantonalen Energiestrategie. Was sagen Sie als Vertreterin des Kantons als Mehrheitsaktionär dazu?

 Der Entscheid der BKW wendet sich nicht gegen unsere Strategie. Im Gegenteil: Auch die BKW möchte mehr erneuerbare Energien fördern. Die BKW weist aber zu Recht auf ein Problem hin, das wir haben: Viele Projekte für neue Stromproduktionsanlagen stossen bei der Bevölkerung auf Widerstand.

 Die Wasserstrategie, die dieses Jahr vor den Grossen Rat kommt, soll den Widerstand gegen kleine Kraftwerke in geordnete Bahnen lenken. Kommt diese Strategie zu spät?

 Nein, im Gegenteil: Die Wasserstrategie soll bei den vielen geplanten Wasserkraftwerken nun helfen, eine gute Abwägung zwischen den Interessen des Umweltschutzes und denjenigen der Wassernutzung zu finden. Die Wasserstrategie kommt so gerade zur rechten Zeit. Andere Kantone und auch der Bund sind da noch viel weniger weit.

 Laut der BKW haben Sie bei einzelnen Kraftwerkprojekten wie Grindelwald/Bort persönlich interveniert und einen Verzicht gefordert.

 Ich habe bei keinem einzigen Projekt persönlich interveniert oder einen Verzicht gefordert. Als Energiedirektorin höre ich mir aber auch die Gegenseite mit ihren Argumenten an.

 Die BKW bemängelt, dass Bern und die umliegenden Kantone in Sachen Raumplanung zu wenig für erneuerbare Energien tun. Trifft das zu?

 Das trifft aus meiner Sicht leider teilweise zu. Ein Kanton - idealerweise der Kanton Bern - müsste hier die Führung übernehmen und vorwärtsmachen. Für die Raumplanung ist aber nicht meine, sondern die Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion zuständig.

 Was will der Kanton Bern nun unternehmen, um erneuerbare Energien zu fördern?

 Der Kanton tut jetzt schon sehr viel für die erneuerbaren Energien. Mit dem Energiegesetz werden die Rahmenbedingungen weiter verbessert, beispielsweise mit der Förderabgabe. Wie bereits erwähnt, könnte man auch im Bereich Raumplanung mehr tun.

 Offenbar können die erneuerbaren Energien aber nicht so viel leisten wie erhofft. Was bedeutet das für Sie in der aktuellen AKW-Debatte?

 Es geht hier nicht um die Leistung der erneuerbaren Energien, sondern um die Frage, was getan werden muss, damit Projekte schneller und besser umgesetzt werden können.

 Betreibt die BKW Ihrer Meinung nach mit ihrer gestrigen Entscheidung auch Abstimmungskampf?

 Nein. Die BKW weist zu Recht auf ein Problem hin, das wir lösen müssen.

 Barbara Egger-Jenzer (SP) ist Bau-, Verkehrs- und Energiedirektorin. Sie vertritt im Verwaltungsrat der BKW den Kanton als Mehrheitsaktionär. Das Interview wurde schriftlich geführt.

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Reaktionen auf den BKW-Entscheid

 Umweltverbände und Politiker jeglicher Couleur kritisieren die BKW

 Laut der BKW blockieren die Umweltverbände zu viele Projekte für erneuerbare Energie. Die Verbände und Politiker aller Parteien weisen die Kritik zurück.

 David Schaffner

 Wer sich in der Schweiz für erneuerbare Energien einsetzt, hat es schwer. Dies zumindest glauben die Verantwortlichen der BKW. Aus ihrer Sicht erheben Umweltverbände oder Private immer öfter Einsprache gegen Windturbinen, Kleinwasser- oder Holzkraftwerke und verunmöglichen damit umweltfreundliche Projekte. Wegen des zunehmenden Widerstandes sieht sich die BKW gezwungen, ihre Ausbauziele bei den erneuerbaren Energien um rund 40 Prozent zu reduzieren (siehe Artikel oben).

 Bei den Umweltverbänden und Politikern aller Couleur stösst der Entscheid der BKW auf massive Kritik: "Widerstand gibt es sowohl gegen Projekte für erneuerbare Energien wie auch gegen den Ersatz von Atomkraftwerken", meint der Berner FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen. "Da ist es wichtig, dass die Energieproduzenten an beiden Fronten kämpfen." Nur so könne man die Versorgungssicherheit garantieren. Der Glarner SVP-Ständerat This Jenny stellt ebenfalls keine spezifische Häufung bei Einsprachen gegen umweltfreundliche Energieprojekte fest. Er zeigt sich enttäuscht über die Reduktion des BKW-Engagements.

 "Einsprache nur in Einzelfällen"

 Aus Sicht der Umweltverbände ist der Vorwurf der BKW geradezu grotesk, wie Pro Natura schreibt. In den allermeisten Fällen würde der Verband Projekte für erneuerbare Energien sogar unterstützen: "Nur bei rund einem Dutzend von schweizweit mehreren Hundert Energieprojekten lässt Pro Natura auf begründeten Verdacht hin die Rechtmässigkeit prüfen." Die Stiftung Landschaftsschutz Schweiz gibt auf Anfrage an, in den letzten zwei Jahren nur gegen zwei Windkraftwerke und acht Wasserkraftwerke eine Einsprache erhoben zu haben. Der WWF hat 2009 gegen 14 Projekte rekuriert. Eine Sprecherin hält daher fest: "Widerstand gegen Projekte für erneuerbare Energien gibt es in der Schweiz nur in Einzelfällen, in denen Konflikte mit dem Naturschutz bestehen."

 Der WWF ist überzeugt, dass die BKW teilweise aus eigenem Verschulden mit Einsprachen zu kämpfen hat: "Die BKW hat im Gegensatz zu anderen Energieproduzenten im Bereich der Kleinwasserkraftwerke den Kompass falsch ausgerichtet", sagt sie. "Sie versucht, Projekte in Gebieten zu realisieren, in denen andere Produzenten aus Umweltschutzgründen keine Projekte planen."

 Gesetz für mehr Effizienz

 Der Zürcher Nationalrat Bastien Girod (Grüne) räumt ein, dass nicht alle alternativen Energien in der Schweiz ein grosses Potenzial haben. Insbesondere die Windenergie dürfe man nicht überschätzen. "Die Solarenergie hingegen hat eine grosse Zukunft", betont er.

 Bürgerliche Politiker wie Wasserfallen oder die Zürcher Ständerätin Verena Diener (Grünliberale) sind ebenfalls überzeugt, dass erneuerbare Energien eine Zukunft haben, fordern aber auch aufseiten der Umweltverbände ein Umdenken: "Um Projekte für erneuerbare Energien zu forcieren, müssen gewisse Verbände im Bereich des Heimat- oder des Landschaftschutzes ihre Dogmen überdenken und neue Kompromisse zulassen", sagt Diener. "Es ist wichtig, dass wir beispielsweise auf den Häuserdächern mehr Solaranlagen installieren können." Wasserfallen meint: "Wenn wir mehr erneuerbare Energien wollen, müssen wir kompromissbereit sein."

 Bei den Behörden sehen Diener und This Jenny ebenfalls ein Problem: Es dauere oft zu lange, bis eine definitive Bewilligung für ein Kraftwerk vorliege. Zurzeit behandelt die ständerätliche Umweltkommission eine Motion, die mit einem Koordinationsgesetz die verschiedenen Verfahrensschritte straffen möchte. "Ich unterstütze diesen Vorstoss", erklärt Diener.

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20 Minuten 11.1.11

AKW statt Ökostrom: BKW steht im Hagel der Kritik

 BERN. Die BKW krebst zurück: Der Stromkonzern will massiv weniger Ökostrom produzieren als versprochen. Dafür erntet er jetzt heftige Kritik.

 Der Stromkonzern BKW fährt sein Engagement im grünen Energiebereich drastisch zurück. 40% weniger Ökostrom als vorgesehen will er bis 2030 ins Netz speisen - obwohl sich das Stadtberner Stimmvolk erst kürzlich für erneuerbare Energien ausgesprochen hat. Die Begründung: Gegen die notwendigen Anlagen rege sich zu viel Widerstand. "Das Volk sagt: Ökostrom ja, aber nicht bei mir produziert. Vor allem Interessengruppen und Behörden legen uns Steine in den Weg", so BKW-Sprecher Sebastian Vogler.

 Für diese Begründung hagelt es jetzt Kritik. "Fadenscheinig und peinlich", so Roland Näf, Präsident der SP Kanton Bern. "Die BKW hat im Bereich Ökostrom gar nichts unternommen." Die Windanlage auf dem Mont-Crosin sei nur ein Feigenblatt. "Das ist reine Abstimmungspropaganda", sagt Näf. Offenbar investiere die BKW lieber in ein neues AKW Mühleberg. Darüber stimmt der Kanton am 13. Februar ab.

 Selbst Atombefürworter Christian Wasserfallen von der Aktion für eine vernünftige Energiepolitik Schweiz (Aves) bedauert den Entscheid des Konzerns: "Man muss an beiden Enden Gas geben." Vogler entgegnet: "Es liegt nicht an unserem Willen." Unter den gegebenen Bedingungen sei das Produktionsziel von jährlich 1000 GWh Ökostrom nicht erreichbar.  

Pedro Codes

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 Zu viele Projekte blockiert?

 BERN. Kritiker werfen der BKW vor, zu wenig für die nachhaltige Energie zu tun. Der Konzern hingegen begründet die Zielreduktion mit dem heftigen Widerstand gegen seine Projekte. Umstritten sind vor allem Kleinwasserkraftwerke im Berner Oberland. Gewehrt hat man sich gegen die geplanten Anlagen in Merligen, Grindelwald und Boltigen. In La Joux bremsen zudem die Anwohner die Turbinen mit einem Baumoratorium aus.

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Kommentar

 Das Manöver der BKW ist allzu durchsichtig

Sarah Nowotny

 Der Energiekonzern BKW reduziert sein geplantes Engagement für Wind, Sonne, Wasser und Biomasse in der Schweiz bis 2030 um fast die Hälfte. Neue Kraftwerke stiessen auf Widerstand, und die Bewilligungsverfahren seien zu kompliziert, erklärt die BKW. Damit hat sie recht. Es darf nicht sein, dass jeder Kanton und jede Gemeinde allein plant. Wenn eine Harmonisierung im Bildungsbereich gelingt, muss sie auch bei der Energie möglich sein.

 Trotzdem ist das BKW-Manöver einen Monat vor der Abstimmung über ein neues Atomkraftwerk in Mühleberg durchsichtig: Die BKW will nicht zuletzt zeigen, dass es ohne AKW nicht geht. Allerdings könnte der Schuss nach hinten losgehen, denn die Stimmbürger goutieren einen jammernden Grosskonzern nicht unbedingt. Ihre für erneuerbare Energien zuständige Tochterfirma hat die BKW erst vor vier Jahren gegründet, der Bund subventioniert Sonne, Wasser, Wind und Biomasse erst seit 2009. Vor diesem Hintergrund wirkt es etwas seltsam, wenn die BKW jetzt schon die Segel streicht im Hinblick auf 2030 - zumal sie den grössten Windpark der Schweiz dank sorgfältiger Planung ohne eine einzige Einsprache aufbauen konnte. Seltsam ist auch, dass der Konzern fast zeitgleich 400 000 Haushalten in einer Broschüre weismacht, er sei ein grosser Förderer erneuerbarer Energie.

 Im europäischen Ausland baut die BKW ihre Kapazitäten bei den erneuerbaren Energien tatsächlich munter aus - und profitiert auch dort von Subventionen. Sie ist allerdings sorgsam darauf bedacht, europäischen und Schweizer Strom wie zwei völlig verschiedene Paar Schuhe zu behandeln. Das ist falsch, denn die Schweizer Stromwirtschaft importiert und exportiert schon heute fast gleich viel Strom, wie sie im Inland produziert. Auch die noch fehlenden Leitungen will die EU in den nächsten Jahren bauen. Mit diesen Feststellungen ist zwar die Frage noch nicht beantwortet, ob es in der Schweiz neue AKW braucht. Klar ist aber, dass es sich die BKW mit ihrem Schnellschuss vor der Abstimmung etwas zu leicht macht.

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BZ 11.1.11

BKW krebst bei den neuen Energien zurück

 StromproduktionDie BKW wird im Bereich der erneuerbaren Energien 40 Prozent weniger Projekte realisieren als geplant. Grund dafür sei die starke Opposition gegen Projekte.

 Kurz vor der Atomkraftabstimmung im Kanton Bern kommt die gestrige Ankündigung der BKW einem Paukenschlag gleich. Der Berner Stromkonzern gab bekannt, künftig weniger stark als ursprünglich geplant in neue erneuerbare Energien zu investieren. Konkret: Die BKW sieht sich nicht imstande, bis ins Jahr 2030 die angestrebte Produktionsmenge zu erreichen. Anstelle von einer Terawattstunde (TWh) Strom glaubt die BKW nun, bis in zwanzig Jahren höchstens 60 Prozent davon, also 0,6 TWh, mit neuen erneuerbaren Energien produzieren zu können. Dieses neue Mengenziel entspricht rund einem Prozent des heutigen Stromverbrauchs in der Schweiz.

 Als Grund für den Teilrückzug gab der Stromkonzern die wachsende Opposition gegen geplante Wind- und Wasserkraftwerke an. Besonders im Berner Oberland und im Jura sei der Widerstand gross. Und dagegen gebe es kaum ein Mittel, sagt die BKW.

 Das Zurückbuchstabieren des Stromkonzerns kommt bei den Atomkraftgegnern gar nicht gut an: Die SP liess in einer Mittelung verlauten, die BKW führe die Bevölkerung an der Nase herum und missbrauche die erneuerbaren Energien als Spielball für die bevorstehende AKW-Abstimmung vom 13. Februar. Das Potenzial der alternativen Energieformen werde zugunsten der AKW-Propaganda gezielt abgewertet. Zudem wertet die SP die gestrige Information der BKW als unzulässige Einmischung in den Abstimmungskampf.

 Die BKW beziehungsweise ihre Tochtergesellschaft Sol-E Suisse ist tatsächlich einigermassen skeptisch, was das Potenzial von Sonnen-, Wind- und Wasserkraft angeht. Der Chef von Sol-E Suisse, Franz Bürgi, sagt im Interview mit dieser Zeitung: "Nach unserer Einschätzung ist es nicht möglich, die Grundlast, welche heute die Kernenergie liefert, durch neue erneuerbare Energieformen zu ersetzen."phmSeite 12 + 13

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Stromproduktion   ● Erneuerbare Energien

 Wegen starken Gegenwindes bläst die BKW zum Rückzug

 Die Stromversorgerin BKW will ihr Engagement bei den erneuerbaren Energien massiv reduzieren. Sie senkt ihre Ausbauziele um fast die Hälfte und begründet dies mit dem wachsenden Widerstand in der Bevölkerung. Die politische Linke ist empört.

 Die BKW hat letztes Jahr rund 80 Anlagen für neue erneuerbare Energien in Betrieb genommen, vorab im Bereich Wind- und Wasserkraft. 16 dieser Anlagen stehen in der Schweiz, die restlichen wurden in Deutschland und Italien realisiert. Das gab die BKW gestern vor den Medien bekannt.

 Neben dieser an sich positiven Nachricht hat die BKW jedoch gleichzeitig ihre Wachstumsziele im Bereich der neuen erneuerbaren Energien massiv nach unten korrigiert. Die Berner Stromproduzentin liess verlauten, dass sie ihr Fernziel, bis ins Jahr 2030 eine Terawattstunde (TWh) Strom mit neuen Energien zu produzieren, um 40 Prozent auf 0,6 TWh senke. Diese angestrebte Strommenge entspricht gut einem Prozent des heutigen Gesamtstromverbrauchs in der Schweiz.

 Grosser Widerstand

 Die BKW begründet ihren Teilrückzug mit dem wachsenden Widerstand in der Bevölkerung gegen geplante Wind- oder Wasserkraftprojekte. "Im Grossen und Ganzen spüren wir eine grosse Sympathie für Wind- und Wasserkraft", sagt BKW-Geschäftsleitungsmitglied Martin Pfisterer. "Wenn es dann aber um die Realisierung geht, sagen viele Betroffene: ‹Bitte nicht bei mir.›" Die BKW erklärt sich die zunehmende Angst mit der Flut an geplanten Projekten (siehe Interview rechts).

 Pfisterer führte die massive Opposition gegen neue Windprojekte im Jura an. "Dort herrscht ein ziemlich raues Klima." Bestehende Windturbinen würden dort mit Sprayereien beschmiert, neue Projekte seien kaum durchsetzbar.

 Nicht besser sehe es bei der Wasserkraft aus. In Grindelwald zum Beispiel sei dem geplanten Kleinwasserkraftwerk Port Widerstand erwachsen, weil Teile der Dorfbevölkerung den dortigen Bach inklusive Wasserfall im Naturzustand belassen wollten. "Wenn das der Massstab ist, wird es einfach schwierig."

 Langwierige Verfahren

 Für die BKW seien zudem die langen und komplizierten Bewilligungsverfahren ein Problem. "Im Ausland haben Sie eine zuständige Behörde, und die Verfahren sind in der Regel in zwölf Monaten zu Ende. Das ist in der Schweiz undenkbar", so Martin Pfisterer. Hier seien bei einem Wind- oder Wasserprojekt bis zu dreissig Stellen involviert.

 "BKW zeigt wahres Gesicht"

 Die politische Linke reagiert empört auf die Sparpläne der BKW: Für die SP ist die neue Strategie der BKW nichts anderes als Propaganda für das geplante Atomkraftwerk in Mühleberg. Das Potenzial der erneuerbaren Energien werde zugunsten der AKW-Werbung gezielt abgewertet. Das Bernervolk stimmt am 13. Februar über ein neues AKW in Mühleberg ab.

 Auch der Bund äussert sich zu den Plänen der BKW. Das Bundesamt für Energie hält sein Ziel, bis 2030 10 Prozent des Stromverbrauchs durch erneuerbare Energien beizusteuern, für realistisch. Das sei auch ohne das relativ kleine Engagement der BKW möglich.

 Philippe Müller

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 Erste Windparks verzichten auf Subventionen

 Die Nachfrage nach Windstrom in der Schweiz ist so gross, dass erste Windstromproduzenten auf die Subventionen vom Bund verzichten. Denn auf dem freien Markt können sie den Strom zu besseren Konditionen absetzen.

 Die Energiegenossenschaft Adev aus Liestal verzichtet freiwillig auf Subventionen für die Windenergie, die sie produziert. Das erstaunt auf den ersten Blick: Mit ihren beiden Windrädern stellt die Adev nämlich jährlich rund 7 Millionen Kilowattstunden Windstrom her. Pro Kilowattstunde könnte sie beim Bund 20 Rappen sogenannte kostendeckende Einspeisevergütungen (KEV) beantragen. KEV sind vom Bund bezahlte Subventionen für Ökostrom.

 Bessere Bedingungen

 Die Liestaler Windstromproduzenten verzichten aber auf die grosszügigen Subventionen, weil sie unter dem Strich mehr Geld verdienen, wenn sie ihren Strom auf dem freien Mark absetzen.

 Die Adev verkauft ihren Strom dem Elektrizitätswerk der Stadt Zürich (EWZ). Das EWZ kann den Ökostrom der Liestaler dann an Endkunden weiterverkaufen, die bereit sind, einen Aufpreis für sauberen Strom zu zahlen.

 Mit dem EWZ hat die Adev laut deren Geschäftsführer Andreas Appenzeller einen Vertrag über zwanzig Jahre abgeschlossen. "Wir können den Windstrom dem EWZ zu besseren Konditionen verkaufen, als dies der Fall wäre, wenn wir den Strom unter allgemeinen Bedingungen ins Netz speisen und dafür Subventionen vom Bund erhalten", so Appenzeller.

 Zurzeit sind laut Bundesamt für Energie in der Schweiz insgesamt 28 Strom produzierende Windturbinen in Betrieb. 12 davon bekommen Subventionen vom Bund. 12 weitere sind nicht subventionsberechtigt, weil sie bereits vor Einführung des Subventionssystems in Betrieb waren. Bei den vier verbleibenden - darunter sind jene zwei aus Liestal - ziehen es die Produzenten vor, den Strom auf dem freien Markt abzusetzen.

 Markus Geissmann, Bereichsleiter Windenergie beim Bundesamt für Energie, bestätigt das Subventionsphänomen: "Windstrom ist relativ günstiger Ökostrom." Deshalb sei die Nachfrage zurzeit gross. Die Produktionskosten für eine Kilowattstunde Solarstrom sind nach wie vor wesentlich höher als jene für Windstrom.
 
Mischa Aebi

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 Windenergie - ein Boom?

 Lange Warteliste Wird Windenergie in den nächsten Jahren in der Schweiz einen regelrechten Boom erleben? Skeptiker werden nicht müde, zu behaupten, die Schweiz sei für Windenergie im grossen Stil nicht geeignet; das Land sei zu kleinräumig, und die Windverhältnisse seien zu schlecht. In der Tat harzt es mit dem Bau von Windturbinen in der Schweiz bislang. Viele seit Jahren geplante oder angekündigten Windparks wurden nicht oder jedenfalls bis jetzt noch nicht realisiert.

 Gerade mal 28 Turbinen sind zurzeit in Betrieb. Erstaunlich ist hingegen die Zahl jener Stromproduzenten, die noch nicht gebaute Windturbinen bereits im Voraus beim Bund für Subventionen angemeldet haben. Es sind 390. Weitere 300 stehen auf einer Warteliste. Subventionen erhalten die Produzenten erst, wenn ihre Turbinen tatsächlich in Betrieb sind.ma

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"Die grosse Menge an Energie-Projekten hat Ängste ausgelöst"

 Sol-E Suisse, eine Tochtergesellschaft der BKW, stösst bei der Planung von Wind- und Wasserkraftwerken auf grossen Widerstand. Für Sol-E-Suisse-Chef Franz Bürgi ist klar, dass die erneuerbaren Energien die Kernenergie so nicht ersetzen können.

 Sie sagen, der Widerstand gegen Projekte im Bereich neue erneuerbare Energie habe zuletzt massiv zugenommen. Welche Erklärung haben Sie dafür?

 Franz Bürgi: Eine Erklärung ist, dass es durch die kostendeckende Einspeisevergütung und den damit verbundenen Anreiz plötzlich eine Flut an solchen Projekten gab. Diese grosse Menge hat in der Bevölkerung Ängste ausgelöst und den Widerstand der Interessensgruppen geweckt.

 Muss sich Sol-E Suisse beziehungsweise die BKW den Vorwurf machen, diese Projekte zu forsch und ohne frühe Einbindung der Bevölkerung voranzutreiben?

 Wir haben Erfahrung mit den Ängsten der Bevölkerung und pflegen deshalb meines Erachtens auch ein sensibles Vorgehen. Aber wir sind eben nicht alleine. Wenn schon, dann muss man sich als Branche den Vorwurf machen, dass man das Ganze etwas zu wild angegangen ist. Aber festzuhalten ist, dass alle Marktteilnehmer nichts anderes tun, als zu versuchen, die Vorgaben des Bundesrats umzusetzen und den Anteil der erneuerbaren Energie am Strommix zu erhöhen.

 Wie viele Projekte von Sol-E Suisse sind wegen des zunehmenden Widerstands gefährdet oder bereits gescheitert?

 Es ist noch viel zu früh, eine abschliessende Bilanz zu ziehen. Viele Projektentwicklungsverfahren laufen noch. Aber gerade in der Kleinwasserkraft mussten wir vorab im Berner Oberland beim einen oder anderen Projekt die Arbeit einstellen, weil die Situation zu festgefahren war.

 Warum reduziert nur die BKW ihre Ziele zur Förderung der erneuerbaren Energien? Von den anderen Stromkonzernen ist derzeit nichts in dieser Richtung bekannt.

 Die BKW fällt ihre Entscheide als eigenständige Firma selber. Und wir haben entschieden, Transparenz zu schaffen. Wie ich höre, ist es auch für unsere Mitbewerber nicht einfach, Wasser- und Windprojekte zu realisieren.

 Ihre Aussagen stehen in krassem Widerstand zur Auffassung der "Gruppe Neue Energie Bern". Sie sagt, die Leistung des heutigen AKW Mühleberg sei problemlos mit Wind- und Sonnenenergie zu kompensieren.

 Das theoretische Potenzial von Wind-, Wasser- und Sonnenkraft ist wirklich gross. Aktuell sieht die Situation aber eben anders aus. Und wenn ich höre, dass die Gruppe im Kanton Bern zehn Windparks von der Grösse desjenigen auf dem Mont Crosin bauen will, muss ich sagen: Das ist schlicht undenkbar. Erstens haben wir nicht so viele Standorte. Und zweitens kann ich mir nicht vorstellen, dass im aktuellen Umfeld 160 zusätzliche Windturbinen realisierbar wären. Und was die Sonnenenergie betrifft, so ist das heute leider noch eine vergleichsweise teure Energieform.

 Zusammengefasst sagen Sie eigentlich nichts anderes, als dass die Schweiz aus heutiger Sicht nicht auf Atomkraftwerke verzichten kann.

 Nach unserer Einschätzung ist es nicht möglich, die Grundlast, welche heute die Kernenergie liefert, durch neue erneuerbare Energieformen zu ersetzen. Bei der Produktion folgt die BKW der bundesrätlichen Strategie: Energieeffizienz, Förderung der erneuerbaren Energien, Bau von Grosskraftwerken. Wesentlich ist, dass sowohl die erneuerbaren Energien gefördert werden als auch Grosskraftwerke gebaut werden, um langfristig die Versorgungssicherheit der Schweiz zu gewährleisten.

 Interview: Philippe Müller

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 Schweiz soll volles Energiemitglied werden

 Stromkongress in Bern

 Strommarkt Die EU fordert eine vollständige Liberalisierung des Schweizer Strommarktes. Wenn sich die Schweiz in den EU-Binnenmarkt für Strom integriere, könne sie ihre Position als Stromdrehscheibe Europas halten, sagte der EU-Kommissar für Energie, Günther Oettinger, gestern in Bern. Dank ihrer zentralen Lage, der guten Infrastrukturverbindungen und der flexiblen Wasserkraftkapazität könne die Schweiz "einer der wichtigsten Stromspeicher Europas" werden. Der EU-Kommissar sprach am 5. Schweizerischen Stromkongress in Bern über die Rolle der Schweiz im europäischen Strommarkt - aus Sicht der EU.

 Um die Versorgungssicherheit auch in Zukunft zu gewähren, müsse Europa in den nächsten Jahren einen gemeinsamen Strommarkt aufbauen. Die Schweiz oder etwa Norwegen will Oettinger in den EU-Markt einbeziehen: "Ich bin für eine volle Energiemitgliedschaft der Schweiz." Auch strebe er eine Gastmitgliedschaft der Schweiz bei der Organisation europäischer Übertragungsnetzbetreiber (Entso-E) an. Die Schweiz solle bei der Netzplanung nicht umgangen werden.

 Ohne Gegenleistung bleibe die Schweiz allerdings aussen vor, mahnte der EU-Kommissar mit Blick auf die bilateralen Verhandlungen über ein Energieabkommen. Der erste Schritt der Strommarktliberalisierung in der Schweiz habe die Aufnahme der Verhandlungen gefördert.

 In der Schweiz war der Strommarkt für Industrie und Gewerbe ab 1. Januar 2009 liberalisiert worden. Für Kleinverbraucher soll der Strommarkt gemäss Stromversorgungsgesetz 2014 geöffnet werden.sda

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Aargauer Zeitung 11.1.11

Weniger saubere Energie wegen AKW?

 Rückzug Stromkonzern BKW plant massiv weniger erneuerbare Energie - AKW-Gegner sehen rot

LORENZ HONEGGER UND ROMAN SCHENKEL

 Einsprachen gegen Bauprojekte sind in der Schweiz eine Art Volkssport. Als Leidtragender dieses Umstandes verkaufte sich gestern der Berner Stromkonzern BKW: Der Widerstand gegen Bauvorhaben im Bereich der erneuerbaren Energien nehme "groteske Formen" an, sagte Geschäftsleitungsmitglied Martin Pfisterer an einer Pressekonferenz.

 Nun macht die BKW ernst, einen Monat, bevor das Berner Stimmvolk seine Meinung zu einem neuen Atomkraftwerk (AKW) in Mühleberg kundtut: Der Konzern senkt seine Ziele für die inländische Stromproduktion aus erneuerbaren Energiequellen um 40 Prozent. Anstatt die Strommenge aus Wasser-, Wind- oder Photovoltaik-Kraftwerken bis ins Jahr 2030 auf 1000 Gigawattstunden (GWh) auszubauen, setzt die BKW die Zielmenge auf 600 GWh herab. Bereits im Jahr 2008 hatte das Unternehmen den Wert von 1500 GWh um ein Drittel gekürzt. Erneuerbare Energien seien zwar populär, sagte Pfisterer, ginge es um den Bau einer neuen Anlage, heisse es aber schnell: "Super, aber bei mir nicht."

 Propaganda?

 Ob Absicht oder nicht, der Entscheid der BKW provoziert: Atomkraftgegner sehen in der Mitteilung politisches Kalkül im Hinblick auf die Konsultativ- abstimmung über ein neues Berner AKW am 13. Februar. "Die Berner sollen hören, dass man wegen der bösen Umweltverbände mit den erneuerbaren Energien nicht weiterkommt", meint Jürg Buri, Geschäftsleiter der Schweizerischen Energiestiftung (SES). Dass es Einsprachen gebe, wenn Stromkonzerne Windräder in Naturschutzgebieten planten, sei "mehr als normal".

 Der Verwaltungsratspräsident der BKW, Urs Gasche, nimmt die Kritik amüsiert zur Kenntnis. "Hätten wir erst nach der Abstimmung kommuniziert, hätten wir uns den Vorwurf gefallen lassen müssen, den Entscheid absichtlich verschwiegen zu haben", sagt er gegenüber der az. Gasche versichert, dass die BKW die Ziele des Bundes erfüllen, wenn nicht übertreffen werde. Keine grösseren Projekte würden eingestellt. "Ich sah es als Gebot der Redlichkeit, den Entscheid rechtzeitig zu kommunizieren", sagt er weiter.

 Eine Trendwende ist nach dem BKW-Rückzug nicht absehbar: Die zwei anderen Giganten auf dem Schweizer Strommarkt, Axpo und Alpiq - beide Unternehmen planen je ein neues Atomkraftwerk -, halten an ihren Zielen für die erneuerbare Stromproduktion fest, stören sich genauso an der Einsprachenflut. "Bei uns richtet sich der Widerstand insbesondere gegen Holzkraftwerke", sagt eine Axpo-Sprecherin. Bei Alpiq spricht man von "fehlender Investi- tionssicherheit", man werde aber wie geplant bis 2030 1,8 Milliarden Franken in den Sektor investieren.

 Auch das Bundesamt für Energie (BFE) sieht die gesamtschweizerische Zielmenge für 2030 von 5400 GWh nicht in Gefahr. Was nun stattfinde, heisst es lapidar, sei "eine gesunde Korrektur": "Es sind genug Projekte in der Pipeline und täglich erreichen uns neue Anmeldungen", so eine Sprecherin.

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Kommentar

 BKW erweist sich Bärendienst

Sven Millischer

 Die BKW zieht in der Schweiz beim Ausbau erneuerbarer Energien den Stecker. Bis 2030 sollten 1000 Gigawattstunden Strom aus heimischen Wind-, Kleinwasser- und Holzkraftwerken stammen. Dies würde zehn Prozent der heutigen Jahresproduktion des Berner Stromkonzerns entsprechen. Ein ambitiöses Unterfangen. Bewegt sich doch der Anteil "neuer erneuerbarer Energien" am Produktionsmix heute im Promillebereich.

 Nun streicht die BKW ihre Ausbaupläne um 40 Prozent auf 600 Gigawattstunden zusammen. Zum Vergleich: Das AKW Mühleberg speist diese Produktionsmenge innert zweieinhalb Monaten ins Netz ein. Als Gründe für den überraschenden Rückzieher nennt der Stromkonzern die schleppenden Bewilligungsverfahren sowie den wachsenden Widerstand der Bevölkerung gegen erneuerbare Energie - wenn sie denn vor der eigenen Haustüre zu stehen kommt.

 Man mag die Argumente der Berner stichhaltig finden oder nicht. Fakt ist jedoch, dass die BKW für ihren Entscheid den wohl denkbar schlechtesten Zeitpunkt gewählt hat. In einem Monat ruft der Kanton Bern seine Stimmbürger an die Urne, um über ein Ersatz-AKW Mühleberg zu befinden - die einzige Konsultativabstimmung in einem Atom-Kanton. Ein Vorentscheid.

 Mit der gestrigen Ankündigung hat sich die BKW viel Goodwill verspielt, nicht nur bei AKW-Gegnern. Leisten die Berner doch all jenen Kritikern Vorschub, die den Stromkonzernen vorwerfen, ihnen sei es mit dem Ausbau der erneuerbaren Energie sowieso nicht Ernst. Der Rückzieher entlarvt die Pläne der BKW nun als grünes Feigenblatt.

 sven.millischer@azmedien.ch

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Langtenthaler Tagblatt 11.1.11

Warum der Stromriese im Bernbiet resigniert

Samuel Thomi

 BKW Energie AG Weil auch im Kanton Bern der Widerstand gegen Wind- und Kleinwasserkraft wächst, fehlten bewilligungsreife Projekte. Kritiker werfen dem Kon- zern im Vorfeld der AKW-Abstimmung "Angstmacherei" vor.

 Vor vier Jahren setzte sich die BKW Energie AG zum Ziel, bis 2030 in der Schweiz 1,5 Terrawattstunden (TWh) Strom aus neuen erneuerbaren Energien zu produzieren. Doch schon 2008 wurde das Mengenziel auf 1 TWh gesenkt. Gestern nun verkündete Martin Pfisterer an der Bilanzmedienkonferenz der Tochtergesellschaft sol-E Suisse AG für erneuerbare Energien, leider müsse auch "dieses für das Inland immer noch ambitiöse Ziel" um weitere 40 Prozent auf noch 0,6 Terrawattstunden reduziert werden.

 "Zwar haben wir auch 2010 mit der Inbetriebnahme von 800 neuen Anlagen unsere führende Stellung bei den erneuerbaren Energien weiter ausbauen können", kommentierte Martin Pfisterer. Besonders der Widerstand gegen die neuen Hauptquellen Windenergie und Kleinwasserkraft nähmen jedoch "groteske Formen" an, so das Mitglied der BKW-Unternehmensleitung. Als Beispiel nannte Pfisterer die letzten Herbst erfolgreich abgeschlossene Ausbauetappe des Windparks auf dem Mont-Crosin: Zwar habe die Leistung mit doppelt so vielen Turbinen vervierfacht werden können: "In neun Planungs- und Baujahren hat der Wind aber gedreht."

 "Deckmäntelchen" abgelegt?

 Pfisterer wollte sich nicht auf ein Schwarzpeterspiel einlassen; bei lokalem Widerstand bestünden oft keine Zusammenhänge mit Parteizugehörigkeiten. So etwa bei den Kleinwasserkraftwerk-Projekten am Laubeggfall (vgl. az Langenthaler Tagblatt von letztem Freitag) oder beim sistierten Projekt in Bort ob Grindelwald. Hier machte die BKW aus der Not eine Tugend und beauftragte vor den Festtagen Grünen-Fraktionspräsidentin Christine Häsler (Burglauenen) sowie Gross- und Nationalrat Peter Flück (FDP/Meiringen) um eine Gesellschaftsanalyse. Anders am Grönbach in Sigriswil: Wegen Widerstand aus dem Dorf zog der Gemeinderat eben seine Projekt-Zusage zurück, informierte sol-E-Chef Franz Bürgi. "Laut der vom Regierungsrat verabschiedeten Wasserstrategie wären alle diese Projekte möglich", so Pfisterer. Doch komme diese "leider viel zu spät."

 "Ein Monat vor der AKW-Abstimmung zeigt die BKW ihr wahres Gesicht", schreibt die bernische SP. Der Energieriese benutze die Erneuerbaren nur als "Spielball"; zu dieser "Feigenblatt-Politik" gehörten auch die Käufe einzelner Windparks in letzter Zeit. Auch die kantonalen Grünen sind "bitter enttäuscht"; schon die bisherige Förderpolitik sei nicht mehr als ein "ökologisches Deckmäntelchen" gewesen. Nun wollen beide Parteien im Grossen Rat aktiv werden.

 Auch die Umweltverbände reagierten: Der WWF sprach von "billiger Abstimmungspropaganda", und Pro Natura verwies darauf, nur gut ein Dutzend von mehreren hundert Projekten werde juristisch bekämpft.

 Wenn die BKW zurückkrebst, übt sie auch Selbstkritik? "Klar löste die kostendeckende Einspeisevergütung des Bundes auch ein bisschen Goldgräberstimmung aus", so Bürgi. Doch die BKW-Tochter habe sich "stets fair und anständig" verhalten.

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Bund 11.1.11

Meinungen

 Tribüne Ein Reaktorunfall wie jener von Tschernobyl 1986 hätte unermessliche Folgen für die Region Bern.

 Die Risiken von Mühleberg

Theodor Abelin

 Vor bald 25 Jahren, am 26. April 1986 um 1. 23 Uhr, ereignete sich in Tschernobyl (Ukraine) die bisher grösste Atomkraftwerk-Katastrophe. Nach einer Studienreise nach Tschernobyl kehrten wir im letzten April mit der Schlussfolgerung in die Schweiz zurück, dass AKW ebenso wie die Grossbanken für die Schweiz "too big to fail" sind. D. h., die Folgen eines Versagens wären so schwerwiegend, dass sie nicht zu verkraften wären. Allerdings konnten die Grossbanken noch gerettet werden, während es nach einer Atomkatastrophe kaum noch etwas zu retten gibt.

 Ein Gebiet um Tschernobyl einem Radius von 30 km wurde als unbewohnbar erklärt, und 200 000 Menschen mussten dauernd umgesiedelt werden. Übertragen auf Mühleberg wäre eine dauernde Umsiedlung von etwa einer halben Million Menschen notwendig, darunter alle Einwohner der Städte Bern, Biel und Freiburg. Die grossen Verkehrsverbindungen (A1, Bahnlinie) wären Jahrzehnte lang nicht mehr benützbar. Die evakuierte Bevölkerung Tschernobyls musste anderswo wieder angesiedelt werden. Neue Wohnhäuser, Schulen, Spitäler mussten gebaut werden, doch für die Tschernobyl-Flüchtlinge fanden sich kaum Arbeitsplätze, mit der Folge einer deprimierenden Dauerarbeitslosigkeit. Auch in der Schweiz wäre es nicht möglich, einer so grossen Zahl Umgesiedelter eine geregelte Reintegration zu erlauben.

 Enorme Kosten

 Die Kosten des Unfalls von Tschernobyl betragen bis heute rund 250 Milliarden Franken. Im industrialisierten und landwirtschaftlich intensiv genutzten 30-Kilometer-Umkreis von Mühleberg könnte der Schaden tausend Milliarden (1 Billion) Franken erreichen und für die Schweiz nicht verkraftbar sein.

 Abgesehen von der sich heute als Ruinenstadt präsentierenden Stadt Prypiat, deren 45 000 Einwohner weitgehend die Reaktorangestellten im 3 Kilometer entfernten Tschernobyl stellten, gab es im 30-Kilometer-Umkreis von Tschernobyl fast nur Wald, Landwirtschaft und kleinere Ortschaften. Das schweizerische Mittelland rund um alle Atomkraftwerke ist dagegen dicht besiedelt und industrialisiert, und das Preisniveau ist hier viel höher als in der Ukraine und in Weissrussland.

 Die Sowjetunion musste 700 000 Männer für die Lösch- und Aufräumarbeiten rekrutieren. Die kleine Schweiz verfügt nicht über eine solche Möglichkeit.

 Dieser Aufwand war notwendig, weil diese sogenannten Liquidatoren aufgrund der hohen Radioaktivität schon innert kurzer Zeit die maximal zulässige lebenslängliche Strahlendosis abbekommen hatten und immer wieder ersetzt werden mussten. Der schwierigste Einsatz bestand aus 1800 Helikopterflügen, um durch Abwurf von 5000 Tonnen Deckmaterial den Brand im Reaktorkern zu löschen. Danach mussten die verstrahlten Gebiete so abgesichert werden, dass das Grundwasser vor radioaktiver Verseuchung und die verlassenen Gebäude und Lagerräume vor Plünderungen geschützt werden konnten.

 Ein Restrisiko bleibt immer

 Die Frage der Entsorgung grosser Mengen von radioaktivem Material ist weder in Tschernobyl noch in der Schweiz noch sonst wo in der Welt gelöst. Nach der Explosion wurde um den brennenden und strahlenden Reaktor in Tschernobyl ein Betonmantel (Sarkophag) gebaut, doch der Beton wurde brüchig und erfordert laufend aufwendige Reparaturen. Vor zehn Jahren wurde ein Neubau des Betonmantels für 715 Millionen Euro beschlossen, doch der Bau steht noch aus, und langfristig ist eine Entsorgung geplant, doch die dazu erforderliche Technologie gibt es noch nicht. Tschernobyl hat gezeigt, dass es bei der Entsorgung nicht nur um "regulären" Atommüll geht, sondern auch um die Überreste beschädigter oder ausser Betrieb genommener AKW.

 Das Risiko eines schweren Atomunfalls ist wegen der Möglichkeit von menschlichem Versagen und Fehleinschätzungen trotz guter technischer Sicherheitsmassnahmen durchaus vorhanden, man denke nur an Schweizerhalle.

 Im Fall von Tschernobyl war ein Test des Kühlwassersystems geplant, der dann wegen zusätzlichen Strombedarfs auf die Stunden nach Mitternacht verschoben wurde. Die nach einem Schichtwechsel eingesetzten Techniker waren weniger gut auf den Versuch vorbereitet. Dass menschliches Versagen oder Fehleinschätzungen unter ungünstigen Verhältnissen auch in der Schweiz zu Unfällen und Katastrophen führen können, bestätigt die Erinnerung nicht nur an Schweizerhalle, sondern auch an die Amokschiesserei in Zug oder die Militärunfälle auf der Kander und an der Jungfrau.

 Heute gibt es Alternativen

 Zur Zeit von Tschernobyl gab es keine Alternative zu AKW, um den Strombedarf bei gleichbleibendem Lebensstil zu wahren, und ein gewisses Risiko wurde deshalb akzeptiert. Heute gibt es Alternativen, sodass das Risiko nicht mehr begründbar ist.

 Heute stehen durch wirksame Energiesparmassnahmen und die dezentrale Produktion erneuerbarer Energien solche Alternativen zur Verfügung. Für den Staat Bern - sei es als Garant des Gedeihens seiner Einwohner oder als Mehrheitsaktionär der BKW - besteht somit kein Grund mehr, dieses "gewisse Risiko" mitzutragen. Zur Minimierung des Klumpenrisikos von Atomunfällen, aber auch anderer Situationen von massivem Stromausfall sollte heute statt auf nukleare Grosskraftwerke auf die dezentrale Produktion von erneuerbarer Energie gesetzt werden. Zudem sollte der Kanton Bern darauf bestehen, dass die Trägerkonzerne der Atomkraftwerke das Schadenrisiko vollumfänglich übernehmen und sich für dieses Risiko versichern. Führen die Versicherungsprämien zu einem allzu hohen Strompreis, so wäre das der Beweis, dass sich die dezentral produzierten erneuerbaren Energien auch wirtschaftlich aufdrängen.

 Als in Deutschland noch eine Regelung galt, die eine baldige Ausserbetriebnahme aller AKW vorsah, waren auch die Elektrizitätsgesellschaften interessiert, in erneuerbare Energien zu investieren. Kaum war im Herbst 2010 jedoch die neue Regelung bekannt gegeben worden, mit der die Frist um 8 bis 14 Jahre verlängert wurde, sollen sie sich wieder aus entsprechenden sich anbahnenden Partnerschaften zurückgezogen haben.

 Möglicher Investitionsschub

 Bei uns kann ein Nein zu Mühleberg nicht nur das Risiko einer Katastrophe ausschalten, sondern auch zu einem Investitionsschub für die Produktion erneuerbarer Energie führen - nicht nur in eigene spektakuläre Demonstrationsprojekte der Elektrizitätsgesellschaften, sondern auch in die für sie finanziell weniger interessante, aber für die Deckung des Strombedarfs unentbehrliche dezentrale Produktion mit kostendeckender Einspeisevergütung.

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 Theodor Abelin

 Der Autor ist emeritierter Professor für Medizin an der Uni Bern. In den Neunzigerjahren beteiligte er sich zusammen mit dem Bundesamt für Gesundheit und der Weltgesundheitsorganisation an der wissenschaftlichen Abklärung der gesundheitlichen Folgen des Reaktorunfalls von Tschernobyl. Im April 2009 besuchte er das Gebiet noch einmal.

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NZZ 11.1.11

Ruf nach AKW-Spezialisten

 Sicherheitskommission prüft Rahmenbewilligungs-Berichte

 dsc. · Das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat (Ensi) hat im November seine Stellungnahme zu den drei Rahmenbewilligungsgesuchen für neue AKW in Gösgen, Mühleberg und Beznau präsentiert. Dabei wurden alle Standorte als geeignet eingestuft, allerdings ergaben sich Auflagen, etwa punkto Erdbebensicherheit und Hochwasserschutz. Ähnlich sind nun die Berichte der Eidgenössischen Kommission für nukleare Sicherheit (KNS) ausgefallen, die am Montag publiziert wurden und formell Gutachten zu den Ensi-Berichten darstellen. Auffällig sind, neben den technischen Hinweisen, Forderungen nach mehr Fachpersonal.

 Wie KNS-Präsident Bruno Covelli erklärt, hat vor allem die bisherige Projektgesellschaft für das neue Kernkraftwerk in Gösgen stark mit externen Spezialisten zusammengearbeitet. Die entsprechenden Resultate sind zwar gut, doch für den weiteren Projektverlauf fordert die KNS die Anstellung von mehr firmeninternen Fachleuten, die dann auch bei der Inbetriebnahme und schliesslich beim Betrieb ihr Wissen einbringen sollen. Spezialisten sind in der Nukleartechnik, ähnlich wie in anderen Ingenieurbereichen, schwierig zu finden. Auch das Ensi müsse personell aufgestockt werden, sagt Covelli. Viele Probleme beim Betrieb von Kernanlagen seien auf Schwierigkeiten bei der Arbeitsorganisation zurückzuführen.

 Bei der Anbindung an das Stromnetz soll die Zusammenarbeit mit dem Hochspannungsnetz-Betreiber Swissgrid verbessert werden. Die KNS wünscht zudem, dass die Verarbeitung der schwach- und mittelaktiven Abfälle künftig auf das Problem der Korrosionsgas-Bildung bei der Tiefenlagerung ausgerichtet wird. Entsprechend sollen die Abfälle in den Kernanlagen so vorbehandelt werden, dass die Gebinde einen möglichst geringen Gehalt an Metallen enthalten. Laut Bruno Covelli hat dies Auswirkungen auf die bauliche Gestaltung der AKW.

 Die KNS fordert, ähnlich wie das Ensi, weitere Analysen zur Erdbebensicherheit. Auch Hinweise für die Gestaltung des knappen Baugeländes am Standort Mühleberg werden gegeben. Bei allen drei Orten sind mögliche Szenarien mit extremen Winden aufgeführt. Bei der Kalkulation der Sicherheit bei Flugzeugabstürzen sollen auch künftige Flugzeugtypen berücksichtigt werden, die grössere Ausmasse haben könnten als heutige Modelle.

 Die Reaktoren sollen mit den schärfsten Sicherheitsvorkehrungen gebaut werden. Covelli hält es für schwierig, schon jetzt abzuschätzen, inwieweit die technischen Auflagen Kostenauswirkungen haben und damit zur Priorisierung von zwei Standorten führen könnten. Allerdings weist die KNS - zurückhaltend - darauf hin, dass bei einem gleichzeitigen Betrieb einer neuen und einer alten Anlage am selben Standort (wie in Gösgen zu erwarten) trotz verbesserten Standards das Restrisiko für die Region höher ist als bei der Einstellung der bestehenden Anlagen (wie in Mühleberg und Beznau vorgesehen).

 Die Stromfirmen haben sich im Übrigen geeinigt, bei ihrer Priorisierung von zwei Standorten bei gleichen technischen und politischen Voraussetzungen die Reihenfolge der Ausserbetriebnahme zu beachten. Somit scheinen nun - für Aussenstehende - Beznau und dann Mühleberg die besten Voraussetzungen als Standorte für das erste Schweizer AKW der dritten Generation zu haben.

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St. Galler Tagblatt 11.1.11

Standorte neuer AKW sind dafür geeignet

 Alle drei Standorte für neue Kernkraftwerke sind für den Bau von Reaktoren geeignet. Die Kommission für nukleare Sicherheit (KNS) stellt sich hinter entsprechende Gutachten des Nuklearsicherheitsinspektorats (Ensi).

 bern. Die Stromkonzerne Axpo, Alpiq und BKW Energie AG wollen gemeinsam voraussichtlich zwei neue Kernkraftwerke bauen. Die Standorte stehen aber noch nicht fest. Im Rennen sind Mühleberg BE, Gösgen SO und Beznau AG. Die KNS hält alle drei Standorte für geeignet, gibt aber zusätzliche Empfehlungen ab. Wegen der hohen Bevölkerungsdichte und der starken wirtschaftlichen Nutzung in der Umgebung fordert die KNS hohe Sicherheitsmassnahmen: Auch bei einem Störfall mit schwerem Kernschaden sollte "mit grosser Wahrscheinlichkeit" auf einschneidende Notfall-Schutzmassnahmen verzichtet werden können.

 Schutz vor Flugzeugabstürzen

 Ausserdem müssen für Baugesuche an allen drei Standorten vertiefte geologische Abklärungen vorgenommen werden. Ebenso müssten die Gesuchsteller darlegen, dass der Strom aus den neuen Reaktoren zuverlässig ins Übertragungsnetz eingespeist werde. Weiter pocht die KNS auf den Schutz vor abstürzenden Flugzeugen: Berücksichtigt werden müssten nicht nur die aktuellen Gegebenheiten, sondern auch die künftige Entwicklung des Flugverkehrs und der Flugzeugflotten.

 Stilllegung der heutigen AKW

 Die Rahmenbewilligungen für die Standorte Beznau im Aargau und Mühleberg BE sehen Standard-Anlagen heutiger Bauart und die möglichst rasche Stilllegung der heutigen Kernkraftwerke vor. Die KNS geht davon aus, dass das Risiko für Einzelpersonen in der Umgebung dieser Standorte abnehmen wird. Das Ensi hatte sein Gutachten zu den möglichen neuen Standorten Mitte November veröffentlicht und festgehalten, dass alle drei Standorte in Frage kommen. Diesen Ergebnissen stimmt die KNS im wesentlichen zu. (sda)

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Bund 11.1.11

YB als Polit-Vehikel

 Der Anti-AKW-Flyer

 Im Abstimmungskampf vom 13. Februar über die Zukunft des AKW Mühleberg wird mit allerlei Kniffs gearbeitet. Am Ski-Weltcup-Wochenende in Adelboden tauchten Flyer mit dem YB-Logo und dem Satz "Aus YB zu Bern, nein zum AKW Mühleberg". Der Text spielt einerseits auf die Imagekampagne des Klubs an und verwendet andererseits den Slogan des überparteilichen Komitees, das gegen den Bau eines neuen AKW kämpft. Doch sowohl beim Komitee als auch bei YB weiss man nichts von den Flugblättern. Der Klub teilte gestern mit, er habe bei der Polizei Anzeige gegen unbekannt eingereicht. (ruk)

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20 Minuten 11.1.11

Aufregung wegen "YB"-Flyern

 ADELBODEN. Gehen die Young Boys nun in die Politik? Das fragten sich wohl einige Zuschauer am Weltcuprennen: Dort wurden nämlich Flyer mit der Aufschrift "Aus YB zu Bern, nein zum AKW Mühleberg" und dem YB-Logo verteilt. Wenn man beim Fussballklub nachgefragt, wird schnell klar: Die Flugblätter mit der politischen Werbung stammen nicht von den Kickern. "Der BSC Young Boys hat mit grösstem Befremden von der Aktion Kenntnis genommen", so Sprecher Albert Staudenmann. YB verurteile diese aufs Schärfste und reiche bei der Polizei Anzeige gegen unbekannt ein.

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admin.ch 10.1.11

Neue Kernkraftwerke: Stellungnahme der Eidgenössischen Kommission für nukleare Sicherheit

Brugg, 10.01.2011 - Die Eidgenössische Kommission für nukleare Sicherheit KNS hat die im November 2010 veröffentlichten Gutachten des Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorats ENSI zu den drei Rahmenbewilligungsgesuchen für neue Kernkraftwerke in den Kantonen Aargau, Bern und Solothurn geprüft. Die KNS attestiert dem ENSI eine umfassende und detaillierte sicherheitstechnische Überprüfung der Gesuche. Sie stimmt den Ergebnissen des ENSI mehrheitlich zu oder erteilt zusätzliche Empfehlungen und Hinweise.

Die KNS hat die Gesuchsunterlagen und die im November 2010 publizierten ENSI-Gutachten (siehe Medienmitteilung vom 15.11.2010) geprüft. Die Ergebnisse hat sie in drei Stellungnahmen zuhanden des Bundesrats und des Eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation UVEK festgehalten. Die KNS bestätigt, dass das ENSI die drei Gesuche umfassend und detailliert überprüft hat und in seinen Gutachten alle relevanten Standorteigenschaften und standortspezifischen Gefährdungen angesprochen hat. Nach Auffassung der KNS liegen mit den Gutachten des ENSI und den Stellungnahmen der KNS ausreichende Informationen zur nuklearen Sicherheit vor, um über die Erteilung der Rahmenbewilligungen entscheiden zu können.

Die KNS unterstützt die Beurteilungen des ENSI mehrheitlich, fügt aber zu einigen Punkten eigene Hinweise und Empfehlungen an. Beispiele:

* Umsetzung hoher Sicherheitsmassnahmen: Angesichts der relativ hohen Bevölkerungsdichte in der Schweiz und der intensiven wirtschaftlichen Nutzung in den Standortgebieten sollen alle Massnahmen getroffen werden, damit auch bei einem Störfall mit schwerem Kernschaden mit grosser Wahrscheinlichkeit auf einschneidende externe Notfallschutzmassnahmen verzichtet werden kann.
* Vertiefung der geologischen Kenntnisse: Für die Baubewilligungsgesuche sollen vertiefte geologische Abklärungen im Umfeld der Standorte nach den heute anerkannten Untersuchungsmethoden (z.B. LIDAR, Mikrogravimetrie, 3D-Seismik) durchgeführt werden.
* Stromnetz: Für das Baubewilligungsgesuch ist darzulegen, dass die beantragte elektrische Leistung der neuen Kraftwerke zuverlässig ins Übertragungsnetz eingespeist werden kann und erforderliche Netzausbauten zeitgerecht realisiert werden können.
* Schutz gegen Flugzeugabsturz: Es sollen nicht nur die zum Zeitpunkt des Baubewilligungsgesuchs im Einsatz befindlichen militärischen oder zivilen Flugzeugtypen, sondern auch die künftige Entwicklung von Flugverkehr und Flugverkehrsflotte berücksichtigt werden.
* Verminderung des Risikos für Einzelpersonen: Die Rahmenbewilligungsgesuche für neue Kernkraftwerke im Kanton Aargau (Standort Beznau) und Bern (Standort Mühleberg) sehen den Bau von Standardanlagen aktueller Bauart und die möglichst rasche Ausserbetriebnahme der dort bestehenden Kernkraftwerke vor. Die KNS geht davon aus, dass dadurch das Risiko für Einzelpersonen in der Umgebung dieser Standorte gegenüber heute abnehmen wird.

Die KNS kommt zum Schluss, dass an den drei Standorten die gesetzlichen Vorgaben für den Schutz von Mensch und Umwelt in der Betriebs- und Nachbetriebsphase eines Kernkraftwerks aktueller Bauart eingehalten werden. Sie empfiehlt, die Auflagen, Hinweise und Empfehlungen von ENSI und KNS bei der Erteilung der Rahmenbewilligungen zu berücksichtigen.

Adresse für Rückfragen:
Dr. Bruno Covelli, Präsident KNS, 062 842 15 88

Herausgeber:
Eidgenössische Kommission für nukleare Sicherheit
Internet: http://www.kns.admin.ch
Bundesamt für Energie
Internet: http://www.bfe.admin.ch


Dateianhänge:
Stellungnahme Ersatz Kernkraftwerk Beznau EKKB (pdf, 268kb)
http://www.news.admin.ch/NSBSubscriber/message/attachments/21723.pdf
Stellungnahme Ersatz Kernkraftwerk Mühleberg EKKM (pdf, 271kb)
http://www.news.admin.ch/NSBSubscriber/message/attachments/21724.pdf
Stellungnahme Kernkraftwerk Niederamt KKN (pdf, 255kb)
http://www.news.admin.ch/NSBSubscriber/message/attachments/21725.pdf

Zusätzliche Verweise:
Medienmitteilung vom 15.11.2010
http://www.bfe.admin.ch/energie/00588/00589/00644/index.html?lang=de&msg-id=36219
www.bfe.admin.ch
http://www.bfe.admin.ch/themen/00511/03820/index.html?lang=de



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BZ 10.1.11

YB und AKW

 Gefälschte Flyer Am Weltcupanlass in Adelboden sind im Zuschauerbereich Flyer mit politischem Inhalt verteilt worden. Auf den Flugblättern befindet sich ein grosses YB-Logo und dazu der Satz: "Aus YB zu Bern, nein zum AKW Mühleberg". Der Text spielt damit einerseits auf die Imagekampagne des Berner Fussballklubs an und verwendet andererseits den Slogan des überparteilichen Komitees, das gegen den Bau eines neuen AKW in Mühleberg kämpft. Doch sowohl beim Komitee als auch bei YB weiss man nichts von den Flugblättern. "Ich habe davon keine Ahnung und glaube auch nicht, dass YB solche Aussagen machen würde", sagt Jörg Rüetschi. Er ist Geschäftsführer des WWF Bern und Mitglied des Komitees "Nein zum neuen AKW Mühleberg".

 YB-Mediensprecher Albert Staudenmann wurde ebenfalls auf die Aktion in Adelboden aufmerksam gemacht. Die Young Boys hätten mit den Flugblättern gar nichts zu tun und würden sich von jeglichen politischen Aussagen distanzieren, erklärte Staudenmann. Der Verein wolle jetzt untersuchen lassen, wer hinter den Flyern stecke und den Namen YB missbrauche, kündigte er an.wrs/fdr

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BZ 10.1.11

Spiel mir das Lied von der Angst

 AKW-AbstimmungAm 13. Februar sendet der Kanton Bern ein wegweisendes Signal aus: Das Volk stimmt darüber ab, ob es in Mühleberg nach 2020 ein neues Atomkraftwerk will oder nicht. Im Abstimmungskampf spielen beide Lager mit der Angst der Bevölkerung.

 Braucht der Kanton Bern ein Atomkraftwerk der neusten Generation, oder setzt er sich mittelfristig den Atomausstieg zum Ziel? Will das Berner Stimmvolk, dass je nach Schätzung zwischen 7 und 12 Milliarden Franken für ein neues AKW aufgeworfen werden, oder will es mit demselben Betrag die neuen erneuerbaren Energien fördern? Es ist ein Glaubenskrieg, der am 13. Februar in eine vorentscheidende Runde geht.

 Gewinnen wird ihn vermutlich jenes Lager, das mehr Emotionen schüren kann. Denn für viele dürfte in fünf Wochen neben den Fakten das Bauchgefühl mitentscheidend sein.

 Knapper Ausgang erwartet

 Sowohl Befürworter wie Gegner erwarten ein äusserst knappes Abstimmungsergebnis. Um im Glaubenskrieg zu obsiegen, malen im Abstimmungskampf beide Lager ziemlich düstere Szenarien. Beispiel Stromlücke: Die Befürworter von Mühleberg 2 - namentlich der Stromkonzern BKW und Wirtschaftsvertreter - warnen eindringlich davor, dass bei einem Nein zu neuen Atomkraftwerken in absehbarer Zeit die Lichter ausgehen könnten. Sie verweisen stets auf die "dramatische Stromlücke", die ab 2030 drohe.

 Ob es diese Stromlücke jedoch tatsächlich geben wird, ist heftig umstritten. Zumindest in der Theorie ist es denkbar, dass die erneuerbaren Energien jenen Teil der Stromproduktion, der heute durch Atomkraftwerke und Stromlieferverträge mit dem Ausland beigesteuert wird, ersetzen könnten. Das führt allerdings gleich zum nächsten Problem: Wie gross das tatsächliche Potenzial der erneuerbaren Energien ist, ist ebenfalls fundamental umstritten.

 Schockfotos von Tschernobyl

 Auch in der Kampagne der AKW-Gegner sind Emotionen mindestens ebenso wichtig wie die reinen Fakten. Beispiel Atomunfall: Das Komitee "Nein zum neuen AKW Mühleberg" setzt auf plakative, schockierende und traurige Aussagen und Bilder. Die Gegner verwenden in ihren Inseraten und auf Plakaten Schockfotos der folgenschweren Reaktorkatastrophe in der ukrainischen Stadt Tschernobyl 1986. Damit wollen die AKW-Gegner die Stimmbürger für die Gefahren sensibilisieren, die von der Atomkraft ausgeht.

 Dem Gegnerkomitee gehören der WWF Bern, SP, Grüne, Juso, Grünliberale und zehn weitere Organisationen an.

 Stimmvolk stellt die Weichen

 Bei der AKW-Abstimmung am 13. Februar gehts um nichts weniger als um die Weichenstellung für die künftige Energieversorgung im Kanton Bern: Das Bundesamt für Energie lädt die drei Kantone, die als Standort eines neuen Atomkraftwerks infrage kommen, zur Stellungnahme ein. Sie können so darlegen, ob sie den Bau eines neuen AKW am vorgesehenen Standort befürworten oder nicht. Im Rennen sind die Kantone Bern (Mühleberg), Aargau (Beznau) und Solothurn (Gösgen). In Bern hat die Politik beschlossen, das Volk über die Stellungnahme befinden zu lassen. Die Stimmbürger entscheiden also, ob sich der Kanton Bern zuhanden des Bundes positiv oder negativ über den Ersatz des bestehenden Atomkraftwerks Mühleberg äussert. Das neue AKW Mühleberg wäre rund viermal leistungsfähiger als das bestehende, das ungefähr im Jahr 2022 abgeschaltet werden muss.

 Festzuhalten ist allerdings, dass es sich beim Urnengang am 13. Februar bloss um eine konsultative Abstimmung handelt. Will heissen: Sagt eine Mehrheit der Berner Bevölkerung Ja und spricht sich für ein neues AKW in Mühleberg aus, bedeutet das noch lange nicht, dass dort auch tatsächlich ein neuer Reaktor gebaut wird. Bundesrat und Parlament werden in einem komplexen Prozess in den nächsten Jahren entscheiden, wo neue AKW entstehen sollen. Das letzte Wort, wo und ob überhaupt in der Schweiz neue AKW gebaut werden, wird voraussichtlich 2013 auf nationaler Ebene das Volk haben. Der Bund rechnet damit, dass ein neues Atomkraftwerk dann rund zehn Jahre später, zwischen 2023 und 2025, ans Netz gehen könnte.

 Bei einem Nein am 13. Februar würden die Chancen dagegen drastisch sinken, dass im Kanton Bern ein neues AKW gebaut wird. Die beiden anderen Standorte Beznau und Gösgen hätten dann die deutlich besseren Karten. Die drei Stromkonzerne Axpo, Alpiq und BKW wollen bis 2012 entscheiden, welche zwei AKW sie bauen wollen.
 
Philippe Müller

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 Frühere Abstimmungen

 Pro AKW Auch wenn für den 13. Februar sowohl Atomstromgegner wie auch -befürworter mit einem knappen Abstimmungsausgang rechnen, so sprechen die Resultate der vergangenen AKW-Abstimmungen im Kanton Bern doch eher für das Pro-AKW-Lager: Vor acht Jahren scheiterten zwei nationale Volksinitiativen, welche die schrittweise Stilllegung der Schweizer AKW beziehungsweise die Verlängerung des AKW-Baustopps forderten, deutlich. Die Initiative "Strom ohne Atom" wurde mit einem Nein-Stimmen-Anteil von 67,5 Prozent verworfen. Die Volksinitiative "Moratorium" scheiterte mit 58,6 Prozent Nein-Stimmen.

 2009 schliesslich sagten in einer Umfrage des Handels- und Industrievereins des Kantons Bern 54 Prozent der Befragten Berner, sie würden in einer allfälligen Abstimmung für den Bau eines neuen AKW in Mühleberg votieren.phm

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Blick am Abend 7.1.11

Ungleiche Spiesse im AKW-Kampf

 ABSTIMMUNG

 "Jeder Batzen zählt." Die Grünen sammelten heute Geld gegen neue AKW.

 Sammelt die Heilsarmee jetzt auch im Januar Geld? Nein, es sind die Jungen Grünen, die heute auf dem Bahnhofplatz eine Topfkollekte aufstellten. Darauf ein Plakat: "Jeder Batzen zählt gegen neue AKW." Die Grünen kämpfen gegen ein neues AKW in Mühleberg, die Abstimmung findet am 13. Februar statt.

 Die Jungen Grünen prangern die ungleich langen Spiesse im Abstimmungskampf an. Stadträtin Aline Trede: "Wir haben ein Budget von 200 000 Franken, die Befürworter zwei Millionen." Prominente Unterstützung erhalten sie von Nationalrätin Franziska Teuscher. "Die BKW machen einen teuren Postversand, hängen Plakate auf und inserieren in Zeitungen. Mit unseren beschränkten Mitteln gehen wir auf der Strasse halt direkt auf die Menschen zu." ehi

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BZ 7.1.11

AKW-Infos per Post

 Info-AktionDie BKW wird im AKW-Abstimmungskampf erstmals aktiv und verschickt eine Informationszeitung in die Haushalte. Kostenpunkt: 100 000 Franken.

 Heute Freitag erhalten rund 400 000 Haushalte in den Kantonen Bern und Jura Post vom Energiekonzern BKW: In einer Informationszeitung will die BKW nach eigenen Angaben "Sachinformation zur Entscheidfindung" im Hinblick auf die Konsultativabstimmungen vom 13. Februar in den Kantonen Bern und Jura verbreiten. Mit anderen Worten: Die BKW will aufzeigen, weshalb aus ihrer Sicht ein neues Atomkraftwerk in Mühleberg unverzichtbar ist. Die ganze Aktion kostet laut BKW rund 100 000 Franken.

 Regierung reagiert gelassen

 Auf Anfrage bekundet SP-Regierungsrätin Barbara Egger keine Probleme damit, dass sich die BKW in den Abstimmungskampf einschaltet. Dies, obwohl es die Regierung eigentlich ablehnt, dass sich die BKW einmischt. Sie habe die Zeitung zwar noch nicht gesehen, aber: "Die BKW hat grundsätzlich das Recht zu informieren. Die Informationen müssen aber sachlich sein. Ich gehe davon aus, dass die BKW das so macht."
 phm

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Tagesanzeiger 7.1.11

Der erste grosse Stimmungstest in der Atomfrage steht bevor

 Im Februar befindet das Volk im Kanton Bern über ein neues Kernkraftwerk. Der Abstimmungskampf ist hitzig. Denn Regierung und Parlament sind uneins.

 Von Fabian Renz, Bern

 Setzt die Schweiz weiter auf Atomkraftwerke - oder deckt sie ihren Strombedarf künftig mit alternative Energie? Innert der nächsten drei Jahre werden Bundesrat, Parlament und Volk hierauf eine Antwort geben. Der erste einer Reihe wichtiger Beschlüsse steht am 13.   Februar an: Dann entscheiden die Stimmbürger des Kantons Bern, ob für das alte Kernkraftwerk Mühleberg Ersatz gebaut werden soll.

 Formaljuristisch kommt dem Volksentscheid geringe Bedeutung zu: Zu befinden hat der Souverän lediglich darüber, ob sich die Kantonsregierung gegenüber dem Bundesrat positiv oder negativ zum Neubauprojekt der Bernischen Kraftwerke (BKW) äussern soll. Dennoch dürften die Auswirkungen der Konsultativabstimmung beträchtlich sein - in verschiedener Hinsicht.

 So wird der Volksentscheid wesentlich zur Klärung der Frage beitragen, wo der Ersatz für die gealterten fünf Schweizer Atomkraftwerke allenfalls zu stehen käme. Mühleberg II ist eine von drei projektierten neuen Anlagen, für welche die Strombranche Gesuche eingereicht hat - die beiden anderen liegen nahe den heutigen Kraftwerken Gösgen SO und Beznau AG. Die Kraftwerkgesellschaften BKW, Alpiq und Axpo sind sich aber einig, dass nur zwei der drei Bauvorhaben verwirklicht werden sollen. Dass trotzdem drei Gesuche eingereicht wurden, hat mit den Rivalitäten innerhalb der Branche zu tun: Alpiq kämpfte bis vor kurzem im Alleingang für ihr Projekt in Gösgen, während Axpo und BKW im Verbund für neue Kraftwerke in Mühleberg und Beznau stritten. Im Dezember einigten sich die Rivalen schliesslich auf eine gemeinsame Beteiligung an den dereinst zu realisierenden Bauten - den Standortentscheid hingegen vertagten sie auf Mitte 2012.

 Das Schicksal von Mühleberg könnte nun, falls das Berner Volk Nein sagt, bereits am 13. Februar besiegelt werden. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass der Bundesrat und die Strombranche ein Projekt vorantreiben, das von der lokalen Bevölkerung abgelehnt wird. Und Bern ist, wie es aussieht, der einzige der drei potenziellen Standortkantone, der seinen Stimmbürgern im frühen Projektstadium überhaupt Gelegenheit zur Stellungnahme gibt. Zu Gösgen und Beznau droht folglich kein vorzeitiges VolksNein.

 Bei einem Ja am 13. Februar sind die Chancen für Mühleberg allerdings sehr gut. Das Übereinkommen von BKW, Alpiq und Axpo sieht vor, dass - im Falle einer gleichwertigen Projektbeurteilung durch die Bundesbehörden - jene zwei Anlagen ersetzt werden, die aufgrund ihres Alters zuerst abzuschalten sind: also Beznau und Mühleberg.

 Atomkritische Regierung

 Die Berner Konsultativabstimmung hat darüber hinaus wesentliche Bedeutung als grundlegender Stimmungstest in der Atomfrage. Das Finale dürfte 2013 oder 2014 stattfinden: Dann wird das Schweizervolk verbindlich über eines oder mehrere Rahmengesuche - je nachdem, wie es Strombranche, Bundesrat und Parlament einfädeln - für neue Atomkraftwerke entscheiden. Bern ist einwohnermässig der zweitgrösste Kanton der Schweiz, er hat grosse (linke) Städte wie auch ausgedehnte (bürgerliche) Landgebiete, seine Bevölkerung besteht aus deutschsprachiger Mehr- und welscher Minderheit: Bis zu einem gewissen Grad kann er damit vielleicht als repräsentativ für die Gesamtschweiz gelten.

 Entsprechend hitzig wird seit Wochen der Abstimmungskampf geführt. Dass die Behörden das Volk überhaupt zur Urne rufen, hat viel mit dem Graben zu tun, der in der Atomfrage zwischen Regierung und Parlament klafft. Die rot-grün dominierte Exekutive lehnt den Mühleberg-Neubau ab, ist aber von der bürgerlichen Mehrheit des Grossen Rates zu einer positiven Abstimmungsempfehlung gezwungen worden.

 Die sozialdemokratische Energiedirektorin Barbara Egger hat aus ihrem atomkritischen Herzen bisher trotzdem keine Mördergrube gemacht - ihre Auftritte führten genauso zu Diskussionen wie die enge Verstrickung vor allem der BDP mit der Atomindustrie. So steht der BDP-Kantonalpräsident Urs Gasche dem Verwaltungsrat der BKW vor, und Dieter Widmer, BDP-Fraktionschef im Kantonsparlament, amtet als Kommunikationschef der BKW.

 Während das Parlament misstrauisch das Gebaren der Regierung beäugt, wacht diese ihrerseits argwöhnisch über die BKW, die sich im Mehrheitsbesitz des Kantons befindet - und sich im Abstimmungskampf trotzdem wenig Zurückhaltung auferlegt. Dieser Tage will das Unternehmen an rund 400 000 Haushalte eine "Informationszeitung" verschicken. Und es hat angekündigt, vor der Konsultativabstimmung "Falschinformationen richtigzustellen".

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NZZ 7.1.11

Regierungsrat fordert Auskünfte über Uran

Axpo soll über Bezug informieren

 rsr. · Der Energiekonzern Axpo wird vom Zürcher Regierungsrat aufgefordert, "umfassende Informationen" über den Bezug von Brennmaterial aus der russischen kerntechnischen Anlage Majak bekanntzugeben. Dies schreibt die Regierung in ihrer am Donnerstag veröffentlichten Antwort auf eine Interpellation aus dem Kantonsrat.

 Die beiden Interpellanten, Michèle Bättig (glp., Zürich) und Robert Brunner (gp., Steinmaur), wiesen darauf hin, dass Majak schon lange "neben Tschernobyl als verstrahltester Ort der Welt" gelte. Wer wie die Axpo mit dieser Anlage geschäfte und wiederaufbereitetes Uran beziehe, trage "eine Mitverantwortung für die Problematik in dieser Region". Das gelte auch für den Kanton Zürich als Miteigentümer der Axpo.

 Der Regierungsrat möchte vorerst keine Konsequenzen ziehen. Der Bezug von spaltbarem Material aus Majak über die französische Firma Areva könne aufgrund der vorliegenden Daten nicht beurteilt werden. Deshalb müsse die Axpo abklären, "ob die Herstellung von Brennstäben in Majak auch heute noch gesundheitliche und ökologische Schäden verursacht".

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La Liberté 7.1.11

Le gros enjeu des déchets nucléaires

Énergie - Le stockage définitif des déchets radioactifs ne sera pas opérationnel avant 2030. Pareille lenteur dans le traitement de cet épineux dossier pourrait pénaliser les projets de nouvelles centrales nucléaires.

Pascal Fleury

Les partisans suisses de l'atome ont beau se montrer rassurants, le spectre des déchets radioactifs continue de hanter les esprits. Ils ont beau répéter que les dépôts en couches géologiques profondes seront "sûrs", et que la démonstration scientifique et technique en a été faite, ils n'effacent pas certaines appréhensions face à une technologie qui génère une radiotoxicité pouvant perdurer pendant 200 000 ans.

Le problème des déchets est d'autant plus lancinant en Suisse que les solutions "définitives" promises tardent à se concrétiser. Quarante ans après le démarrage des réacteurs de Beznau et Mühleberg, les déchets radioactifs produits dans notre pays attendent toujours dans des dépôts de stockage intermédiaires. L'ouverture des dépôts définitifs n'est pas prévue avant 2030, voire même 2040 pour les déchets hautement radioactifs. Alors que la procédure de sélection des sites ne fait que commencer, les gouvernements de plusieurs régions concernées (AG, NW, OW) ont déjà fait part de leur opposion à tout stockage dans leur sous-sol.

Autant dire que les producteurs d'électricité Axpo, Alpiq et FMB devront se montrer persuasifs, s'ils veulent faire passer devant le peuple suisse, en 2013, leurs deux projets de nouvelles centrales nucléaires. Les premières tendances pourront déjà être observées ces prochains mois, avec des votes consultatifs dans plusieurs cantons (BE, JU, VD, NW). Pour Michael Aebersold, chef de la section Gestion des déchets radioactifs à l'Office fédéral de l'énergie, la question des déchets pèsera assurément dans la balance. Ses explications.

Quel impact peut avoir la question des déchets nucléaires sur la décision des Suisses concernant les projets de nouvelles centrales?

Michael Aebersold: Les Suisses sont très sensibles au problème des déchets nucléaires. Dans le débat, l'argument est d'ailleurs repris par les opposants aux nouvelles centrales. Sur le terrain, j'ai pu constater que le problème est aigu surtout dans les cantons concernés directement par les futurs dépôts définitifs. Mais dans toutes les régions du pays, les gens veulent une solution. Elle doit être trouvée en Suisse même, sans attendre des siècles.

 Si l'on compare avec la Suède ou la Finlande, qui ont des dépôts géologiques en profondeur depuis des années, la Suisse a pris beaucoup de retard. Pourquoi?

Il faut dire que la Suède et la Finlande sont des "premiers de classe" qui ont pu prendre de l'avance il y a une bonne vingtaine d'années, alors que le nucléaire était moins controversé dans la société. Leurs sites ont aussi été implantés tout près de centrales nucléaires, où l'acceptation par la population était déjà grande. En Suisse, ces particularités n'existent pas. Et le problème est aussi politique. Il n'est pas facile de convaincre la population...

On l'a vu avec le double refus populaire du projet de Wellenberg...

On a beaucoup appris de Wellenberg! On a compris qu'il fallait une procédure vraiment transparente dans la sélection des sites définitifs. C'est ce que nous faisons désormais avec le Plan sectoriel "Dépôts en couches géologiques profondes", qui définit précisément les acteurs, les critères de choix des sites, etc. Des commissions d'experts ont aussi approfondi les questions de géologie et de techniques d'entreposage, alors qu'au départ, on pensait qu'il suffisait d'enterrer les déchets et de fermer le trou. La Suisse s'est ainsi peu à peu profilée à l'échelle internationale. Elle défend aujourd'hui l'option d'un dépôt final en profondeur, mais avec une surveillance des déchets pendant 100 à 200 ans avant la fermeture définitive du site. Pareille "réversibilité" permet de ressortir les déchets en cas de problème, mais aussi de progrès de la science. Elle se révèle aussi être une solution adéquate pour instaurer la confiance auprès du public.

 La première étape de la procédure de sélection des sites est en cours. Elle tient compte de la faisabilité technique, de la sécurité, mais aussi de l'avis de la population. Quels sont les échos sur le terrain, où vous avez organisé des séances d'information l'automne dernier?

Evidemment, les gens ne nous ont pas accueillis en disant: "C'est super, venez creuser chez nous!" Nous avons eu droit à des manifestations et, en Allemagne voisine, une séance a même été chahutée. En général, pourtant, les discussions ont été très approfondies. Chacun a pu s'exprimer. Cela a été un premier pas pour entrer en dialogue. Au terme d'une large consultation, menée jusqu'à la fin novembre, on a dénombré quelque 3400 avis collectifs et plus de 300 prises de position individuelles issus des cantons, partis, organisations et de la population. Les arguments sont actuellement en cours d'examen. Le Conseil fédéral se prononcera d'ici la fin de l'année sur les sites d'implantation à conserver dans le Plan sectoriel. Ces sites seront ensuite étudiés dans le détail.

Le calendrier s'annonce encore long...

L'ensemble de la procédure prendra une douzaine d'années. Le Parlement devra ensuite se prononcer, puis le peuple suisse, s'il y a référendum. Un veto cantonal ne sera pas possible, selon la nouvelle loi sur l'énergie nucléaire. Le dépôt pour les déchets faiblement et moyennement radioactifs sera mis en service au plus tôt en 2030, celui destiné aux déchets hautement radioactifs vers 2040. Les deux dépôts pourraient se situer au même endroit.

Pensez-vous que la procédure en cours, basée sur la transparence, suffira à changer la perception de la population par rapport aux risques du nucléaire?

Aujourd'hui, la population est bien consciente du problème des déchets radioactifs et veut en finir. Voilà quarante ans que l'on produit des déchets nucléaires en Suisse. On n'a pas le choix: il faut trouver une solution. Pour cela, il faut prendre le temps, mais sans traîner. Rien faire ne serait pas éthique.

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Des déchets à 15,5 milliards

Le traitement final des déchets des 5 centrales nucléaires suisses reviendra globalement à 15,5 milliards de francs. Ces coûts incluent 2,7 milliards pour le retraitement des combustibles usés, 2,2 milliards pour l'entreposage intermédiaire Zwilag, 2,2 milliards pour le démantèlement des installations, 2,1 milliards pour la création du dépôt souterrain pour les déchets faiblement et moyennement radioactifs et 5,1 milliards pour le dépôt destiné aux déchets hautement radioactifs.

Selon le principe du pollueur-payeur, ces frais de gestion des déchets et de désaffectation des vieilles centrales sont compris dans le prix de l'électricité. Les moyens nécessaires sont provisionnés en permanence par les exploitants. A la fin 2009, 4,6 milliards de francs ont déjà été dépensés.

Les exploitants ont aussi prévu une réserve de 800 millions de francs à titre de compensation pour les régions qui accueilleront les dépôts en couches profondes. PFY

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Stockage provisoire... durable

En attendant la création de dépôts en couches géologiques profondes, les déchets radioactifs suisses sont entreposés sur divers sites de stockage intermédiaire, en fonction de leur nature. Les barres de combustible usé sont stockées d'abord dans les centrales nucléaires, où elles refroidissent pendant plusieurs années dans des piscines avant d'être acheminées au Centre de stockage intermédiaire Zwilag à Würenlingen (AG). Elles y sont alors stockées à sec, comme d'autres déchets hautement actifs vitrifiés, dans des conteneurs con-çus pour résister théoriquement à un accident d'avion.

Les déchets de faible et moyenne radioactivité issus des centrales sont aussi entreposés au Zwilag. Quant aux déchets provenant de la médecine, de l'industrie et de la recherche, ils finissent également à Würenlingen, mais dans un dépôt intermédiaire du Paul Scherrer Institute (PSI).

A noter qu'une partie du combustible usé des centrales suisses se trouve encore à l'étranger (France et Grande-Bretagne), où il a été exporté pour retraitement avant la mise en place d'un moratoire de dix ans, le 1er juillet 2006. "Au fur et à mesure de leur traitement, ces déchets vont revenir en Suisse, sous forme vitrifiée, pour être placés au Zwilag", assure Michael Aebersold, de l'Office fédéral de l'énergie.

Le volume total des déchets faiblement et moyennement radioactifs issus de l'exploitation et du futur démantèlement des cinq centrales suisses est estimé à 92 000 m3, emballages compris, soit l'équivalent du hall de la gare de Zurich. Quant aux déchets hautement radioactifs, ils formeront un volume total de 7300 m3 après cinquante ans d'exploitation des centrales. Tous ces déchets trouveront place dans les dépôts définitifs souterrains actuellement en projet.

Ce ne sera en revanche pas le cas de 5341 tonnes de déchets nucléaires et médicaux produits par la Suisse jusqu'en 1982. Ces déchets faiblement et moyennement radioactifs, enrobés dans du béton, ont été coulés dans l'Atlantique, à 700 km des côtes européennes, dans le cadre d'une campagne internationale. Ils reposent à plus de 4000 mètres de fond. PFY