MEDIENSPIEGEL 31.1.11
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)

Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Kulturtipps (Rössli, DS, Tojo)
- (St)Reitschule: Flaschbier + Farbe auf Polizei
- RaBe-Info 27.-31.1.11
- YB: Brian Ruchti ging fremd
- Alkohol: Rauschknast BE
- Drogen: Koks von Al-Qaida; Legalisierung BS/BL; Drogenkrieg überdenken; LU-Frust; Drogenszene Fribourg; Hanfvernichtung BE
- Police BE: Ohne Roten Pass - ohne SVP
- Police VD: Skander Vogt; Gewalt gegen Verhaftete
- Police CH: Militärpolizei beliebt; Grenzwachtkorps
- Big Brother: Verdeckte Ermittlung im Gespräch
- Big Brother Video BE: Filmen erst ab 2012
- Freiraum SO: Mehr Repression bitte
- Squat FR: Fotos
- Squat ZH: Quartierrundgang gegen Yuppisierung
- Randstand Winterthur: Adieu Merkurplatz
- Anti-WEF: Demos, Böller, Aktionen, Farbe + knallige Schlagzeilen
- Anti-SVP: Blödsinnige auf Linken-Hatz
- Sans-Papiers: Soli-Aktion Lausanne
- Migration Control: Kurz-a-film; FDP-Knatsch; Nichtigerklärung Einbürgerung; Ausschaffung TamilInnen; Umsetzung Ausschaffungsinitiative; Griechenland
-Anti-Feminismus: Frauenhäuser wehren sich; Inti Hollstein
- Rechtsextremismus: François Genoud; Ex-Nazi als Sozarbeiter; Sempach ohne rechts
- Homohass: Widerstand Lausanne; Mord Uganda
- Sexwork: Strichstempel LU; Film GE; Hausfrauenstrich ZH
- Peter Paul Zahl: Gestorben
- Undercover: Fall Mark Kennedy
- Europol: "Die Anarchisten sind in Europa auf dem Vormarsch"
- Anti-Atom: Mühleberg-Abstimmung; Beznau 3; Wellenberg; Axpo; Gösgen; Kirchensorgen

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REITSCHULE
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Mi 02.02.11
19.00 Uhr - SousLePont - Vollwert-Spezialitäten
20.30 Uhr - Tojotheater - Schattenfuchs. Von Serena Wey/theater etc. Nach dem Roman von Sjön

Do 03.02.11
19.00 Uhr - Grosse Halle - Blinde Insel - Gastküche: Restaurant Dampfzentrale (Essen pünktlich 19.30 Uhr)
20.30 Uhr - Tojotheater - Schattenfuchs. Von Serena Wey/theater etc. Nach dem Roman von Sjön
21.00 Uhr - Rössli - Beatlick (BE). - Electro live Band

Fr 04.02.11
19.00 Uhr - Grosse Halle - Blinde Insel - Gastküche: Restaurant Dampfzentrale (Essen pünktlich 19.30 Uhr)
20.00 Uhr - Kino - MIN DÎT - DIE KINDER VON DIYARBAKIR, Miraz Bezar, Türkei/Deutschland 2009; in Anwesenheit von Serkan Tastemur, Secondo Film GmbH Zürich
20.30 Uhr - Tojotheater - Schattenfuchs. Von Serena Wey/theater etc. Nach dem Roman von Sjön
23.00 Uhr - Dachstock - C'est Berne: Jay Sanders (Jagged), Bertel Gee (HLM/Raumrausch), Boris Why (audiotheque), Bud Clyde (Festmacher) - Minimal, Techno, House

Sa 05.02.11
19.00 Uhr - Grosse Halle - Blinde Insel - Gastküche: Restaurant Dampfzentrale (Essen pünktlich 19.30 Uhr)
20.00 Uhr - Kino - MIN DÎT - DIE KINDER VON DIYARBAKIR, Miraz Bezar, Türkei/Deutschland 2009; in Anwesenheit von Serkan Tastemur, Secondo Film GmbH Zürich
20.30 Uhr - Tojotheater - Schattenfuchs. Von Serena Wey/theater etc. Nach dem Roman von Sjön
22.00 Uhr - Dachstock - Cool & Deadly: TIPPA IRIE (UK) ls. PETER hunnigale (UK) Live/Soundsystem Show, Moya (Morefire, be) & Boss Hi-Fi (zh) - Reggae, Dancehall, Dub

So 06.02.11
09.00 Uhr - Grosse Halle - Flomarkt und Brunch bis 16.00
13.30 Uhr - Kino - Kinderfilme am Flohmi-Sonntag: Das Dschungelbuch, Wolfgang Reitherman, USA 1967
20.00 Uhr - Rössli - The Phenomenauts. - New Wave / Punk / Rockabilly

Infos:
http://www.reitschule.ch

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kulturstattbern.derbund.ch 28.1.11

Keine Stimmungshochhalter

Von Benedikt Sartorius am Freitag, den 28. Januar 2011, um 08:33 Uhr

Durchhalteparolen, lärmender, ausfransender Post-Punk und punktgenauer Post-Punk, zwei Roadies, Weltmüdigkeit, eine Rockshow: Das gabs gestern zu erleben, als die Hamburger 1000 Robota das Rössli der Reitschule bespielten.

1000 Robota veröffentlichen auf dem Label der Goldenen Zitronen, und können - so der Blick auf das Kleingedruckte in der später erstandenen LP "UFO" - auch auf Produzentenhilfe der beiden Goldies Ted Gaier und Mense Reents zählen. Der Ruf der Anfangszwanziger ist allerdings nicht der beste, werden doch die drei zornigen und ernsten und scheinbar auch gut begüterten Jungen von einigen Berufskollegen innig gehasst.

Die schwarz gekleidete Band spielte, verhüllt von Trockeneis, ein Set gegen das Publikum, das, wie der Sänger und Gitarrist und Rollensucher Anton Spielmann anmerkte, mit sich selber beschäftigt war. 1000 Robota rissen sich zusammen, weinten nicht, tanzten aber auch nicht. Vieles wie die übercoolen Posen schien angelernt, einige Lieder lockten auch aus der Reserve, während zum Schluss der behutete, flegelhafte Spielmann einem Konzertbesucher ins Gesicht griff. Für die Rolle der Stimmungshochhalter sind 1000 Robota jedenfalls gänzlich ungeeignet, weil zu unbequem. Gut so.

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20 Minuten Fryday 28.1.11

We Are Terrorists sind trotz ihres Namens und des Songs "Kill, Kill" - in dem geht es ums Erschiessen - recht harmlos. Nur Ohrwurmterrorismus droht von den vier französischen Jungs mit ihrem aktuellen Album "Wonder", einer Electro-New-Wave-Reise mit einigen Rock- und Hip-Hop- Zwischenstopps.

 > Fr 28. Januar, 23 Uhr, Dachstock der Reitschule, Bern

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20 Minuten 28.1.11

Soundterroristen im Dachstock

 Fr, 28.1., 23 Uhr, WAT, Dachstock.

 ELEKTRO-ROCK. Disco-Rock mit allem, was dazugehört: WAT, früher hiessen die vier Franzosen noch We Are Terrorists, bringen den Dachstock mit 80er-Beats, Rockgitarren, Rap, New-Wave- und Synthie-Klängen zum Erzittern. Im Gepäck bringt die Band ihr neues Album "Wonder" mit. Doch wer die Truppe schon bei ihrem ersten Dachstock-Besuch erlebt hat, muss sich deswegen keine Sorgen machen: Nur weil WAT jetzt eine Platte draussen hat, sind die Jungs nicht zahmer geworden. "Wonder" zeigt sich genauso kompromisslos wie die frühen EPs der Band. Das wird mondän, laut und garantiert tanzbar. Giorgio Moroder und Rage Against the Machine lassen grüssen.

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Bund 27.1.11

Sounds Imaginary Cities und 1000 Robota

 Stadt namens Verzweiflung

 Imaginary Cities und 1000 Robota: Heute spielen im Rössli zwei Bands auf, die den Indie-Rock nicht neu erfinden, aber immerhin sehr toll weiterführen.

 Sie schauen traurig und sie spielen laut. Anton Spielmann, Sebastian Muxfeldt und Jonas Hinnerkort sind 1000 Robota. Drei Musiker aus Hamburg und aus Verzweiflung. Seitenscheitel, Milchgesicht, Gitarrengeschrammel. Wie Tocotronic, aber in Jung. Jajaja, alles schon gehabt. Und trotzdem nicht. Ihr Schmerz ist zwar kein neuer: "Du redest, du redest, du redest und keiner versteht es. Das scheint heute normal zu sein", monologisiert Spielmann auf dem neuen Album. Aber dass dieser Unmut schon hundertmal gefühlt und besungen wurde, macht ihn nicht weniger richtig.

 "Ufo", das neue Album von 1000 Robota, ist nun wesentlich elaborierter ausgefallen als der vom deutschen und britischen Feuilleton bejubelte Erstling "Du nicht er nicht sie nicht". Die Wut ist noch da, aber sie musikalisiert sich in anderen Formen, feiner, schleichender, unheimlicher.

 Melodramatische Hymnen

 Für ziemlich viel Gemurmel in der Indie-Rock-Gemeinde hat zuletzt auch das amerikanische Duo Imaginary Cities gesorgt. Und dies, obwohl mit dessen Debütalbum frühestens im kommenden Frühjahr gerechnet wird. Bislang gibt es da lediglich eine kurzweilige EP, die auf den schönen Namen "Hummingbird" getauft ist. Songwriter Rusty Matyas (u. a. Weakerthans) und die wunderbare Sängerin Marti Sarbit präsentieren hier drei melodieselige Grosshymnen, die irgendwo zwischen dem melodramatischen Pop von Camera Obscura und dem verschupften Folk von CocoRosie angesiedelt sind. Eine tolle Entdeckung.(len)

 Rössli in der Reitschule Donnerstag, 27. Januar, 21 Uhr.

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Bund 27.1.11

WAT

 Wenn der Dancefloor rockt

 We Are Terrorists nennen sich nun nur noch WAT - und etwas weniger krude ist auch die Musik geworden. Was vor geraumer Zeit noch kreischte und raste, erscheint nun etwas schnörkelloser, wie eine aktuelle Hörprobe zeigt. Doch noch immer sind die Franzosen darauf aus, das Überschäumende des Rock mit dem Groove elektronischer Tanzmusik zu verlinken.(reg)

 Reitschule Dachstock Freitag, 28. Januar, 23 Uhr.

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Bund 27.1.11

Bühne "Schattenfuchs"

 Eine Fabel vom Rand der Welt

 Zart und brachial zugleich: Serena Wey und Sabine Harbeke richten einen Roman des isländischen Autors Sjön für die Bühne her.

 Aus Island kommen massive Vulkanstaubwolken, aber auch zauberhafte Sagen. Es walten auf dieser Insel ungeheure Naturkräfte, aber sie bringt auch filigrane Poesie hervor. Zum Beispiel aus der Feder des Autors Sjön. Dieser hat Texte für die Sirene Björk geschrieben und war am Skript zu Lars von Triers "Dancer in the Dark" beteiligt. Mit "Schattenfuchs" machte sich der 1962 geborene Lyriker und Romancier 2007 auch im deutschsprachigen Raum bekannt - mit einer Geschichte, die zwischen Grausamkeit und Liebe, zwischen Naturgewalt und Poesie, zwischen Realität und Mythos schwankt. Es geht darin um einen fanatisch jagenden Pastor, der sich in die gejagte Füchsin zu verwandeln glaubt, um den Botaniker Fridrik und um ein Mädchen mit Downsyndrom. "Eine Frau ist gestorben, und ein Mann ging verschollen", heisst es da.

 Erzählung und Klangraum

 Die Schauspielerin Serena Wey und der Perkussionist Benjamin Brodbeck haben sich von der Spannung zwischen poetischer Sprache und brachialer Handlung zu einem Stück inspirieren lassen, das ebenso sehr Erzählung sein soll wie Klangraum. Für die Regie ist die Theater- und Filmemacherin Sabine Harbeke zuständig.(reg)

 Tojo-Theater Reitschule Mittwoch, 2. Februar, bis Samstag, 5. Februar, jeweils 20.30 Uhr.

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(ST)REITSCHULE
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police.be.ch 30.1.11
http://www.police.be.ch/police/de/index/medien/medien/aktuell.meldungNeu.html/police%20de%20meldungen%20police%20news%202011
%2001%2020110130_1428_stadt_bern_polizistenbeieinsatzbehindert

Stadt Bern: Polizisten bei Einsatz behindert

30. Januar 2011

pkb. Am frühen Sonntagmorgen ist eine Patrouille der Kantonspolizei Bern an einen Verkehrsunfall in der Nähe der Reithalle ausgerückt. Die Polizei wurde von Vermummten angegriffen, welche die sofortige Unfallaufnahme verhinderten.

Am Sonntag, 30. Januar 2011, um zirka 0130 Uhr, musste die Kantonspolizei Bern wegen eines Selbstunfalls ohne Verletzte an die Schützenmattstrasse ausrücken. Da mehrere vermummte Personen aus dem Umfeld der Reitschule die Polizisten mit Flaschen bewarfen, wurde die sofortige Unfallaufnahme verhindert. Die Patrouille musste sich zwar zurückziehen, aber der Unfallverursacher konnte ausfindig gemacht werden.
Später wurde ein zweites Patrouillenfahrzeug auf der Fahrt von der Neubrückstrasse in Richtung Bollwerk auf Höhe der Reithalle von Unbekannten mit Farbe beworfen.
(flo)

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http://www.bernerzeitung.ch/region/bern/Vermummte-griffen-Polizei-an/story/29026999
http://www.derbund.ch/bern/Vermummte-greifen-bei-Reithalle-Polizisten-an/story/13509415
http://www.blick.ch/news/schweiz/bern/vermummte-greifen-polizisten-an-165654
http://www.20min.ch/news/bern/story/Vermummte-attackieren-Polizisten-in-Bern-22885939

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RABE-INFO
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Mo. 31. Januar 2011
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_31._Januar_2011.mp3
http://www.rabe.ch/nc/webplayer.html?song_url=uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_31._Januar_2011.mp3&song_title=RaBe-%20Info%2031.%20Januar%202011
- 10 Meter Briefkasten: Kunst zum Mitmachen im Westen von Bern
- Kopf der Woche: im Gespräch mit dem Solarpionier Urs Muntwyler

Links:
http://www.bern.ch/neues-aus-ihrer-stadt/2011/westfenster2011

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Fr. 28. Januar 2011
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_28._Januar_2011.mp3
http://www.rabe.ch/nc/webplayer.html?song_url=uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_28._Januar_2011.mp3&song_title=###TITLE###
- Auch in Nidwalden wird über die Atomenergiezukunft abgestimmt: Das Endlager Wellenberg steht einmal mehr zur Debatte
- Nachhaltige Sojaproduktion statt Regenwaldzerstörung und Menschenrechtsverletzungen: Die Schweizer Landwirte und Detailhändler wollen handeln
- Der letzte Teil RaBe-Info Fragerunde mit den vier Ständerats-Kandidaten und -kanditatinnen

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Do. 27. Januar 2011
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_27._Januar_2011_01.mp3
http://www.rabe.ch/nc/webplayer.html?song_url=uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_27._Januar_2011_01.mp3&song_title=RaBe-%20Info%2027.%20Januar%202011
- Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus - Dokumente über die Schweiz und ihre Rolle im Zweiten Weltkrieg werden online veröffentlicht
- Prekäre Verhältnisse für Flüchtlinge in Griechenland - Schweiz lenkt ein und will nun weniger Flüchtlinge dorthin ausschaffen
- Teil 3 der Fragerunde mit den vier Ständeratskandidaten und -kanditatinnen

Links:
http://www.dodis.ch/de/themendossiers/dossier-die-schweiz-die-nationalsozialistischen-verfolgungen-und-die-shoah

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YB
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Blick am Abend 28.1.11

Brian Ruchti geht fremd

 NEUER JOB

 Radio-Gelb-Schwarz-Moderator Brian Ruchti ist an der Eiskunstlauf-EM im Einsatz.

 Er ist YB-Fan durch und durch. Brian Ruchti kommentiert zusammen mit Simon Klopfenstein alle YB-Spiele auf Radio Gelb-Schwarz. Die beiden Sprücheklopfer geniessen in den YB-Fan-Kreisen Kultstatus. Jetzt geht Ruchti fremd. Als einer von 450 Volunteers ist er derzeit an der Eiskunstlauf-EM im Einsatz. "Mit Eiskunstlauf hatte ich bisher nichts am Hut, aber die Arbeit macht Spass und ist spannend", sagt Ruchti. Eigentlich wäre er nur für die Infos auf den zahlreichen in der Postfinance-Arena verteilten TV-Screens verantwortlich gewesen. "Plötzlich bin ich nun auch der Moderator für alle englisch geführten Pressekonferenzen." Der Geschichts- und Englischstudent interviewt nun statt YB-Goalie Marco Wölfli Eiskunstläufer wie Florent Amodio, der das gestrige Kurzprogramm der Männer gewann. "YB habe ich im Blut, dort weiss ich, was wo läuft. Bei der Eiskunstlauf-EM musste ich mich fast wie auf eine Prüfung an der Uni vorbereiten." Jetzt habe er sich aber in die Aufgabe eingelebt. "Das ist eine neue Erfahrung, und die Arbeit mit dem ganzen Team der EM ist hervorragend."

 Trotzdem: Ruchti freut sich bereits heute, dass es am 5. Februar endlich wieder mit YB los geht. Auf "radiogelb-schwarz.ch" kommentiert er mit Simon Klopfenstein den Rückrundenstart Bellinzona-YB. ehi

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ALKOHOL
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Bund 27.1.11

Teure Übernachtung für "Komasäufer"

 Bern - Rauschtrinker oder "Komasäufer", die in einer Notfallaufnahme landen, verursachen hohe Kosten; bezahlt werden sie von der Krankenkasse. Damit soll nun Schluss sein: Der Grosse Rat hat gestern beschlossen, dass im Kanton Bern, wie in Zürich, eine zentrale Ausnüchterungsstelle einzurichten sei. Wer dort landet, kann nach medizinischer Begutachtung in Ruhe ausschlafen - für rund 950 Franken.(db) - Seite 27

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In die Ausnüchterungszelle statt in den Spitalnotfall

 Wer zu viel trinkt, soll auf eigene Kosten wieder auf die Beine kommen.

 Dölf Barben

 SVP-Grossrätin Sabina Geissbühler (Herrenschwanden) sprach von "Komasäufern", Ruedi Löffel (EVP, Münchenbuchsee) von "Besoffenen". Beide forderten in ihren Vorstössen Ähnliches, darum wurden diese gestern im Grossen Rat gemeinsam beraten - und in den Hauptpunkten als Motionen mit klaren Mehrheiten überwiesen. Der Regierungsrat ist nun beauftragt, eine Zentrale Ausnüchterungsstelle (ZAS) in Betrieb zu nehmen. Wo sie zu stehen kommt, ist unklar. Ebenso, ob im Kanton Bern bei seiner Grösse eine einzige ZAS genügt. Gleichzeitig soll der Regierungsrat die gesetzlichen Grundlagen so anpassen, damit Rauschtrinker die Kosten, die sie verursachen, selber bezahlen müssen.

 Löffels Hauptforderung zielt darauf ab, dass "Besoffene" ausserhalb eines Spitals wieder auf die Beine gestellt werden. Damit würde vor allem ein Problem gelöst: Die "Behandlung" müsste nicht mehr von der Krankenkasse und über Steuergelder bezahlt werden. Sie könnte dem Betrunkenen direkt in Rechnung gestellt werden. "Ich will einfach nicht mehr mitzahlen, wenn sich jemand volllaufen lässt." Löffel verwies auf die ZAS in Zürich mit zwölf Zellen, die letzten Frühling in Betrieb genommen wurde. Die Erfahrung eines halben Jahres habe gezeigt, "dass ZAS notwendig sind" und "dass es kein medizinisches Problem ist", sagte er. Von 366 Personen hätten lediglich 22 ins Spital eingeliefert werden müssen. Für die übrigen war es eine etwas besondere und - mit 950 Franken - besonders teure Übernachtung.

 Sabina Geissbühler forderte ebenfalls, dass "Komasäufer" die Kosten, die sie verursachen, selber bezahlen müssen. Ihr schwebten aber keine Ausnüchterungsstellen vor, sie verlangte, dass die sogenannten Wartezimmer auf Polizeiposten so eingerichtet werden, dass berauschte, gewalttätige Jugendliche dort so lange untergebracht und medizinisch betreut werden können, wie es aus Sicherheitsgründen nötig ist. Dieser Punkt wurde als Postulat überwiesen.

 "Keine neuen Strukturen"

 Das Problem des Rauschtrinkens habe zugenommen. Darin waren sich gestern im Rat alle einig. Ebenso herrschte Konsens, dass es möglich sein soll, die Kosten auf die Betroffenen abzuwälzen. Die Einrichtung einer Ausnüchterungsstelle stiess aber doch auf einige Kritik: "Zahlen sollen sie, aber es braucht keine neuen Strukturen", sagte Adrian Wüthrich (SP, Huttwil). Und Philippe Müller (FDP, Bern) meinte, nüchtern betrachtet, sei der Aufwand für eine ZAS viel zu gross, die medizinische Betreuung müsse ja doch sichergestellt sein. Die medizinische Eintrittskontrolle sei wichtig, sagte (die Ärztin) Tanja Sollberger (GLP, Bern). Beim "kleinsten Zweifel" könne ein Betroffener ins Spital eingeliefert werden. Die meisten aber benötigten nicht die gesamte Infrastruktur einer Notfallabteilung.

 "Adelboden, Bern oder Langnau?"

 Polizeidirektor Hans-Jürg Käser gefiel der Ansatz mit der Ausnüchterungsstelle für den Kanton Bern nicht - so bestechend er für Zürich sei. Nur schon die Frage sei schwer zu beantworten, wo denn eine solche Stelle errichtet werden sollte - "in Adelboden, in Bern oder in Langnau?" Ausserdem wolle er "eben gerade nicht", dass die Polizei auch noch medizinische Experten beschäftigen müsse. Dagegen sei es zweifellos richtig, Wege und Mittel zu finden, die Kosten den Betroffenen aufzubürden. Löffel liess nicht locker: Er habe nicht gesagt, es brauche nur eine ZAS, "aber wir müssen einmal mit einer anfangen".

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BZ 27.1.11

Säufer werden zur Kasse gebeten

 Grosser Rat. Schwer Alkoholisierte sollen in Zukunft nicht mehr automatisch ins Spital eingeliefert werden. Und sie sollen für die Kosten selber aufkommen. Das forderte gestern der Grosse Rat in einer Motion.

 Seit 17 Jahren beschäftigt sich Ruedi Löffel beim Blauen Kreuz mit Suchtprävention. Als Folge seiner langjährigen Erfahrung hat er sich in einer Motion für die Errichtung einer zentralen Ausnüchterungsstelle (ZAS) starkgemacht. Gleichzeitig fordert er, dass die Kosten den Säufern in Rechnung gestellt werden.

 Ohne ZAS geht es nicht

 Der EVP-Politiker aus Münchenbuchsee dürfte somit aufgrund seines beruflichen Hintergrunds wissen, wovon er spricht. Ein Eindruck, den gestern im Grossen Rat nicht alle Votanten zu vermitteln vermochten. Etwa jene von der FDP oder der BDP, die eine Kostenbeteiligung durch die Säufer guthiessen, gleichzeitig aber den Aufbau von neuen Strukturen wie eben von Ausnüchterungsstellen ablehnten. Doch das Errichten einer ZAS ist eine Voraussetzung dafür, dass die Säufer zur Kasse gebeten werden können. "Sind sie einmal im Spital, so muss die Grundversicherung zahlen. Da haben wir als Kantonsvertreter keine Handhabe", sagte Löffel.

 Der Geschäftsführer der EVP nannte vier Probleme, die er mit seiner Motion lösen will:

 Komasäufer belasten nicht nur die Prämienzahler, sie belegen auch die Notfallbetten, die gerade zu Spitzenzeiten anderweitig belegt werden müssten.

 Alkoholisierte Patienten sind erfahrungsgemäss nicht immer pflegeleicht: Sie brüllen, kotzen, schlagen um sich, bedrohen das Personal und zerstören im Extremfall das Mobiliar.

 Die Eltern von jugendliche Komasäufern können wegen des Arztgeheimnisses nicht benachrichtigt werden.

 Komasäufer verursachen Kosten, die zulasten der Allgemeinheit gehen.

 Es sind dies alles Punkte, die nur mit einer Ausnüchterungszelle ausserhalb der Spitalstrukturen gelöst werden könnten.

 Löffel verwies auf das Beispiel der Stadt Zürich, wo eine solche ZAS seit bald einem Jahr in Betrieb ist. Nach der sechsmonatigen Projektphase erklärte der zuständige Projektleiter gemäss NZZ, dass die Erfahrungen leider klar gezeigt hätten, dass die ZAS notwendig sei. Aber gerade das Beispiel von Zürich wollte unter anderen Polizeidirektor Hans-Jürg Käser (FDP) nicht gelten lassen. "Der Zürcher Ansatz ist im Kanton Bern nicht denkbar", sagte er. Denn wo soll die Ausnüchterungsstelle stehen? In Bern, Adelboden oder Langnau? Worauf Löffel antwortete, dass er nie gesagt habe, es müsse nur eine Ausnüchterungsstelle errichtet werden.

 Wie der EVP-Politiker gegenüber dieser Zeitung erklärte, müsste in Bern der Anfang gemacht werden. Je nach Erfahrung könnte man dann das Angebot auf andere Orte ausweiten. Es gebe auch die Möglichkeit mobiler ZAS, wie sie bereits heute bei Grossanlässen vor Ort eingesetzt würden.

 Medizinisches Problem

 Regierungsrat Käser bekämpfte die Motion nicht nur aus geografischen, sondern auch aus medizinischen Gründen. Die medizinische Beurteilung erfordere ärztliche Fachkompetenz. "Ich will nicht bei der Polizei noch medizinisches Person anstellen", sagte er. Auch darauf hatte Löffel eine Antwort:   Erstens sei nirgends gesagt, dass Ausnüchterungszellen von der Polizei betrieben werden müssten. Und zweitens mussten in Zürich nur 22 von 366 eingelieferten Patienten in ein Spital übergeführt werden. Seine Motion wurde mit 92 zu 46 Stimmen überwiesen.

 Claude Chatelain

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Langenthaler Tagblatt 27.1.11

Auch Bern erhält eine Ausnüchterungsstelle

Samuel Thomi

 Grosser Rat Nach Zürich erhält auch Bern eine Ausnüchterungsstelle für Komasäufer: Das Berner Kantonsparlament entschied dies gegen den Willen der Regierung.

 Seit bald einem Jahr macht die Stadt Zürich gute Erfahrungen mit der Zentralen Ausnüchterungsstelle (ZAS). Aufgegriffene oder eingewiesene junge Komasäufer werden in der ZAS von Fachpersonen im Mandat betreut und belasten damit nicht die Notfallstationen der Spitäler. Die Betreuungskosten von rund tausend Franken pro Nacht plus allfällige Reinigungs- oder Reparaturkosten werden in Rechnung gestellt. Komasäufer belasten so auch nicht die Krankenkassen.

 Das Phänomen der Komasäufer sei jedoch auch in Bern ein Problem, zitierte Sabina Geissbühler (SVP/Herrenschwanden) Zahlen des Berner Unispitals Insel. Dass auch betrunkene Bernerinnen und Berner ihre Kosten selber tragen müssten, wie das Geissbühler forderte, war im Grossen Rat mit 108 zu 3 Stimmen unbestritten.

 Eine längere Diskussion ergab sich zu Ruedi Löffels (EVP/Münchenbuchsee) Forderung nach einer zentralen Ausnüchterungsstelle: "Bei intakten Familienverhältnissen wären diese Probleme kleiner", monierte Peter Bonsack (EDU/Kallnach). "Es ist Zeit, dieses Problem endlich gesetzlich zu regeln", so Fritz Ruchti (SVP/Seewil). Geteilter Meinung waren SP und Grüne.

 Polizeidirektor Hans-Jürg Käser dagegen warnte: "Ich bin auch dafür, das Problem anzugehen." Seine Polizei jedoch habe andere Aufgaben als medizinische Abklärungen. Auch lasse sich Zürichs Idee nicht einfach auf den Kanton Bern übertragen: "Wo wollen Sie denn eine ZAS? In Bern oder Thun, Wynau, Adelboden oder Langnau?"

 Der Grosse Rat liess sich von den Bedenken der Regierung nicht beirren und überwies Löffels Motion ebenfalls deutlich mit 92 zu 46 Stimmen.

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20 Minuten 27.1.11

Süffel sollen selber zahlen

 BERN. Das Berner Kantonsparlament will Komasäufer zur Kasse bitten. Es hat einen SVP-Vorstoss angenommen, der fordert, dass die Ausnüchterung von schwer Betrunkenen nicht länger durch Steuergelder und Krankenkassenprämien gedeckt wird. Allein im Inselspital landen jedes Jahr 500 ohnmächtige Jugendliche mit Drogen- und Alkoholvergiftungen. Der Rat sprach sich ebenfalls für die Einrichtung einer Zentralen Ausnüchterungszelle aus. Eine solche besteht in Zürich schon, eine Nacht darin kostet 600 Franken.

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DROGEN
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Spiegel 31.1.11

MAGHREB

Drogen für den Terror

 Al-Qaida schmuggelt Drogen durch die Sahara

 Rauschgifthandel mit Südamerika ist zu einer wichtigen Einkommensquelle der Terrororganisation al-Qaida geworden. Das geht aus einem Bericht der algerischen Regierung hervor. Rauschgiftkartelle schmuggeln Kokain aus Kolumbien und Peru per Schiff und Flugzeug nach Nordafrika; die Qaida im Maghreb übernimmt den Weitertransport durch die Sahara nach Ägypten, Algerien oder Libyen. Sie kassiert dafür "Transportgebühren". Die algerischen Behörden schätzen, dass im Jahr 2008 bis zu 240 Tonnen Kokain durchs Land geschafft wurden; 2009 stellten sie allein im kaum besiedelten Süden 52 Tonnen sicher. Dabei sollen zur Qaida im Maghreb nur etwa 300 Kämpfer gehören. Sie halten sich in Marokko, Algerien und Tunesien auf, verübten in den vergangenen Jahren zahlreiche Attentate und verschleppten Ausländer. Nach algerischen Schätzungen sind die Einkünfte von al-Qaida aus Drogenhandel und Kidnapping seit 2007 auf bis zu 50 Millionen Euro gestiegen. Mit dem Geld kauft die Terrororganisation Waffen, wirbt Kämpfer an und unterstützt die Familien von Selbstmordattentätern.

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Basellandschaftliche Zeitung 28.1.11

Immer mehr Kiffer müssen sich behandeln lassen

 Cannabis Trotz steigender Zahlen sprechen sich die Suchtberatungsstellen in beiden Basel für eine Konsum-Legalisierung aus

Leif Simonsen

 "Immer mehr und immer jüngere Cannabiskonsumenten kommen zu uns in Behandlung", sagt Oliver Bolliger. Im letzten Jahr hatte die Basler Suchtberatungsstelle Drop In 266 neue Fälle zu behandeln - fast die Hälfte (126) davon Kiffer. Im Vergleich zum Jahr 2009 ist das eine markante Steigerung. Damals ersuchten noch 94 Konsumenten im Drop In um Hilfe. Bolliger will indes nicht dramatisieren. Im Gegenteil: Der Stellenleiter der Suchthilfe glaubt nicht daran, dass sich das Suchtverhalten der Bevölkerung anhand dieser Zahlen ablesen lassen kann. Viel eher wertet er es als Zeichen, dass der Cannabiskonsum heute als Problem angesehen wird. "Es ist nicht mehr ganz so ‹hip›, den ganzen Tag bekifft rumzulaufen."

 Die Zahlen aus dem Baselbiet sprechen auf den ersten Blick eine noch deutlichere Sprache. Claudine Aeschbach, leitende Ärztin des Psychiatrischen Dienstes für Abhängigkeitserkrankungen (PDA), schätzt: "In den letzten drei Jahren hat sich die Zahl der Jugendlichen verdreifacht, die sich bei uns aufgrund des Marihuanakonsums behandeln oder beraten lassen." Sie warnt aber vor voreiligen Rückschlüssen auf das Suchtverhalten in der Gesellschaft. Jugendliche, die beim zweiten Mal beim Kiffen erwischt würden, werden nämlich auch zur Gruppentherapie geschickt: "In diesen Fällen kann kaum von einer Sucht gesprochen werden." Die rasante Entwicklung hätte zudem mit dem guten Ruf des Kinder- und Jugendpsychiaters des PDA zu tun.

 Verbot belebt Schwarzmarkt

 Bemerkenswert ist, dass sich sowohl Bolliger als auch Aeschbach für die Straffreiheit des Marihuanakonsums aussprechen. Bedingung müsste die Volljährigkeit sein. Beide argumentieren gleich: "Wir könnten den Schwarzmarkt brechen." Dieser bringt neben der organisierten Kriminalität auch eine Gefahr für die Konsumenten mit sich. "Es ist durchaus möglich, dass man in diesen Kreisen mit härteren Drogen in Verbindung kommt", so Aeschbach.

 Verkauf an Jugendliche verbieten

 Weiterhin verboten sein müsste indes in den Augen Aeschbachs der Verkauf an Jugendliche: "Dies müsste auch in Zukunft unter das Jugendschutzgesetz fallen." Auch für Bolliger ist klar, dass für Heranwachsende andere Bestimmungen gelten müssten, zeigt doch das Kiffen in der Pubertät weitaus verheerendere Folgeschäden. "Wer früh und intensiv kifft, der droht, den Anschluss zu verlieren. Sei es in der Berufswahl oder im sozialen Leben." Die verlorenen Kifferjahre lassen sich kaum je wieder aufholen. In den Worten Aeschbachs: "Was weg ist, ist weg."

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 Hanf: Bald erlaubt?

 Seit die Basler SP-Fraktionspräsidentin Tanja Soland im November im Grossen Rat einen Anzug zur Legalisierung des Cannabis-Konsums einreichte, ist die "ewige" Debatte wieder entfacht worden. Sie kam nur zwischenzeitlich zum Erliegen, als die Schweizer im Jahr 2008 Nein sagten zur Initiative "für eine vernünftige Hanf-Politik mit wirksamem

 Jugendschutz". Statt einer offenbar hoffnungslosen eidgenössischen Initiative versucht es Soland nun mit einem kantonalen Vorstoss. Unterstützung hat sie dabei nicht nur von Linken, sondern auch von bürgerlicher Seite (CVP, FDP). Im Baselbiet scheint die Zeit für ein solches Projekt noch nicht reif zu sein. Justiz- und Sicherheitsdirektorin Sabine Pegoraro stellte ihren Standpunkt klar (die bz berichtete): "Ich werde mich weiterhin gegen eine kontrollierte Abgabe wehren." (lsi)

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Lea R.: "Mit 13 habe ich meinen ersten Joint geraucht"

Susan Reznik

 Aufgehört Heute geht die 17-jährige Lea R. jeden Tag in die Boutique, wo sie ein Praktikum macht. Das Kiffen gehört der Vergangenheit an. Jetzt hat sie wieder ein Ziel: eine Lehrstelle.

 Dreieinhalb Jahre war Lea R. (Name der Redaktion bekannt) vom grünen Tabak abhängig. "Mit 13 habe ich meinen ersten Joint geraucht", erzählt die Baslerin. Von älteren Kollegen sei es ihr immer wieder angeboten worden. Zuerst habe sie abgelehnt. "Doch wenn es dir immer angeboten wird, hast du irgendwann doch Lust, es zu probieren."

 Sie nahm einen ersten Zug. Und von diesem Tag an rauchte sie regelmässig einen Joint - immer häufiger, bis sie es jeden Tag tat. Täglich waren es schliesslich rund zehn Joints. Rund fünf Gramm Cannabis. An das Gras kam Lea R. ohne Schwierigkeiten. In der Schweiz an Gras zu kommen, sei kein Problem, sagt die 17-Jährige. Dealer gebe es genug. Ihr Dealer, ein über 30-jähriger Mann, habe ihr Alter gekannt. "Doch es schien ihn nicht zu kümmern; Geld war wichtig. Es dreht sich alles nur ums Geld."

 Kiffen macht süchtig. "Jedenfalls hatte es mich süchtig gemacht", sagt Lea. Das Erste, was sie am Morgen jeweils tat, war der Griff unters Bett, wo schon der fertig gedrehte Joint wartete. Während sie diesen rauchte, drehte sie gleichzeitig den nächsten. Zur Schule ging sie mit der Zeit nicht mehr regelmässig. Manchmal kamen am Nachmittag Freunde vorbei. "Doch eigentlich gab es nur mich und den Cannabis - alles andere war mir scheissegal." Abends vor dem Einschlafen gab es noch einen Gutenacht-Joint, während sie schon den Joint für den nächsten Tag drehte. Das Marihuana bezahlte Lea vom Geld der Eltern. Sie erzählte ihnen, das Taschengeld brauche sie für Kleider und Kino. Die Eltern merkten lange nichts. Sie tröpfelte jeweils Augentropfen in die Augen und nahm einen Kaugummi.

 Erst nach einigen Jahren wurde die Mutter misstrauisch. "Meine Mutter hielt mir einen grossen Vortrag, wie ich mich damit selber zerstöre und meine Zukunft verbaue." Irgend einmal realisierte Lea ihre Situation. "Ich beobachtete meine Kifferfreunde und wollte nicht mehr sein wie sie. Ich wollte nicht mehr den ganzen Tag herumlungern und mein Leben von einer Pflanze bestimmen lassen." Lea hörte auf. Ganz plötzlich. Von einem Tag auf den anderen. Das war vor acht Monaten. Sie hielt durch und schafft es heute ohne Joint.

 "Viele denken, Kiffen mache nicht süchtig, weil die Sucht erst mit der Zeit kommt." Heute ist Lea komplett dagegen, dass Hanf legalisiert wird: "Wenn Hanf legal ist, wird noch mehr gekifft." Jugendliche seien begeistert von Amsterdam, weil dort das Kiffen legal sei. Für die junge Lea gibt es nur einen Weg: "Liebe junge Kiffer, lasst die Finger davon, bevor es zu spät ist."

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NZZ 29.1.11

Den verlorenen Drogenkrieg überdenken statt intensivieren

Oswald Iten (OI)

 Im Kampf gegen den Drogenschmuggel sind einige Gegenden Lateinamerikas in den Griff brutaler Kartelle geraten und quasi unregierbar geworden. Fern von einem Sieg beharren die Regierungen auf der Repression, statt den Stoff aus dem kriminellen Umlauf zu nehmen. Von Oswald Iten

 Vergangenen Donnerstag haben sich die amerikanischen Diplomaten in La Paz wieder einmal einbunkern müssen, weil sie einen Sieg errungen hatten. Auf amerikanischen Widerstand hin ist es Bolivien nicht gelungen, jenen Passus in der Anti-Drogen-Konvention der Uno von 1961 zu streichen, der die gewerbliche Verwendung des natürlichen Kokablattes verbietet. Hunderte von Bolivianern demonstrierten vor der amerikanischen Botschaft gegen die Kriminalisierung der ihnen heiligen Pflanze. Sie kauten Kokablätter und tranken "Coca-Colla", das ein findiger Unternehmer in Aludosen vermarktet. Jeder Tourist, der die 3600 Meter über Meer gelegene Metropole Boliviens besucht, kennt die lindernde Wirkung des Kokatees gegen die Höhenkrankheit. Und die Wissenschaft weiss seit über hundert Jahren, dass nicht das natürliche Kokablatt die Drogensucht auslöst, sondern das chemisch daraus extrahierte Alkaloid Kokain. Trotzdem darf Bolivien weiterhin weder mit Koka-Ingredienzen hergestellten Tee noch Zahnpasta, noch Hautcrème exportieren. Die Kokapflanzer, zu denen einst Präsident Evo Morales selber gehörte, werden aber ihre Lebensexistenz weiterhin mit dem einzig rentablen Produkt ihres Landes verdienen und es von den Kartellen aufkaufen lassen.

 Grenzenlose Brutalität

 Ebenfalls diese Woche hat Human Rights Watch Mexiko für die Missachtung der Menschenrechte getadelt. Seit Präsident Felipe Calderón vor vier Jahren die Armee im eigenen Land bei der Verfolgung der Drogenkartelle einsetzte, kann das Wort Drogenkrieg getrost ohne Anführungszeichen verwendet werden. Die bisher über 30 000 verzeichneten Todesopfer - letztes Jahr alleine waren es 12 500 - machen das ungeheure Ausmass dieses aussichtslosen Krieges deutlich. Dabei sind längst nicht alle Toten Drogengangster, die sich gegenseitig niedermetzeln, wie gerne offiziell behauptet wird. Die Kriminellen kennen in ihrer Brutalität keine Grenzen mehr, feuern in Schülerpartys und enthaupten Süchtige in Entzugsanstalten. Längst haben sie ihr Geschäftsmodell auf Entführung, Erpressung und Menschenhandel ausgedehnt. Die unfassbare Massakrierung von 72 zentralamerikanischen Wanderarbeitern auf ihrem Weg in die USA im letzten August zeigte, dass den Gangstern kein Peso zu schmutzig ist.

 Die Drogenmafia umklammert mit ihren Tentakeln auch El Salvador, Guatemala und Honduras, ein Länderdreieck, das inzwischen von den höchsten Mordraten der Welt geplagt wird. Das Ausmass an Gewalt lässt zum Teil sogar jenes aus der Zeit der zentralamerikanischen Bürgerkriege hinter sich. Ausgerechnet der linke Präsident Guatemalas musste über einen Teil seines Landes das Notrecht verhängen und die Armee einsetzen. Ehemalige Offiziere, aktive Polizeichefs und käufliche Richter haben sich mit Elementen der mexikanischen Kartelle zusammengetan. Ihrerseits spannen diese immer mehr die Mara-Jugendbanden vor ihren Drogenkarren. Die verrohten Jugendlichen scheuen weder den Tod noch den Verlust ihrer Freiheit und handeln hemmungslos. Sie werden für ihre Kurierdienste von den Mexikanern mit Kokain bezahlt und versorgen damit wachsende Lokalmärkte. Der Kokaingenuss beschränkt sich längst nicht mehr bloss auf die "Gringos", wie in Lateinamerika lange fälschlicherweise gedacht wurde, sondern ist längst auch ein lokales Phänomen.

 Amerikas Kalaschnikows

 Wenn schon in den Ursprungs- und Transitländern der Drogen nicht die richtigen Schlüsse aus dem nicht zu gewinnenden Drogenkrieg gezogen werden, so erst recht nicht im Hauptkonsumland. Die USA haben in den letzten zehn Jahren über sechs Milliarden Dollar in die Bekämpfung von Mafiabanden und Guerillagruppen in Kolumbien gesteckt. Hunderttausende von Hektaren von Pflanzungen wurden mit Gift besprüht. Könnten die Guerillas und die Paramilitärs sich nicht vom Kokain finanzieren, wäre dem seit über 50 Jahren andauernden bewaffneten Konflikt wohl längst die Luft ausgegangen. Ebenso läuft der Druck der USA auf die südlichen Nachbarn zur Kontrolle der Schmuggelrouten ins Leere, solange Amerika die eigenen Grenzen nicht dichtzumachen vermag.

 Mit gutem Grund beklagt sich Mexiko über den Waffenhandel in den USA. Dort decken sich die Kartelle mit Kriegswaffen ein. Mexikanische Behörden haben in den letzten vier Jahren bei 60 000 sichergestellten Feuerwaffen deren Ursprung in den USA nachweisen können. Die notorische Gun-Lobby verhindert die Eliminierung einer Gesetzeslücke, die es Käufern erlaubt, gleich mehrere Kalaschnikows und andere Sturmgewehre aufs Mal zu erstehen. Washington stuft die mexikanischen Drogenkartelle nicht als Terrororganisationen ein, da sie vermeintlich keine politischen Absichten hegten. General Noriega ist schon vergessen. Die USA finanzierten einst den "geheimen Krieg" in Indochina und die Contras in Nicaragua zum Teil mit Drogen- und Waffengeschäften.

 Entkriminalisierung kein Freipass

 Die Repressionsstrategie hat bei der Drogenproduktion ebenso wenig funktioniert wie beim Konsum. Die intellektuellen Argumente für einen Paradigmenwechsel sind so frappant, dass deren Missachtung durch die Politik nur mit einer Blockade in den Köpfen der Regierenden erklärt werden kann. Kaum scheiden diese aus dem Amt, wirken bei ihnen die Argumente - wenigstens in Lateinamerika. So haben sich die mexikanischen Ex-Präsidenten Fox und Zedillo, der Kolumbianer Gaviria und der Brasilianer Cardoso für eine Entkriminalisierung der Produktion und des Konsums von Drogen ausgesprochen.

 Die USA scheinen die Lehren aus dem Desaster der Alkoholprohibition der dreissiger Jahre vergessen zu haben. Selbst wenn es gelänge, durch Repression Kokain, Heroin und Cannabis auszurotten, würden sich Konsumenten anderer psychoaktiver Substanzen bedienen. Es ist wie bei einem Ballon: Drückt man an einem Fleck, weitet er sich an anderer Stelle aus. Ecstasy und Designerpillen sind schon bald ein alter Hut. Raffinierter sind eine Reihe von Psychopharmaka, die auf die Tageszeit oder gar die Stunde genau Lust, Stimmung und Aktivität steuern. Es geht nicht darum, die Gefahr von Drogenmissbrauch herunterzuspielen und den freien Zugang zu fordern, als ginge es um Schokolade. Sucht ist leider eine untrennbar mit dem Menschen verbundene Eigenschaft. In Anerkennung dieser Tatsache sollte damit vernünftig umgegangen werden, sei es mit medizinischen, psychologischen, erzieherischen oder selbst mit massvoll repressiven Mitteln.

 Die Zeit drängt, denn die Kriminellen weiten ihre Aktivitäten exponentiell aus. Kein Geschäft ist lukrativer als der Drogenhandel und die damit verbundene Geldwäsche, ein weltweiter Kreislauf von jährlich mehreren hundert Milliarden Dollar. Mittel heiligen die Zwecke. Die Taliban richten Drogensüchtige hin, finanzieren sich aber zu zwei Dritteln aus dem Opiumgeschäft.

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Blick am Abend 28.1.11

Abfuhr für Hanffreunde

 ILLEGAL

 Jetzt ist es amtlich: Nach dem Luzerner Stadtrat (Blick am Abend berichtete) will auch der Grosse Stadtrat keinen Pilotversuch zur legalen Hanfabgabe. Die Grünen hatten gefordert, dass man Abklärungen treffe, ob und in welchem Rahmen eine Cannabisstelle möglich wäre. Und der Entscheid fiel äusserst knapp aus: Nur gerade zwei Stimmen fehlten den Hanffreunden im Parlament - die Abstimmung endete mit 24 zu 22 Stimmen. Im Vorfeld hatte unter anderem auch das Bundesamt für Gesundheit seine Bedenken angemeldet. Laut diesem gibt es keine Möglichkeit, eine solche legale Abgabe durchzuführen. Die Idee zum Vorstoss stammt aus Zürich, wo eine Mehrheit im Parlament diese für gut befunden hat. Derzeit laufen dort Abklärungen. mg

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La Liberté 28.1.11

Moins visible qu'autrefois, la drogue n'a de loin pas disparu à Fribourg

 Enquête - Si le trafic de stupéfiants se fait plus discret au grand jour, le cannabis et les drogues de synthèse n'ont jamais été aussi populaires. Le point avec trois spécialistes.

 Nicolas Maradan

 Sexe, drogue et rock'n'roll, dit la maxime. Si le dernier se porte plutôt bien à Fribourg et que l'on laissera le premier à la discrétion de chacun, qu'en est-il de la question de la drogue dans la cité des Zaehringen? D'un côté, le trafic se fait plus discret dans la capitale cantonale. De l'autre, de grosses saisies ont été faites en 2010. Pour faire le point sur la situation, "La Liberté" a interrogé trois personnes qui se trouvent au cœur de la problématique: Maxime*, un jeune consommateur d'héroïne, Florian Walser, chef de la Police de sûreté fribourgeoise et François Vallat, directeur du Tremplin, un centre de réinsertion pour les personnes toxicodépendantes.

 Gare aux statistiques

 Le marché de la drogue est-il en hausse ou en baisse? Difficile à dire. Car, en matière de stupéfiants, manipuler les statistiques peut s'avérer périlleux. "En somme, le nombre de cas recensés dépend de l'activité policière. Généralement, personne ne dénonce les infractions liées à la drogue. Donc si on double les effectifs pour lutter contre le trafic de stupéfiants, on risque d'avoir deux fois plus de cas recensés", indique Florian Walser.

 L'analyse des chiffres n'est donc pas toujours pertinente. "En tout cas, il y a toujours autant de monde dont il faut s'occuper", résume François Vallat.

 Herbe, pilules et poudre

 Pour ce qui est de la typologie des drogues consommées, quelques éléments peuvent être apportés. Premièrement, on constate une augmentation des cultures intérieures de cannabis. "Et le niveau de THC (une molécule psychotrope, ndlr) du chanvre indoor est déjà au même niveau que le haschich, c'est un taux assez élevé", prévient Florian Walser.

 Deuxièmement, la consommation de drogues synthétiques (des produits psychoactifs produits par un processus chimique, comme l'ecstasy, les amphétamines ou le LSD) est en hausse. "C'est un domaine en plein développement. Il y a d'avantage de pilules consommées lors de soirées, par exemple. On s'en procure très facilement. Aujourd'hui apparaît aussi la problématique des médicaments, notamment des benzodiazépines (des médicaments psychotropes utilisés pour soigner notamment insomnie ou anxiété, ndlr). Cela touche monsieur et madame tout-le-monde, notamment des gens qui font de l'automédication. Mais il faut préciser que les personnes toxicomanes ne sont pas accros à un seul produit", indique François Vallat.

 "Pour ce qui est des drogues comme l'héroïne et la cocaïne, je ne suis pas sûr qu'il y ait plus de consommateurs", note en revanche le directeur du Tremplin.

 De plus en plus jeunes?

 Pour Maxime, étudiant fribourgeois de 19 ans, les consommateurs de drogue sont de plus en plus jeunes. "Je fume du cannabis depuis plusieurs années. Puis, il y a huit mois, j'ai commencé l'héroïne. J'ai hébergé chez moi des personnes toxicomanes, c'est comme ça que ça a commencé. Un tout petit peu, d'abord, puis j'en suis vite arrivé à devoir consommer pour éviter le manque", explique le jeune homme.

 Selon Florian Walser et François Vallat, le phénomène ne touche pas les drogues lourdes comme la cocaïne ou l'héroïne. "Mais les drogues synthétiques sont assez répandues parmi les jeunes qui sortent le soir", estime le chef de la Police de sûreté. François Vallat ajoute que de nombreux jeunes se mettent assez tôt à consommer des produits comme le cannabis.

 Comment arrêter?

 Afin de reprendre ses études, Maxime tente d'arrêter la drogue. Tout seul. Il décrit l'état de manque qu'il ressent: "Cela ressemble à la grippe. On a mal partout, on n'arrive plus à se lever de son lit. Et on vit parfois dans un monde irréel."

 Mais, surtout, il n'est pas facile de se défaire de ses mauvaises fréquentations. "Même si j'essaie de quitter le monde de la drogue, il me rattrape toujours. Des drogués que je connais continuent à venir chez moi pour me demander des choses. J'ai même dû enlever mon nom sur ma sonnette", raconte Maxime.

 "Il est très positif de vouloir faire le pas pour s'en sortir. Car on ne peut pas aider quelqu'un à sortir de la dépendance sans que la personne soit d'accord. Mais il est très difficile de sortir de ce monde-là tout seul", prévient François Vallat, qui encourage toute personne se trouvant dans cette situation à demander de l'aide.

 Un mirage

 Le directeur du Tremplin compare la drogue à un mirage. "Aujourd'hui on sait que certains cadres, notamment, prennent de la cocaïne pour améliorer leurs performances professionnelles. La drogue est donc une béquille qui permet, en s'y appuyant, d'assumer plus de choses. Mais, dès qu'on arrête la prise du produit, on se retrouve comme Astérix sans potion magique", explique-t-il, ajoutant que, dans la majorité des cas, les personnes toxicodépendantes finissent par foncer dans le mur. I

 *Prénom d'emprunt.

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 La drogue, facile d'accès?

 Selon Maxime*, jeune toxicomane, se procurer de la drogue est assez facile à Fribourg. A condition de connaître les bonnes personnes. "Il faut avoir des contacts, c'est la manière de se fournir la moins risquée", explique-t-il. Le trafic dans des lieux publics est en revanche en baisse. "Grâce à la police de proximité, on maîtrise bien le terrain et on fait régulièrement des saisies", se réjouit Florian Walser, chef de la Police de sûreté. Il tempère toutefois: "La lutte contre le trafic de stupéfiants déplace le problème, soit vers d'autres cantons, soit vers des appartements privés. Il est illusoire de penser que l'on pourra faire disparaître cette problématique. Ce que l'on veut éviter, c'est le trafic dans les lieux publics".

 Pour Maxime, beaucoup de gens consomment de l'héroïne car c'est plus facile à cacher que du cannabis. "Quand il y a des contrôles, on peut cacher les doses dans sa poche", explique-t-il. Le jeune homme ajoute que la cocaïne est en revanche plus dure à se procurer. NM

 *Prénom d'emprunt.

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BZ 27.1.11

Kanton will Drogenhanf rascher vernichten

 Drogen. Für Hanfanbauer gings gestern um die Wurst: Gegen die Empfehlung des Kantons überwies der Grosse Rat eine Motion, welche die raschere Vernichtung von Drogenhanf fordert.

 Die Polizei darf eine Hanfplantage erst vernichten, wenn sie dem Produzenten nachweisen kann, dass er seine Ernte als illegalen Drogenhanf verkaufen will. Bis das Resultat solcher Abklärungen vorliegt, ist die Ernte meist schon eingefahren. Ein Sachverhalt, der nicht nur die Justizbehörden beschäftigt, sondern auch SVP-Grossrätin Sabina Geissbühler (Herrenschwanden) sauer aufstösst. Deshalb fordert sie in einer Motion rechtliche Grundlagen, damit Drogenhanf künftig rascher vernichtet werden kann. "Laut Bundesgericht ist klar, dass sich Hanf mit einem THC-Wert von mehr als 0,3 Prozent zur Droge eignet", so Geissbühler.

 Geissbühlers Anliegen war inhaltlich unbestritten. Allein an der Verbindlichkeit in der Umsetzung schieden sich die

 Geister. Polizeidirektor Hans-Jürg Käser (FDP) wollte die Motion in ein Postulat, also in einen Prüfungsantrag, umgewandelt sehen. Dies, weil derzeit eine interkantonale oder eidgenössische Lösung diskutiert werde. Käser wünscht sich eine solche, weil sonst die Anbauflächen in weniger restriktive Kantone verschoben würden. Eine Argumentation, die SP, Grüne und BDP unterstützten. In der Abstimmung setzte sich Geissbühler dann dank der Stimmen von FDP und SVP durch: Der Rat überwies den Vorstoss mit 70 zu 60 Stimmen in der stärkeren Form als Motion.
 as

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POLICE BE
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BZ 28.1.11

Joder reagiert sehr spät

 PolizeiDürfen Ausländer Ordnungshüter sein? Die Kantonspolizei Bern will diese Frage prüfen. Einige Kantone haben längst gute Erfahrungen gemacht. Doch SVP-Nationalrat Rudolf Joder fordert jetzt per Motion trotzdem ein nationales Verbot.

 "Der Bundesrat wird beauftragt, Rechtsgrundlagen zu schaffen, wonach in der Schweiz nur Schweizer Bürgerinnen und Schweizer Bürger als Polizistinnen und Polizisten tätig sein dürfen." Mit dieser Forderung will der Berner SVP-Kantonalpräsident und Nationalrat Rudolf Joder Ideen bei der Kantonspolizei Bern im Keim ersticken, bevor sich diese entwickeln können. Vor einem Monat hatte der Chef der Personalabteilung der Kapo Bern, Christian Brenzikofer, gegenüber dieser Zeitung gesagt, der fehlende Schweizer Pass sollte künftig kein Ausschlussgrund mehr sein, um zum Polizeidienst zugelassen zu werden. Wichtiger als der Ausweis sei die individuelle Eignung der Bewerber.

 Von dieser Ansicht hält Joder nichts. Per Motion will er bundesrechtlich festschreiben, "dass nur Schweizer Bürgerinnen und Schweizer Bürger die Tätigkeit einer Polizistin oder eines Polizisten ausüben dürfen". Die Erfüllung hoheitlicher Aufgaben könne durch Personen mit schweizerischem Bürgerrecht "am wirkungsvollsten und gegenüber den Rechtsunterworfenen glaubhaft wahrgenommen werden". Damit dies erreicht werden könne, "ist eine gesamtschweizerisch einheitliche Lösung erforderlich".

 Basel: Gute Erfahrungen

 Die Intervention von Joder kommt spät. Längst engagieren Basel-Stadt, Genf, Schwyz und Appenzell Polizisten ohne roten Pass. In Basel ist die Staatsangehörigkeit schon seit 1996 kein Aufnahmekriterium mehr für die Polizeischule. "Seither haben wir im Korps jeweils zwischen 15 und 20 Kollegen, die über keinen Schweizer Pass verfügen", sagt Polizeisprecher Klaus Mannhart. Darunter seine Deutsche, Italiener, Franzosen, Engländer, Türken, Ghanaer und Vietnamesen - in aller Regel Ausländer der zweiten Generation. "Sie können sprach- und kulturbedingte Besonderheiten von gewissen Bevölkerungsgruppen einfach besser verstehen und in ihre tägliche Arbeit mit einbeziehen", erklärt Mannhart. Transkulturelle Kompetenz heisst das Zauberwort, auf das die Polizeien in vielen europäischen Städten bauen. Die Grundidee: So vielfältig die gesellschaftlichen Probleme, so vielfältig muss auch ein Polizeikorps sein.
 ue/pas

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Bund 27.1.11

Ausländische Polizisten: SVP will Kantonspolizei bremsen

 "Keine Polizisten ohne Schweizer Pass", fordert die SVP im Nationalrat.

 Bernhard Ott

 Heute Donnerstag werden im Kursaal Bern 46 junge Männer und Frauen als Angehörige der Kantonspolizei vereidigt. Sie alle verfügen über einen Schweizer Pass. Für die Kantonspolizei wird es aber zusehends schwieriger, genügend fähige Bewerber für die Polizeischulen zu rekrutieren. Neu möchte sie daher auch Ausländer mit Niederlassungsbewilligung C für den Uniformdienst ausbilden können (siehe "Bund" vom 28. Dezember). Der Regierungsrat wird demnächst über eine entsprechende Teilrevision des Polizeigesetzes befinden. Peter Furrer, Generalsekretär der kantonalen Polizei- und Militärdirektion (POM), rechnet damit, dass der Grosse Rat 2012 über die Revision befinden wird.

 "Gesamtschweizerische Lösung"

 An der grundsätzlich positiven Haltung der Regierung zu Ausländern im Polizeidienst lässt Furrer keinen Zweifel. Daran habe sich seit der Überweisung eines entsprechenden SP-Vorstosses im Sommer 2007 nichts geändert. Die Regierung erklärte sich damals bereit, "die zwingende Voraussetzung des Schweizer Bürgerrechts für eine Aufnahme in die Polizeischule" zu überprüfen, wie sie in der Antwort auf den SP-Vorstoss festhielt. Nationalrat Rudolf Joder (SVP) will nun aber den damals ausgelösten Prozess auf Bundesebene stoppen. In einer Motion unter dem Titel "Keine Polizisten ohne Schweizer Pass" fordert er vom Bundesrat die Schaffung einer gesamtschweizerischen Rechtsgrundlage, damit nur Personen mit Schweizer Pass den Beruf des Polizisten ergreifen können. Joder räumt auf Anfrage ein, dass sein Vorstoss eine Reaktion auf die Absichten der Berner Kantonspolizei sei. Gleichzeitig betont er aber auch, dass es ihm um eine gesamtschweizerische Lösung gehe. "Für die Justizbehörden auf Bundesebene kommen schliesslich auch nur Schweizer Bürger infrage."

 Diese Aussage trifft aber nur zum Teil zu. So arbeiten bei der Bundeskriminalpolizei zurzeit fünf Ausländer. Die für Januar vorgesehene Ernennung dreier ausländischer Personen zu Staatsanwälten des Bundes wiederum ist wegen FDP- und SVP-Vorstössen auf Eis gelegt.

 Dialekt-Kenntnisse vorausgesetzt

 Auch die Kantonspolizeien von Basel-Stadt, Schwyz, Neuenburg und Jura beschäftigen zurzeit Ausländer, sofern sie seit mindestens fünf Jahren in der Schweiz leben und somit über einen Niederlassungsausweis C verfügen. Im Polizeikorps des Kantons Schwyz, das 238 Mitarbeitende zählt, arbeitet seit 2003 ein Deutscher. Ab Februar werden drei weitere deutsche Staatsangehörige dazustossen. Gemäss Anforderungsprofil müssen die ausländischen Anwärter "assimiliert" sein. "Sie müssen nicht Dialekt sprechen, aber ihn verstehen", sagt David Mynall, Sprecher der Kantonspolizei. Die Zulassung von Ausländern sei in der politischen Diskussion vor der Schaffung der Rechtsgrundlage umstritten gewesen. "Heute ist der Einsatz von Ausländern unbestritten. Unsere Erfahrungen sind positiv", sagt Mynall.

 Basler Polizist aus Ghana

 Ähnlich lobend äussert sich Klaus Mannhart von der Kantonspolizei Basel-Stadt, wo seit 15 Jahren Ausländer Polizisten werden können, sofern sie Mundart sprechen. Im 800 Personen zählenden Korps sind 18 Ausländer. Laut Mannhart leisten die Beamten aus England, Kanada, Ex-Jugoslawien, der Türkei und Ghana Dienst wie alle anderen. "Es gibt überhaupt keine Probleme damit." Ganz im Gegenteil: Die Erfahrungen mit dem Einsatz dieser Personen seien positiv. "Dank ihrem Hintergrund finden sie eher den Draht zu Personen aus ihrem Kulturkreis", sagt Mannhart. Dieses Argument hatte sich 2007 auch der Berner Regierungsrat zu eigen gemacht. Mit ausländischen Mitarbeitenden könnte die "interkulturelle Vermittlungsfunktion" der Polizei gestärkt werden, schrieb damals der Regierungsrat.

 Mannhart fände es schade, wenn der Mitarbeit von Ausländern bei der Polizei nun auf Bundesebene ein Riegel geschoben würde. "Ich bin aber überzeugt, dass es nicht so weit kommen wird."

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POLICE VD
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Le Matin 31.1.11

Une émission sur Skander Vogt

 TSR.  Mercredi à 20 h 10, l'émission "Zone d'ombre" de la TSR se consacre au problème des peines de prison à durée indéterminée en partant du cas deSkander Vogt, mort dans sa cellule de Bochuz (VD) en mars 2010. Outre une reconstitution du drame, le magazine abordera deux autres cas et sera suivi d'un débat.

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20 Minutes 31.1.11

Images d'un décès derrière les barreaux

 bochuz (VD). Dans le cadre d'une émission sur la mort en prison de Skander Vogt, la TSR diffusera l'enregistrement vidéo du drame.

 Le 11 mars 2010, vers 2 h 35, le corps sans vie de Skander Vogt est extrait d'une cellule du quartier de haute sécurité de la prison de Bochuz (VD). Après avoir mis le feu à son matelas et à des habits, Skander Vogt a fini par mourir asphyxié. Considéré comme un homme violent et dangereux, il avait 30 ans. L'émission de la TSR "Zone d'ombre" revient, mercredi, sur la nuit de ce drame et tente de dresser la liste des dysfonctionnements qui ont débouché sur cette issue tragique. Les services d'intervention ont notamment mis près de deux heures avant de lui porter secours. "Pour raconter la mort de Skander Vogt, nous avions accès à l'excellent rapport du juge Rouiller, mais aussi aux images des caméras de la prison et aux conversations téléphoniques de la police", a expliqué au magazine "TéléTop" le journaliste William Heinzer, qui a mené l'enquête avec Léo Bagnoud.  -gco

 Diaporama

 Images des caméras de la prison la nuit du drame: → http://www.skander.20min.ch

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Le Matin Dimanche 30.1.11

Destin d'un homme qui n'était compatible avec aucun système

 La véritable histoire de Skander Vogt

Dominique Botti

 RÉCIT Pourquoi Skander Vogt a-t-il fini brûlé dans sa cellule de Bochuz en 2010, détesté par tous? Qu'est-ce qui a fait de lui un homme qui contestait tout, que l'autorité, comme impuissante, ne parvenait pas à aider? Une série de documents inédits éclaire d'un jour nouveau le parcours de ce détenu atypique.

 1 L'ENFANCE DE TUNIS À LAUSANNE

 Skander Vogt est né le 6   mars 1980 à Tunis. La famille est aisée. Le père est un ingénieur bâlois. La mère, Tunisienne, est cadre dans une banque. L'insouciance dure jusqu'à l'âge de 3 ans, date à laquelle la maman décède d'un cancer. Le père les abandonne, lui et sa sœur, Senda, née en 1976. Ils ne le reverront plus jamais. Skander apprendra la disparition de son père en 2006, trois ans après son décès. Orphelins, les enfants sont élevés par la grand-mère maternelle qui décède à son tour en 1986. La tante prendra le relais.

 Difficile de connaître les détails de cette période tunisienne qui dure jusqu'en 1995, date de leur arrivée en Suisse. Skander en garde une certaine nostalgie. Il y aura appris la langue arabe. Sa scolarité est chaotique. Il est bagarreur et pratique l'école buissonnière. Une assistante sociale dira plus tard que, selon les confidences de Skander lui-même, il aurait subi des maltraitances, notamment d'ordre sexuel. Des confidences que sa sœur a toujours récusées.

 La tante ne peut plus s'en charger, le père est introuvable, les deux enfants sont remis aux autorités suisses. "Le 15   juin 1995, voilà que je descends de l'avion à l'aéroport de Genève avec ma sœur. Nous ne savions pas ce qui nous attendait car tout avait été organisé à notre insu par l'ambassade de Suisse en Tunisie", se rappelle Skander dans ses mémoires. Parce que, en prison, il écrivait beaucoup, à la fois pour ses mémoires mais aussi pour recourir contre les autorités. Dans un français phonétique, parfois proche du délire, mais intelligible.

 En Suisse, ils sont immédiatement placés dans une famille d'accueil à Fey (VD). "Je me suis retrouvé en pleine campagne au milieu de nulle part, dans une famille inconnue, avec 111 vaches", témoigne le natif de la métropole Tunis. Un grand écart culturel. "Je ne parvenais pas à gérer le choc de cette transplantation", écrit-il. Commencent les premières révoltes et les premières punitions.

 2 LES PREMIERS DÉLITS

 Dans la campagne vaudoise, le jeune homme de 15 ans s'oppose à son environnement. C'est le début de sa rébellion contre l'autorité. A l'école, il accuse ses professeurs de dénigrer sa culture tunisienne. Le préadolescent fume au sein de l'établissement. Entre septembre et octobre 1995, il commet ses premiers délits à Penthalaz (VD) et fait face aux premières plaintes pour vols des cigarettes.

 Les autorités tentent de le cadrer. L'école le punit. Le Service social lui retire son argent de poche. Le frère et la sœur sont séparés et placés dans un foyer différent. Puis Skander vit ses premiers séjours au Centre communal pour adolescents (CPA) en difficulté de Valmont, au nord de Lausanne. "C'est une prison pour mineurs, dénonce-t-il. La machine destructrice du système se met en marche. "

 Moins d'une année après son arrivée en Suisse, les autorités avouent déjà leur impuissance. Quatre lieux de placement n'en peuvent plus. Le comportement de Skander, malgré quelques lueurs d'espoir, est insupportable. Bagarreur, grande gueule, anarchiste, il sombre dans la petite délinquance. En mai 1996, le Service de la protection de la jeunesse commente le transfert du dossier à l'Office du tuteur général. "Peut-être avions-nous raté l'une ou l'autre marche?, écrit l'assistant social. Le malaise que nous ressentons aujourd'hui résulte du sentiment d'échec face au pronostic sombre que nous formulons pour le devenir de Skander. "

 Cinq mois plus tard, le directeur du CPA de Valmont dénonce l'attitude du jeune homme. Il peut être "dangereux" et doit être "sanctionné". Il "a besoin d'une prise en charge psychothérapeutique et éducative à long terme dans un établissement équipé pour cela". Dangereux, sanction, thérapie: la messe est dite pour le jeune Skander. Il entendra ce même discours pendant quatorze ans, jusqu'à sa mort en prison. Il changera peu d'attitude de son côté et se braquera toujours plus dans son refus de l'autorité.

 3 LES PREMIERS PROCÈS

 Skander Vogt est condamné une première fois le 29   mars 1996. Il prend 10 jours avec sursis pour vol, dommages à la propriété, violation de domicile et violence ou menace contre les autorités et les fonctionnaires. Il ne s'en inquiète pas et récidive. Il vole dans les vestiaires des piscines, dans les grands magasins. Il arrache le sac des dames âgées. Il se bat avec violence, pour un rien, contre des inconnus croisés par hasard. Il joue du couteau, pour menacer ses victimes, sans jamais passer à l'acte toutefois. Il commence à fumer du haschisch et à boire de l'alcool.

 Durant cette préadolescence chaotique, les projets d'insertion socioprofessionnelle échouent. Il épuise les centres de placement pour jeunes en difficulté de Suisse romande. Il semble n'y avoir aucune solution pour gérer le révolté. Les services sociaux tentent même de le renvoyer en Tunisie, avec un billet aller simple, en décembre 1996. Mais Skander revient en Suisse à ses propres frais quatre mois plus tard. Il vit dans la clandestinité à Lausanne pendant quelque temps avant d'être arrêté par la police lors d'un contrôle d'identité.

 Le dialogue de sourds reprend: violence contre répression. Un bref passage à la maison d'éducation au travail de Pramont (VS) résume la situation. Il y arrive le 12   mars 1997. Dès le premier jour, il est agressif. Il s'oppose à tout. Il menace. Il tape contre la porte de sa chambre, sonne à tout moment, détruit son mobilier. Il s'évade. Après une sanction, il tient sa promesse de retour au calme quelques jours, puis recommence. Le 29   mars, la direction appelle le groupe d'intervention de la police valaisanne. Il est expulsé.

 Durant ces deux semaines à Pramont, Skander se comporte comme il se comportera toujours au pénitencier, jusqu'à sa mort. La prison aura d'ailleurs la même réponse de fermeté. A la différence près toutefois qu'elle ne l'expulsera pas, mais elle prolongera son régime de détention en haute sécurité.

 Le 12   juin 1997, il est devant le Tribunal des mineurs du canton de Vaud pour plus de 40 délits. Il est condamné à un placement dans la maison d'éducation de Prêles. Le jugement estime que le condamné n'a pas commis de "crime ou de délit extrêmement dangereux". Mais il doit être "considéré comme un adolescent très difficile, abandonné et en sérieux danger". Un traitement psychiatrique, entre autres mesures, s'impose. Placé en maison d'éducation, le jeune homme ne se calme pas pour autant. Menace, agressivité, évasion. Le 3   décembre 1997, le Tribunal des mineurs l'envoie dans un pénitencier pour adultes.

 4 LA PRISON ET LES PSYS

 Skander Vogt se retrouve par défaut à la prison préventive du Bois-Mermet à Lausanne. Le Tribunal des mineurs le dit dans sa décision. Une institution pour mineurs capable gérer ce jeune homme de 17 ans, dangereux mais pas fou, n'existe pas. Dès lors, son placement en établissement pénitentiaire s'impose. C'est le Chef du service pénitentiaire de l'époque qui signe la dérogation. Il avoue que ce cas de figure est rare mais pas extraordinaire.

 La libération conditionnelle arrive le jour de ses 18 ans. L'adulte ne se calme pas longtemps et commet de nouveaux délits, toujours dans la même veine. Le 18   août 1998, il est arrêté et placé en préventive. Le 5   août 1999, il est condamné à 15 mois fermes. Libéré en novembre de la même année, il récidive à nouveau. Vingt jours plus tard, il est interpellé. Skander a vécu là ses derniers moments à l'air libre. Ses premiers séjours au pénitencier pour adultes ressemblent à ceux passés dans les maisons d'éducation pour mineurs. Menaces, hurlements, destruction de mobilier, agressions, transferts d'un établissement à l'autre. Il vit déjà le régime de haute sécurité.

 Cette fois les délits pèsent une tonne. Notamment l'agression d'un médecin psychiatre à l'hôpital de Cery, quelques heures avant son arrestation. Il l'a giflé et menacé avec un couteau en déclarant, selon le Tribunal correctionnel de Lausanne: "Tu veux que je te bute. " Ce médecin est d'ailleurs collaborateur du chef de la psychiatrie pénitentiaire vaudoise. Skander refusera par la suite toute thérapie de la prison.

 Il est condamné, le 9   janvier 2001, à 20 mois d'emprisonnement. La peine est suspendue au profit de l'internement. Cette mesure permet de maintenir en détention, pour une durée indéterminée. Skander n'a pas commis de crime grave. Mais son comportement violent fait qu'il compromet gravement la sécurité publique.

 Ce jugement se base sur une expertise psychiatrique. Skander en avait déjà connu deux autres, lors de ses précédents jugements. Ce troisième avis confirme les troubles du détenu. Ce n'est pas un malade mental, mais il présente un trouble grave de la personnalité dyssociale. Sous l'effet des stupéfiants, le risque d'agressivité augmente. Il y a risque de récidive. L'expert ajoute: "Un traitement ambulatoire n'est pas apte à permettre un contrôle des troubles de l'accusé. Un traitement hospitalier serait insuffisant du point de vue de la sécurité institutionnelle. Seul un internement est dès lors adéquat. " Une prison psy n'existant pas, Skander est envoyé au pénitencier. Une thérapie est souhaitable.

 5 LE PÉNITENCIER

 Commence alors le combat, légal cette fois, de Skander Vogt contre l'injustice du "système carcéral et éducatif". Durant ses dix années de prison, il dénonce une "violation flagrante des droits de l'homme". Il fait recours contre toutes les décisions de justice. D'abord contre cette mesure d'internement qui le faisait passer pour un fou. Puis contre les refus annuels de sa libération à l'essai. Il se plaint aussi de maltraitance de la part des gardiens. Skander écrit aux autorités vaudoises, au Conseil fédéral, au Tribunal fédéral, à la Cour européenne des droits de l'homme.

 Ce sentiment d'injustice ne s'estompe pas. Le personnel d'encadrement remarque, un jour, que la lecture de son dossier pénal réactive sa souffrance et sa rage contre l'autorité. En prison, Skander répète inlassablement son comportement d'adolescent. On ne laisse rien passer. Les sanctions pleuvent. Pour des broutilles parfois, comme le 2   février 2002. Il endommage la machine à cigarettes qui ne lui donne pas ce qu'il veut. La punition de trois jours d'arrêt l'énerve encore plus. Il projette alors le téléviseur contre le mur de sa cellule. Ce qui le conduit directement au quartier de haute sécurité.

 Skander épuise les Etablissements de la plaine de l'Orbe qui cherchent une voie d'issue. Ils ont l'habitude, dans ce sens, de le placer dans d'autres pénitenciers de Suisse - Lenzburg (AR), Pöschwies (ZH), Thorberg (BE) -, où il passe une bonne partie de son temps carcéral. En vain. Peu à peu, la situation se dégrade. Skander vit les cinq dernières années de sa vie isolé dans la section de haute sécurité. Le régime à Bochuz y est d'une heure de promenade pour 23 heures en cellule.

 Il y a eu des lueurs d'espoir. L'adolescent est jugé intelligent, ouvert d'esprit et capable d'entreprendre un apprentissage. A lire les rapports pénitentiaires, le révolté semble parfois se calmer et choisir la coopération pendant plusieurs mois, par période. Surtout au début de ses années de pénitencier. Les prisons vaudoises tentent l'expérience du centre de sociothérapie La Pâquerette à Genève, notamment en 2004. Ce quartier de l'établissement de Champ-Dollon est destiné aux détenus présentant de forts troubles de la personnalité. Ces essais échouent. Après une période de calme, Skander retombe dans l'agression verbale et physique. Il joue à nouveau du couteau, toujours sans passer à l'acte. La directrice de La Pâquerette relève les efforts du détenu, mais la transition entre le régime de sécurité renforcée dans lequel il a presque toujours évolué ne favorise pas un retour à la socialisation.

 Ce dialogue de sourds plombe le moral des troupes. Un rapport social de Bochuz rapporte, le 29   novembre 2006: "Nous avons pu observer que plusieurs intervenants ont de la peine à accepter cette situation bloquée avec peu de possibilité d'évolution ou d'ouverture, qui nécessite une prise en charge constante par le personnel de surveillance. Cependant la contention physique très stricte semble être le seul moyen efficace d'encadrement pour M.   Vogt actuellement. "

 Le détenu vit isolé. Il écrit, écoute du rap (sa passion), et regarde la télé. Son unique lien avec l'extérieur est sa sœur et son beau-frère. Le prisonnier refuse toute formation professionnelle, et de participer à une vie de groupe. Il n'est pas contre un traitement thérapeutique, mais exige un médecin externe au service pénitentiaire. Ce qui est refusé. En juillet 2003, le pénitencier de Lenzburg parle d'un "homme fatigué, résigné, dépressif". Au fil des ans, Skander se replie ainsi sur soi, comme pour se protéger. Il accuse les autres, se remet peu en question. Il se dit être une victime du système. A la fin de sa vie carcérale, il s'autoproclamera prisonnier politique.

 Skander va toujours plus loin dans la contestation. Le 14   janvier 2004, il macule les murs de sa cellule avec ses excréments. Un geste qu'il a répété plusieurs fois. Tout comme mettre le feu dans sa cellule ou se jeter la tête la première contre un radiateur ou s'automutiler. le prisonnier n'accepte plus d'avoir effectué les 20 mois de sa peine et d'être toujours en prison à cause d'une mesure d'internement. La révision du Code pénal en 2007 n'a rien changé à sa condition.

 Skander connaîtra son heure de gloire en été 2008, lorsqu'il monte sur le toit de la prison de Bochuz. Pendant une journée, il tient en haleine la police et les médias. Il veut parler à un journaliste, pour dénoncer ses conditions de détention. Une autre de ses victoires est le droit à une nouvelle expertise psychiatrique qui peut faire évoluer son dossier. Il est mort peu après.

 Le 10   mars 2010, les gardiens privent le prisonnier de sa radio. Il s'énerve, hurle, menace de mort. La tension dure toute la journée. La nuit, il met le feu au matelas de sa cellule. Pour Skander, c'est la routine. Sauf que cette fois, les gardiens ne l'extraient pas tout de suite. Ils attendent l'aide du groupe d'intervention de la police cantonale vaudoise, parce qu'il est dangereux et qu'il avait proféré des menaces de mort. Les gardiens le laissent ainsi 90 minutes dans la fumée, avant de constater son décès à 3 h, le 11   mars. Le juge d'instruction a classé l'affaire. La famille a fait recours.

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Teletop 30.1.11

Qui garder en prison?

 La mort de Skander Vogt en cellule a, par contrecoup, soulevé le cas des peines à durée indéterminée. "Zone d'ombre" fait le point.

Pralong

 Suite à l'ordonnance de non-lieu rendue fin décembre dans l'affaire Skander Vogt et le recours déposé par sa sœur, la TSR a décidé d'avancer de deux semaines le "Zone d'ombre" qui traite du sujet pour mieux coller à l'actualité.

 "Cette affaire nous a paru prioritaire à traiter, explique William Heinzer, journaliste de l'émission. Parce qu'il y a le fait divers, la mort de Skander Vogt dans sa cellule du pénitencier de Bochuz (VD) après avoir mis le feu à son matelas, et la confusion des secours. Mais il y a surtout le problème soulevé par sa détention depuis des années alors qu'il n'avait été condamné qu'à quelques mois. Qui avait entendu parler de ce fameux article   43(lire encadré)et des gens dans son cas avant cette histoire? Pas moi en tout cas. "

 Reconstitution minutieuse

 "Cela rentrait donc parfaitement dans le cadre de "Zone d'ombre": décortiquer les faits divers qui mettent en avant les dysfonctionnements de notre société, continue William Heinzer. Dans un premier temps, on fait une reconstitution la plus minutieuse de l'affaire, comme "Faites entrer l'accusé". Mais ensuite, il y a le plateau avec les invités qui permet de débattre des problèmes soulevés. "

 Premier point, donc, la reconstitution: "Dans "Zone d'ombre", nous avons la chance d'avoir plusieurs semaines pour enquêter et rencontrer sans caméra les principaux protagonistes. Cela nous permet de savoir exactement ce que nous pourrons faire et le rôle que tiendra chacun. Pour raconter la mort de Skander Vogt, nous avions accès à l'excellent rapport du juge Rouiller, mais aussi aux images des caméras de la prison et aux conversations téléphoniques de la police qu'on trouve… sur Internet. En revanche, nous n'avons pas obtenu l'autorisation de filmer les scènes avec un acteur dans la prison de Bochuz. On les a tournées dans un sous-sol de la TSR. De plus, quelques personnes ne nous ont pas parlé parce que l'instruction était en cours, et si le chef du Service psychiatrique pénitentiaire vaudois était prêt à témoigner, sa hiérarchie le lui a interdit. Nous avons alors demandé à son homologue genevois, mais le canton n'a pas voulu se mêler de cette affaire vaudoise. "

 Si tous les faits évoqués sont connus de ceux qui ont suivi l'affaire de près, c'est moins le cas avec le portrait que dresse William Heinzer de Skander Vogt: un gamin dont la recherche désespérée du père semble à l'origine de toutes ses dérives.

 "Nous dressons un état des lieux. Ce n'est pas notre rôle d'accuser qui que ce soit. Fallait-il garder Skander Vogt en prison? Pour montrer que notre société est mal armée face à ce problème et que la réponse n'est pas évidente, nous avons tenu à évoquer deux autres cas: le meurtre de la jeune Lucie Trezzini, en 2009, par un homme qui sortait de prison. Ainsi que l'histoire de ce jeune schizophrène détenu en cellule à Bochuz depuis 2004 parce qu'il n'existe pas encore d'établissement de soins sécurisé. "

 Les invités du débat qui suit auront du pain sur la planche!

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 Son premier "Zone d'ombre"

 "Quand je regardais "Faites entrer l'accusé", je me disais que c'était le genre de choses que j'aimerais encore faire dans ma carrière", raconteWilliam Heinzer. "Quand on est venu me proposer "Zone d'ombre", j'ai donc tout de suite dit oui et quitté "Temps présent". La différence majeure entre les deux, c'est qu'on écrit tout le script avant de tourner les sujets, dans "Zone d'ombre". Et en gardant la même esthétique, ce qui fait que le téléspectateur est dans un univers connu et peut se concentrer sur l'histoire. "

 Le nombre 43

 C'est l'ancien article du Code pénal qui permettait d'emprisonner pour une durée indéterminée tout individu psychologiquement perturbé ou dangereux. Révisé en 2007 et devenu l'art. 64, il est censé s'appliquer désormais uniquement si le détenu a écopé d'une peine de cinq ans minimum et un juge d'application des peines décide une fois par an d'y mettre un terme ou non.

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Sonntagsblick 30.1.11

Im Umgang mit Verhafteten verloren sie die Nerven

 Rabiate Polizisten vor Gericht

 Der Verhaftete drohte mit Gewalt, der Polizist schlug zu - jetzt muss er vor Gericht. Er ist nicht der Einzige.

 Es passierte im vergangenen Juli bei der Verhaftung eines Betrunkenen im Waadtland. Der Mann hatte Drohungen gegen die Kinder des Polizisten ausgesprochen, während er in eine Zelle gebracht wurde. Der Polizist verlor die Nerven und schlug dem Verhafteten mit der Faust ins Gesicht, wie der designierte Polizeikommandant Pierre-Alain Raemy bestätigte. Das Opfer erlitt Verletzungen im Gesicht, verzichtete aber auf eine Klage. Nun muss der Polizist trotzdem vor Gericht. Er hatte sich jedoch sofort selber belastet und entschuldigt. Er ist weiterhin im Dienst.

 Ein zweiter Waadtländer Polizist muss ebenfalls im Februar vor Gericht. Er hatte im Februar 2010 mitten in der Nacht einen Mann, der ihm verdächtig vorkam, am Stadtrand von Lausanne verfolgt. Als der Polizist ihn gefasst hatte und nach dem Grund seiner Flucht fragte, antwortete der Mann lächelnd, er würde halt gerne rennen. Da brachte ihn der Polizist in den Wald damit er dort seinem Sport frönen könne. Der Mann verirrte sich und erstattete Anzeige. Die Polizei konnte ihm nichts Strafbares nachweisen.

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sf.tv 29.1.11

Lausanner Polizisten müssen vor Gericht

sda/godc

 Zwei Polizisten aus Lausanne wird im Februar unter anderem wegen Amtsmissbrauchs der Prozess gemacht. Ein Polizeibeamter soll im Juli 2010 einen Betrunkenen während der Inhaftierung geschlagen haben. Der Andere soll einen angehaltenen Mann am Stadtrand grundlos ausgesetzt haben.

 Der Mann hatte Drohungen gegen die Kinder des Polizisten ausgesprochen, während er in eine Zelle gebracht wurde. Dieser verlor die Nerven und schlug den Verhafteten mit der Faust ins Gesicht, wie der designierte Polizeikommandant Pierre-Alain Raemy sagte.

 Das Opfer erlitt Verletzungen im Gesicht, verzichtete aber auf eine Anzeige. Der Polizist entschuldigte sich beim Opfer. Der Polizist ist weiterhin im Dienst.

 Polizist setzt Mann aus

 Ebenfalls im Februar muss sich ein anderer Lausanner Polizist dem Richter stellen, wie vor wenigen Tagen bekannt geworden ist. Er soll im Februar 2010 mitten in der Nacht einen Verdächtigen am Stadtrand Lausannes ausgesetzt haben.

 Der englischsprachige Mann hatte die Flucht ergriffen, als er die Polizei entdeckte. Dieser gelang es, den Mann zu stoppen und auf den Polizeiposten zu bringen. Dort durchsuchte man ihn, etwas Verdächtiges wurde jedoch nicht gefunden. Als ihn ein Polizist nach dem Grund seiner Flucht fragte, antwortete der Mann lächelnd, er würde halt gerne rennen.

 Opfer wählt 117

 Der Polizeibeamte soll erwidert haben, er werde ihn in eine Umgebung bringen, wo er sich seinem Sport widmen könne. Daraufhin brachte er den Mann an den nördlichen Stadtrand Lausannes, der an einen Wald grenzt. Gegen 3 Uhr wählte der Mann, der sich komplett verirrt hatte, den Notruf 117.

 Er ist nicht der erste Fall dieser Art. 2006 beschuldigte ein junger Mann aus Eritrea die Polizei, ihn ebenfalls am Stadtrand in der Nacht ausgesetzt zu haben. Zudem warf er einem Polizisten vor, ihm Pfefferspray ins Gesicht gesprüht zu haben.

 Fünf Polizisten mussten sich im Dezember 2010 deswegen vor Gericht verantworten. Alle fünf wurden freigesprochen.

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Bund 27.1.11

Am Waldrand ausgesetzt

 Lausanne -Erneut wird der Lausanner Polizei Amtsmissbrauch vorgeworfen: Ein Polizist muss sich im Februar vor Gericht verantworten, weil er in der Nacht einen Verdächtigen am Stadtrand Lausannes ausgesetzt haben soll.

 Der Fall ereignete sich im Februar 2010 gegen 2.15 Uhr in der Früh, wie "24 Heures" gestern berichtete. Der englischsprachige Mann hatte die Flucht ergriffen, als er die Polizei entdeckte. Diese konnte den Mann stoppen und auf den Polizeiposten zu bringen. Dort durchsuchte man ihn, ohne etwas Verdächtiges zu finden. Als ihn ein Polizist nach dem Grund seiner Flucht fragte, antwortete der Mann lächelnd, er würde halt gerne rennen.

 Der Polizist soll erwidert haben, er werde ihn in eine Umgebung bringen, wo er sich seinem Sport widmen könne. Daraufhin brachte er den Mann an den nördlichen Stadtrand Lausannes, der an einen Wald grenzt. Gegen 3 Uhr wählte der Mann, der sich komplett verirrt hatte, schliesslich den Notruf 117.

 Er ist nicht der erste Fall dieser Art. 2006 beschuldigte ein junger Mann aus Eritrea die Polizei, ihn ebenfalls am Stadtrand in der Nacht ausgesetzt zu haben. Zudem warf er einem Polizisten vor, ihm Pfefferspray ins Gesicht gesprüht zu haben. Fünf Polizisten mussten sich im Dezember 2010 vor Gericht verantworten. Sie wurden freigesprochen.(sda)

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POLICE CH
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Bund 31.1.11

Militärpolizisten haben sich bewährt

 Die Erfahrungen mit dem militärischen Sicherheitspersonal vor den Berner Botschaften sind gut. Ab 2013 wird es aber ein neues Regime bei der Botschaftsbewachung geben.

 Bernhard Ott

 Sie tragen olivgrüne Uniformen und haben eine mehrmonatige Ausbildung hinter sich: Die seit Mitte 2009 im Einsatz stehenden Militärpolizisten vor den Botschaften in der Bundesstadt haben das Image des militärischen Botschaftsschutzes verbessert. Die Bilder von gelangweilten Milizsoldaten gehören definitiv der Vergangenheit an. "Die diplomatischen Vertretungen werden nur noch vereinzelt von Durchdienern bewacht", sagt Roger Schneeberger, Generalsekretär der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren (KKJPD). Rund ein Drittel des Botschaftsschutzes bestehe aus Angehörigen der militärischen Sicherheit. Die bisherigen Erfahrung mit den Militärpolizisten seien gut, sagt Schneeberger.

 "Keine Bundespolizeireserve"

 Nach Angaben der Kantonspolizei Bern besteht der Botschaftsschutz in der Stadt Bern zurzeit aus 96 Polizisten und 39 Militärpolizisten. Die Militärpolizisten sind den zivilen Einsatzkräften weitgehend gleichgestellt. So sind sie unter anderem auch befugt, zivile Personen anzuhalten oder zu kontrollieren. Die militärische Sicherheit ist allerdings "keine Bundespolizeireserve, sondern ein militärischer Verband der Armee", wie es in einer Broschüre für Auszubildende heisst. Der dauerhafte Einsatz der Armee im unterstützenden Ordnungsdienst ist laut Schneeberger aber umstritten. "Hierzu gibt es verschiedene, sich widersprechende Gutachten von Rechtsprofessoren."

 Verstoss gegen die Verfassung?

 Für Schlagzeilen sorgte zuletzt eine Expertise, die der St. Galler Rechtsprofessor Rainer J. Schweizer im Auftrag des VBS erstellt hatte. Schweizer kam zum Schluss, dass langfristige Einsätze der Armee im zivilen polizeilichen Ordnungsdienst verfassungswidrig seien. Die Bundesverfassung halte klar fest, dass die Armee die zivilen Behörden "nur in ausserordentlichen Lagen" unterstützen dürfe. Die Armee dürfe nicht Ersatzpolizei spielen, "nur weil gewisse Kantone nicht bereits sind, das nötige Geld für die Aufstockung ihrer Polizeikorps zur Verfügung zu stellen", hielt Schweizer fest.

 Nationale Polizei ist "kein Tabu"

 VBS-Vorsteher Ueli Maurer (SVP) möchte die Armee seit längerem aus polizeilichen Daueraufträgen zurückziehen. Für 2013 ist zudem eine Neuaushandlung des Regimes für die Botschaftsbewachung traktandiert. Die KKJPD hat daher eine Arbeitsgruppe unter dem Tessiner Regierungsrat Luigi Pedrazzini (CVP) eingesetzt. Diese hat laut Schneeberger den Auftrag, eine Neudefinition der polizeilichen Aufgaben und der dafür benötigten Mittel vorzunehmen.

 Dabei dürfte es letztlich um eine Aufstockung der Polizeikräfte oder die Bildung einer nationalen Einheit aus Reservepolizisten gehen, wie die "SonntagsZeitung" unlängst berichtete. Schneeberger bestätigt, dass unter anderem diese Massnahmen diskutiert würden. "Die Bildung einer polizeilichen Reserveeinheit ist kein Tabu." Die Formierung einer nationalen Sicherheitspolizei mit Beteiligung des Bundes ist in der Vergangenheit allerdings verschiedentlich am politischen Widerstand gescheitert.

 Nause: "Ich bin froh um Profis"

 In den nächsten zwei Jahren jedenfalls bleiben die olivgrünen Uniformen der Militärpolizei im Botschaftsviertel Kirchenfeld präsent. "Diese Leute machen einen guten Job", sagt Gemeinderat Reto Nause (CVP). Die Herausforderungen seien gross. Der Wechsel der internationalen Brennpunkte habe oft auch Folgen für den Botschaftsschutz, wie die jüngst erfolgte Besetzung der tunesischen Botschaft wieder gezeigt habe. Er sei froh, dass diese Arbeit durch Profis erledigt werde, sagt Nause.

 "Ich habe nie Negatives über die Militärpolizisten gehört", sagt auch Sabine Schärrer, Präsidentin der Quartierkommission (QUAV4). "Unschön" und "unwirtlich" seien einzig die Absperrungen, Zäune und Kameras, mit denen die Botschaftsgebäude abgesichert würden.

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admin.ch 26.1.11

Bundesrat anerkennt Stellenmehrbedarf des Grenzwachtkorps

Bern, 26.01.2011 - Der Bundesrat hat an seiner heutigen Sitzung den ,Bericht über die Eidg. Zollverwaltung EZV" gutgeheissen. In Erfüllung dreier parlamentarischer Vorstösse zur Personalsituation in der Eidgenössischen Zollverwaltung EZV anerkennt der Bundesrat einen Stellenmehrbedarf beim Grenzwachtkorps (GWK). Er wird im Rahmen der Prioritätensetzung und der vorhandenen Mittel der Personalsituation des GWK besondere Beachtung schenken und versuchen, die Lücken zu schliessen.

2008 und 2009 wurden drei parlamentarische Vorstösse zur Personalsituation in der EZV (ziviler Zoll und Grenzwachtkorps) eingereicht: das Postulat Hildegard Fässler-Osterwalder vom 24.9.2008 (08.3513), die Motion Hans Fehr vom 23.9.2008 (08.3510) und das Postulat der Sicherheitspolitischen Kommission des Ständerates vom 24.8.2009 (09.3737). Im Bericht, den der Bundesrat heute verabschiedet hat, nimmt er - in Erfüllung dieser parlamentarischen Vorstösse - eine Gesamtschau der Personalsituation der EZV vor.

Der Bericht zeigt die vielfältigen Aufgaben der EZV zugunsten der Wirtschaft und der Sicherheit auf. Die intensive Vernetzung des Grenzwachtkorps GWK und des zivilen Zolls wird ebenso ersichtlich wie die Anstrengungen, welche die EZV in den vergangenen Jahren sowohl beim zivilen Zoll als auch beim GWK erbracht hat, um ihre Mittel bestmöglich zu nutzen. Dabei wird aufgezeigt, wie die Leistungen mit weniger Personal erbracht wurden.

Der Bericht schildert auch die personellen Einflüsse und Auswirkungen von Schengen/Dublin auf die EZV, insbesondere auf das GWK. Weiter erläutert der Bericht die Zusammenarbeit zwischen der EZV und den Kantonen sowie dem VBS.

Schlussfolgerungen des Bundesrates

Zum Postulat Fässler hält der Bundesrat fest, dass er den von der EZV ursprünglich ausgewiesenen Mehrbedarf von 95 Stellen (60 beim zivilen Zoll und 35 beim GWK) teilweise anerkennt. Er kommt zum Schluss, dass der Mehrbedarf für das GWK nachvollziehbar ist. Per 1. Januar 2011 hat das Parlament bereits 11 zusätzliche Stellen für das GWK bewilligt, wonach der neue Mehrbedarf auf 84 Stellen reduziert werden kann. Der Bundesrat räumt zudem ein, dass der Spielraum für Personalaufstockungen gering ist, weshalb er auch künftig nur bedingt auf Stellenbegehren Rücksicht nehmen kann. Er hat deshalb die Abschreibung des Postulates beschlossen. Bei der Motion Fehr sieht der Bundesrat zum heutigen Zeitpunkt keine Veranlassung, den Personalbestand des GWK um 200 bis 300 Stellen zu erhöhen. Zumal auch die EZV für das GWK nur einen Mehrbedarf von 35 bzw. neu 24 Stellen ausweist. Der Bundesrat erachtet ausserdem die Löhne des GWK als konkurrenzfähig.

Postulat der Sicherheitspolitischen Kommission des Ständerates: Der Bundesrat ist der Auffassung, die Wirkung, die das GWK mit den heutigen Mitteln erzielt, sei ausreichend. Er ist überzeugt, dass durch das Zusammenwirken zwischen zivilem Zoll und GWK die Ressourcen der EZV insgesamt wirksam und effizient genutzt werden. Der Bundesrat will aber in diesem Jahr mit einer Erhebung der Aufgaben des GWK zugunsten der Kantone prüfen, ob bzw. inwiefern hier Mittel für die Zollverwaltung freigespielt werden sollen. Auch wird aufgrund dieser Erhebung zu prüfen sein, ob Leistungen zugunsten der Kantone abgebaut, rückübertragen oder abgegolten werden sollen.

Der Bundesrat kommt zum Schluss, dass der von der EZV ausgewiesene Stellenmehrbedarf für das GWK nachvollziehbar ist, nicht jedoch für den zivilen Zoll. Er wird im Rahmen der Prioritätensetzung und der vorhandenen Mittel der Personalsituation des GWK besondere Beachtung schenken und versuchen, die Lücken zu schliessen.
Adresse für Rückfragen:
Roland Meier, Mediensprecher EFD, Tel 031 322 60 86
Herausgeber:

Eidgenössisches Finanzdepartement
Internet: http://www.efd.admin.ch

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NZZ 29.1.11

KKJPD und die verdeckte Ermittlung

 fsi. · Die Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren (KKJPD) hat sich am Freitag in Bern mit dem Problem der verdeckten Ermittlung befasst. Gemäss der eidgenössischen Strafprozessordnung ist diese nur noch beim Verdacht, dass eine Straftat begangen wurde, erlaubt. Damit ist die Kontaktaufnahme der Polizei mit mutmasslichen Pädokriminellen unter falscher Identität in Internetforen nicht mehr möglich. Laut Roger Schneeberger, Generalsekretär der KKJPD, sind sich die Magistraten in der Problemanalyse einig. Eine Arbeitsgruppe soll nun einen Lösungsvorschlag erarbeiten, der sowohl den künftigen Umgang mit verdeckten Ermittlungen als auch jenen mit der verdeckten Fahndung definiert.

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BZ 27.1.11

Chatrooms: Berner Polizei darf bald verdeckt ermitteln

 KriminalitätIm Kanton Bern soll die vorsorgliche verdeckte Fahndung beispielsweise nach Pädophilen im Internet bald wieder möglich sein. Gestern überwies der Grosse Rat zwei entsprechende Vorstösse.

 Bis Ende letzten Jahres war die Chatroomüberwachung im Internet auf Bundesebene geregelt. Mit Inkrafttreten der neuen Strafprozessordnung Anfang 2011 entfiel jedoch dieses Rechtsgrundlage. Nun ist es den Kantonen überlassen, ob, wann und wie sie diese Lücke schliessen wollen.

 Dass sie im Kanton Bern schnell geschlossen werden muss, war gestern im Kantonsparlament unbestritten: Mit dem Einverständnis der Regierung überwies der Grosse Rat zwei SVP-Motionen.

 Signal an Pädophile

 Grossrat Lars Guggisberg (Ittigen) forderte in seinem Vorstoss vor allem den Schutz von Kindern vor Pädophilen im Internet. Er veranschaulichte dies anhand eines Falles, der sich im Kanton Zürich zugetragen haben soll. Dort habe ein 23-jähriger Mann in einem Chatroom für Jugendliche ein 13-jähriges Mädchen angemacht und mit ihr ein Treffen vereinbart. Am Treffpunkt habe ihn dann die Polizei festgenommen, und unlängst sei er von einem Gericht wegen mehrfach versuchter sexueller Handlung mit Kindern verurteilt worden. "Im Kanton Bern wären der Polizei in einem solchen Fall die Hände gebunden", so Guggisberg. Derzeit seien hier verdeckte Ermittlungen nur zulässig, wenn der Verdacht bestehe, dass bereits strafbare Handlungen begangen worden seien. Guggisberg: "Dann ist es zu spät." Deshalb fordert er, dass auch die Berner Polizei legal im Chatroom anwesend sein und gerichtlich verwertbare Beweise sammeln dürfe. Schliesslich geht es Guggisberg auch darum, Pädophilen zu signalisieren: "Im Internet seid ihr nicht sicher."

 Gesetz schon ab April in Kraft

 Guggisbergs Parteikollegen Sabina Geissbühler (Herrenschwanden) und Andreas Blank (Aarberg) gehen in ihren Forderungen weiter und wollen auch bei anderen Delikten etwa beim Drogenhandel Rechtsgrundlagen für verdeckte polizeiliche Ermittlungen schaffen. "Schenken wir doch der Polizei das Vertrauen, dass sie ihren Job korrekt macht", so Blank. Bei der Ratsmehrheit und bei Polizeidirektor Hans-Jürg Käser (FDP) rannten die Motionäre damit offene Türen ein. "Vor allem bei der Fahndung nach Pädophilen im Internet kann die Kantonspolizei nicht auf die verdeckte Ermittlung verzichten", so Käser. Namentlich aus der Sicht potenzieller Opfer müsse die Verhinderung einer Straftat das höchste Ziel sein. Wie Käser in seiner Antwort klarmachte, wolle auch die Regierung die Gesetzeslücke bald schliessen. Wie die Motionäre Geissbühler und Blank will auch der Kanton verdeckte Ermittlungen nicht allein auf den Bereich Pädokriminalität im Internet beschränken.

 Käser schlug vor, die Revision des Polizeigesetzes aufzusplitten und die dringenden Punkte präventive Observation und verdeckte Ermittlungen in einem beschleunigten Verfahren zu regeln. Die Beratung über die Teilrevision des kantonalen Polizeigesetzes sei bereits für die Märzsession vorgesehen, die Inkraftsetzung für Anfang April. Die umfassende Revision des Polizeigesetzes soll wie geplant bis 2014 realisiert werden.

 Als erster Kanton hat Schwyz die Gesetzeslücke geschlossen. Deshalb ist er nun auch für die Cyberpolizei des Bundes zuständig.

 Andrea Sommer

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BIG BROTHER VIDEO
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Thuner Tagblatt 29.1.11

Kameras filmen erst im Jahr 2012

 Videoreglement. Nun ist klar, dass es in Bern doch keine Volksabstimmung zur Videoüberwachung geben wird. Die Referendumsfrist ist ungenutzt verstrichen.

 Die sowohl von bürgerlicher als auch rot-grüner Seite angedrohten Referenden zum städtischen Videoreglement wurden nicht ergriffen. Die Frist ist ungenutzt verstrichen. Im besten Fall hat die Stadt Bern im April ein gültiges Videoreglement. Der Gemeinderat wird es demnächst in Kraft setzen. Das bedeutet allerdings nicht, dass im Frühjahr bereits Überwachungskameras in Betrieb genommen werden.

 Denn: Das Gesuchsverfahren ist kompliziert und langwierig. Die einzelnen Standorte und Kredite müssen jeweils vom Stadtrat abgesegnet werden. Frühestens 2012 könnten die ersten Videokameras öffentliche Plätze überwachen, heisst es bei der Sicherheitsdirektion. Die ersten Kameras sollen beim Stade de Suisse installiert werden.
 mm

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FREIRAUM SO
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Solothurner Zeitung 27.1.11

Fraktionen fordern von der Polizei ein entschlosseneres Eingreifen

 Party im Vogt-Schild-Gebäude Mit Ausnahme der SP, die sich voll und ganze hinter das Verhalten der Polizei in jener Nacht vom 6. auf den 7. November 2010 stellte, meldeten sich die übrigen Fraktionen gestern mit durchaus kritischen Voten zu Wort. An jenem Wochenende im Herbst war die Polizei von Nachbarn des Vogt-Schild-Gebäudes in Solothurn alarmiert worden. Dort fand eine unbewilligte, wilde Party mit über 300 Personen statt, wobei es zu massiver Sachbeschädigung kam. Die Polizei aber griff nicht ein.

 Auf Unverständnis in breiten Bevölkerungskreisen stiess insbesondere, dass die Polizei selbst nach dem Ende der Party nicht genügend Polizeikräfte vor Ort stationierte hatte, um die Personalien der Drahtzieher aufzunehmen. Auch die Stellungnahme der Regierung zu einer entsprechenden Interpellation der Fraktion CVP/EVP/GLP vermag die Kritik nicht wirklich zum Schweigen zu bringen.

 Falsches Signal ausgesendet

 "Wir sind mit den Antworten nicht zufrieden", hielt Markus Flury (GLP, Hägendorf) im Auftrag seiner Fraktion unmissverständlich fest. Sauer stösst Flury auf, wenn die Regierung von einer "zunächst beinahe alltäglichen Situation" spricht, die erst später eskaliert sei. Flury: "Wenn eine Polizeipatrouille sieht, dass sich Hunderte von Jugendlichen in Richtung Vogt-Schild-Gebäude bewegen, dann ist das keine alltägliche Situation." Das passive Verhalten der Polizei sende, so Flury, ein falsches Signal aus. "Die Jugendlichen müssen den Eindruck erhalten, dass Partys mit Sachbeschädigung im Kanton Solothurn möglich sind, vorausgesetzt es kommen genügend Leute."

 Yves Derendinger (FDP, Solothurn) erachtete es als Sprecher seiner Fraktion zwar als richtig, dass die Polizei, um mögliche Gefährdungen von Leib und Leben der Betroffenen zu verhindern, nicht sofort eingegriffen hat. "Sie hätte die Party aber die ganze Nacht beobachten müssen, wodurch sie dann wahrscheinlich die Personalien der Organisatoren, welche die Party in der Regel am Schluss verlassen, hätten aufnehmen können." Der Fraktionssprecher der Grünen, Felix Wettstein (Olten) meinte, dass die Jugendpolizei mehr Ressourcen für die generelle Beobachtung der Partyszene einsetzen müsste. SVP-Sprecher Herbert Wüthrich (Gerlafingen) machte es kurz: "Die Polizei wird aus dem Vorfall ihre Lehren ziehen."

 Totale Sicherheit ist nicht möglich

 "Die sehr erfahrene Einsatzleitung hat richtig und angemessen gehandelt", unterstützt Hansjörg Staub (SP, Dornach) im Namen seiner Fraktion die Strategie der Polizei. Und: "In einem freien Staat kann maximale Sicherheit nie totale Sicherheit bedeuten." Polizeidirektor Peter Gomm unterstrich, dass es nicht die Aufgabe der Regierung und des Kantonsrates sei, die Strategie der Polizei zu bestimmen. Gomm betonte im Weiteren, dass die Verantwortlichen in der Zwischenzeit gefunden wurden. "Die Angst, dass die Täter durch das Vorgehen der Polizei nicht ermittelt werden können, war unbegründet." (esf)

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SQUAT FR
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La Liberté 31.1.11

Les suites d'un squat en images

 Fribourg - A la suite de l'occupation par Raie Manta de Boxal, des panneaux de coffrage ont été posés. Cela a inspiré un photographe.

 Kessava Packiry

 Il suffit de peu de choses pour faire de l'art. Des panneaux de coffrage par exemple. Le photographe Christoph Schütz, en collaboration avec le collectif Raie Manta, a joué dans l'ironie en faisant de ces panneaux posés aux portes des différents locaux de l'Espace Boxal, à Fribourg, le thème d'une exposition intitulée "the yellow series", visible au café le XXe.

 Ironie car ces panneaux de bois ont été posés pour empêcher définitivement l'accès au lieu, notamment à la suite de l'occupation de l'Espace Boxal par Raie Manta, un collectif d'une vingtaine de jeunes qui recherche un lieu pour la culture alternative, et qui s'est illustré en occupant entre octobre et décembre 2010 des bâtiments comme La Chassotte à Givisiez, mais aussi des édifices à la rue de l'Industrie et de la route Neuve à Fribourg.

 Visuellement intéressants

 Entre le 27 octobre et le 9 novembre, Raie Manta avait investi l'Espace Boxal et y avait proposé différentes activités festives qui avaient attiré bon nombre de visiteurs. Avant de se faire évacuer par les forces de l'ordre. Mais cette expérience a démontré, selon Raie Manta, qu'il y a à Fribourg une forte attente pour ce genre de projet de vie alternative.

 "Durant le squat, j'ai proposé aux membres de Raie Manta de faire des photos d'eux, à visage découvert. Mais ils n'ont pas voulu. Ils entendaient éviter des conséquences juridiques. Ce que je peux comprendre", explique Christoph Schütz, lui-même locataire à l'Espace Boxal. Le photographe s'est donc focalisé sur ces panneaux, "visuellement intéressants". Ce sont ces images - près de vingt-cinq - qu'il expose à Fribourg. Mais il y a aussi des portraits, masqués. Un seul a accepté d'être photographié à visage découvert, précise Christoph Schütz.

 Une Raie refroidie

 "Nous voulons bien donner nos noms et montrer nos visages, mais uniquement le jour où nous disposerons d'un local", argumentent quelques jeunes membres du collectif croisés lors du vernissage, hier en fin d'après-midi. "Car il manque vraiment un lieu à Fribourg pour ce que nous proposons: pas seulement pour la culture alternative, mais un endroit qui se veut aussi un lieu de rencontre - il suffit de voir tous ces jeunes traîner le soir autour de la gare. Nous imaginons aussi y proposer des repas populaires, et y aménager une garderie pour enfants, dont s'occuperont à tour de rôle des parents en fonction de leur temps libre."

 Depuis La Chassotte, Raie Manta n'a plus fait parler de lui. L'évacuation par les forces de l'ordre a été assez musclée. "ça nous a refroidi. Nous avons toujours agi de manière non violente. C'était disproportionné", affirment deux jeunes femmes ayant vécu cet épisode. "Mais nous n'avons pas baissé les bras. Nous avons d'autres projets en vue. Nous cherchons juste à revoir la manière de les mener à bien."

 Invité au vernissage, le préfet de la Sarine Carl-Alex Ridoré est conscient du problème. "En ce qui concerne le volet culturel de leur projet, le constat est clair et n'est pas nouveau. Pour l'instant, des solutions ont été trouvées de manière ponctuelle. Mais le problème reste entier, c'est incontestable." I

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 Le TF lui donne raison

 L'Espace Boxal à Fribourg appartient à Refonda, une société qui gère les anciens sites de production de Boxal. Une septantaine de locataires occupaient les lieux, avant de recevoir la résiliation de leur contrat. Il n'en reste qu'un: Christoph Schütz. Le préfet a ordonné que les lieux soient évacués pour septembre dernier. Une décision contre laquelle le photographe a fait recours. L'affaire est toujours en suspens au Tribunal administratif. Christoph Schütz a également fait recours contre la résiliation de son contrat. L'affaire est montée jusqu'au Tribunal fédéral, qui vient de lui rendre raison, indique Christoph Schütz, qui en dira plus dès qu'il aura la décision sous les yeux. KP

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SQUAT ZH
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Tagesanzeiger 31.1.11

Demonstration

 Friedlicher Protest gegen Yuppisierung Zürichs

 Zürich - Rund 300 Personen haben am Samstagnachmittag im Kreis 4 gegen die Yuppisierung der Stadt Zürich protestiert. Sie kritisierten, dass immer mehr ältere Wohnungen und Häuser verschwinden. Die Aufwertung der Stadt führe zu verteuerten Mieten, die sich kein Normalsterblicher mehr leisten könne, so ein Sprecher an der Demo. Als Beispiel wurde der kürzlich geschlossene Tessinerkeller angeführt, der zurzeit von Besetzern bewohnt wird (TA vom Samstag). Die Demonstration verlief laut Stadtpolizei friedlich.(rd)

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tagesanzeiger.ch 29.1.11

Zürcher Innenstadt in der Hand von Demonstranten

Martin Sturzenegger

 Gleich zwei Demonstrationszüge zogen am Samstagnachmittag durch die Zürcher Innenstadt. Ihre jeweiligen Anliegen waren grundverschieden.

 Samstagnachmittag in der Zürcher Innenstadt: Rund 200 Leute marschieren durch mit farbigen Ballons in der Hand durch die Wohnviertel im Kreis 4. Angetrieben werden sie von lauter Musik, die aus portablen Lautsprechern schallt. An der Kreuzung der St. Jakobstrasse und Müllerstrasse machen die Leute halt. Die Musik wird leiser geschaltet und die Anführer der Demonstration übernehmen das Wort.

 Schnell wird klar, hier wird gegen ein Problem demonstriert, das Zürcherinnen und Zürcher zurzeit sehr stark beschäftigt: Teure Wohnungsmieten. Konkret richtet sich der Groll gegen Liegenschafter, die ältere Wohnobjekte in der Stadt erwerben, renovieren und schliesslich zu einem mehrfachen des ursprünglichen Preises weitervermieten. Die Kundgebung wurde im Internet angekündigt: Man wolle gegen Aufwertung, teure Mieten und billigen Kommerz demonstrieren. Die Polizei beobachtet das Geschehen aus der Distanz, sieht aber keinen Anlass einzugreifen, solange die Protestierenden sich friedlich verhalten würden, wie ein Polizist gegenüber mitteilt.

 Vera Gloor in der Kritik

 Im Kreuzfeuer der Kritik steht zurzeit Vera Gloor. Die junge Architektin ist auch für den Umbau des kürzlich geschlossenen Tessinerkeller zuständig, gegen die mit einer Hausbesetzung zurzeit protestiert wird. "Sie ist nur eine von vielen", sagt der Sprecher der Demonstration. Und weiter: Gloor stehe stellvertretend für eine neue Generation von jungen Liegenschaftsverwaltern und Architekten, die mit dem Vorwand "der Aufwertung" immer zahlreiche Liegenschaften erwerben. Von einer wirklichen Aufwertung könne aber nicht die Rede sein. Im Gegenteil: "die verteuerten Mieten kann sich kein Normalsterblicher mehr leisten", so der Sprecher.

 Um etwa 15.30 Uhr zieht der Demonstrationszug weiter in Richtung Piazza Celio an der Zürcher Langstrasse. Dort soll die Kundgebung fortgesetzt werden. Derweil sind unweit davon weitere Protestrufe zu hören: "Wir sind für das Leben, Freiheit für den Iran!" Die Kundgebung an der Tramhaltestelle Stauffacher richtet sich gegen Despotismus und Hinrichtung durch die islamische Republik im Iran. "Hinrichtung gehören im Iran zum Tagesgeschäft", sagt ein Teilnehmer der Demonstration gegenüber . "Die Islamische Republik Iran missachtet und verletzt die Menschenrechte nach wie vor systematisch". An der Kundgebung nehmen rund 120 Leute teil. Sie verlieft friedlich, wie übrigens auch die Demonstration gegen die hohen Wohnungsmieten.

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Tagesanzeiger 29.1.11

Der letzte Widerstand

 Am Tessinerkeller entzündet sich wieder einmal die Diskussion über die Gentrifizierung Zürichs. Die Besetzer des Lokals werden von etablierten Leuten unterstützt. Doch der Abriss scheint unausweichlich.

 Von Dario Venutti

 Zürich - Allzu viel Geschichtsbewusstsein möchte man der jüngsten Generation von Hausbesetzern ja gar nicht attestieren. Aber einen Sinn für Symbole hat "Familie Lang", wie sich die 20 bis 30 Aktivisten nennen, allemal: Vor zwei Wochen besetzte sie das Areal des Tessinerkellers an der Neufrankengasse. Kaum ein anderes Lokal im Langstrassenquartier verkörpert seit Kurt Frühs Filmen "Hinter den sieben Geleisen" und "Bäckerei Zürrer" aus den 50er-Jahren das, wofür "Chreis Cheib" steht: eine Gegend, in der auch Clochards, Tagelöhner und Alkoholiker Platz haben. Wie in der früheren "Räuberhöhle".

 Doch dieser Charakter des Langstrassenquartiers verschwindet allmählich. Was die Stadtregierung Aufwertung nennt, sehen die Besetzer als "soziale Säuberung", wie es einer von ihnen sagt, der als Herr Lang bezeichnet werden will. Die steigenden Mieten würden Menschen in prekären Verhältnissen zwingen wegzuziehen: Alte, Arme, Ausländer. Um ein Zeichen zu setzen, hätten sie das Areal des Tessinerkellers besetzt, sagt Herr Lang. Die Besetzer sind wache, junge Menschen, aber gleichermassen Outlaws wie die Besucher des Tessinerkellers in den 50er-Jahren.

 Ein verlorener Kampf

 Die Besetzung ist ein letzter Akt in einem Kampf, der wohl schon längst verloren ist. Das Gebäude wird im Februar abgerissen, weil dort die Baustellenzufahrt für die SBB-Überbauung "Urban Home" durchführen soll, wo bereits 4,5-Zimmer-Wohnungen für 2,5 Millionen Franken verkauft wurden. Trotzdem mobilisiert das bevorstehende Ende nochmals verschiedene Gruppierungen: die Besetzer, den Verein "Neufrankenschneise Nein", Politiker aus der Alternativen Liste, Stadtforscher. Zusammen organisieren sie heute Samstag einen Rundgang durch den Kreis 4, an dem die Veränderungen im Quartier gezeigt und erklärt werden.

 "Die Besetzung ist ein politischer Akt. Sie zeigt, dass man das Quartier noch nicht aufgegeben hat", sagt Reto Plattner vom Verein "Neufrankenschneise Nein". Der Verein verlor 2008 das Referendum gegen die neue Baulinie, die zum Abriss des Tessinerkellers führen wird. In den Kreisen 4 und 5 hingegen wurde das Referendum mit 55 Prozent angenommen.

 Plattner erlebt derzeit am eigenen Leib, was die Aufwertung auch mit sich bringt: Er musste ausziehen, weil die Wohnung saniert wird. Die neue Miete würde er nicht zahlen können. Gegenwärtig nomadisiert er von Freund zu Freund. Menschen mit seinem sozialen Profil würden nur noch in Leimbach eine bezahlbare Wohnung finden, sagt er. Doch Plattner möchte dort bleiben, wo sein Leben stattfindet - genauso wie die Migros-Kassiererin aus der Türkei oder der Bauarbeiter aus Kosovo.

 Auch die Besetzer wollen sich nicht vertreiben lassen. "Das Areal soll ein undefinierter Raum sein, in dem sich jeder einbringen kann", sagt Herr Lang. In den letzten beiden Wochen fanden zwei Konzerte und ein eingeschränkter Barbetrieb statt. Für Leute, welche an der Atlantis-Besetzung fröhliche Partys feierten, war das bisher zu wenig. Doch die Besetzer möchten keinen weiteren Beitrag leisten zum "Disneyland an der Langstrasse". "Wenn das Partyvolk kommt, machen wir den Laden dicht", sagt Herr Lang. Sie planten keine Veranstaltungen, die auf Ron Orp angekündigt werden. Wovor sich die Besetzer fast genauso fürchten wie vor einer Räumung: Subkultur genannt zu werden, mit dem die Stadt in ihren Broschüren Standortwerbung mache. Wie beim besetzten Gebäude in der Binz.

 Laut Plattner müsste man den Tessinerkeller und die dahinter liegende frühere Bombaybar noch gar nicht abreissen. Bis zu einem rechtsgültigen Bauprojekt auf dem Areal würden noch Monate vergehen, während denen man das Lokal weiternutzen könnte. Die Besetzer glauben nicht, dass die Baustellenzufahrt zur SBB-Überbauung just über das Areal führen müsse. "Das ist ein vorgeschobenes Argument", sagt auch Reto Plattner. Die Zufahrt wäre links vom Restaurant Straycat möglich.

 Die Architektin Vera Gloor, die Vertreterin der Liegenschaftsbesitzer, widerspricht dem. Der Abbruch des Tessinerkellers sei nicht mehr zu verschieben, weil man an den Mietvertrag mit den SBB für die Baustellenzufahrt gebunden sei. Und links vom Restaurant Straycat könnten wegen der Tiefgarage keine Lastwagen durchfahren.

 Architektin Gloor wehrt sich

 Gloor sagt, sie sei nicht das richtige Feindbild, um an ihm die Probleme der Gentrifizierung festzumachen. Sie werde voraussichtlich im Sommer ein Bauprojekt eingeben, das sich nicht in erster Linie an den sogenannten neuen urbanen Mittelstand richte: also an Anwälte, Grafiker, Ärzte. Sondern an Alte und Auszubildende, die für einen Mietzins von 1000 bis 1200 Franken pro Zimmer und Gemeinschaftsraum dort wohnen könnten. "Falls die Besetzer nicht freiwillig gehen, bleibt mir nichts anderes übrig, als die Polizei zu rufen", sagt Gloor. Die Deadline ist am nächsten Dienstag.

 Quartierrundgangheute Samstag, Besammlung auf dem Helvetiaplatz,15 Uhr.

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RANDSTAND WINTERTHUR
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NZZ 29.1.11

Auslegeordnung zum Merkurplatz

 Stadt Winterthur orientiert über den Zwischenstand beim Projekt "Merkur"

 Winterthur legt Varianten für die Aufwertung des Merkurplatzes zwischen Manor und Stadtpark vor. Nach Auflösung der Alkohol- und Drogenszene wurden Verpflegungsstände angesiedelt, und nun soll der Platz städtebaulich neu gestaltet werden.

 Florian Sorg

 Der Winterthurer Innenstadtbereich um Musikpavillon und Merkurplatz soll wieder ein unverkrampft belebter Ort werden. Im März 2008 hatte die Stadtpolizei die offene Alkohol- und Drogenszene aufgelöst und damit das Projekt "Merkur" eingeleitet. Dazu gehören auch eine engere Betreuung der Süchtigen, eine Zwischennutzung des Platzes und eine städtebauliche Neugestaltung. Vorerst förderte man die Ansiedlung von Verpflegungsständen. Dieser Zwischennutzung ist ein mässiger Erfolg beschieden, Zulauf und Umsätze halten sich in Grenzen. Aber die Szene ist nicht zurückgekehrt. Dafür wirkt heute der Platz selbst etwas randständig.

 "Stadtreparatur" in Varianten

 Nun soll die Situation durch eine städtebauliche Aufwertung konsolidiert werden; für die "Testplanung Musikpavillon und Stadtgarten" wurden drei interdisziplinäre Teams eingeladen. Am Freitag haben Vertreter der Stadt erste Zwischenergebnisse präsentiert. Für den Planungsperimeter zwischen Stadthaus- und Museumstrasse liegen jetzt drei Entwürfe vor.

 Laut Bauvorsteherin Pearl Pedergnana sind die betroffenen Grundstücke teils in städtischem und teils in privatem Besitz. Man sei im Gespräch, eine Aufwertung liege im beiderseitigen Interesse. Oliver Strässle vom Amt für Städtebau erinnerte an die frühere Offenheit und Vielfalt des Platzes. Nun gelte es, diese Qualitäten durch eine "Stadtreparatur" wieder zu schaffen.

 Das Konzept "Stadtgarten" sieht eine offenere Anbindung des Parks an den Platz vor. Nicht im Gespräch ist hingegen eine Ausdehnung der Grünfläche auf den Merkurplatz. Einladendere Verbindungen zu Bahnhof und Altstadt hin prägen die Variante "Warenhaus und Merkurplatz". Gefordert ist hier die Mitwirkung privater Anstösser, unter anderem durch bauliche Anpassungen im Erdgeschoss des Warenhauses Manor. Im Konzept "Stadtliegenschaften" schliesslich stehen die stadteigenen Restaurant-Liegenschaften im Zentrum. Unter anderem soll der alte Biergarten beim "Rheinfels" die gutbürgerliche Szene am Rande des Stadtparks mitprägen.

 Der Musikpavillon selbst als Namensgeber des einstigen Randständigen-Treffs steht vor einer unsicheren Zukunft. Vor 20 Jahren als Orchester-Dach für Platzkonzerte erstellt, wurde die Metall-Installation bald Versammlungsort für Drogen- und Alkoholsüchtige. Eine Erhaltung des Pavillons wurde im Rahmen der Testplanung von keiner Seite gross thematisiert.

 Neue Anlaufstelle blockiert

 Mit dem Rückzug der Randständigen vom Musikpavillon hat laut Sicherheitsvorstand Michael Künzle Winterthurs Sogwirkung auf den Drogenhandel nachgelassen. Die heutigen Treffpunkte in der Stadt seien kleiner und polizeilich besser kontrollierbar, vermehrt suchten die Süchtigen auch die Anlaufstelle beim Arch-Areal auf. Dort wird es zunehmend eng, der Umzug in ein grösseres Lokal an der Zeughausstrasse ist geplant und von den Stimmberechtigten längst bewilligt. Nach wie vor wird das Projekt aber von Anwohnern bekämpft, nach Niederlagen bei allen Vorinstanzen jetzt vor dem Bundesgericht.

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tagesanzeiger.ch 28.1.11

"Merkur" putzt städtischen Schandfleck weg

sda / tif

 Die Stadt Winterthur will Leben auf den Merkurplatz beim Stadtpark bringen.

 Seit die offene Drogen- und Alkoholikerszene in der Winterthurer Innenstadt geräumt wurde, wird der Merkurplatz beim Stadtpark nur wenig von der Bevölkerung genutzt. Mit dem Projekt "Merkur" soll der einstige Schandfleck nun wieder zu einem lebendigen Teil der Altstadt werden.

 Für Stadtrat Michael Künzle ist das Projekt "Merkur" eine regelrechte "Stadtreparatur", wie er am Freitag in Winterthur vor den Medien sagte. Es bestehe aus drei konkreten Teilprojekten, die nun weiterverfolgt würden.

 Es gibt noch keinen Zeitplan

 Auf einen konkreten Zeitplan will sich der Polizeivorsteher nicht einlassen. Erste Ergebnisse dürften aber noch in diesem Jahr zu erwarten sein.

 Erstes Projekt wäre eine Verschönerung des Manor-Warenhauses, das direkt an den Merkurplatz grenzt. Ein besser genutztes, lebendigeres Erdgeschoss sowie schöner gestaltete Durchgänge und eine Verlegung der Tiefgarageneinfahrt sollen dem Platz ein neues Gesicht geben.

 Die Marktstände, die als Sofortmassnahme nach der Räumung im Jahr 2008 aufgestellt wurden, müssten sich dann einen neuen Standort suchen. Auch der Stadtpark soll mit "Merkur" aufgefrischt werden.

 Dazu gehört laut Künzle unter anderem, dass Parklotsen in der Gartenanlage für mehr Sicherheit sorgen. Drittes Teilprojekt ist die Aufwertung der Gastronomieangebote. Man wolle erreichen, dass sich die Restaurants, die sich mit Abschrankungen vor der Drogenszene abgeschottet hatten, wieder öffneten.

 Weniger Süchtige, weniger Dealer

 Für den Musikpavillon auf dem Merkurplatz, in dem sich die Süchtigen bis vor zwei Jahren jeweils eingerichtet hatten, sehen die städtischen Fachleute keine Zukunft. Ob er abgerissen werde, sei noch nicht beschlossen, sagte Künzle. Bei den Gesprächen für das Projekt "Merkur" sei aber kein einziger Beteiligter dafür gewesen, dass der Pavillon stehen bleibe.

 Die Situation um die Alkoholiker- und Drogenszene habe sich mittlerweile beruhigt, sagte Künzle weiter. Heute gebe es zwar noch kleine Gruppierungen, die sich vor allem um den Bahnhof herum und bei der Drogenanlaufstelle aufhielten. Man habe diese Brennpunkte mit Polizeikontrollen aber relativ gut im Auge.

 Insgesamt treffe man heute viel weniger Süchtige und Drogendealer in Winterthur an. Die Sogwirkung auf die ganze Region habe deutlich abgenommen. Statt sich wie früher beim Musikpavillon zu treffen, würden sie heute "direkt weiter nach Zürich fahren". Für die Süchtigen aus Winterthur wurden nach der Räumung zusätzliche soziale Einrichtungen eröffnet.

 Bundesgericht muss sich um Anlaufstelle kümmern

 Blockiert ist jedoch nach wie vor die geplante Anlaufstelle für Randständige an der Zeughausstrasse, gegen die sich eine Gruppe von Anwohnern bis vor Bundesgericht wehrt.

 Die Lausanner Richter müssen sich gegenwärtig mit einer Beschwerde gegen die Abstimmung vom November 2009 befassen. Wann das Urteil gefällt wird, ist unklar.

 Möglicherweise muss sich das Bundesgericht aber bald in zwei Fällen um die Winterthurer Anlaufstelle kümmern: An diesem Wochenende wollen die selben Anwohner entscheiden, ob sie ihren Rekurs gegen die Baubewilligung ebenfalls vor Bundesgericht weiterziehen.

 Das Verwaltungsgericht hatte ihre Einsprache vor zwei Wochen abgelehnt. Die Winterthurer Stimmberechtigten hatten das Sozialprojekt mit 62 Prozent Ja-Stimmen angenommen.

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ANTI-WEF
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Indymedia.ch 31.1.11

Was die Medien verschweigen - Ankunft im Kessel von Fideris ::

AutorIn : suppenkessel   
    
Medien und Polizei, was von ihnen verschwiegen wird...     

http://www.youtube.com/watch?v=ofdzYFYzHj0
http://ch.indymedia.org/media/2011/01//79943.avi
Einfahrt in den Kessel von Fideris
    
Hier mal ein paar Eindrücke von der Zugfahrt mit Polizeieskorte direkt in den Kessel von Fideris.
Offiziell "Personenkontrolle" genannt. Aus meiner Sicht war es allerdings eher eine Massenverhaftung mit anschliessender Fichierung und vorallem Einschüchterung und Verängstigung der Festgenommenen durch Psycho-Stress (Kälte, keine Informationen, Hände auf den Rücken gefesselt, Polizei/Hunde, Sondereinheiten, kein pinkeln, essen oder trinken, Schikanierungen usw.)

Videoschnipselei mit musikalischer Unterlegung von "Holger Burner -Freiheit"

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nzz.ch 31.1.11

Die Bündner Polizei am Pranger des "Guardian"

Klage eines Journalisten über Kontrolle nach WEF-Demonstration

ark. Die Geschichte hat auf dem Online-Portal des englischen "Guardian" für Aufsehen gesorgt: Dutzende von Kommentatoren kritisieren dort das Verhalten der Bündner Polizei. Grund für den Unmut sind die ungemütlichen Erlebnisse des Journalisten Andrew Clark auf der Heimreise vom WEF in Davos am Samstag.
"You can go back to your country"

Clark reiste zufälligerweise im gleichen Zug, wie ein Teil der Demonstranten, die zuvor gegen das WEF protestiert hatten. Nach rund 30-minütiger Fahrt sei der Zug von Polizei in "Robocop-ähnlicher" Kampfmontur angehalten, umringt und durchsucht worden.
Anzeige:

Clark war eine von rund 50 Personen, die aus dem Zug geholt auf dem Rücken gefesselt, auf einem Parkplatz abgestellt und anschliessend nach Landquart zur Befragung gebracht wurde. Erst nach drei Stunden habe man ihn mit den Worten "you can go back to your country" aus Fesseln und Gefangenschaft entlassen, berichtet Clark.
Kontrolle gegen unregistriertes Verschwinden

Thomas Hobi von der Bündner Kantonspolizei erklärt auf Anfrage, Clarks Schilderung sei korrekt. Es habe sich beim Vorgehen seiner Kollegen um eine normale Kontrolle gehandelt.

Mit dem Anhalten des Zuges in Fideris habe man sicherstellen wollen, dass die Demonstranten, die zuvor in Davos für Sachbeschädigungen gesorgt hätten, nicht unregistriert verschwinden könnten.

Bei der Demonstration hatte die Polizei Tränengas eingesetzt, nachdem ein Teil der Demonstranten Scheiben an Bushaltestellen und Telefonkabinen zerstört und Sprayereien angebracht hatten.

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NZZ 31.1.11

Scharmützel in Davos

 Unfriedliche Anti-WEF-Demo

 tom. · Erstmals seit Jahren hat es an der bewilligten Anti-WEF-Kundgebung in Davos Ausschreitungen gegeben. Auf dem Bahnhofplatz Davos-Dorf bewarfen am Samstagnachmittag einige Dutzend vermummte Kundgebungsteilnehmer Polizisten, die vor dem Hotel Flüela Aufstellung genommen hatten, mit Bierflaschen, Steinen und Schneebällen. Die Polizei ihrerseits schoss Gummischrot und spritzte Wasser aus Hochdruckschläuchen, welche Beamte vor dem Hotel in Händen hielten und auf die Aktivisten richteten. Auf dem Bahnhofsgelände waren auch unbeteiligte Zugspassagiere betroffen. Laut Polizei wurde eine Passantin durch Gummischrot leicht am Arm verletzt. Die Polizei beurteilt die Sachschäden als "minim". Bei der Bushaltestelle ging eine Glasscheibe zu Bruch, und während des Umzugs kam es zu Sprayereien.

 Der Davoser Landammann Hans Peter Michel stellte sich zwischen Polizei und Vermummte, um das Scharmützel zu beenden, dabei wurde er selber nass und von Gummischrot getroffen. Verletzt wurde er nicht. Seine Intervention zeigte Erfolg, die Lage beruhigte, sich und die Aktivisten aus dem Unterland bestiegen einen Zug nach Landquart.

 Rund 120 Demonstranten waren beim Rathaus losmarschiert. Die lokalen Grünen und die Juso-Regionalgruppe Davos, die die Kundgebung organisiert hatten, mussten die Kontrolle über den Zug sehr bald dem aus dem Unterland angereisten schwarzen Block überlassen, der immer wieder die Route zu ändern versuchte, dabei aber vom starken Polizeiaufgebot blockiert wurde. Unter den Aktivisten befand sich auch die Wortführerin des Revolutionären Aufbaus, Andrea Stauffacher, die selber Eier gegen ein Polizeiauto warf. Das WEF wurde als "Mördertreff" bezeichnet, und es wurden Parolen zur Überwindung des Kapitalismus skandiert. Auch mehrere Kamerateams wurden angegriffen.

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Landbote 31.1.11

Unbeteiligte bei WEF-Krawallen verletzt

 red

 DAVOS. In Davos ging gestern das Weltwirtschaftsforum (WEF) zu Ende. Am Treffen der Politik- und Wirtschaftselite in den Bündner Bergen zeigte sich, dass die Rollen wieder neu verteilt worden sind. Statt Bankern standen die Staatschefs hoch verschuldeter Industriestaaten am Pranger.

 Überschattet wurde das WEF von Ausschreitungen zwischen Demonstranten und der Polizei. Bei einer Anti-WEF-Demonstration in Davos stand ein Grossaufgebot von Sicherheitskräften im Einsatz, das Wasserwerfer und Gummischrot einsetzte. Mindestens eine Unbeteiligte wurde durch ein Gummigeschoss am Arm leicht verletzt und musste ärztlich behandelt werden, wie Polizeikommandant Beat Eberle sagte. Dennoch sprach Eberle von einem verhältnismässigen Einsatz der Sicherheitskräfte. Rund 30 Chaoten hätten Flaschen und Steine geworfen und versucht, in die WEF-Sperrzone einzudringen. Sie hätten sich auch durch den Einsatz von Wasserwerfern nicht beruhigen lassen. Deshalb sei Gummischrot nötig gewesen.

 Der Davoser Landammann Hans Peter Michel, der selbst von einem Geschoss gestreift wurde, betonte, dass die Mehrheit der rund 120 Demonstranten friedlich gewesen sei. Allerdings sei das Gewaltpotenzial mancher Leute dieses Mal höher gewesen als in anderen Jahren. (sda)

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Zürichsee-Zeitung 31.1.11

DAVOS.

 Verletzte an WEF-Krawallen

 DAVOS. Obwohl mindestens eine unbeteiligte Person verletzt wurde, beurteilten die Bündner Behörden den Einsatz der Polizei als positiv.

 In Davos ging gestern das Weltwirtschaftsforum (WEF) zu Ende. Am Treffen der Politik- und Wirtschaftselite in den Bündner Bergen zeigte sich, dass die Rollen wieder neu verteilt worden sind. Statt Bankern standen die Staatschefs hoch verschuldeter Industriestaaten am Pranger.

 Überschattet wurde das WEF von Ausschreitungen zwischen Demonstranten und der Polizei. Bei einer Anti-WEF-Demonstration in Davos stand ein Grossaufgebot von Sicherheitskräften im Einsatz, das Wasserwerfer und Gummischrot einsetzte. Mindestens eine unbeteiligte Person wurde durch ein Gummigeschoss am Arm leicht verletzt und musste ärztlich behandelt werden.

 "Gummischrot nötig"

 Dennoch sprach Polizeikommandant Beat Eberle von einem verhältnismässigen Einsatz. Rund 30 Chaoten hätten Flaschen und Steine geworfen und versucht, in die WEF-Sperrzone einzudringen. Sie hätten sich auch durch den Einsatz von Wasserwerfern nicht beruhigen lassen. Deshalb sei Gummischrot nötig gewesen.

 Der Davoser Landammann Hans Peter Michel, der selbst von einem Geschoss gestreift wurde, betonte, dass die Mehrheit der Demonstranten friedlich gewesen sei. Allerdings sei das Gewaltpotenzial dieses Mal höher gewesen. (sda) Seite 18

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Le Nouvelliste 31.1.11

DES ÉCHAUFFOURÉES À LA MANIF ANTI-WEF
 
Les opposants défilent

 Des échauffourées ont émaillé la manifestation anti-WEF organisée samedi après-midi à Davos. La police a tiré des balles en caoutchouc et utilisé des canons à eau, faisant au moins un blessé léger. Six violations de l'espace aérien interdit ont été enregistrées.

 Une grosse douzaine de manifestants ont lancé des projectiles contre l'hôtel de luxe Flüela en fin de parcours. Les actes de vandalisme sont restés minimes.

 Le maire de Davos Hans Peter Michel a failli être touché par une balle en caoutchouc et a également été aspergé d'eau, a-t-il indiqué à l'ATS.

 Quelque 120 personnes ont pris part à la manifestation. Celle-ci s'est déroulée en grande partie pacifiquement à l'exception de l'arrivée à Davos Dorf. Le potentiel de violence était beaucoup plus élevé que les années précédentes, selon le maire de Davos. Parmi les manifestants, certains étaient masqués.

 La manifestation était organisée conjointement par les Verts de Davos et les Jeunes socialistes grisons.

 Pour la première fois, les manifestants passaient devant le centre des congrès où se déroule le Forum économique mondial (WEF). Ils ont emprunté le même tracé que les années précédentes, mais l'entrée du centre a été déplacée lors de son agrandissement.

 L'armée a, une fois de plus, déployé les grands moyens pour assurer la sécurité du WEF. Pas moins de 4000 militaires ont été engagés. Le coût de l'opération se monte à 1,5 million de francs. Ueli Maurer, ministre de la Défense a rendu visite aux troupes samedi en matinée. ATS

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admin.ch 30.1.11

WEF 2011: Die Armee hat ihren Auftrag erfolgreich erfüllt
Bern, 30.01.2011 - Die Armee hat den subsidiären Sicherungs- und Unterstützungseinsatz am Jahrestreffen des World Economic Forums 2011 (WEF) erfolgreich abgeschlossen. Heute Sonntag wird die Truppe von den kantonalen Behörden vom Schutzauftrag entbunden. Es gab weder gravierende Unfälle noch Zwischenfälle. Bis Ende nächster Woche werden auch die Rückbauarbeiten beendet sein.

Der Assistenzdiensteinsatz der Armee im Rahmen der Sicherheitsmassnahmen rund um das WEF 2011 verlief reibungslos und ohne gravierende Unfälle oder Zwischenfälle. Die Truppe leistete ihren Einsatz zur vollen Zufriedenheit der zivilen Behörden des Kantons Graubünden.

Die Luftwaffe verzeichnete insgesamt sechs Regelwidrigkeiten im eingeschränkten Luftraum, eine davon über österreichischem Staatsgebiet. Die Sicherheit im Luftraum war dabei jederzeit gewährleistet. Zudem flog die Luftwaffe während des WEF in der Umgebung Davos drei Rettungseinsätze zu Gunsten der REGA. Die Bodentruppen schützten und überwachten Infrastruktureinrichtungen in den Bereichen Verkehr, Strom- und Wasserversorgung, stellten einen wesentlichen Teil der Logistik sicher und unterstützten die medizinischen Vorsorgemassnahmen des Kantons Graubünden.

Bis zu 4000 Angehörige der Armee stehen seit dem 17. Januar zu Gunsten der zivilen Behörden im Einsatz. Heute Sonntagnachmittag wurde die Truppe von den kantonalen Behörden vom Schutzauftrag entbunden. Bis Ende nächster Woche werden auch die Abbauarbeiten beendet sein.

Regierungsrätin Barbara Janom Steiner, Vorsteherin des Departements für Justiz, Sicherheit und Gesundheit des Kantons Graubünden, ist zufrieden mit dem Einsatz der Truppe: "Die Armee hat mit ihrem vorbildlichen Einsatz einen unverzichtbaren Beitrag zum Gelingen des WEFs geleistet." Auch Divisionär Jean-Marc Halter, Chef des Führungsstabs der Armee, zieht eine positive Bilanz: "Unsere Soldaten haben ausgezeichnet gearbeitet und einmal mehr die Leistungsfähigkeit unserer Milizarmee bewiesen". Beide Partner loben die ausgezeichnete Zusammenarbeit auf allen Stufen.

Adresse für Rückfragen:
Stefan Hofer
Kommunikation Führungsstab der Armee
Tel. 079 371 58 32

Herausgeber:

Eidgenössisches Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport
Internet: http://www.vbs.admin.ch

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Indymedia 30.1.11

Gewalteskalation der Bullen an der Anti-WEF Demonstration ::

AutorIn : Freivogel         

Am 29.1.2011 schlug die Staatsgewalt die friedliche Demonstration gegen das WEF in Davos mit brutalem Einsatz nieder. Dabei wurden über 80 Personen kontrolliert, verhaftet, festgenommen und registriert. Es ist klar, dass nach tagelanger Medienhetze absichtlich provoziert und ein Exempel statuiert wurde. Solche Polizeieinsätze lassen wir uns nicht gefallen und vergelten wir!

In Davos schlug die Staatsgewalt die friedliche Demonstration gegen das WEF mit brutalem Einsatz nieder. Demokratische Grundrechte, wie Meinungsfreiheit und Demonstrationsrecht, wurden im Vorfeld durch zahlreiche, absichtlich langwierige Kontrollen übergangen.Trotzdem fanden sich über 150 Menschen zu einer lautstarken Demo. Obwohl die Route wie bewilligt befolgt wurde, traten die Marionetten der Bonzen sehr aggressiv auf. Am Bahnhof Davos Dorf, wo sich die Demo auflösen sollte, eskalierte die Situation. Weil DemonstrantInnen Schneebälle warfen und mehrere Wegweiser und Plakate für das WEF entfernten, setzten die Bullen Gummischrot und Wasser gegen die DemonstrationsteilnehmerInnen ein. Dabei wurden auch unbeteiligte ZivilistInnen angegriffen. Unmengen an Gummiteilen flogen über den Bahnhofplatz, dabei gingen auch Scheiben zu Bruch. Die TeilnehmerInnen versuchten sich gegen diesen Gummi-Hagel mit Infrastruktur und Transparenten zu schützen. Die Demo zog uns in den Zug nach Landquart zurück.

Doch auf dem Weg bremste der Zug plötzlich ab und wurde von Robocops die letzten Meter zum Bahnhof Fidris eskordiert. Dort angekommen, kündete eine Durchsage Personenkontrollen an, die angeblich schnell verlaufen würden, dann stürmten vermummte Sondereinheiten die Waggons und griffen willkürlich Leute heraus.

Gewalttätig fesselten uns die Bullen die Hände mit Kabelbinder auf den Rücken und filzten uns. Schliesslich standen wir - etwa 50 Menschen - inmitten eines Schneefeldes, geblendet von grellem Scheinwerferlicht. Wehmütig schauten wir dem abfahrenden Zug nach. Frierend und müde, hungrig und durstig, enttäuscht und wütend zugleich, standen wir dort im Kreis und wärmten uns mit Pinguinprinzip. Die idyllische Winternacht senkte sich auf uns herab. Glitzernde Sterne widerspiegelten unsere glimmenden Zigaretten, wärmende Glutpunkte erhellten sich allüberall. Ein unvergleichbares Zusammengehörigkeitsgefühl stieg auf. Durch unseren gemeinsamen Kampf für eine andere Welt, die kollektiv organisiert ist, in der Ressourcen gleichmässig verteilt werden und weder Mensch noch Tier, noch die Erde ausgebeutet wird, fühlten wir uns verbunden.
Doch Kälte, schmerzende Kabelfessel und ständiges Schickanieren der Bullen holten uns in die öde Realität zurück. Schreiende Bullen und bellende Hunde störten unsere gemeinsamen Lieder.

Nach etwa 2 Stunden verfrachteten sie uns in verschiedene Polizeiwagen, um uns auf dem Bullenposten zu verhören. Doch beim Posten in Landquart sassen wir erst einmal bis zu weiteren drei Stunden am Boden der Garage, entlang der Wand aufgereiht und streng bewacht. Nach Portraitierung und Registrierung erhielten wir eine Wegweisung. In Gruppen wurden wir bis auf den Perron begleitet und zum Einsteigen gezwungen.


So kann unser Widerstand nicht gebrochen werden:
Auch nächstes Jahr werden wir gegen diesen Mördertreff vorgehen, WIPE OUT WEF!

Rache den Bullen:
Smash your local police squad!

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guardian.co.uk 30.1.11
http://www.guardian.co.uk/business/2011/jan/30/davos-andrew-clark-arrest

Guardian Davos journalist's sinister encounter with the Swiss riot police

A policeman pulled me off the train, bound my hands behind my back and frogmarched me into an icy field by the rail track

* Andrew Clark

My day began listening to George Osborne debate the fragility of the global economy. It ended sitting on the floor of a freezing underground car park, hands bound behind my back, in the custody of Swiss riot police.

A peculiar ordeal in ostensibly the world's most peaceful nation began when, leaving Davos after four days covering the World Economic Forumsummit, my taxi to the Swiss resort's railway station got clogged in traffic caused by an anti-capitalist demonstration. I hopped out and walked past a line of police to reach a platform where an uneasy mixture of demonstrators, skiers in full gear and WEF delegates were milling around. There were a few yells and chants - and the tinkling of glass being broken somewhere nearby.

A train to Zurich arrived and as I boarded, my carriage filled with protesters handing out beers and leaflets. They were a friendly enough bunch, mostly in their late teens and twenties, and the journey began uneventfully, albeit to a soundtrack of loud europop. After 30 minutes or so, a convoy of police vans screamed down the mountain, sirens blaring, on a road alongside the railway, and overtook the train. It stopped and was surrounded by riot police wearing full body armour, carrying shields and bearing what appeared to be guns capable of firing rubber bullets. Minutes later, a woman burst into our carriage eyes streaming and squealing in pain after being pepper sprayed for sticking her head out the window to gesture at police.

It dawned on me that this was serious - and that it could also be newsworthy. When the police, dressed in almost comically sinister in Robocop-style gear, came into my carriage, I took a few photos of them with my BlackBerry and attempted a video (which didn't come out). The cops went through with dogs, picking anyone who looked vaguely like a protester and ordering them off the train. Skiers and those not wearing anarchist fashion were left - but selection was fairly arbitrary. A Greenpeace activist, Bruno Heinzer, who had been in Davos for a WEF fringe event, was bemused to find that his younger colleague and girlfriend were taken off, while he was left alone. I was initially ignored until a policeman twigged my BlackBerry and, deaf to my protestations, he pulled me off the train, suitcase, laptop bag and all. With about 50 others, I had my hands bound behind my back by plastic ties. We were searched and the contents of our pockets were put in plastic bags around our necks. We were frogmarched into a snowy field alongside the railway line, and ordered to wait,surrounded by armed police.

When I explained that I was a journalist, I was unconvincingly told in broken English that I looked like a "picture on a wall" of a rioter in Davos, which I took to mean I looked like some sort of photofit picture. I asked my arresting officer if he really believed I'd been rioting in a Banana Republic overcoat, dragging a wheely bag and a laptop. He affected incomprehension. It got dark and very cold as we shivered in the snow. Eventually, the police herded us into vans and drove us to a police station in a town called Landquart. Incongruously, the Monkees' I'm a Believer blasted out from the van's radio. We were marched down a ramp into an underground car park beneath the police station where we were ordered to sit, around the walls, still handcuffed, and forbidden from talking. Six police officers stood guard and forbade conversation - one young woman was made to sit in a distant corner, facing the wall, primary school-style, for talking. Every so often, the motion-sensitive lights went off, plunging us into pitch darkness.

One by one, we were taken upstairs to the police station, at a rate of perhaps one every 15 minutes. After an hour or so, a policeman finally listened to my appeals and, examining my passport and press card, took me upstairs. I was photographed, mugshot-style, holding a number. Then an English-speaking senior officer ordered me to delete any pictures taken on the train, and to rip out any pages from my notebook relating to the incident. I declined, asking him whether it was truly illegal in Switzerland to take pictures of the police. He replied that policing the World Economic Forum was a "special zone" and that "special rules" applied. "You have one minute. You can do this and go or, if you don't, you stay here," he said. Again demurring, I asked to make a phone call - which prompted the assembled police to go into a huddle. Instead, the senior officer reached for his phone himself and made a long, animated call in German. More discussion ensued when he had hung up. Then he strolled over and he snapped: "You can go back to your country."

Along with a contingent of anarchists, I was driven to another railway station, where we were uncuffed and put on a train to Zurich. The entire affair lasted three hours. It occurred to me that the last flight to London had probably gone.

The police didn't seem to be charging any of the demonstrators who were hauled off that boisterous train. They were, as one of my fellow captors told me, just trying to scare us: "They had been sent up to Davos and they need to show they're doing something. This is their way of saying 'don't come back to Davos next year'."

Reuters reported that things had become heated in Davos - bottles were thrown at police, who responded with water cannon.

At no stage were the cops particularly frightening, And throughout, I found it hard to take the situation seriously - this was Switzerland, not Iran, and things would be sorted out soon enough. But there is something sinister, particularly in this age of Twitter, Flickr and citizen journalism, in being ordered to delete photographs and rip up a notebook. And it cannot be right for demonstrators to be arbitrarily rounded up, after an event, and held captive - irrespective of whether they had personally committed acts of violence. This, it seems, was kettling - Swiss style.

Inside the WEF's calm cordon of privileged elite, my fellow delegates had enjoyed Standard Chartered bank's annual party the previous night, featuring an ice bar and sushi canapes, followed by Google's hip offering of cocktails and dancing. The talk had been of economic recovery, the rise of emerging nations in the east and esoteric banking regulation. It was an education to break through the cordon and unwittingly experience the grim side of Davos.

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telem1.ch 30.1.11

Fazit WEF
http://telem1.ch/de/overlayplayer---0--0--0--T000316459.html

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sf.tv 30.1.11

WEF 2011

 Behörden sind zufrieden mit WEF-Einsatz

sda/rufi

 Die Bündner Regierungsrätin Barbara Janom Steiner zog ein positives Fazit zum diesjährigen Weltwirtschaftsforum WEF. Die Behörden relativierten die Explosion von Feuerwerkskörpern, die am Donnerstag an der Promenade für Aufregung gesorgt hatte. Eberle gab erstmals präzise Details zur Störaktion von Linksaktivisten bekannt.

 Demnach wurden an der Hauswand des Posthotels zwei Feuerwerkskörper in einer Tasche per Zeitzünder zur Explosion gebracht. Dabei gingen Fensterscheiben zu Bruch, verletzt wurde niemand.

 Entgegen früheren Angaben der Polizei befand sich die Tasche nicht in einem Abstellraum im Keller des Posthotels, sondern war aussen an der Türe des Raums abgestellt worden. Ein solcher Zeitzünder sei einfach zu konstruieren, sagte Eberle.

 Dieser könne etwa aus einer Batterie und einem brennbaren Verbindungsstück bestanden haben. Dies würde erklären, warum die Knaller erst kurz nach 9 Uhr und nicht wie von den WEF-Gegnern angekündigt schon um 6 Uhr hochgingen.

 Medienschelte der Regierungsrätin

 Regierungsrätin Janom Steiner bezichtigte mehrere Medien, sie hätten auf der Grundlage des Bekennerschreibens der mutmasslichen Täter Falschinformationen verbreitet und die Explosion überbewertet.

 Am Donnerstag waren die Informationen der Behörden allerdings nur spärlich geflossen. Die Polizei verwies lange Zeit auf laufende Abklärungen. Zudem liege der Fall bei der Bundesanwaltschaft.

 In dem Luxushotel wohnten in früheren Jahren die Bundesräte am WEF. Das Posthotel wird von Sicherheitskräften bewacht, befindet sich aber nicht in der Sperrzone des WEF.

 Eberle betonte, dass es ungleich schwieriger wäre, einen Sprengsatz in der Sicherheitszone anzubringen. Wollte man jedes Hotel sichern, müsste ganz Davos in eine abgeriegelte Festung verwandelt werden.

 Es müsse immer wieder abgewogen werden zwischen Sicherheit und dem Anspruch der Bevölkerung, sich frei bewegen zu können. Die Frage, ob die Sicherheitsmassnahmen nach den diesjährigen Vorfällen im nächsten Jahr verschärft werden, wollten die Behörden nicht beantworten.

 Ausschreitung bei Demonstration

 Bei der Anti-WEF-Demonstration in Davos ist es zudem am Samstagnachmittag zu Ausschreitungen zwischen gewalttätigen Demonstranten und der Polizei gekommen. Ein Grossaufgebot von Sicherheitskräften setzte Wasserwerfer und Gummischrot ein.

 Mindestens eine Unbeteiligte wurde durch ein Gummigeschoss am Arm leicht verletzt und musste ärztlich behandelt werden, wie Polizeikommandant Beat Eberle am Abend vor den Medien in Davos sagte. Mehrere mutmassliche Krawallmacher wurden kurzfristig festgehalten und registriert.

 Beim Bahnhof Davos Dorf befanden sich zum Zeitpunkt der Ausschreitungen zahlreiche Passanten und Skifahrer, die unverhofft in die Krawalle gerieten.

 Höhere Gewaltbereitschaft

 Dennoch sprach Eberle von einem verhältnismässigen Einsatz der Sicherheitskräfte. Rund 20 bis 30 Chaoten hätten Flaschen und Schottersteine geworfen und versucht, in die WEF-Sperrzone einzudringen.

 Sie hätten sich auch durch den Einsatz von Wasserwerfern nicht beruhigen lassen. Gummischrot sei nötig gewesen, um die Chaoten einzukesseln und zu verhindern, dass diese sich im Dorf verteilen und weitere Angriffe lancieren konnten.

 Der Davoser Landammann Hans Peter Michel, der selbst von einem Gummigeschoss gestreift wurde, betonte, dass die Mehrheit der rund 120 Demonstranten friedlich gewesen sei. Allerdings sei das Gewaltpotenzial mancher Leute dieses Mal höher gewesen als in anderen Jahren. Organisiert worden war die bewilligte Kundgebung von den Davoser Grünen und den JUSO Graubünden.

 "Reibungsloser Einsatz" der Armee

 Hunderte von Polizisten aus der ganzen Schweiz und rund 4000 Soldaten waren dieses Jahr für das WEF abgestellt. Verteidigungsminister Ueli Maurer sprach am Samstag nach einem Truppenbesuch in Davos von einem "reibungslosen Einsatz".

 Im Zuständigkeitsbereich der Armee sei es zu keinen nennenswerten Zwischenfällen gekommen. Eingreifen musste dagegen die österreichische Luftwaffe. Sie fing am Freitag ein deutsches Flugzeug ab, das trotz des Flugverbotes über Vorarlberg unterwegs war.

 Die Luftwaffe verzeichnete fünf weitere "Regelwidrigkeiten" im eingeschränkten Luftraum, wie das VBS am Sonntag mitteilte. Zudem flog die Luftwaffe während des WEF in der Umgebung von Davos drei Rettungseinsätze zu Gunsten der Rettungsflugwacht.

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Südostschweiz 30.1.11

Gummischrot an der WEF-Demo

 Davos. - An der gestrigen Kundgebung gegen das World Economic Forum (WEF) hat die Polizei Wasser und Gummischrot gegen etwa 30 gewaltbereite Chaoten aus dem Unterland eingesetzt. Die Situation eskalierte beim Bahnhof in Davos Dorf. Bei dem Einsatz von Gummischrot wurde eine Passantin leicht am Arm verletzt. Die Bündner Polizeivorsteherin Barbara Janom Steiner erklärte an einer Medienorientierung, dass der Einsatz dieser Mittel verhältnismässig gewesen sei. Seite 5

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Chaoten randalierten an WEF-Demo

 Die Polizei ging gestern an der Demonstration gegen das World Economic Forum mit Wasser und Gummischrot gegen einige gewaltbereite Chaoten vor. Eine Passantin wurde verletzt. Der Einsatz sei "verhältnismässig" gewesen, so die Polizei.

 Von Béla Zier

 Davos. - Rund 120 Personen haben gestern an der bewilligten Kundgebung gegen das World Economic Forum (WEF) teilgenommen. "Heute wird es nicht so friedlich ablaufen", meinte der Davoser Landammann Hans Peter Michel zu Beginn des Protestmarsches. Michel, der die Demo alljährlich begleitet, sollte mit seiner Vorahnung recht behalten.

 Schon bald nach Beginn des Umzugs versprayte eine Gruppe von aggressiven Demonstranten aus dem Unterland einige Gebäude. Einige Personen aus dieser Gruppe, von denen sich viele vermummt hatten, gingen auch gegen Medienschaffende vor. Sie bewarfen Fotografen mit Schneebällen und versuchten, die Kamera eines TV-Teams zu beschädigen.

 Bierflaschen gegen Polizisten

 Während des Marsches von Davos Platz über die Talstrasse nach Davos Dorf versuchten einige gewaltbereite Demonstranten, von der bewilligten Kundgebungsroute abzuweichen. Zur ersten Eskalation kam es vor dem Hotel "Seehof" in Davos Dorf, dessen Areal als Sperrzone gilt.

 Dort wurden die hinter den Absperrgittern stehenden Polizeikräfte nicht nur mit Schneebällen, sondern auch mit Bierflaschen beworfen. Mit Letzteren hatten sich einige der zur Randale bereiten WEF-Gegner entlang der Demo-Route an einem Tankstellenshop eingedeckt. Die Polizeikräfte ihrerseits reagierten mit Wassereinsatz und versuchten so, die Chaoten am Überklettern der Absperrgitter zu hindern.

 "Das Gewaltpotenzial war gross"

 Beim Bahnhof in Davos Dorf eskalierte die Situation. Einige Chaoten begannen, an den Absperrgittern des abgeriegelten Luxushotels "Flüela" zu rütteln, und versuchten, in die dortige Sperrzone einzudringen. Zunächst setzten die Polizisten anhaltend Wasser ein. Als dann vonseiten der zirka 30 Gewaltbereiten auch Flaschen und Steine gegen die Sicherheitskräfte geworfen wurden, feuerten diese mehrmals Gummischrot ab.

 Der Davoser Landammann stellte sich zwischen die beiden Seiten, um die aufgeheizte Situation zu beruhigen. "Das Gewaltpotenzial war relativ gross. Das schätzte auch die Polizei so ein und begann, sich schon relativ früh zu wehren", erklärte Michel, der selber zweimal von Gummischrot getroffen wurde. Beim Gummischrot-Einsatz wurde gemäss Polizeiangaben eine Passantin leicht am Arm verletzt. Zudem wurde gemäss Informationen der "Südostschweiz am Sonntag" ein Chauffeur der Davoser Verkehrsbetriebe an der Hand getroffen. Beim Bahnhof selbst kam es zu Sachbeschädigungen durch die Demonstranten. Dabei wurde die Scheibe einer Telefonzelle zerstört.

 Demonstranten in Fideris gestoppt

 Beat Eberle, Kommandant der Kantonspolizei Graubünden und WEF-Gesamteinsatzleiter, rechtfertigte gestern Abend vor Medienvertretern den Einsatz von Gummischrot. Man habe eine Gruppe von gewaltbereiten Demonstranten unter Kontrolle bringen müssen. Diese hätten sich nicht an die Demo-Route gehalten und an mehreren Orten versucht, in die Sperrzonen einzudringen. "Das darf die Polizei nicht zulassen" betonte Eberle, der anfügte, dass die Polizeikräfte mit Steinen beworfen und dabei auch getroffen wurden. Die Bündner Polizeivorsteherin Barbara Janom Steiner erklärte ebenfalls, dass der Einsatz der Mittel "verhältnismässig" gewesen sei.

 Der Zug, mit dem sich die Chaoten auf die Heimreise gemacht hatten, wurde in Fideris gestoppt und Personenkontrollen vorgenommen. Zu Verhaftungen sei es nicht gekommen. Man habe aber einige Leute zur Befragung mitgenommen und versucht, diejenigen, die Straftaten begangen haben, herauszufiltern, so Eberle.

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NZZ am Sonntag 30.1.11

Ausschreitungen ohne Folgen

 Die bewilligte Anti-WEF-Kundgebung in Davos hat am Samstagnachmittag mit einer kurzen gewalttätigen Auseinandersetzung zwischen Demonstranten und der Polizei geendet. Auf dem Bahnhofplatz Davos Dorf bewarfen einige der 120 bis 150 Teilnehmer Polizisten mit Bierflaschen, Steinen und Schneebällen. Bei den Randalierern handelte es sich um aus dem Unterland angereiste Mitglieder des schwarzen Blocks, die sich unter die friedlichen Demonstranten gemischt hatten. Die Polizei setzte Gummischrot und Wasser aus Feuerwehrschläuchen ein. Laut der Kantonspolizei Graubünden wurde eine Passantin leicht am Arm verletzt.

 In einer Mitteilung zog die Kantonsregierung am Samstag trotz diesen Scharmützeln eine insgesamt positive Bilanz des WEF. Diese konnte auch ein Flugzwischenfall nicht trüben. Am Freitag musste die österreichische Flugwaffe eine deutsche Propellermaschine abfangen, die unerlaubt im Raum Montafon flog. Laut dem Führungsstab der Schweizer Armee kam es während des ganzen WEF insgesamt zu sechs Luftzwischenfällen, alle von ihnen harmloser Natur. (tom./vmt.)

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Sonntagsblick 30.1.11

WEF in Davos endet mit Ausschreitungen

 Gummigeschoss trifft Landammann

 An der Anti-WEF-Demonstration am Samstagnachmittag in Davos GR ist es kurz zu Ausschreitungen gekommen. An der bewilligten Demonstration beteiligten sich etwa 120 Personen. Der Demonstrationszug, zu dem die Juso Graubünden und die Davoser Grünen aufgerufen hatten, marschierte von Davos Platz über die Talstrasse nach Davos Dorf.

 Die Teilnehmer schwenkten Transparente und brandmarkten das Weltwirtschaftsforum als "Mördertreff". Zum Schluss des Protestzuges warfen einige Demonstranten Gegenstände gegen das Fünfsternehotel Flüela. Die anrückenden Polizisten wurden mit Schneebällen und später Schottersteinen attackiert. Diese reagierte auf die Provokationen mit Wasser und Gummigeschossen. Eines davon bekam der Davoser Landammann Hans Peter Michel ab. Ein Gummigeschoss habe ihn gestreift, sagte er der Nachrichtenagentur SDA. Verletzt sei er aber nicht. Michel: "Das Gewaltpotenzial ist dieses Mal weit höher gewesen als in früheren Jahren."

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Tagesschau sf.tv 29.1.11

Demonstration in Davos

Eine bewilligte Anti-WEF-Demonstration in Davos ist friedlich verlaufen. Am Nachmittag kam es jedoch zu Ausschreitungen zwischen Linksextremisten und der Polizei.
http://videoportal.sf.tv/video?id=335a3d2e-52ad-404f-9cd2-03f87fb0e607

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telezueri.ch 29.1.11
Anti-WEF-Demo in Davos
http://www.telezueri.ch/index.php?id=6820&show_uid=9240&yyyymm=2011.01&cHash=0ed670360f

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nzz.ch 29.1.11

WEF

Gummigeschosse gegen Demonstranten in Davos

 Protestzug von Anti-WEF-Kundgebung endet in Scharmützel mit Polizei

 An der Anti-WEF-Demonstration am Samstagnachmittag in Davos ist es zu Ausschreitungen gekommen. Die Polizei ging mit Wasser und Gummigeschossen gegen Teilnehmer der Kundgebung vor. Einige Demonstranten hatten am Schluss des Protestzugs Gegenstände gegen das Fünfsterne-Hotel "Flüela" geworfen.

 Die bewilligte Anti-WEF-Kundgebung in Davos hat am Samstagnachmittag mit einer kurzen gewalttätigen Auseinandersetzung zwischen Demonstranten und der Polizei geendet. Auf dem Bahnhofplatz Davos-Dorf bewarfen Kundgebungsteilnehmer Polizisten, die vor dem Hotel Flüela Aufstellung genommen hatten, kurz vor 16 Uhr mit Bierflaschen, Steinen und Schneebällen.

 Passantin leicht verletzt

 Die Polizei ihrerseits schoss Gummischrot und spritzte Wasser aus Feuerwehr-Schläuchen, die mehrere Beamte in Händen hielten. Auf dem Bahnhofsgelände waren auch unbeteiligte Zugspassagiere vom Scharmützel betroffen. Gemäss Auskunft von Mediensprecher Thomas Hobi von der Kantonspolizei Graubünden wurde eine Passantin leicht am Arm verletzt. Die Polizei beurteilt die angerichteten Sachschäden als "minim". Bei der Bushaltestelle ging eine Glasscheibe zu Bruch und es kam zu Sprayereien.

 Landammann von Gummischrot getroffen

 Der Davoser Landammann Hans Peter Michel stellte sich zwischen Polizei und Demonstranten, um das Scharmützel zu beenden, dabei wurde er selber nass und von Gummischrot getroffen. Verletzt wurde er nicht. Es sei ja nur "ein Streifli", sagte er lakonisch. Seine Intervention zeigte aber Erfolg. Die Aktivisten aus dem Unterland bestiegen einen Zug, der verspätet nach Landquart abfuhr und Davos war das Problem um 16 Uhr 14 los.

 Michel hatte die Demonstration auf dem ganzen Weg begleitet und räumte gegenüber   NZZ   Online ein, dass das Gewaltpotenzial grösser war als in den vergangenen Jahren. Die Aggression sei von Auswärtigen ausgegangen. Die Demonstranten aus Davos hätten sich korrekt verhalten. Die Schäden beurteilte er als "noch verhältnismässig" verglichen mit dem Aufwand, der für das WEF betreiben werde.

 Schwarzer Block übernimmt Führung

 Rund 120 bis 150 Demonstranten waren um 14 Uhr 25 beim Rathaus abmarschiert. Die lokalen Grünen und die Juso Regionalgruppe Davos, welche die Kundgebung organisiert hatten, mussten die Herrschaft über ihre Demonstration sehr bald dem aus dem Unterland angereisten Schwarzen Block überlassen, darunter befand sich auch eine eierwerfende Andrea Stauffacher, seit Jahren Führer- und Symbolfigur der Gruppierung. Auf dem Haupt-Transparent der Autonomen war zu lesen: "Ihre Normen: Ausbeutung und Unterdrückung, unsere Antwort: Solidarität und Klassenkampf". Das WEF wurde als "Mördertreff" bezeichnet und es wurden Parolen zur Überwindung des Kapitalismus skandiert. Auf Spruchbändern war zu lesen: "Für den Kommunismus" und "Tunis = Kairo = Davos".

 Kamera-Teams angegriffen

 Die Vermummten, die den Umzug anführten, versuchten mehrmals die Route zu ändern, die vom Bahnhof Davos Platz zum Bahnhof Davos Dorf führte. Sie bogen links in Seitenstrassen ab, wurden aber jeweils von der Polizei blockiert. Auffallend viele Kundgebungsteilnehmer tranken Bier aus mitgebrachten Grosspackungen und traten wegen ihren schwachen Blasen in der Kälte immer wieder links und rechts an Hausmauern und parkierten Autos aus. An Hauswände wurden Hammer und Sichel gesprayt und Plakate aufgehängt. Auffallend war zudem die Aggression vieler Kundgebungsteilnehmer gegen Journalisten. Mehrere Kamera-Teams wurden tätlich angegriffen und Linsen verschmiert.

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Newsnetz 29.1.11

"Die Demonstranten haben Schottersteine geworfen"

jak

 Bei einer bewilligten Demonstration am WEF ging die Polizei gegen Linksautonome vor. Wasserwerfer und Gummischrott wurden eingesetzt.

 An der Anti-WEF-Demonstration am Samstagnachmittag in Davos ist es zu Ausschreitungen gekommen. Die Polizei ging mit Wasser und Gummigeschossen gegen Teilnehmer der Kundgebung vor. Einige Demonstranten hatten am Schluss des Protestzugs Gegenstände gegen das Fünfsterne-Hotel "Flüela" geworfen. "Die Demonstranten haben zuerst Schneebälle und später Schottersteine gegen die Polizei geworfen", berichtet Leser-Reporter Florian Mauchle gegenüber .

 Die Polizei reagierte auf diese Provokationen von gut einem Dutzend Demonstranten mit Wasser und Gummigeschossen, wobei auch der Davoser Landammann Hans Peter Michel getroffen wurde. Ein Gummigeschoss habe ihn gestreift, und etwas Wasser habe er auch abbekommen, sagte Michel der Nachrichtenagentur SDA. Verletzt sei er jedoch nicht.

 Gewaltpotenzial höher

 An der bewilligten Demonstration nahmen etwa 120 Personen teil. Die Kundgebung verlief friedlich, abgesehen vom Schluss in Davos Dorf. Er habe das Gefühl gehabt, das Gewaltpotenzial sei dieses Mal weit höher gewesen als in früheren Jahren, sagte der Davoser Landammann. Unter den Demonstranten bewegten sich einige Vermummte.

 Thomas Hobi, Sprecher der Kantonspolizei Graubünden, bestätigt gegenüber den Polizeieinsatz: "Es wurde vereinzelt Gummischrott eingesetzt. Die bewilligte Demonstration wurde inzwischen aufgelöst. "

 Kundgebung passiert Kongresszentrum

 Organisiert worden war die Manifestation gegen das WEF von den Davoser Grünen und den JUSO Graubünden. Der Demonstrationszug marschierte von Davos Platz über die Talstrasse nach Davos Dorf. Erstmals passierte die Kundgebung dieses Jahr den Eingang zum Kongresszentrum, wo die WEF-Teilnehmer zusammenkommen.

 Der Zugang war bei der Erweiterung des Zentrums von der Davoser Promenade an die Talstrasse verlegt worden. Die Demonstranten schwenkten Transparente und brandmarkten das Weltwirtschaftsforum einmal mehr als "Mördertreff".

 Reibungsloser Einsatz der Armee

 Bis vor den kurzen Ausschreitungen war es am Rande des WEF in Davos weitgehend ruhig geblieben. Verteidigungsminister Ueli Maurer sprach gegenüber der Nachrichtenagentur SDA von einem "reibungslosen Einsatz" der Armee. Rund 4000 Soldaten waren in den letzten Tagen zusammen mit der Polizei für den Schutz der WEF-Teilnehmer verantwortlich. Maurer hatte den Truppen vor Ort am Samstagvormittag einen Besuch abgestattet.

 Bei Gesprächen mit den Bündner Polizeiverantwortlichen sei auch die Störaktion von Linksaktivisten im Posthotel thematisiert worden. Der Vorfall sei seiner Ansicht nach "von den Medien überbewertet worden", sagte Maurer.

 Störaktion von WEF-Gegnern

WEF-Gegner hatten am Donnerstagmorgen Feuerwerkskörper in einem Lagerraum im Keller des bewachten Luxushotels gezündet. Bei der Explosion gingen ein paar Fensterscheiben zu Bruch. Verletzt wurde niemand. Im Posthotel hatten in früheren Jahren die Bundesräte am WEF logiert.

 Maurer lobte die Arbeit der Armee, "ohne die das WEF niemals durchgeführt werden könnte". In ihrem Zuständigkeitsbereich sei es zu keinen nennenswerten Zwischenfällen gekommen. Eingreifen musste dagegen die österreichische Luftwaffe. Sie fing am Freitag ein deutsches Flugzeug ab, das trotz des Flugverbotes über Vorarlberg unterwegs war.

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Südostschweiz  29.1.11

"Es gibt keine Sicherheitslücken"

 "Wir sind nicht der Meinung, dass es Sicherheitslücken gibt." Das erklärt der Sprecher der Bündner Kantonspolizei nach dem Vorfall im Davoser "Posthotel Morosani". Schon früher hatten WEF-Gegner Stör- und Sabotageaktionen verübt.

 Von Béla Zier

 Davos. - Dass es einer unbekannten Täterschaft gelungen ist, in einem Untergeschoss des Davoser "Posthotels Morosani" Feuerwerkskörper hochgehen zu lassen (Ausgabe von gestern), hat Fragen nach der Wirksamkeit des Sicherheitsdispositivs am World Economic Forum (WEF) aufgeworfen. Gibt es Sicherheitslücken? Thomas Hobi, Mediensprecher der Kantonspolizei Graubünden, dementiert das vehement: "Wir sind überhaupt nicht der Meinung, dass es Sicherheitslücken gibt. Es ist ein gutes Sicherheitsdispositiv." Nach dem gestrigen Vorfall wurden gemäss Hobi aber in Details des Sicherheitsdispositivs "gewisse Anpassungen" vorgenommen. Was diese exakt beinhalten, darüber war nichts zu erfahren.

 Ob jetzt das Sicherheitskonzept für die nächste Durchführung überdacht werden muss, steht noch nicht fest. Nach jedem WEF findet eine Auswertung und Überprüfung statt. Sollte sich dabei herausstellen, dass es "irgendwo eine Schwachstelle hat, dann ist es völlig klar, dass das angepasst wird", sagt Hobi.

 Unterschiedliche Sicherheitsstufen

 Für das "Posthotel Morosani" bestehe nicht dieselbe Sicherheitsstufe wie für solche Hotels, in denen etwa Staatschefs logieren, die gemäss Völkerrecht Anrecht auf speziellen Schutz haben, erklärt Hobi. Deshalb wurde das "Posthotel" auch nicht wie andere Häuser komplett abgeriegelt. Zwar sei das "Posthotel" polizeilich kontrolliert worden, aber ob es ein "Sicherheitsloch" gegeben habe, wie der "Tages-Anzeiger" gestern berichtete, dazu konnte Hobi aufgrund der laufenden Ermittlungen der Bundesanwaltschaft keine Stellung abgeben.

 Mit Brandsatz gegen das WEF

 Dies war nicht der erste Vorfall am WEF. So war 1999 in Klosters und abseits von Filisur versucht worden, die 50 000-Volt-Hochmastenleitungen zu sabotieren. Kurz vor dem WEF im Jahr 2000 waren Feuerwerkskörper auf das Kongresszentrum abgeschossen worden. Das damalige Bekennerschreiben stammte wie jetzt beim "Posthotel" von der Gruppierung "Für eine revolutionäre Perspektive".

 Vor elf Jahren war zudem in Nähe zum Davoser "Kongresshotel" in einer Trafostation ein Brandsatz gelegt worden. Dieser hätte zur WEF-Eröffnung gezündet werden sollen, wobei allerdings die Zündung nicht funktionierte.

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Blick am Abend 28.1.11

Linke Chaoten stürmen Bahnhof

 NICHT ZU STOPPEN

 Die Linksradikalen habens wieder geschafft: Der Basler Bahnhof gehörte ihnen.

 natascha.eichholz@ringier.ch

 Gestern Abend nahmen Linksextreme den Basler Bahnhof ein. Am Rande einer unbewilligten Anti-WEF-Demo mit 70 Personen kletterten sie bis aufs Dach des Gebäudes. Dort befestigten sie ein Banner: "Jetzt sind wir am Zug! Von unten links nach oben rechts! WEF angreifen".

 Wie kann es sein, dass Chaoten den Bahnhof erklimmen können? "Man kommt da problemlos rauf", sagt Klaus Mannhart von der Kantonspolizei Basel-Stadt zu Blick am Abend. Nicht sehr beruhigend.

 Doch Mannhart führt weiter aus: "Die müssen nicht mal aussen hochgeklettert sein. Bis oben gibt es Türen und Gänge, da kommt man leicht hin." Geschnappt habe man niemanden, und den Chaoten drohe auch kein Ärger. Denn: "Dazu müsste eine Anzeige wegen Hausfriedensbruchs von Seiten der SBB vorliegen. Eine solche ist nicht eingegangen."

 Das Ereignis hinterlässt ein umso mulmigeres Gefühl, als dass es den Links-Autonomen erst gestern gelang, im Davoser "Posthotel Morosani" einen Sprengkörper zu zünden. Daran konnten auch die 4000 Polizisten und Soldaten, die in Davos im WEF-Einsatz sind, nichts ändern.

 Bleibt abzuwarten, ob die WEF-Gegner bereits morgen wieder zuschlagen.

 Dann steht eine Demo mit 100 Personen an. Laut Polizei werden die Kontrollen weiter intensiviert. Die linke Szene ist gemäss Interpol europaweit auf dem Vormarsch. "Alleine in der Schweiz sind 2000 Linksextreme registriert. Davon sind 1000 gewaltbereit", sagte heute auch Felix Endrich vom Nachrichtendienst des Bundes.

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blick.ch 28.1.11
http://www.blick.ch/news/schweiz/linksextreme-machen-was-sie-wollen-165523

Böller in Davos, Eindringen im Bahnhof Basel, Anschläge:
Wie weit gehen die Linksextremisten noch?

BASEL - Am Morgen die Explosion in Davos. Am Abend der Bahnhof Basel als Ziel. Morgen Samstag Demo in Davos. Linksextreme tanzen derzeit der Polizei auf der Nase rum.

Von Natascha Eichholz

Gestern Morgen sorgt eine Explosion in Davos für Angst und Schrecken. Gestern Abend nahmen Linksextreme den Basler Hauptbahnhof ein. Am Rande einer unbewilligten Anti-WEF-Demo mit rund 70 Personen, klettern sie bis aufs Dach des Bahnhofs und bringen ein Transpararent an.

"Jetzt sind wir am Zug! Von unten links nach oben rechts! WEF angreifen". Blick.ch-Leserreporter Stephan Federer fotografiert das Szenario.

Wie kann es sein, dass Linksradikale einfach so den Bahnhof erklimmen können? "Man kommt da problemlos rauf", sagt Klaus Mannhart von der Kantonspolizei Basel-Stadt zu Blick.ch. Nicht sehr beruhigend.

Basler Chaoten haben nichts zu befürchten

Mannhart weiter: "Die müssen noch nicht mal aussen hoch geklettert sein. Bis da oben gibt es Türen und Gänge, da kommt man leicht hin." Geschnappt habe man niemanden und den Eindringlingen drohe auch kein Ärger.

Denn: "Dazu müsste eine Anzeige wegen Hausfriedensbruchs von Seiten der SBB vorliegen." Der Bahnhof sei ja SBB-Privatgelände. "Doch eine solche ist nicht eingegangen", sagt Mannhart.

Das Vorkommnis hinterlässt ein umso mulmigeres Gefühl, als dass es den Links-Autonomen erst gestern Morgen gelang, im Davoser "Posthotel Morosani", einen Sprengkörper zu zünden. Daran konnte auch das massive Aufgebot an Sicherheitskräften in Davos nichts ändern.

Morgen wird es noch ernster

Bleibt abzuwarten, ob die WEF-Gegner bereits morgen wieder zuschlagen. Dann steht eine Demo mitten in Davos an. Laut dem Bündner Polizeisprecher Thomas Hobi würden die Kontrollen auf morgen hin weiter intensiviert. Doch ob das etwas nützt? Wer auf Bahnhöfe klettern und Sprengkörper in bewachten Hotels explodieren lassen kann, ist zu Schlimmerem fähig.

Allgemein problematisch ist die steigende Zahl Linksextremer. "In der Schweiz sind 2000 Linksextreme registriert. Davon sind alleine 1000 gewaltbereit", sagt heute Felix Endrich, Sprecher Nachrichtendienst des Bundes gegenüber "Radio DRS". Die Radikalen nehmen bei ihren Aktionen auch die Gefährdung Aussenstehender in Kauf.

Gut vernetzt auf dem Vormarsch

Zudem besteht gemäss einem Bericht des "SonntagsBlick" Kontakt zwischen der Schweizer linken anarchischen Szene und der italienischen, die um einiges radikaler agiert. Die linke Anarcho-Szene ist laut Interpol europaweit auf dem Vormarsch.

Jüngste Opfer der Linksautonomen in der Schweiz sind SVP-Hardliner Hans Fehr, den man vor einer Woche niederschlug, und SVP-Nationalrätin Natalie Rickli, auf deren Haus in Winterthur ZH man im Dezember einen Farbanschlag verübte.

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Basler Zeitung 28.1.11

Störaktion am WEF

 Detonation in Davoser Luxushotel

 KEINE VERLETZTEN. Im hermetisch gesicherten Davos haben Linksaktivisten am Donnerstagmorgen Feuerwerkskörper im Posthotel gezündet. Eine Gruppe von Gegnern des Weltwirtschaftsforums (WEF) sprach von einem Anschlag und übernahm in einem Bekennerschreiben die Verantwortung. Es gab keine Verletzten. Die Polizei bestätigte, dass sich in einer Abstellkammer im Untergeschoss des Hotels eine kleinere Detonation ereignete. Diese habe kurz nach 9 Uhr stattgefunden und ein paar Fensterscheiben zerstört. Zudem habe sich Rauch entwickelt.

 Die Behörden waren bereits zuvor um 7.30 Uhr von der Gratiszeitung "20 Minuten" über das Bekennerschreiben der Linksaktivisten informiert worden. Darauf habe man Einsatzteams in das Posthotel und das benachbarte Hotel Schweizerhof an der Promenade geschickt, sagte Polizeisprecher Thomas Hobi. Beide Hotels gehören zur Morosani-Gruppe.

 Unbeeindruckt von der Störaktion zeigten sich die Teilnehmer des WEF. Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy setzte sich energisch für den Euro ein. "Der Euro buchstabiert Europa", beschwor er die Einheitswährung. Der ehemalige US-Präsident Bill Clinton sprach mit WEF-Gründer Klaus Schwab über den Wiederaufbau in Haiti und über die veränderte Stellung seines Landes in der Weltpolitik.  SDA  > Seiten 3, 13, 14

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Detonation in Davos

 Linksextremisten bekennen sich zu dem "Anschlag"

 Andreas Schwander, Davos

 Im Davoser Posthotel Morosani hat sich gestern eine Detonation ereignet. Angeblich war es eine Art von Bombe.

 Thomas Hobi, Sprecher der Bündner Kantonspolizei, versuchte an einer improvisierten Medienorientierung vor einem Hintereingang des Posthotels Morosani die Sache herunterzuspielen. Um neun Uhr morgens habe es eine Detonation in einem Lagerraum im Untergeschoss des Hotels gegeben, verletzt sei niemand worden, etwa drei Scheiben seien zu Bruch gegangen. Nun ermittelt die Bundesanwaltschaft, die für Sprengstoffdelikte zuständig ist.

 Die Behörden waren um 7.30 Uhr von der Zeitung "20 Minuten" über das Bekennerschreiben der Linksaktivisten informiert worden. Darauf habe man sofort Einsatzteams in das Posthotel und das benachbarte Hotel Schweizerhof an der Promenade geschickt, die beide der Morosani-Gruppe gehören, sagte Polizeisprecher Thomas Hobi. Die Polizei habe zuerst den Gästebereich durchsucht. Als sie sich auch den wenig benutzten Nebenräumen angenommen habe, sei der Feuerwerkskörper um 9.15 Uhr explodiert. Er verursachte nur einen geringen Sachschaden. Eine Räumung der beiden Luxushotels sei nicht zur Debatte gestanden.

 Keine Aufregung. Gemäss dem im Internet aufgetauchten "Bekennerschreiben" bestand der Sprengsatz aus einem Feuerwerkskörper, zudem habe man Zucker in die Heizöltanks des Hotels geschüttet, um die Heizung zu sabotieren. Die Zeitzünder seien auf sechs Uhr morgens gestellt worden, um keine Mitarbeiter des Hotels zu gefährden, heisst es. Das scheint allerdings nicht geklappt zu haben; geknallt hat es nämlich erst drei Stunden später.

 Das Posthotel Morosani liegt am südlichen Ende der Promenade, in der Nähe des Rathauses und der Talkirche. Rund um das Hotel sah man die gewohnte Mischung aus WEF-Teilnehmern, Snowboardern und Flaneuren und ein paar zusätzliche Polizisten. Doch von Sperrung oder zusätzlichen Sicherheitsmassnahmen war nichts zu sehen. Zudem betonte Thomas Hobi, neue Massnahmen seien nur so lange wirksam, wie man nichts davon wisse. Die internationalen Medien schienen sich ohnehin nicht für den "Anschlag" im Posthotel zu interessieren, dafür umso mehr für den Wurststand auf der andern Seite des Hotels.

 Offene Fragen. Die Atmosphäre der Lockerheit verschwand allerdings auf den Treppenstufen zum Hoteleingang. An den grossen, einsilbigen Herren mit Knopf im Ohr war kein Vorbeikommen. Zudem standen da ein Gepäckröntgengerät und ein Metalldetektor, um genau solche Dinge aufzuspüren, die da geknallt haben. Diese Geräte konnten unmöglich erst in den letzten paar Stunden da aufgestellt worden sein.

 Da stellt sich die Frage, wie jemand mit Knallkörpern in der Tasche da einfach so reinspazieren konnte. Die Polizei sagte, man habe die wichtigen Hotels, darunter auch das Posthotel, mit Hunden und andern Mitteln durchsucht. Laut Aussagen aus Polizeikreisen könnte der Sprengkörper schon lange vor dem WEF in die Abstellkammer gebracht worden sein. Und alle Suchaktionen haben ihn nicht zutage gefördert. Das wirft ein schiefes Licht auf das grösste Sicherheitsdispositiv der Schweiz.

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Extremisten rüsten auf

 Linke "Revolutionäre" haben in den letzten Monaten versucht, legal Waffen zu erwerben

 TIMM EUGSTER

 Die Detonation in einem Davoser Hotel, die Bombenattrappe in St. Gallen und vor allem die Attacke auf SVP-Nationalrat Hans Fehr bereiten Beobachtern grosse Sorgen. Der Nachrichtendienst spricht von einer "neuen Qualität" der Gewalt.

 "Die Bonzen treffen sich nicht nur alljährlich im gut abgeriegelten Davos oder in verschlossenen Hinterzimmern: Sie sind samt ihrer Ideologie das ganze Jahr über überall präsent. Greifen wir sie an! Für eine revolutionäre Perspektive!" Mit diesen Zeilen schliesst das Bekennerschreiben auf der Website des "Revolutionären Aufbaus" für die "Bombe", die am Mittwoch in St. Gallen platziert worden war - es handelte sich um eine Attrappe, und statt wie geplant bei der HSG, lag sie bei den Helvetia-Versicherungen.

 "Der besonders reaktionäre Teil der herrschenden Klasse kann sich vom Zorn der immer schärfer Ausgebeuteten nirgends wirklich sicher fühlen." Mit dieser Drohung schliesst das Bekennerschreiben auf der "Aufbau"-Website zu den "Anschlägen" auf den Zürcher "Club zum Rennweg", das Büro des früheren BaZ-Verlegers Martin Wagner in Basel, die "Weltwoche" und weitere Ziele - die Waffen bestanden aus Farbe und Spraydosen.

 Und jetzt haben die Linksextremisten mit der Detonation im Davoser Posthotel bewiesen, dass die dort logierenden UBS-Chefs nicht einmal am WEF geschützt sind - doch platzierten sie nicht Sprengstoff, sondern relativ harmloses Feuerwerk in einer Abstellkammer.

 Also alles nur Bluff? Für Analytiker wie den Politologen Adrian Vatter zumindest handelte es sich selbst bei der brutalen Attacke auf SVP-Nationalrat Hans Fehr am Rande der Albisgütli-Tagung in Zürich vor einer Woche um einen "Einzelfall". Tatsächlich hat die Tat in der linksextremen Szene eine heftige Kontroverse ausgelöst. Für einen 20-jährigen Demoteilnehmer war der Tabubruch, dass ein Mensch Zielscheibe einer potenziell tödlichen Attacke wurde, derart gross, dass er selbst einen Tabubruch beging: Er vertraute sich entgegen den Regeln der Szene einem "bürgerlichen Medium" an. Bloss zwei Personen hätten Fehr angegriffen, so der anonyme Zeuge auf Radio 1: Alle anderen hätten versucht, die Täter zu stoppen und Fehr zu helfen. Auch Fehr selbst sprach von einer "wundersamen Rettung" durch einige Demonstrantinnen.

 WAFFENSCHEIN. Zu einem weit weniger harmlosen Schluss kommt hingegen Samuel Althof, der in der Prävention rechts- wie linksextremer Gewalt und in der Ausstiegshilfe tätig ist. Am Tag nach der Attacke schrieb er in einem Mail an Hans Fehr: "Ich sehe seit etwa acht Monaten eine mir grosse Sorge bereitende und stetig zunehmende Eskalationstendenz bis hin zur Bewaffnung in extremistischen Kreisen." Und: "Gewalt gegen Politiker wird künftig zum Programm extremistischer Kreise gehören."

 Tatsächlich haben nach Informationen der BaZ in den vergangenen Monaten mehrere Linksextreme ein Gesuch für einen Waffenerwerbsschein gestellt, um auf legalem Weg an Schusswaffen zu kommen. Die Behörden verweigerten jedoch die Bewilligungen, da ihnen bekannt war, dass die Gesuchsteller an einschlägigen Demonstrationen mit gefährlichen Gegenständen festgenommen worden waren.

 Bestätigt wird Althofs Einschätzung vom Nachrichtendienst des Bundes (NDB). Sprecher Felix Endrich spricht in Bezug auf die Attacke auf Hans Fehr von einer "neuen Qualität" der Gewalt. Als bisher gefährlichste Angriffe gegen Menschen durch Linksextreme nennt Endrich erstens den Versuch, die Bühne zu stürmen, auf der Moritz Leuenberger als damaliger SP-Bundesrat die 1.-Mai-Rede 2006 hielt, samt Wurf von Knallpetarden. Als zweiten Vorfall nennt er den Brandanschlag auf das in der Hausgarage parkierte Auto des Zürcher Justizdirektors Markus Notter (SP). Für eine umfassende aktuelle Analyse verweist Endrich auf den Jahresbericht 2010, der im April vorgestellt wird. Im letzten Bericht vom vergangenen Juli findet sich ein Satz, der sich jetzt bestätigt haben dürfte: "In Bezug auf die Anzahl der linksextrem motivierten Aktivitäten ist nach aktuellem Kenntnisstand eher von einer Zu- als einer Abnahme auszugehen."

 Für das Jahr 2009 bilanziert der NDB 127 "gewalttätige Ereignisse gegen Objekte und Personen" - sieben Prozent mehr als im Vorjahr. Der Nachrichtendienst stuft die Hälfte der rund 2000 Linksextremen in der Schweiz als gewalttätig ein und schreibt von einem "unverändert hohen Gewaltpotenzial". Tendenzen zu Terrorismus seien aber nicht auszumachen.

 FRUSTRIERT. Die reale Gewalteskalation wird auf der Internetplattform Indymedia von noch brutaleren Fantasien begleitet: Man habe gegen Fehr "zugeschlagen und eigentlich gehofft, dass er dies nicht überlebt", so ein Eintrag im Namen des "Aufbaus". Und weiter: "Eine mutige Genossin hatte noch ihre Pistole auf seinen Kopf gerichtet, drückte dann aber vor lauter Aufregung leider im falschen Moment ab." Der "Aufbau" hat sich von diesem Eintrag distanziert: Er sei eine Fälschung mit dem Zweck, die Bewegung zu spalten. Die "Abreibung" hingegen legitimiert die Organisation mit der Begründung, Fehr stehe "an vorderster Front bei der Durchsetzung von immenser Gewalt von oben gegen unten".

 Dennoch sind solche Tötungsfantasien für Althof ein Alarmzeichen: "Wie bei einem Amoklauf kann die Tatsache, dass dies gedacht und geschrieben wird, die Vorstufe zur Tat sein." Gewalt ist laut Althof ein Bestandteil jeder "revolutionären Strategie" - und immer gleichzeitig auch Propaganda: Es gehe darum, der eigenen Wahrheit als einzig richtiger Dominanz zu verschaffen, zu beeindrucken und ein latentes Spannungsfeld zu verschärfen. Waffen würden aus Sicht von Linksextremen nicht Menschen töten, sondern das System angreifen - was die Hemmschwelle für deren Einsatz senke. Die derzeitige "Eskalationsstrategie" führt Althof auch darauf zurück, dass die Linksextremen politisch orientierungslos, hilflos und frustriert seien. Dies, weil Linke auf einmal als Bewahrer gälten und die SVP trotz ihres Konservatismus als fortschrittlich. Heute sei es die SVP, die mit einer "Wir-gegen-alle"-Widerstandsrhetorik antrete und ihre Gegner auf Plakaten als Nichtmenschen wie etwa rote Ratten oder schwarze Schafe oder aktuell als Nicht-Schweizer diffamiere. Auf diese SVP-Dominanz reagierten die Linksextremen mit dem Versuch "revolutionärer" Dominanz auf der Strasse. Gleichzeitig bestehe dieser kleine, radikale Kern hauptsächlich aus jungen Leuten, die einen völlig normalen Alltag lebten. Eine Entwicklung in Richtung einer Stadtguerilla wie der RAF sieht Althof derzeit nicht.

 Im zweiten Teil seines Briefs an Fehr appelliert Althof an den SVP-Politiker, seine unter dem Schock des Angriffs verständliche Aussage zu relativieren, er hätte geschossen, wenn er eine Waffe dabei gehabt hätte: "Denn so wie sie jetzt im Raum steht, könnte sie als Programm verstanden werden, die zu einer weiteren ‹Aufrüstung› beider Seiten führen könnte."

 SELBSTJUSTIZ. Fehr hat das Mail nicht gelesen - er hat über 600 erhalten. Auf Anfrage der BaZ will er seine "in tiefster Verzweiflung und Hilflosigkeit" gemachte Aussage nur leicht abschwächen: In der Realität stelle sich die Frage gar nicht, da er keine Waffe auf sich tragen dürfe und auch keine Chance gehabt hätte, eine solche zu ziehen. Und wenn er doch eine hätte einsetzen können, hätte er "wahrscheinlich in die Luft geschossen".

 Die Aussagen seien persönlich zwar nachvollziehbar, doch nehme Fehr seine Verantwortung als Politiker nicht wahr, kritisiert Althof: Es brauche eine klare Absage an Selbstjustiz, damit der Übergriff als Verletzung eines gesellschaftlichen Tabus verstanden werden könne.

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Bund 28.1.11

Linksaktivisten zünden Feuerwerkskörper in Hotel-Keller

 Das "Pöstli" hatte ein Sicherheitsloch

 "Bombe in Davos": Die Meldung ging gestern um die Welt. Im Nachhinein stellte sich die Bombe zwar als Feuerwerkskörper heraus, und verletzt wurde niemand - was aber bleibt, ist eine Frage: Wie kann es sein, dass in einem stark gesicherten Hotel einfach ein Aktivist reinspaziert und einen Sprengkörper deponiert?

 Recherchen vor Ort zeigen, dass das Posthotel über ein Sicherheitsloch verfügt. Zwar gibt es im "Pöstli" eine Gepäck- und Personenkontrolle wie am Flughafen, doch die erfolgt zu spät: Zwischen dem Eingang und dem Check führt eine Treppe nach unten zu einer Toilette. Wenn beim Eingang etwas Gedränge herrscht, kann jeder diese Treppe hinuntersteigen - ohne Sicherheitsüberprüfung. "Dort unten ist der Sprengkörper detoniert", bestätigt Polizeisprecher Thomas Hobi auf Anfrage. Unter der Leitung der Bundesanwaltschaft sei man nun dabei, genau abzuklären, wie es passierte. Der Sprengkörper war nicht in der Toilette explodiert, sondern in einem weiter hinten gelegenen Lagerhaus.

 Als kurzfristige Massnahme hat die Polizei nun verboten, die Treppe zu benutzen. Das Sicherheitskonzept für das WEF hält Hobi grundsätzlich immer noch für gut. "Punktuelle Verbesserungen" würden nun aber geprüft.

 Geirrt haben sich die Anti-Globalisierungs-Aktivisten in ihrem Bekennerbrief, als sie meinten, im Posthotel würden die Schweizer Bundesräte wohnen. Das war früher so, diesmal nicht. Im Hotel gehen Personen ein und aus, die viel gefährdeter sind als Schweizer Bundesräte. Ein Beispiel: Gestern Mittag fand dort ein Arbeitsessen zum Thema organisierte Kriminalität mit dem Direktor der europäischen Polizeibehörde (Europol), Robert Wainwright, und dem kolumbianischen Präsidenten Juan Manuel Santos statt. Glücklicherweise wussten das die Aktivisten nicht; in Kolumbien herrscht noch immer Bürgerkrieg.(ar)

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Aargauer Zeitung 28.1.11

Mini-Anschlag mit Feuerwerkskörpern

 Sicherheit Polizei hätte eineinhalb Stunden Zeit gehabt, um die Explosion zu verhindern

Lorenz Honegger

 Um neun Uhr gestern Morgen passierte im Morosani Posthotel, was am World Economic Forum (WEF) eigentlich nicht passieren dürfte: Mehrere Feuerwerkskörper detonierten im Untergeschoss des Hotels, wo auch die Führungsriege der Grossbank UBS während des Forums logieren. Fensterscheiben gingen zu Bruch. Verletzt wurde niemand. Die Bundesanwaltschaft ermittelt.

 Die Aktivisten publizierten eineinhalb Stunden vor der Explosion - um 7.28 Uhr - ein anonymes Bekennerschreiben auf dem linksalternativen Internetnachrichtendienst "Indymedia", in welchem sie sich zum Anschlag und zum "Kampf gegen die Diktatur des Kapitals" bekannten. Wäre ihr Plan aufgegangen, hätten die Feuerwerkskörper, durch einen Zeitzünder ausgelöst, bereits um sechs Uhr detonieren müssen. Doch bis zum Knall dauerte es weitere drei Stunden. Die Polizei hatte eineinhalb Stunden Vorlaufzeit, um die Explosion zu verhindern. Laut einem Sprecher der Kantonspolizei Graubünden durchsuchte eine Gruppe Polizisten die Räume des Hotels, nachdem das Bekennerschreiben auf der seit Jahren für Demo- und Anschlags-Ankündigungen berüchtigten Plattform "Indymedia" veröffentlicht worden war. Die Beamten fanden nichts - bis es knallte. "Die Feuerwerkskörper waren in einem Lagerraum versteckt", erklärt der Kapo-Sprecher.

 Bereits in der Nacht auf Mittwoch hatte die mutmasslich gleiche Aktivistengruppe einen Sprengstoffanschlag auf die Universität St. Gallen zu verüben versucht. Und letzte Woche protestierten in St.Gallen und Basel mehrere hundert WEF-Gegner gegen das Treffen der Superreichen.

 Erstarkte Protestbewegung?

 Trotz minimer Schadensbilanz stellt sich die Frage, ob die besonders zwischen dem Jahr 2000 und 2003 äusserst militante Anti-WEF-Bewegung nun wieder erstarkt. Kenner der Bewegung verneinen dies: "Mit Globalisierungskritik hat der Vorfall im Posthotel nichts zu tun. Das war eine Aktion von Leuten, die nichts anderes als Medienwirksamkeit wollen", sagt Kommunikationsberater Franz Egle gegenüber der az, der eine Dissertation zum Thema geschrieben hat. Egle, ehemaliger Bundesratssprecher, ist seit dem Jahr 2000 beratend für das WEF und dessen Gründer Klaus Schwab tätig. "Klar, die Aktivisten haben den Sicherheitsverantwortlichen ein Schnippchen geschlagen. Das Blatt wendet sich deswegen nicht - die globalisierungskritische Bewegung ist mehr oder weniger verschwunden. Ich gebe diesem Vorfall null Gewicht", sagt Egle.

 Am Samstag führt die Grüne Partei Davos die Hauptdemonstration gegen das WEF in Davos durch. Parteisekretär Rolf Marugg rechnet nur mit einem kleinen Aufmarsch: "Viele Leute sind zu bequem, sich vom Fernseher wegzubewegen", stellt er fest. Zudem befürchte er, dass wegen des Anschlags auf das Posthotel etliche Demonstranten "auf dem Weg nach Davos aufgehalten werden".

 Der Direktor des Davoser Nobelhotels "Steigenberger Belvedere", Ernst Wyrsch, lässt sich vom Anschlag auf das "Pöstli" nicht aus der Ruhe bringen: "Wir haben neben dem Kongresszentrum den höchsten Sicherheitsstandard", erklärt er gegenüber der az. Zum Sicherheitskonzept des "Steigenberger Belvederes" gehören Bombenhunde, Nachtsichtkameras und Bewegungsmelder. "Wir haben keine Überwachung, sondern eine Bewachung. Auch Lieferanten werden wie auf dem Flughafen kontrolliert. Wir fühlen uns sicher - aber eine hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht."

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20 Minuten 28.1.11

Davos: Anschlag auf Hotel der UBS-Bosse

 DAVOS. Militante Wef-Gegner haben gestern in Davos einen kleineren Sprengsatz gezündet. Bei der Detonation im Hotel, in dem die UBS-Delegation untergebracht ist, gingen Scheiben zu Bruch. Laut einem Bekennerschreiben wollten die Linksextremen auch die Bundesräte treffen. Dass das Riesenaufgebot an Sicherheitskräften den Anschlag nicht verhindern konnte, ist erstaunlich. Ein Experte rechnet mit weiteren Angriffen.

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Linksextreme wollten auch die Bundesräte angreifen

 DAVOS. Im abgeriegelten Davos haben Linksextreme einen Anschlag auf das Posthotel verübt. Nun warnt ein Extremismus-Experte vor neuen Angriffen.

 Um 9.15 Uhr hörten Angestellte des Posthotels in Davos, in dem unter anderem die UBS-Delegation untergebracht ist, einen dumpfen Knall. In einer Abstellkammer im Untergeschoss war ein Feuerwerkskörper mit Zeitzünder detoniert, der mehrere Scheiben zum Bersten brachte. Verletzte gab es keine. In einem Bekennerschreiben übernahmen linksextreme "Revolutionäre" die Verantwortung: "Wir haben die Hotels Morosani in Davos mit Pyrotechnik und Zucker angegriffen." Zwei Sprengsätze seien deponiert worden. Zu den Morosani-Hotels gehört auch der Schweizerhof, in dem die Bundesräte logieren. Ob auch hier ein Sprengsatz deponiert worden war, blieb gestern unklar. Den Zucker wollen die militanten Wef-Gegner in den Öltank der Heizung gefüllt haben, damit den Bundesräten "in den Bergen ein kalter Wind um die Ohren weht".

 Zur Frage, wie es möglich sei, im streng bewachten Davos einen Sprengsatz anzubringen, hüllten sich die Behörden in Schweigen. Am Sicherheitsdispositiv zweifeln sie trotz des Anschlags nicht: "Wir haben alle erdenklichen Massnahmen ergriffen", so Thomas Hobi, Sprecher der Kantonspolizei Graubünden.

 Extremismus-Experte Samuel Althof warnt derweil davor, die Linksaktivisten zu unterschätzen: "Die Täter sehen sich als Revolutionäre. Studiert man ihre Programme, so sieht man klar, dass Gewalt Teil der Strategie ist. Sie haben eine eigentliche Kriegsrhetorik entwickelt." Er stellt seit rund acht Monaten eine höhere Gewaltbereitschaft in der Szene fest und sagt: "Man muss mit weiteren Anschlägen rechnen."  DAW

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 Anti-Wef-Demo durch Davos wird nicht abgesagt

 DAVOS. Trotz des Anschlags wird die angekündigte Anti-Wef-Demonstration vom Samstag in Davos nicht verboten: "Zurzeit gibt es keinen Grund, etwas zu ändern", so der zuständige Davoser Landschreiber Michael Straub. Es sei eine Kundgebung, an der hauptsächlich Einheimische teilnähmen. Erwartet würden gegen hundert Teilnehmer. Laut Polizeisprecher Thomas Hobi werden die Kontrollen auf den Samstag hin wie angekündigt intensiviert.

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"Man kann nicht alle Leute filzen"

 Herr Segmüller*, im abgeriegelten Davos ist es zu einer Detonation gekommen. Hat die Polizei versagt?

 Pius Segmüller: Das kann man so sicher nicht sagen. Ich will den Vorfall nicht kleinreden, aber überbewerten sollte man ihn auch nicht. Dass eine fremde Person - vielleicht als Handwerker verkleidet - in den Keller eines Hotels gelangen kann, kann man nicht verhindern. Auch während des Wef hat es in Davos viele Touristen, die kann man nicht alle filzen.

 Also ist Davos keine Festung?

 Das ist es nicht. In der Kernzone gibt es zwar erhöhte Sicherheitsvorkehrungen. Doch das Posthotel liegt nicht in der Kernzone. Absolute Sicherheit gibt es nicht. Aber: Um ein Haus einstürzen zu lassen, brauchen Sie einige Kilo Sprengstoff. Solche Detonationskörper sehen anders aus als Feuerwerkskörper.

 Wie wird die Polizei reagieren?

 Vermutlich werden nun auch ausserhalb der Kernzone verstärkt Patrouillen eingesetzt.  rn  *  Pius Segmüller ist CVP-Nationalrat und Sicherheitsexperte.

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Blick 28.1.11

Kommentar

 Ein Böller, der für Krach sorgen wird

 Marcel Zulauf  Stv. Chefredaktor Blick.ch

 marcel.zulauf@ringier.ch

 Oben im Posthotel logieren WEF-Gäste. Unten im Keller explodiert ein Feuerwerkskörper und verbreitet Angst und Schrecken. Linke Aktivisten brüsten sich mit der Tat. Passiert ist zum Glück nichts. Nur ein kleiner Sachschaden ist entstanden.

 Soll man das als Streich abtun? Keinesfalls! Armee, Polizei und Eliteeinheiten sind in Davos stationiert. Auf den Dächern sind Scharfschützen in Stellung. Trotzdem können Unbekannte im Luxushotel einen Böller hochgehen lassen. In den Heizöltank des Hotels haben sie gemäss Bekennerschreiben Zucker geschüttet. Um die Heizung zu blockieren.

 Angesichts dieser Tatsachen muss die Frage erlaubt sein: Ist das WEF sicher genug? Ist die grösste Stadt in den Schweizer Alpen der richtige Austragungsort für das Spitzentreffen von Politik und Wirtschaft?

 Jetzt ist die Polizei gefordert. Denn bisher kam es nie zu grösseren Zwischenfällen. Bisher musste der Tagungsort nicht hermetisch abgeriegelt werden. Anders als bei den G-8-Treffen, wo keine Maus mehr hinter die Sicherheitslinie kommt, lebt Davos mehr oder weniger normal weiter. Das soll so bleiben! Auch nach dem Böller im Hotelkeller.

 Die Extremisten versuchen alles, damit das WEF nicht mehr stattfinden kann. Sie werfen Wirtschaft und Politik ruchloses Verhalten vor. Und werfen mit ihrer sinnlosen Gewalt den ersten Stein.

 Dass dies kontraproduktiv ist, sollte spätestens nach dem feigen Angriff auf SVP-Nationalrat Hans Fehr klar sein. Sogar innerhalb der Linken wird diese Tat scharf kritisiert.

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NZZ 28.1.11

Detonation in Davoser Luxushotel

Tat von WEF-Gegnern

 (sda) · Im Luxushotel "Morosani Posthotel" in Davos ist es am Donnerstagmorgen um 9 Uhr 15 zu einer kleineren Detonation im Untergeschoss gekommen. Es entstand Sachschaden, verletzt wurde niemand, wie Thomas Hobi, Sprecher der Kantonspolizei Graubünden, mitteilte. Die Explosion ereignete sich in einer Abstellkammer und zerstörte Fensterscheiben. Zudem entwickelte sich Rauch. Nach ersten Erkenntnissen soll es sich um die Explosion eines Feuerwerkskörpers gehandelt haben.

 Auf der Website Indymedia wurde ein Bekennerschreiben publiziert. Demnach seien zwei pyrotechnische Sprengsätze mit einem Zeitzünder zur Explosion gebracht und zudem dem Öltank des Hotels Zucker beigefügt worden. Auf der Site der WEF-Gegner hiess es weiter, dass im Hotel unter anderem Schweizer Bundesräte logierten. Laut Angaben der Behörden war dies allerdings nicht der Fall gewesen.

 Wie später bekanntwurde, war die Polizei bereits am Donnerstag um 7 Uhr 30 auf das Bekennerschreiben auf der Website der Linksaktivisten aufmerksam geworden. Daraufhin habe die Polizei sofort Einsatzteams geschickt. Der Sprengsatz konnte offenbar aber nicht rechtzeitig entschärft werden. Zur Frage, wie es möglich sei, während des WEF in einem bewachten Luxushotel einen Sprengsatz anzubringen, wollte sich die Polizei nicht äussern. Die Bundesanwaltschaft hat Ermittlungen aufgenommen.

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Südostschweiz 28.1.11

Festung Davos doch nicht sicher?

 Wie konnten Feuerwerkskörper heimlich in einem Hotel deponiert werden? Und das aus- gerechnet am schwer bewachten World Economic Forum?

 Von Dario Morandi

 Davos. - Zum Glück waren es nur Feuerwerkskörper, die gestern im Untergeschoss des Davoser "Morosani Posthotel" hochgegangen sind. Genauso gut hätte es auch hochexplosiver Semtex-Sprengstoff sein können. Und das in Davos, das wegen des World Economic Forum (WEF) momentan einer Festung gleicht. Wie die pyrotechnischen Sprengsätze in den Keller des Hotels gekommen sind, ist bisher unklar. Die Bündner Kantonspolizei sowie die Bundesanwaltschaft wollten sich aus "ermittlungstaktischen Gründen" nicht dazu äussern.

 Gleichzeitig gibt es Anzeichen dafür, dass es morgen in Landquart und Fideris wie in früheren Jahren zu Kundgebungen von WEF-Gegnern kommen könnte. Die Polizeikräfte haben sich laut eigenen Angaben aber entsprechend darauf vorbereitet.

 Kommentar 5. Spalte

 Berichte Seiten 4 und 17 bis 19

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Behörden blicken mit Sorge dem WEF-Samstag entgegen

 In den grossen Schweizer Städten sind bisher keine Demonstrationen gegen das World Economic Forum angekündigt worden. Das nährt Befürchtungen, wonach es in Landquart und Fideris erneut zu Ausschreitungen kommen könnte.

 Von Dario Morandi

 Davos. - In den letzten Jahren ist es rund um das Davoser World Economic Forum (WEF) ruhig geworden. Die Demonstrationen gegen das Jahrestreffen der Reichen und Mächtigen in Davos selber verliefen jeweils friedlich, und es ist davon auszugehen, dass dies auch morgen an der diesjährigen Anti-WEF-Demo vor Ort so der Fall sein wird. Die gewaltbereiten Chaoten, die einst zwischen Landquart und Fideris randalierten und die Polizei in Atem hielten, sind hingegen von der Bildfläche verschwunden. Doch das könnte sich am Wochenende ändern.

 "Das WEF angreifen"

 Nach Angaben von Thomas Hobi, Mediensprecher der Kantonspolizei Graubünden, gibt es zwar keine konkreten Hinweise, dass es weder in Davos noch in Landquart oder Fideris zu Ausschreitungen kommen könnte. "Es fällt aber auf, dass in diesem Jahr in den grossen Städten keine Anti-WEF-Kundgebungen geplant sind", stellt Hobi fest. Und in der Tat: Auf den einschlägigen Seiten im Internet sind bisher keine entsprechenden Aufrufe erschienen. Wohl aber die üblichen martialischen Phrasen der WEF-Gegner: "Das WEF angreifen, von unten links nach oben rechts!" heisst es etwa beim Revolutionären Aufbau.

 Die Behörden sind durch diese Hinweise offenbar kaum beunruhigt. "Wir sind auf alle Eventualitäten vorbereitet", sagt Mediensprecher Hobi. Polizeikräfte probten diese Woche jedenfalls schon mal vorsorglich die Verschiebung mit Helikoptern. Auf dem Churer Militär-Heliport waren Polizeigrenadiere auszumachen, die in voller Ausrüstung den Einstieg in einen Super-Puma der Luftwaffe übten. Das hat ein Augenschein vor Ort ergeben. Und auf nachrichtendienstlicher Ebene glühen offenbar die Drähte: "Wir nehmen laufend Lagebeurteilungen vor und stellen uns darauf ein", erzählt Hobi. Mit einbezogen und analysiert würden dabei auch Vorfälle in den letzten Tagen. So etwa die Detonation im Untergeschoss des Davoser "Morosani Posthotels" (siehe Kasten) und die Attacke mit Feuerwerkskörpern auf ein Versicherungsgebäude in St. Gallen, das von den Tätern irrtümlicherweise für ein Gebäude der Universität gehalten worden war.

 Das "Vehgatter" steht bereit

 Noch offen ist nach den Worten des Polizeisprechers, ob die Polizei wie in früheren Jahren morgen beim Bahnhof Fideris Personenkontrollen vornehmen wird. Die von WEF-Gegnern als "Vehgatter" bezeichnete Anlage ist zwar betriebsbereit. Ob sie aber tatsächlich zum Einsatz kommt, hängt gemäss Hobi von der aktuellen Entwicklung ab.

 Nach Angaben der Rhätischen Bahn kann es zu Anpassungen des Fahrplans kommen, wenn das "Vehgatter" in Betrieb genommen werden sollte. Bei den Personenkontrollen müssten Reisende den Zug verlassen und einen Fussmarsch von rund 300 Metern in Kauf nehmen. Die Reisezeit Landquart-Davos könne sich um rund 40 Minuten verlängern, heisst es.

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 "Revolutionäre Perspektive" hat es schon vor elf Jahren versucht

WEF-Gegner haben gestern im Davoser "Morosani Posthotel" offenbar einen Feuerwerkskörper gezündet. Verletzt wurde niemand. Eine Gruppe namens "Revolutionäre Perspektive" hat in einem Bekennerschreiben die Verantwortung für die Tat übernommen. Nach Informationen der "Südostschweiz" handelt es sich um dieselbe Gruppierung, die im Jahr 2000 Feuerwerkskörper auf das Kongresszentrum geworfen hatte.

 Wie Thomas Hobi, Mediensprecher der Bündner Kantonspolizei, auf Anfrage erklärte, hatte sich die "kleine Detonation" in einer Abstellkammer im Untergeschoss des Hotels ereignet. Dabei seien zwei Fensterscheiben zu Bruch gegangen. Zudem habe sich Rauch entwickelt. Die Behörden gehen von einem Feuerwerkskörper aus, der zur Detonation gebracht worden war. "Wir haben die Hotels 'Morosani' mit Pyrotechnik und Zucker angegriffen. In diesen Hotels sind die Bundesräte und die UBS-Vertreter untergebracht", heisst es im Bekennerschreiben, das auch im Internet veröffentlicht wurde. Es seien pyrotechnische Sprengsätze mit Zeitzünder deponiert worden. Zusätzlich sei Zucker in den Öltank des Hotels gefüllt worden, damit den Bundesräten "früher oder später in den Bergen auch ein kalter Wind um die Ohren weht".

 Im "Morosani Posthotel" wohnten bis vor zwei Jahren die Bundesräte am WEF. Die Sicherheit der Regierungsmitglieder sei zu keinem Zeitpunkt in Frage gestellt gewesen, sagte Thomas Abegglen von der Bundeskanzlei. Auch habe sich wegen des Vorfalls das Programm der Bundesräte nicht geändert.

 Ein WEF-Sprecher sagte der Nachrichtenagentur Reuters, das Hotel sei nach Bekanntwerden des Bekennerschreibens zwei Mal nach Bomben durchsucht worden. Allerdings wurde der Kellerraum nicht beachtet, wo der Sprengsatz erst kurz nach 9 Uhr statt um 6 Uhr hochging.

 Zur Frage, wie es möglich sei, während des WEF in ein bewachtes Luxushotel einzudringen, wollte sich die Polizei nicht äussern. Die Ermittlungen hat die Bundesanwaltschaft übernommen. Aus "ermittlungstaktischen Gründen" gab diese jedoch keine weiteren Informationen bekannt. Trotz des Vorfalls war rund um das Hotel kein erhöhtes Polizeiaufkommen auszumachen. WEF-Veranstaltungen konnten im Hotel ungestört abgehalten werden. Und die Heizungen funktionierten normal, hiess es an der Rezeption. (mo/sda)

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Kommentar

 Dilettantischer Schreckschuss mit Folgen

 Von David Sieber

 Man kann das World Economic Forum (WEF) für eine eigentlich überflüssige "Roadshow" halten wie der frühere deutsche Finanzminister Peer Steinbrück (SPD). Man kann hinter dem Stelldichein der Reichen und Mächtigen auch dunkle Kräfte vermuten, welche nur ein Ziel haben: die Knechtung der Arbeitnehmerschaft zwecks eigener Gewinnmaximierung. Letzteres nennt sich Verschwörungstheorie. Von solchen wimmelt es nicht erst seit dem Internetzeitalter - und sie verdienen in den allermeisten Fällen das Prädikat hanebüchen.

 Gegen das WEF zu demonstrieren ist legitim. Mit welchen Argumenten auch immer. Aber die Wahl der Mittel muss Recht und Gesetz entsprechen. Die Linksautonomen sehen das nicht so eng. Sie folgten bisher einem eigenen Kodex: Materielle Güter dürfen zerstört werden, Gewalt gegen Menschen ist jedoch verpönt. Wie der feige Angriff auf SVP-Nationalrat Hans Fehr am vergangenen Samstag gezeigt hat, scheint sich das geändert zu haben. (Noch) nicht aber bei den Anti-WEF-Aktivisten. Diese haben ein anderes Problem: Sie sind dümmer, als die Polizei erlaubt. Erst wollten sie auf die HSG St. Gallen einen Anschlag verüben und - trafen stattdessen die Helvetia-Versicherung. Dann versuchten sie den Bundesrat einzuschüchtern - und platzierten das Pyro-Bömbchen im falschen Hotel. Zudem ging es zu spät hoch, so- dass zumindest theoretisch die Gefahr bestand, dass sich jemand verletzt.

 Doch auch die Sicherheitsbehörden haben sich nicht eben mit Ruhm bekleckert. Sie müssen sich die Frage gefallen lassen, wie die militanten WEF-Gegner trotz eines Riesenaufgebots von Polizisten und Soldaten in eines der Tagungshotels eindringen konnten. Nicht auszudenken, was geschehen wäre, wenn zu allem entschlossene Attentäter statt dilettantischer Weltverbesserer am Werk gewesen wären. Statt ein bisschen Rauch und ein paar zerbrochenen Fensterscheiben hätte es unzählige Opfer geben können. Der gestrige Vorfall war ein Schreckschuss. Er muss Folgen haben.

 dsieber@suedostschweiz.ch

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St. Galler Tagblatt 28.1.11

Davos blickt mit Sorge dem WEF-Samstag entgegen

 Dario Morandi

 Davos. In den letzten Jahren ist es rund um das Davoser Weltwirtschaftsforum (WEF) ruhig geworden. Die Demonstrationen gegen das Jahrestreffen der Reichen und Mächtigen verliefen jeweils friedlich. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass dies auch morgen an der diesjährigen Anti-WEF-Demo vor Ort der Fall sein wird. Dennoch glühen auf nachrichtendienstlicher Ebene offensichtlich die Drähte: "Wir nehmen laufend Lagebeurteilungen vor und stellen uns darauf ein", sagt Thomas Hobi, Mediensprecher der Kantonspolizei Graubünden.

 Feuerwerkskörper im Hotel

 Speziell zur Sorge Anlass geben Vorfälle in den letzten Tagen, die nun analysiert werden. Dazu gehört eine Detonation gestern im Untergeschoss des Davoser Morosani-Posthotels. WEF-Gegner hatten einen Feuerwerkskörper gezündet. Verletzt wurde niemand. Im Morosani-Posthotel wohnten früher die Bundesräte am WEF. Dieses Jahr logieren sie aber nicht im Gebäude. Bereits am Mittwoch hatte es im Zusammenhang mit dem WEF eine versuchte Attacke in der Nähe der Universität St. Gallen gegeben. Noch offen ist laut Hobi, ob die Polizei wie in früheren Jahren am morgigen Demonstrationstag Personenkontrollen beim Bahnhof Fideris vornimmt.

 Sarkozy verteidigt den Euro

 Am Forum selbst hat sich Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy für den Euro stark gemacht: Man werde ihn "niemals fallenlassen". wirtschaft 26

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Bund 28.1.11

Stadt Bern

 Anti-WEF-Aktivisten verschmierten UBS-Filiale

 Einige Aktivisten haben gestern Abend nach einer spontanen Demonstration gegen das World Economic Forum (WEF) in Davos die Bankfiliale der UBS am Bubenbergplatz beschädigt. Die Kantonspolizei sagte auf Anfrage, es seien Scheiben beschädigt, die Fassade versprayt und Verschmutzungen verursacht worden. Laut Augenzeugen soll Gülle zum Einsatz gekommen sein mit der Begründung, das WEF sei "Dreck".(mdü)

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BZ 28.1.11

WEF-Gegner protestierten

 Rund zwanzig Vermummte protestierten gestern Abend um 19 Uhr gegen das World Economic Forum (WEF). Die Demonstranten zogen Richtung UBS am Bahnhofplatz und kehrten kurz darauf zur Reithalle zurück. Es kam laut Kantonspolizei nur zu kleinen Sachbeschädigungen.pd

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Indymedia 27.1.11

AntiWef Aktion vor der UBS in Bern am 27.01. ::

AutorIn : Aufwachen, mitmachen, Kapitalismus abschaffen: http://ch.indymedia.org/de/2011/01/79849.shtml

WEF stinkt! Heute Abend wurde in einer kurzen Aktion, im Zentrum von Bern, Flyer verteilt, eine Rede gehalten und unter dem Motto "WEF stinkt!" der Eingang der UBS am Bahnhofplatz zugemüllt und -gemistet. Das Motto wurde vor dem Eingang der UBS auf den Boden geschrieben.     
    
An der Aktion nahmen an die 40 Personen teil und während dem Verlauf wurden lautstark Parolen skandiert. Den Inhalt des Flyers findet ihr unter dem Artikel über die Aktion vom Dienstag.
http://ch.indymedia.org/de/2011/01/79849.shtml

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10vor10 27.1.11

WEF: Explosion im Posthotel

Trotz starker Sicherheitsvorkehrungen ereignete sich heute in Davos eine kleine Detonation. Gegner des Weltwirtschaftsforums haben sich zum Anschlag bekannt. Verletzt wurde niemand.
http://videoportal.sf.tv/video?id=0e6caf0b-7aea-4843-a4ef-3b9b3306cead

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Tagesschau sf.tv 27.1.11

Kleine Explosion am WEF

Bei einem Anschlag von WEF-Gegnern gingen im Posthotel in Davos zwei Scheiben in die Brüche. Verletzt wurde bei dem Vorfall niemand.
http://videoportal.sf.tv/video?id=011f39d2-ac2d-4733-bb2c-4ae0dcc613e1

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telem1.ch 27.1.11

Anschlag WEF
http://telem1.ch/de/overlayplayer---0--0--0--T000316323.html

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telezueri.ch 27.1.11

Anschlag in Davos: WEF-Gegner lassen Sprengsatz in Hotel detonieren
http://www.telezueri.ch/index.php?id=6820&show_uid=9238&yyyymm=2011.01&cHash=cd5c3a1477

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Blick am Abend 27.1.11

"Bombe" wird untersucht

 IM LABOR

 Die Polizei kann noch nicht sagen, ob es sich beim Gegenstand, der bei der Helvetia Versicherungen gefunden wurde, um eine Bombe handelt oder nicht. Die Untersuchung soll "zwei bis drei Tage" dauern. Die Universität St. Gallen hat heute zum auf sie abzielenden Anschlag gemeldet, dass man den Vorfall bedauert und froh ist über des

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sf.tv 27.1.11

Feuerwerkskörper detonieren in Davos

 Heute Morgen ist in einem Fünfsterne-Hotel Pyrotechnik detoniert. WEF-Gegner haben sich zu diesem Anschlag bekannt. Dies bestätigen die Bündner Behörden. Es ist ein geringer Sachschaden entstanden. Die Bundesanwaltschaft ermittelt.

sf/rufi

WEF-Gegner sollen einen Anschlag auf das Posthotel Morosani ausgeführt haben. Die Bündner Behörden bestätigen gegenüber "sf.tagesschau.tv", dass ein Feuerwerkskörper explodiert sei. Hier residieren wichtige Wirtschaftsvertreter.Laut der Webseite der Aktivisten sollen dort Mitglieder der Schweizer Regierung logieren. Dies wurde jedoch vom Bund dementiert. "Zudem war die Sicherheit der Schweizer Bundesräte zu keinem Zeitpunkt in Frage gestellt", sagte Thomas Abegglen von der Bundeskanzlei.

 Beim Anschlag ist niemand ist verletzt worden. Es seien jedoch zwei Scheiben zu Bruch gegangen, sagen die Bündner Behörden.

 Bombendrohung bereits am Mittwoch

 Bereits am Mittwoch gab es eine Bombendrohung gegen die Hochschule St. Gallen von WEF-Gegnern: "Wir haben die Kaderschmiede des Kapitals angegriffen", hatten WEF-Gegner am Mittwochmorgen per Mail mitgeteilt.

 Aber anstatt an der Hochschule St. Gallen stellte die ausgerückte Polizei einen verdächtigen Gegenstand am benachbarten Bürogebäude sicher. Die Polizei vermutet, dass die Täter die beiden Gebäude verwechselten.

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20min.ch 27.1.11

Erneuter Anschlag: Detonation im Hotel der UBS-Delegation

 Im "Posthotel" in Davos hat es heute Morgen eine Detonation gegeben. Gemäss Bekenner-Mail soll es Pyrotechnik gewesen sein. Die Bundesanwaltschaft ermittelt.

WEF-Gegner haben erneut einen Anschlag verübt: Nach dem Angriff auf das Helvetia-Gebäude in St. Gallen ist es am Donnerstag in Davos zu einer Detonation gekommen. "Was kurz nach neun Uhr im Untergeschoss des "Posthotel" Morosani detoniert ist, können wir noch nicht sagen", bestätigt Polizeisprecher Thomas Hobi eine Ankündigung von WEF-Gegnern, die 20 Minuten Online vorliegt.

 Gemäss dem Sprecher wurde beim Anschlag niemand verletzt und der Sachschaden soll gering sein. "Es sind zwei Scheiben in einem Lagerraum im Untergeschoss zu Bruch gegangen", so Hobi. Er betonte, dass es keine Explosion gewesen sei, sondern eine Detonation, was einer Reaktion chemischer Stoffe entspreche. Auf die Wirkung ging er nicht konkreter ein. Wie der unbekannte Gegenstand in den Raum gelangte, ist unklar. Die Spurensicherung untersucht den Raum im Untergeschoss, zudem werden auch die anderen Räumlichkeiten durchsucht. Das Hotel wollte sich zum Fall nicht äussern, der Hotel-Direktor war bisher für 20 Minuten Online nicht erreichbar.

 "Wir haben zwei Sprengsätze deponiert"

 In den beiden Morosani-Hotels "Pöstli" und "Schweizerhof" logieren während des WEF die UBS-Delegation um Oswald Grübel sowie die vier Bundesräte Micheline Calmy-Rey, Eveline Widmer-Schlumpf, Doris Leuthard und Johann Schneider-Ammann. Während die Landesregierung im Schweizerhof nächtigt, ist die UBS-Delegation wie seit Jahren im "Pöstli" untergebracht. Die UBS wollte den Anschlag zunächst nicht kommentieren. Mediensprecherin Tatiana Togni sagte auf Anfrage von 20 Minuten Online lediglich: "Von der UBS-Delegation ist niemand zu Schaden gekommen."

 Laut Bekennermail soll die Detonation mittels "pyrotechnischen Sprengsätzen" ausgelöst worden sein. "Wir haben die Hotels Morosani in Davos mit Pyrotechnik und Zucker angegriffen", schreiben die WEF-Gegner im Mail. Wie es darin weiter heisst, soll ein zweiter Sprengsatz deponiert worden sein. "Die Abklärungen dazu laufen noch, bisher haben wir nichts gefunden", sagt Polizeisprecher Hobi. Die Ermittlungen hat nach dem zweiten Anschlag innerhalb von 24 Stunden die Bundesanwaltschaft übernommen. Sie will im Verlaufe des Tages weitere Informationen liefern.

 Erneut Fehler beim Anschlag und "Unschuldige" gefährdet

 Die Hotels Morosani wurden gezielt von den WEF-Gegnern ausgesucht, heisst es im Mail. "In diesen Hotels sind die Bundesräte und die UBS-Vertreter untergebracht." Neben den pyroteschnischen Sprengsätzen habe man Zucker in den Öltanks der Hotels deponiert, "damit ihnen [Bundesräten und UBS-Delegation] früher oder später in den Bergen auch ein kalter Wind um die Ohren weht".

 Allerdings ging offenbar auch beim zweiten Anschlag etwas schief: Wählten die WEF-Gegner in St. Gallen noch das falsche Gebäude, stellten sie dieses Mal die Zeitzünder offenbar falsch. "Die Zeitzünder haben wir bewusst auf Donnerstagmorgen 6 Uhr gestellt", heisst es im Mail, "um nicht die Angestellten zu gefährden, die kurze Zeit später den Herrschaften aus Politik und Kapital zudienen müssen". Hochgegangen ist der "pyrotechnische Sprengsatz" allerdings kurz nach neun Uhr. (amc)

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Attacke in Davos: "Es darf auf keinen Fall etwas schiefgehen"

 Vor möglichen Anschlägen warnte der neue Wef-Sicherheitschef bereits vor dem Wirtschaftsgipfel. Jetzt ist Beat Eberle gefordert.

 "Völkerrechtlich betrachtet höchst brisante Personen werden in Graubünden sein, es darf auf gar keinen Fall etwas schief gehen." Das sagte der Bündner Polizeikommandant und Wef-Sicherheitschef Beat Eberle wenige Tage vor der Eröffnung des Wirtschaftsgipfels in einem Interview mit der "Südostschweiz"

 Nach der Detonation im Hotel Morosani in Davos und nur wenige Stunden nach der offiziellen Eröffnung sind Eberles Worte zur Makulatur verkommen. Allerdings wollte der Polizeikommandant im Vorfeld des Wirtschaftsgipfels mögliche Anschläge nicht ausschliessen. "Es wäre grobfahrlässig zu meinen, Angriffe gebe es nur im Ausland", sagte Eberle. Vor allem vor der Gefahr von Paketbomben und Anschläge auf ausländische Staatschefs warnte er damals. "Es gibt viele mögliche Szenarien. Die Gegenseite ist keine homogene Gruppe. Wir hoffen einfach das Beste und bereiten uns auf das Schlimmste vor", so Eberle weiter.

 "Taktische Neubeurteilung" nach Neubau

 Das Sicherheitsdispositiv wurde für das Wef 2011 angepasst. Notwendig machte dies allerdings auch der Neubau des Kongresshauses, der eine "taktische Neubeurteilung" erforderte.

 Wie es nun zu dem Vorfall im Hotel Morosani kommen konnte, ist unklar. Eberle war bislang nicht für eine Stellungnahme erreichbar. "Es wäre Pech, wenn ich zu Beginn einen solchen Challenge bewältigen müsste - aber ich könnte ihn vielleicht ja auch gut bewältigen", sagte Eberle vor dem Wef der "Südostschweiz". Das wird sich nun zeigen. Klar ist aber auch Eberle: "Bei einem Anschlag nimmt natürlich der Druck auf uns stark zu", sagte er im Vorfeld.

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Attacke in Davos: So ticken die WEF-Chaoten

 Die Urheber des Anschlags auf das "Posthotel" in Davos sind unbekannt. In ihrem anonymen Bekennerschreiben an 20 Minuten Online greifen sie WEF, Bundesrat und Bonzen an.

 Der Angriff auf das Posthotel Morosani sei, so heisst es im Bekennerschreiben, "mit Pyrotechnik und Zucker erfolgt. Zusätzlich haben wir den Inhalt des Öltanks des Hotels mit Zucker ergänzt, damit Ihnen früher oder später in den Bergen auch ein kalter Wind um die Ohren weht."

 Die Urheber des Anschlags sind noch unbekannt. Die Bundesanwaltschaft ermittelt.

 Was treibt die Attentäter an? Wie ticken sie? Das Bekennerschreiben, das mit dem Satz "Für eine revolutionäre Perspektive!" endet, gibt darüber eindrücklich Auskunft. Die wichtigsten Auszüge:

 "Das übergeordnete Motto des WEF lautet dieses Jahr "Gemeinsame Normen für eine neue Realität". Dies scheint sich der Bundesrat zu Herzen zu nehmen und geht auch gleich daran, dies umzusetzen. So setzt der Economie-Suisse Mann im Bundesrat, Johann Schneider-Ammann, ein Freihandelsabkommen mit China auf die Tagesordnung. Die gemeinsamen Normen? Nun, da ist erstmal, dass alle versuchen ein Stück vom Kuchen abzubekommen. Alle wollen einen Teil des Profits, der sich mit billigen chinesischen ArbeiterInnen machen lässt, sei es nun die schweizerische, die deutsche, französische, amerikanische oder jede andere Bourgeoisie . Alle wollen zu möglichst guten Konditionen nach China exportieren können, seien es nun Waren oder Arbeitsplätze." "Die Krise, aus der die BonzInnen mit ihren gemeinsamen Normen ausbrechen wollen, schafft immer wieder aufs Neue Widersprüche zwischen ihnen und den einzelnen Kapitalfraktionen. Widersprüche, die in Form "neuer Normen" auf dem Buckel der Ausgebeuteten ausgetragen werden." "Die Zukunft muss uns gehören! Ausbeutung und Verarmung, reaktionäre, rassistische Hetze und imperialistische Kriege lassen keinen Zweifel daran, dass die kapitalistische Produktionsweise keinen Weg aus dieser Misere bietet."

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blick.ch 27.1.11

WEF-Anschlag geplant

Aktivisten wollten Trinkwasser grün färben

DAVOS PLATZ GR - Heute kam es zu einem Anschlag auf das Hotel der UBS-Delegation. Autonome Aktivisten bekennen sich zur Tat. Ein früher geplanter Anschlag auf die Davoser Wasserversorgung scheiterte.

Von Beat Kraushaar

Alles war perfekt organisiert. Ein Mitglied der Anarchisten-Gruppe "Sand in the Wheels" (Sand im Getriebe) kundschaftete die Davoser Wasserversorgung aus.

Man studierte Pläne im Grundbuchamt und wurde fündig - ein Reservoir, das einen grossen Teil der Bevölkerung mit Wasser versorgte. Der Plan der Saboteur-Gruppe: Mit einem speziellen chemischen Mittel das Wasser grün färben.

Sand in the Wheels-Mitglied Roger Z.* spricht heute erstmals über die damals geplante Aktion: "Aus Schutzgründen will ich nicht sagen, in welchem Jahr wir den Sabotageakt planten. Aber mit dem grünen Wasser, dass ungefährlich war, wollten wir auf die Umweltschäden der Globalisierung aufmerksam machen."

Nur eine Panne verhinderte den Sabotage-Akt: Die aus dem Ausland bestellte Chemikalie kam nicht rechtzeitig an. Roger: "Als die Lieferung eintraf, wimmelte es in Davos bereits von Sicherheitskräften. Zu riskant für einen Anschlag."

Er zeigt sich beeindruckt, dass es den Autonomen heute trotz massivem Polizeiaufgebot gelang, einen Anschlag zu verüben. Roger: "Das braucht viel Mut und viel Überzeugung".

Die Gruppe "Sand in the Wheels" hat vor der gescheiterten Aktion gegen die Wasserversorgung bereits zwei erfolgreiche Anschläge auf das WEF verübt. Der bekannteste: Ein achtköpfiges Kommando kappte 2001 zwischen Thusis und Davos die Telefonleitung.

Weite Teile des Bündner Telefonnetzes wurden damals lahmgelegt. Die Polizei-Ermittlungen verliefen im Sand.

* Name von der Redaktion geändert.


WEF-Anschlag Detonation im Hotel der UBS-Delegation
So hätte das Wasser in Davos aussehen sollen (siehe Video).
http://www.blick.ch/news/wef/aktivisten-wollten-trinkwasser-gruen-faerben-165488

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blick.ch 27.1.11

Anschlag auf WEF-Hotel

Wie konnte das passieren?

DAVOS PLATZ GR - Aufatmen im Davoser Nobelhotel "Morosani". Die Detonation im Untergeschoss heute Morgen entpuppte sich als harmlos. Aber: Passieren dürfte das nicht.

Von Roman Neumann

Kurz nach 9.15 Uhr knallt es im Untergeschoss des Nobelhotels "Morosani". Zwei Fensterscheiben gehen zu Bruch, Rauch dringt aus einer Abstellkammer. Ein Bekennerschreiben von WEF-Gegnern stellt klar, man habe das Morosani mit Pyrotechnik angegriffen.

Verletzt wird niemand, das harmlose Feuerwerk richtet nur geringen Sachschaden an. Im Hotel selbst merken die Gäste kaum etwas vom Vorfall. Das einzige, was der Elite aus Wirtschaft und Politik ein mulmiges Gefühl bereiten dürfte: Wer es geschafft hat, Feuerwerk in einem bewachten Hotel zu platzieren, könnte theoretisch auch gröberes Geschütz auffahren.

Wer hat versagt?

Offenbar hat das grösste Sicherheitsdispositiv der Schweiz nicht funktioniert. 4000 Soldaten sind am WEF, der Luftraum ist teilweise gesperrt, Zäune in der Länge von 18 Kilometern sind aufgestellt. Zudem kommen die Einsatzkräfte der Polizei.

Das Durchsuchen der Hotels oder des Kongresszentrums sei Sache der Polizei und nicht des Militärs, stellt Daniel Zinsli von der Kantonspolizei Graubünden klar. Dies erfolge in Zusammenarbeit mit Sprengstoff-Spezialisten der Stadtpolizei Zürich. Unter anderem würden mit Spürhunden die betreffenden Gebäude abgesucht und nachher bewacht.

"Es nützt schliesslich nichts, wenn wir etwas durchsuchen und kontrollieren, aber nachher unbewacht lassen." So habe man mit allen Objekten verfahren, in denen sich völkerrechtlich schützenswerte Personen aufhalten.

Hotel vergeblich durchsucht

Die Kontrollen seien unmittelbar vor der Eröffnung des WEFs erfolgt. Zum Beispiel: "Das Kongresszentrum wurde am Wochenende und am Montag gründlich durchsucht und danach streng bewacht und die Eingangskontrollen installiert", sagt Zinsli. Die Hotels seien ebenfalls durchsucht worden - alle, in denen die Reichen und Mächtigen logieren.

Es könnte also sein, dass der Feuerwerkskörper schon seit geraumer Zeit in der Abstellkammer auf seinen Einsatz wartete und von der Polizei schlicht und einfach nicht gefunden wurde. Ein WEF-Sprecher sagte gegenüber Reuters, dass das Hotel nach Bekanntwerden des Bekennerschreibens - kurz vor 7.30 Uhr - zwei Mal durchsucht worden sei.

Wurde der Böller jedoch erst gestern oder vorgestern an den Kontrollen vorbei ins Hotel reingeschmuggelt worden, wäre dies ein grober Schnitzer.

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blick.ch 27.1.11

WEF-Anschlag

Detonation im UBS-Hotel

DAVOS PLATZ GR - Im Posthotel Morosani explodiert im Untergeschoss ein Sprengsatz. Dort sind die UBS-Vertreter untergebracht - die Bundesräte logieren in einem anderen Morosani-Hotel.

"Wir haben die Hotels Morosani in Davos mit Pyrotechnik und Zucker angegriffen", schreiben autonome Aktivisten auf dem Portal "Indymedia". In der Tat: Polizeisprecher Thomas Hobi bestätigt gegenüber Blick.ch die Detonation im Untergeschoss des Hotels.

"Es hat eine Detonation gegeben. Was explodiert ist, wissen wir noch nicht genau", so Hobi. Die Explosion habe nach 9 Uhr stattgefunden. "Verletzt wurde niemand, es entstand ein kleiner Sachschaden."

Personen seien keine gefährdet gewesen. "Dafür hätte sich jemand zu diesem Zeitpunkt in der Abstellkammer befinden müssen", so Hobi. Jetzt ermittle die Bundesanwaltschaft. Diese schweigt und gibt "aus ermittlungstaktischen Gründen" keine weiteren Auskünfte. Die Untersuchungen seien im Gang.

Detonation auf 6 Uhr getimt

Offenbar hätte der Sprengsatz früher losgehen sollen."Die Zeitzünder wurden bewusst auf Donnerstag morgen 6 Uhr gestellt. Diese Zeit haben wir gewählt, um nicht die Angestellten zu gefährden, die kurze Zeit später den Herrschaften aus Politik und Kapital zudienen müssen", heisst es im Bekennerschreiben.

Ausserdem habe man den Inhalt des Hotel-Öltanks mit Zucker ergänzt damit "ihnen früher oder später in den Bergen auch ein kalter Wind um die Ohren weht."

Im Posthotel "Morosani" logiert während des WEF die UBS-Delegation. Die vier Bundesräte Micheline Calmy-Rey, Eveline Widmer-Schlumpf, Doris Leuthard und Johann Schneider-Ammann sind in einem anderen Morosani-Hotel untergebracht.

Vor dem Hotel haben sich gemäss dem Blick.ch-Reporter vor Ort Fernsehteams aufgebaut, um über den Vorfall zu berichten. Drinnen hat sich die Lage beruhigt. Ironie des Schicksals: Gerade jetzt findet im "Morosani" eine Konferenz zum Thema Organisiertes Verbrechen statt. (num)

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Indymedia 27.1.11
http://ch.indymedia.org/de/2011/01/79852.shtml

WEF: Hotels Morosani in Davos angegriffen! ::

AutorIn : Revolutionäre Perspektive         

Wir haben die Hotels Morosani in Davos mit Pyrotechnik und Zucker angegriffen. In diesen Hotels sind die Bundesräte und die UBS-Vertreter untergebracht.
Zwei pyrotechnische Sprengsätze wurden deponiert, die Zeitzünder bewusst auf Donnerstag morgen 6 Uhr gestellt. Diese Zeit haben wir gewählt, um nicht die Angestellten zu gefährden, die kurze Zeit später den Herrschaften aus Politik und Kapital zudienen müssen.
Zusätzlich haben wir den Inhalt des Öltanks des Hotels mit Zucker ergänzt damit Ihnen früher oder später in den Bergen auch ein kalter Wind um die Ohren weht.     
    
Zum Angriff vom 25.01 auf 26.01: Offensichtlich sind die HSG in St. Gallen und der Hauptsitz der Helvetia Versicherungen in demselben modernen Glaskomplex untergebracht. Zwei Fliegen auf einen Knall. Nebst der HSG ist auch die Helvetia Versicherung kein falsches Ziel, wenn in diesem Fall auch nicht gewollt, liegt auf der Hand. Während dieser Konzern im ersten Halbjahr 2010 einen Gewinn von 157 Millionen Franken ausweist, wissen viele Arbeiterinnen und Arbeiter nicht mehr wie sie ihre Krankenversicherung bezahlen sollen.

Zurück in die Berge: Das übergeordnete Motto des WEF lautet dieses Jahr "Gemeinsame Normen für eine neue Realität". Dies scheint sich der Bundesrat zu Herzen zu nehmen und geht auch gleich daran dies umzusetzen. So setzt der Economie Suisse Mann im Bundesrat, Johann Schneider-Ammann, ein Freihandelsabkommen mit China auf die Tagesordnung. Diese Gespräche sollen in Davos beginnen.

Die gemeinsamen Normen? Nun, da ist erstmal, dass alle versuchen ein Stück vom Kuchen abzubekommen. Alle wollen einen Teil des Profits, der sich mit billigen chinesischen arbeiterInnen machen lässt, sei es nun die schweizerische, die deutsche, französische, amerikanische oder jede andere Bourgeoisie . Alle wollen zu möglichst guten Konditionen nach China exportieren können, seien es nun Waren oder Arbeitsplätze.

Die gemeinsamen Normen? Jede Kapitalfraktion kämpft gegen jede, jedes Land oder jede Region gegen die andern. Mit wenigen ,zeitlich begrenzten, Ausnahmen. Dies sieht man an jedem ihrer Gipfel, die einer nach dem andern scheitern.

Auslagerung der Produktion an einen Ort an dem viel billiger produziert werden kann, z.B. China oder Indien, bringt den Bourgeois mehr Profit und den ArbeiterInnen auf der einen Seite der Rechnung Entlassungen und auf der anderen Seite schärfere Ausbeutung.
Die gemeinsamen Normen? Den Gürtel enger schnallen und verzichten soll das Proletariat. Auf dessen Rücken soll die Krise gelöst werden.

Ökonomische und politische Krise
Schwab ruft die verschiedenen "global leaders" zur Zusammenarbeit, die Staaten dazu ihre eigenen Kapitalfraktionen nicht mit Zöllen etc. zu schützen auf und es sollen am WEF Friedensprozesse angeleiert werden. Dies kann als Grössenwahn der WEF-Verantwortlichen, als Naivität oder als Scharlatanerie abgetan werden.
Was bleibt, ist das vorprogrammierte Versagen dieser Vorstösse. Die globale politische und wirtschaftliche Krise erlaubt nur Lösungen bei der der eine Kapitalist auf Kosten eines anderen gewinnt.
Diese Krise aus der die BonzInnen mit ihren gemeinsamen Normen ausbrechen wollen, schafft immer wieder aufs neue Widersprüche zwischen ihnen und den einzelnen Kapitalfraktionen. Widersprüche, die in Form "neuer Normen" auf dem Buckel der Ausgebeuteten ausgetragen werden.

In diesem Klima, geprägt von Arbeitslosigkeit, Arbeitsplatzabbau, Arbeitshetze und Armut, erstarkt eine politisch und kulturelle Rechtsentwicklung, mit der ihr eigenen reaktionären Hetze.


"Neue Normen" für die Mächtigen, "alte Folgen" für die Ausgebeuteten?

Die Zukunft muss uns gehören!
Ausbeutung und Verarmung, reaktionäre, rassistische Hetze und imperialistische Kriege lassen keinen Zweifel daran, dass die kapitalistische Produktionsweise keinen Weg aus dieser Miesere bietet.

Den Kampf gegen die Diktatur des Kapitals orientieren wir an der gesellschaftlichen Alternative zum Kapitalismus - dem Kommunismus. Der Kampf dafür, dass nicht nur wenige Bourgeois von der Produktion profitieren, sondern die Gesellschaft als ganzes.
Der Kampf dafür, dass es um´s Leben geht und nicht um´s überleben!

Für eine revolutionäre Perspektive!     

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Indymedia 27.1.11

Smash WEF! ::

AutorIn : Smash WEF!         

Wir haben in der Nacht auf heute das Credit Suisse Bürogebäude Uetlihof in Zürich mit Farbe angegriffen.
    
Wir folgen damit dem Aufruf von letzer Woche sich an der militanten Kampagne gegen das World Economic Forum in Davos zu beteiligen.

Die CS ist langjähriger Partner des WEF. Am WEF feilen die Mächtigen und Reichen an "neuen Werten", einem Klassenkampf von oben.

Das WEF ist überall! Und es ist angreifbar!

Unsere Aktion ist auch eine Antwort auf den Bulleneinsatz letzten Freitag an der Albisgüetli-Tagung!

Smash WEF!

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Bund 27.1.11

Mehr als Karton - eine Bombe?

 St. Gallen - Nach der Entdeckung eines verdächtigen Gegenstandes und einer Bombendrohung von Gegnern des Weltwirtschaftsforums hat die Polizei gestern in St. Gallen ein Gebäude geräumt, an dem Angestellte ein verkabeltes Karton-Rohr gefunden hatten. Nach Polizeiangaben stand gestern noch nicht fest, ob das Rohr tatsächlich Sprengstoff enthielt. Es war am Gebäude einer Versicherung neben der Hochschule St. Gallen deponiert worden. Es wird vermutet, dass die Täter das Gebäude für einen Teil der Hochschule gehalten hatten.

 Auf der Internetseite eines linksautonomen Netzwerks hiess es, "pünktlich zur Eröffnung des Weltwirtschaftsforums in Davos haben wir mit einer Rakete die Kaderschmiede des Kapitals in St. Gallen angegriffen". Die Hochschule St. Gallen gilt als eine der führenden Wirtschaftsuniversitäten Europas.(rtr)

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20 Minuten 27.1.11

Wef eröffnet - Linke drohen mit Gewalt

 DAVOS. Seit gestern debattieren am World Economic Forum die Mächtigen der Welt. Militante Wef-Gegner rufen gleichzeitig zur Gewalt an der Demonstration am Samstag in Davos auf: Mit einem Anschlagsversuch in St. Gallen haben sie gestern gezeigt, dass es ihnen ernst ist. Die Polizei ist aber gerüstet: Falls die Linksextremisten versuchen werden, das Wef durch Krawalle oder Anschläge zu sabotieren, wird sie durchgreifen.

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Militante Wef-Gegner rufen zu Anschlägen in Davos auf

 DAVOS. Die linksextreme Gewaltserie der letzten Wochen nährt die Angst vor Anschlägen und Krawallen in Davos. Die Polizei rüstet sich gegen die Chaoten.

 Laut einem Bekennerschreiben war der gestrige Anschlag in St. Gallen (siehe Box) eigentlich gegen das World Economic Forum (Wef) gerichtet. Pünktlich zu dessen Eröffnung riefen Linksextremisten darin zu weiterer Gewalt auf: "Greifen wir sie an!"

 Nachdem die Krawalle rund ums Wef in den letzten Jahren abgeflacht sind, droht nun eine neue Eskalation. Auf einschlägigen Foren deuten Parolen wie "Alle nach Davos!" "Smash Wef!" oder "Wef angreifen!" darauf hin, dass die Extremisten versuchen werden, nach Davos zu gelangen.

 Mit den Anschlägen in Rom und Athen, dem Brandanschlag aufs Bundesstrafgericht in Bellinzona und dem Angriff auf SVP-Nationalrat Hans Fehr haben internationale und Schweizer Linksextreme in den letzten Wochen gezeigt, dass sie vor nichts zurückschrecken.

 Die Demo-Organisatoren wollen nicht ausschliessen, dass die militanten Wef-Gegner am Samstag in Davos zuschlagen. Und Thomas Hobi von der Kantonspolizei Graubünden sagt, man nehme die Aufrufe der Extremisten und den gestrigen Anschlag in St. Gallen ernst. Aber: "Wir sind bereit, falls sie kommen."

 Das Polizei- und Armeeaufgebot in Davos ist jedenfalls riesig. Und alle Demo-Teilnehmer werden vor ihrer Anreise genau kontrolliert. Ausschreitungen werden damit aber höchstens verlagert, nicht verhindert: 2001 und 2003 zündeten die abgewiesenen Wef-Gegner einfach in Zürich und Bern Autos und Barrikaden an.

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 Dilettantische Aktion in St. Gallen

 ST. GALLEN. Ein verkabeltes Rohr, das mit Klebeband an einer Scheibe befestigt war, löste gestern in St. Gallen Alarm aus: Die Polizei sperrte Strassen ab und evakuierte einen Teil des Gebäudes. Sprengstoff-Spezialisten machten die vermeintliche Bombe unschädlich. In einem Bekennerschreiben an 20 Minuten brüsteten sich Wef-Gegner mit dem "Angriff gegen die Uni St. Gallen". Das Rohr hatten sie jedoch an ein Gebäude der Helvetia-Versicherungen in der Nähe der Uni geklebt. Wegen dieser dilettantischen Verwechslung hagelte es selbst auf linken Foren hämische Kommentare.

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St. Galler Tagblatt 27.1.11

Bombendrohung gegen HSG und WEF

 Am Hauptsitz der Helvetia Versicherung hat gestern die Polizei einen gefährlichen Gegenstand entschärft. Ziel des Anschlags waren allerdings die HSG und das WEF, wie aus einem Bekennerschreiben hervorgeht.

 UMBERTO W. FERRARI

 St. Gallen. Ein Mitarbeiter am Hauptsitz der Helvetia Versicherungen am Rosenberg in St. Gallen bemerkte gegen 9 Uhr ungewöhnliche gelbe Gegenstände an der Scheibe eines Büros im Erdgeschoss. Der Ostflügel des Gebäudes wurde geräumt und die Polizei alarmiert. An der Scheibe klebte eine 30 bis 40 Zentimeter lange Röhre, die durch Drähte mit einem Batterie-ähnlichen Gegenstand verbunden war. Spezialisten des wissenschaftlichen Dienstes der Stadtpolizei Zürich trennten die Verbindung zwischen der Röhre und dem Quader aus sicherer Entfernung; die Gegenstände werden nun in Zürich untersucht. "Wir können noch nicht sagen, um was es sich handelt", sagte ein Mitarbeiter der Stadtpolizei Zürich.

 Bekenner-Mail eingegangen

 Auf der Redaktion von "20 Minuten" ging um 9.30 Uhr ein Bekenner-Mail ein. "In der Nacht vom 25.1.2011 auf den 26.1.2011, pünktlich zur Eröffnung des Weltwirtschaftsforums in Davos, haben wir mit einer Rakete die Kaderschmiede des Kapitals (HSG) in St. Gallen angegriffen", war unter anderem zu lesen. Ob das Schreiben mit dem gefundenen Gegenstand in Zusammenhang steht, wird untersucht. Im Mail hiess es weiter: "Der Angriff auf die Universität St. Gallen stellt einen weiteren Beitrag im Widerstand gegen das Jahrestreffen des WEF in Davos dar."

 HSG mit Helvetia verwechselt

 Sofern das Bekenner-Mail in einem direkten Zusammenhang mit der Bombendrohung steht, gingen die Täter dilettantisch vor. Sie verwechselten nämlich die Gebäude der Universität St. Gallen mit jenen des Hauptsitzes der Helvetia Versicherungen, die in der unmittelbaren Nachbarschaft der HSG stehen.

 Von der Evakuation waren rund 80 Arbeitsplätze betroffen: "Die Räumung verlief ruhig. Es gab keine Anzeichen von Panik", sagte Martin Nellen, Leiter Unternehmenskommunikation bei den Helvetia Versicherungen in St. Gallen.

 Die Mitarbeiter hielten sich nach der Evakuation in der Kantine auf. Sie konnten ihre Arbeitsplätze laut Nellen am Mittag wieder beziehen.

 Gebäude freigegeben

 Nachdem die "Bombe" unschädlich gemacht worden war, begann die Polizei mit der Spurensicherung. Gegen Mittag konnte der Ostflügel des Helvetia-Versicherungs-Hauptsitzes wieder freigegeben werden, ebenfalls ein dreigeschossiges Wohnhaus in unmittelbarer Nähe.

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NZZ 27.1.11

WEF-Gegner sorgen für Aufregung

 Gebäude in St. Gallen evakuiert

 (sda) · Die Polizei hat am Mittwoch in St. Gallen ein Bürogebäude der Versicherung Helvetia wegen eines verdächtigen Gegenstands teilweise evakuiert. Ein Mitarbeiter hatte ein verkabeltes Kartonrohr am Fenster entdeckt, das dann von Sprengstoffspezialisten entfernt wurde. Ob es sich tatsächlich um einen Sprengsatz handelte, war zunächst unklar. Wahrscheinlich steckten WEF-Gegner hinter der Aktion, die das Gebäude der Helvetia mit der nahen Hochschule St. Gallen (HSG) verwechselt haben dürften, wie ein Sprecher der St. Galler Kantonspolizei vermutete. In einem Bekennerschreiben auf der Website Indymedia hiess es nämlich, diese "Kaderschmiede des Kapitals" sei in der Nacht zum Mittwoch mit einer Rakete angegriffen worden.

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Aargauer Zeitung 27.1.11

WEF-Gegner verfehlen Ziel

 In einem Mail an "20 Minuten" haben WEF-Gegner gestern einen Angriff auf die Hochschule St. Gallen (HSG) angekündigt. Sprengstoff-Spezialisten entfernten einen Gegenstand an einem Gebäude der Versicherung Helvetia nahe der Universität. Ob es sich beim verkabelten Kartonrohr tatsächlich um einen Sprengsatz handelte, wird untersucht. Hans-Peter Eugster von der St. Galler Kantonspolizei nimmt an, dass die WEF-Gegner das Versicherungsgebäude mit der nahen Hochschule verwechselten. Im Bekennerschreiben hiess es laut "20 Minuten online": "Pünktlich zur Eröffnung des Weltwirtschaftsforums in Davos haben wir mit einer Rakete die Kaderschmiede des Kapitals angegriffen." (sda)

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Südostschweiz 27.1.11

Die Militärs auf dem Prüfstand

 Von Dario Morandi (Text und Bild)

 Davos. - Die beiden Triebwerke des neuen leichten Mehrzweckhelikopters EC-635 der Schweizer Luftwaffe sind bereits hochgefahren und die Rotoren drehen sich. Doch mit dem Start wird es noch etwas dauern. Der Pilot muss zuerst noch den geheimen Operationscode in den Transponder (Radar-Identifikationsgerät) eintippen, um in den gesperrten Luftraum über dem Davoser World Economic Forum (WEF) einfliegen zu können. Im Passagierraum der sechsplätzigen Maschine sitzt Divisionär Marco Cantieni. Der 56-jährige, in Chur aufgewachsene Berufsoffizier befindet sich auf einer Inspektionstour. Denn Cantieni ist Kommandant der Terriorialregion 3, die vom Bundesrat mit der Bewachung von sensiblen Infrastruktur-Objekten rund um das Davoser WEF betraut wurden. Unterstellt ist Cantieni das Innerschweizer Gebirgsinfanteriebataillon 29. Es bildet den rund 1000-köpfigen Einsatzverband, der am Boden für Sicherheit am WEF sorgt. Erste Station ist die Sunnibergbrücke bei Klosters. Das Bauwerk am Westportal des Gotschna-Strassentunnels war in früheren Jahren als Protestplattform gegen das WEF missbraucht worden. Zudem steht in der Nähe ein Antennenmast mit Kommunikationseinrichtungen; gute Gründe also für eine Truppenpräsenz.

 Wissen nicht, wie ihnen geschieht

 Zu Fuss geht es über verschneite Hänge hoch zum getarnten Wachtposten. Cantieni schmunzelt. "Endlich muss ich wieder lange Unterhosen anziehen, wenn ich meinen Job mache", sagt er. Früher sass er als Kommandant der höheren Kaderausbildung und als Mitglied der Armeeführung in einem geheizten Büro der Militärakademie Luzern. Aber der 2-Sterne-General, der den Einsatzverband seit dem 1. Januar führt, macht keinen Hehl daraus, dass er lieber im Feld weilt, möglichst nahe bei der Truppe.

 Beim Beobachtungsposten, der in einem Stall eingerichtet worden ist, wissen die beiden Wachtsoldaten Gianluca Simon und Dean Bohnenblust zunächst gar nicht, wie ihnen geschieht. Schliesslich schaut nicht jeden Tag ein Divisionär rein. Doch die Spannung legt sich rasch. Cantieni erkundigt sich freundlich nach ihrem Auftrag, wie sie ihn umsetzen und wie das persönliche Befinden ist. Und die Soldaten freuen sich, dass sie es mit einem Chef zu tun haben, der ein offenes Ohr für die Basis hat.

 Scharfe Munition im Magazin

 Unterhalb des Wolfgangpasses wartet derweil die Wachtkompanie 3 auf den hohen Besuch. Dort wird ein weiteres sensibles Objekt, der Abspann einer Hochspannungsleitung, bewacht. Der Mast ist mit Stacheldraht gesichert, und im Magazin des Sturmgewehrs von Wachtsoldat Pirmin Gerig ist scharfe Munition auszumachen. "Das ist nur zum Selbstschutz", stellt er klar. "Interventionen sind Aufgabe der Polizei." Cantieni nickt zufrieden. Der Mann hat seinen Auftrag richtig verstanden. Später schärft der Chef Gerigs Kameraden unten im geheizten Wachtcontainer eines ein: "Setzt im Ernstfall nicht euer Leben aufs Spiel. Zieht euch zurück." Schliesslich laute der Auftrag ja auch "Beobachten, Alarmieren, Zurückziehen".

 Guten Eindruck gewonnen

 Abgerundet wird die Inspektion des Kommandanten in Davos: mit Besuchen in einer ebenfalls vom Militär bewachten Schaltzentrale des örtlichen Elektrizitätswerks und einer militärischen Sanitätseinheit, die ihre Zelte beim Eisstadion aufgeschlagen hat. Diese tritt dann in Aktion, wenn zivile Rettungsdienste überfordert sind. Cantieni ist zufrieden. "Ich habe einen guten Eindruck gewonnen", sagt er vor seinem Abflug nach Chur. "Die Truppe ist gut aufgestellt." Und so kann der Divisonär gelassen dem Besuch von Bundesrat Ueli Maurer entgegensehen, der sich für Samstag in Davos angemeldet hat.

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indymedia.ch 26.1.11
http://ch.indymedia.org/de/2011/01/79849.shtml

Transpiaktion am 25.01 im Bhf Bern

AutorIn : Wipe out WEF!         

Am 25.01.2011 wurde um 18.00 bis 18.15 Uhr im Bahnhof Bern eine Transpi- und Flyeraktion durchgeführt, bei der mehrere hundert Flyer an die PassantInnen verteilt. Den Inhalt des Flyers findet ihr unten.     

40 Jahre WEF-Mördertreff sind lange genug!
Aufwachen, mitmachen, Kapitalismus abschaffen!

Warum das WEF auch dein Leben kaputt macht:

Was sie tun
Wiederum treffen sich die BonzInnen und Staatsoberhäupter der Welt in Davos, um sich selbst zu feiern und die globale Ausbeutung und Unterdrückung voranzutreiben. Die Spur der Zerstörung zieht sich über den ganzen Planeten. Ausbeutung und Zerstörung der Natur. Verschwenderischer und gefährlicher Umgang mit den Rohstoffen (Uran/Erdöl/Kohle usw.) dieses Planeten. Prekarisierung der Lebensumstände. Massenhaft Armut und Hunger. Kriege im Interesse der Macht und des Profites. Ausbeutung und massenhafte Ermordung nicht menschlicher Lebewesen.
Und all diese Zerstörung bezahlen wir hier unten. All die Krisen und Folgen des Kapitalismus werden auf dem Rücken der ArbeiterInnen ausgetragen. Wir tragen die Folgen und müssen die Zeche bezahlen. Während die BonzInnen heiter weiter machen.

Wie wir in Davos zu sehen bekommen, präsentieren sich die ZerstörerInnen des Planeten als verantwortungsbewusste Weltverbesserer, welche alles im Griff haben. Doch schöne Worte überzeugen uns schon lange nicht mehr und vom Wohlstand für alle ist noch nie was angekommen. Im Gegenteil, die Situation im Kapitalismus verschärft sich von Tag zu Tag. Die, die was besitzen werden immer seltener und reicher. Die Unten verrecken am Wohlstand der Oberen.

Auch in unserem Alltag treffen wir auf genügend Härten; schon nur das wir unsere Arbeitskraft verkaufen müssen, immer stressigeren Arbeitsbedingungen ausgesetzt sind und unter einem ständig steigenden Druck des Konkurrenzgedankens leben.
Ungesunde Lebensmittel (Fastfood/Gen-Tech/Pestizide) werden immer billiger, wobei mensch für gesundes Essen immer mehr zahlt. Die Folgen für die Gesundheit der Menschen neben den Schäden durch die Lohnsklaverei (Rückenschäden / Herzinfarkte / Gelenksschäden / Psychische Schäden) sind fatal: erhöhtes Krebsrisiko, erhöhte Blutfettwerte, Herzerkrankungen und/oder Organerkrankungen. All diese Scheisse geschieht unter der Herrschaft der BonzInnen und Staatsoberhäupter, welche sich auch am WEF treffen.
Bei einer vertieften Analyse der Folgen der neoliberalen Marktwirtschaft sind noch viele weitere Härten ersichtlich. Dies würde jedoch den Rahmen dieses Flyers sprengen, darum ist hier Eigeninitiative gefordert.

Was wir wollen
Die ganzen uns aufdiktierten Bedingungen sind zum kotzen. Unser Ziel ist es, den Kapitalismus zu überwinden und eine Bedarfswirtschaft aufzubauen, in welcher alle an der Konsensfindung mitbeteiligt sind. Alle sollen Zugang zu den lebensnotwendigen Ressourcen haben. Die Produktion soll nach den Bedürfnissen ausgerichtet werden und nicht gemäss dem Profit. Alle sollen gemäss ihrer eigenen Motivation in ihren individuellen Fähigkeiten leben, solange diese keinen Schaden an anderen Lebewesen und / oder der Natur verursacht. Wir wollen einen nachhaltigen Umgang mit der Natur und deren Rohstoffe und Biodiversität. Alle sollen sich dort aufhalten, wo sie sich wohl fühlen ohne dabei durch Papiere und Behörden behindert zu werden.
Das WEF ist einer der vielen Hinderungsgründe für das Leben, welches wir leben wollen. Das WEF bietet den BonzInnen und Staatsoberhäupter dieser Welt einen weiteren Ort, an dem sie sich treffen können, um ihre zerstörerischen Pläne weiterzuführen, deren Folgen wir zu tragen haben. Deshalb müssen das WEF wie auch der Kapitalismus überwunden werden, um ein besseres Leben für alle zu ermöglichen.
Wir wissen, dass es noch ein weiter Weg ist bis zur Umsetzung unserer Ziele, doch jeder kleine Schritt zählt, den die kleinen Schritte führen uns zu den grossen Schritten. Und auch du kannst diese Schritte gehen:

Lerne deine Mitmenschen kennen, schau dich um nach Potenzial um dich zu solidarisieren und organisieren

Gib einen Scheiss auf billige Feindbilder, auf Grund deren Menschen nicht nach ihrem Charakter, sondern nach ihrer Herkunft, nach ihrer Hautfarbe oder ihrem Geschlecht beurteilt werden

Führe Diskussionen mit deinen Mitmenschen, um Gedankenanstösse weiterzutragen

Wehre dich gegen deine eigene Ausbeutung (Streik/Sabotage/Krank machen)

Auch du hast Ressourcen, um im revolutionären Kampf mitzuwirken, bring sie ein!

Aufwachen, mitmachen, Kapitalismus abschaffen!

Hinter Krieg und Krise steht das Kapital, bekämpfen wir s hier und überall!


Einige strategische Partner des WEF:
ABB, Credit Suisse, Coca Cola Company, Deutsche Bank, Ernst & Young, Kraft Foods, Microsoft Corporation, Nestlé, Nike, Novartis, PwC, Siemens, Swiss International Airlines, SwissRe, UBS, Unilever, Zürich Financial Services

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Tagesschau 25.1.11

Sicherheit am WEF

Nachdem der russische Präsident Dmitri Medwedew angekündigt hat seinen Flug ans WEF zu verschieben, kommt er nun doch. Er wird die Schweiz nach der Eröffnungsrede aber gleich wieder verlassen. Den Sicherheitskräften in dürfte es recht sein, sie sind schon so genug gefordert.
http://videoportal.sf.tv/video?id=89c83b71-a721-42ba-8d40-8d25b6041e7b

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ANTI-SVP
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Blick am Abend 31.1.11

FEIER-ABEND

 Auf ein Bier mit XY*, Autonome Kämpferin, *Name der Redaktion nicht bekannt

 Blinde Kuh

 "Du-Journalist von einem-Kapitalisten-Unternehmen!", würde der Autonome mich heute Abend anschreien, wenn er sich denn mit einem Journalisten treffen würde. "Hunderttausend Höllenhunde", würde ich zurückgeben und gleich fragen: "Wer bezahlt das Bier?" Nachdem das geklärt wäre (ich bezahle), würden Sie mir von der Blitzaktion erzählen, an der Sie mit 13 weiteren aufrechten und mutigen Komparsen einen kämpferischen Anschlag (Farbe) auf ein Ziel (Restaurant) am Zürcher Stadtrand verübten. "Aber die SVPler, die Sie im Visier hatten, feierten woanders", hake ich nach. Auch dieses Restaurant sei, antwortet sie zornig und bestimmt, ein Hort kapitalistischer Schweinereien (Schweinsbratwurst mit Coca-Cola). "Und überhaupt: Wir Autonomen sind nicht nur auf dem linken Auge blind, sondern auf beiden!"

 Michael Perricone

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Indymedia.ch 31.1.11

Richtigstellung zum Angriff auf die Ziegelhütte (SVP) in ZH ::

AutorIn : Antifaschistisches Kommando Albisguetli         

Heute liess die bügerliche Presse teils falsche und teils unvollständige Meldungen beteffend des Angriffes vom 28.1. auf den 29.1.11 verlauten. Es liegt uns fern, uns auf einen Dialog mit der bügerlichen Presse einzulassen, doch aufgrund der entstandenen Verwirrung um den Angriff auf die den Veranstaltungsort Ziegelhütte-Schwammendingen der SVP, sehen wir uns zu einer Richtigstellung genötigt.

ZUR RICHTIGSTELLUNG:

Die Aussage der Medien, dass die Lichtmesse der SVP rund 5-8 Minuten Gehweg im Wald oberhalb des Restaurant Ziegelhütte stattfand ist korrekt und war uns von Anfang an bekannt. Was die bürgerliche Presse jedoch nicht erwähnt ist, dass die SVP im Restaurant Ziegelhütte einen Apero geplant hatte, wo sich ihre MitgliederInnen nach der kalten Open-Air-Messe hätten wärmen sollen. Zudem findet in der Bauernstube im Restaurant Ziegelhütte jeden ersten Dienstag im Monat um 19.30 Uhr der SVP Stammtisch statt.

Der Wirt deklarierte, dass er kein Freund der SVP sei. So sollte es für ihn in Zukunft kein Problem sein, den Rassisten den Zugang zu seinem Restaurant zu verwehren.


ZUR BÜRGERLICHEN PRESSE:

Ob es sich um bewusste Falschinformationen (Hetze) oder einfach schlechten Journalismus handelt ist unklar. Die bürgerlichen Medien sind das Sprachrohr der Bonzen, sie finanzieren sich vorwiegend durch Inseratenerträge von Grosskonzernen. Auf wessen Seite der Barrikade die Tagespresse steht, ist offensichtlich. So versuchen sie die revolutionäre Linke immer wieder als unreflektiert zu denunzieren, verleugnen den politischen Hintergrund und reduzieren ihre Berichterstattung auf die "Gewaltfrage." Dass die SVP verwantwortlich für massive Gewalt von den Herrschenden gegenüber der Bevölkerung (insbesondere gegenüber MigantInnen und andere Personen, welche nicht in ihr kleinkarriertes Weltbild passen) ist, lässt die Tagespresse natürlich aus. Auch ist die SVP die treibende Kraft hinter einer Rechtsentwicklung, welche u.a. ein immer rauerer Umgang im gesellschaftlichen Alltag zur Folge hat.

Dem Rassismus nicht tatenlos bei seinem Vormarsch zuschauen!

Kein Raum für RassistInnen - nirgenwo!
SVP angreifen!
Für eine klassenlose Gesellschaft!

Antifaschistisches Kommando Albisguetli


Die politische Begründung des Angriffs ist hier nachzulesen:  http://ch.indymedia.org/de/2011/01/79893.shtml

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tagesanzeiger.ch 31.1.11

Anschlag auf den falschen Ort

cal

 Linksextreme haben einen Farbanschlag auf das Restaurant Ziegelhütte in Schwamendingen verübt. Die SVP, die gemeint war, tagte anderswo.

 Wie "20 Minuten" berichtet, ist die SVP am Samstag erneut Zielscheibe von Chaoten geworden. Nur eine Woche nach der Attacke auf Nationalrat Hans Fehr verübten die Extremisten einen Farbanschlag auf das Restaurant Ziegelhütte in Schwamendingen. Damit hätte die traditionelle SVP-Lichtmess getroffen werden sollen.

 Die Chaoten haben sich aber im Austragungsort geirrt. Die Veranstaltung mit Christoph Blocher und den beiden Regierungsräten Ernst Stocker und Markus Kägi als Redner fand nicht im Restaurant statt, sondern im Freien, am Waldrand oberhalb des Lokals. Die Wirtschaft Ziegelhütte, die im letzten Jahr von den Szenebeizern der Gasometer AG übernommen wurde, hatte mit der Parteiveranstaltung nichts zu tun.

 Telefonische Drohungen

 Christian Mettler, Präsident der SVP Kreis 12, hat bereits im Vorfeld der Lichtmess anonyme Drohungen erhalten. So etwas sei in den 30 Jahren, in denen der Anlass durchgeführt werde, nie vorgekommen, erklärte Mettler gegenüber "20 Minuten". Deshalb sei der Anlass sowohl von privaten Sicherheitsleuten als auch von der Polizei bewacht worden.

 Bereits am Mittwoch hatten WEF-Gegner in St. Gallen Spott geerntet, als sie die HSG angreifen wollten. Anstatt an einem Gebäude der Uni befestigten sie einen bombenähnlichen Gegenstand an einer Fassade der Helvetia-Versicherung.

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20 Minuten 30.1.11

Anschlag auf SVP-Anlass: Chaoten irrten sich im Ort

 ZÜRICH. Linksextreme haben einen Farbanschlag auf ein Restaurant verübt, in dem angeblich ein SVP-Anlass stattfinden sollte. Doch die Chaoten hatten den falschen Ort erwischt.

 Nur eine Woche nach der Prügelattacke auf Nationalrat Hans Fehr war die SVP am Samstag erneut Zielscheibe von Linksextremen: Diesmal verübten sie einen Farbanschlag auf das Restaurant Ziegelhütte in Zürich-Schwamendingen. Fälschlicherweise glaubten sie, dort werde die traditionelle SVP-Lichtmess mit Christoph Blocher als Gastredner gefeiert. Diese fand zwar statt - allerdings oberhalb des Restaurants, im Freien. "Die Urheber haben sich geirrt", sagt Ziegelhütte-Wirt Stefan Tamò. "Ich wähle nicht SVP." Er verurteile aber jede Art von Gewalt. "Der Schaden ist zum Glück gering."

 Christian Mettler, Präsident der SVP Kreis 12, sagt: "Die Chaoten haben jemanden bestraft, der nichts mit unserem Anlass zu tun hat." In der Ziegelhütte halte man bloss den SVP-Stamm ab. Bereits im Vorfeld hatte Mettler anonyme Anrufe erhalten: "Man sagte mir: ‹Ihr werdet am Samstag nicht allein sein›. So etwas ist in den 30 Jahren, in denen die Lichtmess stattfindet, noch nie vorgekommen." Deshalb hätten sowohl private Sicherheitsleute als auch die Polizei den Anlass bewacht. "Abgesehen vom Farbanschlag ging die Lichtmess würdig über die Bühne", so Mettler.

 Bereits letzten Mittwoch hatten sich Linksextreme bei einem Anschlag auf ein vermeintliches Uni-Gebäude in St. Gallen vertan - sie trafen irrtümlich das Haus einer Versicherung.  

Roman Hodel

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Tagesanzeiger 31.1.11

Chefin des Schwarzen Blocks macht SVP verantwortlich

 Zürich/Bern - Bei der Prügelattacke auf den Zürcher SVP-Nationalrat Hans Fehr vor der Albisgüetli-Tagung vom 21. Januar stelle sich "nicht die Frage, wer was getan hat". Es gehe darum, wer in der Schweiz "strukturelle wie offene Gewalt ausüben darf". Dies hat die Wortführerin des Revolutionären Aufbaus Zürich, Andrea Stauffacher, erklärt.

 Stoppte Stauffacher die Prügler?

 In einem Interview mit der Zeitung "Sonntag" sagte die 61-jährige Chefin des Schwarzen Blocks weiter, die "Spaltungspolitik" der SVP sei "für die Gewalt innerhalb der Arbeiterklasse" verantwortlich. Die SVP sei nicht die Ursache, aber "die treibende Kraft in der Rechtsentwicklung und der rassistischen Hetze". Die Prügelattacke auf Fehr hat laut Stauffacher eine Hysterie ausgelöst. Es liege auf der Hand, "dass die SVP die Gunst der Stunde riecht".

 Zum konkreten Angriff auf Fehr sagte die Zürcher Autonomen-Chefin, es gebe Aussagen, dass nicht ein ganzer Mob, sondern zwei Leute hinter dem Angriff gestanden hätten. Auf die Frage, ob es zutreffe, dass sie selber versucht habe, die Prügelattacke zu stoppen, wollte Andrea Stauffacher nicht eingehen.

 Anzeige gegen unbekannt

 Nationalrat Hans Fehr war am 21. Januar zu Fuss unterwegs gewesen zur Albisgüetli-Tagung der SVP des Kantons Zürich, als ihn mehrere demonstrierende Linksautonome erkannten. Fehr wurde darauf auf offener Strasse mit Faustschlägen und Fusstritten traktiert. Er erlitt mehrere Schrammen und eine Rippenprellung. Fehr musste sich nach dem Angriff im Spital behandeln lassen. Er hat Anzeige gegen unbekannt erstattet.(SDA)

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 Linksextreme durchleuchten

 BERN. Nach der Prügel-Attacke auf SVP-Nationalrat Hans Fehr und dem Anschlag auf das Post-Hotel in Davos (20 Minuten berichtete) fordern Politiker, dass der Bundesrat die linksextreme Szene durchleuchten solle, am besten mit Geldern des Nationalfonds: "Wir müssen diese nicht akzeptable linke Gewalt auf die Traktandenliste setzen", sagte Nationalrat Jakob Büchler (CVP), Präsident der Sicherheitskommissionen von National- und Ständerat, dem "SonntagsBlick".

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sf.tv 30.1.11

Hartes Durchgreifen gegen Linksextreme gefordert

stom

 Verbale und physische Attacken gegen Politiker und Behörden werden immer schlimmer. Jüngste Beispiele sind der Angriff auf SVP-Nationalrat Hans Fehr oder der Anschlag auf das Posthotel am WEF in Davos. Die Sicherheitskommissionen wollen den Linksextremismus untersuchen lassen. Bundesrat Ueli Maurer fordert ein härteres Vorgehen gegen Attentäter.

 Ueli Maurer erklärte bezüglich der Attacke gegen Parteikollege Fehr in der Zeitung "Sonntag": "In einem solchen Fall müsste innerhalb von 24 Stunden ein Schuldspruch fallen und die Strafe innerhalb von zwei Tagen ausgesprochen werden."

 Maurer erhofft sich davon eine abschreckende Wirkung: "Es gibt in diesen Szenen oft Mitläufer. Wenn diese am Montag nicht am Arbeitsplatz erscheinen, haben sie ein Problem. Man muss den gewaltbereiten Kern der Szene isolieren und die Mitläufer, die den Kern schützen, davon trennen können." Bereits vor einiger Zeit hat er Schnellgerichte gegen Hooligans gefordert. Nun präzisiert er den Kreis der Delikte: Schnellgerichte sollen zum Einsatz kommen bei "Sachbeschädigung, Missbrauch von Eigentum, Vermummung, Gewalt gegen Leib und Leben."

 Ueli Maurer ist besorgt über die Häufung von Angriffen auf Politiker: "Die Attacke auf Hans Fehr liegt auf einer Linie, die wir schon länger beobachten. Die linke Szene wird gewaltbereiter und aggressiver."

 "Linke Gewalttaten nehmen zu"

 Auch bei den Sicherheitskommissionen (SIK) von National- und Ständerat schrillen bezüglich Linksextremismus die Alarmglocken, wie der "Sonntagsblick" schreibt. "Wir müssen diese nicht akzeptable linke Gewalt auf die Traktandenliste setzen", sagt der St. Galler CVP-Nationalrat und SIK-Präsident Jakob Büchler in der Zeitung.

 Sein Parteikollege Bruno Frick (SZ), der die SIK des Ständerates präsidiert, doppelt nach: "Die linken Gewalttaten nehmen zu. Sie sind eine Gefahr und eine Bedrohung. Wir werden dieses Problem an der nächsten Sitzung traktandieren."

 Die Kommissionspräsidenten können sich auch vorstellen, den Bundesrat zu beauftragen, den Linksextremismus in der Schweiz durch eine Nationalfonds-Studie durchleuchten zu lassen. Der Aargauer SVP-Ständerat Maximilian Reimann will den Druck zusätzlich erhöhen. Schon zweimal hat er vom Bundesrat verlangt, das Phänomen politisch und gesellschaftlich zu untersuchen. Er sagt: "Ich werde in der Frühlingssession erneut eine Motion einreichen, die den Bundesrat verpflichtet, den Linksextremismus endlich wissenschaftlich zu erforschen."

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telezueri.ch 30.1.11

SonnTalk

Rippenprellung und eine Wunde am Kopf. Die Prügel-Attacke gegen SVP-Nationalrat Hans Fehr hat eine grosse Diskussion ausgelöst. Geht die Polizei gegen linke Chaoten zu wenig hart vor? Reagiert die Politik zu passiv ? Weshalb wird das Vermummungsverbot nicht rigoros durchgesetzt ?

http://www.telezueri.ch/index.php?id=6830&show_uid=9242&yyyymm=2011.01&cHash=bf4be0839d

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Sonntagsblick 30.1.11

Schweizer Autonome immer radikaler. Jetzt fordern Politiker Massnahmen

 Zerrt diese linken Chaoten ans Licht!

 VON  BEAT KRAUSHAAR

 Anschläge des Revolutionären Aufbaus haben das Parlament aufgeschreckt. Nun wollen die Sicherheitskommissionen die linksextreme Szene durchleuchten.

 Mit der Prügelattacke auf SVP-Nationalrat Hans Fehr und dem Anschlag auf das Posthotel am WEF in Davos hat der sogenannte Revolutionäre Aufbau die Bevölkerung und Politiker aufgeschreckt. Verwundert stellt die Schweiz fest: Der linksextreme Untergrund ist lebendig wie nie. Besonders die Aktivisten vom "Aufbau" verüben nun schon seit Wochen Brand- und Farbanschläge.

 Bisher fiel der "Aufbau" vor allem durch seine Kampftruppe auf, den Schwarzen Block. Regelmässig flogen an den 1.-Mai-Demos in Zürich Steine, gingen Schaufenster zu Bruch, brannten Autos. Die Schäden gehen jeweils in die Hunderttausende. Und stets lautet der Schlachtruf: "Kampf der Diktatur des Kapitals".

 Jetzt, nach den neusten Anschlägen, schrillen bei den Sicherheitskommissionen (SIK) von Nationalund Ständerat die Alarmglocken. "Wir müssen diese nicht akzeptable linke Gewalt auf die Traktandenliste setzen", sagt der St. Galler CVP-Nationalrat und SIK-Präsident Jakob Büchler. Sein Parteikollege Bruno Frick (SZ), der die SIK des Ständerates präsidiert, doppelt nach: "Die linken Gewalttaten nehmen zu. Sie sind eine Gefahr und eine Bedrohung. Wir werden dieses Problem an der nächsten Sitzung traktandieren." Die Kommissionspräsidenten wollen den Bundesrat beauftragen, den Linksextremismus in der Schweiz durchleuchten zu lassen - am besten mit Geldern des Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (SNF).

 Der Aargauer SVP-Ständerat Maximilian Reimann will den Druck zusätzlich erhöhen. Schon zweimal hat er vom Bundesrat verlangt, das Phänomen politisch und gesellschaftlich zu untersuchen. Er sagt: "Ich werde in der Frühlingssession erneut eine Motion einreichen, die den Bundesrat verpflichtet, den Linksextremismus endlich wissenschaftlich auszuleuchten."

 Reimann wirft den Linken in Politik, Medien und Wissenschaft vor, sie seien auf dem linken Auge blind. Reimann: "Die wollen gar nicht, dass man ihre eigene linke Vergangenheit aufarbeitet."

 Fakt ist: Die extreme Schweizer Linke wurde weder politisch noch sozialwissenschaftlich jemals untersucht. "Wer sich über die extreme Rechte informieren will, stösst in Buchhandlungen auf gefüllte Regale", sagt die Sozialwissenschaftlerin Barbara Fontanellaz. Was die Linke betreffe, sei die Ausbeute aber sehr mager.

 Immer gewaltbereiter

 Fontanellaz hat 2008 eine "Analyse zum Phänomen des Linksextremismus in der Schweiz" vorgelegt. In der Dissertation steht, dass die Medien über linksextreme Gewalttaten weniger häufig berichten als über die der Rechtsextremen.

 Dies obwohl die extreme Linke offenbar immer mehr Anhänger rekrutiert und häufiger Gewalt ausübt, wie inzwischen auch der Inlandgeheimdienst NDB bestätigt: "Wir haben in unserem letzten Bericht auf das ständig steigende Gewaltpotenzial der Linksextremen hingewiesen", sagt NDBSprecher Felix Endrich. Künftig sei mit einem weiteren Anstieg der Gewalttaten zu rechnen.

 Was wollen sie eigentlich, die gewalttätigen Aktivisten vom Revolutionären Aufbau? Worauf zielen sie ab? Einiges hat Barbara Fontanellaz herausgefunden:

 Ziel ist eine klassenlose Gesellschaft nach kommunistischem Vorbild, in der die Herrschaft von Menschen abgeschafft ist. Der gewaltsame Protest richtet sich gegen Ausbeutung und Unterdrückung im Kapitalismus, gegen die Ausgrenzung von Arbeitslosen, gegen die Diskriminierung von Frauen, Homosexuellen, Migranten.

 Hierarchie und Mitglieder: "Der Revolutionäre Aufbau ist eher hierarchisch strukturiert. Die Aktivisten kommen aus verschiedenen sozialen Schichten und sind sozial integriert", sagt Fontanellaz.

 Rekrutierung: Neue Mitglieder rekrutiert der Revolutionäre Aufbau unter anderem über die relativ bekannte Gruppe Antifa. "Die politisch-theoretische Schulung wird nicht dem Zufall überlassen. Stufenweise wird eine Annäherung an marxistisches Denken vorgenommen."

 Um mehr zu erfahren, unterstützt Fontanellaz die Forderungen der Sicherheitspolitiker, das Phänomen wissenschaftlich zu untersuchen. "Bei meinen Recherchen habe ich mir immer wieder die Frage gestellt, weshalb sich politischer Extremismus beim Nationalfonds nur auf den Rechtsextremismus beschränkt." Relevant seien dabei nicht nur die Fragen nach dem Gewaltpotenzial; auch das gesellschaftliche und politische Umfeld der Linksextremen sei ein interessantes Forschungsthema.

 Bundesrat gefordert

 Statt auf das Parlament zu warten, könnten SVP-Bundesrat Ueli Maurer oder FDP-Bundesrat Didier Burkhalter der Regierung auch von sich aus eine Durchleuchtung der Anarcho-Szene vorschlagen: Maurer als Chef der Geheimdienste, Burkhalter als oberster Verantwortlicher des Nationalfonds.

 Drängende Fragen gibt es genug: Die Szene vernetzt sich im Untergrund - Linksextreme, Öko-Terroristen und fanatische Tierschützer "schliessen sich bei gleichen Interessen punktuell zusammen", wie Fontanellaz bestätigt. Deutlich wurde dies bei Anschlägen auf die Botschaften in Rom, Athen und der Schweiz: Stets wurde die Freilassung von drei in der Schweiz verhafteten Öko-Terroristen gefordert.

 Das Trio sitzt in Haft, weil es einen Anschlag auf ein Zürcher IBM-Labor hatte verüben wollen.

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 Was sagen die Linken?

 "Die Erforschung jeder Gewalt ist richtig und mir als Pazifist wichtig"
 Jo Lang, Nationalrat Grüne

 "Eine solche Studie würde ich gut und sinnvoll finden"
 Andrea Hämmerle, SP-Nationalrat

 "Warum nicht? Es wäre interessant, mehr darüber zu erfahren"
 Ueli Leuenberger, Präsident Grüne

 "Selbstverständlich bin ich dafür, wenn es um die Erforschung von Gewalt geht"
 Katharina Prelicz-Huber, Nationalrätin Grüne

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 SVP-Nationalrat Fehr: "Manchmal habe ich wie einen Vorhang vor den Augen"

 Gut eine Woche nach der Prügelattacke durch Schläger des Schwarzen Blocks spürt SVP-Nationalrat Hans Fehr (63) die Nachwehen. "Die lädierte Rippe spüre ich noch. Und mit dem Sehen habe ich ab und zu Probleme. Manchmal habe ich wie einen Vorhang vor den Augen." Ansonsten habe er sich gut erholt und arbeite wieder voll. Fehr will aber nicht immer nur über sich, sondern lieber über das Problem reden. "Oberste Staatsaufgabe ist die Gewährung der Sicherheit", sagt der SVP-Politiker. Diese sieht er vor allem in den grün regierten Städten nicht mehr gegeben. Dort würden Vermummung, rechtsfreie Räume und besetzte Häuser mehr oder weniger geduldet.

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Sonntag 30.1.11

Fehr-Attacke: Rechte geht auf Linke los

 Distanzierung gefordert - Autonomen-Chefin bricht Schweigen

 von Othmar von Matt, Sandro Brotz und Christian Dorer

 Nach dem körperlichen Übergriff gegen SVP-Nationalrat Hans Fehr spricht Extremismus-Experte Samuel Althof von einem "Tabubruch". Die Gesellschaft habe den Linksextremismus unterschätzt. SVP-Nationalrat Oskar Freysinger ortet das Problem vor allem bei der Linken: "Sie sollte endlich dazu stehen, dass Stalinismus und Leninismus genauso schlimm waren wie der Nationalsozialismus." Sein Ratskollege Christoph Mörgeli ergänzt: "Die Linke hat jahrelang ignoriert, was an ihrem extremen Rand geschieht." Bei der SP kann man die Vorwürfe nicht verstehen. "In der SP ist unbestritten, dass kommunistische Regimes diktatorisch waren", sagt SP-Fraktionschefin Ursula Wyss.

 Derweil äussert sich die Wortführerin des Revolutionären Aufbaus Zürich, Andrea Stauffacher, erstmals zu den Ereignissen rund um die Attacke auf Fehr. Der Angriff habe "eine Hysterie ausgelöst", sagt Stauffacher im Interview. Sie bezieht sich auf Aussagen, dass nicht ein ganzer Mob, sondern zwei Leute hinter dem Angriff stehen. Es liege aber auf der Hand, "dass die SVP die Gunst der Stunde riecht", erklärt Stauffacher. Nach Informationen des "Sonntags" war die Kommunistin ebenfalls unter den 80 Autonomen beim Albisgütli und wollte den Angriff auf Fehr unterbinden.

 Dessen Parteikollege und Verteidigungsminister Ueli Maurer fordert in solchen Fällen ein härteres Vorgehen: "Es müsste innerhalb von 24 Stunden ein Schuldspruch fallen und die Strafe innerhalb von zwei Tagen ausgesprochen werden", sagte Maurer am Rande des WEF.

 SEITEN 2/3, Gastbeitrag Seite 13

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Editorial

 Linke und Rechte müssen sich besinnen

 als märtyrer wolle er sich nicht inszenieren, sagte Hans Fehr vor seinem "Arena"-Auftritt. Daran hat er sich gehalten. Doch Fehr und seine Partei versuchen trotzdem, aus der Prügel-Attacke auf den SVP-Nationalrat politisches Kapital zu schlagen. Das wurde in der TV-Sendung klar. Als gestandener Polit-Fuchs und Podiumsteilnehmer weiss Fehr, dass die eigene Botschaft permanent wiederholt werden muss, damit sie beim Publikum ankommt. In seinem Fall war es der Satz: "Was macht man, dass die Sicherheit in diesem Land wieder hergestellt wird?"

 Halten wir fest:1. Der Übergriff auf Hans Fehr ist zu verurteilen, inakzeptabel und ein Angriff auf die Demokratie.2. Die Sicherheit in diesem Land ist deswegen nicht grundsätzlich ausser Kraft gesetzt.3. Es muss die Frage erlaubt sein, ob der politische Stil mit zu solchen Auswüchsen führt.Mit dem letzten Punkt ist keineswegs gemeint, Fehr sei an den angeknacksten Rippen und der Schramme auf der Stirn selber schuld. Das wollen SVP-Vertreter jedem unterstellen, der die aufgeheizte Stimmung in Kontext mit den politischen Inhalten der Blocher-Partei bringt. Aber: Die SVP gibt nun mal den Ton in der Schweizer Politik an. Und vergreift sich mitunter im Tonfall. Da werden aus linken Politikern rote Ratten, Hände verschiedener Hautfarben greifen gierig nach Schweizer Pässen und schwarze Schafe müssen als Sündenböcke für kriminelle Ausländer herhalten.

 diese mittel und themen kann man verurteilen oder unterstützen. Klar ist: Die SVP ist eine demokratische Partei mit demokratisch gewählten Volksvertretern. Das gilt ausgesprochen nicht für die linksextreme Szene. Sie ist mit der Attacke auf Fehr "vom Angriff auf das System zum Angriff auf Menschen" übergegangen, wie es Extremismus-Experte Samuel Althof im "Sonntag" drastisch formuliert (siehe links). Dieser "Tabubruch", so Althof, ist besorgniserregend. Aber auch die Art der erwähnten Polit-Kampagnen führt zu einer Verrohung der politischen Sitten. "Wer Wind sät, wird Sturm ernten", sagte Politikberater Mark Balsiger in der "Arena". Das hat einen wahren Kern. Die SVP wendet im Gegensatz zu den Linksextremisten keine Gewalt an. Aber besinnen müssen sich beide. Linke und Rechte. Extreme haben in der politischen Auseinandersetzung nichts zu suchen.

 Sandro Brotz Stv. Chefredaktor

 sandro.brotz@sonntagonline.ch

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SVP: Linke muss sich von Extremisten distanzieren

 Experten sprechen beim körperlichen Übergriff gegen Nationalrat Hans Fehr von "Tabubruch" - SVP-Exponenten: "Linke ignoriert, was am extremen Rand geschieht"

von Othmar von Matt

 Die Gesellschaft verniedliche den Linksextremismus, kritisieren Experten. Und die SVP geht auf die Linke los: zu lange habe sie sich nicht distanziert- und den kommunistischen Totalitarismus schlecht aufgearbeitet.

 Dass SVP-Nationalrat Hans Fehr auf offener Strasse attackiert und zusammengeschlagen wurde, sei "ein Tabubruch", sagt der Extremismus-Experte Samuel Althof. Er ist in der Prävention von rechts- wie linksextremer Gewalt tätig. Die linksextreme Szene verstehe "ihren Angriff auf den Menschen Fehr emotionslos als Angriff auf das System". Althof: "Die Abspaltung von Empathie gegenüber dem Opfer ist äusserst gefährlich, weil das Leiden des Opfers nicht mehr wahrgenommen wird."

 Althof sieht im Vorgang Parallelen zur Entführung und Ermordung des deutschen Arbeitgeberpräsidenten Hans Martin Schleyer durch die Rote Armee Fraktion (RAF) von 1977. "Auch die RAF spaltete Menschlichkeit und Emotionen ab", sagt Althof. "Sie sah Schleyer als Teil des Systems und nicht als Menschen, hat ihn in der Gefangenschaft sehr schlecht behandelt und kaltblütig ermordet."

 Happige Aussagen. Für Althof ist klar, dass die Gesellschaft den Linksextremismus zu lange nicht als das wahrnahm, was er ist: undemokratisch, revolutionär und gewalttätig. Verharmlosende Begriffe wie "Chaoten" oder "Schwarzer Block" würden dies beweisen. "Sie selbst bezeichnen sich als ‹revolutionär›", sagt Althof. "Mit diesem Begriff wird klar, dass Gewalt Teil deren Systems ist." Man müsse sich nur die Homepage des "Revolutionären Aufbaus Schweiz" ansehen, um Bescheid zu wissen. "Da wird von ‹territorialer Kontrolle› geschrieben, von ‹revolutionärer Gegenmacht›, ‹Kampffront› und ‹systemsprengendem Potenzial›", sagt Althof. "Das ist Kriegsrhetorik." Dass der "Revolutionäre Aufbau" das System sprengen wolle, habe sich mit der Detonation einer Art symbolischen Bombe am WEF gezeigt. "Der Anschlag geschah zwar auf einer dilettantischen Ebene", sagt Althof. "Doch wie bei einem Amoklauf kann die Tatsache, dass dieser gedacht und geschrieben wird, die Vorstufe zur Tat sein."

 Die Gesellschaft habe die Geschichte des Linksextremismus "nicht wirklich erforscht und aufgearbeitet". Genauso wenig wie Gewaltpotenzial und antidemokratische Kraft des Stalinismus. Eine Analyse, mit der sogar der Grüne Josef Lang teilweise übereinstimmt: "Die Linke hat die stalinistischen Verbrechen in der Tat ungenügend aufgearbeitet."

 In der Öffentlichkeit existiere ein unterschiedliches Bewusstsein zu Rechts- und zu Linksextremismus, sagt Althof. "Der Nationalsozialismus bedrohte die Schweiz, wir mussten uns mit ihm auseinandersetzen. Es war eindeutig und klar: Man musste etwas tun." Beim Linksextremismus hingegen sei das "nicht so eindeutig". Die alte Partei der Arbeit (PdA), aber auch Teile der SP, seien in der Zeit des Zweiten Weltkrieges auch in der Schweiz von rechts verfolgt worden. Die linke Angst vor rechter Politik sei noch heute spürbar. Althof: "Das führt dazu, dass die Linken die Auswirkungen des Linksextremismus erst jetzt zu verstehen beginnen."

 In diesem Angst-Reflex der Linken liegt für die SVP der wunde Punkt. "Lange verstanden sich die Linken als Dschungelkämpfer, welche die angeblich kurz bevorstehende Machtergreifung der SVP bekämpften", sagt SVP-Nationalrat Christoph Mörgeli. "Das ist die Lebenslüge der Linken. Die SVP ist so weit entfernt von der Macht, dass schon der Gedanke daran absurd ist." Zudem vertrete die SVP das demokratische Gedankengut, das bis 1990 alle Bürgerlichen vertreten hätten: Unabhängigkeit, Freiheit, Markt, schlanker Staat.

 Nach dem Schock um Fehr kommen nun aus der SVP Vorwürfe an die Linke. Dass die europäische Links-Intelligenzia nie Vergangenheits-Bewältigung betrieben habe zu totalitären kommunistischen Regimes, sei ein Fehler, sagt SVP-Nationalrat Oskar Freysinger. "Die Linke sprach vom lieben Lenin und vom bösen Stalin, sogar Schweizer Sozialdemokraten flirteten mit Ex-DDR-Staatschef Erich Honecker." Freysinger: "Das ist ein Problem bei der Linken. Sie sollte endlich dazu stehen, dass Stalinismus und Leninismus genau so schlimm waren wie der Nationalsozialismus. Hitler schaute alles bei Stalin ab." Mörgeli sagt: "Die Linke hat jahrelang ignoriert, was an ihrem extremen Rand geschieht."

 Ganz so einfach ist das für Althof aber nicht. Die SVP trage ebenfalls eine Verantwortung. "Auch ihre Sprache enthält Gewaltelemente", sagt der Experte. Die SVP diskreditiere und verletze "Menschen, die sie als Tiere bezeichnet - Linke als Ratten, kriminelle Ausländer als schwarze Schafe". Althof: "Beide Formen des Extremismus bedingen sich. Die Dominanzorientierung prallt aufeinander, Gewalt steht im Raum." Drohungen von rechts erhalte er immer dann, bestätigt auch der Grüne Josef Lang, wenn es um Themen wie Armee, Waffen, Islam und Ausländer gehe. "Stellt man die nationale Identität infrage, schafft das am meisten Aggressionen."

 Bei der SP kann man die Vorwürfe nicht verstehen. "In der SP ist unbestritten, dass kommunistische Regimes diktatorisch waren", sagt SP-Fraktionschefin Ursula Wyss. Vom "Revolutionären Aufbau" sei die SP genauso weit entfernt "wie alle anderen Parteien". Wyss distanziert sich entschieden: "Diese Gruppe ist ganz grundsätzlich gegen Demokratie und Meinungsfreiheit, zieht Gewalt gegen demokratische Institutionen wie Parteien und Behörden vor. Das ist inakzeptabel." Für Wyss ist klar: "Null Toleranz den Intoleranten."Seite 13: Gastbeitrag

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Stoppte die Chefin des Schwarzen Blocks die Prügel-Attacke auf Hans Fehr?

 Erstmals äussert sich Andrea Stauffacher zu den Folgen des Übergriffs beim Albisgütli: "Die SVP riecht die Gunst der Stunde"

Von Sandro Brotz

 Als SVP-Nationalrat Hans Fehr auf dem Weg ins Albisgütli verprügelt wurde, war die Anführerin des Revolutionären Aufbaus Zürich (RAZ), Andrea Stauffacher, in unmittelbarer Nähe. Dies bestätigen mehrere Zürcher Stadtpolizisten gegenüber dem "Sonntag". Anwesende vor Ort berichten weiter, auch Stauffacher habe die Angreifer aus dem Schwarzen Block aufgefordert, von Fehr abzulassen. Nach einem tagelangen E-Mail-Verkehr war die 61-jährige Kommunistin schliesslich bereit, schriftlich auf einige Fragen einzugehen.

 Frau Stauffacher, wie beurteilen Sie die Attacke auf Hans Fehr?

 Andrea Stauffacher: Zu Fehr äussern wir uns nicht. Es ist nicht die Frage, wer hat was getan.

 Sondern?

 Es ist letztlich die Frage, wer denn in diesem Lande strukturelle wie offene Gewalt ausüben darf und wer hingegen mit medialer Hetze und Repression rechnen muss. Nur so erklärt sich auch, warum ein Angriff auf offener Strasse - laut Aussagen nicht von einem "Mob", sondern von zwei Leuten - eine derartige Hysterie auslöst.

 Die Mehrheit der Demonstrationsteilnehmer hat Fehr vor den Angreifern schützen wollen. Es heisst, auch Sie hätten die Attacke stoppen wollen.

 Wir sind nicht daran interessiert, dazu etwas zu sagen. Interessanter sind unserer Meinung nach die Ursachen der sich verschärfenden gesellschaftlichen Situation auch in der Schweiz.

 Was meinen Sie damit?

 Der so genannte Sonderfall Schweiz, wo der Politiker fröhlich lächelnd auf dem Velo ins Parlament radelt, ist längst ein verlogenes Wunschbild einiger weniger, die an den Schalthebeln der Macht sitzen. Für eine grosse Mehrheit weht schon lange ein ganz anderer, rauer, existenzieller Wind. Entlassungen, Stress in der Ausbildung, Yuppisierungen ganzer Arbeiterinnen- und Arbeiterviertel oder alltägliche Polizeischikanen auf der Strasse speziell gegen Ausländerinnen und Ausländer sind nur einige Stichworte zum herrschenden Alltag.

 Was hat das mit der SVP und ihren Exponenten zu tun?

 Zu dieser Frage ein aktuelles Beispiel: Vergessen Sie nicht, dass die Antifeministen aus den Reihen der SVP kommen und jetzt ganz offen drohen, die anonymen Adressen der Frauenhäuser - einer Errungenschaft der Frauenbewegung - publik zu machen. Damit werden Frauen und Kinder physischer und psychischer Gewalt direkt ausgesetzt.

 Und das legitimiert aus Ihrer Sicht die Gewalt gegen einen Politiker?

 Ich äussere mich nicht zum Fall Fehr, auch wenn Sie darauf beharren. Dass die SVP die Gunst der Stunde riecht, liegt auf der Hand. Sie ist aber nicht die Ursache, sondern lediglich eine treibende Kraft in der Rechtsentwicklung und der rassistischen Hetze.

 Nochmals: Darf Gewalt ein Mittel für Ihren Kampf sein?

 Wir fragen umgekehrt: Was legitimiert eigentlich die Gewalt, die tagtäglich Menschen in die Armut, soziale Not und Perspektivenlosigkeit treibt? Die Spaltungspolitik der SVP ist ein Teil, weshalb sich die in- und ausländischen Arbeiterinnen und Arbeiter nicht gemeinsam gegen diese Gewalt wehren. Diese spaltende Politik schürt sogar Gewalt innerhalb der Arbeiterinnen- und Arbeiterklasse. Das lehnen wir ab und sagen: Von unten links gegen oben rechts - Klasse gegen Klasse.

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 Die Berufs-Revoluzzerin

 Andrea Stauffacher bewegt sich seit über 30 Jahren in der autonomen Szene und gilt als Rädelsführerin der unbewilligten 1.-Mai-Demonstrationen in Zürich. So war sie unter anderem 1997 wegen Landfriedensbruchs und Sachbeschädigung zu sechs Monaten Haft verurteilt worden. Der Zürcher Bezirksrichter bezeichnete die Sozialpädagogin als "unverbesserliche Rückfalltäterin" und verhängte eine unbedingte Strafe. Anfang 2007 wurde bei Stauffacher eine Hausdurchsuchung durchgeführt, weil ihr italienische Ermittlungsbehörden vorwarfen, die terroristische Vereinigung "Die neuen Roten Brigaden" zu unterstützen. (BRO)

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"Stauffacher in die Mangel nehmen"

 Fehr will Autonomen-Chefin vorladen lassen

 Welche Rolle spielt Andrea Stauffacher bei der Prügel-Attacke auf Hans Fehr? Laut mehreren Quellen bei der Zürcher Stadtpolizei war Stauffacher unter den rund 80 Autonomen, die sich am Freitagabend vor einer Woche in der Nähe des Albisgütlis versammelt hatten (siehe links). "Wenn das so ist, muss man sie in mein Verfahren einbeziehen", sagt Fehr. "Man muss sie befragen und in die Mangel nehmen." Der SVP-Nationalrat hatte nach dem Angriff auf ihn Strafanzeige eingereicht.

 Laut dem Medienchef der Stadtpolizei Zürich, Marco Cortesi, werde man handeln, sobald konkrete Hinweise zur Anwesenheit Stauffachers vorliegen: "Dann prüfen wir, ob wir sie als Zeugin vorladen." Ob die Wortführerin des Schwarzen Blocks einer solchen Vorladung folgen würde, ist allerdings fraglich. Andeutungen aus internen Polizeikreisen, Stauffacher sei wegen der zeitlichen Nähe zu den Anti-WEF-Demos bewusst nicht aufgeboten worden, verneint Cortesi deutlich: "Es gibt keine Weisung, die ein solches Vorgehen festhalten würde." Der für den Fall zuständige Staatsanwalt Markus Imholz erklärt auf Anfrage, es seien "breite Vorermittlungen im Gang". Zur Frage, ob es bereits zu Festnahmen gekommen sei, wollte Imholz keine näheren Angaben machen. Fehr spricht nach wie vor von zwei bis vier Personen, die ihn attackiert hätten. Der SVP-Nationalrat hat seit dem Übergriff über 1000 E-Mails und SMS bekommen: "98 Prozent davon waren Zuspruch", sagt er.Sandro Brotz

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Bedrohte Politiker: Das sind ihre Rezepte

 Freysinger joggt, Mörgeli schweigt, Giezendanner trainiert

von Othmar von Matt

 Einer der meistbedrohten Parlamentarier ist SVP-Nationalrat Oskar Freysinger. In den Westschweizer Kantonen Genf, Waadt und Jura komme es fast stets zu Problemen, sagt er. "Hier ist der Hass auf die SVP unglaublich gross." Seine Rezept: "Ich jogge drei- bis viermal pro Woche. Auch, um im Notfall schnell genug wegrennen zu können. Weglaufen ist besser als Zurückschlagen." Obwohl Freysinger gross gewachsen ist, geht er solchen Situationen aus dem Weg. "Verletze ich als öffentliche Person jemanden", sagt er, "habe ich ein Problem. Auch wenn es nur Gegenwehr war." Freysinger hat noch ein Rezept. Er hat gute Erfahrungen damit gemacht, offensiv mit Bedrohungen umzugehen. "Wird bekannt, dass gegen mich gezielt Gewalt eingesetzt wurde, dann steigt mein Bekanntheitsgrad", sagt der Walliser. "Das wiederum ist gleichzeitig eine Lebensversicherung für mich." Es sei besser, öffentlich als Märtyrer dazustehen, "als hinter Gebüsch abgemurkst zu werden".

 Bei der SVP steht Freysinger mit dieser Offensiv-Strategie aber relativ allein. "Ich sage dazu nie etwas", sagt SVP-Nationalrat Christoph Mörgeli, ebenfalls einer der meistbedrohten Politiker. Darüber sei man sich unter Politikern weitgehend einig - aus zwei Gründen: Erstens wolle man keine Nachahmer auf den Plan rufen. Und zweitens wolle man verhindern, dass "überdrehte Helfer einem sogar bewaffnet verteidigen wollen".

 Wenn SVP-Nationalrat Ulrich Giezendanner seine Briefe öffnet, schaut er zuerst nach, ob sie Unterschriften und Adressen enthalten. "Briefe ohne lese ich nicht", sagt er. Das mache keinen Sinn. Giezendanner sagt aber noch etwas: Er sei besser austrainiert, als man denke. Falls man ihn körperlich attackiere, "würde ich mich nicht kampflos in die Ecke drängen lassen". Auch CVP-Parlamentarierin Ruth Humbel reagiert nicht auf unflätige Post, löscht Mails mit Beschimpfungen sofort. Und der Grüne Josef Lang teilt Bedrohungen in zwei Kategorien ein: Allgemeine Bedrohungen seien "eher harmlos". Sehr konkrete Drohungen nimmt er hingegen ernst - und überlegt sich, wo und wie etwas passieren könnte.

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Jetzt fordert Ueli Maurer Schnellgerichte für Linksextreme

 Der Verteidigungsminister sorgt sich über zunehmende Gewalt

von Christan Dorer

 Nach der Attacke auf SVP-Nationalrat Hans Fehr fordert nun Parteikollege und Verteidigungsminister Ueli Maurer ein härteres Vorgehen gegen Attentäter: "In einem solchen Fall müsste innerhalb von 24 Stunden ein Schuldspruch fallen und die Strafe innerhalb von zwei Tagen ausgesprochen werden", sagte Maurer gestern am Rande seines Truppenbesuchs am WEF in Davos zum "Sonntag".

 Maurer erhofft sich von einer schnellen Verurteilung linksextremer Täter eine abschreckende Wirkung: "Es gibt in diesen Szenen oft Mitläufer. Wenn diese am Montag nicht am Arbeitsplatz erscheinen, haben sie ein Problem. Man muss den gewaltbereiten Kern der Szene isolieren und die Mitläufer, die den Kern schützen, davon trennen können."

 Die Schweiz müsse nicht gerade werden wie Singapur - "aber eine gewisse Härte muss sein", so Maurer. Bereits vor einiger Zeit hat er deshalb Schnellgerichte gegen Hooligans gefordert. Nun präzisiert er den Kreis der Delikte: Schnellgerichte sollen zum Einsatz kommen bei "Sachbeschädigung, Missbrauch von Eigentum, Vermummung, Gewalt gegen Leib und Leben". Heute aber, so Maurer, würden oft "beide Augen zugedrückt und weggeschaut". Denn: "Es kann nicht sein, dass ein Falschparker 40 Franken zahlen muss, aber einer, der ein Schaufenster zerstört, gratis davonkommt."

 Maurer sorgt sich über die zunehmende Gewalt. "Die Attacke auf Hans Fehr liegt auf einer Linie, die wir schon länger beobachten. Die linke Szene wird gewaltbereiter und aggressiver", so Maurer.

 Völlig daneben findet er den Vorwurf, die SVP trage wegen ihrer aggressiven Politik eine Mitverantwortung an der zunehmenden Aggression von Linksextremen: "Jetzt darf man nicht das Opfer zum Täter machen. In der Schweiz gibt es das Recht auf freie Meinungsäusserung. Die SVP darf das Recht genauso beanspruchen wie linke Kreise." Für Maurer wäre es "ein Gräuel", wenn sich Politiker nicht mehr frei bewegen könnten. Hans Fehr macht er keinen Vorwurf: Er selber wäre auch ohne zu zögern zu Fuss an den Demonstranten vorbeigelaufen.

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Aargauer Zeitung 29.1.11

Analyse zur gewaltbereiten linken Szene und zur Behauptung, sie sei schlimmer als ihr Pendant rechts

 Gewalt ist falsch - ob von links oder rechts

Christoph Bopp

 Links und rechts kann man in der Regel gut unterscheiden, ohne dass man den Daumen zu Hilfe nehmen muss. Es stimmt aber auch, dass man die beiden "reicht velwechsern" kann. Und das, ohne einen Finger in die Luft halten zu müssen. Politisch gibt es mittlerweile so viele Mischformen, dass die Unterscheidung ihre Trennschärfe einzubüssen droht. So spricht man von "rechtem Antikapitalismus", wenn von romantischen Vorstellungen, völkisch-brüderlich geeint die Scholle zu bebauen, die Rede ist; oder von "nationalem Sozialismus" (nicht Nationalsozialismus, das schafft nur noch grössere Verwirrung), wenn populistische Autokraten dem Volk ihr Regime schmackhaft machen wollen.

 Ende der 90er-Jahre des letzten Jahrhunderts tobte die Schlacht der "Schwarzbücher". Es gab viele "Schwarzbücher des Kommunismus" und nicht so viele "Schwarzbücher des Kapitalismus". Darin wurde jeweils der Gegenseite vorgerechnet, wie viele Verbrechen im Namen der jeweiligen Ideologie verübt worden waren und wie viele Tote die rote resp. schwarze Tyrannei gekostet hatte. Diese Listen des Schreckens ergaben zwar monströs-monumentale Zahlen, aber sonst eigentlich nicht viel Sinn. Und man verstand es als eine Art Abrechnung, die am Ende des bipolaren Zeitalters einfach irgendwann stattfinden musste.

 Man sollte sich hüten, die Argumentationfigur nachzubeten, die man damals auch hörte. Dass nämlich der Massenmörder Hitler im Vergleich zu den Massenmördern Stalin und Mao ein Waisenknabe gewesen sei. Von Pol Pot und seinen Killing Fields ganz zu schweigen. Wie wenn ein Unrecht durch ein noch grösseres Unrecht aus der Welt geschafft werden könnte.

 Linke und rechte Gewalt bleibt Gewalt. Auch wenn es momentan beim gegenseitigen Aufrechnen der Vorfälle leicht "Vorteil rechts" heissen dürfte. Neonazis und Skinheads neigen eher zu Gewalt gegen Personen, Aktivisten und Chaoten eher zu Sachbeschädigung und mutwilliger Zerstörung. Die Untaten des "schwarzen Blocks" und die Spuren der Zerstörung der "antifaschistischen Spaziergänge" sind notorisch. Jüngst bekam SVP-Nationalrat Hans Fehr die Gewaltbereitschaft vermummter "Aktivisten" zu spüren, als er dem Albisgütli zustrebte. Bisher hatte sich die Gewalt gegen SVP-Exponenten auf das Beschädigen von Briefkästen und dergleichen beschränkt. Eher hatten Ausländer anderer Hautfarbe vor Skinhead-Attacken flüchten müssen. Das soll keineswegs entschuldigen, dass man die feige Attacke nicht gebührend getadelt oder stillschweigend gar noch gutgeheissen hätte.

 Wenn einigermassen klar ist, was alles unter "Rechtsextremismus" fällt, ist es beim "Linksextremismus" anders. Wenn auch bei den kahl geschorenen Kampfstiefeln nicht immer sicher ist, unter welchem ideologischen Fähnchen da geprügelt wird, lassen sich doch Chauvinismus und der Hass auf alles Fremde irgendwie drankleben. Das geht weniger gut für die "Linken". Hier gibt es ganze Kataloge: "Autonome", "Globalisierungsgegner", "Anarchisten", "Aktivisten" im Dienst der Umwelt oder der Tiere und vieles mehr.

 Noch einmal: Entschuldigen lässt sich nichts. Keine Ideologie - und behaupte sie, sie sei noch so menschenfreundlich - kann die Lizenz zur Gewalt vergeben. Das ist übrigens keine philosophische oder andere Erkenntnis, sondern eine unmittelbar praktische Forderung unserer Lebensweise.

 Der Historiker François Furet ist in seinem epochalen Buch "Die grosse Illusion" den Spuren der totalitären Ideen und der Faszination, die sie im 20.Jahrhundert auslösten, nachgegangen. Der Traum von der Revolution, die alles Ungeliebte in der Welt hinwegfegt, und alle Versprechen, die man sich vorstellen kann, einlöst, ist mächtig. Und Isaiah Berlin, der englische liberale Philosoph, hat mit seiner Analyse der Romantik ein wichtiges Element beigesteuert: Die Romantik als historische Epoche sei eine Reaktion auf die Aufklärung gewesen. Und zwar habe sie sich als Revolution gegen die Rationalität inszeniert, als "Kampf des Lebens gegen die Maschine". Was die "Linksextremen" bewegt - wenigstens diejenigen, die unter ihren Kapuzen auch ein paar Ideen, wenn auch noch so unklare, haben -, zehrt von diesem Phänomen des "Romantischen". "Unter dem Pflaster liegt der Strand" konnte man in den 1980er-Jahren an den Wänden lesen. Das Paradies ist nah - man muss nur hinübergehen. Und allfällige Wände halt niederreissen.

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Südostschweiz 29.1.11

"Ich werde mir Pfefferspray oder Ähnliches anschaffen"

 Hans Fehr leidet noch immer unter den Folgen der Attacke auf ihn. Seine Politik sieht der Zürcher Nationalrat und SVP-Wahlstratege durch das Wahl-barometer von SRG SSR aber bestätigt.

 Mit Hans Fehr sprach David Sieber

 Herr Fehr, wie geht es Ihnen jetzt, knapp eine Woche nachdem Sie von Linksextremen vor dem Albisgüetli niedergeschlagen wurden?

 Hans Fehr: Erstaunlich gut. Die Rippenquetschung schmerzt, wenn ich huste. Und vor den Augen fliegen Schatten vorbei. Ich hoffe, das legt sich.

 Welche Konsequenzen ziehen Sie aus dem Vorfall?

 Ich werde noch ein wenig vorsichtiger sein. Aber wenn ich mich hier nicht mehr frei bewegen kann, dann ist das nicht mehr meine Schweiz. Deshalb muss der Rechtsstaat mit allen Mitteln durchgesetzt werden. Es gilt, die Meinungsäusserungs- und die Versammlungsfreiheit zu schützen. Es braucht nun einen Konsens aller Parteien, um gegen Vermummte und Rechtsbrecher vorzugehen.

 Neu ist, dass linksextreme Personen angreifen, nicht aber, dass es vermehrt zu brutalen Schlägereien kommt.

 Es geht nicht um eine Schlägerei im Niederdorf oder nach einem Fest. Es geht darum, dass Politiker weiterhin ohne Personenschutz in der Öffentlichkeit unterwegs sein können.

 In der ersten Aufwallung sagten Sie damals, wenn Sie eine Waffe dabei gehabt hätten, hätten Sie sie benutzt.

 Das ist so. Die Aussage war Ausdruck von grösster Verzweiflung, Hilflosigkeit und Angst. Übrigens sagte der verstorbene linke Publizist Niklaus Meienberg genau das Gleiche, nachdem er von zwei Nordafrikanern zusammengeschlagen worden war.

 Ist Ihre Aussage so kurz vor der Abstimmung über die Waffeninitiative nicht Wasser auf die Mühlen der Initianten?

 Ganz und gar nicht. Jeder, der nur einen Funken Verstand im Kopf hat, sieht, dass ich dies in einer Grenz- situation gesagt habe. Selbst die Ini- tianten würden in einem solchen Fall nicht anders reden. Im Übrigen darf ich schon nach dem heutigen Recht gar nicht mit einer Waffe herum- laufen.

 Aber mit Pfefferspray dürften Sie sich ausrüsten.

 Das überleg ich mir tatsächlich auch. Pfefferspray oder ein ähnliches Mittel, um aus kurzer Distanz einen Angreifer ausser Gefecht zu setzen, werd ich mir anschaffen.

 Themenwechsel: Das SRG-Wahlbarometer sieht für den Herbst einen Rechtsrutsch voraus. Überrascht Sie das?

 Bei allen Vorbehalten gegenüber solchen Umfragen, überrascht bin ich nicht. Im Gegenteil: Ich habe das erwartet. Es ist leider Gottes eben so, dass nur noch die SVP als grosse Partei ohne Wenn und Aber für die Schweiz einsteht. Die andern sind nicht mehr für die Schweiz.

 "Ich habe die Ergebnisse so erwartet"

 Gehen Sie soweit wie Christoph Blocher, der sinngemäss sagte: Wer für einen EU-Beitritt ist, ist kein Schweizer?

 Ja. Denn die Schweiz ist mit ihrer direkten Demokratie ein Kunstwerk, das uns Sicherheit und Wohlstand gebracht hat. Wer das durch einen EU-Beitritt zerstören will, hat ein gestörtes Verhältnis zur Schweiz.

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Indymedia 28.1.11

Veranstaltungsort der SVP in Zürich angegriffen! ::

AutorIn : Kommando Albisguetli         

In der Nacht vom 28.1. auf den 29.1.11 haben wir der SVP einen kleberig-farbigen Empfang bereitet.     
    
Heute dem 29.1.11 soll im Restaurant Ziegelhütte in Zürich-Schwammendingen mit viel "Prominenz" die traditionelle SVP-Lichtermesse stattfinden. Hauptredner ist Christoph Blocher.

Währnd die weltweit reichsten Ober-Kapitalisten am WEF in Davos diskutieren, wie sie die Welt noch effektiver ausbeuten können, versuchen die ExponentInnen der SVP (Blocher an vorderster Front) durch rassistische Hetzkampagnen die Bevölkerung in "Einheimische" und "AusländerInnen" zu spalten und so gegeneinander aufzubringen. Dadurch wollen sie verhindern, dass wir uns gemeinsam gegen die Angriffe auf unsere Interessen zur Wehr setzen. Denn unsere Mitmenschen mit Migrationshintergund sind nicht die, welche die fetten Profite einsacken. Die Veranstwortlichen für Leistungsdruck, Sozialabbau etc. sitzen zurzeit in Davos. Sie verstecken sich hinter Begriffen wie "Demokratie" oder "Souverän" Was sie jedoch meinen, ist die "Demokratie" der Bonzen, in welcher man hierzulande mit Millionenausgaben für (rassitsiche) SVP-Propaganda die Bevölkerung manipulieren kann; anderswo wird ihre "Demokratie" mit blanker Waffengewalt druchgestetzt.

Wir werden weder die neusten Ausbeutungs-Normen des WEF's, noch die reaktionäre Hetze einer SVP hinnehmen. Wehren wir uns gegen die rassitsiche Angstmacherei einer SVP. Kämpfen wir für eine klassenlose Gesellschaft!

Wo auch immer sich die Ausbeuter und/oder Rassisten treffen, greifen wir sie an!

Z.B. IM RESTAURANT ZIEGELHÜTTE IN ZÜRICH-SCHWAMMENDINGEN

- SCHLÖSSER VERKLEBT
- FARBTEPPICH VOR DEN EINGÄNGEN
- SPRAYS: "HEUTE FARBE MORGEN FLAMMEN"
"KEIN RAUM FÜR RASSISTEN - NIRGENDWO!"
"BLOCHER WIR KRIEGEN DICH"


Die Genzen verlaufen nicht zwischen Nationen, sondern zwischen Klassen. WEF zerschlagen - Rassisten angreiffen!

Antifaschistsiches Kommando Albisguetli

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sf.tv 28.1.11

Attacke auf Hans Fehr: Spiegel des Stils in der Politik?

sf

 Nimmt die Toleranz gegenüber Andersdenkenden ab und ist dafür auch der immer rauher werdende Stil in der Politik Schuld? Diese Frage beschäftigte die Diskussionsrunde in der "Arena". Anlass dafür war der tätliche Übergriff auf den Nationalrat Hans Fehr (SVP/ZH) auf dem Weg zur Albisgüetli-Tagung vor einer Woche.

 "Ich habe mich recht gut erholt", sagte Hans Fehr, Mitglied der Wahlkampfleitung der SVP, am Anfang der Sendung. Er habe noch Probleme mit den Rippen, das Atmen und Lachen schmerze. Manchmal sehe er "Fliegen" vor den Augen, was vom Sehnerv ausgelöst sein könnte, sagte der Politiker. "Das geht aber sicher weg." Träumen tue er nicht von der Attacke.

Fehr-Attacke: Überraschung oder nicht?

 Die St. Galler Regierungsrätin Karin Keller-Sutter zeigte sich nicht überrascht über die Attacke auf Hans Fehr. Es gebe Gruppierungen mit hohem Gewaltpotential und hoher krimineller Energie im Land, die sich extremistisch betätigten, sagte sie. Dabei seien verschiedene Bereiche betroffen, zum Beispiel die links-autonome Szene, extremistische Tierschützer oder Sport-Chaoten.

 "Da hat sich etwas herangebildet, das ein Vakuum ausgefüllt hat", gab die Politikerin zu bedenken. Vielleicht habe man die Grenzen zu wenig aufgezeigt, mutmasste Keller-Sutter.

 Dem Zuger CVP-Nationalrat Gerhard Pfister ging es ähnlich: "Es hat mich nicht wirklich überrascht", sagte er. Trotzdem gab er zu bedenken: "Man hat eine Grenze überschritten, von der man in der Schweiz immer stolz war, dass man sie einhält."

 "Gewalt ist inakzeptabel in einem Rechtsstaat." Mit diesem Statement nahm der Stadtpräsident von Bern, Alexander Tschäppät, Stellung zum Vorfall um Hans Fehr. Schlimm sei, dass der Zwischenfall nun wieder von der einen oder anderen Seite politisch in die Waagschale geworfen werde.

 Politische Polizeiarbeit im Fokus der Kritik

 Hat denn die Polizei versagt an besagtem Freitag? Der Vorsteher des Polizeidepartements der Stadt Zürich, Daniel Leupi, der sich erst wenige Mal zum Vorfall öffentlich geäussert hatte, verteidigte das Verhalten der Polizei während der traditionellen Albisgüetli-Tagung: "Die Polizei im Einsatz kann nicht die Sicherheit aller Herumstehenden gewährleisten", argumentierte er.

 Von Seiten der Veranstalter sei kein Personenschutz angefordert worden, nicht einmal für die Bundesräte. "Es bestand kein Auftrag, die Sicherheit von allen Seiten zu gewährleisten", führte der städtische Polizeivorsteher aus. Einzig die frühere SVP-Regierungsrätin Zürichs, Rita Fuhrer, habe um Polizeischutz gebeten und diesen auch erhalten, sagte Leupi weiter.

 Hans Fehr entgegnete, dass er einige Fragezeichen hinter die politische Führung der Polizei stelle. Daniel Leupi mache auf ihn den Eindruck, dass er vieles zu rechtfertigen habe. Das sei kein gutes Zeichen für die Polizeiarbeit.

Fehr blieb bei seiner Kritik: Die Überwachung der Hauptzufahrtsachse zum Albisgüetli ist laut dem SVP-Nationalrat sträflich vernachlässigt worden.

 Demonstrant trifft Fehr

 Auch ein Teilnehmer der Anti-Albisgüetli-Proteste ergriff das Wort. René wandte sich an Hans Fehr: "Für mich sind die meisten SVP-Politiker Rassisten", sagte der junge Mann weiter.

 Er könne sich nicht mit ihrer Politik identifizieren und sei damit nicht einverstanden. Deshalb habe er an der Demonstration teilgenommen. René betonte aber, dass es sich bei der Mehrheit der Teilnehmenden um harmlose Leute gehandelt habe.

 "Sie müssen schauen, in welcher Gesellschaft sie verkehren. Dies als Rat für das weitere Leben" Damit wandte sich Hans Fehr an den jungen Mann. Erst drei Minuten vor der Sendung erfuhr der SVP-Mann, dass er einem Demonstrationsteilnehmer gegenüber stehen werde.

 Wasserbomben und Morddrohungen

 Der zweite Teil der Sendung widmete sich den verbalen und physischen Attacken auf Politiker oder Behörden. Jeder aus der inneren Runde der "Arena" konnte mit einem Beispiel aufwarten. Alexander Tschäppät berichtete von fliegenden Wasserbomben bei seiner Ansprache am 1. Mai in Bern.

 Karin Keller-Sutter erhielt Morddrohungen von Hooligans. Die Bedrohungen seien "massiv" gewesen, erinnerte sich die Politikerin.

 Einig war sich die Runde, dass die Drohungen schlimmer werden. "Es wird schlimmer in der Art und Weise, wie die Drohungen daherkommen", präzisierte CVP-Nationalrat Gerhard Pfister. Er vermutete die generelle Verrohung der Gesellschaft dahinter.

 Schweiz: Kein Ort von ruhigem Polit-Stil mehr

 Den Ursachen der Verrohung auf die Spur zu gelangen versuchte Dieter Bongers, Psychotherapeut und Gewaltexperte. Er bestätigte die Zunahme der Droh-Anrufe und -Mails an Politiker. "Es steht nicht mehr drin 'Ich bin anderer Meinung' oder 'Das ist Unsinn', sondern 'Mit dir rechnen wir ab' oder 'Ich habe auch ein Sturmgewehr zuhause'", führte der Experte aus.

 Es handle sich tatsächlich um eine Verrohung der Sitten, analysierte Bongers. Als er vor 20 Jahren in die Schweiz zog, sei ihm der ruhige, ausgeglichene Poli-Stil aufgefallen. Das habe sich verändert. Die Bilder und Symbole seien heute heftiger und klarer.

 Scherrer: Anti-autoritäre Haltung Schuld

 Andere Gründe hinter der Sitten-Verrohung machte der ehemalige Polizeidirektor der Stadt Biel (BE), Jürg Scherrer (auto-partei.ch), aus: "Auslöser ist die anti-autoritäre Haltung der 60er-/70er-Jahre", so Scherrer. "Statt eine 'we now!'-Gesellschaft haben wir eine 'me now!''-Gesellschaft", schilderte er seinen Eindruck. Es zählten stärker die eigenen Bedürfnisse und Wünsche, die Gemeinschaft weniger.

 Scherrer mahnte des Weiteren zur Vorsicht: "Wir haben heute eine Toleranz, die eher in die Richtung der Linken als der Rechten geht." Es gelte, wegzukommen von Laissez-Faire und Gutmenschentum, denn sonst lande die Schweiz bald als Polizeistaat oder im Chaos, prognostizierte der Chef von auto-partei.ch.

 Kriegerischer Ton und Schocker-Sujets

 Alexander Tschäppät gab zu bedenken, dass der Stil in der Politik massiv rauher geworden sei. Der Stadtpräsident Berns erinnerte an den Tonfall, den der Berner SVP-Nationalrat Adrian Amstutz vor ein paar Wochen in der "Arena" gegenüber der frisch gewählten Bundesrätin Simonetta Sommaruga angeschlagen hat. "Der Ton ist kriegerischer geworden", so der SP-Mann.

 "Wer Wind sät, wird Sturm ernten" - so beschrieb Mark Balsiger, Politikberater und Buchautor die heutige Kommunikation in Wort und Bild bei Politik-Kampagnen. "Zu jeder Kampagne wird ein Schocker-Sujet präsentiert." Für Balsiger kam der Wendepunkt im Jahr 1992 mit der Abstimmung über den EWR. "Seither ist der politische Stil viel härter, alte Polit-Sujets aus den 30er-Jahren wurden reanimiert."

 Seit wenigen Jahren werde diese Art von Kampagne kopiert. "Die Kamera ist immer mehr dort, wo sie nicht sein sollte, nämlich bei den Einzelfällen."

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Arena sf.tv 28.1.11

Gewalt statt Dialog?

Prügelattacke auf SVP-Nationalrat Hans Fehr. Die Parteien sind sich einig: "So geht es nicht." Doch was steckt hinter solchen Gewalttaten? Können sich die Politiker in der Schweiz bald nicht mehr unbekümmert bewegen? Nimmt die Toleranz gegenüber anderen Meinungen ab und gibt es den "Wutbürger" auch bei uns?

In der Arena diskutieren:
- Karin Keller-Sutter, Regierungsrätin FDP/SG, Sicherheits- und Justizdirektorin SG
- Hans Fehr, Nationalrat SVP/ZH
- Gerhard Pfister, Nationalrat CVP/ZG
- Alexander Tschäppat, Stadtpräsident Bern/SP

Wiederholungen:
Samstag, 29. Januar 2011
SF 1: 15.30
SF info: zwischen 08.00 Uhr und 13.00 Uhr
http://videoportal.sf.tv/video?id=c036bc45-6b64-4734-a231-ed1526a36635

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Aargauer Zeitung 28.1.11

Anschlag: Polizei war gewarnt

 Explosion auf dem WEF-Gelände in Davos: Um neun Uhr morgens detonierten gestern im Keller des Nobelhotels Posthof mehrere Feuerwerkskörper. Dabei gingen Fensterscheiben zu Bruch. Verletzt wurde niemand. Bereits eineinhalb Stunden vor dem Anschlag hatten Linksaktivisten im Internet ein Bekennerschreiben publiziert. Die Bundesanwaltschaft ermittelt die Hintergründe des Vorfalls. (LHN)Seiten 2 und 3

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Spirituellen Begleitschutz der Gegnerin

 Hans Fehr Der "Heizer der Lokomotive Blocher" erlebt nach den Chaotenprügeln Überraschendes

Max Dohner

 Was macht eigentlich Hans Fehr, wenn er allein im Auto sitzt? Er flucht über andere Autofahrer. Dazu hört er Tessiner und welsches Radio, um seine Kenntnisse der anderen Landessprachen zu vertiefen. Oder er rezitiert Gedichte. "Da finde ich", sagt er, "meine Fundamente." Ist was Überraschendes darunter, zum Beispiel Brecht? Namentlich nennt Fehr Fontane, Eichendorff, den unbekannten Karl Stamm ("Der Blinde im Frühling"), Schillers "Bürgschaft" und Rilkes "Herbsttag", mit der berühmten Anfangszeile: "Herr: es ist Zeit. Der Sommer war sehr gross." Das alles kann Fehr auswendig.

 Rilke wohnte mal kurz im zürcherischen Nest Berg am Irchel - wie Hans Fehr. Der Dichter im Schloss, der SVP-Nationalrat auf dem Bauernhof. Die Melancholie des Dichters teilt Fehr mitnichten. Das meint er nicht mit "Fundamenten". Muss er diese fassen, stösst Fehr auf Sinnbildliches, das in irgendeinem Zusammenhang steht mit dem unvergänglich Schweizerischen. Dazu kommt bei Fehr eine leicht biedere, naive, darum aufrichtige Bewunderung für die "Schönheit der Sprache". Es gibt eine Sorte Rede, nicht kontaminiert von pausenloser Propaganda.

 Ist das genug, um den "Hardliner" Fehr vergessen zu machen? Das Wort mag er nicht, es zerstreuen auch nicht. Auch wenn er in diesen Tagen mit weichen Faktoren Bekanntschaft machte, die ihn überraschten.

 ZUERST BEZOG ER, auf dem Gang ins Albisgütli, Prügel von vermummten Chaoten. "Da habe ich das Feuer im Elsass gesehen", zitiert Fehr wieder, diesmal eine vergessene Redensart. Zuerst brachten drei Frauen aus den Reihen des "schwarzen Blocks" die Schläger zur Raison. Dann sorgte Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey quasi für spirituellen Begleitschutz in den Folgetagen, indem sie vor dicht gedrängten Albisgütli-Pilgern Klartext redete: "So nicht!" Ausgerechnet Calmy-Rey, Schreckamazone für die SVP, die die schweizerische Neutralität ruiniere, wie Hans Fehr noch als Generalsekretär der Auns sagte (das Amt hat er im letzten Herbst abgegeben, um sich jetzt ganz in den Dienst des Wahlkampfs seiner Partei zu stellen).

Fehr zeigt zu Hause beigenweise Zuschriften. Auf dem Tisch liegt eine DVD mit dem Titel "Der Weg in die EU-Diktatur". Daneben Medikamente, entweder für ihn gegen die Schmerzen unter der Rippe oder für die zurzeit grippekranke Frau, die Gemeindepräsidentin von Eglisau, Ursula Fehr. Am Telefon erzählen ihm Schlägeropfer detailliert ihr Leiden. Er selber, sagt Fehr, fürchte keine bösen Träume. Er kam in den Genuss einer unvermuteten Sympathiewelle, erntete gleichsam, was er säte - freilich nicht als Politiker, aber als umgänglicher Mensch, der er ist. Fehr ist jeweils vor und nach seinen Kampfreferaten ein Mann mit Takt, Beherrschung und Manieren.

 IN DER SACHE ändert sich für ihn nichts, kein Jota, weder durch Schläge noch Streicheleien. Hat er nie Zweifel? "Man wird innerlich", antwortet Fehr, "hin und her gerissen. Aber dann entscheidet man sich und tritt auch entschieden auf gegen aussen, sonst verwirrt das nur. Zum Beispiel der Slogan ‹Schweizer wählen SVP›: Dahinter steht eine ganze Bibliothek politischer Überlegungen." Nun zielte unsere Frage nicht auf das Abwägen einer Strategie oder Taktik. Aber Fehr lässt sich von dieser Auslegung nicht abbringen. Der ehemalige Oberstleutnant und Waffenläufer vergleicht die Sache mit dem Militär: "Da gibt es immer Fragen, Varianten des Angriffs, links oder rechts, ein Täuschungsmanöver? Zum Beispiel Schengen", fährt er fort, "ein Schwindel ... zum Beispiel die EU ... zum Beispiel die Personenfreizügigkeit ..."

FEHR IST JETZT WIEDER ganz "Motor" für die SVP, wie er sich bezeichnet, während der "SonntagsBlick" ihn mal "Heizer der Lokomotive Blocher" nannte. Er rezitiert keine Gedichte mehr, sondern Parteibuchlatein. Also fragen wir anders: "Ist die SVP für Sie eine Kirche?" "Es gibt ein Zusammengehörigkeitsgefühl", sagt Fehr, "in der SVP ist Zug drin."

 Das Wort "Parteisoldat" mag er nicht, ausgenützt fühlt er sich auch nicht: "Das wird honoriert." Ist er ein Junkie, hängt Fehr an der Nadel SVP? "Man muss überzeugt sein, sonst zerbricht man." Wir zitieren eine Pressestimme, in der Meinung, das sei irgendwo ein Kompliment: Fehr glaube, hiess es da, gar nicht immer, was er sage. "Verdammter Mumpitz!" Erfüllt sich der Sinn des Lebens in einer Partei? "Mein Sinn des Lebens ist", sagt er, "einen Beitrag zu leisten, damit es unserem Land gut geht."

 Hat Fehr irgendwann - im Stil von Max Frisch - auch mal dran gedacht, dass es andere Möglichkeiten gäbe? "Ohne SVP", sagt er, "wäre ich Lehrer geblieben." Und ja - er hätte mal, dank einer Bekanntschaft, Gutsherr in Finnland werden können. Kein Bedauern: "Meine Mission in der SVP verschafft mir ein erfülltes Leben."

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tagesanzeiger.ch 27.1.11

Autonome griffen weiteren SVP-Politiker an

Tages-Anzeiger / Beat Metzler

 Ein zweiter SVP-Politiker berichtet von tätlichen Angriffen beim Albisgüetli. Derweil attackiert die SVP den Zürcher Polizeikommandanten und die SP revidiert Äusserungen ihrer Co-Präsidentin.

 Nach dem tätlichen Angriff auf SVP-Nationalrat Hans Fehr kritisiert die städtische SVP den Kommandanten der Stadtpolizei, Philipp Hotzenköcherle. Dieser sei "biegsam", er vollführe seine Einsätze "nach dem Gusto des politischen Chefs und nicht nach den Grundsätzen von Sicherheit und Ordnung", heisst es in der SVP-Fraktionserklärung, welche die Partei gestern Abend im Gemeinderat verlas. Grund für das ungewöhnlich scharfe Urteil: Hotzenköcherle sagte nach dem Vorfall, Hans Fehr hätte die Polizei anrufen sollen, um sich zu erkundigen, ob er während der Ausschreitungen zum Schützenhaus Albisgüetli hochgehen könne.

 Weiter kritisierte die SVP die polizeiliche Duldung von illegalen Hausbesetzungen. In solchen Liegenschaften bilde sich "eine gefährliche Brut"; einige der Demonstranten vom Freitag seien direkt aus dem besetzten Haus an der Friesenbergstrasse gekommen. Dem Stadtrat fehle der Wille, für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Er müsse illegale Demonstrationen im "Keim ersticken" und Teilnehmer sofort verhaften. Gleichzeitig reichte die Fraktion zwei schriftliche Anfragen zum Vorfall ein. Die SVP will etwa wissen, warum die Trams weit vor dem Albisgüetli gewendet haben und man die Passagiere zu Fuss weiterschickte.

 Autonome waren sich uneinig

 Auch die SP-Fraktion äusserte sich zum Thema und widersprach indirekt ihrer städtischen Co-Präsidentin Beatrice Reimann. Reimann hatte Fehr gegenüber dem TA Fahrlässigkeit unterstellt. In der Fraktionserklärung war von solchen Vorhaltungen nichts mehr zu spüren: Die SP verurteile den Gewaltakt "aufs Schärftste", er bedeute auch ein Angriff auf die Demokratie. Meinungsäusserungs- und Bewegungsfreiheit bildeten zentrale Pfeiler der Schweiz, politische Differenzen gehörten verbal ausgefochten.

 Uneinig waren sich offenbar auch die Linksautonomen. Wie ein anonymer 20-Jähriger gestern gegenüber Radio 1 erklärte, seien lediglich zwei Demonstranten auf Hans Fehr losgegangen. Die Mehrheit habe sich sofort schützend vor den Nationalrat gestellt und habe ihm aufgeholfen. Trotzdem kam es zu einer zweiten Attacke. Danach sei unter den Demonstranten eine heftige Diskussion entbrannt. Ein solcher Angriff nütze der SVP mehr, als es ihr schade, sagte der 20-Jährige weiter. Es sei zudem "unter jeder Sau", dass an einer politischen Demonstration so etwas passiere.

 Ein zweites SVP-Opfer

 Offenbar verprügelten die Autonomen am Freitagabend aber nicht nur Hans Fehr. Wie Kurt Zollinger, SVP-Ortsparteipräsident von Stäfa, gegenüber der "Zürichsee-Zeitung" erzählte, habe er sein Auto beim Strassenverkehrsamt parkiert. Auf dem Trottoir zum Schützenhaus Albisgüetli hoch habe er drei "Halbvermummte" gekreuzt, die ihn als "Sau" beschimpft und ihn sofort mit Faustschlägen traktiert hätten. Er habe aber ausweichen können, zwei Sicherheitsleute seien ihm zudem schnell zu Hilfe geeilt. Zollinger entkam. Im Gegensatz zu Fehr trug er keine Verletzungen davon.

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WoZ 27.1.11

Kommentar

 Hetzen, bis es knallt

 Von Daniel Ryser

 SVP-Nationalrat Hans Fehr wurde auf dem Weg zur Albisgüetli-Tagung zusammengeschlagen. Ich habe selbst hin und wieder eins in die Fresse bekommen, so ist das halt, wenn man jung ist. Ich weiss selbst, wie schlimm das ist, vor allem dann, wenn die Rauferei das Niveau einer Barschlägerei unter Betrunkenen übersteigt und man wie Hans Fehr um sein Leben fürchten muss.

 Schnell waren verschiedene Kommenta toren in den Tageszeitungen dieses Landes   über zeugt, dass die Schläge gegen Fehr mit Sicherheit dafür sorgten, dass noch mehr Leute SVP wählen. Halt. Wie bitte? Lassen sich jetzt die StimmbürgerInnen ihr Wahlverhalten von vermummten Schlägern diktieren? Man könnte als Linker, der sich für Toleranz starkmacht, auch dazu geneigt sein, zu sagen: Da haben sich vergangenen Freitag zwei gefunden. Einer, welcher der Meinung ist, er müsse andere zusammenschlagen, wenn sie nicht seiner Meinung sind. Und einer, der rhetorisch brillant, aber ohne zuzuschlagen an einem vergifteten Klima in diesem Land arbeitet: Überall seien Abzocker, sagt uns Hans Fehr. Keiner in diesem Land sei freiwillig solidarisch, das Motto laute "Alle gegen alle, also hilf dir lieber selber".

 Die "Weltwoche" veröffentlicht auf ihrer Titelseite regelmässig Fahndungsplakate. Gesucht: angebliche Demokratiefeinde. Tot oder lebendig? Das "Verbrechen" dieser Leute: Sie denken. Denken kritisch und nicht auf der Linie der SVP. Solche Worte schaffen ein Sarah-Palin-Klima: Hetzen, bis es knallt, und am Schluss will es keiner gewesen sein. Es hat mich nicht sonderlich verwundert, dass ein Schläger am Albisgüetli aufgetaucht ist, einem Ort, wo Leute, die anderer politischer Meinung sind, dahingehend verunglimpft werden, sie seien eigentlich "keine Schweizer".

 Wer davon überzeugt ist, dass dieses Land besser dran ist, wenn wir "miteinander" leben und nicht "alle gegen alle", der wird wegen eines vermummten Schlägers nicht in das politische Lager wechseln, das mit seiner hetzerischen Rhetorik den Boden für Gewalt schafft.

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indymedia.ch 27.1.11

In die Offensive gegen Rassismus! ::

AutorIn : Antifa Zürich / revolutionärer Aufbau: http://www.aufbau.org     
Dieses Flugblatt haben wir während den Aktionen gegen die Albisguetli-Tagung der rechtspopulistischen SVP verteilt.     
    
VON UNTEN LINKS GEGEN OBEN RECHTS!
In die Offensive! Rassismus bekämpfen!

Wer vor Wahlen oder Abstimmungen durch die Schweiz fährt, dem droht die vermeintliche Apokalypse auf Plakaten. Schwarze Schafe werden rausgekickt, rote Ratten zerfressen das Schweizer Portemonnaie, Minarette spriessen zu hunderten aus dem Boden, und Ivan S, der Vergewaltiger, lauert hinter jeder Hecke. Um nur einige Beispiele zu nennen.


Die rassistische Hetze nicht hinnehmen...

Zwei Sachen sind bei der ganzen Geschichte augenfällig. Erstens, dass das Ganze nicht viel mit der Realität zu tun hat und zweitens, dass es den Initianten solcher Hetzkampagnen nicht an Geld fehlt. Bei rassistischen Kampagnen geht es nicht darum, die Ursachen von vermeintlichen Problemen zu bekämpfen. Das Ziel ist vielmehr, ein Feinbild zu schaffen. Im Zuge der Minarett-Initiative wurde dies besonders offensichtlich. Vor dieser Abstimmung wussten wohl die Wenigsten, was ein Minarett ist, geschweige denn, wo es welche hat (es sind ohnehin nur vier an der Zahl). Objektiv betrachtet ist das Ganze völlig absurd, doch wie bereits erwähnt, geht es weder um Minarette noch um die sogenannt "kriminellen Ausländer." Es werden Ängste in der Bevölkerung geschürt, die zu einem feindseligen Klima der Unsicherheit führen. In Verbindung mit Millionenausgaben für Propaganda resultiert, dass Rassismus heute wieder salonfähig ist.


...sondern jene bekämpfen, von denen sie ausgeht!

Die SVP gibt sich als Partei der kleinen Leute, doch hinter der rassistischen Propaganda-Flut müssen Personen und Strukturen stecken, die Unmengen finanzielle Mittel zur Verfügung haben. Wieso haben die Reichen ein solches Interesse am Rassismus? Ihnen kommen die billigen Arbeitskräfte aus dem Ausland (inkl. Sans-Papiers) doch gelegen, um Druck auf unsere Löhne auszuüben und "teure" einheimische ArbeiterInnen zu entlassen. Die Antwort liegt auf der Hand. Während die UnternehmerInnen einen wirtschaftlichen Vorteil aus den MirgantInnen ziehen, missbrauchen sie diese zur gleichen Zeit als Sündenböcke. Denn wenn die Mehrheit der Bevölkerung täglich mit Sozialabbau, Entlassungen, und Spar- Programmen konfrontiert ist, entsteht Frustration und Aggression. Diese Wut hat durchaus ihre Berechtigung, jedoch nichts mit unseren ausländischen ArbeitskollegInnen oder Nachbarn zu tun. Weder sind diese für den Leistungsdruck verantwortlich, noch stecken sie die fetten Gewinne ein. Die Profiteure sind wo anders zu suchen. Sie sitzen in den Chefetagen der grossen Unternehmen oder in ihren Villen an der Goldküste. Ihnen geht es nur ums Geld. Sie bereichern sich durch die Gesellschaft, durch unsere Arbeit! Sie demontieren die sozialen Errungenschaften der ArbeiterInnen! Sie finanzieren die rassistische Hetze einer SVP!


Nehmen wir unsere Zukunft in die eigenen Hände!

Während uns die SVP und mit einem reaktionären Plakat-Wald überflutet und die Stimmung in der Gesellschaft immer rauer wird, hat die SP nichts anderes zu tun, als alles abzuwiegeln. Die SozialdemokratInnen rücken ohnehin immer weiter nach rechts, darüber können auch keine Lippenbekenntnisse hinweg täuschen. Sie haben uns keine Perspektive zu bieten. Wenn wir wirklich etwas ändern wollen, müssen wir die Zukunft in die eigenen Hände nehmen. Gehen wir in die Offensive! Heute gegen die Albisguetli-Tagung der SVP, morgen gegen die Rechtsentwicklung generell. Kämpfen wir gemeinsam für eine revolutionäre Perspektive; für eine Gesellschaft, in welcher nicht der Profit, sondern der Mensch im Zentrum steht.

Stop it SVP! Rassismus bekämpfen - Freiheit erkämpfen!
Klasse gegen Klasse - Für den Kommunismus !


Keine Lust der Rechten bei ihrem Vormarsch tatenlos zuzusehen?
Dann werde aktiv! www.aufbau.org /  antifa@aufbau.org


(quelle:  http://www.aufbau.org/index.php?option=com_content&task=view&id=963&Itemid=2)     

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Tagesanzeiger 27.1.11

SVP attackiert Hotzenköcherle SVP attackiert Polizeikommandanten

 Der Angriff auf Hans Fehr hat ein politisches Nachspiel, und die SP revidiert Äusserungen ihrer Co-Präsidentin.

 Von Beat Metzler

 Zürich - Nach dem tätlichen Angriff auf SVP-Nationalrat Hans Fehr kritisiert die städtische SVP den Kommandanten der Stadtpolizei, Philipp Hotzenköcherle. Dieser sei "biegsam", er vollführe seine Einsätze "nach dem Gusto des politischen Chefs und nicht nach den Grundsätzen von Sicherheit und Ordnung", hiess es in der SVP-Fraktionserklärung, welche die Partei gestern Abend im Gemeinderat verlas. Grund für das ungewöhnlich scharfe Urteil: Hotzenköcherle sagte nach dem Vorfall, Hans Fehr hätte die Polizei anrufen sollen, um sich zu erkundigen, ob er während der Ausschreitungen zum Schützenhaus Albisgüetli hochgehen könne.

 Weiter kritisierte die SVP die polizeiliche Duldung von illegalen Hausbesetzungen. In solchen Liegenschaften bilde sich "eine gefährliche Brut"; einige der Demonstranten vom Freitag seien direkt aus dem besetzten Haus an der Friesenbergstrasse gekommen. Dem Stadtrat fehle der Wille, für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Er müsse illegale Demonstrationen im "Keim ersticken" und Teilnehmer sofort verhaften. Gleichzeitig reichte die Fraktion zwei schriftliche Anfragen zum Vorfall ein. Die SVP will etwa wissen, warum die Trams weit vor dem Albisgüetli gewendet haben und man die Passagiere zu Fuss weiterschickte.

 Autonome waren sich uneinig

 Auch die SP-Fraktion äusserte sich zum Thema und widersprach indirekt ihrer städtischen Co-Präsidentin Beatrice Reimann. Reimann hatte Fehr gegenüber dem TA Fahrlässigkeit unterstellt. In der Fraktionserklärung war von solchen Vorhaltungen nichts mehr zu spüren: Die SP verurteile den Gewaltakt "aufs Schärftste", er bedeute auch ein Angriff auf die Demokratie. Meinungsäusserungs- und Bewegungsfreiheit bildeten zentrale Pfeiler der Schweiz, politische Differenzen gehörten verbal ausgefochten.

 Uneinig waren sich offenbar auch die Linksautonomen. Wie ein anonymer 20-Jähriger gestern gegenüber Radio 1 erklärte, seien lediglich zwei Demonstranten auf Hans Fehr losgegangen. Die Mehrheit habe sich sofort schützend vor den Nationalrat gestellt und habe ihm aufgeholfen. Trotzdem kam es zu einer zweiten Attacke. Danach sei unter den Demonstranten eine heftige Diskussion entbrannt. Ein solcher Angriff nütze der SVP mehr, als es ihr schade, sagte der 20-Jährige weiter. Es sei zudem "unter jeder Sau", dass an einer politischen Demonstration so etwas passiere.

 Ein zweites SVP-Opfer

 Offenbar verprügelten die Autonomen am Freitagabend aber nicht nur Hans Fehr. Wie Kurt Zollinger, SVP-Ortsparteipräsident von Stäfa, gegenüber der "Zürichsee-Zeitung" erzählte, habe er sein Auto beim Strassenverkehrsamt parkiert. Auf dem Trottoir zum Schützenhaus Albisgüetli hoch habe er drei "Halbvermummte" gekreuzt, die ihn als "Sau" beschimpft undihn sofort mit Faustschlägen traktiert hätten. Er habe aber ausweichen können, zwei Sicherheitsleute seien ihm zudem schnell zu Hilfe geeilt. Zollinger entkam. Im Gegensatz zu Fehr trug er keine Verletzungen davon.

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NZZ 27.1.11

Nachwehen einer Attacke

 Erst zwei Fraktionserklärungen, dann ein bunter Strauss an Themen im Gemeinderat

 Die SP und die SVP haben sich im Gemeinderat in Fraktionserklärungen gegen Gewalt als politisches Mittel ausgesprochen - in unterschiedlicher Tonalität. Danach diskutierte der Rat die verschiedensten Themen und bereinigte seine Traktandenliste.

 Reto Scherrer

 Am vergangenen Freitag war SVP-Nationalrat Hans Fehr auf dem Weg an die Albisgütli-Tagung seiner Partei von Demonstranten attackiert und niedergeschlagen worden. Über das Wochenende liessen sich viele Stimmen aus der Politik vernehmen, am Mittwoch sind zwei weitere in der Form von Fraktionserklärungen im Gemeinderat hinzugekommen. So erklärte Min Li Marti, Fraktionspräsidentin der SP, Gewalt sei kein politisches Mittel - trotz zum Teil weit auseinanderliegenden Meinungen. "Diese Attacke ist auch ein Angriff auf die Demokratie."

 SVP-Fraktionspräsident Mauro Tuena teilte diese Meinung, fasste sie aber in andere Worte: Zürich sei zum "Nährboden für kriminelle Subkulturen" geworden, und der politische Wille, die "Bürger in dieser Stadt zu schützen", fehle. Zudem führe der Polizeikommandant die Einsätze "nach dem Gusto seines jeweiligen politischen Chefs - egal ob Förster, Feministin oder Velofahrer". Daher forderte Tuena den Stadtrat auf, das heute geltende Vermummungsverbot "ohne Wenn und Aber" umzusetzen, Häuserbesetzungen nicht mehr zu tolerieren, illegale Demonstrationen "bereits im Keime zu ersticken" und Kriminelle "mit aller Härte des Gesetzes zu bestrafen".

 Im Anschluss an die beiden Fraktionserklärungen wurde ein Strauss an Themen aus dem Bereich der Industriellen Betriebe behandelt. Deren Vorsteher, Stadtrat Andres Türler, musste mehrere Postulate in Empfang nehmen, die er eigentlich als bereits erfüllt ansah.

 Eines der Postulate fordert etwa, dass die Stadt Zürich künftig nur Bio-Diesel beziehen soll, der aus biogenen Abfällen produziert wurde. Ein anderes regt an, das EWZ möge Doktorandenstellen im Bereich Energieeffizienz an Hochschulen finanzieren. Aber auch die Optimierung des Fahrplans der Buslinie 66 wurde angeregt.

 Überwiesen wurden einige der Postulate nicht nur mit den Stimmen der rot-grünen Ratsmehrheit, sondern zum Teil zu Türlers hörbarem Unmut auch mit Stimmen aus seiner FDP.

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Landbote 27.1.11

Disput im Gemeinderat um Angriff auf Hans Fehr

 Zürich. Im Zürcher Gemeinderat hat sich gestern ein Disput um den tätlichen Angriff auf SVP-Nationalrat Hans Fehr am Abend der Albisgüetli-Tagung entwickelt. SVP-Fraktionschef Mauro Tuena klagte den Polizeikommandanten an, er habe seinen Auftrag sträflich vernachlässigt. In Zürich fehle es am Willen, die Bürgerinnen und Bürger zu schützen. Das sehe man zum Beispiel daran, dass etliche Chaoten, welche an der illegalen Demonstration teilgenommen hätten, aus einem besetzten Haus gekommen seien und sich, unbehelligt von der Polizei, auch wieder dorthin zurückgezogen hätten. "Die SVP erwartet vom Stadtrat sofortiges und konkretes Handeln", sagte er. Illegale Hausbesetzungen dürften nicht toleriert, illegale Demonstrationen müssten sofort im Keim erstickt werden. Das Vermummungsverbot sei ohne Wenn und Aber umzusetzen.

 SP-Fraktionschefin Min Li Marti erklärte, ihre Fraktion verurteile den Angriff auf Hans Fehr aufs Schärfste. Es sei auch ein Angriff auf die Demokratie, die Meinungsäusserungsfreiheit und die Bewegungsfreiheit, also auf Grundrechte und zentrale Pfeiler der Schweiz. Politische Differenzen müssten verbal ausgefochten werden.

 Polizeivorstand Daniel Leupi (Grüne) verzichtete darauf, die Fraktionserklärungen im Rat zu kommentieren. Im Foyer gab er auf Anfrage zu verstehen, es sei einfach unmöglich, dass die Polizei jederzeit überall präsent sein könne. (abr)

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Zürichsee-Zeitung 27.1.11

Auch Stäfner SVPler attackiert

 Stäfa. An der Albisgüetli- Tagung der SVP attackierten Chaoten nicht nur Nationalrat Hans Fehr. Auch Kurt Zollinger, Präsident der Stäfner SVP, wurde angegriffen.

 Frank Speidel

 Er will keine grosse Geschichte daraus machen. Und schon gar nicht hätte er wegen der Sache von sich aus die Medien eingeschaltet. Von der "Sache" erfuhr die "ZSZ" aber trotzdem. "Der Stäfner SVP-Ortsparteipräsident Kurt Zollinger ist an der Albisgüetli-Tagung in Zürich von Chaoten attackiert worden", hiess es. Zollinger bestätigt das Gerücht auf Anfrage. Nebst SVP-Nationalrat Hans Fehr wurde am Freitag also auch Zollinger auf dem Weg zur SVP-Tagung von Linksextremen angegriffen.

 "Ich parkte mein Auto beim Strassenverkehrsamt", berichtet Zollinger, "und machte mich auf den Weg zum Albisgüetli. Da sah ich drei halbvermummte Gestalten auf dem Trottoir." Zollinger ging trotzdem weiter. Nur ein grosser Umweg wäre die Alternative gewesen. Da rief einer der drei Chaoten plötzlich: "Es chunt nomal sone Sau." Und schon ging's drunter und drüber. "Sie traktierten mich mit den Fäusten", sagt Zollinger. "Ich konnte aber ausweichen." Zwei Sicherheitsmänner - ob es Polizisten oder Securitas waren, weiss Zollinger nicht mehr - kamen zur Hilfe. Die Chaoten liessen von Zollinger ab.

 "Eine Riesenschweinerei"

 Einen Schock habe er nicht erlitten, sagt Zollinger. Verletzungen hat er von der Attacke auch keine davongetragen. "Unangenehm war aber, nach dem Abend wieder auf die Strasse zu treten", sagt er. Denn die SVPler wussten nicht, was sie draussen erwartet. Warten die Demonstranten auf sie? Oder hat die Polizei die Lage unter Kontrolle?

 Als die Bürgerlichen das Schützenhaus verliessen, waren die Linksextremen verschwunden. Zollingers Kommentar zum Angriff: "Das war eine Riesenschweinerei!"

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Weltwoche 27.1.11

Extremismus

 Von aufreizender Passivität

 Von Andreas Kunz

 In der linksextremen Szene der Schweiz steigt die Gewaltbereitschaft seit Jahren. Am letzten Wochenende kam es zu einem brutalen Angriff auf SVP-Nationalrat Hans Fehr. Medien und die Behörden verharmlosen. Warum schreitet die Polizei nicht entschiedener ein?

 Der Vorfall ist in der jüngeren Schweizer Geschichte einzigartig: Am letzten Freitag wird Nationalrat Hans Fehr (SVP) auf dem Weg zu einer Parteiveranstaltung ins Zürcher Albisgütli abgepasst, die kriminellen Angreifer werfen ihn auf den Asphalt und schlagen mit Fäusten und Stiefeln auf seinen Kopf und Körper, bis er blutet. Erst als ihm ein paar junge Frauen aus der roten Szene zu Hilfe kommen, lassen die vermummten Schläger von ihm ab. Mit Prellungen und Schürfungen landet Fehr im Triemlispital.

 An den Tagen danach fiel es den Medien schwer, den Überfall auf den SVP-Nationalrat zu verurteilen. Einzig der Sonntagsblick fand deutliche Worte ("niederträchtiger Angriff von Gewalttätern"). Die anderen Zeitungen sprachen von einem "Zwischenfall" (Tages-Anzeiger) oder verharmlosten die Attacke in einer Kurzmeldung (NZZ am Sonntag). Der Lokalsender Radio 1 von Roger Schawinski unterstellte Fehr, aus dem Übergriff "politisches Kapital" schlagen zu wollen. Wenn er in den kommenden frostigen Tagen vermummte Menschen sehe, müsse er keine Angst haben, höhnte der Moderator. Erst als SP-Politiker wie die Zürcherin Beatrice Reimann das Opfer zum Täter machten, fühlten sich die Kommentatoren verpflichtet, den Angriff zu tadeln. Der Tages-Anzeiger begann seine Analyse bezeichnend: "Da hat es den Richtigen getroffen! Das dürfte sich manch einer gedacht haben, als er hörte, dass Vermummte Hans Fehr [. . .] zusammengeschlagen haben." Bei der SP brauchte es für den Sinneswandel den Hinweis des ehemaligen Parteipräsidenten Helmut Hubacher, dass eine solche Attacke "am Ende noch die SVP stärke".

 Die groteske Opfer-Täter-Debatte hätte nicht stattgefunden, wenn ein linker Politiker von einem rechten Mob zusammengeschlagen worden wäre. Von Anfang an wären die Empörung gross und die Leitartikel der Chefredaktoren lang gewesen. Die Doppelmoral zeigt sich am Beispiel der amerikanischen Kongressabgeordneten Gabrielle Giffords, einer linken Politikerin, die kürzlich von einem psychisch gestörten Amokläufer attackiert worden war. Die Verantwortung dafür lag in der medialen Wahrnehmung eindeutig bei der rechten Protestbewegung Tea Party, die eine "tödliche Paranoia am rechten Rand" (Tages-Anzeiger) fördere. Jetzt, nachdem ein rechter Politiker von linken Gewalttätern zusammengeschlagen wurde, liegt die Schuld nach der medialen Logik aber nicht bei den Linken, die seit Jahren gegen die angeblichen "Fremdenhasser" in der SVP hetzen.

 Im Getöse um die Schuldfrage untergegangen ist der fragwürdige Einsatz der Polizei, die das Gewaltmonopol besitzt und die öffentliche Sicherheit der Bürger zu garantieren hat. Der Zürcher Polizeikommandant Philipp Hotzenköcherle unterstellte SVP-Nationalrat Fehr in einer ersten Stellungnahme eine Mitschuld ("Es war sehr mutig von Herrn Fehr, so nahe bei den Demonstranten durchzulaufen"). Polizeivorsteher Daniel Leupi (Grüne) verurteilte den Angriff in einer Medienmitteilung zwar als "fundamental undemokratisch". Das Recht auf politische Integrität sei "nicht verhandelbar". Interviewanfragen lehnte Leupi jedoch ab; die Fragen der Weltwoche beantwortete der Medienchef der Zürcher Stadtpolizei Marco Cortesi.

 Offenbar konnten sich etwa hundert Meter von der Polizei entfernt vermummte Gestalten formieren. Weshalb hat die Polizei dies zugelassen? Es lag doch bereits ein eindeutiger Rechtsbruch vor durch den Verstoss gegen das Vermummungs- und Versammlungsverbot? Weshalb schritt die Polizei nicht ein? Geschah dies auf Veranlassung von Stadtrat Leupi hin?

 Nachdem sich mehrere Dutzend Personen von der Tramhaltestelle auf die Strasse begeben und die Tramschienen blockiert hatten, erfolgte seitens der Stadtpolizei unverzüglich eine Abmahnung mit einer kurzen Frist. Der Einsatzleiter zog sofort alle Einsatzkräfte zusammen. Als die Polizisten aus der Menge mit Rauchpetarden und anderen Gegenständen beschossen wurden, lösten sie die Blockade mit Reizstoff und Gummischrot auf. Von einem Nichteinschreiten kann deshalb keine Rede sein. Ihre Unterstellung, Stadtrat Leupi habe ein Einschreiten der Polizei verhindert, weise ich in aller Form zurück!

 Warum lassen Sie es zu, dass es in der Stadt gesetzlose Zonen gibt, die bestimmte Personen, hier ein Politiker, nur mehr auf eigenes Risiko durchschreiten können?

 In der Stadt Zürich gab und gibt es keine gesetzlosen Zonen. Die Stadtpolizei wird auch in Zukunft dafür sorgen, dass es so bleibt.

 Warum sicherte die Polizei nur das Albisgütli-Gelände ab, nicht aber den Zufahrtsweg, auf dem Nationalrat Fehr den unbehelligten Vermummten in die Hände fiel?

 Die Stadtpolizei war wie in den vergangenen Jahren auch dieses Jahr im ständigen Kontakt mit dem Veranstalter. Dabei wurden die Zuständigkeiten klar definiert und abgesprochen. Aufgrund dessen war der Auftrag klar, die störungsfreie Durchführung der Veranstaltung zu gewährleisten. [. . .] Zudem stellt sich die Frage, inwieweit die Polizei bei privaten Veranstaltungen verpflichtet ist, sämtliche Zu- und Wegfahrten zu sichern, und in welchem Perimeter. Dementsprechend würde sich auch sofort die Frage stellen, wer für diesen Aufwand aufkommen müsste.

 Schadenssumme auf Vorrat

 Stadtpolizisten, die in Zürich regelmässig gegen den linken Mob im Einsatz stehen, beurteilen die Taktik anders. Die politische Führung sei "auf dem linken Auge blind". "Wenn sich irgendwo ein Grüppchen Neonazis bildet, lösen wir dieses sofort auf und nehmen die Personalien auf. Den linken Extremisten hingegen wird immer eine gewisse Schadenssumme auf Vorrat zugesprochen", sagt ein Polizist. Die anfänglich erfolgreiche "3-D-Strategie" (Dialog, Deeskalation, Durchgreifen) habe dazu geführt, dass der Mob in den letzten Jahren immer grösser und gewalttätiger werden konnte. Aus Angst vor einer Eskalation und den damit verbundenen Schlagzeilen halte sich das Korps bei den unbewilligten Demonstrationen stets zurück - und nehme dafür Sachschäden von mehreren hunderttausend Franken in Kauf.

 Polizeisprecher Cortesi weist die Vorwürfe "energisch" als "unqualifizierte Aussagen" zurück. "Die Polizei hat in allen Fällen von Linksextremismus im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten gehandelt, Ermittlungen aufgenommen und Strafverfahren eingeleitet", sagt Cortesi.

 Tatsächlich ist die Polizeiarbeit oft frustrierend, da sich die Staatsanwälte und Richter bei den verhafteten Linksextremisten bisher mit Nachsicht, bedingten Haftstrafen oder Strafgeldern in der Höhe einer Geschwindigkeitsbusse begnügten. Die sieben Personen, die am letzten Freitag festgenommen wurden, kamen am selben Abend wieder frei. Dabei könnte nach Artikel 260 des Strafgesetzbuches mit "einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bestraft" werden, "wer an einer öffentlichen Zusammenrottung teilnimmt, bei der mit vereinten Kräften gegen Menschen oder Sachen Gewalttätigkeiten begangen werden".

 Die milden Strafen leisten dem Mob Vorschub, seine Attacken, die vor allem gegen die SVP zielen, ungestört fortzusetzen. Es war bloss eine Frage der Zeit, bis es zu einem tätlichen Angriff auf einen Parteiexponenten kommen musste. Im letzten Jahr war es gemäss einer Liste des SVP-Sekretariats bereits zu über fünfzehn Anschlägen, Angriffen, Störungen oder Sachbeschädigungen von linksextremen Kriminellen gekommen. Fenster wurden eingeschlagen, Autos demoliert, Privathäuser von Nationalräten wie Natalie Rickli, Jürg Stahl oder Ulrich Schlüer teilweise massiv beschädigt. Bei einer Standaktion in Lausanne war ein Polizeieinsatz nötig, vor einer Veranstaltung zur Ausschaffungsinitiative wurde am Eingang eine bewaffnete Person verhaftet, es kam zu zahlreichen Farbanschlägen, Sprayereien, zu notgedrungenen Absagen von Anlässen und mehreren Angriffen auf die Parteisekretariate. Dazu kommen ungezählte Anschläge auf Banken, den "Club zum Rennweg" oder Avenir Suisse.

 "Zähne aus der Fresse prügeln"

 Ein Ende der roten Übergriffe ist im Wahljahr nicht abzusehen. Wenige Tage nach der Attacke auf Fehr kündeten die Kriminellen auf der Internet-Site Indymedia weitere Anschläge an ("nächstes mal besser zielen dann gäbe es jetzt einen svp faschisten weniger"), oder sie verhöhnten das Opfer ("ist doch nichts dabei einem svp nazi mit einer eisenstange die zähne aus der fresse zu prügeln"). Stimmen, die in den Foren an die Vernunft appellieren und den Anschlag auf Fehr als "antidemokratisch" verurteilen, werden in den Senkel gestellt ("demokraten, eure zeit ist abgelaufen").

 Das Phänomen Linksextremismus hat im Schatten der öffentlichen Empörung über vereinzelte Neonazis seit Jahren zugenommen - und den Rechtsextremismus punkto Gewalt längst überholt. Gemäss dem Nachrichtendienst des Bundes (NDB) kam es 2009 zu 220 "linksextrem motivierten Ereignissen", wovon 127 "gewalttätige Ereignisse gegen Objekte und Personen" waren (die Daten von 2010 liegen noch nicht vor). Zum Vergleich: Im gleichen Jahr kam es zu 85 "rechtsextrem motivierten Ereignissen", wovon 32 als "gewalttätig" eingestuft wurden. Entgegen der medialen Wahrnehmung sind die Gewalttaten von Linksextremen in der Schweiz viermal häufiger als die von Rechtsextremen. Das hindert den Bund oder Organisationen wie die Gesellschaft gegen Rassismus und Antisemitismus (GRA) nicht daran, jedes Jahr Tausende Franken öffentlicher Gsgelder für den Kampf gegen Skinheads oder Rechtsextremismus auszugeben. Bei der Bundespolizei existieren mehrere lange Berichte über das rechte Phantom der Linksextremismus hingegen ist bislang noch nie ausführlich erforscht worden.

 "Eher eine Zunahme"

 Für den NDB bleibt das Gewaltpotenzial der linken Szene "unverändert hoch". Nach aktuellem Kenntnisstand sei "eher von einer Zu- als von einer Abnahme auszugehen". Die Szene umfasst laut NDB rund 2000 Personen, von denen 1000 als "gewalttätig" eingestuft werden. Die Mitglieder sind selbsternannte Anarchisten, Jungsozialisten, arbeitslose Kleinkriminelle oder wohlstandsverwahrloste Studenten von der Zürcher Goldküste. Sie wohnen bei ihren Eltern, in WGs oder besetzten Häusern. Der harte Kern ist in Vereinen wie dem Revolutionären Aufbau Zürich oder der "Menschenrechtsorganisation" Augenauf organisiert. Angeführt werden die illegalen Demonstrationen meist von Andrea Stauffacher, einer angegrauten Zürcher RAF-Sympathisantin, die sich mit jungen männlichen Groupies umgibt. Sobald die Extremisten mit der Polizei in Kontakt kommen, stehen ihnen Links-Anwälte wie Marcel Bosonnet bei.

 Die SVP ist selber schuld

 Der NDB "verfolgt und analysiert die Lage laufend" und gibt "Lagebeurteilungen und allfällige Empfehlungen ausschliesslich an Partner und Auftraggeber" ab, sagt Sprecher Simon Johner. In der Isis-Datenbank des Geheimdienstes, einer Art Staatsschutzkartei, sind zwar 200 000 Personen registriert, die meisten Angaben sind jedoch veraltet und nicht mehr sicherheitsrelevant. Bei der Zürcher Stadtpolizei, in deren Verantwortungsgebiet die meisten roten Übergriffe passieren, gibt es eine Fachgruppe "Extremismus / Personen- und Objektschutz". Die Spezialisten melden die Daten mutmasslicher Täter im Auftrag des NDB nach Bern. Sie rapportieren Farbanschläge und erstatten Meldung, wenn eine unbewilligte oder gewalttätige Kundgebung stattgefunden hat. Die Fachgruppe ist innerhalb der Stadtpolizei auch für die Lagebeurteilung von Demonstrationen und Grossanlässen zuständig. "Mit den geltenden Bestimmungen des Staatsschutzes ist es der Polizei ohne konkreten Verdacht aber nur möglich, die öffentlich verfügbaren Informationen auszuwerten", sagt Marco Cortesi. E-Mails abzufangen, Computer zu hacken oder Privaträume zu verwanzen, sei verboten.

 In den meisten Städten, in denen der Linksextremismus grassiert, liegt die politische Verantwortung bei linken Politikern. Und diese tun sich schwer, das Phänomen überhaupt als Problem zu erkennen (siehe Seite 12). Der Lausanner Polizeidirektor Marc Vuilleumier (Partei der Arbeit) erklärte im letzten Herbst einen Angriff auf das SVP-Parteisekretariat als "Teil der Stigmatisierungs-Politik der SVP". In Zürich war der grüne Polizeivorsteher Daniel Leupi nach der Krawallnacht im Nachgang zur Ausschaffungsinitiative in die Kritik geraten, weil er laut SVP-Nationalrat Christoph Mörgeli zu seinen Polizisten gesagt haben soll, er würde "lieber auf der anderen Seite" des Umzugs stehen.

 Die nächste Bewährungsprobe im Kampf gegen die linken Gewalttäter folgt spätestens am 1. Mai. Wie wird sich die Stadtpolizei beim traditionellen Verwüstungsumzug durch den Zürcher Kreis 4 verhalten? "Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren", sagt Cortesi. Zurzeit fänden Absprachen mit der Staatsanwaltschaft, der Kantonspolizei und anderen Partnern statt. "Wir werden an diesem Anlass grossen Wert auf qualifizierte Festnahmen und Verurteilungen legen", sagt Cortesi

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Extremismus

 Biografische Verwirrungen

 Die Linke tut sich schwer mit ihrem extremen Rand. Sie hat ein ungeklärtes Verhältnis zur eigenen Gewalt.

 Von Peter Keller

 Es war ein Samstagabend im Januar 2009, als ein Tross fröhlicher Jungsozialisten, begleitet von ein paar Medienleuten, in den leerstehenden "Verenahof" in Baden eindrang. Man wollte das Traditionshaus der Bäderkultur besetzen, auf die Wohnungsnot aufmerksam machen und nebenbei eine kleine Party ausrichten. Daraus wurde ein exzessiver Zerstörungsrausch mit Vandalismus und Diebstahl.

 Im Abspann dieser nächtlichen Gewaltorgie wurde der Anführer der Juso-Truppe, Cédric Wermuth, zur nationalen Figur. Er zeigte sich am nächsten Tag zerknirscht über die Taten, sie seien "nicht geplant" gewesen. Die SP hielt zu ihrem 23-jährigen Vizepräsidenten und bekräftigte gleichzeitig, man teile die ursprüngliche Absicht der Aktion: mit einer Hausbesetzung das Wohnproblem zu thematisieren.

 Dieser Vorfall ist exemplarisch für das ungeklärte Verhältnis der Linken zur hausgemachten Gewalt. Kaum ein Exponent irgendeiner anderen Partei hätte einen solchen Abend politisch überlebt. Nicht so der SP-Mann. Ihn umweht seither der Hauch eines Haudegens, und seine Kantonalpartei belohnte den Lehrersohn mit der Kür zum Nationalratskandidaten.

 Wo ein Hausbesetzer die höchsten Weihen der Partei erhält, kommt der extreme Rand ins Schwitzen. Es müssen radikalere Aktionen her: das Anzünden einer Wahlurne, Gewaltakte gegen die Parteisekretariate der SVP, die regelmässigen Treibjagden in der Romandie, der Farbanschlag gegen die Hausfassade der Winterthurer Nationalrätin Natalie Rickli "Natalie, wir kriegen dich" -, gekriegt haben sie schliesslich ihren Fraktionskollegen Hans Fehr an der Albisgütli-Tagung.

 Die Co-Präsidentin der Stadtzürcher SP, Beatrice Reimann, meinte lapidar, Fehr habe verantwortungslos gehandelt und schob ihm die Schuld für die Prügelattacke zu. Auf Tele Züri wiegelte Nationalrätin Christine Goll ab. Man könne solche Gewaltübergriffe nicht einfach "mit links abbuchen". Man kenne genauso viele aus der rechtsnationalistischen Szene. Ist das so? Gibt es vergleichbare Aufmärsche wie die jetzt wieder anstehenden Anti-WEF-Demonstrationen, die meistens mit Sachschäden von Zehntausenden von Franken enden?

 Die Integrität einer Person beginnt nicht erst mit der Bedrohung an Leib und Leben. Die Zürcher Stadtregierung toleriert seit Jahren die Hausbesetzerszene. Sie bildet den Humus des roten Mobs. Der jährliche Aufzug am Tag der Arbeit endet traditionsgemäss in der Verwüstung von Schaufenstern, Geschäften, Banken, Autos. Im 1.-Mai-Komitee befinden sich SP-Sektionen, Gewerkschaften, die Jungen Grünen Zürich und sechzig andere Organisationen. Wer das Eigentum anderer missachtet, wird in einem nächsten Schritt den Eigentümer selbst ins Visier nehmen. Auf den Eigentumsrechten aber fussen die Errungenschaften der französischen Aufklärung. Die Überwindung des Kapitalismus, wie ihn Wermuth und mit ihm die SP im jüngsten Programmentwurf fordert, heisst Enteignung - und historisch gesehen ist kein solcher Akt je ohne Gewalt vollzogen worden. Es zieht sich eine rote Spur des Verbrechens von Lenin über Mao bis Fidel Castro.

 Karrierebeschleuniger

 Die Linke hat ein Problem mit der Gewalt von links - aber sie hat ein noch grösseres Problem, diese Gewalt als solche anzuerkennen, was mit der eigenen biografischen Verwirrung zu tun hat. Der Präsident der Grünen Schweiz, Ueli Leuenberger, gehörte einer maoistischen Organisation an. Der frühere SP-Fraktions-Chef Franco Cavalli ist ein glühender Anhänger des kubanischen Diktators. Jean Ziegler hofiert marxistisch inspirierte Führer wie Gaddafi (Libyen) oder Mugabe (Simbabwe).

 Die Liste liesse sich beliebig verlängern. Nationalrat Daniel Vischer begrüsste in seinen Poch-Jahren den sowjetischen Panzereinmarsch, mit dem der Prager Frühling 1968 brutal niedergewalzt wurde. Was allen Beispielen gemeinsam ist: Die Betroffenen haben ihre Vergangenheit weder bereuen noch aufarbeiten müssen. Extremismus von links ist salonfähig und kann ihre Karriere beschleunigen.

 Anfang Jahr wurde die als "Sozialdemokratin der ersten Stunde" gefeierte Zürcherin Emilie Lieberherr zu Grabe getragen. Stadtpräsidentin Corine Mauch (SP) hielt eine der Abdankungsreden. Lieberherrs Parteiausschluss von 1990 wurde, wenn überhaupt, nur am Rande erwähnt. Zum Zer- würfnis kam es, weil Lieberherr bei den Jugendunruhen in den achtziger Jahren ein härteres Vorgehen als ihre Genossen forderte. Sie hatte die Gewaltfrage für sich geklärt - und verlor dafür ihre politische Heimat.

 Inspiriert waren die Unruhen von Deutschland. "Macht kaputt, was euch kaputtmacht" hiess der Marschbefehl von links. Für die Rote Armee Fraktion kam die "Gewalt des Systems" aus dem Kapitalismus, der zwangsläufig in den Faschismus führe. Ihren Terror rechtfertigten sie mit dem Begriff "Gegengewalt". In diesem Schema bewegt sich die Legitimation der Übergriffe bis heute. Die SVP hat es geschafft, den rechten Flugsand aufzufangen. Aber sie hat ihn nicht in die Parteileitung geholt. Bei der SP gehört der Extremismus bis auf weiteres zur Partei-DNA.

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20 Minuten 27.1.11

Attacke auf Fehr: Aktivisten uneins

 ZÜRICH. Bei der Suche nach den Unbekannten, die letzten Freitag SVP-Nationalrat Hans Fehr verprügelt hatten, konnte die Polizei bisher nicht auf die Unterstützung von Augenzeugen zählen: "Auf unseren Zeugenaufruf sind noch keine Hinweise eingegangen", sagte Stapo-Sprecher Marco Bisa gestern auf Anfrage. "Doch die Ermittlungen laufen."

 Gegenüber Radio 1 hat sich gestern ein anonymer Demo-Teilnehmer aus der linksautonomen Szene zu Wort gemeldet: Der 20-Jährige sagte, Fehr sei lediglich von zwei Personen angegriffen worden. Die anderen Demonstrierenden hätten versucht, die zwei Täter von der Gewaltausübung abzuhalten, und hätten dem zu Boden gestürzten SVP-Politiker geholfen aufzustehen. Danach sei es zu heftigen Diskussionen gekommen: "Viele sagten, der Angriff auf Fehr schade der Sache mehr, als er nütze", so der Aktivist. lüs

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blick.ch 26.1.11
http://www.blick.ch/news/schweiz/zuerich/es-ging-ein-geschrei-los-untereinander-165406 (mit Audio)

Autonomer redet über Angriff auf SVP-Nationalrat Fehr

"Von hinten eine runtergehauen"

ZÜRICH - Erstmals redet einer der Chaoten, der angeblich bei der Attacke auf SVP-Nationalrat Hans Fehr dabei gewesen sein soll.

Der Autonome erklärte heute gegenüber "Radio 1", dass am Freitagabend am Rande der Albisgüetli-Tagung der SVP lediglich zwei Personen auf Nationalrat Hans Fehr losgegangen seien.

Insgesamt habe es zwei Angriffe gegeben, sagte der 20-Jährige. Die Mehrheit der Autonomen habe Fehr schützen wollen. Nach dem Angriff sei es zu heftigen Diskussionen unter den Demonstranten gekommen über den Sinn der Aktion. Persönlich verurteilte der Informant von "Radio 1" die Gewalt. Fehr habe mehr profitiert vom Angriff, als dass es ihm geschadet habe.

Als der Angriff schon vorbei war, sei dann aber einer von Fehrs "Beschützern" dem SVP-Nationalrat nachgelaufen und habe ihm "von hinten eine runtergehauen". Die Beschreibungen des unbekannten Aktivisten decken sich mit den Schilderungen von Hans Fehr.

Der SVP-Nationalrat hat am Montag bei der Zürcher Stadtpolizei Anzeige gegen Unbekannt eingereicht. Das Opfer selbst konnte seine Peiniger kaum beschreiben: "Die hatten ja Mützen oder Kapuzen an. Ausserdem versuchte ich die ganze Zeit, mein Gesicht vor den Tritten zu schützen", sagte Fehr zu Blick.ch.

Marco Bisa, Sprecher der Stadtpolizei Zürich, sagte auf Anfrage von Blick.ch, dass er noch keine Kenntnis habe von der Zeugenaussage auf "Radio 1". Die Polizei werde den Radiobericht aber sehr genau anhören. Andere Hinweise zum Vorfall seien bei der Polizei bisher nicht eingegangen. (bih)

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Blick am Abend 26.1.11

Fall Fehr im Stadtrat

 GUTE FRAGE

 Die SVP stellt dem Stadtrat Fragen zum Fall Fehr. Eine ist besonders spannend.

 Was bisher nicht bekannt war: Die VBZ konnte das Albisgüetli am Freitag (SVP-Veranstaltung) eine Zeit lang gar nicht mehr anfahren. Dutzende Besucher des Albisgüetli und Anwohner mussten 700 Meter von der Laubegg weg den Berg hinauf laufen - mitten in die unbewilligte Demonstration hinein.

 Denn deshalb fuhr das Tram nicht mehr: "Unser Einsatzleiter vor Ort entschied, den 13er nicht mehr hochfahren zu lassen", sagt VBZ-Sprecher Andreas Uhl zu Blick am Abend, "wegen der Randale waren die drei bis vier Millionen Franken teuren Tramzüge gefährdet. Ein Tram wurde beschädigt." Die SVP will nun vom Stadtrat unter anderem wissen, ob alle ÖV-Passagiere den Notruf 117 hätten wählen können, um sicheres Geleit zu erhalten. Dies hatte der Polizeikommandant dem SVP-Nationalrat Hans Fehr empfohlen, der auf seinem Fussmarsch den Berg hinauf von Vermummten zusammengeschlagen wurde. mip

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telezueri.ch 25.1.11

Polizei-Einsatz am Albisgüetli
Polizei riet SVP-Politiker Anken nicht von Weg an Chaoten vorbei ab
http://www.telezueri.ch/index.php?id=6820&show_uid=9236&yyyymm=2011.01&cHash=0997c8307a

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SANS-PAPIERS
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24 Heures 31.1.11

Mobilisation festive pour la piétonne sans papiers renversée à Lausanne

Gabriel Sassoon

 Plus de 250 personnes sont venues défendre Mirta Palma à la Fraternité de Lausanne. L'Equatorienne est menacée d'expulsion

 Plus de 250 personnes ont affiché leur soutien à Mirta Palma, samedi, dans la salle de la Fraternité à Lausanne. Fauchée par une voiture remorquée, en juin 2009, sur le trottoir de Bel-Air, l'Equatorienne sans papiers de 55 ans fut dénoncée par la police à la suite de l'accident. Aujourd'hui dans l'impossibilité de travailler, elle est menacée d'expulsion par l'Office fédéral des migrations, qui lui a refusé un permis humanitaire.

 "Mirta Palma a fait partie de la vie économique de ce pays. Maintenant qu'elle est tombée dans une situation de précarité, la Suisse est en devoir de lui montrer un minimum d'humanité", affirme Carlos Garcia, membre du Collectif vaudois de soutien aux sans-papiers qui organisait l'événement.

 Malgré les circonstances, une ambiance de fête régnait ce samedi. Se déplaçant difficilement avec des béquilles, Mirta Palma était entourée d'amis, de connaissances ou d'inconnus touchés par son cas, beaucoup se déhanchant au son de la musique. De nombreux membres de la communauté sud-américaine avaient fait le déplacement. Pas étonnant, l'Equatorienne était particulièrement active dans les milieux associatifs avant son accident.

 "Je trouve normal de donner une chance à quelqu'un qui a travaillé pendant huit ans et a rendu service à la société", affirme Brigitte Gonzalez Ostos, une amie suisse membre de l'association vénézuélienne. "Il est dommage de traiter les gens comme des dossiers administratifs", poursuit pour sa part Gabriel Oguey, de l'association Presencia.

 Des repas et boissons ont été servis toute la journée et devraient permettre de récolter entre 2000   et 3000 francs. Gabriel Sassoon

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MIGRATION CONTROL
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Indymedia 30.1.11

Neuer Kurzfilm: "Abgeschreckt, aber noch da" ::

AutorIn : a-films: http://a-films.blogspot.com     

Seit Januar 2008 haben alle abgewiesenen Asylsuchenden in der Schweiz nur noch Anspruch auf Nothilfe. Diese wird von den Kantonen unterschiedlich ausgerichtet. Die Nothilfe ist aber nicht primär eine Hilfeleistung, sondern vor allem ein Instrument der Abschreckungspolitik im Rahmen der 'Migrationsbekämpfung'. Die perfide Idee dahinter: je grösser die Prekarisierung der illegalisierten Menschen, desto eher reisen sie aus der Schweiz wieder aus.     
    
Aus diversen Gründen verlassen viele abgewiesene Asylsuchende die Schweiz aber nicht, sondern entziehen sich der staatlichen Kontrolle und tauchen unter. Andere beziehen jahrelang Nothilfe und fristen ein Leben am Rande der Gesellschaft, von den Behörden gezielt schikaniert und prekarisiert. Die Nothilfeleistungen sichern gerade knapp das Überleben der Betroffenen, garantieren aber kein würdevolles Leben.

Unser 25-minütiger Kurzfilm zeigt anhand von drei Sans-Papiers, was es konkret heissen kann, unter dem Nothilfe-Regime zu leben. Die Frage, weshalb diese Menschen in die Schweiz gekommen sind, wird absichtlich ausgeblendet. Sie ist unserer Meinung nach nicht relevant - auch nicht für die Problematisierung des Nothilferegimes.

Wir danken Solidarité sans frontières für die Unterstützung bei der Realisierung dieses Filmes.

Der Kurzdoku kann hier angeschaut und/oder heruntergeladen werden:
http://a-films.blogspot.com/2011/01/11jan30de.html

Das autonome Medienkollektiv 'a-films' dokumentiert seit mehr als zwei Jahren politische Kämpfe von MigrantInnen in der Schweiz. Die Gruppe hat zahlreiche Reportagen und Kurzfilme veröffentlicht, welche auf ihrer Website verfügbar sind:
http://a-films.blogspot.com/2009/03/150309de.html

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Sonntag 30.1.11

Migration: Aufstand in der FDP

 Freisinnige Exponenten bezeichnen neues Migrations-Konzept ihrer eigenen Partei als "ethisch verwerflich"

von Florence Vuichard

 Die Migrationspolitik entzweit den Freisinn: FDP-Exponenten aus der Romandie und dem Tessin starten einen Online- Appell gegen das Migrationspapier ihrer Partei und kritisieren den "SVP-Kopierkurs".

 Der Waadtländer FDP-Nationalrat Claude Ruey ist verärgert. Grund: Das neue Migrationskonzept aus der FDP-Zentrale. "Als Liberal-Freisinnige können wir dieses Konzept nicht akzeptieren, es widerspricht unseren Werten", so Ruey zum "Sonntag". Schützenhilfe erhält er vom früheren Bundeskanzler François Couchepin und dem Tessiner Ständerat Dick Marty. Gemeinsam wollen sie am 12. Februar an der FDP-Delegiertenversammlung die Parteibasis davon überzeugen, das Papier an den Parteivorstand zur Überarbeitung zurückzuweisen.

 Morgen Montag lancieren sie die Internetsite www.liberopenmind.ch. Hier können gleichgesinnte Parteimitglieder und FDP-Sympathisanten den Aufruf gegen das freisinnige Migrationspapier unterschreiben. Angesprochen werden alle, die "noch daran glauben, dass es lebensnotwendig ist, ein eigenes, klares und autonomes Profil zu haben" und nicht aus populistischen Gründen eine Debatte zur Asyl- und Ausländerpolitik zu starten, wie es im Online-Appell der Dissidenten heisst.

 Zu den Erstunterzeichnern gehören auch Nationalrat Jacques Bourgeois, Nationalrätin Sylvie Perrinjaquet, alt Nationalrat Gilles Petitpierre, der ehemalige Staatssekretär Franz Blankart, Caroline Gaillardv, die Vizepräsidentin der Genfer Liberalen, sowie FDP-Jungstar Pierre Maudet, der in der Stadtgenfer Regierung sitzt. Andere wollen sich jetzt noch nicht öffentlich äussern und sparen ihre Kritik am Migrationspapier für die Delegiertenversammlung auf. Wieder andere wollen so kurz vor den Wahlen keinen parteiinternen Krach auslösen.

 "Ein Fehler", sagt François Couchepin. "Wir müssen jetzt unser Parteiprofil schärfen - nur dann können wir die Wähler überzeugen, uns ihre Stimme zu geben." Seit Jahren kopiere die FDP die SVP, und seit Jahren schrumpfe ihr Wähleranteil. "Ich kann selbst meinen Kindern und Enkeln nicht mehr überzeugend erklären, für was die FDP steht", so Couchepin. Ruey pflichtet ihm bei: Die FDP müsse zu ihren Werten stehen, dürfe sich nicht einfach der SVP anpassen. "Das Papier unterscheidet uns nicht wirklich von der SVP - und macht uns zur SVP-Kopie." Das werde der FDP bei den Wahlen schaden: "Wähler entscheiden sich in der Regel fürs Original."

 Das Konzept sei "ethisch verwerflich", sagt Ruey weiter. "Die Kernbotschaft des Papiers lässt sich so zusammenfassen: Der Ausländer ist eine Belästigung - ausser er nützt uns wirtschaftlich. Deshalb muss alles unternommen werden, damit er ja nicht in die Schweiz kommt." Besonders stossend findet Ruey "das Verbot für den Familiennachzug für anerkannte Flüchtlinge". Damit werde die humanitäre Tradition der Schweiz missachtet, sagt Ruey - und verweist auf das Gründungsstatut der Freisinnigen aus dem Jahre 1894: Darin würden die Menschenrechte, die Rechtsgleichheit, der Respekt vor Minderheiten und Andersdenkenden explizit erwähnt. "Das neue Positionspapier zur Migrationspolitik geht in die entgegengesetzte Richtung. Die Freiheit des Individuums, der Respekt vor der Person - das alles wird einer populistischen von Repression geprägten Diskussion untergeordnet."

 Sollte die aufständische Gruppe am 12. Februar den Antrag nicht durchbringen, das Papier zur Überarbeitung zurückzuweisen, wollen sie wenigstens mit einzelnen Änderungsanträgen "das Schlimmste" ausmerzen, wie Ruey sagt.

 Mitautor des, FDP-Migrationspapiers ist Nationalrat Philipp Müller. Er hat die Kritik erwartet: "Wir haben bei der Migrationsfrage einen Röstigraben - in allen Parteien." Müller ist überzeugt, dass die FDP als Volkspartei zu allen Themen Antworten liefern muss, welche die Leute beschäftigen. "Die Umfragen zeigen: Das Einwanderungsthema erzielt hohe Werte. Wir dürfen es nicht einfach den anderen Parteien überlassen."

 Müller wehrt sich auch gegen die inhaltlichen Vorwürfe am Papier: "Anerkannten Flüchtlingen soll nicht generell der Familiennachzug verboten werden." Es gehe um ihre Rechtsstellung in der Schweiz. Heute erhielten auch Angehörige von anerkannten Flüchtlingen den Flüchtlingsstatus, obwohl sie keinen Fluchtgrund haben. "Damit können sie auch bei sehr schwerem Fehlverhalten nicht mehr weggewiesen werden, was dem Integrationswillen nicht gerade förderlich ist."

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admin.ch 27.1.11

Neue Fristenregelung per 1. März 2011 bei Nichtigerklärung der Einbürgerung

Bern, 27.01.2011 - Der Bundesrat setzt den revidierten Artikel 41 des Bürgerrechtsgesetzes (BüG) nach unbenutzter Referendumsfrist auf den 1. März 2011 in Kraft. Die revidierte Bestimmung sieht längere Verjährungsfristen bei der Nichtigerklärung der Einbürgerung wegen falscher Angaben oder wegen der Verheimlichung erheblicher Tatsachen vor. Diese Änderung erfolgte im Rahmen der parlamentarischen Initiative Lustenberger vom 24. März 2006.

Nach bisherigem Recht kann das Bundesamt für Migration (BFM) eine Einbürgerung innerhalb von fünf Jahren nichtig erklären, wenn sie durch falsche Angaben oder Verheimlichung erheblicher Tatsachen erschlichen worden ist. In der Praxis hat sich gezeigt, dass diese fünfjährige Frist teilweise zu kurz ist. Im Interesse einer konsequenten Missbrauchsbekämpfung drängte sich die Ausdehnung der Frist auf.

Die Bundesversammlung hat gemäss der parlamentarischen Initiative Lustenberger (06.414 Änderung des Bürgerrechtsgesetzes. Fristausdehnung für die Nichtigerklärung) folgende Änderung von Artikel 41 des Bundesgesetzes über Erwerb und Verlust des Schweizer Bürgerrechts (BüG) angenommen: Die Einbürgerung kann innert zwei Jahren, nachdem das BFM vom rechtserheblichen Sachverhalt Kenntnis erhalten hat, spätestens aber innert acht Jahren nach dem Erwerb des Schweizer Bürgerrechts nichtig erklärt werden. Nach jeder Untersuchungshandlung, die der eingebürgerten Person mitgeteilt wird, beginnt eine neue zweijährige Verjährungsfrist zu laufen. Die Fristen stehen während eines Beschwerdeverfahrens still. Mit der neuen Fristenregelung lassen sich Missbräuche besser bekämpfen. Dies betrifft insbesondere Fälle, die erst kurz vor Ablauf der bisherigen fünfjährigen Verjährungsfrist bekannt werden und für die heute somit die Zeit für die Durchführung eines Nichtigkeitsverfahrens nicht mehr ausreicht.

Adresse für Rückfragen:
Marie Avet, Bundesamt für Migration, Tel. +41 31 323 43 88
Herausgeber:

Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement
Internet: http://www.ejpd.admin.ch

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Newsnetz 27.1.11

Keine Ausschaffung bei Notwehr

Tages-Anzeiger / Patrick Feuz

 Rechtsprofessor Heinrich Koller lobt die SVP für ihre Vorschläge zur Umsetzung der Ausschaffungsinitiative. Im Kern ist die Partei unnachgiebig.

 Er sei "voll des Lobes" über das Initiativkomitee und "sehr angetan" von der "konstruktiven Atmosphäre", schwärmte Heinrich Koller gestern vor den Medien. Kurz zuvor hatte die von ihm geleitete Arbeitsgruppe zur Umsetzung der SVPAusschaffungsinitiative erstmals getagt. Auf dem Tisch lag ein von SVP-Juristen ausformulierter Gesetzesvorschlag, den Koller gestern noch nicht veröffentlichen wollte, da es sich um eine Arbeitsgrundlage handle. Zu diesem Zeitpunkt hatte die SVP den Text aber schon ins Internet gestellt, wie SVP-Kommissionsmitglied Gregor Rutz dem leicht verdutzten Koller und den Journalisten mitteilte.

 In der Sache sind aber Rechtsprofessor Koller und Roger Schneeberger, Vertreter der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren, erleichtert. Denn in mehreren Punkten haben sich die im Vorfeld der Sitzung da und dort laut gewordenen Befürchtungen nicht bewahrheitet.

 "Leichte Fälle"

 So hält sich die SVP an ihr Versprechen aus dem Abstimmungskampf, dass niemand in ein Land ausgeschafft werden soll, wo ihm Folter oder Tod drohen. Der von der SVP erarbeitete Gesetzesartikel hält fest, dass in diesem Fall die Landesverweisung "aufgeschoben" wird, und anerkennt explizit den Vorrang des zwingenden Völkerrechts.

 Auch beim "Sozialmissbrauch" ist die Partei nicht pickelhart. Zwar will sie im Strafgesetzbuch neu den Tatbestand "Sozialmissbrauch" verankern. So soll es möglich werden, Ausländerinnen und Ausländer, die "unwahre oder unvollständige Angaben" machen und deswegen verurteilt werden, auszuschaffen. "Leichte Fälle", die mit einer Busse enden, sind aber von dieser Bestimmung ausgenommen.

 Nicht "automatisch"

 Kantonsvertreter Schneeberger freut sich auch darüber, dass die Ausschaffungen - anders als von der SVP im Abstimmungskampf suggeriert - nicht automatisch erfolgen sollen, sondern nach einem rechtsstaatlichen Verfahren ablaufen. So sieht der SVP-Vorschlag etwa ein Rekursrecht vor.

 Das grösste Problem bei der Umsetzung der Initiative bleibt aber ungelöst. Denn die SVP beharrt darauf, dass die Schwere des Vergehens keine Rolle spielen darf, sondern nur das Delikt zählt - also auch Ausländer das Land verlassen müssen, die nur eine milde Strafe erhalten haben. "Angesichts des deutlichen Abstimmungsresultats ist es nicht an uns, Kompromisse zu machen", sagte SVP-Vertreter Gregor Rutz.

 Was passiert bei Notwehr?

 Die Mehrheit der Arbeitsgruppe will laut Koller und Schneeberger den von der SVP vorgeschlagenen Gesetzesartikel aber in Einklang mit dem Verfassungsgebot der Verhältnismässigkeit bringen. So soll bei leichten Delikten oder Handlungen in Notwehr auf Ausschaffungen verzichtet werden - ermöglichen soll diese eine Ausnahmeklausel im Gesetz. Diskutiert wird etwa auch, zwischen Wiederholungstätern und Ersttätern zu unterscheiden.

 Zum Zug kommen könnte die Klausel zum Beispiel bei Delikten wie Raufhandel oder einfache Körperverletzung. Wenn Skinheads eine Gruppe von Ausländern angreifen und sich diese wehren und dabei einem Angreifer das Nasenbein brechen, berücksichtigt der Richter im Strafmass, wer die Schlägerei angefangen hat - der SVP-Vorschlag hingegen nicht; auch der Angegriffene müsste ausgeschafft werden. Auch bei Verstössen gegen das Betäubungsmittelgesetz könnte die SVP-Lösung zu extremen Fällen führen.

 Keine Einigkeit erforderlich

 Einig ist sich die Arbeitsgruppe, dass die Ausführungsbestimmungen zur Initiative ins Strafgesetz geschrieben werden - und nicht ins Ausländer- oder Asylgesetz. Folglich wird ein Gericht und nicht eine Behörde eine Ausschaffung respektive einen Landesverweis verfügen.

 Die Arbeitsgruppe muss sich am Schluss nicht über jeden Punkt einig werden. Die von Justizministerin Simonetta Sommaruga gewählte Übungsanlage sieht vielmehr vor, dass das siebenköpfige Gremium einen Gesetzesvorschlag erarbeitet, der in umstrittenen Punkten verschiedene Varianten enthalten darf, wobei für jede einzelne die rechtlichen Folgen aufgezeigt werden müssen. Gestützt darauf werden Bundesrat und Parlament entscheiden, wie genau die im November 2010 gutgeheissene Ausschaffungsinitiative umgesetzt werden soll. Laut Koller will die Arbeitsgruppe im Mai ihren Schlussbericht schreiben und ihn im Juni abliefern.

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Bund 27.1.11

Politiker wollen Camps in Griechenland bezahlen

 Die Schweiz schickt derzeit keine Flüchtlinge mehr nach Griechenland zurück - die Menschenrechtslage sei desolat. Politiker wollen den Griechen nun helfen.

 David Schaffner

 Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte will das Bundesamt für Migration vorläufig keine Flüchtlinge mehr nach Griechenland zurückschicken. Dies bedeutet, dass die Schweiz künftig Asylgesuche überprüfen wird, für die nach dem Dublin-Abkommen eigentlich Griechenland zuständig wäre. Der Gerichtshof hatte in einem Grundsatzurteil entschieden, dass ein Staat gegen das Verbot unmenschlicher Behandlung verstosse, wenn er Asylsuchende nach Griechenland schicke. Der Grund: Die Zustände in griechischen Flüchtlingslagern seien menschenunwürdig.

 Die Präsidentin der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrats (APK) ist mit dem Entscheid der Migrationsbehörden nicht einverstanden: "Wir torpedieren damit das ganze Dubliner System", sagt Christa Markwalder (FDP). Dublin sehe vor, dass jenes Land für ein Asylverfahren zuständig sei, in das ein Flüchtling zuerst einreist. Gelangt ein Flüchtling danach in einen anderen Dublin-Staat, kann dieser ihn zurück in den Erststaat schicken.

 Know-how im Asylwesen

 Markwalder befürchtet, dass die Schweiz ein falsches Signal aussende: "Andere Staaten an der EU-Aussengrenze könnten nun versucht sein, ihren Verpflichtungen nach einem menschenrechtskonformen Asylverfahren ebenfalls nicht nachzukommen." EU-Staaten wie Deutschland haben bereits vergangene Woche entschieden, keine Flüchtlinge mehr nach Griechenland zu schicken.

 Die FDP-Nationalrätin Doris Fiala fordert, dass die Schweizer Behörden den griechischen unter die Arme greifen: "Wir müssen die Griechen beim Bau von Flüchtlingscamps finanziell unterstützen und ihnen Schweizer Know-how im Asylwesen zukommen lassen", sagt sie. Damit die Gelder nicht im bankrotten griechischen Staat versickerten, seien sie zweckgebunden zu sprechen. "An der nächsten APK-Sitzung werde ich eine Debatte über finanzielle Unterstützung beantragen", sagt Fiala.

 Bei CVP-Nationalrätin Kathy Riklin kommt die Idee Fialas gut an: "Wir müssen den Griechen helfen, korrekte Verhältnisse herzustellen", sagt sie. "Möglich wäre, dass wir Gelder aus der bisherigen Osthilfe gezielt dafür verwenden, um an der EU-Aussengrenze Infrastrukturen für Flüchtlinge zu finanzieren." Fiala betont, dass sie Griechenland nicht "aus humanitärer Romantik" unterstützen wolle: "Es geht darum, dass die Griechen die Verfahren selber durchführen können und künftig kein Strom von Flüchtlingen in die Schweiz gelangt."

 In der eigenen Partei kommt ihre Forderung trotzdem nicht überall gut an: "Ich bin dezidiert gegen Zahlungen an Griechenland", sagt FDP-Nationalrat Philipp Müller. Die Schweiz trage bereits über den Internationalen Währungsfonds zur Sanierung der griechischen Staatsfinanzen bei. "Wir können nicht alle Probleme der anderen lösen", meint Müller. "Nun müssen die EU-Staaten dafür sorgen, dass sich alle Mitglieder an die Dublin-Verträge halten."

 Die Schweiz unterstützt die EU-Aussengrenzen bereits heute: 2010 bezahlte sie 4,1 Millionen Franken an die Grenzschutzagentur Frontex, die illegale Flüchtlinge an einer Einwanderung hindern soll. Den Aussengrenzenfonds äufnete sie mit 10,5 Millionen.

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 Sri Lanka Tamilen müssen zurück

 In Sri Lanka hat sich die Sicherheitslage nach Einschätzung des Bundesamts für Migration (BFM) deutlich entspannt. Abgewiesene Asylsuchende sollen deshalb wieder in die Heimat zurückgeschickt werden - auch in den über Jahre umkämpften Norden und Osten des Landes.

 Ab Juni will das BFM damit beginnen, den Status von vorläufig aufgenommenen Personen aus Sri Lanka zu überprüfen. Davon ausgenommen sind jene Vertriebenen, die aus dem ehemals von der sri-lankischen Befreiungsbewegung LTTE kontrollierten sogenannten Vanni-Gebiet stammen und die über kein Beziehungsnetz ausserhalb dieser Region verfügen.

 Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) hält diesen Entscheid des BFM für übereilt. In Sri Lanka herrschten noch immer eine äusserst bedenkliche Menschenrechtssituation und prekäre Verhältnisse, schreibt die SFH in einer Stellungnahme. Zudem sei eine Rückkehr in den Norden des Landes wegen der Zerstörung von Wohnhäusern und der Infrastruktur sowie wegen Minen vielfach nicht möglich.(sda)

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BZ 27.1.11

Schweiz schickt viele Tamilen nach Hause

 AsylpolitikAbgewiesene Asylsuchende aus Sri Lanka sollen wieder nach Hause geschickt werden - auch in den über Jahre umkämpften Norden und Osten des Landes.

 In Sri Lanka hat sich die Sicherheitslage nach Einschätzung des Bundesamts für Migration (BFM) deutlich entspannt. Deshalb will es ab Juni damit beginnen, den Status von vorläufig aufgenommenen Personen zu überprüfen. Davon ausgenommen sind allenfalls jene Vertriebenen, die aus dem ehemals von der srilankischen Befreiungsbewegung LTTE kontrollierten sogenannten Vanni-Gebiet stammen und die über kein Beziehungsnetz ausserhalb dieser Region verfügen. Doch wenn die Betroffenen im Vanni-Gebiet über intakte Familienstrukturen verfügen, ist in jedem Fall eine Wegweisung möglich, sagt BFM-Vizedirektorin Eveline Gugger. Die Wahrscheinlichkeit für solche Verfügungen hält sie aber für "sehr klein".

 Ende 2010 hielten sich rund 1800 srilankische Staatsangehörige mit erstinstanzlich hängigem Asylverfahren sowie rund 300 mit hängigem Beschwerdeverfahren in der Schweiz auf. Rund 2200 Personen waren vorläufig aufgenommen. Bei diesen müssen nur wenige eine Wegweisung befürchten. Denn sie können als zusätzlichen Asylgrund meist eine Verwurzelung in der Schweiz geltend machen.

 Insgesamt leben in der Schweiz heute rund 45 000 Menschen, die aus Sri Lanka stammen. Davon sind etwa 18 000 eingebürgert.

 Wer nach Sri Lanka zurückkehren muss, kann unter Umständen von einer Rückkehrhilfe von maximal 3000 Franken profitieren.

 Übereilter Entscheid?

 Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) hält den Entscheid des BFM für übereilt. In Sri Lanka herrschten noch immer eine äusserst bedenkliche Menschenrechtssituation und prekäre Verhältnisse, schreibt die SFH in einer Stellungnahme. Zudem sei eine Rückkehr in den Norden des Landes wegen der Zerstörung von Wohnhäusern und der Infrastruktur und wegen Minengefahr vielfach nicht möglich.

 Griechenland: Schwierig

 Das Bundesamt für Migration passt seine Asylpraxis in einem weiteren Punkt an: Die Schweiz prüft Asylgesuche, für die nach dem Dublin-Abkommen Griechenland zuständig wäre, vorläufig selbst. Das Bundesamt verweist auf die "anhaltend unbefriedigende Situation im Asylbereich in Griechenland", namentlich bei der Durchführung ordentlicher Verfahren und bei der Unterbringung.

 Dies gilt allerdings nicht für Personen, denen der Zugang zum Asylverfahren in Griechenland möglich war und die über eine Unterkunft verfügen.
 ki/sda

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Landbote 27.1.11

Retuschen an der Asylpolitik

 Marcello Odermatt

 Bern. Erste Entscheide unter Justizministerin Simonetta Sommaruga: Die Schweiz will gegenüber Griechenland das Dublin- Verfahren aussetzen, Tamilen wieder in ihre Heimat zurückführen und - allenfalls - Flüchtlingskontingente wieder einführen.

 Die Schweizer Flüchtlingspolitik erhält in zwei Bereichen eine neue Praxis. Erstens: Das Bundesamt für Migration (BfM) hat beschlossen, bis auf Weiteres auf das Dublin-Verfahren mit Griechenland zu verzichten. Im Rahmen des Dublin-Abkommens werden eigentlich Asylsuchende, die bereits in einem anderen Dublin-Staat ein Gesuch gestellt haben, nicht aufgenommen, sondern an jenes Land, in dem sie ihr erstes Gesuch gestellt haben, zurückgewiesen. Dies will die Schweiz nun bezüglich Griechenland nicht mehr befolgen und die Asylgesuche selbst prüfen. Grund: Laut Eveline Gugger Bruckdorfer, Vizedirektorin des BfM, ist die Unterbringung der Flüchtlinge in Griechenland nicht sichergestellt. Ebenfalls genüge die Durchführung des Asylverfahrens nicht den Standards. Auch andere Dublin-Staaten haben in den letzten Wochen die Rückführungen gestoppt. Zudem hat der Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg am Freitag eine Abschiebung eines Asylbewerbers nach Griechenland als unzulässig beurteilt. Ausgenommen vom BfM-Entscheid sind Personen, von denen die Schweiz weiss, dass ihnen in Griechenland der Zugang zu einem ordentlichen Asylverfahren möglich war.

 Tamilen: Restriktivere Praxis

 Zweitens: Das BfM wird künftig eine restriktivere Praxis gegenüber srilankischen Asylsuchenden anwenden. Personen, deren Gesuch abgelehnt wird, müssen die Schweiz verlassen. Bisher erhielten solche Personen eine vorläufige Aufnahme. Doch auch die vorläufig Aufgenommenen werden neu überprüft. Gemäss BfM hat sich die Lage in Sri Lanka, wo der Bürgerkrieg von der Regierung mit der Niederschlagung der Tamil Tigers im letzten Jahr als beendet erklärt wurde, "deutlich entspannt". Eine Rückkehr von abgewiesenen asylsuchenden Personen in den Norden und Osten des Landes sei zumutbar. Ausgenommen sind Personen, die im ehemals von den Tamil Tigers kontrollierten Vanni-Gebiet lebten und über kein Beziehungsnetz ausserhalb dieses Gebiets verfügten. Jene Tamilen, die heute einen anerkannten Flüchtlingsstatus haben, also der Grossteil, können hingegen in der Schweiz bleiben.

 Die Kursänderung des BfM ist das Ergebnis der regulären, realpolitischen Lagebeurteilung. Sie trägt aber insofern die Handschrift der neuen Justiz- und Polizeiministerin Simonetta Sommaruga, als die Beschlüsse zuerst auf ihrem Tisch landeten. Sie hätte also intervenieren können.

 Bewusst abweichen von der Verwaltungspraxis will Sommaruga hingegen in einem dritten aktuellen Bereich. Letzte Woche hat die SP-Bundesrätin angekündigt, die Aufnahme von Kontingentflüchtlingen wieder zu prüfen. Es handelt sich dabei um die Schnellaufnahme von Flüchtlingen aus Kriegs- und Krisengebieten, die nicht in einem Flüchtlingslager bleiben können. Die Schweiz beendete derartige Aufnahmen 1995, als die Flüchtlingsströme stark zugenommen hatten. Für die Wiedereinführung von Grosskontingenten braucht Sommaruga die Zustimmung des Gesamtbundesrats.

 Zwiespältige Reaktionen

 Die neusten Entwicklungen in der Flüchtlingspolitik werden von der SVP wie auch von der Flüchtlingshilfe zwiespältig aufgenommen, dies natürlich mit gegenteiligen Gründen. SVP-Nationalrat Hans Fehr (ZH) findet die Pläne für Kontingente "unnötig", den Dublin-Entscheid bezeichnet er als "Kapitulation" vor der EU-Politik und den Sri-Lanka-Entscheid findet er "selbstverständlich". Ginge es nach Fehr, könnte der Bund alle Tamilen zurückschicken, da alle innerhalb des Staates sichere Regionen finden könnten. Adrian Hauser von der Flüchtlingshilfe indes begrüsst sowohl die Prüfung neuer Kontingente wie auch den Rückführungsstopp nach Griechenland. Raum für Ausnahmen sieht er hingegen nicht. Und gar als "äusserst verfrüht" beurteilt Hauser die Änderung betreffend Sri Lanka: "Die Menschenrechtslage im Norden und Osten des Landes ist immer noch sehr problematisch."

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NZZ 27.1.11

Asylpraxis konträr geändert

 Wieder Rückführungen nach Sri Lanka, aber nur noch wenige nach Griechenland

 Das Bundesamt für Migration (BfM) will abgewiesene Asylsuchende wieder nach Sri Lanka zurückschicken, gleichzeitig auf Rückführungen nach Griechenland mehrheitlich verzichten.

 C. W. · Die zwei "Praxisanpassungen", die das Bundesamt für Migration bekanntgegeben hat, hängen an sich nicht miteinander zusammen, widersprechen sich aber auch nicht. Zum einen wird ab sofort darauf verzichtet, Asylsuchende, für die nach dem Dublin-Abkommen Griechenland zuständig wäre, dorthin zurückzuschicken. Dies gelte, bis Griechenland seinen Pflichten zur Durchführung von Asylverfahren und zur Unterbringung der Gesuchsteller nachkommen könne. Ausgenommen sind Personen, die dort Zugang zum Asylverfahren und eine Unterkunft hatten. Das BfM will prüfen, wie Griechenland mit Expertise im Asylverfahren unterstützt werden könnte.

 Die Rückführung nach Griechenland war von der Flüchtlingshilfe und Amnesty International stark kritisiert und kürzlich vom Europäischen Menschenrechtsgerichtshof in einem Fall für unzulässig erklärt worden. Das BfM hatte nach Auskunft von Vizedirektorin Eveline Gugger Bruckdorfer schon vor "Strassburg" entschieden (dies aber auf Anfragen nicht bekanntgegeben). In den letzten zwei Jahren hat das Bundesamt mit Bezug auf Griechenland rund 940 Dublin-Verfahren durchgeführt, bei 400 besonders verletzlichen Personen davon abgesehen und 150 Asylsuchende tatsächlich überstellt.

 Kontrovers ist die Änderung für die Tamilen. Nach Einschätzung des BfM hat sich die Sicherheitslage in Sri Lanka anderthalb Jahre nach Ende des Bürgerkriegs deutlich entspannt, so dass Personen, die keine Flüchtlinge sind, auch in den Norden und Osten des Landes zurückkehren könnten. Ausgenommen seien Tamilen, die zuletzt in dem noch lange von den "Befreiungstigern" kontrollierten Vanni (der nördlichen Region ohne Jaffna) gelebt hatten und ausserhalb dieses Gebiets kein Beziehungsnetz haben. Vom März an soll diese generelle Beurteilung - die Fälle werden weiterhin einzeln geprüft - den Wegweisungsentscheiden zugrunde gelegt werden. Beim BfM sind rund 1800 Gesuche pendent, auch weil viele angesichts des Verzichts auf Rückführungen zurückgestellt wurden. Ab Juni will das Bundesamt in analoger Weise den Status der vorläufig Aufgenommenen überprüfen. Dabei werde es der Integration der Betroffenen Rechnung tragen. 900 der 2200 vorläufig aufgenommenen Tamilen leben schon seit mehr als sieben Jahren in diesem Provisorium. Nicht betroffen sind die gut 1000 anerkannten Flüchtlinge.

 Die Schweizerische Flüchtlingshilfe hält das neue Vorgehen des BfM für "übereilt und sehr problematisch". Die Menschenrechtslage in Sri Lanka sei immer noch äusserst bedenklich, und die Verhältnisse für Rückkehrer seien prekär, besonders wegen der Zerstörungen und der Minengefahr.

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Ausweisung durch den Strafrichter

 Erste Sitzung der Arbeitsgruppe zur Umsetzung der Ausschaffungsinitiative

 Die Ausschaffungsinitiative soll über das Strafrecht umgesetzt werden. In den meisten anderen Kernpunkten ist sich die zuständige Arbeitsgruppe aber uneins.

 nn. Bern · Die von Justizministerin Simonetta Sommaruga eingesetzte Arbeitsgruppe, die Vorschläge zur gesetzlichen Umsetzung der Ausschaffungsinitiative ausarbeiten soll, hat sich am Mittwoch in Bern zu einer ersten Sitzung getroffen. Da die SVP im Dezember auf "Transparenz" gepocht hatte, sah sich die Arbeitsgruppe veranlasst, die Medien über die Arbeiten zu orientieren. Fertige Lösungen konnte der frühere Direktor des Bundesamts für Justiz und Präsident der Arbeitsgruppe, Heinrich Koller, natürlich nicht präsentieren - weshalb die Medienorientierung über weite Strecken einem eher bizarren öffentlichen Brainstorming glich.

 Neben Koller nahmen Roger Schneeberger als Generalsekretär der Konferenz der kantonalen Polizei- und Justizdirektoren (KKJPD) sowie der frühere SVP-Generalsekretär Gregor Rutz als Abgesandter der Initianten an der Veranstaltung teil. Alle drei lobten die "konstruktive Atmosphäre", die an der Sitzung geherrscht habe. Dennoch zeigte sich, dass die siebenköpfige Arbeitsgruppe in ihrem für Mai geplanten Schlussbericht der Justizministerin kaum einen einheitlichen Vorschlag präsentieren wird; vielmehr dürften die zwei SVP-Vertreter mit einer eigenen Lösung aufwarten. Die SVP brachte bereits einen ausformulierten Gesetzesentwurf in die Arbeitsgruppe mit, den sie - zur Verblüffung Kollers - auch umgehend veröffentlichte. Im Entwurf präzisiert die SVP die Delikte, die zur Ausweisung führen sollen, und sie definiert "Sozialmissbrauch" in einer neuen Strafbestimmung.

 Obwohl die Vorstellungen der SVP und jene der Mehrheit der Arbeitsgruppe in Kernfragen weit auseinandergehen, lobte Koller den SVP-Vorschlag als "gute Diskussionsgrundlage". Auf Zustimmung stiess laut Koller die Umsetzung über das Straf- statt über das Ausländerrecht: Nicht eine Behörde, sondern der Strafrichter soll demnach den Landesverweis direkt im Urteil anordnen. Koller anerkannte ferner, dass die SVP zwischen der Ausweisung und der Ausschaffung als deren Vollzug unterscheidet. So soll der Vollzug "vorübergehend aufgeschoben werden", wenn die Schweiz sonst das Non-Refoulement-Gebot missachten würde.

 Damit sei die automatische Ausschaffung vom Tisch, meinte KKJPD-Generalsekretär Schneeberger. Er zeigte sich optimistisch, dass eine ähnliche Lösung auch bei Konflikten mit der EU-Personenfreizügigkeit gefunden wird. Rutz lehnte dies ab: Mit dem Nein zum Gegenentwurf habe das Volk klargemacht, dass bei der Abwägung zwischen nichtzwingendem Völkerrecht und Initiative Letztere Vorrang habe. Uneinigkeit herrscht auch bei den Delikten, die zum Landesverweis führen. Um der Verhältnismässigkeit Rechnung zu tragen, müsse man entweder die Schwere einer Tat berücksichtigen oder den Delikt-Katalog straffen, meinte Koller. So möchte die Mehrheit der Arbeitsgruppe den Katalog um "weitere schwere Delikte" ergänzen und mit einer Ausnahmeklausel versehen - was von der SVP indes abgelehnt wird.

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Blick 27.1.11

BLICK fragt Migrationsamt-Chef Alard du Bois-Reymond
 
Schicken Sie jetzt alle Tamilen nach Hause?

 Von  Irène Harnischberg  und  Hubert Mooser

 Ein neuer Wind weht durch das Bundesamt für Migration. Der Amtschef erklärt, was es damit auf sich hat.

 Warum prüft die Schweiz plötzlich Asylgesuche, für die nach Dublin-Abkommen Griechenland zuständig wäre?

 Alard du Bois-Reymond: Die griechische Regierung ist mit der Finanz- und Migrationskrise zurzeit in einer sehr schwierigen Position. Unser Land ist nicht so stark betroffen wie die EU-Länder. Von allen Dublin-Verfahren entfallen rund sieben Prozent auf Griechenland.

 Muss man das Dubliner Abkommen anpassen?

 Nein, ich glaube nicht. Es ist wichtiger zu überlegen, wie man Griechenland in Zusammenarbeit mit anderen Dublin-Staaten helfen kann. Das Land kann zurzeit keine vernünftigen Asylverfahren mehr durchführen.

 Unterstützen mit Geld?

 Das muss man prüfen. Gelöst werden müssen zum Beispiel folgende Probleme: Wie können wieder vernünftige Asylverfahren durchgeführt werden, wie können Menschen wieder in menschenwürdigen Umständen leben?

 Das Uno-Hochkommissariat hat kritisiert, dass Länder wie die Schweiz nur sehr zaghaft Flüchtlingsgruppen aufnehmen.

 Wir haben einen Antrag im Departement auf dem Tisch. Bundesrätin Simonetta Sommaruga wird bald entscheiden.

 Und was heisst das?

 Ich kann dazu vorläufig nur sagen, dass wir nicht plötzlich 5000 Kontingentsflüchtlinge aufnehmen werden. Wir wurden für einige Dutzend Leute angefragt.

 Letzte Woche haben Sie die Ausschaffungen nach Nigeria wieder aufgenommen. Warum sassen nur drei Abgewiesene im Flugzeug?

 Wir wollten kein Risiko eingehen und mit einem Flug von 30 Leuten starten. Der tragische Zwischenfall von 2010 warf in Nigeria hohe Wellen.

 Haben Sie jetzt Beobachter für diese Flüge gefunden?

 Wir haben 200 Bewerbungen erhalten.

 200 Bewerbungen. Waren das Arbeitslose?

 (Lacht) Darunter waren auch Arbeitslose. Es gibt aber auch ein paar sehr interessante Bewerbungen. Wir werden der Bundesrätin bald einen Vorschlag unterbreiten.

 Wie läuft es mit der Reorganisation in Ihrem Amt?

 Wir haben eben eine Standortbestimmung gemacht. Unser Ziel ist es, im Jahr 2012 um 20 Prozent effizienter zu sein.

 Wieso dauern die Asylverfahren so lange?

 Einer der Faktoren ist, dass sich zu viele Leute mit einem Dossier beschäftigen. Es dauert durchschnittlich zwei bis drei Jahre, bis ein Asylgesuch erledigt ist. Wir wollen die Dauer der Verfahren deutlich verkürzen.

 Bundesrätin Sommaruga will Asylsuchende verstärkt beschäftigen.

 Das ist ein altes Problem. Wir haben bei den Flüchtlingen eine Erwerbsquote von 12 Prozent und bei den vorläufig Aufgenommenen eine von 20 Prozent. Das ist zu wenig.

 Wie wollen Sie das ändern?

 Heute wird jeder Kanton finanziell bestraft, wenn er jemanden erfolgreich integriert. Das wollen wir zusammen mit den Kantonen ändern. Wer erfolgreich integriert, soll nicht mehr bestraft, sondern belohnt werden.

 Sie ändern ab Juni auch bei den Asylgesuchen aus Sri Lanka die Praxis. Warum?

 Die Sicherheitslage in Sri Lanka hat sich deutlich entspannt.

 Und nun schicken Sie alle Tamilen nach Hause?

 Bei einem negativen Asyl-Entscheid schicken wir sie zurück. Auch jene 2200, die vorläufig aufgenommen sind, überprüfen wir nochmals. Aber mit Augenmass und jeden Fall einzeln. Wenn jemand seit zehn Jahren hier und gut integriert ist, hat er Chancen hierzubleiben.

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Tagesschau sf.tv 26.1.11

Gesuche von Asylsuchenden, die über Griechenland in die Schweiz einreisen, werden neu in Bern geprüft / Abgewiesene Asylsuchende aus Sri Lanka müssen die Schweiz verlassen / Erste Sitzung der Arbeitsgruppe zur Ausschaffungsinitiative
http://videoportal.sf.tv/video?id=1c29a115-3813-4e11-a7b0-fc381d28337f

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20 Minuten 27.1.11

Sri Lanka ist für das BFM wieder sicher

 BERN. In Sri Lanka hat sich die Sicherheitslage nach Einschätzung des Bundesamts für Migration (BFM) deutlich entspannt. Abgewiesene Asylsuchende sollen deshalb wieder nach Hause geschickt werden. Davon ausgenommen sind jene Vertriebenen, die aus dem ehemals von der sri-lankischen Befreiungsbewegung LTTE kontrollierten so genannten Vanni-Gebiet stammen. Das BFM passt seine Asylpraxis in einem weiteren Punkt an, wie es gestern mitteilte: Die Schweiz prüft Asylgesuche, für die nach dem Dublin-Abkommen Griechenland zuständig wäre, vorläufig selbst. Das Bundesamt verweist auf die "anhaltend unbefriedigende Situation im Asylbereich in Griechenland".

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Blick am Abend 26.1.11

Tamilen sollen heim

 ASYLANTEN

 Laut dem Bund hat sich die Sicherheitslage in Sri Lanka entspannt.

 Seit den 80er-Jahren kamen Tausende tamilische Flüchtlinge in die Schweiz. Jetzt sollen sie wieder zurückkehren. Laut dem Bundesamt für Migration (BFM) habe sich die Sicherheitslage in Sri Lanka "deutlich entspannt" - auch im lange umkämpften Nordosten. Im Inselstaat bilden die Singhalesen die Mehrheit (73%). Die Tamilen sind eine Minderheit (12-17%).

 Ab Juni nun will das BFM den Status von vorläufig aufgenommenen Personen aus Sri Lanka überprüfen.

 Betroffen sind rund 4500 Personen. Davon ausgenommen sind jene Vertriebenen, die aus dem ehemals von den Tamil-Tigers kontrollierten Vanni-Gebiet stammen und über kein Beziehungsnetz ausserhalb der Region verfügen.

 Zudem kommt auf das BFM wegen des Flüchtlingsansturms auf Griechenland und der daraus resultierenden Überforderung des Staates Mehrarbeit zu. Die Schweiz prüft Asylgesuche, für die nach dem Dublin-Abkommen Griechenland zuständig wäre, vorläufig selbst. Schuld sei die "anhaltend unbefriedigende Situation im Asylbereich in Griechenland." SDA/bö

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ANTI-FEMINISMUS
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St. Galler Tagblatt 29.1.11

Frauenhaus-Adresse bleibt geheim

 Antifeministen wollten die Adressen der Frauenhäuser in der Schweiz publik machen. Per superprovisorische Verfügung wurde ihnen dies untersagt. Dennoch: Im Thurgau gab es Reaktionen auf den Aufruf; in St. Gallen blieb es ruhig.

Regula Weik

 St. Gallen. Frauenhäuser führten einen Kampf gegen Männer, sagt der Thurgauer Michael Handel. Er unterstützt die Idee der Interessengemeinschaft Antifeministen "für eine echte Gleichberechtigung", die Adressen der Frauenhäuser in der Schweiz publik zu machen; heute sind sie geheim. Seine Motivation sei das Kindswohl, sagt Handel. Er hat die Organisation Kinder ohne Recht gegründet. Frauen vor häuslicher Gewalt zu schützen sei wichtig - "doch leider führen Frauenhäuser nebenbei einen ideologischen Kampf gegen Männer".

 Gefährdungssituationen

 Handel fordert deshalb, die Frauenhäuser abzuschaffen; stattdessen sollten die Kantone geschlechtsneutrale Familienhäuser errichten.

 Anders als im Thurgau - der Kanton hat kein eigenes Frauenhaus; schutzsuchende Thurgauerinnen wenden sich ans Frauenhaus Schaffhausen - blieb es nach dem Aufruf der Antifeministen in St. Gallen ruhig. "Ich bin ganz froh darüber", sagt Elisabeth Bossart, Geschäftsführerin des Frauenhauses St. Gallen. Sie seien sehr zurückhaltend mit Informationen. Und dennoch kennt sie die Situation, dass der Mann einer schutzsuchenden Frau vor dem Haus steht. Erst kürzlich sei eine Frau vom Einkaufen zurückgekehrt - und ihr Mann habe ihr abgepasst, sie beschimpft und bedroht. "Wenn ein Mann immer wieder seine Frau sucht und dabei nicht locker lässt, dann kann er sie über kurz oder lang ausfindig machen", sagt Elisabeth Bossart. Und weiter: "Wir können Gefährdungssituationen nie ausschliessen und besprechen das auch mit den Frauen." Klar ist: Wenn ein Mann mehrmals vor dem Frauenhaus auftaucht, wird die Polizei gerufen.

 Elisabeth Bossart wehrt sich gegen den Vorwurf, Frauenhäuser führten einen Kampf gegen Männer. Sie setze sich stark für "den runden Tisch" ein, denn: "Es nützt nichts, wenn wir mit den Opfern arbeiten und uns nicht auch mit den Tätern auseinandersetzen - unabhängig davon, ob der Mann oder die Frau Gewalt ausübt. Wir kommen nur im Dialog weiter."

 Superprovisorische Verfügung

 Elisabeth Bossart ist denn auch froh, dass die Dachorganisation der Frauenhäuser der Schweiz und Liechtenstein - es sind insgesamt 18 Institutionen - aktiv geworden ist und mit einer Strafanzeige auf die Androhung der Antifeministen reagiert hat - zu deren Ärger. "Feministische Justiz will Antifeministen mundtot machen", heisst es auf der Homepage. Mit einer für die schweizerische Justiz "bemerkenswert ungewöhnlichen Geschwindigkeit" sei eine superprovisorische Verfügung erwirkt worden, "mit der man uns zwingen möchte, die Veröffentlichung der Adressen zu unterlassen".

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 Stichwort

 Frauenhaus St. Gallen

 Das Frauenhaus St. Gallen

 war eines der ersten in der Schweiz. Die damals "suspekte Institution" ist heute eine anerkannte Einrichtung. Dazwischen liegen dreissig Jahre.

 In den dreissig Jahren haben 1857 Frauen und 1958 Kinder Obdach im Frauenhaus erhalten. Das Angebot richtet sich an Frauen aus den Kantonen St. Gallen, Appenzell Ausser- und Innerrhoden. Das Frauenhaus St. Gallen ist täglich während 24 Stunden erreichbar; es werden Tag und Nacht telefonische Beratungen angeboten. (rw)

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Basellandschaftliche Zeitung 27.1.11

"Absurd: Man versucht, Buben zu verweiblichen"

 Männer Der Riehener Soziologe Walter Hollstein fordert eine verstärkte Förderung neuer Männer-Anliegen

Daniel Haller

 Herr Hollstein, was heisst es, wenn aus einer OS-Klasse in Basel nur Mädchen ins Gymnasium kommen?

 Walter Hollstein: Dass man sich zu wenig um die Buben gekümmert hat. Zu Recht hat man vor 30, 40 Jahren mit Mädchen- und Frauenförderung begonnen. Der Fehler der Erziehungs- und der Geschlechterpolitik ist aber, dass man die Knaben vernachlässigt.

 Sind Buben heute in jener Position, in der früher die Mädchen waren?

 So krass würde ich das nicht sagen. Es gibt immer noch mehr junge Männer, die studieren, als es damals Frauen gab. Ausserdem wurden damals die Frauen nicht sozial auffällig.

 Wie meinen Sie das?

 Es sind fast ausschliesslich Buben, die Klassen wiederholen, die Schule oder die Ausbildung abbrechen oder Legastheniker sind. Auch das ADHS-Syndrom wird fast nur Knaben zugeschrieben. Frühkriminalität, Vandalismus, Hooliganismus - alles männlich! In Schweizer Gefängnissen sitzen 95 Prozent Männer.

 Sie sehen dies als eine Folge der Vernachlässigung der Buben?

 Noch absurder: Man versucht, Buben zu verweiblichen. So hat etwa eine neue Rektorin einer Baselbieter Schule als eine der ersten Massnahmen die Fussballfläche der Buben auf dem Pausenplatz in eine "Kommunikationsfläche" verwandelt. Sie fand, reden und sich austauschen, wie Mädchen dies tun, sei für Buben gesünder als "tschutten".

 Weshalb?

 Buben sollen möglichst so werden wie Mädchen, dann wären sie pflegeleichter. Aber Buben haben mehr Bewegungsdrang und möchten dies ausleben. Schneidet man dies ab, gibt es mehr Gewalt und Unruhe.

 Solche geschlechtsspezifische Verhaltenszuschreibungen werden sonst als "Biologismus" kritisiert.

 Das ist so falsch. Neurobiologische Untersuchungen zeigen, dass Buben von Geburt an motorischer sind. Vulgärfeministinnen messen mit zweierlei Mass: Sagt man "Mädchen haben ein besseres Sprachvermögen", ist das in Ordnung. Sagt man aber: "Buben sind besser in Mathe und haben ein besseres Raumgefühl", gilt dies als "biologistisch".

 Sie sehen also Männer als das schwache Geschlecht?

 Ich habe nie gesagt, Männer seien das schwache Geschlecht. Doch gesundheitlich sind sie schwach: Ausser den klassischen Frauenkrankheiten dominieren sie bei allen schweren Erkrankungen wie Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder HIV-Infektionen. Sie sterben in der Schweiz sechs Jahre früher. Dazu trägt bei, dass sich Männer bis viermal häufiger umbringen als Frauen, Buben in der Pubertät sogar zehnmal häufiger. Wenns umgekehrt wäre, wäre das ein Riesenskandal, Feministinnen würden demonstrieren. Bei Buben wird das hingenommen. Das finde ich ungerecht.

 Sehen Sie den Feminismus negativ?

 Ich sehe ihn differenziert. Vor 40 Jahren waren Frauen auf die angepasste Hausfrauenrolle beschränkt. Heute ist das Bild erweitert um Sachkompetenz, Karriere und Durchsetzungsfähigkeit. Ein Problem ist, dass der Feminismus das Bild der Männlichkeit einseitig negativ gezeichnet hat.

 Wo stehen wir heute?

 Nun gibt es etwa 80 Prozent moderne Frauen, die ihre Ausbildung in Karriere umsetzen wollen, ohne auf Familie zu verzichten. Dafür wünschen sie einen partnerschaftlichen Mann. Doch die Männer sind stehen geblieben: 75 Prozent der jungen Männer wollen eine Freundin und ein Auto, aber keine emanzipierte Frau. So müssen viele moderne Frauen ledig bleiben oder ein Fossil nehmen, das zu Hause nichts macht und denkt, die Frau habe ihn zu verwöhnen. Wie lange kann so eine Beziehung halten?

 Woran liegt die ungleiche Entwicklung?

 Vulgärfeministinnen behaupten, Männer seien selbst schuld, wenn sie sich nicht verändern. Das stimmt so nicht: Als damals die Frauen aufbrachen, wurde dies von der Politik gestützt, weil man sie auf dem Arbeitsmarkt benötigte. Wollen sich Männer verändern, stossen sie auf Abwehr: Männer, die aus familiären Gründen ihr Pensum reduzieren möchten, sind von Entlassung bedroht und müssen auf Beförderung verzichten. Gehen sie mit diesem Problem ins Gleichstellungsbüro, heisst es: "Wir sind für Männer nicht zuständig."

 Manager und Verwaltungsräte sind fast ausschliesslich Männer. Kann man es angesichts dieser Machtfülle den Frauen ankreiden, dass Männer sich nicht neu definiert haben?

 Mittlerweile haben wir im Bundesrat vier Frauen und drei Männer: Die Frauen sind in der Politik überproportional zu ihrem politischen Engagement aufgestiegen. Wirtschaftsspitzen sind die letzte Männerdomäne. Das ist ungerecht. Gäbe es da mehr Frauen, würde vielleicht vieles menschlicher laufen. Schaut man andererseits ganz unten auf die Gesellschaft - Chronischkranke, Arbeitslose, Obdachlose, Wander- und Hilfsarbeiter -, dann findet man ebenfalls fast nur Männer. Dreckige Berufe wie Kehrichtabfuhr, gefährliche Berufe wie Gleisbau oder oder Dachdecker: alles männlich. Ich möchte auch mal den Ruf nach einer Frauenquote bei der Müllabfuhr hören. Die Teilung von Macht ist okay - aber dann bitte auch die Teilung von Ohnmacht.

 Eine Studie des Büros Bass und der Uni Bern zeigt, dass die Lohndiskriminierung der Frauen zunimmt.

 Ich kenne die Studie nicht. Ich kenne auch keinen Lehrer oder Verkäufer, der mehr verdient als seine Kollegin. Wenns aber tatsächlich für die gleiche Tätigkeit Lohnunterschiede gibt, ist das ein Skandal.

 Was wäre nun ein konstruktiver Weg für die Männer?

 Alles, was Mädchen und Frauen angeht, ist Mainstream. Aber was Buben und Männer angeht, wird nicht zur Kenntnis genommen. In jeder Schweizer Stadt gibt es Männergruppen. In den grösseren Städten funk-tionieren "Mannebüros" als Beratungsstellen. Es gibt Männer, welche die alte Männerrolle - Herrschafts- und Machtansprüche, Unterdrückung der eigenen Gefühle, Wettbewerbsorientierung und so weiter - hinterfragen und sie vermenschlichen wollen. Sie wollen ohne Diskriminierung auch zu Schwächen stehen können.

 Was verstehen Sie unter "partnerschaftlichen Männern"?

 Ein oberflächlich feminisierter junger Mann, der sich der Frau unterwirft, ist kein partnerschaftlicher Mann, weil er selbst nicht weiss, wer er ist. Für Partnerschaft muss man echt sein. Mir hat ein junger Mann geklagt, seine Frau habe ihn in die Männergruppe geschickt, damit er sich verändere. Das tat er brav - und sie fing ein Verhältnis mit ihrem Fitnesstrainer an. Ihr Mann war ihr anscheinend plötzlich zu wenig männlich. Frauen wollen keine femini- sierten Softies, sondern sich mit einem Gegenüber auseinandersetzen können.

 Wo liegt der Unterschied zu den Antifeministen?

 Die erste Männerbewegung hat einen emanzipatorischen Ansatz. Es geht um eine andere Rolle, ein anderes Potenzial von Männlichkeit und um ein Verhältnis auf Augenhöhe zu den neuen Frauen. Antifeministen hingegen haben überhaupt kein Interesse an Selbstveränderung. Sie haben aber eine wichtige Funktion da, wo sie auf Ungerechtigkeiten hinweisen, wie etwa, dass nur Männer obligatorisch ins Militär müssen, oder beim Sorge- und Scheidungsrecht. Sie stossen wichtige Diskussionen an, die es vorher nicht gab, weil die emanzipatorische Männerbewegung zu lieb zu den Feministinnen war. Aber die Antifeministen haben ein konservatives Männerbild.

 Wie soll der neue Mann aussehen?

 Früher hatten wir ein enges gesellschaftliches Männerbild, das vom Militär und aus Spitzenpositionen heraus verstärkt wurde. Heute kann auch ein Schwuler oder ein Hausmann männlich sein. Doch im Gegensatz zu feministischen Männern und Feministinnen finde ich gewisse Qualitäten klassischer Männlichkeit, wie etwa Abenteurertum, Freude an Eroberungen und Risikobereitschaft wichtig. Doch sollte dies ergänzt werden um Qualitäten, die offiziell als "weiblich" etikettiert sind. Ein neuer Mann sollte Empathie aufbringen, sollte fürsorglich und partnerschaftlich sein und sollte sich zu seinen Schwächen und Problemen bekennen können. Er sollte ein Stück alt bleiben und ein Stück neu werden.

 Weshalb ist das Männerberatungsbüro in Riehen, das sie eröffnen wollten, gescheitert?

 Der Chefarzt der psychiatrischen Klinik Sonnhalde war begeistert von der Idee, innerhalb der Klinik eine Männerberatungsstelle zu eröffnen, die ich leiten sollte. 5000 Prospekte waren bereits gedruckt und die Einladungen für die Eröffnung verschickt. Vierzehn Tage vor der Eröffnung hat die Klinik-Direktorin, als der Chefarzt in den Ferien war, das Projekt gekippt. Dafür habe ich bis heute keine Begründung bekommen.

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 Walter Hollstein

 Walter Hollstein (71) ist in Basel aufgewachsen, arbeitete nach dem Studium unter anderem als Redaktor der "National-Zeitung" und ab 1971 als Professor für politische Soziologie an der evangelischen Hochschule Berlin-Dalem. Er baute eine Wohngemeinschaft für obdachlose Jugendliche auf, war Gutachter des Europarats für Männer- und Geschlechterfragen und Professor im Institut für Geschlechter und Generationenforschung der Uni Bremen. Seit 2007 lebt er in Riehen. (dh)

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RECHTSEXTREMISMUS
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Sonntagsblick 30.1.11

Zeitgeschichte
 
DER JUDENHASSER

 Er verehrte Adolf Hitler. Er half Naziverbrechern und war Geldbeschaffer für palästinensische Terroristen. Jetzt hat der Journalist Willi Winkler über den zwielichtigen Genfer Bankier François Genoud ein Buch geschrieben. Und zieht im SonntagsBlick Magazin ein bitteres Fazit: Die Schweizer Behörden haben Genoud ein Leben lang gewähren lassen

 Im Jahr 1965 beginnt sich auch der Schweizerische Israelitische Gemeindebund für den Mann zu interessieren, der einfach nicht zu fassen ist. Seine Lausanner Wohnung, so raunt es gerüchteweise, sei mit allerlei seltsamen Devotionalien vollgestopft, eine blutrote Hakenkreuzfahne soll das Prunkstück in der Sammlung sein. Andererseits hat er den FLN unterstützt, bis Frankreich seine Departements in Nordafrika aufgab und Algerien 1962 in die Unabhängigkeit entliess.

 Ein unauffälliger Geschäftsmann ist er, Gründer der Banque Commerciale Arabe in Genf, die mit Hilfe seiner arabischen Freunde bald nach Algier expandiert. Vielleicht war er sogar am Waffenschmuggel beteiligt, jedenfalls hat er die Kriegssteuer verwaltet, die bei den algerischen Gastarbeitern auf dem Kontinent für den Aufstand zu Hause eingetrieben wurde.

 Doch nicht dieses im Zweifel eher linke Engagement bereitet dem Gemeindebund Sorge, sondern die Tatsache, dass dieser Sympathisant der arabischen Befreiungsbewegung auch noch bekennender Nazi ist. Im Ganzen also doch recht viel für einen einzigen Schweizer.

 François Genoud (1915-1996) war ein Schweizer, wie er im Kontorbuch steht.

 Er ging einer bürgerlichen Beschäftigung nach, war den Seinen ein liebevoller Ehemann und Vater, kümmerte sich um seine Freunde und pflegte das beste Einvernehmen mit den Behörden. "Genoud kommt mir einen seiner periodischen Besuche abstatten", notiert der Referatsleiter bei der Bundespolizei im Juli 1969 und weiss noch immer nicht, was er halten soll von dem Mann, der sich förmlich aufdrängt.

 Die Behörde führt genau Buch über ihn. In einem einzigen Jahr hat er 136 Mal die Schweiz durchquert, ausserdem ist er acht Mal nach Deutschland, dreizehn Mal nach Frankreich, drei Mal nach Grossbritannien, drei Mal nach Spanien, vier Mal nach Italien, drei Mal nach Libyen, zwei Mal in den Libanon und weitere zwei Male nach Ägypten gereist.

 Was treibt er da? Und wer bezahlt ihm diese fieberhafte Geschäftigkeit?

 Wenn er sich meldet, bringt er seine "faits divers" mit, kleine und grössere Nachrichten aus der Politik in Nordafrika. Er weiss erstaunlich gut Bescheid über die Auseinandersetzungen im algerischen Revolutionsrat, aber auch über Vorgänge in Marokko, Tunesien oder Spanien.

 Er hat die unterschiedlichsten Bekannten: Als er 1964 in Algier überraschend ins Gefängnis geworfen wurde, intervenierten der ägyptische Präsident Nasser, der Chef des deutschen Bundeskriminalamts, Paul Dickopf, und die Schweizer Bundesregierung.

 Kaum zu Hause, erscheint Genoud schon wieder bei der Polizei, bedankt sich für die Hilfe, erzählt, wie es war im Gefängnis. Hinterher zieht er allen eine böse Grimasse und behauptet, dass er "lieber sechs Monate in Algerien im Gefängnis verbringen würde als acht Tage in der Schweiz".

 Das klingt gut, das klingt ganz nach dem international tätigen Netzwerker, der den Behörden daheim auf der Nase herumtanzt. Es ist nur nicht wahr.

 Denn ohne die stille Schweiz als Heimathafen wäre das abenteuerliche Leben gar nicht vorstellbar, das der nach aussen so biedere Genoud führte.

 Sein Vater schickte den Knaben ins deutsche Freiburg, damit er dort Ordnung lerne.

 Ein Geschäftsfreund seines Vaters stellte den 17-Jährigen im Oktober 1932 einem aufstrebenden Politiker vor: Adolf Hitler. Der junge Genoud durfte dem Führer der NSDAP die Hand schütteln und blieb ein treuer Soldat sein Leben lang. Er trank nicht, er rauchte nicht, er wurde Vegetarier und machte es sich zur Aufgabe, die Ideen des Mannes, von dem er bis zuletzt glaubte, er würde als Friedensfürst in die Geschichte eingehen, in alle Welt zu verbreiten: "Die Wahrheit ist, ich habe Hitler geliebt."

 In einem Brief an den deutschen Pädagogen Johann Heinrich Campe beschrieb sich der Hauslehrer Johann Rudolf Sulzer, später der erste Stadtpräsident von Winterthur, 1788 als "Schweitzer, der das Unglück hatte, von jeher unter seines Gleichen zu leben". Genoud wollte so nicht sein. Die Schweiz war ihm zu klein, es drängte ihn hinaus, er musste dabei sein, wenn Geschichte gemacht wurde.

 Mit einem Freund unternahm er 1936 eine der damals beliebten automobilen Lustreisen. Übers wiedererstarkte Deutschland ging es nach Osten, den Balkan hinab, durch die Türkei und Persien bis nach Afghanistan.

 Auf der Rückreise erlebten sie in Bagdad den Beginn eines Aufstands. Die Araber erhoben sich gegen die englische Besatzungsmacht. Schüsse krachten, Bomben explodierten, und der junge Mann, der bisher allenfalls kleinere Scharmützel gegen die sozialdemokratische Polizei in Lausanne kannte, glüht im revolutionären Feuer.

 Sie werden zum Mufti von Jerusalem geführt, einem beeindruckenden Mann mit rotem Bart und blauen Augen, dem politischen und geistigen Führer der arabischen Freiheitsbewegung. Der Mufti findet in den Schweizern genau die Anhänger, die er braucht, um sein panarabisches Anliegen in Europa zu verbreiten: "Ihr jungen Leute, die ihr Französisch sprecht und Freunde des arabischen Nationalismus und des Islam seid, ihr müsst an die Befreiung des von Frankreich und Italien beherrschten Maghreb denken. Dort kann eure Hilfe am wirksamsten sein, dort wird sie am meisten gebraucht."

 Genoud ist erst 21, als er diese grandiose Ansprache in makellosem Französisch hört. Wieder richtet ein grosser Hetzer das Wort an ihn, ein weiterer Führer, der ihn mit einem Auftrag in die Welt hinausschickt.

 Diese Sätze bestätigen ihm seine Träume vom Sieg der edlen Araber, den nur die berüchtigte weltweite Verschwörung der Juden zu vereiteln droht. Der Mufti wird den Weltkrieg zum grossen Teil in Deutschland verbringen, von Hitler grosszügig ausgestattet, wenn er ihm auch leider die Hoffnung nimmt, dass die Deutschen an der Seite der Araber gegen England und Frankreich in den antikolonialen Krieg ziehen würden.

 In regelmässigen Rundfunkansprachen stachelt der Mufti seine Araber zu finalen Taten auf. "Tötet alle Juden!", hören sie in Kairo und in Damaskus. Genoud besucht sein Idol in Berlin. Er wird den Auftrag des Mufti zu seinem eigenen Kampf machen und sich für das, was er seine Ideale nennt, in die Schanze werfen.

 Seit 1934 wird er von der Bundespolizei beobachtet. Offenbar ist er eine Art Playboy, arbeitet im Tapetengeschäft seines Vaters mit, aber auch nur, wenn es ihm passt, betreibt zusammen mit einem Libanesen einen Nachtklub und reist viel. Die kleine Schweiz ist ihm zu wenig, und besonders gern hält er sich in Deutschland auf. Niemand hindert ihn, immer wieder in Berlin, in München, in Stuttgart aufzutauchen, Freunde mit Kaffee, mit Schokolade zu versorgen, mit Gütern, die im zwangsbewirtschafteten Deutschland knapp geworden sind.

 1943 schliesslich bringt er einen seiner Geschäftspartner in die Schweiz, den SS-Mann Paul Dickopf. Der gibt sich als Flüchtling aus, soll aber im Auftrag der Abwehr in der Schweiz spionieren. Die Behörden sind darauf vorbereitet: Ein Hauptmann aus Bern nimmt die beiden in Empfang, besorgt Papiere für Dickopf und betreut sie in den kommenden Jahren, denn Genoud, wie könnte es anders sein, dient als guter Staatsbürger nicht nur fremden Herren, sondern auch den eigenen.

 Dickopf wird nach dem Krieg nach Deutschland zurückkehren und bringt es dort bis zum Präsidenten des BKA, des Bundeskriminalamts. Genoud bleibt sein Freund und beschafft ihm 1968 die Stimmen der arabischen Länder, die ihn auch noch zum Chef von Interpol machen.

 Als sich 1965 ein Abgesandter der Jüdischen Gemeinde mit André Amstein trifft, dem Chef der Schweizer Bundespolizei, und ihn auf das Phänomen Genoud anspricht, seine offenkundige Unberührbarkeit, wiegelt Amstein ab; die "algerisch-ägyptische Beziehung" Genouds sei amtsbekannt. Längst sei ein Dossier über ihn angelegt, doch verhindere das Bankgeheimnis ein Verfahren.

 "Dr. Amstein hofft", so heisst es in dem Protokoll der Begegnung, "Genoud mache nächstens einmal einen faux-pas, damit man ihn ‚schnappen' könne. Bis jetzt erscheint er der Bundespolizei als ein mit allen Wassern gewaschener Verdächtigter."

 Verdächtig, das wird Genoud sein Leben lang bleiben.

 Ungeheure Gerüchte sind über ihn in Umlauf: Dass er den fabulösen SS-Schatz ins Ausland geschafft habe, um damit eine "Braune Internationale" aufzubauen, die mit ihm an der Spitze zur Weltherrschaft drängen soll. Hunderten von Nazis soll er nach 1945 zur Flucht verholfen haben. Manchen gilt er sogar als Lautsprecher Martin Bormanns, der sich in Spanien, in Österreich und dann wieder in Südamerika verborgen halten soll.

 Nichts davon ist wahr, doch hinter diesem Schirm der Grossgerüchte kann Genoud seine klandestinen Unternehmungen umso besser verbergen.

 Seine Leidenschaft für den Nationalsozialismus hat dessen Untergang ohne weiteres überdauert. Für ihn sind Männer wie Hitler, wie der Propagandaminister Joseph Goebbels, wie der Reichsleiter Martin Bormann Helden. Wenn sie auch gestorben sind, so will er für ihr Nachleben sorgen.

 Wie eine Schriftsteller-Witwe unternimmt er alles, damit seine verblichenen Autoren in Ehren gehalten werden und "ausgiebig zu Wort" kommen. Er nimmt Kontakt zu Paula Wolf auf, der Schwester seines geliebten Führers Adolf Hitler, er korrespondiert mit dem nach Südamerika ausgewichenen Kampfflieger Hans-Ulrich Rudel, mit der Regisseurin Leni Riefenstahl, dem ehemaligen Reichsbankpräsidenten Hjalmar Schacht. Regelmässig besucht er Léon Degrelle, den Anführer der belgischen Rexisten, der in Spanien ein feines Exil gefunden hat, und er betreut die Kinder Bormanns, die nach dem Vater auch noch die Mutter verloren haben.

 Ihr Vormund, ein katholischer Priester, verkauft ihm das Verwertungsrecht an den "Tischgesprächen" Hitlers, die Bormann im Führerbunker aufzeichnen liess, verkauft auch einen Liebesbriefwechsel, in dem sich das Ehepaar Bormann über eine "Volksnotehe" austauscht. Danach erklärt sich Frau Bormann freudig bereit, ihren Mann wechselweise einer Geliebten zu überlassen, die er dann schwängern könne, während sie selber mit dem Austragen eines anderen Kindes beschäftigt ist, sodass sie alle zusammen die Volksgemeinschaft stärken würden.

 Paula Hitler übermacht Genoud das Gesamtwerk ihres Bruders, das er dann aber nicht auswerten kann, weil die alliierte Verwaltung die Rechte daran 1948 auf den Freistaat Bayern übertragen hat.

 So geht ihm Hitler zunächst verloren, dafür spielt ihm der Zufall Goebbels in die Hände.

 Längst hat Genoud begonnen, seine Beute in England, den USA und Frankreich zu veröffentlichen. Er kann sich also bei den Erben Goebbels' auf seine verlegerische Erfahrung berufen und erhält tatsächlich die Erlaubnis, in ihrem Namen Prozesse zu führen und die Tantiemen hälftig zu teilen.

 Der vom Berliner Senat bestellte Nachlasspfleger überträgt am 21. Oktober 1955 das "an den veröffentlichten und nicht-veröffentlichten Werken von Dr. GOEBBELS einschliesslich dessen privaten Aufzeichnungen, Korrespondenzen und dergleichen bestehende Eigentumsrecht auf Herrn GENOUD, der diese Übertragung hiermit annimmt".

 Da hat Genoud praktisch keinen Fetzen Papier von Goebbels in der Hand, und doch gehört er ihm ganz und gar. Über Jahrzehnte verteidigt er dieses Recht gegen Verlage und Archive, bis er schliesslich durch das Bundesarchiv in Koblenz Vertragspartner der Bundesrepublik Deutschland wird.

 Grosszügig räumt er seinen Partnern das wissenschaftliche Nutzungsrecht an seinem Goebbels ein. Er will ihn möglichst ausführlich zu Wort kommen lassen. In die erste von ihm genehmigte Ausgabe der Tagebücher lässt er einen ungeheuerlichen Satz drucken: "Ich setze mich über die letzte Verfügung des Autors hinweg", der die Aufzeichnungen angeblich gar nicht veröffentlicht haben wollte, "weil ich der Meinung bin, dass selbst dieser ‚unziselierte' Goebbels auf die eindrucksvollste Weise den letzten Akt der Tragödie eines Volkes und seines Helden wiedergibt." Seither wird sein Held jedes Mal tantiemenpflichtig, wenn irgendwo aus seinem Tagebuch zitiert wird, und Genoud und seine Erben kassieren. Das wird noch so weitergehen bis zum Auslaufen der Schutzfrist, bis Ende 2015.

 Der Israelitische Gemeindebund stellt 1966 wegen dieses merkwürdigen Mannes eigene Nachfor-schungen an, fragt bei Simon Wiesenthal nach und in Paris bei Männern, die der algerischen Befreiungsbewegung nahestanden. Wieder kommen die bekannten Angaben: dass Genoud mit Nazi-Literatur handle, viel reise und kaum zu greifen sei. Sogar eine Detektei wird beauftragt, die aber wiederum nur mit Staunen konstatieren kann, dass Genouds finanzielle Lage "gemessen an der Tätigkeit und der Lebensweise" nur "bescheiden" zu nennen sei. Im Fiskaljahr 1965 habe er gerade einmal 15 000 Franken versteuert. Das ist für damalige Verhältnisse nicht wenig, aber auch nicht besonders viel für jemanden, der ganz offensichtlich grosse Geldmengen umschlägt.

 Wer also hilft ihm?

 Ganz einfach: Es ist die Confoederatio Helvetica.

 Genoud wird offensichtlich geschützt. Die Polizei überwacht ihn nicht bloss, sie weiss ihn auch zu nutzen. Wie sollte sie ihm da etwas zuleide tun? Schliesslich verfügt er über interessante Kontakte, in Deutschland vor allem, aber auch im gesamten Mittelmeerraum. Er wohnt nicht weit von der französischen Grenze, er wohnt auch nicht weit von Genf, wo sich internationale Institutionen ansiedeln und häufig hochkarätige Treffen stattfinden. Er kennt die Chefs der neu entstehenden Staaten, aber auch Exilpolitiker. Sie müssen beobachtet werden, und das fällt umso leichter, wenn die Polizei ein Auge auf den scheinbar harmlosen Bürger Genoud hat.

 Dessen Interesse wendet sich am Ende der Sechzigerjahre den Palästinensern zu.

 Genoud hat nicht den Auftrag vergessen, mit dem ihn der Mufti 1936 betraut hat, und er hat sich selbstverständlich auch seinen Antisemitismus bewahrt.

 Wenn er Hitler überhaupt etwas verübelt, dann dessen Politik, die letztlich zur Grün-dung des Staates Israel geführt habe. Die heimatlosen Palästinenser bekämpfen diesen Staat, und in Genoud finden sie ihren treusten Kombattanten. Schon 1969, als in Winterthur drei arabische Terroristen vor Gericht gestellt werden, die in Kloten das Feuer auf eine El-Al-Maschine eröffnet haben, ist er dabei und organisiert Geld für die Verteidigung. Er lernt dabei Wadi Haddad kennen, den Anführer der PFLP, dessen Spezialität Flugzeugentführungen sind.

 Haddad stellt internationale Kommandos zusammen, die er in einem Ausbildungslager im Libanon oder in Jemen trainiert. Japaner sind dabei, Iren, Spanier, die deutschen Terroristen von der RAF und der Bewegung 2. Juni. Und ein Aussendienstmitarbeiter namens François Genoud.

 Der Bankier aus Lausanne robbt natürlich nicht durch die Wüste, er kann überhaupt nicht mit einem Gewehr umgehen. Gewalt verabscheut er, jedenfalls so weit er selber davon betroffen wäre. Seine Talente liegen anderswo, und Wadi Haddad weiss sie zu nutzen.

 Anfang 1972 lässt er eine Maschine der Lufthansa auf dem Flug von Japan nach Deutschland entführen und zur Landung in Aden zwingen. Die Palästinenser fordern fünf Millionen Dollar für die Freigabe der 183 Passagiere und Besatzungsmitglieder. Genoud hat den Plan nach eigener Aussage zusammen mit Haddad ausgetüftelt.

 Dennoch droht das Unternehmen in letzter Minute zu scheitern: Der Kurier, der den Erpresserbrief an die Lufthansa überbringen soll, trifft zu spät aus Beirut ein. Kurzentschlossen setzt sich Genoud ins Auto und fährt über Nacht von Lausanne nach Köln, um dort die Forderungen der Entführer zuzustellen. Es geht alles gut: Die Passagiere werden freigelassen, das Flugzeug wird zurückgegeben, und Genoud verschwindet mit seiner Frau nach Belgien in die Ferien.

 Es ist seltsam: Die Ermittlungen bei diesem Kapitalverbrechen gegen die Bundesrepublik Deutschland werden bald eingestellt.

 Noch seltsamer: Über Jahre hat die Schweizer Polizei Genouds Post kontrolliert, seine Reisen überwacht, sein Telefon abgehört, aber genau fünf Tage vor der Entführung der Lufthansa-Maschine wird die Überwachung abgebrochen und erst nach fast zwei Jahren wieder aufgenommen.

 Die Begründung der wachsamen Bundesanwaltschaft: "Trotz dieses Verdachts, der immer auf diesem Objekt lag, sind wir der Meinung, dass die Kontrollmassnahmen bezüglich Genouds aufgehoben werden können. Da wir wissen, mit welchen Gruppen er Umgang pflegt, schlagen wir vor, dass wir im Fall besonderer Vorkommnisse oder Spannungen insbesondere mit den arabischen Ländern, unverzüglich in Zusammenarbeit mit der Kantonspolizei vom Wallis und von Genf alle erforderlichen Massnahmen ergreifen werden, um seine Aktivitäten aufs Neue genauestens zu kontrollieren."

 Wie aus CIA-Akten hervorgeht, wie auch Mitglieder der RAF bestätigen, hat die PFLP in den Siebzigerjahren von mehreren Fluglinien Schutzgeld erpresst.

 Genoud, das zeigt die Aktenlage, hat im Verein mit den Palästinensern nicht bloss bei der Lufthansa die Hand aufgehalten, sondern auch bei der Swissair und bei den Japan Airlines (JAL). Es war ein Geschäft, nichts weiter: Wenn die Airlines bezahlten, wurden ihre Flugzeuge nicht entführt.

 Die Schweiz, die Bundesrepublik, auch Japan und die USA: Sie alle waren an einem geregelten Luftverkehr interessiert, und die Palästinenser brauchten das Geld, um neue Aktionen gegen Israel vorzubereiten. Der Vermittler Genoud war dabei gern behilflich.

 "Wenn ich schon nicht mit Gott im Einklang war, habe ich doch immer darauf geachtet, es mit den Schweizer Gesetzen zu sein", hat er noch kurz vor seinem Tod verkündet. Genoud legte grössten Wert darauf, niemals gegen die Gesetze seines Heimatlandes verstossen zu haben. Die Schweizer Behörden haben sich nicht daran gestossen, dass er Geld mit Nazi-Literatur verdient hat, dass er die Verteidigung von Klaus Barbie organisierte, des "Schlächters von Lyon", dass er als europäischer Agent des international gesuchten Terroristen Carlos wirkte und ihn in seinem jeweiligen Exilland besuchte.

 In der Schweiz lebte er gern unter seinesgleichen, ein Bürger unter Bürgern, ein Geschäftsmann, der seine Steuern entrichtete und sich deshalb alles erlauben konnte.

 Denn dieser Bürger war nicht nur Bürger, er war bekennender Nazi und er war Terror-Helfer. Die Polizei hat ihn ständig beobachtet und doch gewähren lassen.

 "Die Schweiz hat mir als Basislager gedient", meinte der fast 80-Jährige im Rückblick. François Genoud hatte allen Grund zur Heimatliebe: Ohne ihn an irgendetwas zu hindern, haben ihm die Schweizer Behörden bei seinem seltsamen Treiben ein Leben lang zugeschaut.

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 "ER WAR EIN GENIE, DIESER BURSCHE"

 So bewundernd spricht François Genoud (l.) von seinem Freund Wadi Haddad, Chef der Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP), die der Schweizer nicht nur finanziell unterstützte. 1970 jagte die Terrortruppe bei Zarqa in der jordanischen Wüste drei Passagierjets in die Luft, darunter eine Swissair-Maschine

 "DIE WAHRHEIT IST, ICH HABE HITLER GELIEBT"

 Bereits als 17-Jähriger lernte Genoud durch einen Geschäftsfreund seines Vaters Adolf Hitler persönlich kennen. Die Nazis faszinierten ihn (o. NSDAP-Parteitag). Er hielt dem Führer und seinen Schergen lange über das Dritte Reich hinaus die Treue: 1987 beschaffte Genoud das Geld für die Prozessverteidigung des Gestapochefs Klaus Barbie, des "Schlächters von Lyon" (r.)

 "TÖTET ALLE JUDEN!"

 1936 traf der 21-jährige Genoud erstmals den Mufti von Jerusalem - im Bild oben mit muslimischen SS-Freiwilligen - und machte dessen Schlachtruf zu seinem eigenen Kampf. Auch nach dem Krieg pflegte Genoud seinen Antisemitismus und seine Kontakte zu Nazigrössen wie dem Kampfflieger Hans-Ulrich Rudel (l.), der sich nach Südamerika absetzen konnte

 DER VIEL GEREISTE EHRENMANN

 In der Schweiz spielte Genoud den braven Bürger und weltläufigen Banker, der gerne unter seinesgleichen verkehrte. Seit 1934 wird er von der Bundespolizei beobachtet, aber nie ernsthaft behelligt. Buchautor Winkler weiss: "Genoud wird offensichtlich geschützt"

 GELD FÜR DIE TERRORISTEN VON KLOTEN

 1969 attackiert ein PFLPKommando in Kloten ein El-Al-Flugzeug. Israelische Sicherheitsleute erschiessen einen der Terroristen, die anderen werden verhaftet. Genoud organisiert das Geld für die Verteidigung der Palästinensertruppe. Am Prozess in Winterthur lernt er auch PFLP-Chef Haddad kennen.

 WER HILFT FRANÇOIS GENOUD?

 1972 hecken Genoud und sein Freund Haddad von der PFLP den Plan aus, eine Lufthansa-Maschine zu entführen und für die Freigabe - im Bild die freigelassene Crew - fünf Millionen Dollar zu erpressen. Ausgerechnet fünf Tage vor der Entführung bricht die Schweizer Polizei die jahrelange Überwachung von Genouds Telefon und Post ab

 DER SCHATTEN-MANN

 Willi Winkler Rowohlt, Fr. 33.90

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Landbote 29.1.11

Vom Skinhead zum Aufklärer

 Regina Speiser

 Er war Skinhead und Satanist, jetzt ist Philipp Frei Sozialarbeiter. Der Weg auf der Suche nach seiner Identität hilft ihm im Beruf: Die Jungen glauben ihm, dass "Veränderung möglich ist".

 Aufgewachsen ist Philipp Frei in einem Dorf in der Nähe von Olten: normale Kindheit, behütetes, linksorientiertes Elternhaus. Nach der Primarschule Übertritt ans Gymnasium. Seine Freunde kommen nicht mit. Er ist allein, will cool sein und männlich. Doch er ist "dick, brav, angepasst".

 Mit 13 Jahren rasiert er seinen Kopf kahl, zieht Springerstiefel und eine Bomberjacke an. Ein Bekannter macht ihn mit der rechtsextremen Szene bekannt. Endlich hat er das Gefühl von Stärke und Zugehörigkeit. Aber auch von Gruppendruck. Nachdem er dabei ist, als seine Schulfreunde zusammengeschlagen werden, steigt der 17-Jährige aus der Skinhead-Szene aus. Er ist wieder einsam und findet zu den Satanisten. Nun trägt er schwarze Lederstiefel und einen Ledermantel. Er bekommt Depressionen, hat Suizidgedanken. Als er mit einer Alkoholvergiftung ins Spital eingeliefert wird, fragt er sich: "Wars das?"

 Heute ist Philipp Frei verheiratet, Leiter der Offenen Jugendarbeit der Region Laufen, Fachstellenleiter Alkohol und Gewalt beim Blauen Kreuz und Mediensprecher der EVP des Kantons Solothurn. Der christliche Glaube war es, der ihm einst neue Ziele im Leben gegeben hat.

 "Junge sind keine Monster"

 Die Zuhörerinnen und Zuhörer des StadTalks lauschten am Donnerstagabend gebannt der Lebensgeschichte des jungen Mannes. Er erzählte flüssig, zuckte hin und wieder mit den Schultern, war fast schüchtern, wenn ihn Moderator Philipp Pfiffner mit einer Aussage konfrontierte.

 Frei ist sich Auftritte gewohnt. Er hat es sich zur Aufgabe gemacht, seine Geschichte und vor allem seinen Ausstieg aus der Skinhead- und Satanistenszene, publik zu machen. Er referiert auch in Schulklassen. Seine wichtigste Botschaft an Jugendliche: "Veränderung ist möglich." Seine wichtigste Botschaft an Erwachsene: "Nehmt die Jugendlichen ernst, zeigt Verständnis. Es sind keine Monster."

 Seine Eltern und sein Religionslehrer am Gymnasium hatten ihn immer "für voll genommen" und hätten ihn nie aufgegeben, sagt Frei. "Ich habe es sehr geschätzt, mit meiner Mutter über Gewalt sprechen zu können." Seine Eltern diskutierten auch mit seinen extremen Freunden. Sie sagten ihnen, ihre Haltung mache ihnen Angst. "Meine Eltern hatten den Mut, es zu thematisieren. Wir Jungen hatten ja eigentlich keine Ahnung, was wir machen. Wir skandierten Parolen, die wir irgendwo gelesen hatten. Und dies vor allem, um zu provozieren. Doch meine Eltern antworteten reflektiert, was uns zum Denken anregte."

 Philipp Frei suchte seine Identität, wollte "normal" sein, wollte sich verändern, doch bei seinem Ruf war das irgendwann schwierig. Er beschreibt sich als Schaf im Wolfspelz. Sein Religionslehrer habe das erkannt und ihn immer wieder ermuntert, in den Jugendgottesdienst zu kommen.

 Widerwillig ging er eines Tages hin und war überrascht, dass alle ihn so akzeptierten, wie er war. Genau das hatte er ja gesucht. Doch erst nach einer Alkoholvergiftung gelang ihm mit der Hilfe eines seelsorgerischen Beistandes der "Einstieg ins Leben". Ihm sei auf der Intensivstation klar geworden: "Wenn ich jetzt sterbe, hinterlasse ich nichts. Ausser meinen Eltern ist das wahrscheinlich allen egal."

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Südostschweiz 28.1.11

Sempacher Feier ohne Extremisten

 Die Sempacher Gedenkfeier soll keine Extremisten mehr anziehen. Die Luzerner Regierung plant deshalb eine Feier mit nationaler Ausstrahlung, jedoch ohne Umzug aufs Schlachtgelände.

 Von Ueli Bachmann

 Luzern. - In den letzten Jahren sorgte der Aufmarsch von Rechtsextremisten an der Sempacher Feier zum Gedenken an die Schlacht von 1386 immer wieder für Aufruhr. Später traten auch Linksradikale in Aktion. Das führte unter anderem dazu, dass 2009 das Polizeiaufgebot mit 300 000 Franken das Zehnfache der eigentlichen Feier kostete. Der Kanton Luzern sah sich daher veranlasst, auf dieses Jahr hin zur 625. Jubiläums-Gedenkfeier ein neues Konzept auszuarbeiten.

 Grosses Volksfest geplant

 Anders als auf dem Rütli, wo man die Rechtsextremen mit einem Ticket-System, aber auch mit einer schlichten Feier auf Distanz zu halten versucht, will Luzern in Sempach den umgekehrten Weg gehen. Die Regierung plant gemäss dem kürzlich präsentierten Konzept eine grosse Feier für die Bevölkerung mit Ausstrahlung auf die ganze Schweiz, die sie sich 330 000 Franken kosten lässt. Dazu kommen 56 000 Franken für ein Beschriftungskonzept und die Renovation des Morgenstöcklis.

 Zum Rahmenprogramm gehören neu ein Forum Geschichte mit drei Abendveranstaltungen, eine Jugend-Debatte sowie ein Open Air. Die eigentliche Gedenkfeier wird am 3. Juli durchgeführt und soll aus dem Jahrzeit-Gottesdienst und dem anschliessenden Morgenbrod bestehen, das in das Mittelalterfest in der Unterstadt überleitet. Verzichtet wird auf den Umzug auf das Schlachtgelände.

 Andere werden auch fehlen

 Mit diesen Massnahmen sei die Sempacher Feier für einen medienwirksamen Aufmarsch der Rechten nicht mehr attraktiv, hofft man in Luzern. Sicher ist für die diesjährige Feier in Sempach jedoch erst das Fehlen einer anderen "Gruppierung": Die Zunft zu Safran, die sich stets dagegen gewehrt hatte, dass man den Extremisten nachgibt, wird nach Angaben ihres Sprechers die eigene Feier am Gedenkstein auf einen anderen Tag verlegen.

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HOMOHASS
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24 Heures 31.1.11

Révolte

 Haidar, 14 ans, veut bannir l'homophobie des préaux

Marie Nicollier

 - L'adolescent lausannois est décidé à combattre les attaques visant les homosexuels à l'école

 Marie Nicollier

 Physiquement, il fait plus mûr que son âge. Et lorsqu'il s'exprime, on donnerait à Haidar Hussain la majorité les yeux fermés. Mais c'est un grand enfant de seulement 14 ans qui monte aux barricades pour faire la guerre à ce qu'il présente comme un fléau: l'homophobie en milieu scolaire.

 Ado très engagé, le Lausannois n'a pas hésité à prendre la parole lors du dernier Conseil des jeunes pour dénoncer le phénomène. "Les insultes type "pédé", "tapette", "enculé", "pédale", "gouine" ou "camionneuse", j'en entends tous les jours dans mon collège, raconte-t-il. Il y a un gros problème et personne ne réagit; j'ai l'impression que cette question est taboue. "

 Acculés par les brimades à un âge où assumer sa différence est déjà une lutte, certains de ses amis ont envisagé le suicide. "Et je ne compte pas les personnes isolées et mal dans leur peau, insiste-t-il. Ces attaques peuvent avoir de lourdes conséquences. "

 Le jeune Lausannois dresse un tableau sombre de la réalité des préaux, infiltrés par la "haine". "On pense généralement que c'est une déviance. Et si quelqu'un ose l'assumer, c'est encore pire, il s'en prend plein la figure. " Et de déplorer que certains de ses camarades assimilent homosexualité et pédophilie ou sont persuadés que la pratique est interdite par la loi. "A l'école, respecter les homos est considéré comme une véritable atteinte à la virilité", résume-t-il.

 Combattre l'ignorance

 Convaincu que la cause première de l'homophobie est l'ignorance, Haidar se tourne aujourd'hui vers le système éducatif pour renverser la vapeur.

 Une commission dévolue au sujet vient d'être mise sur pied sous sa houlette via le Conseil des jeunes. Son projet? "Deux à trois heures en 5e et 8e année où des professionnels passeraient dans les classes pour expliquer que l'homosexualité n'est pas une maladie ni un choix. Que c'est de l'amour, des sentiments. Et que l'homophobie est aussi ignoble que le racisme et que toute autre forme de discrimination. "

 Une idée tout à fait envisageable, estime l'enseignante et présidente de l'Association Mosaic-info, Elisabeth Thorens-Gaud, bien placée pour constater les ravages de l'homophobie chez les jeunes. "Je reçois régulièrement des e-mails de personnes rassurées par l'existence de l'association. Un message d'appel au secours, "SOS, aidez-moi!", m'a vraiment touchée. " Nommée récemment au poste d'attachée aux questions d'homophobie et de diversité pour Vaud et Genève, elle travaille actuellement au renforcement de la sensibilisation au sein des écoles(lire ci-contre).

 Doutes sur la prévention

 Sur le papier, la Fondation Profa est chargée d'aborder l'homosexualité dans les classes. Haidar tempère: "Je n'ai jamais entendu un mot sur le sujet. C'est le néant. "

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 Les choses bougent en haut lieu
 
Marie Nicollier

 Porté par une volonté politique de lutter contre les préjugés dont peuvent être victimes gays et lesbiennes en milieu scolaire, le canton planche actuellement sur une redéfinition de la place dévolue au traitement de l'homosexualité dans le cadre de l'éducation sexuelle. "Nous pensons que l'orientation sexuelle fait partie des thèmes incontournables qui doivent être abordés, réagit Serge Loutan, chef du Service de l'enseignement spécialisé en charge de la santé. Un groupe de travail rendra à la fin de l'année scolaire ses conclusions sur l'opportunité, la manière de le faire et à quel âge. "

 La nouvelle attachée aux questions d'homophobie et de diversité, Elisabeth Thorens-Gaud, participe aux débats. Elle relève qu'actuellement, Profa n'a pas toujours le temps de traiter le sujet. "Nous sommes en train de redéfinir ensemble ses prestations. Mais ce qui est sûr, c'est que dire à un directeur ou à un enseignant de mettre en place un cours sur l'homophobie, ça ne marchera pas. Il faut d'abord expliquer pourquoi il est important d'en parler, parce que la façon dont les personnes se situent par rapport au sujet joue également un grand rôle. Elles ne sont pas toujours à l'aise. "

 En parallèle de ce travail de fond, un concours d'affiches ouvert aux 16-25 ans sur le thème de l'homophobie a été lancé afin d'illustrer une campagne de prévention. Délai d'envoi des illustrations: 25   mars. "On compte beaucoup sur cette action pour permettre aux adolescents homosexuels de ne pas être victimes de leur sexualité", réagit Alain Bouquet, futur directeur de l'enseignement obligatoire vaudois. Il estime que le thème doit être abordé au moins une fois dans la vie d'un élève. "Par exemple lors d'une journée pédagogique ou avec un animateur de Profa. Et si un enfant est brimé à l'école, nous avons le devoir d'intervenir. "

 Note: http://www.mosaic-info.ch.

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Spiegel 31.1.11

AFRIKA
 
Jagd auf Homosexuelle

Schwule und Lesben leben gefährlich in Afrika. In Südafrika überfluteten Bürgerinitiativen vorige Woche die Server des Justizministeriums mit mehr als 140 000 Mails - als Protest gegen sogenannte korrigierende Vergewaltigungen. Um sie von ihrer sexuellen Orientierung abzubringen, hatte unlängst ein Nachbar die bekennende Lesbe Millicent Gaika fünf Stunden lang gefoltert und vergewaltigt. Solche Übergriffe sind in der männerdominierten südafrikanischen Gesellschaft nicht selten. Ein besonders brutaler Fall von Schwulenverfolgung wurde vergangenen Mittwoch im ugandischen Kampala bekannt: Dort wurde der Schwulen-Aktivist David Kato, 43, mit einem Hammer erschlagen. Dem Mord war eine Hetzkampagne des ugandischen Magazins "Rolling Stone" vorausgegangen: Das Blatt hatte mehr als 100 Homosexuelle geoutet, Kato sogar mit Foto, und die Schlagzeile "Hängt sie" gedruckt. Dagegen war er vor Gericht gezogen, es sprach ihm eine Entschädigung zu. Außerdem hatte er sich gegen ein geplantes Homosexuellengesetz engagiert, das die Todesstrafe für gleichgeschlechtlichen Verkehr vorsah. Zwar wurde es nicht verabschiedet, trotzdem gelten Homosexuelle in Uganda als Freiwild. Sie werden beleidigt, bedroht und verprügelt - so wie in vielen Ländern Afrikas. Die Regierungen schweigen dazu oder billigen die Übergriffe gar. In 37 Ländern auf dem Kontinent wird Homosexualität strafrechtlich verfolgt.

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NZZ 28.1.11

Kämpfer für Schwulenrechte ermordet

 (dpa) · In Kampala ist David Kato, einer der Vorkämpfer für die Gleichberechtigung Homosexueller, ermordet worden. Laut der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch war am Mittwoch ein Unbekannter in das Haus von David Kato eingedrungen; er tötete Kato mit zwei Schüssen in den Kopf. Human Rights Watch forderte die ugandische Polizei auf, den Fall gründlich und unvoreingenommen zu untersuchen. Homosexuelle Beziehungen sind in Uganda, wie in den meisten afrikanischen Ländern, illegal. Wer offen schwul oder lesbisch ist, riskiert nicht nur Diskriminierung, sondern auch Gewalt. Kato hatte erfolgreich Einspruch gegen einen Gesetzentwurf eingelegt, der unter anderem die Todesstrafe für sexuell aktive HIV-positive Homosexuelle vorsah. Er klagte auch gegen das ugandische Boulevardblatt "Rolling Stone", das vor kurzem Bilder bekennender oder angeblicher Homosexueller mit Namen und Adresse unter der Schlagzeile "Hängt sie auf" veröffentlicht hat.

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International Herald Tribune 28.1.11

Ugandan gay activist is beaten to death

 Police say motive was robbery, but friends insist he was victim of hatred

BY JEFFREY GETTLEMAN

 David Kato knew he was a marked man.

 As the most outspoken gay rights advocate in Uganda, a country where homophobia is so widespread that Parliament is considering a bill to execute gay people, he had received a stream of death threats, his friends said. A few months ago, a Ugandan newspaper ran an anti-gay diatribe with Mr. Kato's picture on the front page under a banner urging "Hang Them." On Wednesday afternoon, Mr. Kato was beaten to death with a hammer in his rough-and-tumble neighborhood.

 Police officials were quick to chalk up the motive to robbery, but the small and increasingly besieged gay community in Uganda suspects otherwise.

 "David's death is a result of the hatred planted in Uganda by U.S. evangelicals in 2009," Va! Kalende, the chairwoman of a Ugandan gay rights group, said in a statement. "The Ugandan government and the so-called U.S. evangelicals must take responsibility for David's blood." Mrs. Kalende was referring to visits in March 2009 by a group of American evangelicals, who held rallies and workshops in Uganda discussing how to make gay people straight, how gay men sodomized teenage boys and how "the gay movement is an evil institution" intended to "defeat the marriage-based society." The Americans involved said they had no intention of stoking a violent reaction. But the anti-gay bill came shortly thereafter.

 After growing international pressure and threats from a few European countries to cut assistance - Uganda relies on hundreds of millions of dollars of aid - Uganda's president, Yoweri Museveni, indicated that the bill would be scrapped.

 But more than a year later, that has not happened and the legislation remains a simmering issue in Parliament.

 On Thursday, Don Schmierer, one of the American evangelicals who visited Uganda in 2009, said Mr. Kato's death was "horrible." "Naturally, I don't want anyone killed, but I don't feel I had anything to do with that," said Mr. Schmierer, who added that in Uganda he had focused on parenting skills. He also said that he had received threats and more than 600 pieces of hate mail related to his visit.

 Many Africans view homosexuality as an immoral Western import, and the continent is full of harsh homophobic laws.

 In northern Nigeria, gay men can face death by stoning. In Kenya, gay people can be sentenced to years in prison.

 But Uganda seems to be on the front lines of this battle. Conservative Christian groups that espouse anti-gay beliefs have made great headway and wield considerable influence. Uganda's minister of ethics and integrity, James Nsaba Buturo, a practicing Christian, has said "homosexuals can forget about human rights." At the same time, U.S. organizations that defend gay rights have also poured money into Uganda to help the beleaguered gay community.

 In October, a Ugandan newspaper called Rolling Stone (with a circulation of about 2,000 and no connection to the American magazine) published an article that included photos and the whereabouts of gay people, including Mr. Kato.

 The paper said gay people were raiding schools and recruiting children, a belief that is quite widespread in Uganda and has helped drive the homophobia.

 Mr. Kato and a few other gay activists sued the paper and won. This month, Uganda's High Court ordered Rolling Stone to pay hundreds of dollars in damages and to cease publishing the names of people it said were gay.

 On Thursday, Giles Muhame, Rolling Stone's managing editor, said he did not think Mr. Kato's killing had had anything to do with what his paper had published.

 "There is no need for anxiety or for hype," he said. "We should not overblow the death of one." That one man was considered a founding father of Uganda's nascent gay rights movement. In an interview in 2009, Mr. Kato shared his life story, how he was raised in a conservative family where "we grew up brainwashed that it was wrong to be in love with a man." He was a high school teacher who had graduated from some of Uganda's best schools, and he moved to South Africa in the mid 1990s, where he came out. A few years ago, he organized what he claimed was Uganda's first gay rights news conference in Kampala, Uganda's capital, and said he was punched in the face and cracked in the nose by policemen soon afterward.

 Friends said that Mr. Kato had recently put an alarm system in his house and had been killed by an acquaintance, someone who had been inside several times before and was seen by neighbors on Wednesday.~ Mr. Kato's neighborhood is known as a rough one, and several people have recently been beaten to death with iron bars there.

 Judith Nabakooba, a police spokeswoman, said his death did not appear to be a hate crime, though the investigation has just started. "It looks like theft, as some things were stolen," Mrs. Nabakooba said.

 But Nikki Mawanda, a friend, who was born female and lives as a man, said: "This is a clear signal. You don't know who's going to do it to you." Josh Kron contributed reporting from Juba. Sudan.

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nzz.ch 27..1.11

Homosexueller Aktivist in Uganda ermordet

 David Kato im Kampala erschossen - Fahrer gilt als mutmasslicher Täter

 Der ugandische Homosexuellen-Aktivist David Kato ist ermordet worden. Die Ermittler gehen von einem Raubmord aus.

 David Kato, einer der führenden Kämpfer für die Gleichberechtigung Homosexueller in Uganda, ist in seinem Haus in der Hauptstadt Kampala   ermordet worden. Die Polizei nahm   den Fahrer des 46-jährigen als mutmasslichen Täter fest.

 Nach dem Hausdiener werde noch gefahndet, teilte ein Polizeisprecher mit. Die Ermittler gingen von einem Raubmord aus, da bei dem Festgenommenen mehrere Gegenstände aus Katos Haus gefunden wurden. "Die Tatumstände zeigen keine Hinweise auf seine Rolle als Aktivist bei der Organisation 'Sexuelle Minderheiten Uganda'", betonte er.

 Der Täter sei Mittwoch in das Haus von David Kato eingedrungen und habe den Juristen zweimal in den Kopf geschossen. Kato starb auf dem Weg ins Spital.

 Katos Tod sei ein "schmerzlicher Verlust für die Gemeinschaft der Kämpfer für Menschenrechte", sagte Maria Burnett, eine Afrikaexpertin von Human Rights Watch. Die Menschenrechtsorganisation forderte die Polizei auf, den Fall gründlich und unvoreingenommen zu untersuchen.

 Michelle Kagari, stellvertretende Afrikadirektorin von Amnesty International, sprach von einem "schockierenden Mord". Sie nannte das Schweigen der ugandischen Regierung zu schwulenfeindlicher und Hass verbreitender Rhetorik in der Öffentlichkeit des ostafrikanischen Landes besorgniserregend.

 "Nun ist mehr denn je die Zeit, den Ugandern zu versichern, dass die Behörden sie vor Drohungen und Gewalt schützen, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung."

 Diskriminierung und Gewalt

 Homosexuelle Beziehungen sind in Uganda, wie in den meisten afrikanischen Staaten, illegal. Wer offen schwul oder lesbisch ist, riskiert nicht nur Diskriminierung, sondern auch Gewalt.

 Kato hatte erfolgreich Einspruch gegen einen international kritisierten Gesetzentwurf eingelegt, der unter anderem die Todesstrafe für sexuell aktive HIV-positive Homosexuelle vorsah.

 Er klagte auch gegen das ugandische Boulevardblatt "Rolling Stone", das Ende vergangenen Jahres die Bilder bekennender oder angeblicher Homosexueller mit Namen und Adresse unter der Schlagzeile "Hängt sie auf" veröffentlicht hatte. Katos Bild war damals prominent auf der Titelseite abgedruckt worden.

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SEXWORK
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Sonntag 30.1.11

Einblicke

 Mit dem Stempel auf dem Strich

 Karl Lüönd, Publizist und Buchautor

 Bordellgesetze werden erwogen, auch im Kanton Luzern. Als edles Motiv wird der Schutz der sich prostituierenden Frauen vorgeschoben - Schutz vor Ausbeutung durch Zuhälter, vor den Zumutungen durch die Kundschaft, Minimalstandards für Hygiene und Sicherheit, denn Prostitution wird ja als ein Gewerbe wie jedes andere behandelt, juristisch jedenfalls. Schon jetzt sieht es so aus, als ob statt mehr Fairness und Sicherheit vor allem mehr Bürokratie erzeugt wird. Wenn ich lese, dass es für eine einschlägige Betriebsbewilligung neuerdings einen Businessplan brauche, sträuben sich meine Nackenhaare.

 Für Manifestationen der Bürokratie und der Doppelmoral hat sich das zwinglianische Zürich seit je besonders gut geeignet. Vor kurzem sind auch hier gleich zwei neue Beispiele auffällig geworden - und das Auffälligste daran war, dass die sonst so argwöhnischen und lustvoll moralisierenden lokalen Medien dazu nichts gesagt haben. Vermutlich haben sie es gar nicht gemerkt.

 Nach monatelangen Studien hat der städtische Polizeidirektor den Entwurf einer "Prostitutionsgewerbeverordnung" veröffentlicht. Sie atmet so richtig den Geist der aus Ratlosigkeit geborenen bürokratischen Heuchelei. Sie gibt vor, "die Bevölkerung besser zu schützen und den Prostituierten sicherere und bessere Arbeitsbedingungen zu bieten." Und was ist der Kernpunkt des neuen Verordnungswerks? Eine kostenpflichtige Bewilligung, "vergleichbar mit Taxistandplätzen", wie es erläuternd heisst. Und auch die Sexsalons werden inskünftig mit jährlichen Gebühren belastet, "ähnlich wie Gastgewerbebetriebe".

 Okay, Prostitutionist erlaubt und wird in dieser Lesart dem übrigen Gewerbe gleichgesetzt. Trotzdem dürfte es Taxifahrer und Wirte geben, die sich für den stadträtlichen Vergleich mit Nutten bedanken werden. Das Problem wird zwar nicht gelöst. Das Treiben der armen Frauen auf dem Strassenstrich wird die Anwohner weiterhin nerven, die Polizei wird weiterhin tun, was sie kann, und es wird sich nichts am Problem ändern. Aber die Stadt Zürich kassiert schon mal zusätzlich. Es wird mit einer halben Million Franken pro Jahr gerechnet.

 In der Hauptstadt des grossen Geldes ist sodann das Rennen um die Casino-Konzession losgegangen. Das Casino Baden will der Konkurrenz zuvorkommen und bewirbt sich neben vier anderen Gruppen um diese Erlaubnis zum Gelddrucken. 170 000 Besucher sollen jährlich 35 Millionen Franken liegen lassen, und es wird mit 230 neuen Arbeitsplätzen gelockt.

 Genau zwei Tage später wird bekannt, dass die Zürcher Kantonsregierung eine Fachstelle gegen Lotteriespielsucht einsetzen will, weil es gemäss plausiblen Schätzungen rund 21 000 Spielsüchtige im ganzen Kanton geben soll. Die neue Fachstelle wird nach allen Regeln der Sozialindustrie aufgebaut: zwei Abteilungen, Programme für Aufklärungsaktionen zuhanden von Schulen und Angehörigen, Präventionsschulung unter anderem für das Kioskpersonal (Ich höre schon die Kioskfrau vorwurfsvoll fragen: "Haben Sie sich das mit dem Lottozettel gut überlegt, Herr Häberli ...?") Das grösste Problem sei das Unwissen über die Spielsucht, lässt sich der "Beauftragte des Kantons Zürich für Prävention und Gesundheitsförderung" vernehmen.

 Ob er wohl richtigliegt? Oder ist das grösste Problem nicht vielmehr die beliebige Erreichbarkeit von Gelegenheiten zum Ausleben der Spielsucht? Oder anders gefragt: Welche Logik treibt unsere bis in die irrwitzigsten Details der Raucherbekämpfung konsequenten amtlichen Gesundheitswächter an, einerseits einen bürokratischen Apparat für die Spielsuchtprävention aufzubauen und sozusagen auf der anderen Strassenseite einen neuen Tempel der Spielsucht zu bewilligen?

 "Pecunia non olet" (Geld stinkt nicht) hat der römische Kaiser Vespasian gesagt, als ihm sein Sohn Titus wegen einer neuen Latrinensteuer Vorwürfe gemacht hatte. Im Jahre 2009 haben die Casinos Spielbankenabgaben in Höhe von 478 Millionen Franken abgeliefert. Da liegen ein paar schöne Alibi-Hilfs- und -Aufklärungsprogramme locker drin.

 Moral ist in der Tatetwas so Wichtiges, dass man sie am besten gleich doppelt hat.

 redaktion@zentralschweizamsonntag.ch

 Karl Lüönd (65) stammt aus Flüelen und wirkte anfänglich als regelmässiger Mitarbeiter für das damalige "Luzerner Tagblatt". Später war er unter anderem Mitglied der Chefredaktion des "Blicks" und Gründer der "Züri-Woche". Er lebt heute in Elsau ZH.

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Le Matin 29.1.11

"Il y a Moins de tabous en Suisse"

 ESCORT GIRLSMireille Darc a tourné à Genève un documentaire choc sur ces travailleuses du sexe. Elle raconte.

 Sabrina, 20 ans, Lisa, 40 ans, Lara, 25 ans. Ces trois escort girls de Genève témoignent dans le dernier documentaire de Mireille Darc. Intitulé "Pas sur la bouche", il sera diffusé dimanche soir sur France   3. L'ancienne actrice s'intéresse de près aux travailleuses du sexe. En 1994, "Brève rencontre" était consacré aux prostituées et, en 2005, "Une vie classée X" interrogeait des actrices pornos.

 • Vous avez déjà traité de la prostitution et du cinéma X. Le travail du sexe est un domaine qui vous intéresse tout particulièrement?

 Tout ce qui est tabou m'interpelle. On a un regard de mépris sur les femmes qui sont escorts aujourd'hui et qui étaient prostituées hier. Moi, cela m'intéresse d'aller vers elles pour savoir qui elles sont. Et en fait, elles sont tout le monde. Elles ont pris un chemin à un certain moment de leur vie, elles ont fait un choix.

 • Pourquoi vous êtes-vous intéressée au milieu des escorts?

 Parce que j'avais déjà traité le sujet il y a plus de dix   ans, mais d'une autre manière. A l'époque, je m'étais attaquée à la prostitution de rue. L'affaire Zahia a dû être un déclencheur pour France Télévisions qui m'a commandé ce documentaire. Et, maintenant, il y a l'affaire Berlusconi, ça fait bien sûr des accroches.

 • Vous avez filmé à Genève parce que c'est un haut lieu de l'escorting?

 A Genève, c'est plus facile de parler aux filles. Il y a moins de retenue en Suisse, moins d'interdit. Mais je ne pense pas que ce soit un haut lieu de l'escort. Il y a d'autres endroits. J'ai trouvé à Genève plus de facilité pour rencontrer ces filles. A la minute où ç'a été plus simple à Genève, j'y suis restée. Le but était de trouver des femmes d'accord de parler.

 • Est-ce que la Suisse est exemplaire dans sa politique envers ce métier du sexe?

 Je n'ai pas de jugement là-dessus. La Suisse a pris une position qui est la sienne et qui est intéressante. La France traite le proxénétisme, la Suisse n'y pense même pas.

 • L'escorting est-il différent de la prostitution?

 Oui. Déjà les tarifs ne sont pas les mêmes. Vous fixez des prix, vous fixez aussi ce que vous allez faire avec elle. Vous vous engagez à payer une prestation avant de savoir qui est la personne que vous allez voir.

 • A-t-il été facile de rencontrer ces femmes et ces hommes?

 Non, ce n'a pas été facile du tout. Ç'a été plus aisé en Suisse qu'en France. Chez vous, j'ai pu passer par les agences d'escorting.

 • Vous pensez que les escorts ont un rôle social à jouer?

 En Suisse, on sent beaucoup plus l'aspect association et le rôle des escorts dans la société. Dans mon documentaire, je parle de celle qui permet aux handicapés d'avoir une relation sexuelle. En France, une telle association ne serait pas possible, parce qu'elle deviendrait toujours proxénète. Je trouve important de s'occuper des handicapés.

 • Et quand on s'appelle Mireille Darc, les gens parlent-ils plus volontiers?

 Il n'y a pas que moi qui fais des documentaires, et les autres y arrivent aussi. Je pense que s'appeler Mireille Darc, ça aide les dix premières minutes.

 • Vous avez bientôt 20 ans de carrière en tant que documentariste, cela vous passionne toujours autant?

 Oui. C'est la richesse des rencontres. Je rencontre des femmes qui sont dans un mal-être. Quand je vais dans les prisons, je ne suis pas là pour les juger, je suis là pour les ressentir, pour comprendre où elles en sont et qu'est-ce qu'elles éprouvent. C'est de l'empathie, c'est une forme d'intérêt. Et j'ai beaucoup appris dans la vie à travers ces rencontres.é

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 À Genève, elles vendent leurs charmes pour 700 francs l'heure

 Fellations? Sodomie? Personnes handicapées? Lorsque Angelina et une amie se rendent dans un salon érotique à Genève, les deux aspirantes escorts doivent remplir un formulaire en cochant les pratiques qu'elles accepteront de faire. C'est une des scènes chocs du documentaire "Pas sur la bouche" de Mireille Darc, diffusé demain soir à 22 h 50 sur France   3. L'ancienne actrice a récolté les témoignages de plusieurs autres escorts. La plupart racontent un métier qu'elles ont choisi et qu'elles apprécient. En France, où débute le documentaire, les salons ou agences d'escorts sont interdits car cela est considéré comme du proxénétisme. Le chef de la brigade de répression du proxénétisme évoque la Suisse, qui est plus permissive. C'est ce qui a amené Mireille Darc à Genève pour rencontrer quelques escorts. La réalisatrice a eu raison. "Le canton de Genève compte 26 agences et 680 escort girls", relève Patrick Pulh, porte-parole de la police genevoise. Mais d'affirmer comme dans le documentaire que la Suisse est trop permissive, c'est aller trop loin selon lui. "Il y a une loi qui est très stricte. Notre système permet de contrôler les agences et d'éviter une clandestinité de la profession. " Dans une des plus grandes agences de la place, les escorts sont proposées au tarif de 700 fr. pour une heure. Son propriétaire pense que le système suisse est le bon. "Sans agences, il y a un danger qu'un système mafieux émerge. La fille peut aussi se retrouver dans plus d'insécurité. Lorsque quelqu'un appelle pour une escort, nous faisons des vérifications pour s'assurer que le client est fiable, par exemple. "

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tagesanzeiger.ch 28.1.11

"Es gibt tausend Gründe dafür, sich zu prostituieren"

Tina Fassbind

 In Zürich gehen vor allem Schweizerinnen auf den sogenannten Hausfrauenstrich. Die meisten prostituieren sich aus Geldnot. Andere wollen "einfach nur beachtet werden", sagt ein Kenner der Szene.

 Eine Mutter von zwei Kindern hat sich in Zürich über Jahre hinweg prostituiert und gleichzeitig Sozialhilfegelder bezogen. Während die Frau einen Schuldspruch wegen Betrugs akzeptiert hat, kämpft ihr Mann seit Montag vor dem Zürcher Obergericht für einen Freispruch. Er habe nicht gewusst, dass seine Frau auf dem Hausfrauenstrich anschaffte, macht er geltend. Das Urteil in dem Fall steht noch aus.

 In Zürich arbeiten zehn Prozent der Sozialhilfebetrügerinnen im Sexgewerbe (siehe Box). Der sogenannte Hausfrauenstrich ist ein bekanntes Phänomen. Trotzdem lässt sich nicht genau beziffern, wie viele Frauen dort anschaffen. Es existiert keine Statistik. "Der Hausfrauenstrich als solches ist nicht fassbar. Der Begriff steht allgemein für Frauen, die neben einem regulären Job noch Geld als Prostituierte verdienen", erklärt Rolf Vieli, Leiter des städtischen Projekts "Langstrasse Plus".

 Die Freier gehen ins Netz

 Auch örtlich lässt sich der Hausfrauenstrich nicht festlegen. Auf die Strasse gehen die wenigsten Frauen. Vielmehr mieten sich einige von ihnen ein Zimmer, um die Freier zu bedienen. Oder sie gehen in den eigenen vier Wänden dem Nebenerwerb nach. Angeworben werden die Männer in Zeitungsinseraten oder übers Internet.

 Schliesslich gibt es auch jene Frauen, die Teilzeit in einem Sex-Club arbeiten. So zum Beispiel im Saphir an der Zweierstrasse im Kreis 3. "Es sind vor allem Schweizerinnen oder Frauen, die schon länger hier leben, die sich bei uns etwas Taschengeld dazuverdienen. Sie wollen sich beispielsweise Ferien oder ein schönes Geschenk für die Kinder leisten", sagt Geschäftsleiter Bruno Meier auf Anfrage.

 "Die Frauen wollen begehrt werden"

 Die Moralvorstellungen hätten sich eben verändert, so Meier. "Frauen sind heute freier. Die sexuelle Revolution hat schliesslich stattgefunden." Es komme aber auch vor, dass die Frauen durch diese Arbeit Bestätigung suchen und Selbstzweifel aus dem Weg räumen möchten. "Sie wollen begehrt werden - oder einfach nur beachtet. Das ist wichtig für ihr Selbstwertgefühl."

 Rolf Vieli sieht das anders. Ihm sind vor allem Fälle von Frauen bekannt, die von ihrem Mann verlassen wurden und nun nicht genug Geld haben, um die Familie durchzubringen. "Sie prostituieren sich aus einer finanziellen Notlage heraus - oft auch vor Weihnachten."

 Jede Prostituierte eine Hausfrau

 "Es gibt tausend Gründe dafür, sich zu prostituieren", meint Regula Rother von der Zürcher Stadtmission. "Vielleicht machen es die Frauen aus einer momentanen Geldnot heraus oder sie haben einfach Lust auf viel Sex." Für Rother stellt sich in diesem Zusammenhang auch die Frage, wo Prostitution beginnt: "Ist es bereits Prostitution, wenn man für Sex ein neues Handy bekommt?" Der Graubereich sei somit gross und die Grenzen fliessend.

 Auch Doro Winkler, Mediensprecherin der Fachstelle Frauenhandel und Frauenmigration FIZ, kennt zahlreiche Formen der Gelegenheitsprostitution. "Das können Hausfrauen sein aber auch Studentinnen oder Angestellte. Alle Facetten sind da möglich. Man hat ein falsches Bild von den Sexarbeiterinnen. Ihr Leben besteht nicht nur aus Arbeit - und wahrscheinlich ist jede Prostituiert auch eine Hausfrau."

 Doppelbelastung für die Prostituierten?

 Das Umfeld wisse allerdings oft nichts von der Sexarbeit dieser Frauen, so Winkler. Daher sei es für die FIZ vor allem wichtig, unter welchen Bedingungen eine Prostituierte anschaffe. "Wenn die Prostituierten auch als Hausfrau arbeiten, dann könnte man zum Beispiel über die Doppelbelastung sprechen, der sie dadurch ausgesetzt ist."

 Von Doppelbelastung oder sogar Zwang könne bei den Frauen im Saphir-Club keine Rede sein, beteuert Bruno Meier. "Wer in meinem Club arbeitet, ist nicht traurig oder unzufrieden. Das würde der Gast auch merken. Bei uns geht es gut zu und her." Natürlich würden auch die Prostituierten vom Saphir nicht herumerzählen, wo sie arbeiten. "Aber sie können es mit ihrem Gewissen vereinbaren. Bei uns arbeiten nur Frauen, die hier arbeiten wollen."

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"Wenn mir einer nicht gefällt, schliesse ich die Augen"

Tina Fassbind

 In Zürich schaffen zahlreiche Hausfrauen an, wie diese Woche ein Fall vor Gericht zeigte. Auch im Petite Fleur: Ein Besuch im ersten amtlich bewilligten Bordell der Schweiz, das unter neuer Leitung steht.

 Die Einladung vor dem Eingang ist eindeutig: "Bumsen und Blasen". Ein Pfeil zeigt in die Richtung, wo solche Dienstleistungen angeboten werden. Fünf Franken muss man einwerfen, um durch das Drehkreuz hindurch ins Petite Fleur zu gelangen - ins erste amtlich bewilligte Bordell der Schweiz.

 Seit 1. November 2010 leitet Frank Singer das Etablissement am Mythenquai 386 in Zürich-Wollishofen, nachdem der vorherige Besitzer bei einem Motorradunfall ums Leben kam. Singer kommt aus Hamburg. 25 Jahre arbeitet er bereits im Milieu. Er hat das Petite Fleur für 15 Jahre gepachtet und Grosses vor. "Wir werden die Bar des Hauses, die ein Jahr lang geschlossen war, im März wieder eröffnen."

 Auch das restliche Haus soll in den kommenden Monaten saniert werden. Rund 100'000 Franken will Singer investieren, damit alles auf den neusten Stand gebracht wird. "Die Mädchen werden in dieser Zeit weiterarbeiten. Eine Umbaupause können wir uns nicht leisten." Die Konkurrenz sei eben gross in der Stadt - insbesondere wegen des Strassenstrichs. "Wir müssen gute Dienstleistungen erbringen, damit die Kunden weiterhin zu uns kommen."

 Die Ehemänner wissen nichts

 Diese Dienstleistungen erbringen derzeit 18 Frauen im Alter von 18 bis 40 Jahren. "Es kommt auch vor, dass sich Hausfrauen bei uns prostituieren. Der Ehemann weiss meistens nichts davon", sagt Singer. "Sie bleiben selten lange bei uns. Meist sind sie nach zwei, drei Tagen wieder weg."

 An diesem Nachmittag ist allerdings gerade nicht viel los. In der Küche des Bordells sitzen drei Mädchen in Reizwäsche und trinken Kaffee. Die 26-jährige Marie arbeitet schon seit drei Monaten im Petite Fleur. Das ist eine lange Zeit. Durchschnittlich bleiben die Frauen nur drei bis vier Wochen und ziehen dann weiter oder reisen zu ihren Familien zurück. "Es ist sehr angenehm, hier zu arbeiten", erklärt die Österreicherin. "Es ist sauber und wir sind sicher."

 "Wer Sex nicht mag, kann das nicht machen"

 Marie prostituiert sich schon seit sechs Jahren. "Wenn man Sex nicht mag, kann man den Job nicht machen", sagt sie. Die 20-jährige Nicole und die 23-jährige Kelly pflichten ihr bei. Die Mädchen bestimmen den Preis für ihre Dienstleistungen selbst. Durchschnittlich verlangen sie 100 Franken für eine Viertelstunde. "Aber wenn wir einen Mann nicht wollen, können wir jederzeit Nein sagen", fügt Nicole hinzu.

 240 Franken Miete pro Tag

 Allzu oft liegt ein Nein allerdings nicht drin. Die Zimmer werden für 240 Franken vermietet. Pro Tag. Insgesamt gibt es 20 Zimmer im Petite Fleur, die von Prostituierten genutzt werden können - ein einträgliches Business für Betreiber. "Ja, wenn alle Zimmer belegt sind und immer voll bezahlt wird", wendet Singer ein. "Wenn die Feiertage vorüber sind, müssen die Kunden den Gürtel enger schnallen. Dann läuft das Geschäft schlecht. Doch bevor ein Mädchen gestresst ist, weil es die Miete nicht zahlen kann, geben wir ihm lieber einen Rabatt oder erlassen die Miete mal. Schlechte Laune bemerkt der Kunde."

 Singer ist sehr darauf bedacht, dass das Image stimmt. Auch sein eigenes. Und der Eindruck, den man beim Beobachten der Gespräche zwischen den Prostituierten und Singer erhält, entspricht so gar nicht jenem des harten und ausbeuterischen Bordellbetreibers. Die Mädchen machen Spässe mit ihm, nennen ihn bei seinem Spitznamen. "Wir sind hier wie eine Familie", sagt Marie, "manchmal hat man trotzdem Knatsch und Zickenterror gibts auch."

 "Die Schweizer wollen nicht nur Blümchensex"

 Grundsätzlich erlebt Singer die Schweizer Kunden als sehr angenehm. "Die Schweizer sind freizügiger als die Deutschen. Sie reden offener über ihre Fetische und wollen nicht nur Blümchensex." Der Blick in die Zimmer der Mädchen offenbart denn auch ein Sammelsurium von Sextoys, Dessous, Augenbinden, Peitschen und Knebeln.

 Rund 15 Quadratmeter gross sind die Räume, in denen die Frauen nicht nur die Männer befriedigen, sondern auch leben. Nicole hat es sich mit ein paar persönlichen Gegenständen etwas gemütlicher eingerichtet. Dass sie im gleichen Bett schläft, in dem sie die Freier bedient, stört sie nicht weiter. "Es ist, wie wenn man jemanden kennen lernt, ein wenig mit ihm plaudert und dann halt noch Sex mit ihm hat", meint sie, "und wenn mir einer nicht gut gefällt, dann schliesse ich eben die Augen. Das hilft und den Mann stört es nicht."

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PETER PAUL ZAHL
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WoZ 27.1.11

Und ausserdem

 Peter-Paul Zahl ist tot

 Von Daniel Ryser

 Eigentlich war vorgesehen, dass ich jetzt auf Jamaika bin, um zwei Wochen lang dem Schriftsteller Peter-Paul Zahl in seinem Haus in Long Bay zuzuhören - um dann für die WOZ die Geschichte seines Lebens aufzuschreiben.

 Zahl war Schriftsteller, verurteilter Plakatdrucker (ein 1970 von RAF-Mitglied Holger Meins gestaltetes Plakat, das er gedruckt hatte, war den Behörden nicht genehm). Mit Günter Wallraff war Zahl in den sechziger Jahren Mitglied der Schriftstellervereinigung Gruppe 61, die sich zum Ziel gesetzt hatte, schriftstellerisch tätigen ArbeiterInnen Zugang zu Verlagen und Feuilletons zu verschaffen. Für seinen Kriminalroman "Der schöne Mann" wurde Zahl 1995 mit dem Friedrich-Glauser-Preis ausgezeichnet. Seinen ersten Preis, jenen der Rudolf-Schröder-Stiftung, erhielt er 1980. Damals sass Zahl im Gefängnis. Als Mitglied der Gruppe "Up against the wall, motherfuckers!" hatte er zur Zeit des Vietnamkriegs schwarzen GIs aus Berliner Kasernen die Flucht nach Schweden organisiert - zusammen mit dem 1974 von der Polizei erschossenen Filmemacher und Revolutionär Werner Sauber, Bruder des Formel-1-Rennstallbesitzers Peter.

 Als die Sache immer irrer wurde, das Klima härter, die Altnazis im Apparat und die revoltierenden StudentInnen mit voller Wucht aufeinanderprallten, schoss Zahl 1972 einen Polizisten nieder. Dafür wurde er zuerst zu vier Jahren Freiheitsentzug wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt, später zu fünfzehn Jahren wegen Mordversuch. Die Zweitverurteilung führte zu einer der grössten Kontroversen in der Geschichte der deutschen Justiz. Die einen sahen in ihm einen Killer, Freunde und zahlreiche Fürsprecher bis ins liberale Lager waren der Meinung, Zahl sei Opfer eines Gesinnungsurteils. 1982 vorzeitig entlassen, wanderte Zahl nach Jamaika aus, wo ihm 2002 kurzzeitig die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt wurde   - damals war der Grüne Joschka Fischer Aussenminister Deutschlands.

 In seiner Wahlheimat sollte ich Zahl vom 14. bis 30. Januar treffen. Kurzfristig verschob er   - "es ist viel los, und ich fühle mich nicht so gut" - auf März. Peter-Paul Zahl starb am 24. Januar mit 66 an Krebs.

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UNDERCOVER
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Süddeutsche Zeitung 28.1.11

Feuer und Flamme für die Polizei

 Der britische Ermittler Mark Kennedy spionierte jahrelang die linke Szene in Deutschland aus und nahm sogar an illegalen Aktionen teil

Von Hans Leyendecker

 München - Schulterlange Haare, die zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden sind, die Arme stark tätowiert, hochgereckter Daumen - nicht nur auf Fotos sieht der Brite Mark Stone sehr zupackend aus. In der militanten Umweltszene Europas stand der heute 41-jährige im Ruf, Feuer und Flamme für die Bewegung zu sein. Stone hängte Protestbanner an Kräne, blockierte Züge und Straßen und wenn es Randale gab, war er mittenmang. Doch der Name war so falsch wie der ganze Kerl. In Wirklichkeit heißt der Mann Mark Kennedy; er war verdeckter Ermittler (VE) einer britischen Spezialeinheit und spionierte mindestens sieben Jahre lang linke Gruppen in Europa aus - auch in Deutschland.

 Über die deutschen Auftraggeber des Undercover-Agenten berichtete Jörg Ziercke, Chef des Bundeskriminalamtes (BKA), am Mittwoch in einer vertraulichen Sitzung des Innenausschusses des Bundestages. Nach Angaben des BKA-Chefs ist Stone alias Kennedy vor dem G8-Gipfel in Heiligendamm von den mecklenburgischen Sicherheitsbehörden angefordert worden. Wie in solchen Fällen üblich, sei ein Vertrag zwischen dem Land und den Briten geschlossen worden. Der verdeckte Ermittler. habe sich verpflichtet, keine Straftaten zu begehen und über seine Arbeit für die deutschen Behörden einen Bericht zu fertigen. Ahnlich sei es in Baden-Württemberg gewesen. Auch für einen Einsatz im Ländle sei der Polizist angefordert worden und ein Vertrag sei auch unterschrieben worden. In Berlin war Stone/Kennedy zur Stippvisite. Aus den Angaben Zierckes schlossen einige Parlamentarier im Ausschuss, es müsse sich eher um einen touristischen Abstecher des Ermittlers gehandelt haben. Einen Vertrag mit den Berliner Behörden hat der VE nicht geschlossen.

 Kennedy war ein Reisender in Sachen Ausspähung der Linken und der alternativen Szene. Von 2002 bis 2009 soll er in mehr als zwanzig Ländern im Einsatz gewesen sein. So nahm er unter anderem auch an Protestaktionen in Spanien und in Island teil. Bei den üblichen Besetzungen von Kraftwerken kletterte er ganz vorneweg und er soll auch ein Meister darin gewesen sein, sich ganz fest anzuketten.

 Grenzüberschreitende Aktionen verdeckter Ermittler sind in Europalltag geworden. Manche von ihnen arbeiten für Zollfahndungsdienste, andere für die Polizei im Bereich der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität. Verlässliche Angaben darüber, wie viele verdeckte Ermittler im Bereich des Staatsschutzes spionieren oder provozieren, gibt es nicht.
 Bekannt ist aber, dass auch deutsche verdeckte Ermittler im Ausland wirken. Ein hochrangiger Berliner Sicherheitsbeamter erklärt, beim G8-Gipfel in Heiligendamm sei eine "Internationale der VE im Einsatz gewesen". Aus "einem halben Dutzend" Ländern seien Spezialisten vom Kaliber des Briten angefordert worden. Die Beamten sollen. so steht es in den Vorschriften, von zwei Beamten beim Einsatz geführt werden. Der eine kommt, wie es im Fachjargon heißt, aus dem Herkunftsland, der andere aus dem Zielland - in diesem Fall Mecklenburg-Vorpommern. Im Fall des britischen Spezialisten soll allerdings kein deutscher Führungsbeamter eingeschaltet worden sein.

 Die Szene der verdeckten Ermittler ist, ebenso wie die Protestbewegung, internationaler geworden. Früher pinselten solche Ermittler Transparente für die Evangelische Studentengemeinde oder überwachten Nicaragua-Arbeitskreise der Kirche. Sie sprachen oft nur Dialekt, hatten keine Fremdsprachenkenntnisse.
 Anfang der neunziger Jahren beispielsweise wurden zwei verdeckte Fahnder des Landeskriminalamts Stuttgart enttarnt, die über Jahre versucht hatten, in Tübingen, Freiburg, Stuttgart und Karlsruhe in linke politische Zirkel einzudringen - die Spätzle-Connection hießen sie.
 In Baden-Württemberg gibt es offenbar eine Tradition der politischen VE-Spitzel. Erst neulich flog in Heidelberg ein "Simon Brenner" - auf, der beim Erstsemestergrillen der Netteste war und gern mit den anderen zu Demos fuhr. Er arbeitete in Stuttgart für die Abteilung "Verdeckte- Ermittlungen - Staatsschutz".

 Die Verträge mit den verdeckten Ermittlern sind manchmal die Tinte nicht wert. "Übertreibungen" seien an der Tagesordnung, sagt ein Ermittler, und die Zusicherung, keine Straften zu begehen, stehe oft auch nur  auf dem Papier. Kennedy hat in Heiligendamm an einer Straßenblockade teilgenommen und Ordnungskräfte notierten damals seine Personalien. Ein Verfahren bekam er nicht. Am Rosenthaler Platz in Berlin soll er 2007 auf einer Fahrbahn Papier aus einem Müllcontainer angezündet haben. Ein Verfahren wegen Sachbeschädigung wurde nach Paragraph 153 a der Strafprozessordnung gegen Geldauflage eingestellt. Ziercke berichtete im Ausschuss auch knapp über das sehr ausschweifende Sexualleben des verdeckten Ermittlers. Ahnliche Beschreibungen gibt es auch aus anderen Staaten.

 Der Mann mit dem Pferdeschwanz hat sich die Haare ordentlich kurz schneiden lassen und soll in die USA geflüchtet sein. Einer britischen Zeitung teilte er mit, seine Welt sei zerstört: "Ich habe keine Freunde mehr. Sie gehörten alle zu der Aktivistenbewegung".

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EUROPOL
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Newsnetz 27.1.11

Europa

 "Die Anarchisten sind in Europa auf dem Vormarsch"

Monica Fahmy, Jan Derrer

 Anschläge islamistischer Terroristen und Anarchisten beschäftigen Robert Wainwright ebenso wie Drogen- und Menschenhandel. Der Europol-Direktor erzählt , was hinter den Kulissen läuft.

 Herr Wainwright, der Auftakt des WEF wurde vom Terroranschlag in Moskau überschattet. Für wie gross schätzen Sie heute die Terrorgefahr in Europa ein? Leider war ich nicht überrascht vom Anschlag. Seit den Anschlägen in London und Madrid hatten wir in Europa keinen grösseren Anschlag mehr. Die Öffentlichkeit hat sich in falscher Sicherheit gewogen, dabei ist die Terrorgefahr in Europa noch sehr real. Letztes Jahr und dieses Jahr wird und wurde gegen viele gefährliche Terrorzellen in Europa ermittelt. Solche Anschläge zu verhindern, ist leider nicht immer möglich.

 Flughäfen, Bahnhöfe, öffentliche Plätze, Kinos, Theater, überall könnten Terroristen zuschlagen. Wie sicher können wir überhaupt sein? Wir müssen das Gleichgewicht finden zwischen dem Schutz der Bürger und ihrem Recht auf Freiheit. Wir dürfen nicht überreagieren, um unsere Werte nicht zu gefährden. Gleichzeitig ist die Informationsgewinnung äusserst wichtig, um Terroristen und organisierte Kriminelle aufzuspüren und ihnen zuvorzukommen. Hier spielen internationale Organisationen wie die European Police Agency eine grosse Rolle, indem sie transnational Informationen sammeln, mit einigem Erfolg. Normalerweise erfährt die Öffentlichkeit gar nicht, wie viele Terroranschläge schon verhindert werden konnten.

 Der islamistische Terror ist in aller Munde. In Rom und Griechenland sahen wir das Werk von Anarchisten. Von wie vielen potenziellen Terroristen reden wir eigentlich? Es ist schwer, genaue Zahlen zu nennen. Immer wieder werden Terroristen in Afghanistan, Pakistan und Teilen Ostafrikas radikalisiert. Was die Anarchisten betrifft, sie sind definitiv auf dem Vormarsch, ausgelöst durch die Finanzkrise. Die Zahl der Anschläge hat sich im letzten Jahr im Vergleich zum Vorjahr beinahe verdoppelt. Ihre Aktivitäten sind auf drei europäische Länder konzentriert: Griechenland, Italien und Spanien. Zwischen diesen drei Ländern tauschen sich gewaltbereite Aktivisten ständig aus. Die Anarchisten geben uns Grund zur Sorge, doch sie haben immerhin noch nicht die Mittel, spektakuläre Anschläge wie die von al-Qaida auszuführen.

 Gegen den islamistischen Terror wird seit Jahren gekämpft. Mit Erfolg? Wie ich sagte, die geheime Arbeit der Nachrichtendienste und Polizeien in Europa und den USA war sehr erfolgreich. Man kann nicht jeden Anschlag verhindern, ausser man verändert die Gesellschaft. Ein irischer Terrorist sagte mal: Regierungen müssen immer Glück haben, Terroristen nur einmal, um einen grossen Impact zu haben und den Tod vieler zu verursachen, wie wir es in Moskau gesehen haben.

 Sprechen wir von organisierter Kriminalität: Wie hat sie sich in jüngster Zeit verändert? Früher gab es die Yakuza, die Mafia, die grossen Drogenkartelle. Hierarchische Organisationen, die einfach zu erkennen und daher auch zu bekämpfen waren. Was wir heute sehen, sind dynamische, neue Unternehmer, flexibel, agil, sie arbeiten weltweit mit anderen zusammen. Die heutige organisierte Kriminalität hat jeden Bereich der Gesellschaft durchdrungen.

 Wo orten Sie im Kampf gegen das organisierte Verbrechen die grössten Herausforderungen? Im Menschenhandel, Drogenhandel, in der Internetkriminalität? Die grösste Herausforderung ist die Öffentlichkeit davon zu überzeugen, dass die Bedrohung durch organisierte Kriminalität grösser ist, als man denkt. Im weltweiten Drogenhandel werden mindestens hundert Milliarden Dollar umgesetzt, Schmuggler bringen zunehmend Kokain und Heroin nach Europa. Der zunehmende Konsum hat eine Auswirkung auf die ganze Gesellschaft. In der EU haben wir 300'000 Opfer von Menschenhandel, darunter viele Kinder. Kinder, die für den sexuellen Missbrauch durch halb Europa geschleust werden. Dann haben wir das grosse Feld der gefälschten Produkte, darunter gefälschte Medikamente. Der Bankensektor ist von der organisierten Kriminalität betroffen. Eine weitere Herausforderung ist das Internet, welches organisierten Kriminellen wunderbare Möglichkeiten bietet.

 Die da wären? Sie können die Bürger direkt angehen. Sie können riesige Ressourcen aus der legalen Ökonomie abziehen. Letztes Jahr allein haben Kriminelle online im Wert von hundert Milliarden Euro betrogen. In Europa. Die Steuern auf diese hundert Milliarden fehlen den Regierungen, sie könnten das Geld in die zivile Infrastruktur investieren, was gerade in Zeiten finanzieller Krise dringend nötig wäre. Es braucht einen konzentrierten Ansatz, um die organisierte Kriminalität zu bekämpfen. Meine Botschaft hier in Davos an die Wirtschaftsführer der Welt ist, es braucht eine engere und produktivere Allianz der Industrie mit den Strafermittlern.

 Organisiertes Verbrechen reicht aber oft bis in die obersten Stufen der Politik und Wirtschaft. Was, wenn mancherorts der Wille zur Bekämpfung fehlt? Wir brauchen starke Leader. In der Wirtschaft, der Politik und in der Gesellschaft. Menschen, die die Bedrohung erkennen und etwas dagegen tun. In fast allen Ländern der Welt existiert Korruption bis in die höchsten Ebenen der Regierung und Strafverfolgung hinein. Dann gibt es die Hotspots in Teilen Afrikas, Asiens und der Sowjetunion. Westafrika etwa ist eine der neuen Transportrouten für Kokain aus Lateinamerika. Organisierte Kriminelle aus Lateinamerika haben ihre Stellung gefestigt, indem sie Offizielle in den Ländern bestochen haben. Wir arbeiten aber eng mit den Strafverfolgern in den Ländern und in den Ursprungsländern der Drogen zusammen. Seit kurzem haben wir etwa ein Abkommen mit Kolumbien, das uns einen guten Informationsaustausch erlaubt. Unser Trumpf ist die internationale Zusammenarbeit.

 Wie gut ist sie mit der Schweiz? Die Schweiz ist kein Mitglied der EU und daher nicht Europol-Mitglied. Aber wir arbeiten sehr eng zusammen. Seit Jahren haben wir ein bilaterales Abkommen. Verbindungsoffiziere von Fedpol arbeiten bei uns im Hauptquartier. Sie sind Teil unseres Teams, unserer Familie. Sie sind sehr aktiv. Allein letztes Jahr haben die Schweizer 200 neue Ermittlungsfälle ins Rollen gebracht. Zweihundert grosse Fälle im Drogenhandel, in der Geldwäscherei und anderem. Was die Geldwäscherei betrifft, da hat die Schweiz natürlich das Bankgeheimnis.

 Mit anderen Worten, gerade was Geldwäscherei und Banken betrifft, könnte die Zusammenarbeit besser sein. Sie könnte besser sein. Das könnte sie aber in ganz Europa sein. Der Austausch finanzieller Daten ist beim Kampf gegen Kriminalität und Terrorismus auf höchster Ebene enorm wichtig. Die finanziellen Daten helfen uns, die Verbrecher einzukreisen, Beweise gegen sie zu sammeln. Und wenn das Vermögen von Kriminellen gesperrt wird, schmerzt es sie am meisten, mehr noch, als wenn sie ins Gefängnis müssen.

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ANTI-ATOM
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Bund 31.1.11

Meinungen

 Tribüne "Rückzug der BKW" aus neuen erneuer- baren Energien ist frei erfunden.

 Wieso BKW-Tochter Ziele nicht erreicht

Martin Pfisterer

 Im Vorfeld der Mühleberg-Abstimmung werden naturgemäss politische Positionen vertreten. Das ist richtig und gut so. Wichtig für eine umfassende Meinungsbildung ist, dass neben der politischen Argumentation auch die Fakten auf den Tisch kommen. Diesbezüglich leistet die BKW FMB Energie AG als von der Abstimmung betroffene Unternehmung ihren Beitrag zur sachgerechten Diskussion.

 Nur über Positives berichten?

 Die Bedeutung einer sachgerechten Diskussion zeigt sich mit aller Deutlichkeit am wichtigen Thema der neuen erneuerbaren Energien (NEE). Die BKW hat die Medien zu Jahresbeginn - so wie sie dies seit 19 Jahren tut - über ihre NEE-Tätigkeiten des Vorjahres informiert. Das passte nun offenbar gewissen Leuten nicht. Insbesondere scheint nicht zu passen, dass die BKW nicht nur über positive Entwicklungen berichtete, sondern auch über Schwierigkeiten und Hindernisse.

 Was in den Vorjahren als Botschaft aufgenommen wurde, durfte dieses Jahr wegen der bevorstehenden Mühleberg-Abstimmung wohl nicht gesagt werden. Es geht offenbar um eine da und dort nicht gern gehörte Botschaft.

 Die Botschaft schien derart zu stören, dass sie von einzelnen Medien verdreht wurde, mitunter gar wider besseres Wissen. Die BKW sagte, sie könne wegen zunehmenden Widerstands und wegen schleppender Verfahren ihre NEE-Ziele in der Schweiz bis 2030 nicht erreichen. Daraus wurde der Vorwurf konstruiert: Die BKW "will" ihre Ziele nicht erreichen. Der "BKW-Rückzug aus den neuen erneuerbaren Energien" jedoch ist frei erfunden. Nie hat die BKW so etwas bekannt gegeben.

 Im Gegenteil. Die BKW hat ihr Engagement und ihre führende Stellung mit der Inbetriebnahme von 80 neuen NEE-Anlagen im Jahr 2010 stark ausgebaut. Sie hat auch gesagt, dass vier von fünf dieser Anlagen im Ausland liegen, und hat die Gründe dafür genannt.

 Rascherer Ausbau im Ausland

 Insgesamt hatte die BKW Ende Dezember 2010 in der Schweiz sowie in Italien und Deutschland 198 (plus 68%) Wind-, Wasser-, Biomassen- und Sonnenkraftwerke in Betrieb. Die gesamte Leistung der Anlagen ist auf 287 Megawatt (plus 102%) angestiegen, und dieser Ausbau konnte zu einem grossen Teil mit Windenergie in Deutschland (plus 247%) und Italien (plus 87%) erzielt werden.

 Der Ausbau der NEE kommt im In- und Ausland allerdings unterschiedlich rasch voran. In gut geeigneten, wenig überbauten Regionen von Italien und Deutschland lassen sich NEE-Vorhaben in der Regel dank aktiver Unterstützung und zentraler Verfahrensleitung der Behörden zügig realisieren.

 Verschleppte Verfahren

 In der Schweiz wird die Projektrealisierung wegen zunehmender Widerstände, wegen oft fehlender raumplanerischer Vorgaben und wegen schleppender, auf den drei Stufen von Bund, Kantonen und Gemeinden nicht koordinierter Planungs- und Bewilligungsverfahren immer schwieriger und zeitraubender.Ändern lassen sich die Bewilligungsabläufe aber hierzulande offenbar nicht. So erklärte der Bundesrat am 24. Februar 2010 auf einen parlamentarischen Vorstoss hin, dass sich in der Schweiz die Bewilligungsverfahren aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit und des Föderalismus nicht straffen und beschleunigen liessen.

 Widerstand in der Schweiz

 Wenn nun aber die konkrete Projektumsetzung in allen Landesteilen auf zunehmenden Widerstand stösst und wenn die politische Kraft zur straffen und beschleunigten Verfahrensabwicklung fehlt, so können die rund 80 BKW-Spezialisten das in der Schweiz angestrebte Mengenziel von einer Terawattstunde (1 Mrd. Kilowattstunden) bis zum Jahr 2030 auch nicht erreichen. Dies, obwohl die BKW dafür eine Milliarde Franken bereitgestellt hat.

 Nach eingehender Analyse ihrer rund 100 in der Schweiz laufenden NEE-Projekte musste die BKW also Ende 2010 feststellen, dass die NEE-Tochter Sol-E Suisse AG ihr Ziel um rund 40 Prozent verfehlen wird. Sie musste das Ziel entsprechend anpassen. Dies notabene, ohne auch nur eine einzige Stelle abzubauen und ohne den Investitionsrahmen von einer Milliarde Franken zu reduzieren.

 Umdenken wäre nötig

 Zwar geniessen die NEE als Zukunftsenergien gemeinhin grosse Sympathien. Doch ist bei der konkreten Umsetzung immer häufiger die Antwort zu hören: "Ja, aber nicht bei mir!" Das sagen nicht nur Nachbarn, sondern auch Gemeinden sowie Organisationen von Umwelt- und Landschaftsschutz, von Fischerei, Tourismus usw.

 Wenn wir die vom eidgenössischen Parlament gesetzten NEE-Ziele von 5,4 Terawattstunden bis 2030 erreichen wollen, braucht es in der Schweiz ein grundlegendes Umdenken. Es braucht mehr Akzeptanz und schlankere Verfahren.

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 Der Autor

 Dr. Martin Pfisterer, geboren 1949, ist Mitglied der Unternehmensleitung der BKW FMB Energie AG und Präsident der Sol-E Suisse AG. Früher war er Sektionschef im Bundesamt für Raumentwicklung.

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Langenthaler Tagblatt 31.1.11

Langenthaler Tagblatt Bern

 "Dann öffnen sich plötzlich neue Wege"

 Abstimmungs-Serie Warum Martin Sommer aus Herzogenbuchsee ein neues AKW ablehnt

Samuel Thomi

 "Ich bin kein typischer 68er. Ich war damals unpolitisch." Das sagt Martin Sommer im Gespräch zum az-Porträt vor der bernischen Konsultativabstimmung über ein neues Atomkraftwerk in Mühleberg. Und doch weckten die Jahre der Bewegten auch beim damals in Genf wohnhaften Werbeleiter "irgendwie ein neues Interesse". Es sei vor allem die Natur gewesen, für welche er sich auf einmal von einer ganz anderen Seite zu interessieren begann: "Als Kleinbauernsohn in Alchenflüh erlebte ich in meiner Jugend hautnah mit, wie der Bau der A1 die Region total veränderte." Da, wo heute die Shopping-Meile Lyssach steht, habe er seinen Eltern noch auf dem Feld zur Hand gehen müssen: "Mir wurde damals bewusst: Das Wachstum des Bruttosozialproduktes ist nicht das einzige Zeichen des Wohlbefindens der Schweiz." In der ganzen Euphorie habe man damals die negativen Seiten des Aufschwungs nicht wahrhaben wollen.

 "Weit aus dem Fenster lehnen"

 Später dann habe er "aus echter Neugier" bei der Duden-Redaktion in Deutschland nachgefragt, wann das Wort "Umweltschutz" überhaupt ins Wörterbuch aufgenommen wurde. Die Jahrzahl weiss er nicht mehr genau; es war aber Anfang der 70er-Jahre.

 Spricht Martin Sommer heute bei einem Espresso über früher, wählt er die Wörter bewusst. Immer wieder denkt er einen Moment lang nach, bevor er in klaren Sätzen Stellung bezieht: "Wenn man damals solche Gedanken oder Zweifel äusserte, lehnte man sich schon ziemlich weit aus dem Fenster. Gerade bei uns auf dem Land." Und dann erzählt Sommer von seinem grossen Engagement gegen das geplante AKW in Graben: "Es war vielleicht unsere Chance, dass wir etwas geerdeter, bodenständiger und weniger abgehoben waren als die Aktivisten aus der Stadt."

 Bei seinem Engagement gegen ein Atomkraftwerk im Oberaargau sei er irgendwann auch auf die Gewaltfreie Aktion Graben (GAG) gestossen, die sich erst letzten Herbst offiziell aufgelöst hat (az Langenthaler Tagblatt berichtete). "Dann wurde die Idee des Graben-Festes geboren - und die GAG wollte dieses nicht organisieren." Also entschloss sich Martin Sommer, diese Aufgabe zu übernehmen.

 Dass dem OK "wo immer möglich Steine in den Weg gelegt" wurden, steckt Sommer heute mit einem Schmunzeln weg. Dass sie zusammen mit der Polizei einen eigenen Sicherheitsdienst aufbauten und dass das dreitägige Fest in Berken 1977 mit 10000 Besuchern schliesslich ohne Zwischenfälle über die Bühne ging, freute ihn umso mehr: "Ich habe diese Zeit als äusserst positiv in Erinnerung." Martin Sommer gibt aber auch zu bedenken, dass all das nicht möglich gewesen wäre, ohne den unermüdlichen Einsatz von zahlreichen Gleichgesinnten aus der Region.

 Wieder den einfachsten Weg?

 "Es ist frustrierend, wenn ich heute dieselben Argumente wie damals höre." Martin Sommer meint damit beispielsweise das "Angstmacher-Argument" der drohenden Stromlücke. Oder jenes der Arbeitsplätze, die ohne AKW verloren gingen. Oder das von der sinkenden Lebensqualität ohne Atomkraft: "In Bezug auf alternative Energien lancierten die grossen Energiekonzerne in 40 Jahren keine ernstzunehmende Initiative. Und dieselben Kreise, die heute behaupten, ‹Tun wir nichts, kommt die Stromlücke›, verhindern gleichzeitig, dass die Fördergelder für neue erneuerbare Energien zur Verfügung gestellt werden." Es brauche nur den "nötigen Druck", eine gezielte Richtungsänderung weg von der AKW-Technologie: "Dann öffnen sich plötzlich bis heute für unmöglich geglaubte Wege", ist sich Sommer sicher. "Wir müssen ja heute auch bereits beim Uran Kompromisse machen", spricht er dessen teilweise zweifelhafte Herkunft an. "Trotz anderen Behauptungen ist das Problem der Lagerung hoch radioaktiver Abfälle auch nach jahrzehntelanger Forschung noch nicht gelöst."

 "Nicht darauf angewiesen"

 "Für mich ist die Steigerung der Energieeffizienz aber nach wie vor das wichtigste Argument", so Sommer, "auch wenn das ohne ein Umdenken in unserer Wegwerfgesellschaft nicht möglich sein wird." Aber dazu müsse man stehen. "Leider aber sieht es immer noch danach aus, dass man sich einmal mehr für den vordergründig einfachsten Weg entscheidet." Dann wird Sommer grundsätzlich: "Unabhängig von all dem kann heute niemand sagen, was in 20 Jahren ist." Eine Rohstoffkrise zeichne sich ab, und die Finanzkrise habe auch niemand vorausgesehen.

 Zu seinem Verständnis der politischen Auseinandersetzung habe immer auch gehört, sich mit den Argumenten des Gegners auseinanderzusetzen, betont Martin Sommer. "Ich habe mir das AKW in Mühleberg persönlich angeschaut, die Technologie so weit als möglich zu verstehen versucht." Auch wenn es "ein etwas abgedroschenes Argument" sei, nennt er es dann doch noch: "Beim Widerstand damals gegen Graben war ‹Tschernobyl› noch nicht passiert. Heute wissen wir, dass das Restrisiko eben doch nie wirklich ganz ausgeschlossen werden kann. Und ein AKW-Unfall in der dicht besiedelten Schweiz wäre eine unglaubliche Katastrophe - auch das Gegenteil kann niemand garantieren."

 Martin Sommers Fazit: "Eine solche Technologie darf man heute nicht mehr anwenden." Erst recht nicht, wenn man "gar nicht mehr darauf angewiesen" sei. Null- oder sogar Plusenergiehäuser existierten inzwischen ebenso wie viel weiter entwickelte neue erneuerbare Energien. Und es sei "heute bereits eine alte Weisheit", dass diese Investitionen mehr Arbeitsplätze in den Regionen schaffen würden als ein AKW-Neubau, der grösstenteils von ausländischen Firmen erstellt würde.

 Martin Sommer war nie Mitglied einer Partei. Dass er später den Verkehrs-Club der Schweiz (VCS) gründete und in Herzogenbuchsee ansiedelte, erwähnt er nicht von sich aus. Mit 66 Jahren sei er jetzt, nachdem er letzten Herbst auch noch das mit seiner Frau geführte Outdoorgeschäft "Sirius" gegenüber dem Bahnhof Buchsi verkauft hat, pensioniert und ein "zufriedener Mann im überschaubaren Dorf". Und dabei solle es auch bleiben. Daher engagiere er sich persönlich auch nicht im laufenden Abstimmungskampf. Als "weiterhin am Geschehen interessierter Bürger" sagte der langjährige AKW-Kritiker dennoch sofort Ja zu diesem Gespräch.

 "Achtungserfolg nützt nichts"

 Bleibt also die Frage: Wie lautet Martin Sommers Einschätzung zum Ausgang der bevorstehenden Abstimmung? Der Herzogenbuchseer zögert einen Moment: "Ein Nein am 13. Februar wäre eine positive Überraschung, eine echte Wende in der bernischen Energiepolitik und ein wichtiges Signal für die ganze Schweiz. Ein Achtungserfolg dagegen nützt meines Erachtens leider nichts."

 Info: Das Pro-Porträt mit Hans U. Brunner, Oberbipp, erschien bereits letzten Montag.

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NZZ 31.1.11

Aargauer Atomdebatte im Nebel des Kühlturms

Erste Positionsbezüge im Rahmen des Richtplans im Kantonsparlament

 Mit einer Ergänzung des Richtplans sichert der Aargau den Weg für ein neues Atomkraftwerk Beznau 3. Die Linke möchte einen möglichst hohen Kühlturm als Mahnmal in der Landschaft. Im März wird im Grossen Rat entschieden.

Martin Merki, Aarau

 Wenn das Berner Stimmvolk am 13. Februar Nein sagt zu einem neuen Kernkraftwerk Mühleberg, dann hätte dies Auswirkungen auf die Atomdebatte im Aargau. Der Wert eines Ersatzkraftwerks Beznau 3 in der Gemeinde Döttingen wird vielleicht noch mehr steigen. Denn von den vier Kernkraftwerken im Land sind die beiden im Aargau - Beznau 1 und 2 mit Baujahr 1969 und 1971 - nicht nur die ältesten, sondern der Standort Beznau ist auch der politisch am wenigsten umstrittene. Für die Aargauer Regierung geht es darum, Beznau 3 mit einer Leistung von 1200 bis 1600 Megawatt möglichst schnell zu bauen.

 Der Aargauer Grosse Rat wird im März, wenn er die Richtplan-Anpassung behandelt, über Beznau 3 streiten. Das Parlament wird wohl den Regierungsrat bei den planerischen Anpassungen unterstützen. Die Parlamentsdebatte wird mit Sicherheit entlang des klassischen Links-Rechts-Schemas geführt werden.

 Einen Vorgeschmack gab die nicht öffentliche Sitzung der vorbereitenden Kommission im Dezember. "Für die Bürgerlichen ist das Thema fast schon gelaufen", wirft Astrid Andermatt von der SP der Kommissionsmehrheit vor. Die Atomlobby sei im Aargau wahnsinnig stark, es gehe um sehr viel Geld. Dagegen spricht Oliver Flury (svp.) von einer links-grünen Totalopposition, die keine rationalen Lösungen zulasse und die darauf ausgerichtet sei, jede Kernkraftwerk-Lösung mit allen Mitteln zu bekämpfen. Inhaltlich geht es um folgende Kernfragen:

 Kühlsystem.
Gestritten wird etwa um die Art und Höhe des Kühlturms sowie die Einpassung des neuen Werks in die Aarelandschaft. Regierung und bürgerliche Mehrheit in der Kommission streben eine bestmögliche landschaftliche Einbettung an. Als Lösung soll ein Hybrid-Kühlturm mit Höhenbeschränkung im Richtplan verankert werden, der nur rund 60 Meter hoch ist und keine typische Dampffahne hat, für die Kühlung aber mehr Strom verbraucht als die heutigen Türme. Dagegen will die Linke einen Kühlturm ohne Höhenbeschränkung, der als Mahnmal und Zeitzeuge von weither erkennbar sei. Eine Verniedlichung und architektonische Anpassung würde nur die Akzeptanz des Kernkraftwerks fördern. Als besonders störend empfindet es die Linke, dass das vorgeschlagene Hybrid-Kühlsystem so viel Strom verschlinge wie das im Bau befindliche neue Wasserkraftwerk.

 Abgeltungen
Nichts wissen wollen Sozialdemokraten und Grüne auch von Abgeltungen für die Standortgemeinde oder -region. Solche seien Schmiergeldlösungen und sittenwidrig. Stattdessen unterstützen sie einen Stromrappen für erneuerbare Energien. Der Stromrappen wurde auch vom Aargauer Regierungsrat für das neue Energiegesetz vorgeschlagen, ist aber bereits in der Botschaft verworfen worden. SVP, FDP und CVP sind für Abgeltungen, weil diese einen psychologischen Effekt für die Standortgemeinden haben, betonen aber gleichzeitig, dass dies Sache des Bundes im weiteren Verlauf des Verfahrens sei.

 Standort
Der Aargau habe ein wirtschaftliches Interesse, dass die Arbeitsplätze in der Region Zurzibiet erhalten werden. Zudem sei ein Standort mit einem bestehenden Werk zu bevorzugen, betonen Regierung und die Mehrheit in der Kommission. Dem widerspricht die Linke. Der Aargau sei als grosser, dichtbesiedelter Kanton kein geeigneter Standort. Der Verlust von Arbeitsplätzen durch den Bau eines Kernkraftwerks könne mit Investitionen in erneuerbare Energien wettgemacht werden.

 Grundwasser
SP und Grüne wollen generell Kernenergieanlagen in einem Grundwasserstrom verbieten. Demgegenüber wollen Regierung und eine Mehrheit der Kommission Einbauten ins Grundwasser auf das betriebsnotwendige Mass beschränken. Mit dieser Auflage soll erreicht werden, dass die neuen Bauten den mächtigen Grundwasserstrom im Unteren Aaretal nicht einer Staumauer gleich unterbrechen. Ein vollständiger Verzicht auf neue Einbauten ins Grundwasser würde den Bau verhindern. Dies sei ein Scheinantrag von links, sagt ein bürgerliches Mitglied der Kommission, es habe auch bei vielen andern Bauvorhaben im Kanton Grundwasser.

 Freileitungen
Die linken Parteien fordern, dass wegen des Elektrosmogs so viele Netze wie möglich in den Boden verlegt werden. Der Aargauer Regierungsrat will zwar die Leitungen ebenfalls in den Boden verlegen, aber nur, "soweit dies technisch und ökologisch möglich sowie finanziell tragbar" sei. In der Kommission wurde der Linken vorgeworfen, sie wolle deshalb möglichst viele Netze in den Boden verlegen, um die Kosten und die Energieverluste zu erhöhen.

 Rückbau
Die Aargauer Regierung will, dass die beiden älteren Kernkraftwerke Beznau 1 und 2 nach der Stilllegung möglichst schnell rückgebaut werden. Die Linken verlangen darüber hinaus, dass vor Inbetriebnahme von Beznau 3 die älteren Anlagen aus Sicherheitsgründen auf jeden Fall stillgelegt werden. Mit dieser Forderung solle ein Parallelbetrieb verhindert werden, sagen die bürgerlichen Parteien. Ein solcher sei aber gar nicht beabsichtigt. Zudem könne dadurch ein Frontalangriff auf den Neubau erst nach Stilllegung erfolgen.

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Aargauer Zeitung 31.1.11

Nidwalden vereint gegen Atommüll

 Tiefenlager Der Innerschweizer Kanton unternimmt neuen Anlauf, den Wellenberg als Atommülllager zu verhindern

Ueli Bachmann, Sarnen

 In der schweizerischen Demokratie hat das Volk das letzte Wort. Allerdings können sich Gegebenheiten ändern und Volksentscheide revidiert werden. Diese Lektion droht den Nidwaldnern und Nidwaldnerinnen erteilt zu werden.

 Über zwanzig Jahre haben sie die Nagra-Pläne für ein Atommülllager im Wellenberg bekämpft. In Abstimmungen in den Jahren 1988, 1995 und 2002 hat das Nidwaldner Stimmvolk dem Bund und der Schweizer Bevölkerung jeweils deutlich gemacht, dass für sie ein Atommülllager im Wellenberg nicht infrage kommt.

 Neue Spielregeln

 Nach dem letzten Volksentscheid schien der Bundesrat ein Einsehen zu haben. In einer Interpellationsantwort hat er den Nidwaldnern versichert, dass der Wellenberg vom Tisch ist. Doch das ist Schnee von gestern: Weil das Atommüllproblem in keiner Weise gelöst ist, hat der Bund das ganze Verfahren mit dem Sachplan geologisches Tiefenlager neu lanciert. Inzwischen sind aber auch die Spielregeln geändert worden: Mit dem Kernenergiegesetz von 2005 und der dazugehörenden Verordnung hat die Stimmbevölkerung der ganzen Schweiz und nicht mehr nur jene der Standortkantone zu entscheiden, wohin der Atommüll zu entsorgen ist.

 Und seit Herbst 2008 wissen die Nidwaldner, dass der Wellenberg trotz des langjährigen Widerstands neben fünf anderen Standortregionen - Südranden, Zürcher Weinland, Nördlich Lägern, Bözberg und Jura-Südfuss - für radioaktive Abfälle wieder im Rennen ist.

 "Wir trauten unseren Ohren nicht"

 Der Aufschrei über die Wiederaufnahme des Wellenbergs war in Nidwalden riesig. "Wir trauten unseren Ohren nicht", sagte die damalige Baudirektorin Lisbeth Gabriel zur Stimmungslage des sich übertölpelt fühlenden Kantons. Der Hinweis, dass es bei dieser Auswahl vorerst einzig um wissenschaftliche Kriterien ging, beruhigte in Nidwalden nicht.

 Wie vor zwanzig Jahren kommt es bei Veranstaltungen von Bundes- oder Nagra-Vertretern jeweils zu Demonstrationen. Die meisten Gemeinden verweigern zudem die Beteiligung beim eingeleiteten Partizipationsverfahren. Jetzt wird erneut abgestimmt, weil die Stellungnahme der Regierung zu den jüngsten Entwicklungen am Wellenberg dem Volk vorgelegt werden muss: Die Nidwaldner Nagra-Gegner haben sich dieses Mitentscheidungsrecht bei Atommüllfragen 1987 gesichert.

 Regierung ist klar dagegen

 Die Haltung der Nidwaldner Regierung fällt unmissverständlich aus. In ihrer Stellungnahme fordert sie die Streichung des Wellenbergs aus der Liste. Dabei macht die Regierung, gestützt auf ein von ihr in Auftrag gegebenes Gutachten, geologisch-sicherheitsrechtliche Aspekte geltend.

 Demnach sei der Wellenberg als Atommülllager nicht geeignet wegen der Komplexität des Untergrunds, der ungünstigen Explorationsverhältnisse und schwieriger Prognostizierbarkeit künftiger Prozesse. Es gäbe geeignetere Standorte als der Wellenberg, hatten schon die Eidgenössische Kommission für nukleare Sicherheit und das Nuklearinspektorat festgehalten.

 Die Nidwaldner Regierung verweist auf die vielen Abstimmungen und zudem auch auf eine Verletzung von Treu und Glauben aufgrund der Beteuerungen des Bundesrats von 2003.

 Am 13. Februar wird an der Urne ein noch deutlicheres Votum gegen ein Atommülllager im Wellenberg erwartet als bisher, weil Regierung und bürgerliche Parteien inzwischen mit den linksgrünen Nagra-Gegnern am gleichen Strick ziehen.

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Tribune de Geneve 31.1.11

Nidwald ne veut pas être la poubelle de la Suisse

Nadine Haltiner

 Les déchets radioactifs pourraient être enfouis dans le Wellenberg. Mais le canton n'en veut pas. Reportage

 Il faut avoir le souffle et les mollets exercés pour suivre Karin Kayser-Frutschi. La syndique d'Oberdorf grimpe à grandes enjambées sur une butte enneigée et pentue. Elle tient à montrer à quoi ressemble la vallée d'Engelberg: longue d'une dizaine de kilomètres et large de quelques centaines de mètres, elle est une succession de villages ruraux et d'industries. Plus de 7000 habitants y vivent. "Le Wellenberg est à 4 kilomètres", indique la Nidwaldienne de 44 ans. Cette colline de 1200 mètres d'altitude, garnie de sapins et d'alpages, fait partie des six lieux en lice pour enfouir les déchets radioactifs de la Suisse(lire ci-contre). Un choix qui ne plaît guère aux Nidwaldiens. Le 13   février, ils voteront pour demander au Conseil fédéral de rayer leur région de la liste.

 "Cette votation est consultative, explique la maire. La loi fédérale ne permet plus à un canton d'opposer son veto à un objet nucléaire. Mais nous voulons signaler encore une fois à Berne quenein, c'estnein. " Nidwald a déjà votétrois fois entre 1988 et 2002. A chaque reprise, il a dit non. Si bien qu'en 2003, Moritz Leuenberger a déclaré qu'il fallait tenir compte de la volonté populaire.

 "Mais nous ne sommes pas écoutés, regrette Karin Kayser-Frutschi. Nous devons monter au front, comme Winkelried. " Le gouvernement et tous les partis s'opposent au stockage des déchets. Même la commune de Wolfenschiessen, qui a pourtant longtemps appuyé le projet.

 Situé au pied du Wellenberg, ce village désuet et sans richesses apparentes pourrait recevoir plusieurs millions de francs de compensation grâce au dépôt. "Jel'ai longtemps soutenu, dit LisbethNaepflin, présidente du PDC. Ces déchets, il faut les mettre quelque part et la montagne est un lieu sûr, si on a la possibilité de contrôlerleur évolution. Mais le fait que Berne ne nous entende pas m'exaspère. A présent, je m'oppose au projet, par principe. "

 D'autres confient avoir peur d'un accident radioactif. "Il existeune incertitude sur l'évolution desdéchets nucléaires, relève Severin Fuchs, patron du restaurant Grafenort. Ce n'est pas rassurant de se dire qu'on dort dessus. "

 D'autant qu'une expertise mandatée par le Conseil d'Etat a conclu, l'an dernier, que le sol du Wellenberg est géologiquement instable et exposé sur le plan tectonique. La Commission fédérale de sécurité nucléaire a, elle aussi, émis des doutes. "Ce qui rend le problème national, note un habitant. S'il y a le moindre accident, on sera tous touchés, qu'on habite sur le site ou à 300 kilomètres!"

 A huit kilomètres de là, la célèbre station d'Engelberg s'inquiète aussi des conséquences socio- économiques. "Si on installait un dépôt nucléaire à côté de Disneyland Paris, personne n'irait là-bas!" lance Frédéric Füssenich, directeur du tourisme.

 Pour lui, l'impact sur ce village,qui accueille 1,8   million de visiteurspar an, serait "catastrophique": "L'écologie est un critère important pour les voyageurs. Autant dire qu'un dépôt nucléaire à côté de leur lieu de vacances les freinera. " Il estime que 10% à 20% desvisiteurs "réguliers" ne viendraientplus. Pareil pour les investisseurs. L'un d'eux aurait d'ailleurs déjà averti qu'il ne construira plus d'hôtel si le Wellenberg est désigné. "Pour notre village où plus de 90% de la population vit du tourisme, ce serait grave", conclut Thomas Dittrich, directeur de l'Hôtel Europe.

 Le 13   février, tous espèrent que Nidwald rappellera au Conseil fédéral qu'il refuse de devenir le cimetière nucléaire de la Suisse.

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 La procédure durera plus de 20 ans

Nadine Haltiner

 Quarante ans après la constructiondes premières centrales nucléaires, la Suisse n'a toujours pas de solution définitive pour ses déchets radioactifs. Pour l'heure, ils dorment dans des dépôts intermédiaires.

 Depuis 2005, la Loi fédérale sur l'énergie nucléaire contraint pourtant la Suisse à enfouir sur son sol les déchets radioactifs qu'elle produit. Ils doivent être stockés dans des dépôts en couches géologiques profondes. En tout, 100 000 mètres cubes de déchets, soit presque la taille du hall de la gare de Zurich, devront être stockés.

 En 2008, la Société coopérative nationale pour le stockage des déchets radioactifs (Nagra) a proposé six sites "appropriés" pour accueillir les déchets faiblement et moyennement radioactifs: le pied sud du Jura (SO/AG), le Wellenberg (NW/OW), le Südranden (SH), le Weinland zurichois (ZH/TG), la partie nord de la Lägeren (ZH/AG) et le Bözberg (AG). Les trois derniers endroits sont aussi en lice pour les déchets hautement radioactifs.

 Le Conseil fédéral avance en trois étapes. La première vise à identifier les domaines d'implantation et à recueillir l'avis des régions. Argovie, Nidwald et Obwald ont déjà exprimé leursréticences, mais le gouvernementen dira plus d'ici à mi-2011. Dans une deuxième étape qui durera jusqu'en 2015, les sites seront comparés et testés. Puis, d'ici à 2020, la Nagra en choisira deux pour faire des examens approfondis.

 Ensuite, le Conseil fédéral, puis le Parlement, devront octroyer les autorisations pour les deux dépôts. Comme il risque d'y avoir un référendum, la population votera sur l'enfouissement des déchets radioactifs dans les années 2020. Si elle accepte, les premiers dépôts verront le jour entre 2030 et 2040.

 N. H.

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24 Heures 31.1.11

Les duellistes - Faut-il poursuivre sur la voie du nucléaire?

 Ayons l'audace de choisir des technologies propres!

 Béatrice Métraux

 Le 15   mai prochain, le peuple vaudois votera, à titre consultatif, sur quatre sujets fédéraux. Il s'agit des demandes d'autorisation générale pour les trois projets de centrales nucléaires de Niederamt (SO), Mühleberg (BE) et Beznau (AG), ainsi que du plan sectoriel des "Dépôts en couches géologiques profondes". On saura donc si le peuple vaudois souhaite poursuivre l'aventure nucléaire. Quant à moi, ce sera non.

 Pour diverses raisons, qui vont de la nature même de cette énergie aux avantages que représenterait le choix des renouvelables (cleantechs), je suis opposée au nucléaire.

 Une étude fédérale de 1995 montre qu'un accident dans une centrale nucléaire en Suisse irradierait 100 000 personnes et nécessiterait l'évacuation durable de près d'un million d'habitants. On ne peut occulter cela sous le prétexte qu'"en Suisse les centrales nucléaires sont sûres". Elles sont si sûres que les incidents se sont multipliés en 2010 dans les cinq centrales, surtout à Mühleberg. L'Inspection fédérale de la sécurité nucléaire en a recensé 42, contre 26 en 2009. Certes, il s'agit d'incidents mineurs, mais on ne doit pas taire leur importance.

 Autre danger: celui du stockage des déchets. En décembre 2010, les gouver- nements argovien, nidwaldien et ob- waldien se sont opposés au stockage de déchets radioactifs dans leurs cantons. Ils ont signifié à la Confédération leur refus des sites potentiels du Wellenberg (NW), du Bözberg (AG), des Lägeren (AG/ZH) et du pied sud du Jura (AG/SO).

 Persister dans ce choix nucléaire sans avoir réglé la question des déchets, dont la durée de vie est calculée en milliers d'années, est irresponsable et dangereux pour les futures générations.

 La question de l'approvisionnement énergétique ne peut certes être éludée.

 Une étude publiée en mai 2010 par les bureaux INFRAS et TNC indique que, selon les prévisions des grandes entreprises d'électricité, la Suisse aura besoin de 30 térawattheures supplémentaires en 2035. Or ce besoin peut être couvert aux deux tiers au niveau national par l'efficacité électrique et les énergies renouvelables (photovoltaïque, éolien, géothermie et biomasse). De plus, comparant les répercussions économiques du scénario "efficacité" et du scénario "nucléaire", INFRAS mon- tre que les investissements dans l'effi- cacité électrique et les énergies renou- velables, plutôt que dans le nucléaire, sont rentables, créent plus de richesses et d'emplois, mettant notre pays à l'abri de l'insuffisance énergétique.

 Quant au risque de pénurie, il est peu crédible: les électriciens suisses produisent d'immenses quantités d'énergie électrique à l'étranger, parfois plus du tiers de leur production! En revanche, le risque est immense d'être confronté à un manque d'uranium, en raison de sa rareté ou de problèmes politiques.

 La possibilité de concevoir l'avenir avec des technologies propres est là. Au lieu de saisir cette chance, certains politiciens misent sur des projets dépassés, chers et dangereux. Quel aveuglement!


 Il s'agit d'abord d'assurer notre approvisionnement

 Catherine Labouchère

 Le débat sur le nucléaire ne doit pas tourner au seul combat simpliste du oui ou du non. Il faut en mesurer les enjeux et les conséquences avant de trancher.

 Hormis la médecine et quelques applications scientifiques et militaires, le nucléaire est destiné avant tout à la production d'électricité. Cette dernière est en constante progression à de rares exceptions près, dues aux récessions économiques. Dans notre pays, la consommation est passée de 6957 kWh par habitant en 1998 à 7616 kWh en 2008. Les grands consommateurs sont l'industrie et les services, pour 56%, et les ménages, pour 30%.

 La Suisse est privilégiée en apport d'énergie renouvelable, car l'hydraulique y tient une place prépondérante (55%). Cette part n'est pas suffisante, surtout en hiver, pour assurer un approvisionnement électrique constant. Elle est complétée par 5% d'autres énergies renouvelables et 40% de nucléaire. Le décor est ainsi posé.

 Quels sont les moyens actuels de fournir 40% d'énergie sans faire appel au nucléaire? C'est là que la controverse commence. Tout le monde s'accorde à dire qu'il faut augmenter le recours aux énergies renouvelables, mais les disputes apparaissent vite sur les moyens et les coûts: l'éolien, oui, mais pas près de chez soi; le solaire, c'est bien, mais cher; pareil pour la géothermie, avec le risque de tremblements de terre en plus; les centrales à gaz produisent trop de CO2; le charbon, c'est encore pire.

 Bref, on entend tout et son contraire. Avec cela, les antinucléaires dénoncent les mille et un méfaits de l'atome sans proposition pragmatique, financièrement supportable. A l'évidence, on ne peut se fier à un discours uniquement basé sur le refus et la dénonciation des dangers, sans projet constructif.

 Etre réaliste signifie sortir de la théorie et agir sur plusieurs fronts. Le premier geste consiste à investir massivement dans les nouvelles technologies propres, et à faire en sorte que leur production augmente en même temps que leurs coûts deviennent accessibles. Le deuxième est de convaincre les opposants aux éoliennes que leurs réticences ne sont guère constructives. Enfin, il faut admettre qu'il existe un vide temporel entre la situation actuelle d'approvisionnement énergétique et celle où les énergies propres le combleront.

 Le recours au nucléaire constitue une transition indispensable pour remplir cet intervalle. Parallèlement, il faut la volonté politique que cette transition soit la plus courte possible. Compte tenu des progrès technologiques et des mesures de sécurité requises, l'option nucléaire représente un complément fiable. Dire que l'abandonner aujourd'hui n'a pas de conséquences est un leurre.

 Plutôt que de se livrer à un combat stérile ou d'admettre une hypocrisie qui nous ferait dépendre d'une énergie étrangère dont rien ne nous assure qu'elle ne serait pas nucléaire, acceptons une transition réaliste et travaillons à ce qu'elle ne soit qu'un intermède.

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Sonntagszeitung 30.1.11

Städtische Stromversorger setzen nicht auf AKW

 In Bern, Basel und Genf möchten die Werke lieber in erneuerbare Energien investieren

 Bern Zwei Wochen vor der Abstimmung über Mühleberg II äussern sich städtische Stromversorger zur AKW-Frage. "Wir sind überzeugt, dass es in der Stadt Bern ohne neue AKW geht", sagt Daniel Schafer, CEO von Energie Wasser Bern (EWB). Auch die Basler sind künftig nicht auf Atomstrom angewiesen: "Wenn Mitbewerber neue AKW bauen wollen, diese finanzieren können und auch noch eine Mehrheit im Volk erreichen, so ist das deren Entscheid", sagt David Thiel, CEO der Industriellen Werke Basel (IWB). Die IWB verfolgen eine andere Strategie: "Wir wollen in erneuerbare Energien, in die Energieeffizienz und in neue Netztechnologien investieren", so Thiel.

 "Es gibt keine Stromlücke, sondern eine Netzlücke"

 Die Chefs von BKW, Axpo und Alpiq warnen die Bürger vor einer Stromlücke, sollten die AKW-Projekte scheitern. Thiel hält dagegen: "Aus unserer Sicht gibt es keine Stromlücke, sondern eine Netz- lücke." Warum das? Die heutigen Stromnetze sind veraltet und zu einem grossen Teil mit den Atomstromimporten aus Frankreich belastet. Für die erneuerbaren Energien bleiben nur Restkapazitäten. Die Schweiz stehe deshalb an einem Scheideweg, meint Thiel: "Entweder füllen wir eine von den AKW-Promotoren prognostizierte Stromlücke mit Energie aus neuen AKW, oder wir beseitigen die fehlenden Kapazitäten bei den Stromleitungen, die heute den Import von erneuerbaren Energien behindern."

 Dieses Argument sticht für Kurt Rohrbach, Chef der BKW-Unternehmensleitung, nicht: Die Leitungskapazitäten für die heutigen Importe würden beim Auslaufen der Kernenergieverträge mit Frankreich frei - und zwar zeitgleich mit der Ausserbetriebnahme von Mühleberg und Beznau. "Selbst wenn diese Kapazitäten im Idealfall ausschliesslich vom Import von Wind und Sonne belegt würden, wäre damit lediglich ein Teil des Problems gelöst." Er sei überzeugt, dass die umliegenden Länder kaum begeistert wären, wenn die Schweiz ihre erneuerbare Energie im Wesentlichen aus der EU importieren würde. "Ohne Beitrag der Kernenergie zum Schweizer Strommix wären sowohl die Versorgungssicherheit wie auch die Netzstabilität beeinträchtigt", sagt Rohrbach. "Statt Erwartungen zu schüren und sich auf Experimente einzulassen, sollte die Schweiz auf das Bewährte setzen."

 Für André Hurter, CEO der Service Industriels de Genève (SIG), braucht es zumindest nicht zwei neue AKW: Diese wären nicht im Interesse der langfristigen Energiepolitik der Schweiz, weil sie die Entwicklung von erneuerbaren Energiekapazitäten in der Schweiz erheblich beeinträchtigen würden, sagt er.  

S. Kobler, C. Boss, M. Halb  eis

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Sonntag 30.1.11

Jungparteien werden ungeduldig

 Weil die Mutterparteien schlafen, wollen Juso und junge Grüne Solothurn eine Initiative gegen AKW lancieren

 Von Andreas Toggweiler

 Die Juso und die jungen Grünen des Kantons Solothurn wollen nicht länger zusehen, wie die Diskussion um Atomkraftwerke nur im Kanton Bern stattfindet, wo doch auf Solothurner Boden ebenfalls ein Atommeiler geplant ist. Für morgen Montag laden die beiden Jungparteien nach Däniken zu einer Gründungsversammlung eines Trägervereins für eine kantonale Volksinitiative gegen neue AKW ein. "Wir wollen ein Gösgen II verhindern", sagt Christof Schauwecker, Vorstandsmitglied der Jungen Grünen. "Es ist Zeit, ein Zeichen zu setzen gegen neue AKW im Kanton Solothurn", ergänzt Bettina Leibundgut, Sekretärin der Jungsozialisten (Juso). "Wir spüren, dass die Bevölkerung dagegen ist."

 Die Volksinitiative soll voraussichtlich im August lanciert werden, sagt Schauwecker weiter, nicht zuletzt mit dem Ziel, den Nationalrats-Wahlkampf zu befeuern, wie der Jungpolitiker einräumt. "Andere Parteien machen das ja auch." Denn eines ist klar: Die 5000 Unterschriften für die kantonale Initiative werden die Jungparteien im Nu zusammenhaben. Im Restaurant Station in Däniken wird morgen Abend aber zuerst einmal ein Vorstand bestellt. "Ich hoffe schon, dass so etwa 50 Leute erscheinen. Wir haben verschiedene Jobs zu vergeben."

 Doch irgendetwas fehlt noch. Wo bleiben die Mutterparteien, die schon seit Jahrzehnten gegen Atomkraftwerke kämpfen? Ihre Logos fehlen auf der Einladung zur Vereinsgründung. Die Jungparteien betonen, dass die Initiative ein eigenes Projekt ist. Mit der Unterstützung der Mutterparteien rechne man aber fest.

 Wenn man sich da nur nicht täuscht: SP-Kantonsrat Urs Huber, ein Anti-AKW-Wortführer der SP-Fraktion, ist nicht sicher, ob eine Volksinitiative zum jetzigen Zeitpunkt eine gute Idee ist. Erstens habe sowieso der Bund bezüglich AKW-Standort das letzte Wort - egal, wie irgendwelche kantonale Befindlichkeitsabstimmungen ausgehen; und zweitens werde die Abstimmung über die kantonale Initiative etwa gleichzeitig mit der nationalen Volksabstimmung über eine AKW-Rahmenbewilligung erfolgen. "Wir sollten unsere Kräfte besser auf diese Abstimmung konzentrieren. Dort gehe es ums Eingemachte, meint Huber.

 "Uns stört das gar nicht. Selbst wenn die kantonale Abstimmung sogar danach ist", sagt dagegen Schauwecker. Denn den Jungparteien geht es darum, dass die Atomkraft im Kanton Solothurn überhaupt ein Thema wird, nachdem sie im Kanton Bern bis zum 13. Februar - und vielleicht auch länger - das politische Haupttraktandum ist. Der bernische Grosse Rat - der klar pro AKW ist - hat sich in einem Anflug von gesundem Selbstvertrauen für ein Referendum ausgesprochen. Auch wenn dieses nur konsultativen Charakter hat, schaut seit Wochen die ganze Schweiz ins "Atomlabor Bern". Im Kanton Solothurn lief es ganz anders. Eine bürgerliche Allianz hat bereits 2007 die tief schlafenden Atomgegner auf dem falschen Fuss erwischt. Mit grossem Mehr hat damals der Kantonsrat die Regierung beauftragt, sich für ein weiteres Atomkraftwerk einzusetzen.

 Das macht die Regierung seither, nahezu unbehelligt von Widerstand. Schon damals argumentierten die Solothurner Grünen und SP gleich. "Die Schlacht wird nicht auf Solothurner Boden geschlagen", hiess es. Bestrebungen für eine Initiative für eine Volksabstimmung konsultativen Charakters wie in Bern gab es zu keiner Zeit.

 "Wir hatten damals die Mittel und die Strukturen nicht", meint dazu Juso-Sprecherin Leibundgut. "Und wir glauben, dass es auch heute noch nicht zu spät ist."

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 SP/Grüne: "Wir sind nicht untätig"

 Nationalrätin Brigit Wyss weist die Kritik zurück, die Solothurner Grünen würden politisch nichts gegen das geplante neue AKW im Niederamt unternehmen. "Wir haben unsere Meinung bei der Richtplanrevision einfliessen lassen und auch Aktionen wie den Pfingstmarsch organisiert", betont sie. Dass auf der grossen politischen Bühne aber Funkstille war, räumt sie ein. Die Grünen seien deshalb froh um die autonomen Aktivitäten der Jungpartei und würden diese voll unterstützen. Ähnlich tönt es bei SP-Nationalrätin Bea Heim. "Wir haben uns in letzter Zeit vor allem auf den Kampf gegen das Endlager im Niederamt konzentriert", sagt Heim. Denn die Endlagerfrage sei aufs Engste mit der Atomtechnologie verknüpft. Auch Heim begrüsst aber den Schritt der Juso, jetzt doch noch eine Initiative zu lancieren, auch wenn so oder so eine nationale Volksabstimmung 2013 oder 2014 komme. "Dort wird dann unser ganzer Einsatz gefragt sein." (at.)

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Bund 29.1.11

Samstagsinterview

 "Meine Überzeugung ist die: Wir brauchen das neue Kernkraftwerk"

 Erneuerbare Energien sind wichtig, aber noch wichtiger ist die Versorgungssicherheit, sagt Eduard Kiener.

 Interview: Rudolf Burger

 Herr Kiener, reden wir über Atomkraft- oder Kernkraftwerke?

 Das ist irrelevant. Rein technisch ist KKW richtig, weil es um eine Kern- und nicht um eine Atomspaltung geht. Aber ich will niemanden überzeugen.

 Wie relevant ist die Abstimmung am 13. Februar?

 Sie hat keine rechtliche Wirkung, aber eine starke Signalwirkung. Bei einem Nein gibt es im Kanton Bern wohl kaum ein neues Kernkraftwerk.

 Liesse sich der Bau eines neuen KKW überhaupt durchsetzen? In Kaiseraugst ging das nicht.

 In der heutigen rechtlichen Situation ginge das. Wenn der Stimmbürger zustimmt, dann gehört es zum Demokratieverständnis, dass man den Entscheid auch akzeptiert. Ich glaube nicht an Gorleben-ähnliche Zustände in der Schweiz. Im Übrigen wäre Kaiseraugst ohne Tschernobyl mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit gebaut worden.

 Die Geschichte mit dem Zwischenlager für hoch radioaktive Abfälle, von dem nichts im Abstimmungsbüchlein steht, könnte in der Abstimmung die Gegner stärken.

 Da kann die BKW nichts dafür. Es war immer klar, dass es in einem KKW ein Zwischenlager braucht, in dem die Brennelemente abklingen können, bevor sie transportfähig sind. Jedes KKW hat ein Nasslager und ein Zwischenlager. Diese Lager sind gut gesichert.

 Wieso sind Sie für ein neues KKW?

 Kernkraftwerke sind nötig, damit unsere Versorgungssicherheit aufrechterhalten werden kann. Wenn wir selber keine KKW bauen, müssen wir Strom importieren. Was aber importieren wir dann? Strom aus Kernenergie, Kohle oder Gas.

 Es ist aber doch möglich, mit Importen die Stromlücke zu füllen, falls es sie wirklich gibt.

 Solange es im Ausland genug Strom gibt und ausreichend Leitungskapazitäten vorhanden sind. Wir können aber nicht nur auf unsere Versorgungssicherheit schauen. Auch im übrigen Europa nimmt der Stromverbrauch zu. Wenn die Strompreise in jüngster Zeit etwas zurückgegangen sind, war das primär eine Folge der Rezession.

 Auf den Import aus dem Ausland scheinen sich unsere Stromkonzerne einzustellen, sie haben verschiedene Käufe im Ausland getätigt.

 Wenn die BKW oder ein anderes Unternehmen im Ausland ein Gaskraftwerk baut oder mitfinanziert, ist das ein Beitrag zur europäischen Stromversorgung, nicht direkt einer für die Schweiz. Im Fall von Knappheit bleibt der Strom dort, wo er produziert wurde.

 Wenn das Volk Nein sagt, ist klar, dass etwas unternommen werden muss, um Strom zu sparen.

 Sparen müssen wir so oder so, Effizienz ist das A und O. Und wir müssen den Ausbau erneuerbarer Energien fördern. Aber die neuen Erneuerbaren kann man nicht so rasch wie nötig vorantreiben, um Kernkraftwerke zu ersetzen. Das geht schon von der möglichen Zubaugeschwindigkeit her nicht. Und die Investitionskosten sind heute im Vergleich mit Nuklearstrom beim Wind für die gleiche Energiemenge etwa zweimal so hoch, bei der Solarenergie im Mittel mehr als zehnmal so hoch.

 Wenn der Strom weiterhin billig ist, wird der Verbrauch weiter steigen.

 Der Verbrauch steigt ohnehin. Es gibt mehrere Entwicklungen, die den Verbrauch fördern: Die Bevölkerung wächst, die Wohnfläche pro Person nimmt zu. Die Elektromobilität braucht Strom, und es gibt immer mehr elektrische Geräte.

 Heute isoliert man Häuser besser, sie müssen weniger geheizt werden.

 Sicher ist es richtig, Häuser zu isolieren, das müsste noch viel mehr geschehen. Aber was passiert konkret, wenn wir ein Haus isolieren? Es wird weniger Öl und Gas verbrannt. Wenn eine Wärmepumpe eingesetzt wird, braucht sie Strom. Es geht hier eigentlich um die Frage, wie wir trotz rationeller Energienutzung unseren verbleibenden Strombedarf decken: Mit erneuerbaren Energien und KKW? Oder mit erneuerbaren Energien und Gaskraftwerken?

 Das Problem mit den KKW ist doch, dass eine nicht völlig beherrschbare Grosstechnologie eingesetzt wird.

 Ein Restrisiko bleibt immer. Mit der heutigen Technik ist es aber so klein, dass es zu verantworten ist. Wenn wir heute ein KKW bauen, reden wir von der Generation III, die noch sicherer ist als unsere bestehenden Anlagen.Es wäre am besten, wenn die Schweiz möglichst rasch neue KKW bauen und die älteren Kraftwerke Beznau I und II und Mühleberg ersetzen würde. Diese stammen aus einer Zeit, als man die Reaktoren noch nicht gegen Flugzeugabstürze sicherte. Man hat diese Schwäche durch Nachrüstungen kompensiert, aber eine neue Anlage wäre auf jeden Fall besser.

 Dann geben Sie den Leuten recht, die diese KKW für unsicher halten?

 Nein. Der Betrieb dieser Anlagen ist durchaus verantwortbar. Es sind gute Anlagen, man hat grosse Betriebserfahrung und gutes Personal. Es ist abstrus, von "Schrottreaktoren" zu reden.

 Wenn das Restrisiko klein ist: Wieso hört dann die Versicherung für KKW bei 1,8 Milliarden Franken auf?

 Ich habe nie begriffen, wieso sich die Elektrizitätsgesellschaften gegen eine deutliche Erhöhung dieser Versicherungssume wehren. Man hätte ohne weiteres auf 10 Milliarden gehen können, ohne ins Gewicht fallende Prämienerhöhungen.

 Wie man lesen kann, würde aber ein Unfall à la Tschernobyl in der Schweiz 4000 Milliarden kosten. Das kann niemand bezahlen.

 Ein Tschernobyl in der Schweiz ist schlicht ausgeschlossen. Dort gab es einen ganz anderen Reaktortyp.

 Und ein Harrisburg, wo der Beznau- Reaktortyp in Betrieb war?

 In Harrisburg ist der Reaktor kaputtgegangen. Ist ausserhalb etwas passiert? Nichts. In Harrisburg wurde der Störfall dank den Sicherheitsvorkehrungen beherrscht. Bei uns gab es den Unfall in Lucens, auch dort ohne Wirkung gegen aussen. Die Kaverne wurde ausgeräumt und wird heute vom Archäologischen Dienst des Kantons Waadt als Lagerhalle genutzt.

 Solange es Atomstrom gibt, wird doch einfach weniger in erneuerbare Energien investiert.

 Das ist eine Frage der Politik. Wir brauchen beides, einen ausgewogenen Mix. Die Flusskraftwerke plus die Kernkraftwerke haben in der Schweiz bis vor kurzem die minimale Last gedeckt, die sogenannte Grundlast. Heute genügen Fluss- und Kernkraftwerke nicht mehr, wir importieren Bandenergie aus Frankreich. Technisch bedingt liefern Wind- und Sonnenenergiekraftwerke keine Bandenergie. Bei einer Stromversorgung ganz mit erneuerbaren Energien würde die Schweiz anders aussehen.

 Wie denn?

 Zwangsläufig wird es früher oder später auf fast allen Dächern Sonnenenergiekollektoren geben. Dazu viele Windturbinen: Im Windkonzept Schweiz ist die Rede von 800 Anlagen. Weiter wird es im Falle einer Vollversorgung aus erneuerbaren Quellen Solaranlagen auf dem freien Feld oder in den Bergen geben müssen. Ob das ohne Widerstand geht, ist fraglich. Aber weil Wind und Sonne keine konstante Energie liefern,muss man die daraus gewonnene Energie bedarfsgerecht umwandeln, zunächst durch Pumpspeicherung, in ferner Zukunft wird man aus diesem Strom auch künstliches Öl und Gas machen müssen, weil diese leichter lagerbar sind.

 Was ist an dieser Vorstellung so schlimm?

 Nichts, es muss, kann aber nicht so schnell kommen. Wir fördern heute die erneuerbaren Energien in starkem Mass. Vielleicht weniger als Deutschland, aber auch bei den deutschen Zahlen wird man realistisch. Die neuen erneuerbaren Energien haben heute in der Schweiz einen Anteil von 2 Prozent an der Stromversorgung. Davon stammt der Grossteil aus der Kehrichtverbrennung, weil man den Kehricht zu 50 Prozent als erneuerbar taxiert. Wind und Sonne machen heute bloss etwa 2 Promille aus.

 Ist das nicht der Beweis, dass auf diesem Gebiet bisher zu wenig gemacht worden ist und man jetzt voll auf die erneuerbaren Energien setzen müsste, die viele Arbeitsplätze schaffen sollen?

 Man muss das Arbeitsplatzargument relativieren. Fotovoltaikmodule und Windkraftwerke müssen importiert werden. Die Wertschöpfung bleibt zu einem schönen Teil im Ausland. Eine Untersuchung des Rheinisch-Westfälischen Instituts, einer glaubwürdigen Quelle, hat ergeben, dass ein Arbeitsplatz in der Solarindustrie in Deutschland 175 000 Euro kostet. Diese Arbeitsplätze werden demnach vom Stromkonsumenten hoch subventioniert. Der deutsche Stromkonsument bezahlt heute 3,5 Eurocent pro Kilowattstunde für erneuerbare Energien, bei uns steigt der Stromzuschlag demnächst von 0,45 auf 0,9 Rappen.

 Was kostet ein neues KKW?

 Etwa acht Milliarden Franken.

 Lohnt sich ein AKW auch dann, wenn man alle Kosten, inklusive Entsorgung, zusammenzählt?

 Ja. Mit den Kosten kann man nicht gegen ein KKW argumentieren. Auch die Entsorgungskosten werden vorfinanziert, sodass bei Ausserbetriebnahme genügend Mittel für Stilllegung und Entsorgung vorhanden sein werden. Ein Teil davon wird laufend bezahlt, zum Beispiel für die Konditionierung der Abfälle und für das Zwischenlager in Würenlingen. Die ausstiegswilligen Städte haben eine Studie von Infras bezahlt, in der deutlich wird, dass Atomenergie immer noch am günstigsten ist.

 Wie viele KKW zu Kosten von je 8 Milliarden braucht es?

 Zwei, wobei man aber meiner Meinung nach zunächst eines zur Abstimmung bringen sollte, dem Volk aber sagen muss, es brauche zwei. Die Stromlücke hat die Grössenordnung von zwei KKW, wenn alles gerechnet wird: Mehrverbrauch, Wegfall der älteren KKW, Wegfall der Bezugsrechte bei französischen KKW. Mir liegt die Versorgungssicherheit am Herzen, damit ist nicht zu spassen.

 Was ist mit den nuklearen Abfällen? Überall dort, wo es Vorschläge zur Endlagerung gibt, im Zürcher Unterland, in der Innerschweiz, im Aargau, regt sich der Widerstand.

 Das ist klar. Aber: Die Kantone haben kein Vetorecht mehr, der Bund hat die Federführung. Das heutige Verfahren ist zwar langwierig, aber zielführend.

 Dennoch wird es grossen Widerstand geben.

 Den gab es schon immer. Der vom Bundesrat akzeptierte Gewährsnachweis zeigt, dass das Entsorgungsproblem, das mit dem Einstieg in die Kernenergie entstanden ist, lösbar ist. In der Schweiz gibt es die dafür notwendigen Gesteinsschichten.

 Können wir 200 000 Jahre in die Zukunft schauen?

 Diese Gesteinsschichten sind seit Millionen Jahren unverändert.

 Es gibt immer wieder Studien über ein erhöhtes Krebsrisiko im Umfeld von KKW. Was halten Sie davon?

 Ich bin kein Strahlenschutzexperte, aber solange die radioaktive Belastung in der Umgebung eines KKW deutlich kleiner ist als die natürliche Strahlung, habe ich Mühe, zu verstehen, wieso ein Kernkraftwerk zusätzliche Probleme schaffen soll. Durch die Medizin gibt es viel grössere Strahlenbelastungen und beim Fliegen sowieso. Die deutsche Studie kam zum Schluss, es gebe keine eindeutigen Resultate, die Statistik lasse das nicht zu.

 Noch ein Problem: Uran macht vom Ausland abhängig.

 Klar, aber Uran kann man auf dem Markt recht gut kaufen, es hat genügend Uran. Eine gewisse Verknappung gab es nur, weil niemand ein KKW baute und keine Uran-Mine erschlossen wurde.

 Für die nächsten 100 Jahre?

 Für eine lange Zeit. Und falls die neuen Reaktorentwicklungen mit neuen Brütertechnologien kommen, gibt es ohnehin genug Brennstoff.

 Ist die Konstruktion von Brütern eine Option?

 Nicht in den nächsten Jahrzehnten. Momentan gibt es ein internationales Forschungsprojekt, bei dem man sich auf ein oder wenige Konzepte einigen will. Die neuen Reaktoren werden vielleicht in der Mitte dieses Jahrhunderts gebaut werden, und vielleicht gibt es bis dann auch die Fusion.

 Deutschland will bis 2034 aus der Kernkraft aussteigen. Es gibt also doch Fachleute, Politiker, linke und rechte, die die Stromversorgung ohne KKW für möglich halten.

 Deutschland hat viel Kohlestrom und eine immense Zahl von Kohlekraftwerkprojekten im Bau oder in Planung.

 In Österreich gibt es gar kein KKW.

 Was wurde aus Zwentendorf? Ein Kohlekraftwerk. Und lange haben die Österreicher Strom aus Temelin bezogen, dem KKW in Tschechien, das sie bekämpft haben. Und was macht die Stadt Bern, die aus der Kernenergie aussteigen will?

 Da gibt es ein Geothermieprojekt.

 Aber in Bau ist jetzt bei der neuen Kehrichtverbrennungsanlage ein Gaskraftwerk. Kernenergie wird durch Gas ersetzt, mit entsprechenden Konsequenzen für den CO2-Ausstoss. "Geothermie" tönt gut, aber der Wirkungsgrad ist bei der Stromproduktion gering.

 Auch bei den KKW ist die CO2-Bilanz umstritten, wenn alles berechnet wird: Uranabbau, Bau, Entsorgung.

 Das Argument zieht nicht. Wissenschaftliche Untersuchungen des Paul-Scherrer-Instituts ergeben bei Anwendung moderner Technologien diese CO2-Zahlen: KKW 8 Gramm pro Kilowattstunde Strom, Wind 17 Gramm, Fotovoltaik 62 Gramm und Gaskombikraftwerk 426 Gramm.

 Sie sind in der SP. Mit all ihrer Erfahrung ist es Ihnen nicht gelungen, Ihre Partei zu überzeugen.

 Das ist so. In der SP bin ich ein Exot. Eingefleischte Anti-Nukleare können Sie nicht überzeugen. Aber als ich als 22-Jähriger der SP beitrat, war die SP noch pro-nuklear. Bundesrat Willy Spühler hat die Kernenergie eingeführt, und Willy Ritschard war alles andere als antinuklear.

 Was ist in der Zwischenzeit passiert?

 Vor allem Kaiseraugst. Und zwei aus der berühmten Viererbande, Helmut Hubacher und Andreas Gerwig, waren Basler. Solange ich Direktor des Bundesamts für Energie war, war ich immer auch Mitglied der Energiekommission der SP und habe versucht, das Fachliche und den Realitätsbezug einzubringen. Ich muss leider feststellen, dass ich damit nicht immer Erfolg hatte.

 Ihre Prognose für den 13. Februar?

 Schwer zu sagen. Bisher haben die Berner immer für Kernenergie gestimmt, aber da ging es direkt oder indirekt stets auch um die Frage, ob Mühleberg weiterbetrieben werden soll. Meine Überzeugung ist die: Wir brauchen das neue KKW zur Sicherstellung unserer Stromversorgung. Die neuen Erneuerbaren brauchen wir auch, wir müssen sie mit Nachdruck vorantreiben, denn es gilt, die fossilen Energien nach und nach zu ersetzen. Deshalb: Kernenergie und Erneuerbare!

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 Eduard Kiener

 Eduard Kiener, Jahrgang 1938, ist Bern geboren und aufgewachsen. An der ETH studierte er Maschineningenieur, danach Nationalökonomie und Betriebswirtschaft in Bern, wo er mit dem Doktorat abschloss. Er arbeitete kurze Zeit bei der Wifag und als Assistent an der Uni. 1973 trat er in die Bundesverwaltung ein, zunächst als Mitarbeiter der Zentralstelle für Organisationsfragen. Ab 1975 arbeitete er im Bundesamt für Energie, von 1977 bis 2001 als dessen Direktor. Eduard Kiener ist verheiratet und Vater von zwei erwachsenen Kindern. Er wohnt in Kirchlindach.(bur)

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Kantonale Abstimmung über ein neues Atomkraftwerk in Mühleberg

 Die "Bund"-Redaktion ist in der Frage der Atomenergie, über die Bernerinnen und Berner am13. Februar abstimmen, gespalten. Deshalb hat die Redaktionsleitung entschieden, kontradiktorisch zu kommentieren. Die kantonale Volksabstimmung ist konsultativer Natur, also nicht rechtlich bindend. Es geht nämlich um die Frage, ob der Kanton Bern zuhanden des Bundes eine positive Stellungnahme zum geplanten Atomkraftwerk in Mühleberg abgeben soll. An diesem würden die Schweizer Energiekonzerne Axpo, Alpiq und BKW beteiligt sein. Sie wollen mit dem Werk das heutige AKW Mühleberg ersetzen, dessen Lebensdauer sich dem Ende zuneigt. Gleichzeitig sind zwei weitere Gesuche für neue AKW als Ersatz für die Anlagen Gösgen SO und Beznau AG hängig. Die Branche ist sich einig, dass höchstens zwei Werkegebaut werden.

 Letztlich wird das Schweizervolk verbindlich darüber abstimmen, ob überhaupt neue AKW entstehen - voraussichtlich 2013 oder 2014. Die Berner Abstimmung gilt als ersterStimmungstest für die Atomfrage. Zudem hat sie eine grosse Bedeutung, was die Standorte der zukünftigen AKW angeht. Sagt das Berner Stimmvolk Nein zu Mühleberg, dürfte das Projekt aus dem nationalen Rennen sein. (sn)

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Nein zu MühlebergEs gibt heute längst Alternativen zu AKW und ihrem gefährlichen Abfall, wenn es darum geht, günstigen und CO 2-armen Strom zu produzieren.

 Ein neues AKW wäre die schlechteste Option

Sarah Nowotny

 Atomkraftwerke produzieren grosse Mengen an Strom und sind einigermassen klimafreundlich. Damit ist die Liste mit Punkten, die für ihren Bau sprechen könnten, komplett. Denn die heute im Bau befindlichen Reaktoren lehren uns, dass AKW massiv teurer werden und Jahre später ans Netz gehen als prognostiziert. Ob sie in 20 Jahren überhaupt noch nötig sein werden und ohne staatliche Subventionen gebaut werden können, ist fraglich. Auch in anderen Bereichen verzögern sich grosse Bauprojekte und überschreiten den ursprünglichen Kostenrahmen, könnte man einwenden. Zudem sind erneuerbare Energien wie Sonne, Wind, Wasser ebenfalls mit Unsicherheiten verbunden und werden subventioniert. Dies bedeutet aber nicht, dass die Bernerinnen und Berner an der Urne die Atomenergie vorziehen sollten. Zumindest nicht, wenn wir unseren Strombedarf auch auf andere Art günstig und CO 2-arm decken können.

 Denn AKW sind keine Übergangslösung, sondern ein Klumpenrisiko. Erstens hinterlassen sie gefährlichen Müll, der für Hunderttausende von Jahren sicher gelagert werden muss. Dafür gibt es nach wie vor keine Lösung. Sagt das Volk Ja zu Mühleberg, nimmt es auch in Kauf, dass im Kanton Bern ein Zwischenlager entsteht, in dem hoch radioaktiver Abfall liegt. Dieser wird nicht nur unseren Kindern und Enkeln, sondern auch noch unseren Urenkeln zur Last fallen. Das Argument, wir müssten sowieso schon Atommüll entsorgen, überzeugt nicht ganz. Angesichts der Dimensionen der zukünftigen AKW würde nach ihrem Bau noch viel mehr anfallen, ungleich grössere Lager wären nötig - zwei Neat-Röhren waren ja finanziell und logistisch auch viel aufwendiger als eine.

 Ein Mittelweg hinter der Propaganda

 Zweitens besteht das Risiko eines gravierenden Unfalls. Auch wenn es gering ist: Passiert etwas, sind die Folgen unvorstellbar. Darum fliessen immense Summen in die Sicherheit von AKW, und darum übernimmt keine Versicherung die vollen Risiken. Es gibt also gute Gründe, sehr ernsthaft über Alternativen zu AKW nachzudenken. Weder naive "grüne" Utopien noch die Angst vor der "Stromlücke", die uns die PR-Abteilungen der Strombranche einjagen wollen, bringen uns dabei weiter. Dass Extreme unnötig sind, zeigt schon die Tatsache, dass der Bund Energieversorgungsszenarien sowohl mit als auch ohne AKW ausgearbeitet hat. Wie so oft tut sich hinter der Propaganda ein Mittelweg auf. Sein Ausgangspunkt ist der unbestreitbare - und unbestrittene - Fakt, dass sich unser Land in der komfortablen Lage einer Stromdrehscheibe befindet.

 Die Schweiz importiert und exportiert fast gleich viel Strom, wie sie im Inland herstellt. Investiert man rechtzeitig in Leitungen, wird das auch so bleiben. Denn im liberalisierten Strommarkt bieten wir Europa etwas Einmaliges: Mit unseren Stauseen können wir Strom speichern, bis er in Zeiten grosser Nachfrage gebraucht wird. Heute im Kanton Glarus und in absehbarer Zeit wahrscheinlich auch an der Grimsel werden die Pumpspeicherkapazitäten ausgebaut - die Schweiz wäre also gut gerüstet.

 Wir sollten uns nicht vom Ausland abhängig machen, sagt indes die Strombranche. Das ist heuchlerisch, denn unsere Energiekonzerne profitieren längst vom lukrativen Auslandgeschäft. Schon heute haben sie die auslaufenden Atomstrom-Verträge mit Frankreich durch Investitionen jenseits der Landesgrenze ersetzt.

 Geld ist vor allem in Gaskraftwerke, die viel CO2 ausstossen, geflossen. Die Art des Engagements ist aber eine Frage des Willens. Nichts hindert die Konzerne daran, auf erneuerbare Energien zu setzen. Die EU investiert in den nächsten Jahrzehnten in diesem Bereich massiv. Zu Recht: Strom aus Wind, Sonne und Wasser wird immer billiger, während sich Atomstrom laufend verteuert. Diese Entwicklung sollte die Schweiz auch im Inland nutzen. Es braucht endlich einfache und transparente Bewilligungsverfahren. Ausserdem kennt insbesondere bei der Solarenergie niemand das Potenzial; auf Lawinenverbauungen etwa wäre es riesig.

 Neben der Anbindung ans europäische Stromnetz und einheimischer erneuerbarer Energie braucht es Energieeffizienz. Ein Drittel des heutigen Stromverbrauchs könnte ohne Komforteinbusse eingespart werden, einfach durch strengere Vorschriften zum Stromverbrauch von Geräten, Motoren und Beleuchtung. Es gibt längst Modelle, die einen Bruchteil des Stroms ihrer Vorgänger verbrauchen. Natürlich sind neue Hochspannungsleitungen, strengere Vorschriften und der Ausbau der erneuerbaren Energien kein Spaziergang. Angesichts der gravierenden Nachteile von AKW sind sie aber vorzuziehen. Ein Nein zu Mühleberg II wäre ein starkes Signal in diese Richtung. Viel Geld und Innovationsgeist könnten danach sinnvoller eingesetzt werden.

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Ja zu MühlebergDie Atomenergie ist eine problematische Technologie. Trotzdem spricht vieles dafür, noch einmal ein AKW zu bauen - als Übergangslösung.

 Ohne neues AKW wird es eng

Patrick Feuz

 Tschernobyl und die Folgen sind noch in vielen Köpfen. Zwar wäre ein solcher Unfall in der Schweiz nie möglich gewesen. Trotzdem ist das Unbehagen in der Bevölkerung gegenüber AKW bis heute gross. Zu Recht: Die Atomenergie ist eine problematische Technologie, in erster Linie wegen der strahlenden Abfälle.

 Doch die Frage, ob die Schweiz ein neues Atomkraftwerk bauen soll, ist untrennbar mit einer anderen Frage verbunden: Gibt es in nützlicher Frist eine Alternative? In den nächsten zehn bis fünfzehn Jahren werden die Atomkraftwerke Mühleberg und Beznau abgeschaltet. Zudem verliert die Schweiz faktisch die Jahresproduktion zweier weiterer Atomkraftwerke: Der billige Atomstrom, den wir heute aus Frankreich beziehen, wird versiegen, die Lieferverträge laufen in einigen Jahren aus.

 Der sauberste und billigste Strom ist der, den man nicht braucht. Doch auf Verzicht im grossen Stil zu setzen, wäre eine Energiepolitik auf wackeligen Beinen. Der Stromverbrauch ist in der Schweiz zwischen 2000 und 2009 um 10 Prozent gestiegen - trotz Rezessionsjahr 2009 und obwohl viele Geräte immer weniger Strom benötigen. Nichts deutet auf ein Umdenken hin. Der Mensch nutzt jedes neue Angebot, um seinen Komfort zu steigern, oder auch nur, um sich mit einem technischen Spielzeug die Zeit zu vertreiben. Nur die wenigsten von uns sind bereit, sich einzuschränken. Kommt dazu, dass bis in fünfzig Jahren laut Prognosen rund 9 Millionen Menschen in der Schweiz leben werden.

 Irgendeinmal werden Wind, Sonne und Erdwärme den Strombedarf Europas decken. Die Vorräte an Kohle, Gas, Öl und Uran sind begrenzt. Der Weg in die saubere Elektrizitätszukunft ist aber weit. In der Schweiz tragen heute neue erneuerbare Energien 2 Prozent zur Stromproduktion bei. Ihr Anteil lässt sich substanziell steigern, aber von der Strommenge, die ab circa 2020 fehlt, wird so nur ein kleiner Teil ersetzt.

 Probleme auf der Stromautobahn

 Eine weit bedeutendere Rolle für unsere Stromversorgung werden dereinst wohl gigantische Solarkraftwerke in der Wüste Spaniens und Nordafrikas sowie Windräder in der Nordsee spielen. Doch auch das wird dauern. Um die wachsende Menge Ökostrom wird ein scharfer Verteilkampf toben. So will etwa auch Deutschland seinen Anteil an erneuerbarer Energie massiv steigern - wie viel Windstrom für andere übrig bleibt, ist unklar. Zudem ist man technisch weit davon entfernt, Wind- und Sonnenstrom in grosser Menge über weite Strecken hinweg innerhalb Europas verteilen zu können.

 Die EU will zwar Milliarden in den Netzausbau stecken, doch das ist nur ein Anfang. Denn die angestrebte Stromautobahn mitsamt Zubringern zu Städten und Dörfern stellt die Fachleute vor enorme technische Herausforderungen. Die Pioniertat muss noch gelingen, verschiedene Hochspannungsgleichstrom-Übertragungen sicher miteinander zu verknüpfen.

 Vor allem ist ein technologischer Quantensprung nötig, um die absehbaren Schwankungen im europäischen Stromnetz auszugleichen. Damit das Netz nicht zusammenbricht, wenn über der Nordsee nachts ein Sturm tobt, pumpt heute der vom schlafenden Europa nicht gebrauchte Windstrom Wasser in Stauseen. Solche Pumpspeicherkraftwerke lassen sich nicht beliebig viele bauen. Damit die Stromautobahn funktioniert, braucht es für die Energiespeicherung zusätzliche Lösungen. Doch das ist Zukunftsmusik.

 Ohne neues AKW muss die Schweiz in den nächsten 60 Jahren deutlich mehr Strom importieren als bisher - das wird in erster Linie Strom aus Kohle, Gas und Atomkraft sein. Kohle und Gas in Elektrizität umzuwandeln, ist klimapolitisch eine Sünde. Mit dem Import von Atomstrom wächst der Atommüll wie mit einem eigenen AKW. Bauen wir selber eine neue Anlage, steigt der politische Druck, dass wir vorwärtsmachen mit Konzepten für ein Endlager - die Schweiz soll zur Lösung des Abfallproblems beitragen.

 Vor allem im Winter ist unser Land verletzlich. Da sind wir schon heute von Importen abhängig. Der Stromhunger nimmt in ganz Europa zu, in Spitzenzeiten kann es künftig sehr teuer werden, auf dem freien Markt Leitungskapazitäten zu ersteigern und Strom einzukaufen. Für die Versorgungssicherheit ist ein möglichst kleiner Importanteil ein grosser Vorteil.

 Langfristig spricht alles für die erneuerbaren Energien. Auch das Portemonnaie. Je knapper das Uran wird, desto mehr wird der heutige Preisvorteil der Atomenergie schwinden. Aber man muss realistisch sein: Bis die Erneuerbaren ihre Stärke voll ausspielen können, vergehen Jahrzehnte. Bis alle Unwägbarkeiten geklärt sind, braucht es eine Übergangslösung. Die Schweiz sollte deshalb ein letztes Mal ein Atomkraftwerk bauen.

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BZ 29.1.11

Standpunkt

 Ein Nein zu Mühleberg bringt ausser Symbolik nichts

Chefredaktor^Michael Hugzur AKW-Abstimmung

 Der Kanton Bern stimmt in zwei Wochen über das Atomkraftwerk Mühleberg ab. Das ist auf den ersten Blick eine gute Sache. Regierung und Grosser Rat ermöglichen es allen Bernerinnen und Bernern, sich in einer demokratischen Ausmarchung zu dieser umstrittenen Frage zu äussern. In der übrigen Schweiz verfolgt man gespannt und mit der Lust des Zaungastes, wie dieser "erste Stimmungstest" zur Atomzukunft ausfällt.

 Auf den zweiten Blick ist diese Abstimmung keine gute Sache. Resultiert für Mühleberg ein Nein, ist sie ein voreiliger Schritt des Kantons Bern in die energiepolitische Sackgasse. Denn obwohl die Abstimmung landesweit zum Plebiszit über die Atomkraft hochstilisiert wird, geht es am 13. Februar weder um die Frage AKW ja oder nein noch um die energiepolitische Zukunft. Es geht einzig und allein darum, ob Mühleberg als Standort für ein Atomkraftwerk ebenso wie Gösgen und Beznau in der Diskussion bleibt oder nicht.

 Über die Frage, ob in der Schweiz weitere Atomkraftwerke gebaut werden sollen, entscheidet der Schweizer Souverän frühestens in drei Jahren. Erst dann werden die energiepolitischen Weichen gestellt. Spricht sich die Schweiz für weitere Atomkraftwerke aus, wird im Minimum eines gebaut. Ob es in Gösgen, Beznau oder Mühleberg steht, macht bezüglich der Risiken dieser Technologie keinen nennenswerten Unterschied.

 Resultiert am 13. Februar ein Nein im Kanton Bern, hat das nur eine konkrete Folge: Mühleberg kommt als Standort für ein neues AKW nicht mehr infrage. Das bedeutet zunächst einmal, dass die BKW, eines der wertvollsten Unternehmen im Besitz der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, gewissermassen in die Nationalliga B der Energiefirmen zurückgestuft wird. Es bedeutet, dass in der Region Mühleberg ein gewichtiger Arbeitgeber verschwindet.

 Die Nutzung der Atomkraft ist eine Glaubensfrage. Eine Frage der Verantwortung gegenüber nachfolgenden Generationen. Eine Frage der Alternativen. Keine dieser Fragen ist abschliessend beantwortet. Wer zutiefst davon überzeugt ist, dass alles getan werden muss, um weitere Atomkraftwerke zu verhindern, wird am 13. Februar ein Nein in die Urne legen.

 Pragmatischere Geister tun aber gut daran, im Zweifelsfall Ja zu stimmen. Die BKW und Mühleberg bleiben damit eine Option, bis die energiepolitische Zukunft der Schweiz geklärt ist. Und der Kanton Bern verabschiedet sich nicht vorzeitig aus diesem Entscheidungsprozess.

 So einfach, wie die Atomkraftgegner behaupten, ist ein Ausstieg nicht. Dass der Energieverbrauch substanziell gesenkt werden könnte, ist etwa so glaubwürdig wie die Abmagerungsvorsätze eines Übergewichtigen, der Jahr für Jahr ein paar Pfunde zulegt. Dass der ungeliebte Atomstrom mit erneuerbaren Energien ersetzt werden könnte, dass die BKW bei einem Nein zum grünen Vorzeigeunternehmen würde, all das ist nach heutigem Stand nicht mehr als ein vages Versprechen. Und wenn behauptet wird, ein Nein schaffe viele neue Arbeitsplätze bei den erneuerbaren Energien, so ist dem entgegenzuhalten: Zunächst einmal vernichtet ein Nein Arbeitsplätze. Und das im Unterschied zum prophezeiten Wirtschaftswunder mit Sicherheit.

 Die Stadt Bern will aus der Atomkraft aussteigen. Sie braucht dafür dreissig Jahre, die finanzielle Opferbereitschaft der Bevölkerung und viel teuren Strom aus europäischen Windmühlen. Bloss: Wissen wir heute schon, ob es auch für das ganze Land ein realistisches Ausstiegsszenario gibt? Dass sich die Schweiz am Ende nicht doch für den weniger strapaziösen Weg mit neuen Atomkraftwerken entscheidet, weil sie zum Schluss kommt, dass sie nach allem Abwägen lieber mit den Risiken der Technologie leben will? Erleichtert es dannzumal das Gewissen der Bernerinnen und Berner, wenn sie über die BKW so oder so mit einem Sechstel am neuen Atommeiler beteiligt sind, den sie auf dem eigenen Boden nicht haben wollten?

 Regierung und Grosser Rat wollten nicht den Hauch einer Verantwortung auf sich laden und haben im Unterschied zu anderen Kantonen schon die wenig bedeutende Stellungnahme zum Rahmenbewilligungsgesuch an das Volk delegiert. Das war schön für das eigene Gewissen und ein politisches Geschenk für die AKW-Gegner. Magistral war es nicht. Nun kann man nur noch hoffen, dass die Bevölkerung in einer emotional aufgeladenen Debatte jene Nüchternheit an den Tag legt, die ihren Politikern gefehlt hat.

 Am 13. Februar geht es nicht um die Atomkraft, sondern um Geld und Arbeitsplätze. Ein Kanton, der hohe Steuern erheben muss und trotzdem auf Finanzausgleichsmilliarden angewiesen ist, sollte es sich nicht leisten, um der blossen Symbolik willen vorzeitig aus einem Prozess mit völlig ungewissem Ausgang auszusteigen. Denn ausser einem "Stimmungsbild" für die Restschweiz bringt ein Nein dem Kanton Bern nichts. Rein gar nichts.

 michael.hug@bernerzeitung.ch

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AKW-Abstimmung   ● Die Argumente der Energiedirektorin

 "Die AKW-Technologie ist gefährlich"

 Die Berner Energiedirektorin Barbara Egger (SP) ist überzeugt, dass die Schweiz in 20 Jahren auf Atomstrom verzichten kann. Zudem möchte sie die Berner Bevölkerung nicht noch einmal für 50 weitere Jahre dem Risiko eines Reaktorunfalls aussetzen.

 Die SVP fordert, dass sich die Regierung vor Abstimmungen künftig nicht mehr äussern darf, sofern der Grosse Rat anderer Meinung ist. Was halten Sie von der Idee eines Maulkorbs für die Regierung?

 Barbara Egger: Aus demokratiepolitischen Gründen wäre ein solcher Maulkorb wirklich bedenklich. Die Kantonsregierung ist - im Gegensatz zum Bund - vom Volk gewählt. Deshalb haben die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger aus meiner Sicht bei einer Volksbefragung das Recht, zu wissen, was die Meinung des Regierungsrates ist - und dies unabhängig davon, welche Meinung der Grosse Rat hat.

 Dieser Vorstoss zeigt, wie gross die Hektik in beiden Lagern ist. Sind Sie auch nervös?

 Nein. Ich wäre eine schlechte Politikerin, wenn ich jetzt nervös wäre.

 Sie rechnen also mit einem Ja.

 Das ist nicht der Grund. Auf meinen Antrag hat der Grosse Rat beschlossen, dass sich das Berner Stimmvolk zu dieser Frage äussern kann. Dieser Wunsch wird nun vollzogen. Bei einem Nein wäre es nicht das erste Mal, dass ich einen Volksentscheid umsetzen würde, den ich mir anders gewünscht hätte.

 Aber es ist wohl die wichtigste Abstimmung in Ihrer Karriere.

 Sie wissen ja nicht, wie lange ich noch Regierungsrätin bleiben werde (lacht). Für die Bernerinnen und Berner ist es eine wichtige Abstimmung. Aber man muss das Ganze auch ein wenig relativieren. Es ist nicht eine Abstimmung über das konkrete Projekt für ein neues AKW in Mühleberg, sondern nur über eine Stellungnahme, die der Kanton gegenüber dem Bund abgeben soll.

 Da stellen Sie den Sachverhalt zu harmlos dar. Es geht doch um die Frage, ob in Mühleberg ein neues AKW gebaut werden soll oder nicht.

 Es liegt mir fern, die Abstimmung zu verharmlosen. Ich erwarte deshalb auch, dass sich alle beteiligten Akteure an das Abstimmungsergebnis halten werden.

 Dann sind Sie verärgert, wenn die BKW sagt, die Planungsarbeiten würden bei einem Nein weitergehen?

 Warten wir doch mal das Resultat der Abstimmung ab. Ich weiss, dass die Entscheidungsträger bei der BKW auch gute Demokraten sind.

 Warum sind Sie der Meinung, dass in Mühleberg kein neues AKW gebaut werden soll?

 Mit einem neuen Atomkraftwerk würden wir für die nächsten 50 Jahre auf eine veraltete Technologie setzen, die nicht zu Ende gedacht ist. Die Abfallproblematik ist weiterhin nicht gelöst.

 Die Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) sagt aber, dass das Problem technisch gelöst sei. Der Bundesrat hat dies bestätigt. Zudem haben die Standortkantone eines Tiefenlagers kein Vetorecht mehr.

 Technisch ist es gelöst, politisch aber nicht. Keine Gemeinde, kein Kanton will bei sich ein Endlager für die Atomabfälle haben. Ich bin mir fast sicher, dass die Bevölkerung ein Endlager auch in Zukunft ablehnen wird. Und selbst bei einem Ja in der gesamtschweizerischen Abstimmung gehe ich davon aus, dass die Bevölkerung in der betroffenen Region einen Aufstand machen wird. Das ist für mich das Schizophrene am Atomstrom: Zum Atomstrom sagt man Ja, aber niemand will den Atomabfall bei sich lagern.

 Ein zweites Argument, das Sie gegen ein neues AKW anführen, ist die Gefahr eines Reaktorunfalls. Doch die AKW-Betreiber sagen, dass die Wahrscheinlichkeit eines solchen Unfalls sehr gering sei.

 Die AKW-Technologie ist gefährlich. Wir wissen zwar, dass die Wahrscheinlichkeit eines Störfalls gering ist. Aber seit Tschernobyl und Harrisburg wissen wir auch, dass ein solcher Fall eintreten kann. Und wenn es zu einem Zwischenfall kommt, sind die Auswirkungen gravierend. Vor diesem Hintergrund ist die Regierung nicht bereit, die Bevölkerung diesem Risiko weitere 50 Jahren auszusetzen. Diese Verantwortung will die Regierung nicht übernehmen.

 Der Regierungsrat geht davon aus, dass die Kosten eines neuen AKW höher ausfallen werden als die von der BKW prognostizierten 7 bis 9 Milliarden Franken. Warum?

 Die Baukosten schätzen wir gleich hoch ein. Aber wir rechnen auch noch die Kosten für die Endlagerung und die Rückbaukosten für das alte AKW mit ein. Zudem habe ich als Baudirektorin noch nie erlebt, dass ein Projekt nur so viel kostet, wie Jahre vorher berechnet wurde. Deshalb denke ich, dass ein neues AKW viel teurer zu stehen kommt, als jetzt budgetiert ist. Ich wage zu behaupten, dass Atomstrom in 15 Jahren teurer sein wird als Strom von erneuerbaren Energien.

 Wenn die Schweiz künftig auf Atomstrom verzichten wird, aus welchen Stromquellen können wir dann Strom beziehen?

 Ein neues AKW in Mühleberg wird frühestens in 20 Jahren seinen Betrieb aufnehmen. Die Technologie der Energiegewinnung und der Energieeffizienz wird sich in dieser Zeit noch gewaltig entwickeln. Fachleute aus der ganzen Welt sagen, dass wir bei den erneuerbaren Energien - insbesondere bei der Sonnenenergie - vor einem gewaltigen Technologieschub stehen. Die Stromwelt wird in 20 Jahren ganz anders aussehen als heute. Das grösste Potenzial sehe ich in der   Fotovoltaik und bei Windanlagen im Meer. Gas- oder Kohlekraftwerke sind für mich dagegen keine Alternative.

 Ihre Aussagen basieren auf dem Prinzip Hoffnung. Die BKW sagt, dass sie sich nicht auf etwas abstützen könne, das es noch gar nicht gebe.

 Ich akzeptiere, dass die BKW hier eine andere Meinung hat. Für die BKW ist ein neues AKW wichtig, weil sie in Bezug auf den Betrieb eines AKW firmenintern viel Know-how hat und dieses nicht gerne aus der Hand geben will. Die BKW baut sich aber seit einigen Jahren bei den neuen erneuerbaren Energien viel Know-how auf und schafft hier zahlreiche Arbeitsplätze. Die BKW wäre aus meiner Sicht bereit dafür, die Zukunft ohne Atomstrom zu meistern. Gute Entwicklungen ergeben sich oft nur, wenn man dazu gezwungen wird. Davon bin ich überzeugt. Hier geht es eben in erster Linie um eine ideologische Frage.

 Aufgrund des Widerstandes in der Bevölkerung kann die BKW nicht so viele Anlagen im Bereich der erneuerbaren Energien installieren, wie sie ursprünglich geplant hatte. Das hat sie Anfang Januar bekannt gegeben.

 Das ist so. Der Entscheid zeigt aber nicht, dass die BKW   nicht an die erneuerbaren Energien glaubt. Er ist vielmehr eine Anpassung an die Realität. Dies, weil es gegen neue Windparks und neue kleinere Wasserkraftwerke lokal Opposition gibt. Aber es wäre ein Trugschluss, zu glauben, dass es bei einem neuen AKW keine Opposition geben wird.

 Erst im Dezember gab es einen ersten Medienbericht darüber, dass es in Mühleberg auch ein Zwischenlager gibt. Nicht einmal im Grossen Rat wurde darüber diskutiert. Was lief da schief?

 Es ist nichts schiefgelaufen. Warum das Zwischenlager in der Kommission des Grossen Rates nicht diskutiert wurde, kann ich Ihnen auch nicht sagen. Aber es hat wohl damit zu tun, dass in der Kommission vor allem der Fragekatalog des Bundes diskutiert wurde. Darin kam das Zwischenlager nicht vor.

 Warum haben Sie die Kommission nicht auf das Zwischenlager aufmerksam gemacht?

 Für mich war klar, dass ein Zwischenlager immer zu einem AKW gehört. Im Rahmenbewilligungsgesuch ist dies ausführlich beschrieben. Diese Informationen waren allen Grossrätinnen und Grossräten zugänglich.

 Sie haben gesagt, dass die Regierung das Risiko eines Störfalls nicht weiter tragen wolle. Wäre es nicht konsequent, wenn der Kanton bei einem Ja seine BKW-Anteile verkaufen würde?

 Vor einigen Jahren haben wir ein entsprechendes Gesetz in die Vernehmlassung gegeben. Fast alle Parteien haben damals einen Verkauf der BKW abgelehnt. Ich denke, dass dies heute nicht anders sein würde. Denn die BKW gehört wie der Bär zu Bern.

 Interview:Stefan Schnyder undNiklaus Bernhard

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Langenthaler Tagblatt 29.1.11

Oberaargau will AKW II

 Die vier Kandidatinnen und Kandidaten für den Ständerat kreuzten am Donnerstagabend an einem überparteilichen Podium in Langenthal die Klingen.

 "Besser als jede ‹Arena›" sei es gewesen, das Podium in der Alten Mühle, wie eine Umfrage am folgenden Apéro ergab. Tatsächlich stand der Anlass der TV-Sendung des Schweizer Fernsehens in nichts nach. Die Nationalräte Adrian Amstutz (SVP) und Christa Markwalder (FDP) sprachen sich klar für den Bau eines neuen Atomkraftwerks in Mühleberg aus. "Ein neues AKW sichert genügend und günstigen Strom", sagte Amstutz. Markwalder sagte, die absehbare Stromlücke mit Gas-Kombikraftwerken zu füllen, sei keine Alternative: "Diese Dreckschleudern machen alle CO-Anstrengungen zunichte." Nationalrätin Ursula Wyss (SP) und Grossrat Marc Jost (EVP) sprachen den neuen erneuerbaren Energien das Wort. "Die Challenge ist möglich", sagte Wyss. Jost erinnerte an das immer noch fehlende Endlager für Atommüll. Die Konsultativbefragung unter den rund 300 Besuchern ergab ein deutliches Ja zu Atomstrom.

 Streitgespräch zu Mühleberg II

 Was sie von Mühleberg II halten, sagen Nationalrat Christian Wasserfallen (FDP) und die SP-Vizepräsidentin Sabina Stör Büschlen in einem Streitgespräch. (uz) Seiten 23/24/25

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Bern am Scheideweg: Soll die BKW in Erneuerbare oder AKW investieren?

 Streitgespräch Vor der bernischen Mühleberg-Abstimmung am 13. Februar kreuzen SP-Vizepräsidentin Sabina Stör Büschlen und FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen die Klingen

Samuel Thomi

 Was halten die Bernerinnen und Berner von den Plänen der BKW Energie AG, in Mühleberg bis in rund zwanzig Jahren ein neues Atomkraftwerk zu bauen? - Im Vorfeld der Konsultativabstimmung über ein neues AKW (vgl. Kasten unten) diskutieren Sabina Stör Büschlen, Vizepräsidentin SP Kanton, und Christian Wasserfallen, Nationalrat der FDP, auf Einladung des az Langenthaler Tagblatts in der Galérie des Alpes im Berner Bundeshaus über die Vorlage vom 13. Februar.

 Herr Wasserfallen, am Sonntag in einer Woche gehts im Kanton an der Urne um ein Thema, das in den nächsten 20 Jahren umgesetzt werden soll. Haben Sie sich als Zehnjähriger vorstellen können, in welch technisierter Welt wir heute leben?

 Christian Wasserfallen: Nein. Die Technologien haben sich aber auch unterschiedlich entwickelt. Autos fahren immer noch mit Abgasen durch die Welt, während sich auch die besten Auguren bei den Kommunikationstechnologien verschätzt haben. Das ist heute nicht anders: Die Potenziale von erneuerbaren und fossilen Technologien werden ebenfalls unterschiedlich eingeschätzt.

 Da erachten Sie es als unmöglich, dass in 20 Jahren neue erneuerbare Energien AKW ersetzen könnten?

 Wasserfallen: Im Gegensatz zu Kommunikationstechnologien ist das Entwicklungspotenzial bei erneuerbaren Energien wesentlich kleiner. Den heutigen Anteil von 40 Prozent der Kernenergie an unserem Strommix bis ins Jahr 2040 durch Erneuerbare im Inland zu ersetzen, ist unmöglich.

 Ihre Seite, Frau Stör, argumentiert jedoch genau damit. Wollen Sie die Schweiz ins Energie-Chaos stürzen?

 Sabina Stör: Auf keinen Fall. Wir wollen die Schweiz in eine Energiezukunft führen, in der alle Potenziale genutzt werden. In einzelnen Bereichen wie etwa der Photovoltaik stehen grosse Entwicklungen bevor. Es geht aber nicht nur um Strom, sondern um eine Gesamtperspektive der verschiedensten Energieformen. Wasserfallen: Das ist ein Missverständnis: Wir müssen nicht erneuerbare Energien fördern, um KKW zu ersetzen. Unsere nationale 4-Säulen-Politik will mit den neuen erneuerbaren Energien zusätzlichen Strom generieren. Am bewährten Mix aus Erneuerbaren, Grosskraftwerken, Effizienz und Stromaussenpolitik sollten wir nicht rütteln. - Und punkto Grosskraftwerke kommt für mich nur die Kernkraft infrage. Diese zuverlässige Mischung beschert uns international dazu eine sehr, sehr gute CO-Bilanz pro Kilowattstunde. Stör: Dieses 4-Säulen-Haus ist aber nur stabil, wenn alle Säulen gleich stark sind. Investieren wir zehn Milliarden Franken je AKW, besteht kaum noch Antrieb, in Erneuerbare zu investieren. Denn auch die Investitionen in neue Erneuerbare kosten viel Geld. Dazu kommen Investitionen in ein neues, intelligentes Stromnetz. Wasserfallen: Wichtig zu wissen: Die Säule "Erneuerbare" steuert heute mit der Wasserkraft 55 Prozent an unseren Energiehaushalt bei. Das ist europaweit hinter Norwegen spitze. Dazu kommen knapp zwei Prozent der neuen erneuerbaren Energien. Etwa die BKW Energie AG will bis 2020 eine bis zwei Milliarden Franken in neue Erneuerbare investieren. Stör: Es ist unmöglich, künftig in alle vier Säulen gleich zu investieren. Daher geht es an der Urne um eine Weichenstellung. Wenn, so muss man nun die Strategie wechseln. Wasserfallen: Einspruch! - Nebst einem neuen KKW Mühleberg diskutieren wird über Ausbauten an der Grimsel, neue Wind-Parks, die Steigerung der Energieeffizienz und ein neues Energieabkommen mit der EU. Stör: Ein Richtungswechsel kann aber nur mit voller Kraft gelingen, das wäre aus Sicht von uns Jungen erst recht angebracht. Darum bin ich auch froh, dass in letzter Zeit so viel über Energiepolitik diskutiert wird.

 Fragt sich: Wie wollen Sie "Mühleberg" denn wegsparen, Frau Stör?

 Stör: Es gibt zwar viele Studien - mit Zahlen um sich werfen, ist jedoch nicht zweckdienlich. Das grosse Einsparpotenzial ist unbestritten, doch dieses auch umzusetzen, geht leider wohl nur via die Lenkung über das Portemonnaie. Zudem braucht es strengere Gerätevorschriften. Wasserfallen: Ich wehre mich vehement gegen die unsoziale Geräteverbotspolitik, denn neue Geräte können sich vor allem Wohlhabende leisten. Energieeffizienz heisst nicht zwangsläufig, dass weniger Strom verbraucht wird. Effizienzmassnahmen können allenfalls auch mehr Strom benötigen. Nicht zuletzt daher nimmt der Stromverbrauch in der Gesamt-Energiebilanz seit Jahren zu. Stichworte dazu sind Elektromobilität, Wärmepumpen, mehr Menschen mit mehr Geräten etc.

 Hat die Energiewirtschaft überhaupt ein Interesse daran, in Energieeffizienz zu investieren?

 Wasserfallen: Wäre es so einfach, müsste ich Ihnen recht geben. Die Bevölkerung ist offenbar aber nicht bereit, Komforteinbussen hinzunehmen: Man lässt die Lichter brennen oder kauft sich Zweitgeräte. Stör: Halt! - Die Unterschiede zwischen energiebewussten Haushalten und solchen, die nicht auf den Energieverbrauch achten, sind riesig. Daher braucht es Anreize, den Energieverbrauch wieder in mehr oder weniger nachhaltige Bahnen zu lenken. Das muss nicht von heute auf Morgen sein, aber in 15, 25 Jahren. Wasserfallen: Leider gibts bisher kein Szenario, das glaubhaft einen Rückgang des Strombedarfs aufzeigt. Die 40 Prozent Kernkraft können und sollen nicht mit Erneuerbaren ersetzt werden: Es braucht zwei neue AKW.

 Frau Stör, um stärker auf erneuerbare Energien setzen zu können, brauchte es auch mehr Speicherkapazitäten. Doch dagegen laufen gerade von Ihrer Seite Landschafts- und Naturschützer sowie überparteiliche Bürgergruppen Sturm?

 Stör: Ich stimme Ihnen zu, Speicherkapazitäten braucht es. Nebst Pumpspeicherwerken müssen wir auch in die Entwicklung investieren, etwa von neuen Batterien. Bezüglich der Erhöhung der Grimsel-Staumauer stehe ich hinter dem aktuellen Projekt. Ebenso dankbar bin ich aber auch für den früheren Widerstand. Nur so waren die Verbesserungen bei allen Teilprojekten sowie deren heutige, breite Akzeptanz möglich. Die SP Kanton Bern dagegen hat noch keine Parole gefasst. Wasserfallen: Die FDP stand schon immer hinter allen Teilprojekten, sind diese doch ein wichtiger Pfeiler unserer Energie-Aussenpolitik. In der laufenden Verhandlung übers neue Stromabkommen mit der EU können wir dank der vierten Säule etwa attraktive erneuerbare Speicherkapazitäten für Spitzenenergie anbieten.

 Warum wollen Sie dann nicht voll auf den Trumpf Erneuerbare setzen?

 Wasserfallen: Die Schweiz ist ein gutes Beispiel, dass sich die Technologien ergänzen. Kernkraft/Wasserkraft macht unser Land europaweit sogar zum Leuchtturm. Diesen weisen Entscheid fällten unsere Vorväter ... Stör: ... damals waren AKW die Zukunft. Heute wissen wir: Dies ist eine veraltete Technologie. Wasserfallen: Weshalb veraltet? Stör: AKW bauen auf eine auslaufende Technologie. Wasserfallen: Stimmt nicht. Gut 200 KKW-Projekte sind weltweit in Projektierung oder bereits im Bau. Stör: Das Projekt in Olkiluoto in Finnland zeigt, dass ein AKW-Bau gar nicht so einfach ist. Preissteigerungen von 70 bis 100 Prozent sind die Folgen, nicht zuletzt aus Sicherheitsgründen. Statt Aufträge an ausländische Konzerne zu vergeben, inves- tiert unsere Generation besser in lokale Energieträger und damit vor allem in die regionale Wirtschaft. Wasserfallen: Ich wiederhole mich gerne: Investieren wir in ein KKW, schliesst das nicht aus, dass wir auch in Zukunft auf erneuerbare Energien setzen. Gerade im Kanton Bern gibt es mehrere Beispiele von Firmen, die trotz KKW förmlich von Aufträgen überrannt werden. Ich weiss nicht, was dagegen spricht? Wir haben eine grössere Breite bei den Arbeitsplätzen wie auch beim Strom. Stör: Sie wissen auch, dass man jeden Franken nur einmal ausgeben kann. Geht es um so viel Geld wie bei einem neuen AKW, muss man Prioritäten setzen. Uran ist eine endliche Ressource, und es wird immer mehr Energie für den Abbau brauchen, so wird auch die CO-Bilanz schlechter. Wenn wir jetzt erneut auf AKW setzen, zementieren wir diese Technologie für mindestens weitere 70 Jahre. Die Alternative steht bereit: Über 50 Unternehmer, die erfolgreich mit erneuerbaren Energien geschäften, haben sich im Komitee "Neue Energie Bern" vereint und werben für den Ausstieg. Erklären Sie mir: Wenn zehn Milliarden in ein neues AKW investiert werden, wo bleibt da der Antrieb, auf Erneuerbare umzusteigen? Wasserfallen: Investieren wir in ein KKW, wird das selbstverständlich so lange betrieben, wie es sicher ist. Das heisst nicht, dass man keine Solar- oder Windanlagen mehr baut. Bis 2030 etwa will die BKW ja rund drei Milliarden in neue erneuerbare Energien investieren. Die 4-Säulen-Politik ist das Dream-Team der Zukunft. Stör: Da muss ich widersprechen: Wenn Solarstrom bei uns in rund zehn Jahren Netzparität erreicht, schauen die Stromkunden ein. Dann wird der AKW-Strom teurer, bis die Investitionen abgeschrieben sind. Genau so brauchte es jetzt grosse Investitionen in die erneuerbaren Energien - mit dem Unterschied, dass diese längerfristig ausgerichtet sind. Wasserfallen: Dass der erneuerbare Strom tendenziell günstiger und der aus KKW teurer werden wird, erscheint aus verschiedenen Gründen klar. Der Preis ist das eine. Die Frage, obs überhaupt Strom gibt, ist ebenso wichtig. Man vergisst aber gern: Der günstige, beständige Stromtarif ist einer der wichtigsten Standortfaktoren für unser sonst teures Land. Erneuerbare können und sollen AKW bis in zehn Jahren nicht ersetzen. Es bliebe eine gigantische Unsicherheit.

 Es gibt aber auch Bedenken von Investoren und Grossbanken, neue AKW seien ohne staatliche Regulierungen nicht refinanzierbar.

 Wasserfallen: Bei Kreditvergaben ist unsere Demokratie ein grosser Vorteil. In politischen Konkurrenz-Systemen wissen Sie oft nicht, was nach vier Jahren gilt. Mit unseren Rahmen- und Baubewilligungsverfahren bieten wir eine stabile Grundlage für den Bau von neuen AKW. Von Finanzproblemen wie in Finnland können wir lernen. Ich bin guten Mutes, Investoren zu finden, zumal unser Finanzmarkt das Volumen der neuen KKW problemlos ausfüllen kann. Stör: Gerade in unserer Demokratie dürfen wir uns nichts vormachen, da wird punkto Sicherheit ganz genau hingeschaut werden. Wir wollen nicht nur eine gesicherte, sondern auch eine sichere Stromversorgung. Wasserfallen: Zum Glück ist das so! Stör: Ich bin schon sehr erstaunt, wenn die BKW ob des angeblich verstärkten Widerstands gegen Projekte für neue erneuerbare Energien gleich ihr Mengenziel reduziert. Bei AKW dagegen kann der Widerstand noch so gross sein, der bernische Energiekonzern scheint nicht daran zu denken, über die Bücher zu gehen. Wasserfallen: Diese Ankündigung der BKW Anfang Jahr bedauere ich auch sehr. Wenn man sich ein Ziel setzt, dieses auf Widerstand stösst, ist es allerdings klar, dass man nicht 100 Prozent erreichen kann. Ich finde aber, dass man die Anstrengungen für Grosskraftwerke wie auch die Erneuerbaren gleich hoch halten soll. Stör: Dass das Bewilligungsprozedere bei Projekten für erneuerbare Energien auch grundsätzlich optimiert werden kann, leuchtet allen ein.

 In AKW-Bewilligungsverfahren ist die Sicherheit immer wieder ein Thema. Die Atomtechnologie ruft bei einem grossen Teil der Bevölkerung Unsicherheiten hervor: Woher nehmen Sie, Herr Wasserfallen, Ihre Gewissheit, dass diese Technologie derart sicher ist?

 Wasserfallen: Kernanlagen unterstehen international gesehen den strengsten Sicherheitsanforderungen - und das ist gut so. Bei uns sind die Qualitätsstandards sogar noch höher. Ein Reaktor wie in ‹Tschernobyl› wäre in der Schweiz etwa nie bewilligt worden. Da zeigt sich auch unsere internationale Verantwortung.

 Haben Sie auch Verständnis für Vorbehalte gegenüber oder Kritik an der Atomtechnologie?

 Wasserfallen: Geht es um ein Unbehagen gegenüber der Technologie, die man nicht so gut kennt, kann ich Vorbehalte nachvollziehen. Die Gegner scheuern dazu ja nachgerade solche Ängste mit unsachgerechten Argumenten. Die Diskussion um Risse im Kernmantel in Mühleberg etwa: Es ist schlicht unmöglich, dass der Mantel explodiert. Daher bin ich der Meinung, die Türen der Kernanlagen sollten so weit offen wie möglich sein. Unsere Energiekonzerne sollten die Technologie viel mehr zeigen. Stör: Absolute Sicherheit in AKW gibt es leider nicht. Ein Restrisiko kann man nicht wegreden. - Wo Menschen arbeiten, können Fehler passieren. Auch bei einem neuen Atomkraftwerk, das viel sicherer sein soll. Hinzu kommt die Art der Kommunikation der BKW, die auch nicht vertrauensfördernd ist. Wenn die Risse nicht schlimm sein sollen, warum erfährt man dann nur schleppend davon? Warum taucht in den Medien plötzlich eine geschönte Folie auf zu bedrohlichen Überflutungsszenarien des aktuellen Mühleberg-Reaktors? Weshalb wurden wir nicht aktiv über das ebenfalls geplante Zwischenlager für Atommüll informiert? - Alles Gründe, welche die Angst vor dem unheilvollen Restrisiko bestärken. Wasserfallen: Diese aktive Angstbewirtschaftung brauchen wir bei der Kerntechnologie nicht. Dass neben dem Reaktor auch ein Zwischenlager geplant ist, stand erstmals Ende 2009 prominent im Rahmenbewilligungsgesuch und ist damit transparent. Ich bin überrascht, dass die Gegner das nicht früher bemerkt haben. Ebenso erstaunt mich, wenn nun auf Plakaten Säuglinge zur Stimmungsmache missbraucht werden ... Stör: ... Angst scheuern ist doch, wenn von Versorgungslücken, Stromausfällen und still stehenden Maschinen gesprochen wird. Wasserfallen: Sorry. - Aber Sie können der BKW nicht den Vorwurf machen, durch schlechte Kommunikation Ängste zu scheuern. Ihre Seite hat ‹geschlafen›. - Seit November 2010 steht all das auch in der Zusammenfassung des Eidgenössischen Nuklearsicherheits-Inspektorates (ENSI), welches das Rahmenbewilligungsgesuch geprüft und für gut befunden hat. Stör: Dass die AKW-Befürworter nicht alle Fakten auf den Tisch legen, trifft leider auch auf die Endlager-Thematik zu: Solange kein Standort in Sicht ist, wird der Atommüll künftig also in Mühleberg liegen bleiben. Wasserfallen: Falsch. Technisch ist die Tiefenlager-Frage gelöst, wie der Bundesrat 2006 festhielt. In einem politischen Prozess, mit dem so genannten Sachplan geologisches Tiefenlager, in den allenfalls sogar das betroffene nahe Ausland miteinbezogen werden soll, wird nun nur noch der geeignete Standort gesucht. Es ist aber schon heute so, dass neben dem KKW Mühleberg ein Abklingbecken liegt. Mit dem neuen, grösseren Zwischenlager sollen die Castor-Transporte aus Sicherheitsgründen auf ein Minimum reduziert werden. Die Gegnerseite müsste sich einmal vertieft damit befassen! Stör: Widersprüchlich sind all die Kantone, die AKW wollen und Nein sagen zu Tiefenlagern. Wasserfallen: Auch darüber wird das Volk entscheiden. Ein solches Lager brauchen wir eh, da auch in Medizin, Industrie und Forschung Abfälle entstehen. Man sollte die Tiefenlager und die dazugehörige Forschung und Industrie, die sich etwa um die Kapsulierung der Abfälle kümmert, nicht unterschätzen. Auch wenn es grotesk tönen mag: Das ist auch eine Chance, Leute und Wertschöpfung in abgelegenere Regionen zu bringen ... Stör: ... diese Jobs schaffe ich lieber mit erneuerbaren Energien.

 Zum Schluss des Abstimmungskampfes: Wie lauten Ihr Fazit und Ihre Prognose für den 13. Februar?

 Wasserfallen: Leider wurden im Abstimmungskampf von Gegnern zum Teil extreme Ängste gescheuert. In vielen Diskussionen habe ich aber erfahren, dass die seit Jahren sicher betriebene und bewährte Kernenergie viele in der Schweiz gar nicht störte. Für das Abstimmungswochenende erwarte ich 53 Prozent Ja. Stör: Ich bin auch optimistisch und erwarte 53 Prozent Nein. Für die Zukunft die Stromversorgung sicherzu- stellen, ist eine grosse Herausforderung. Da hoffe ich auf die Bevölkerung, dass sie den Mut zur Wende hat, und nicht unnötige Risiken für kommende Generationen schafft.

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 Vorlage: Es geht erst um eine Stellungnahme an den Bund

 Zwar reden im Abstimmungskampf alle vom Bau des neuen Atomkraftwerks in Mühleberg. An der Urne geht es aber erst um die Stellungnahme des Kantons Bern an den Bund zum Rahmenbewilligungsgesuch der BKW. Der Grosse Rat empfiehlt mit 91 zu 53 Stimmen (7 Enthaltungen) ein Ja. Die Mehrheit des Regierungsrates ist dagegen. Voraussichtlich 2013 kann dann das ganze Land über neue AKW abstimmen. Daher wird der Abstimmung in Bern eine grosse Signalwirkung beigemessen. Erst dann folgen entsprechende AKW-Baugesuche, wogegen juristisch vorgegangen werden kann.

 Nebst Bern organisiert im Mai noch der Kanton Jura, der auch von der BKW Strom bezieht, eine Abstimmung. (sat)

http://www.forumpromuehleberg.ch http://www.stop-neues-akw.ch

 Sabina Stör Büschlen

 Sabina Stör Büschlen (30) ist seit letztem Herbst Vizepräsidentin der SP Kanton Bern und Mitglied des Komitees "Nein zum neuen AKW in Mühleberg". Seit Jahresfrist leitet sie das Ressort Industrielle Betriebe im Gemeinderat von Interlaken; zuvor war sie zwei Jahre lang Mitglied des Grossen Gemeinderates. 1998 gründete und präsidierte sie das Jugendparlament Amt Interlaken. Sabina Stör ist ausgebildete Soziokulturelle Animatorin FH, studiert Jus an der Uni Bern und ist verheiratet. (sat)

 Christian Wasserfallen

 Christian Wasserfallen (29) aus Bern ist seit 2007 Nationalrat der FDP und Mitglied der Energiekommission; zuvor war er fünf Jahre Berner Stadtrat. Wasserfallen ist Mitglied im "Forum pro Mühleberg", Vorstand des Nuklearforums Schweiz und Präsident der Sektion Bern der "Aktion für vernünftige Energiepolitik der Schweiz" (Aves). Christian Wasserfallen ist diplomierter Maschineningenieur der Berner Fachhochschule, wo er heute noch am Institut für mechatronische Systeme in Burgdorf arbeitet. (sat)

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Finanz und Wirtschaft 29.1.11

Axpo mit mehr Saft, aber ohne Kraft

 Stromriese steigert Absatz - Happige Sondereffekte - Jetzt sind die Kantonsaktionäre gefordert

Christoph Gisiger

 Der Leidensdruck steigt. Der Stromverbund Axpo muss zum dritten Mal in Folge ein rückläufiges Jahresergebnis hinnehmen. Vor allem der harte Franken macht dem grössten Schweizer Elektrizitätsproduzenten mit dem Stammhaus Axpo AG (vormals NOK) und dessen zwei kotierten Schwestern EGL und CKW schwer zu schaffen. Wie die Rivalen Alpiq und BKW erwirtschaftet er einen erheblichen Anteil des Gewinns mit Stromexporten ins umliegende Ausland. Die Schwäche der europäischen Gemeinschaftswährung trifft ihn deshalb besonders hart. Allein dadurch wurde das Ergebnis für das Ende September abgeschlossene Geschäftsjahr 2009/10 mit rund 180 Mio. Fr. belastet.

 Hinzu kommt, dass sich die Preise im europäischen Grosshandel nur zögerlich erholen. Obschon die Nachfrage im Heimmarkt wieder wächst und Axpo den Energieabsatz insgesamt 8% auf rund 63 Mrd. Kilowattstunden (ungefähr der jährliche Stromverbrauch der Schweiz) steigerte, verringerte sich der Umsatz 17% auf knapp 6,3 Mrd. Fr. Happige Sonderkosten wie der Abschreiber auf ein Holzkraftwerk in Domat/Ems (110 Mio. Fr.), der Ausstieg aus einem Gaskraftprojekt in Italien (50 Mio. Fr.) sowie der Ausfall von Stromlieferungen aus dem französischen Kernkraftwerk Bugey (40 Mio. Fr.) lassen sich so nicht mehr auffangen. Das Betriebsergebnis sank fast 40% auf 540 Mio. Fr., und der Gewinn nahm 30% auf noch knapp 410. Mio. Fr ab. Eine Trendwende ist nicht Sicht: Für dieses Jahr rechnet Axpo erneut mit weniger Gewinn, obschon Kosten gesenkt und Projekte teils verschoben werden sollen.

 Dass es ihrer Stromholding von Jahr zu Jahr schlechter geht, hat die Axpo-Kantonsaktionäre - allen voran Zürich und Aargau - bislang kaum beeindruckt. Nun erhalten sie die Quittung in Form höherer Tarife und einer Dividendenkürzung von 140 auf 80 Mio. Fr. präsentiert. Es ist aber fraglich, ob das reicht, um dem Kräfteverschleiss mit drei lose kooperierenden Töchtern ein Ende zu setzen und Axpo endlich als kompakte Stromgruppe aufzustellen. Schliesslich steht bald auch der Entscheid zum Standort neuer Kernkraftwerke an, wo sich der Konzern für das Gelände um die bestehenden Reaktoren in Beznau in die Pole Position manövriert hat. Das Image eines gierigen Strommonopolisten, der im Geld förmlich schwimmt, wäre vor diesem Hintergrund alles andere als förderlich.CG

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Aargauer Zeitung 29.1.11

45 Prozent gegen neues KKW

 Niederamt Was hält die Bevölkerung von einem "Gösgen II"? 45 Prozent lehnen ein neues Kernkraftwerk ab, 37 Prozent sind dafür. Die Gemeindepräsidentenkonferenz des Niederamts hat eine Studie zu den sozioökonomischen Auswirkungen der kerntechnischen Anlagen in Auftrag gegeben. Diese zeigt auf, dass bereits das bestehende Kernkraftwerk zu einer hohen Bruttowertschöpfung beiträgt, ein grosser Teil davon jedoch durch die Kapitalintensität der Anlage bedingt ist und somit nicht zum Wohlstand der Region beiträgt. (az)Seite 29

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Bilanz nach 30 Jahren KKW Gösgen

 Bevölkerung 1,5 Prozent der Bevölkerung lebt wegen des Kernkraftwerk Gösgen (KKG) im Niederamt. Von den Beschäftigten des KKG haben rund 40 Prozent (rund 190 Personen im Jahr 2008) ihren Wohnsitz in der Region. Weitere gut 25 Personen leben aufgrund indirekter Wirkungen des KKG im Niederamt.

 Wohnungsbau Die Bevölkerung hat sich vergleichsweise schwächer entwickelt. Die Wohnungsleerstände sind überdurchschnittlich hoch, die privaten Investitionen in den Wohnungsbau unterdurchschnittlich.

 Sozialstruktur Statistisch lässt sich eine negative Wirkung des KKG auf die Sozialstruktur nachweisen. Die Wirkung ist jedoch gering. KKG-unabhängige Faktoren wie Lärm, Bebauungsdichte, Alter des Gebäudebestandes wirken sich stärker aus.

 Wirtschaft Wegen der hohen Kapitalwertschöpfung ist der Beitrag des KKG zur Bruttowertschöpfung der Region gross. Diese trägt nur teilweise zum Wohlstand der Region bei. Bei einem grossen Teil der Wertschöpfung handelt es sich um Kapitalwertschöpfung. Rund ein Fünftel der Niederämter Unternehmen profitiert umsatzmässig direkt oder indirekt vom KKG.

 Steuern Dank den Zahlungen des KKG hat die Standortgemeinde Däniken zwischen 2000 und 2009 den Steuerfuss für juristische Personen um 73 Prozentpunkte gesenkt, in Dulliken ist in derselben Zeit nur eine Senkung von 27 Prozentpunkten erfolgt.

 Finanzieller Ausgleich Das KKG bezahlte im Jahr 2008 rund 35 Mio. Franken an Steuern, Abgeltungen und Abgaben. Davon flossen 15 Prozent in die Region Niederamt, 24 Prozent an den Kanton und 61 Prozent an den Bund. Insgesamt 5,5 Mio. Franken gingen an die Gemeinden in der Region, inklusive der durch das KKG direkt und indirekt ausgelösten Einkommens- und Vermögenssteuern rund 7,4 Mio. Franken. Mit rund 4,1 Mio. hat Däniken am meisten profitiert.

 Image Das Eigenbild der Niederämter Bevölkerung ist sehr positiv. 45 Prozent der Niederämter vermuten einen Imageschaden durch das KKG. 59 Prozent der Niederämter sind für die Nutzung der Kernenergie, 37 Prozent dagegen. 36 Prozent beurteilen das bestehende Kernkraftwerk positiv, 30 Prozent geben sich neutral, 33 Prozent schätzen das KKG negativ ein. (Kel)

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Zufriedenheit bei Alpiq

 Alpiq Der Energiekonzern mit den Resultaten der Studie zufrieden. Dass die Meinungen zu den beiden Projekten geteilt seien, sei nachvollziehbar. Denn die Bevölkerung sei durch die parallel laufenden Diskussionen und die Ungewissheit bezüglich der Realisierung eines oder beider Projekte stark verunsichert. Dennoch erstaunten die Werte der Akzeptanz für ein neues KKW, heisst es in einer Medienmitteilung der Alpiq. Eigene Erkenntnisse sowie ein Blick auf die letzten eidgenössischen Abstimmungen zu Kernenergievorlagen zeigten sehr viel höhere Zustimmung, als die Studie festgestellt habe. Die Studie selbst gebe an, dass 59 Prozent der Niederämter für die Nutzung der Kernenergie einstünden. Damit sei die generelle Einstellung im Niederamt deutlich positiver als in der restlichen Schweiz. "Wie erwartet, zeigt die Studie auf, dass das KKG - und ein allfälliges neues KKN - bezüglich Arbeitsplätzen und Steuern einen gewichtigen Faktor in der Region darstellt." (pd/AZ)

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KKW trägt wenig zum Wohlstand bei

 Niederamt Die Studie zu den sozioökonomischen Auswirkungen eines neuen Kernkraftwerks

Hubert Keller

 Welche Auswirkungen hätten ein weiteres Kernkraftwerk und ein Tiefenlager für radioaktive Abfälle auf das Nieramt? Wie hat das bestehende Kernkraftwerk Gösgen die Entwicklung der Region beeinflusst? Was hält die Bevölkerung von den kerntechnischen Anlagen? Solche Fragen beantwortet die umfangreiche Studie, die der Verein Gemeindepräsidentenkonferenz (GNP) in Auftrag gegeben hat. Die Studie (siehe az Aargauer Zeitung von gestern) dient der Meinungsbildung und als Instrument bei den kommenden politischen Entscheidungsprozessen.

 45 Prozent der Niederämterinnen und Niederämter lehnen die Pläne für das neue Kernkraftwerk ab, 38 Prozent sind dafür, 15 Prozent neutral. Die Unternehmer sehen die Pläne für ein neues Kernkraftwerk im Niederamt positiver.

 Ein Tiefenlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle (SMA) im Niederamt findet sowohl von den Unternehmen wie auch von der Bevölkerung weniger Zustimmung als ein neues Kernkraftwerk.

 Breite Ablehnung für Tiefenlager

 Die Pläne für ein Tiefenlager werden breit abgelehnt: 71 Prozent der Niederämter sprechen sich gegen ein Tiefenlager aus. Die Ablehnung zieht sich durch alle 15 Niederämter Gemeinden. Konfrontiert mit einer hypothetischen Entscheidung für eines der beiden Projekte (KKN oder Tiefenlager für schwach- und mittelaktive Abfälle) oder für beide oder gegen beide Projekte, entscheiden sich 17 Prozent der Niederämterinnen und Niederämter für beide Projekte, 37 Prozent für das KKN-Projekt, nur 2 Prozent für das SMA-Lager. 42 Prozent sind gegen beide Projekte. Für die Niederämterinnen und Niederämter scheint klar: Lieber das neue Kernkraftwerk als das Lager für radioaktive Abfälle, lieber keine Anlage als beide.

 Die Bedenken der Bevölkerung sind gross. Sie richten sich nicht so sehr gegen die Kernenergie als solches, sondern sind vielmehr in den gesellschaftlichen Wirkungen der Kernanlagen begründet. Man befürchtet Unruhe durch Protestveranstaltungen, Verlust an Attraktivität für potenzielle Zuzüger, Spannungen in der Bevölkerung und Wertverlust der Liegenschaften.

 Geringer Beitrag zum Wohlstand

 Das neue Kernkraftwerk Niederamt (KKN) führt in der Region zu einer hohen Bruttowertschöpfung. In der 60-jährigen Betriebsphase (2025 bis 2084) hätte das Niederamt rund 620 Vollzeitstellen zu erwarten. 550 Personen würden neu zuziehen. Bei einem Umsatz von rund 820 Millionen und einer Bruttowertschöpfung von rund 720 Millionen würde das KKN mit 7,4 Prozent zur Beschäftigung und mit 42,3 Prozent zur regionalen Bruttowertschöpfung beitragen. Ein grosser Teil der Wertschöpfung (84 Prozent) ist allerdings durch die hohe Kapitalintensität der Anlage bedingt und trägt somit nicht zum Wohlstand der Region bei.

 Weit geringer wäre die wirtschaftliche Bedeutung eines Lagers für radioaktive Abfälle: Nur etwa 30 Vollzeitstellen und eine jährliche Bruttowertschöpfung von rund 4 Millionen sind im Durchschnitt über die gan- ze Projektdauer bis ins Jahr 2101 zu erwarten. Die geringen Wirkungen kommen dadurch zustande, dass während mehr als der Hälfte der Zeitperiode praktisch keine Arbeiten anfallen (Überwachungsbetrieb).

 Geld spielt wichtige Rolle

 Die grössten regionalwirtschaftlichen Wirkungen für das Niederamt würden beim SMA-Tiefenlager durch Abgeltungszahlungen erzielt. Das finanzielle Verhältnis zwischen KKN und der Region Niederamt ist für die Gemeinden ein zentrales Thema. Im Wesentlichen geht es am Schluss um die Frage, wie viel Geld den Gemeinden über die gesamte Zeitdauer insgesamt (Kapital- und Gewinnsteuern plus Abgeltungen) zufliesst.

 Die Studie von Rütter+Partner, sozioökonomische Forschung und Beratung Rüschlikon, geht davon aus, dass den Abgeltungen gemeinwirtschaftlicher Leistungen eine besondere Bedeutung zukommen wird, indem Geld von den Kernanlagen direkt an die Gemeinden fliesst, ohne dass dabei der Kanton und der Bund auch profitieren. Gleichzeitig dürfte dies auch in Bezug auf den kantonalen Finanzausgleich für die Gemeinden vorteilhafter sein.

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Basler Zeitung 28.1.11

Starke Männer, starke Meiler

 Der Kanton Bern entscheidet über einen Ersatz des AKW Mühleberg

 Stefan Boss, Mühleberg

 In Mühleberg soll das Atomkraftwerk, das seit bald 40 Jahren in Betrieb ist, durch ein neues ersetzt werden. Wie kommt die Dorfbevölkerung damit klar? Ein Augenschein.

 Die Reise nach Mühleberg beginnt vor Berns schickem Einkaufszentrum Westside, das vor zwei Jahren seine Tore öffnete. Viele Passagiere im Postauto grüssen sich, der Chauffeur wünscht allen eine gute Fahrt. Es fehlt nur das Posthorn, und man könnte sich in einem Heimatfilm wähnen - zumindest wenn die paar Industriebauten nicht wären, die am Fenster vorbeiziehen.

 Zwanzig Minuten später heisst es: Mühleberg, Post - Endstation. Es pfeift ein eisiger Wind an diesem Morgen. Kaum ein Mensch ist auf der Strasse. Das Atomkraftwerk, über dessen Ersatz die Stimmbevölkerung des Kantons Bern am 13. Februar befinden kann (vgl. Text rechts), ist nicht zu sehen. Es liegt gut versteckt an der Aare unten. Am Hang über dem Dorf steht die schlanke Kirche, die alles überstrahlt.

 "Wir brauchen Strom, und ich möchte jedenfalls nicht auf Licht verzichten", sagt ein älterer Bauer am Stammtisch in der Dorfbeiz. Die Landwirte seien in den Siebzigerjahren, als das Atomkraftwerk gebaut wurde, skeptisch gewesen, erinnert er sich. Inzwischen habe man sich aber an das AKW gewöhnt. Gegen die Förderung von erneuerbaren Energien sei nichts einzuwenden. "Ein Kracher wie Mühleberg kann aber nicht so einfach ersetzt werden. Ist es nicht so?", fragt er einen Kollegen, der aufsteht und gehen will. "Doch, doch," antwortet dieser, und auch die anderen Männer am Stammtisch nicken.

 EIN Knaller

Die Leute in dieser Gegend lieben eine kräftige Sprache und kräftige Männer. Keinen Kracher, aber einen "Huusknaller" empfiehlt der Wirt: "450 Gramm Rossentrecôte mit Frites, Fr. 37.50", ist auf einer Tafel zu lesen. Daneben hängt ein Schild mit einer grossen Sommerlinde, auf dem das mächtige Gewächs als Ideal für den Menschen gepriesen wird: Die Linde sei ein "starker Baum, stark wie ein Schwinger".

 Leistungsstark wird auch das neue Atomkraftwerk, das die BKW Energie AG gleich neben dem alten Meiler unten an der Aare errichten will. Es soll bis zu viermal mehr Strom liefern als die alte Anlage. Diese wurde durch das Aarewasser gekühlt. Wenn der Fluss nur wenig Wasser führt, muss der Reaktor zurückgefahren werden, damit die Fische nicht sterben. Für den neuen Meiler ist ein Kühlturm vorgesehen. Dieser wird nicht 150 Meter hoch wie etwa beim alten AKW Gösgen, sondern nur 60 Meter. Er ist dafür breiter und gleicht ein wenig einer Stierkampfarena - zumindest auf einer Computeranimation, die die BKW eigens für die Abstimmung erstellte.

 Hybridauto

Oben auf der Dorfhöhe liegt das Gemeindehaus von Mühleberg. Der Gemeindepräsident Kurt Herren (SVP) wartet schon im grossen Sitzungszimmer. Er ist müde und etwas angespannt. "Energiesparen wäre das beste" räumt Herren ein, der zuerst fast wie ein Grünliberaler spricht: Bürgerlich zwar, aber klar für Umweltschutz.

 Herren liess bei sich zu Hause eine Erdsonde einbauen und fährt ein Hybridauto. Mit Sparen und dem Fördern erneuerbarer Energien könne man die alten AKW jedoch nicht ersetzen, findet er. "Es braucht weiterhin Grosskraftwerke." Mühleberg zwölf Kilometer westlich von Bern sei als Ersatzstandort für ein AKW geeignet, weil es nahe an der Westschweiz liegt. "Ohne Mühleberg hätte die Romandie nach dem Lotharsturm keinen Strom gehabt."

 An der Wand im Gemeinderatssaal hängen Luftaufnahmen von rund einem Dutzend Dörfer, die alle zur Gemeinde Mühleberg gehören. 2700 Personen wohnen hier. Die Gegend ist landwirtschaftlich geprägt, ohne viel Industrie. Früher klapperten hier die Mühlen - diese gaben dem Dorf den Namen. "Der Mensch hat schon früh versucht, die Kräfte der Natur zu nutzen", heisst es auf der Website der Gemeinde verheissungsvoll. Im Jahr 1921, lange vor dem Bau des AKW, errichtete man an der Aare unten eine grosse Staumauer - so entstand der Wohlensee.

 Geld von der BKW

"Das Kernkraftwerk ist der grösste Arbeitgeber der Gemeinde", hält Herren fest, während er eine ausladende Bewegung macht. Es bietet etwa 350 Arbeitsplätze, darunter für 50 Leute aus Mühleberg. Im neuen Kernkraftwerk sollen es noch mehr Jobs für die einheimische Bevölkerung sein. Kein Wunder, dass Herren in seiner Gemeinde am 13. Februar einen Ja-Anteil von 66 Prozent für ein neues AKW erwartet.

 Der wirtschaftliche Aspekt sei jedoch nicht entscheidend, auch nicht die 1,2 Millionen Franken, die Mühleberg für das Jahr 2010 aus der Steuerteilung von der BKW erhalten wird: "In fast vierzig Jahren haben wir uns einfach an das Kernkraftwerk gewöhnt", sagt Herren. Zumal er den Betrieb für sicher hält. "Ich würde jedenfalls lieber neben dem Reaktor schlafen als in Basel", meint er in Anspielung auf die chemische Industrie am Rheinknie.

 Bei einem kleinen Rundgang durch das Dorf ist spontan niemand zu finden, der etwas gegen ein Ersatz-AKW einzuwenden hätte. "Wer dagegen ist, braucht selbst am meisten Strom", sagt ein Autohändler lapidar. Selbst die Frau eines Dachdeckers, der Solaranlagen verkauft, erklärt: "Ich sehe Solarstrom und Atomstrom nicht als Konkurrenz." Vor dem Haus des Kleingewerblers liegen ein paar Prospekte für Sonnenenergieanlagen auf - diese sind schon ziemlich vergilbt.

 List der Gegner

Die grüne Berner Nationalrätin Franziska Teuscher ist nicht erstaunt über die atomenergiefreundliche Stimmung in Mühleberg: "Die Gemeinde profitiert von den Steuereinnamen", sagt die Co-Präsidentin des gegnerischen Abstimmungskomitees am Nachmittag in einem Café in Bern. Sie möchte die 20 Milliarden Franken, die zwei neue AKW in der Schweiz kosten, lieber in die Förderung der Alternativenergie stecken. "Dann gibt es auch in Zukunft genügend Strom."

 Entscheiden wird am 13. Februar die Bevölkerung des ganzen Kantons Bern. Das Rennen wird knapp, da sind sich die Kontrahenten einig. "Die Befürworter kämpfen mit grossen, wir mit kleinen Inseraten", sagt Teuscher. Die Gegner des neuen AKW Mühleberg haben zwar weniger Geld für die Kampagne, sie versuchen aber, dieses Manko anders wettzumachen. "Damit Bern der Strom nicht ausgeht!", heisst es auf einem Plakat der Befürworter im Bahnhof Bern. Dieses zeigt einen Berner Bären mit Konturen aus Leuchtpunkten. Darüber klebt ein Abziehbild, das fast gleich aussieht, aber eine Antwort der Gegner ist: "Wir lassen uns keinen Bären aufbinden!"

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 Weichenstellung zur Atomenergie

 Volksbefragung. Am 13. Februar findet im Kanton Bern eine Konsultativabstimmung für einen Ersatz des AKW Mühleberg statt. Das Atomkraftwerk 12 Kilometer westlich von Bern ist seit 1972 in Betrieb und muss in zehn Jahren vom Netz genommen werden. Stimmt die Bevölkerung zu, wird sich der Kanton Bern beim Bund für den Bau eines Ersatz-AKW in Mühleberg einsetzen. Das Volksverdikt ist für den Bund zwar nicht bindend. Ein Nein wird aber wohl das Aus für Mühleberg II bedeuten. Ein Ja erhöht dagegen die Chancen für den Standort. Zurzeit ist auch in Beznau und Gösgen je ein neues Atomkraftwerk geplant, die Energiefirmen BKW, Axpo und Alpiq wollen sich schliesslich auf zwei AKW einigen. Das Votum in Bern gilt als Stimmungsbarometer, weil in rund zwei Jahren noch die Schweizer Bevölkerung über neue Atommeiler befinden muss.  sbo

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BZ 28.1.11

Akw-Abstimmung   - Die Argumente des BKW-Chefs

"Zwanzig Jahre reichen nicht, um die Stromversorgung neu aufzusetzen"

 AKW-Neubau. Die erneuerbaren Energien würden in zwanzig Jahren nicht so viel Strom liefern, dass ein Verzicht auf Atomstrom möglich wäre, sagt BKW-Chef Kurt Rohrbach.

 Am 13. Februar stimmt das Bernervolk über ein neues Atomkraftwerk in Mühleberg ab. Wie stark stehen Sie unter Strom?

 Kurt Rohrbach: Es ist sicher eine wichtige Abstimmung, auch wenn sie konsultativ ist. Sie hat Signalwirkung und zeigt, wie sich die Bernerinnen und Berner in Bezug auf die Kernenergie positionieren. Sie ist wichtig für den Kanton Bern als künftigen Standort von neuen Kernkraftwerken. Unter Strom stehe ich immer.

 Wie wichtig ist die Abstimmung für die BKW?

 Das Abstimmungsergebnis ist ein wichtiger Entscheid in Bezug auf die künftige Positionierung der BKW. Die BKW betreibt heute in Mühleberg ein Kernkraftwerk, und sie verfügt über Mitarbeitende mit Know-how in diesem Bereich. Die Kompetenzen für den Betrieb eines Kernkraftwerkes würden bei einem negativen Entscheid verloren gehen. Das hätte auch einen Verlust von Arbeitsplätzen zur Folge.

 Sie drücken dies jetzt etwas diplomatisch aus. Ein Nein würde doch bedeuten, dass die BKW im Mark getroffen wäre, denn die Energieproduktion ist für sie eine zentrale Unternehmensaktivität.

 Ja, das trifft zu. Die BKW ist in der Energieproduktion stark in der Wasserkraft und in der Kernenergie präsent. Bei einem Nein am 13 . Februar würde eine der Kernkompetenzen der BKW wegfallen.

 Welche Auswirkungen hätte ein Nein auf den BKW-Gewinn?

 Diese lassen sich derzeit kaum beziffern. Die BKW müsste aber die Energie aus den anderen Kernkraftwerken beziehen, an welchen sie beteiligt sein wird, oder auf dem Markt beschaffen, und da stellt sich die Frage nach den Kosten beziehungsweise nach dem Preis. Wichtiger ist, dass der Mehrwert, der bisher im Kanton verblieb, wegfallen würde.

 Wie hoch schätzen Sie diesen wirtschaftlichen Mehrwert für den Kanton Bern?

 Die Konjunkturforschungsstelle BAK Basel hat die Wertschöpfung errechnet und ist auf einen Wert von 500 Millionen Franken im Jahr für die Region gekommen. Zudem hat BAK Basel errechnet, dass der Betrieb eines Kernkraftwerkes rund 1300 direkte und indirekte Arbeitsplätze bringt. Im neuen Werk wären rund 500 Mitarbeiter beschäftigt. Heute sind es gegen 350 Arbeitsplätze. Und schliesslich bringt ein neues Kernkraftwerk dem Kanton Bern, immer noch laut BAK, Steuereinnahmen in Höhe von etwas über 80 Millionen pro Jahr.

 Doch warum braucht es ein neues Atomkraftwerk? Und warum setzen Sie nicht stattdessen auf die erneuerbaren Energien?

 Wir setzen ja auch auf erneuerbare Energien. Die BKW ist eine der grössten Produzentinnen in diesem Bereich. Und wir haben massiv Mittel in diesen Bereich investiert und tun es auch weiterhin. Unser Engagement ist ungebrochen, die Realisierung der Projekte ist allerdings erschwert. Aus diesen Grund haben wir eine realistischere Einschätzung vorgenommen und unser selbst gesetztes Mengenziel nach unten korrigieren müssen. Es ist also nicht eine Frage des Wollens, sondern vielmehr eine Frage des Könnens. Sicher ist, dass die neuen erneuerbaren Energien nicht ausreichen werden, um Grossanlagen zu ersetzen. Mit dieser Einschätzung stehen wir im Übrigen nicht alleine da. Kommt hinzu, dass Kernkraftwerke praktisch CO2-freien Strom liefern.

 Regierungsrätin Barbara Egger sagt, sie sei sicher, dass die Technologie solche Fortschritte machen werde, dass in zwanzig Jahren europaweit genügend Strom aus erneuerbaren Energiequellen verfügbar sein werde.

 Innert zwanzig Jahren die Versorgung komplett auf erneuerbare Energien umzustellen, ist nicht möglich. Das ist einfach ein zu kurzer Zeitraum. Die Frage ist: Was machen wir, wenn sich die erhofften Technologiefortschritte nicht einstellen? Wenn wir in zwanzig Jahren merken, dass es nicht genügend Strom aus erneuerbaren Quellen gibt, ist es zu spät, um mit dem Bau eines Kernkraftwerkes zu beginnen. Planung und Bau eines solchen Werks dauern zehn bis fünfzehn Jahre.

 Dann setzt Frau Egger auf ein Luftschloss?

 Das sagen Sie. Natürlich gibt es neue technologische Entwicklungen. Doch die Kernenergiegegner unterschätzen, wie lange es dauert, bis man eine Versorgung völlig neu aufgesetzt hat. Das wird uns in zwanzig Jahren nicht gelingen. Definitiv nicht.

 Denken Sie, dass eine Entwicklung wie vom Computer zum iPhone ausgeschlossen ist?

 Schon rein aus physikalischen Gründen ist es nicht denkbar, dass plötzlich eine ähnlich rasche Verdoppelung der Produktion im Bereich der Energie machbar ist. Wir freuen uns schon ungemein, wenn wir bei einer Anlage den Wirkungsgrad um zwei bis drei Prozent verbessern können.

 Eine Variante wäre, die Zahl der Windparks massiv auszubauen, zum Beispiel in Nordeuropa.

 Ein massiver Ausbau in der Windenergie bedingt einen massiven Ausbau der Leitungskapazitäten, der innerhalb kürzester Zeit realisiert werden müsste. Das Grundproblem bleibt aber weiterhin bestehen: Die Windproduktion ist nicht plan- und steuerbar. Sie ist vom Wetter abhängig.

 Visionär ist das Projekt "Desertec", das die Produktion von Solarenergie in der Wüste vorsieht.

 Das grösste Problem bei diesem Projekt ist der Transport und die Verteilung des Stroms. "Desertec" bedingt einen massiven Ausbau der Übertragungskapazitäten nach und in Europa. Die Initialkosten dafür belaufen sich auf 30 bis 40 Milliarden Franken. Zudem stellt sich die Frage der politischen Stabilität der Staaten in der Sahara, die als Standorte vorgesehen sind. Ich schliesse nicht aus, dass dies längerfristig ein Beitrag an eine Lösung sein kann. Aber nicht in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren. Die nächste Generation Kernenergie brauchen wir einfach noch.

 Das Berner Unternehmen Megasol schlägt nun vor, für rund 14 Milliarden Franken auf den Hausdächern Solaranlagen zu installieren, statt ein AKW zu bauen. Warum haben Sie diese Idee zurückgewiesen?

 Die erste Frage, die sich hier stellt, ist: Wenn das Unternehmen ein Konzept hat, das so gut und ausgereift sein soll, warum kommt es zufällig erst gerade jetzt auf den Tisch?

 Sie unterstellen den Initianten Abstimmungstaktik?

 Die Frage ist zumindest erlaubt. Das Konzept ist offenbar so geheim, dass sie es uns nur in einer Präsentation vorstellen wollten. Der Sonntagspresse wurden die Grundzüge des Projekts aber bereits zugestellt. Auf die Frage, wie sie das Problem der Integration und der Speicherung der Energie lösen wollen, haben die Initianten bis anhin keine Antwort gegeben. Der Bau von hohen Kapazitäten im Solarbereich bedingt, dass Möglichkeiten vorhanden sind, die Energie zu speichern, weil die Energie äusserst ungleichmässig anfällt.

 Der Betrieb eines Atomkraftwerkes bringt das Risiko eines Reaktorunfalls mit sich. Finden Sie es vertretbar, dass die Berner Bevölkerung diesem Risiko ausgesetzt wird?

 Es gibt keine Technologie ohne Risiken. Immerhin wohnen die meisten Mitarbeitenden, welche die Anlage betreiben, in der Nähe. Bei den zukünftigen Anlagen werden zusätzliche, neuartige Sicherheitssysteme verwendet. Im Falle einer schweren Störung sind keine Eingriffe durch den Menschen nötig. Die Anlage wird durch Wasser gekühlt, das allein durch die Schwerkraft zufliesst.

 Aber ein Restrisiko bleibt?

 Es wird immer unterstellt, dass ein Zwischenfall einen grossen Schaden auslösen würde. Aus Kernkraftwerken westlicher Bauart ist noch nie in einem grossen Mass Radioaktivität ausgetreten. Die Sicherheitsstandards sind wirklich sehr hoch. Ich würde ohne weiteres in der Nähe von Mühleberg wohnen.

 Doch wie erklären Sie sich, dass sehr viele Leute Angst vor einem Unfall haben?

 Ich habe volles Verständnis für die Angst. Radioaktivität kann gefährlich sein. Deshalb muss man mit Respekt damit umgehen. Aber die Angst kommt wohl auch daher, dass der Mensch kein Sensorium für Radioaktivität hat. Bei Rauch kann der Mensch sehr genau einschätzen, wann es gefährlich ist und wann nicht. Bei Radioaktivität ist das anderes: Misst jemand irgendwo einige Masseinheiten Radioaktivität, kann er damit bereits Ängste auslösen, auch wenn die Strahlung vielleicht nicht stärker ist als diejenige der Granitplatte in der Küche.

 In den letzten Tagen sorgte für Schlagzeilen, dass in Mühleberg auch ein Zwischenlager für die radioaktiven Abfälle geplant ist. Kommunizierte die BKW dies vorher bewusst defensiv?

 Wir haben vielleicht die Sensibilität in dieser Frage in der Tat unterschätzt. Aus heutiger Sicht ist klar, dass wir dies zu wenig prominent hervorgehoben haben. Nun ist es den Kernenergiegegnern gut gelungen, dies zu einem Thema zu machen. Ein Lager gehört zum Betrieb. Auch in den in Betrieb stehenden Kernkraftwerken gibt es heute bereits solche Lager. Das ist in der Schweiz also nichts Neues. Neu ist die Dimensionierung und bezüglich Mühleberg, dass das Lager in einem separaten Gebäude vorgesehen ist. Den Vorwurf, dass wir dies aber verschwiegen hätten, weisen wir von uns.

 Neu ist aber auch, dass hoch radioaktive Abfälle in Mühleberg gelagert werden.

 …gelagert werden können. Eine definitive Lagerung in Mühleberg ist ausgeschlossen.

 Was geschieht bei einem Nein?

 Es ist klar, dass die BKW bei einem Nein über die Bücher gehen müsste, auch gemeinsam mit ihren Partnern.

 Aber Sie wollen jetzt nicht die Aussage machen: Wenn das Berner Stimmvolk am 13. Februar Nein sagt, ziehen wir unser Projekt für ein neues AKW in Mühleberg zurück?

 Nein, ich will die Beurteilung nicht vorwegnehmen. Erst wenn das Abstimmungsergebnis bekannt ist, liegen alle Fakten auf dem Tisch. Aber eines ist klar: Bei einem Nein hätte der Standort Mühleberg sehr schlechte Karten.

 Interview: Stefan Schnyder  Niklaus Bernhard

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 Solothurner Niederamt

 Pläne für neues AKW und Endlager stossen in der Standortregion auf Skepsis

 Das geplante AKW Gösgen II stösst bei der Bevölkerung in der Standortregion Niederamt im Kanton Solothurn auf Skepsis. Ein Endlager wird deutlich abgelehnt.

 45 Prozent der Niederämter lehnen die Pläne für das unter anderem vom Energiekonzern Alpiq angestrebte AKW Gösgen II ab. Das zeigt eine sozioökonomische Studie im Auftrag der Präsidenten der 15 Gemeinden zwischen Aarau und Olten, die gestern vom Verein Gemeindepräsidentenkonferenz Niederamt (GPN) vorgestellt wurde. Sie basiert auf einer repräsentativen Umfrage unter 1000 Personen der Region. Im Niederamt leben 32 800 Menschen.

 Für ein zweites Atomkraftwerk - zusätzlich zum seit 1979 bestehenden AKW Gösgen - sind 38 Prozent. Weitere 15 Prozent der Befragten geben sich neutral. Unternehmen, die ebenfalls befragt wurden, sehen die Pläne positiver.

 Auf klaren Widerstand stösst das vom Bund geplante Tiefenlager für schwach und mittelradioaktive Abfälle. 71 Prozent der Niederämter sprechen sich dagegen aus. Die Ablehnung zieht sich durch alle 15 Gemeinden. Auch eine Mehrheit der Unternehmen ist dagegen. Die Niederämter erwarten gemäss Studie mehrheitlich negative Wirkungen auf das Image der Region und einen Verlust der Attraktivität. Sie befürchten auch Unruhen und Spannungen in der Bevölkerung.

 Die Studie werde in der Gemeindepräsidentenkonferenz zu "heftigen Diskussionen" führen, sagte Hanspeter Jeseneg von der Arbeitsgruppe Energie der GPN vor den Medien in Niedergösgen. Wichtig sei, dass sich das Niederamt an einen Tisch setze.

 Die gesamte Schweiz werde über ein neues AKW entscheiden und nicht das Niederamt. Die Region müsse daher vorbereitet sein, "wenn uns die Schweiz das Projekt aufdrückt", sagte Jeseng. Es gehe darum, "eine positive Entwicklung" zu ermöglichen und die negativen Auswirkungen abzufedern.

 Die Region will sich nicht zuletzt in Position bringen, um mit der Energiewirtschaft finanzielle Abgeltungen aushandeln zu können, wie GPN-Präsident Kurt Henzmann ausführte. Von den Steuereinnahmen und Entschädigungen des bestehenden AKW Gösgen profitiert derzeit vor allem die Standortgemeinde Däniken.sda

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Bund 28.1.11

Gösgen II

 Lokale Bevölkerung kritisch gegenüber neuem AKW

 Das geplante AKW Gösgen II stösst bei der Bevölkerung in der Standortregion Niederamt im Kanton Solothurn auf Skepsis. Das zeigt eine sozioökonomische Studie im Auftrag der Präsidenten der 15 Gemeinden zwischen Aarau und Olten. 45 Prozent der Niederämter lehnen die Pläne für das unter anderem vom Energiekonzern Alpiq geplante AKW Gösgen II ab. Für ein zweites Atomkraftwerk - zusätzlich zum seit 1979 bestehenden AKW Gösgen - sind 38 Prozent. Weitere 15 Prozent geben sich neutral. Unternehmen, die ebenfalls befragt wurden, sehen die Pläne positiver. Auf klaren Widerstand stösst das vom Bund geplante Tiefenlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle. 71 Prozent der Niederämter sprechen sich dagegen aus. Die Ablehnung zieht sich durch alle 15 Gemeinden.(sda)

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Solothurner Zeitung  28.1.11

Das Niederamt ist gespalten

 Umfrage Pläne für Atomkraftwerk Gösgen II und Endlager geben zu reden

 Das geplante Atomkraftwerk Gösgen II stösst bei der Bevölkerung im solothurnischen Niederamt auf Skepsis. Ein mögliches Endlager für radioaktive Abfälle wird abgelehnt. Das zeigt eine sozioökonomische Studie im Auftrag der Präsidenten der 15 Gemeinden zwischen Aarau und Olten.

 45 Prozent der Niederämter lehnen die Pläne für das vom Energiekonzern Alpiq geplante AKW Gösgen II ab. Die vom Verein Gemeindepräsidentenkonferenz Niederamt (GPN) am Donnerstag vorgestellte Studie basiert auf einer repräsentativen Umfrage unter 1000 Personen der Region. Im Niederamt leben 32 800 Menschen. Für ein zweites Atomkraftwerk - zusätzlich zum seit 1979 bestehenden AKW Gösgen - sind 38 Prozent. Weitere 15 Prozent der Befragten geben sich neutral. Unternehmen, die ebenfalls befragt wurden, stehen den Plänen positiver gegenüber.

 71 Prozent gegen Endlager

 Auf klaren Widerstand stösst das vom Bund geplante Tiefenlager für schwach und mittel radioaktive Abfälle. 71 Prozent der Niederämter sprechen sich dagegen aus. Die Ablehnung zieht sich durch alle 15 Gemeinden. Auch eine Mehrheit der Unternehmen ist dagegen.

 Die Studie werde in der Gemeindepräsidentenkonferenz zu "heftigen Diskussionen" führen, sagte Hanspeter Jeseneg von der Arbeitsgruppe Energie der GPN vor den Medien in Niedergösgen. Wichtig sei, dass sich das Niederamt an einen Tisch setze. Die gesamte Schweiz werde über ein neues AKW entscheiden und nicht das Niederamt. Die Region müsse daher vorbereitet sein, "wenn uns die Schweiz das Projekt aufdrückt". (sda)

 Seite 21, Kommentar rechts

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Bevölkerung ist mehrheitlich gegen neues AKW

 Niedergösgen Die Sozioökonomische Studie der Gemeindepräsidentenkonferenz Niederamt liegt vor

Beat Wyttenbach

 Zahlreiche Medienvertreter hatten sich gestern im Gemeinderatssaal des Niedergösger Schlosshofes eingefunden. Grund: Die Gemeindepräsidentenkonferenz Niederamt (GPN) präsentierte die von ihr in Auftrag gegebene Sozioökonomische Studie. Diese zeigt auf rund 300 Seiten die Einflüsse des bestehenden Kernkraftwerks Gösgen (KKG) auf das Niederamt auf sowie mögliche Einflüsse und Auswirkungen eines neuen Kernkraftwerks Niederamt (KKN) sowie eines Endlagers für schwach und mittel radioaktive Abfälle (siehe Text unten links). Und: Sie zeigt die Haltung der Bevölkerung: 45 Prozent der 1000 befragten Niederämter lehnen die Pläne für das unter anderem von Alpiq geplante KKN ab. Dafür sprechen sich 38 Prozent aus. Weitere 15 Prozent der Befragten geben sich neutral. "Wir sind glücklich, diese Studie endlich präsentieren zu können", hielt Niedergösgens Gemeindepräsident Kurt Henzmann, gleichzeitig GPN-Präsident, einleitend fest. Sie beantworte Fragen, die die Einwohner des Niederamts seit Jahren beschäftigen. Entsprechend könne das Werk zu weiteren Planungsaufgaben herangezogen werden.

 Einflüsse des Atomkraftwerkes

 Heinz Rütter, der die Studie zusammen mit Ehefrau Ursula vorstellte, ging zunächst auf die allgemeine Entwicklung der Region Niederamt ein. Es sei eine unterdurchschnittliche Bevölkerungsentwicklung trotz guten Wohnlagen zu verzeichnen; die Wohnungsleerstände seien hoch und die Bodenpreise im Vergleich zur Agglomeration Aarau tiefer. Ferner sei eine starke Zersiedelung, ein hohes Verkehrsaufkommen sowie Luftschadstoff- und Lärmbelastungen entlang der Verkehrswege festgestellt worden. Einzig positiv zu werten sei die mittelständische Sozialstruktur. Die Gründe für diese Entwicklungen sieht Rütter in drei Bereichen: historisch bedingt, durch industriellen Strukturwandel und bauliche Altlasten, der fehlenden Verkehrsanbindung ans Autobahnnetz sowie - das AKW.

 Wie sich künftige Anlagen gesellschaftlich auswirken, hängt laut den Autoren stark von der Höhe und der Verteilung der Steuern und Abgeltungen ab. Dabei sei entscheidend, ob es gelänge, Ungleichgewichte zwischen den Gemeinden durch gezielte Massnahmen auszugleichen. Gegenwärtig seien die Wirkungen auf die Finanzen von Däniken "gross" und auf jene von Gretzenbach und Obergösgen "substanziell".

 Neue Einwohner und Arbeitsplätze

 Rund 620 Vollzeitstellen hätte das Niederamt durch das neue AKW in der Betriebsphase zu erwarten - für die Region könnte das bis zu 550 Neuzuzüger bedeuten, was 1,5 Prozent der Bevölkerung entspreche. Eine Spitze an Arbeitsplätzen würde 2031 bis 2035 erreicht, wenn beide Atomkraftwerke gleichzeitig in Betrieb seien und sich das Endlager in der Bauphase befinde. Bei einem 1200-Megawatt-Reaktor würde das neue AKW in der 60-jährigen Betriebsphase pro Jahr eine Bruttowertschöpfung von rund 720 Mio. Franken erwirtschaften. Dabei seien rund 84 Prozent der Wertschöpfung auf den hohen Kapitaleinsatz zurückzuführen, während nur 16 Prozent auf die für den Wohlstand der Region relevante Arbeitswertschöpfung entfielen.

 Weiter sei von einem AKW gemäss der Studie zu erwarten, dass in der Betriebsphase rund 42 Prozent des regionalen Bruttoinlandproduktes erwirtschaftet werden können. 20 Prozent der Firmen würden wegen des AKW Umsätze erwarten, zudem seien rund 16 Mio. Franken jährlich an Gewinn, Kapital- und Einkommenssteuern zu erwarten. Neben den durch das AKW induzierten Steuereinnahmen sei zu erwarten, dass die Region zusätzlich auch Abgeltungen gemeinwirtschaftlicher Leistungen erhalten werde. Diese müssten allerdings nach einem neuen Schlüssel auf die Gemeinden aufgeteilt werden.

 Viele Negativwirkungen befürchtet

 Die Bevölkerung wurde auch zu den positiven und negativen Wirkungen eines AKW befragt. Viele erwarten nebst zusätzlichen Arbeitsplätzen und Gemeindeeinnahmen eine Verbesserung der Infrastruktur. Deutlich diversifizierter präsentieren sich die erwarteten negativen Wirkungen: Unruhen durch Demos, Attraktivitätsverlust für potenzielle Neuzuzüger, Spannungen in der Bevölkerung, tieferer Wert der Liegenschaften, störender Ausblick auf den Kühlturm, Attraktivitätsverlust in den Bereichen Freizeit und Erholung, kurz- und langfristige gesundheitliche Risiken, Belastung der Umwelt durch Radioaktivität sowie Absatzprobleme für Niederämter Produkte werden hierbei genannt.

 Interessant zu sehen sei auch, dass 61 Prozent der Niederämter (gegenüber 16 Prozent) ein negatives Imagebild befürchteten, wenn ein KKN gebaut würde. Dies gegenüber 64:12 Prozent bei den Befragten in der Region AareLand sowie 71:14 Prozent in der übrigen Deutschschweiz, so Rütter. Im Niederamt selbst sei die Haltung gegenüber dem bestehenden KKG zu 36 Prozent positiv und zu 33 Prozent negativ. Ein KKN dagegen sähen 45 Prozent als negativ und 38 Prozent als positiv. Dabei, so Ursula Rütter ergänzend, habe man in der Studie vorausgesetzt, dass ein KKG und ein KKN während 15 bis 20 Jahren parallel betrieben würden.

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"Keine Kernanlagen für das Niederamt"

 Stellungnahmen Der Verein "Niederamt ohne Endlager" (NoE) und die Regionalgruppen Solothurn und Aargau von "Nie wieder Atomkraftwerke" (NWA) äussern sich.

 Wie der Verein "Niederamt ohne Endlager" (NoE) feststellt, sei bezüglich der sozioökonomischen Studie jeder zehnte Haushalt angefragt worden, was "eine grosse Repräsentanz garantiert". Und die Resultate liessen an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig: "Demokratisch gesehen ist das Endlager tot." Die Bevölkerung sei im Verhältnis 80:20 Prozent gegen die Atom-Endlager-Pläne eingestellt. Die Region Niederamt habe offensichtlich genug, alle Atom-Lasten tragen zu müssen.

 Die Resultate der Studie sollten für den Kanton eine Grundlage für die kantonale Stellungnahme zum Projekt Endlager sein. Der Verein Niederamt ohne Endlager hofft und erwartet nun, dass die Schweiz die Haltung des Niederamts ernst nimmt", so der Verein NoE in seinem Communiqué.

 "Kein guter Deal fürs Niederamt"

 NWA-Solothurn und NWA-Aargau ihrerseits halten zur Studie fest: "Das Kernkraftwerk Gösgen war kein guter Deal für das Niederamt." Gemäss der Studie habe sich das Niederamt in den letzten Jahrzehnten unter seinem Potenzial entwickelt. Die sozio-ökonomischen Effekte eines Kernkraftwerks Niederamt (KKN) und eines Tiefenlagers für schwach- und mittelaktive Abfälle (SMA) wären ebenfalls negativ. Die Bruttowertschöpfung eines KKN sei praktisch bedeutungslos. Der Beschäftigungsbeitrag wäre mit sieben Prozent immer noch recht gering. Fazit: Durch etwas aggressiveres Standortmarketing könnten andere Firmen angesiedelt werden, welche den gleichen Steuerertrag einbringen, viel mehr Arbeitsplätze generieren und zu keinem Imageverlust führen. Eine geschickte Diversifizierung würde darüber hinaus das bestehende Klumpenrisiko verringern, so NWA.

 Das Niederamt lehne neue Kernanlagen ab, wie die Zahlen der Studie gezeigt hätten. Die von der Alpiq und den Gemeindepräsidenten gepriesene gute Akzeptanz in der Bevölkerung gäbe es nicht. Als Konsequenz dieses Berichts fordere NWA, dass die Gemeindepräsidenten Niederamt die Meinung der Bevölkerung respektieren mögen und sich gegen den Bau eines zweiten Kernkraftwerks und Tiefenlagers in der Region einsetzen sollen. (pd/otr)

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 Alpiq: "Erkenntnisse berücksichtigen"

 Die Alpiq nimmt die Resultate der Studie mit Zufriedenheit zur Kenntnis. Dass die Meinungen zu den beiden Projekten geteilt seien, sei aus ihrer Sicht nachvollziehbar. Denn die Bevölkerung sei durch die parallel laufenden Diskussionen und die Ungewissheit bezüglich der Realisierung eines oder beider Projekte stark verunsichert. Dennoch erstaunten die Werte der Akzeptanz für ein neues AKW, heisst es in einer Medienmitteilung der Alpiq. Eigene Erkenntnisse sowie ein Blick auf die letzten eidgenössischen Abstimmungen zu Kernenergievorlagen zeigten sehr viel höhere Zustimmung, als die Studie festgestellt habe. Die Studie selbst gebe an, dass 59 Prozent der Niederämter für die Nutzung der Kernenergie einstünden. Gemäss den Autoren sei damit die generelle Einstellung im Niederamt deutlich positiver als in der restlichen Schweiz. "Wie erwartet, zeigt die Studie auf, dass das KKG - und zu einem späteren Zeitpunkt ein allfälliges neues KKN - bezüglich Arbeitsplätzen und Steuern einen gewichtigen Faktor in der Region darstellt." (pd/otr)

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Kommentar

 Informieren statt verschleiern

Urs Mathys

 Diese Resultate lassen aufhorchen: Im Solothurner Niederamt, einer Region, die seit 1979 mit einem Atomkraftwerk lebt und in der einzelne Gemeinden vom Geldsegen der Betreiber profitieren, sprechen sich 45 Prozent der Bevölkerung gegen ein neues Werk aus - nur 38 Prozent sind dafür. Geradezu vernichtend ist das Resultat bezüglich eines Tiefenlagers für schwach und mittel radioaktive Abfälle.

 Die von den Regionsgemeinden lancierte repräsentative Umfrage fand statt, bevor sich die meisten Niederämter bewusst waren, dass es mit Gösgen II nicht einfach "nur" um den Ersatz von Gösgen I geht, sondern dass beide Atommeiler längere Zeit parallel betrieben werden sollen. Und dass für Gösgen II ein zusätzliches Zwischenlager für hoch radioaktives Material gebaut werden muss, mag wohl aus Sicht der Projektanten "schon immer klar" gewesen sein, dürfte aber doch den einen oder die andere überrumpelt haben. Gut möglich also, dass die Umfrage heute noch etwas klarere Resultate liefern würde.

 Das Ringen um die Pläne der Atomwirtschaft und die Diskussionen darüber sind in der Region angekommen: Im Kanton Bern nimmt das Volk schon am 13. Februar in einer Konsultativabstimmung zu Mühleberg II Stellung, und im Kanton Solothurn wittert die tot geglaubte AKW-Opposition nun wohl Morgenluft. Die Umfrage im Niederamt zeigt, dass einerseits klare ökonomische Vorteile erwartet werden, anderseits die Sorgen um Wohn- und Lebensqualität sowie die Sicherheit dominieren. So oder so gilt: Wer die Akzeptanz für Gösgen II verbessern will, muss in Zukunft völlige Transparenz beweisen. Das heisst offen informieren - statt verschleiern.

 urs.mathys@azmedien.ch

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NZZ 28.1.11

Das Niederamt reagiert gespalten auf Gösgen II

 Sagen die Berner Nein zu Mühleberg, wachsen die Chancen für Gösgen II. In Solothurn erwartet man davon wenig Positives

 Im Kanton Solothurn blickt man am 13. Februar gespannt nach Bern: Stimmt der Kanton gegen den Neubau in Mühleberg, wachsen die Chancen für Gösgen II. Das unmittelbar betroffene Niederamt reagiert nicht begeistert.

 Daniel Gerny, Niedergösgen

 Am kommenden Montag formieren sich Vertreter der Jungen Grünen und der Jungsozialisten des Kantons Solothurn in Däniken, der Standortgemeinde des Kernkraftwerkes Gösgen, zu einem Komitee für eine "Volksinitiative gegen neue AKW". Die Solothurner Behörden sollen sich mit einer Verfassungsbestimmung dazu verpflichten, sich gegen Kernkraftwerke einzusetzen - ähnlich wie dies in den beiden Basel bereits heute der Fall ist. Die Chancen für das Unterfangen scheinen im Kanton Solothurn, das der Kernkraft nicht abgeneigt ist, zwar nicht sehr gross zu sein.

 Dulliken dagegen

 Doch das Vorhaben zeigt, dass die Temperatur bei der Debatte über den Neubau eines Kernkraftwerkes auch im Kanton Solothurn merklich ansteigt, wobei der Abstimmungskampf über Mühleberg im benachbarten Bern aufmerksam verfolgt wird. Die Skepsis gegenüber einem Neubau ist in der betroffenen Region keineswegs auf links-grüne Kreise beschränkt: "Der Gemeinderat lehnt die Anpassung des kantonalen Richtplanes für ein zweites Kernkraftwerk im Niederamt einstimmig und kategorisch ab", lautete beispielsweise der glasklare Beschluss der Dulliker Exekutive vom letzten Frühjahr, in welcher FDP, CVP und SVP fünf von sieben Sitzen stellen.

 Keine Chance für Tiefenlager

 Der Entscheid sorgte über die Gemeinde hinaus für Aufmerksamkeit. Das Niederamt sei mit Gösgen schon genügend belastet, argumentierte Dulliken. Anders als bei den Neubauten in Mühleberg und Beznau würde Gösgen II nicht anstelle des bisherigen Kraftwerkes in Betrieb genommen, sondern parallel dazu. Denn Gösgen ging als jüngstes Kernkraftwerke auf schweizerischem Gebiet erst 1979 ans Netz und muss erst nach 2040 ersetzt werden. Andere Niederämter Gemeinden stehen Gösgen II positiver gegenüber und setzen sich vor allem für eine höhere Abgeltung ein. Gegen die Richtplan-Anpassungen für Gösgen II gingen im Kanton gegen 800 Einwendungen ein. - Die Ergebnisse einer am Donnerstag präsentierten sozioökonomischen Studie, welche von den Gemeindepräsidenten des Niederamtes beim Beratungsbüro Rütter + Partner in Auftrag gegeben wurde, widerspiegeln die Zurückhaltung vor Ort und liefern Erklärungsansätze dafür. Danach lehnen 45 Prozent der Niederämter den Bau eines neuen KKW im Niederamt ab, 38 Prozent sind dafür, und 15 Prozent sind neutral. Bei den Unternehmen ist das Verhältnis umgekehrt - hier sind 46 Prozent positiv und 30 Prozent negativ eingestellt. Keine Chance haben Pläne für ein Tiefenlager Niederamt - sie werden von 71 Prozent der Befragten abgelehnt. Die Ergebnisse sind nicht repräsentativ für den gesamten Kanton Solothurn - im Niederamt wohnen nur rund 13 Prozent der Kantonseinwohner.

 Die grosse Skepsis einer Region, die die Kernkraft nicht grundsätzlich ablehnt und sich in einer früheren Volksabstimmung positiv dazu geäussert hat, überrascht, ist aber erklärbar. Zwar wäre mit Gösgen II ein wirtschaftlicher Nutzen verbunden, doch dieser ist begrenzt. Zu erwarten ist gemäss Studie eine Bruttowertschöpfung von 720 Millionen Franken pro Jahr, doch nur gerade 16 Prozent entfielen auf die für den Wohlstand der Region relevante Arbeitswertschöpfung.

 Die Region dürfe mit 620 zusätzlichen Vollzeitstellen rechnen, heisst es. Die Erfahrungen zeigen aber, dass nur ein Teil der Beschäftigten - im Falle von Gösgen I sind es 40 Prozent - auch in der Region wohnen. Das Niederamt habe sich seit Bestehen des Kraftwerkes im Vergleich mit umliegenden Regionen trotz guten Wohnlagen und Baulandangebot unterdurchschnittlich entwickelt, schreiben die Autoren der Studie.

 Angst vor Imageverlust

 Ein zweites Kraftwerk würde so zwar rund 1,5 Prozent zusätzliche Bewohner ins Niederamt locken. Die damit verbundenen wirtschaftlichen Folgen und die Steuereinnahmen werden von der Bevölkerung positiv gewertet, doch werden auch ein Attraktivitäts- und Imageverlust und Spannungen infolge politischer Auseinandersetzungen befürchtet.

 Einiges hängt nun vom Ausgang der Abstimmung im Kanton Bern ab: Äussern sich die Stimmbürger dort negativ zu einem Neubau in Mühleberg, wäre dessen Realisierung fast vom Tisch. Damit aber rückte insbesondere der Standort Gösgen, der gemäss einem Beschluss der an den AKW-Plänen beteiligten Stromkonzerne von Ende 2010 bei gleicher technischer, politischer und wirtschaftlicher Ausgangslage als Erstes ausscheiden würde, wieder vermehrt in den Fokus.

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Le Temps 28.1.11

Mühleberg, vaccinée contre la peur de l'atome

 Pragmatique, la commune bernoise voit surtout les avantages d'avoir sur son territoire une centrale nucléaire. A deux semaines de la votation sur la construction d'un nouveau site, rares sont les sceptiques. Reportage

Serge Jubin

 C'est l'âme d'une commune campagnarde de 2645 habitants, éclatée en treize villages qui portent tous un nom spécifique: la table ronde du restaurant Traube, à Mühleberg. A l'heure de l'apéro, en fin de matinée, les paysans s'y installent. Il est question de la centrale nucléaire et de la votation du 13 février. Les Bernois sont appelés à dire s'ils soutiennent ou non la construction d'une nouvelle centrale à Mühleberg.

 Les agriculteurs, clients du Traube, qui déposeront un "ja" convaincu dans l'urne, prétendent que le sujet les agace ou qu'ils l'abordent avec détachement. "Nous n'avons aucun problème, il n'y a jamais eu d'incident depuis que la centrale a commencé à fonctionner en 1972. C'est une chance pour nous", dit l'un d'eux. "Les centrales offrent des places de travail, amènent de l'argent et nous sommes connus loin à la ronde", ajoute son voisin. Un autre: "La centrale fait partie de notre patrimoine, comme l'église. Nous vivons en paix avec elle. Ce sont les gens des villes qui pensent qu'il nous manque un bras parce qu'on la côtoie. J'exploite des terres tout près et je me porte comme un charme."

 "Ils le répètent souvent, pas seulement face aux journalistes", confirme Heidi Rasi, 47 ans, Saint-Galloise venue il y a vingt ans exploiter le café Traube avec son mari, Beat, enfant de Mühleberg. "La centrale est un atout pour le village et notre restaurant. On en a bien besoin."

 L'avis est partagé le long de la rue de Morat, qui traverse le "village central". "La route est plus dangereuse que la proximité de la centrale", ironise une dame âgée, qui attend le bus pour aller à Berne, à quinze de kilomètres à l'est. "On est mieux dans notre écrin de verdure que dans les villes à l'air pollué ou au pied d'usines chimiques", clame un autre passant.

Mühleberg ne craint donc rien de sa centrale, peut-être parce qu'on ne la voit pas. On aperçoit, de-ci de-là, le haut de la tour, rouge et blanc. Pour y aller, il faut se rendre au bord de l'Aar, de l'autre côté de l'autoroute A1 Berne-Morat, qui n'offre qu'une demi-jonction à Mühleberg, direction Berne. Sur le chemin étroit, un paysan retraité de Buttenried hausse les épaules lorsqu'on lui demande s'il n'y a pas de risque pour la santé à travailler juste au-dessus de la centrale. "Sans problème", répond-il. Ajoutant spontanément: "Le souci, ce sont les déchets." Il se rassure en précisant que "la technique garantit qu'ils sont stabilisés".

 La centrale est nichée en contrebas d'un plateau vallonné, cachée par les arbres, au sortir d'un coude de l'Aar. Quelques hectomètres en amont se trouve une centrale hydraulique et son barrage de 245 mètres, en service depuis 1921. Revenu sur le plateau où cohabitent terres cultivées, forêts et fermes avec des toits pentus à pans multiples, seules les lignes à haute tension et leur cortège de pylônes rappellent qu'on produit de l'électricité en grande quantité tout près. "Nous sommes une commune rurale", explique l'élue socialiste Annerös Marti-Wyler. "Avec une soixantaine d'exploitations agricoles", confirme Kurt Herren, 67 ans, ancien pilote de Swissair, maire UDC depuis six ans. Mühleberg compte quelques artisans, de petites sociétés de services, une épicerie Volg, "mais pas d'autre grande industrie". Lorsqu'ils ne sont pas employés de la centrale - "une cinquantaine de personnes de la commune", note le maire - ou ne sont pas agriculteurs, les habitants de Mühleberg travaillent à Berne.

 Bon an mal an, l'apport fiscal des centrales appartenant aux Forces motrices bernoises se monte à un million de francs. "Nous ne percevons un impôt que sur le bénéfice, nuance le maire. Il y a toujours un risque qu'il n'y ait rien." Mühleberg offre un taux d'impôt parmi les plus bas du canton, 20% de moins qu'à Berne et Bienne.

 Cet avantage n'attire pourtant pas les foules. "Nous sommes 2670 depuis longtemps et pour longtemps", relève le maire. Annerös Marti-Wyler est persuadée que l'étiquette du nucléaire nuit à l'attractivité. "Je n'ai pas connaissance d'habitants partis en raison de la centrale, mais des gens ne sont pas venus à cause d'elle." Enfant de Mühleberg, partie une dizaine d'années, elle est revenue au village, estimant que "c'est un bon endroit, calme et avec un joli paysage, pour élever ses enfants". Elle précise que l'exécutif communal est favorable à la nouvelle centrale, "mais à titre personnel, j'y suis opposée".

 Répétant que tout va bien dans le meilleur des mondes à Mühleberg, Kurt Herren, qui chauffe sa maison avec une pompe à chaleur et se déplace avec un véhicule hybride, tient invariablement ce discours pragmatique: "Nous aurons toujours besoin, dans 40 ou 50 ans, de centrales nucléaires pour notre approvisionnement électrique. Sans elles, il faudrait des centrales à charbon, qui produisent beaucoup de CO2. Il est aberrant d'opposer le nucléaire aux énergies renouvelables. Nous avons besoin des deux."

 Rien ne le perturbe, même pas l'hypothèse qu'il y ait plus de cancers dans sa région qu'ailleurs - "des allégations sans preuve", rétorque-t-il. Si le oui à une nouvelle centrale ne fait pas de doute à Mühleberg, Kurt Herren prévoit un résultat cantonal serré, "mais je ne sais pas dans quel sens". Bien qu'elle le souhaite, Annerös Marti-Wyler relève qu'un rejet cantonal "ne serait pas bien perçu ici". Un diktat urbain. "Même s'il n'est pas propre à Mühleberg, il existe un conflit larvé avec Berne. Ne serait-ce que parce qu'il y a ici une majorité UDC, alors que la Ville et le canton ont des gouvernements rouges-verts. On estime que l'agglomération bernoise veut tout avaler."

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 Les voisins de Gösgen peu enthousiastes

 ATS

 Une enquête montre que la région du Niederamt ne veut pas d'une nouvelle centrale

 La population du Niederamt soleurois, entre Aarau et Olten, est plutôt opposée au projet de nouvelle centrale nucléaire de Gösgen (Gösgen II). C'est ce que révèle une étude socio-économique menée auprès des citoyens des 15 communes de la région qui comptent en tout 32   800 habitants. Selon cette étude, réalisée à la demande des maires et présentée jeudi à la presse, 45% des personnes interrogées sont opposées au projet du groupe Alpiq de construire Gösgen II. Les partisans d'une nouvelle installation sont 38%, alors que 15% ne se prononcent pas.

 Le projet de la Confédération de construire un entrepôt pour le stockage de déchets nucléaires faiblement et moyennement radioactifs est rejeté par 71% des personnes interrogées. Une majorité des entreprises y est aussi opposée.

 Environ 60% des habitants et des entreprises estiment qu'une nouvelle centrale serait un élément négatif pour l'image de la région; 84% de la population et 77% des entreprises pensent la même chose à propos du dépôt de stockage.

 La majorité des habitants interrogés craint notamment des troubles et des tensions. La région perdrait de son attrait et la valeur des maisons diminuerait. D'un autre côté, ils s'attendent à des recettes et des emplois supplémentaires.

 La décision finale reviendra au peuple helvétique. La région doit donc se préparer "à ce que la Suisse nous impose ce projet", a déclaré jeudi devant la presse Hanspeter Jeseneg, membre du groupe de travail de la Conférence des maires du Niederamt.

 Pour le groupe Alpiq, il est compréhensible que les avis soient partagés. "La population est déstabilisée par les débats en cours et les incertitudes sur la réalisation d'un ou des deux projets", a dit le porte-parole du groupe, Martin Bahnmüller.

 Les résultats de votations passées montrent un haut niveau d'approbation vis-à-vis du nucléaire, rappelle Martin Bahnmüller. En 2003, l'initiative "Sortir du nucléaire" avait été rejetée par 88,9% des voix dans le Niederamt.

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reformiert 28.1.11

Dossier

AKW: Ein Riss geht durch die Kirchen

 Kernkraft. Es ist nur eine Konsultativabstimmung, eine zudem, die bloss den Kanton Bern betrifft. Trotzdem ist der Urnengang vom 13. Februar, andem das Berner Stimmvolk über den Er-satz des Kernkraftwerks Mühleberg (Bild) befindet, sehr wohl von schweizweitem Interesse: Er zeigt nämlich, wie das Volk 25 Jahre nach Tschernobyl über die Kernenergie denkt.Im "reformiert."-Dossier kommt zum Ausdruck, dass die Atomfrage nicht nurdie Gesellschaft spaltet, sondern auch die Kirchen. Und dass der Riss gar durch die kleine EVP geht. > Seiten 5-8

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AKW: Die Kirche ist im Kern gespalten

 Kirche und Atom/ Die neue Kernkraftdebatte, die mit der Mühleberg-Abstimmung im Kanton Bern beginnt, sorgt auch für Unruhe in der Kirche. Sowohl Atomkraftgegner wie -befürworter beschwören die "Bewahrung der Schöpfung".

 Bettelbriefe für Kollekten gibt es viele. Doch jener der Arbeitsgruppe Christen und Energie (ACE), der im November schweizweit an die Kirchgemeinden und Pfarreien ging, war etwas Besonderes. Die ACE bat darin um Unterstützung für ihre Informationsarbeit, die sie "auf Grund christlicher Werte" leiste. Die beigelegte Broschüre sorgte in vielen Gemeinden für Unruhe. Denn darin wirbt die ACE für die Kernenergie: Atomkraftwerke seien CO2-arm, wirtschaftlich und sicher - Störungen sehr selten und der Umgang mit radioaktivem Abfall technisch gelöst.

 Natürlich. Der Berner Synodalrat sah sich zur Erklärung veranlasst, er habe den ACE-Kollektenaufruf weder initiiert, noch unterstütze er ihn. Es irritierte nämlich viele, dass sich die ACE auf "Friede, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung" beruft. Seit den ökumenischen Versammlungen von Basel, Graz und Sibiu ist diese Formel tief im Bewusstsein der Kirchenbasis verankert. Und im Basler Dokument von 1989 ist zu lesen: "Keinesfalls darf unsere Energieversorgung von Kernkraft abhängen, weil damit zu viele soziale, technische, ökologische und militärische Risiken verbunden sind." Christen, die sich pro Kernkraft äussern, brechen also noch immer ein Tabu.

 "Gottes Schöpfung hat die Kernspaltung vor uns erfunden", kontert ACE-Präsident Stefan Burkhard, reformierter Pfarrer in Wettingen. Vor zwei Milliarden Jahren hätten im heutigen afrikanischen Gabun in Uranlagern Kernspaltungen stattgefunden. "Ungefähr so, wie ein Flugzeug den Vogelflug nachahmt, imitiert ein Kernkraftwerk diese Naturreaktoren", ist Burkhard überzeugt. Und meint zum Problem des radioaktiven Abfalls: "Spätere Generationen könnten ihn als wertvollen Rohstoff nutzen."

 Erstaunlich. Die ACE hat rund siebzig Einzelmitglieder, das prominenteste ist CVP-Nationalrat Pius Segmüller. Diese bezahlen einen bescheidenen Jahresbeitrag von vierzig Franken. Einige wenige Kirchgemeinden haben laut Präsident Burkhard eine Kollekte für die ACE durchgeführt - wieso kann sich eine so kleine Gruppe also den flächendeckenden Versand ansprechend gestalteter Broschüren leisten? Die Frey Communications SA in Zürich führt sowohl die Geschäftsstelle der ACE als auch jene des kernkraftfreundlichen Forums Medizin und Energie (FME). Erhält die ACE Geld von der Kernkraftindustrie, wie AKW-Gegner behaupten? "Nein", sagt Daniel Frey, Geschäftsführer von Frey Communications SA und ACE-Aktuar.

 Unmenschlich. Fundamental anders als die ACE positioniert sich in der Atomfrage die ökumenische Fachstelle Kirche und Umwelt (Oeku). Mit über zweihundert Kirchgemeinden und Pfarreien als Kollektivmitglieder ist sie breit abgestützt. "Die Atomtechnik erlaubt keine groben Fehler: Mit dem radioaktiven Abfall und der Möglichkeit einer Kernschmelze birgt sie Risiken, die uns als Menschen überfordern", sagt Oeku-Leiter Kurt Zaugg. Bei einem AKW-GAU in der Schweiz könnte ein Grossteil des Landes verstrahlt und unbewohnbar werden. "Wir fahren besser mit risikoärmeren Technologien und der Veränderung der Konsummuster. Das ist menschengerechter", so Zaugg. Die AKW-Industrie wiege einen in der falschen Sicherheit, "weiterhin locker Energie verschwenden zu können".

 Persönlich. Ähnlich argumentiert Otto Schäfer, Ethiker beim Schweizerischen Evangelischen Kirchenbund (SEK). Die Kirchen seien Anwältinnen kommender Generationen. "Dürfen wir ihnen den Atomabfall überlassen? Und können wir riskieren, dass halbfertige AKWs bei uns als Bauruinen enden, wenn irgendwo eine Tschernobyl-ähnliche Katastrophe passiert, die die AKW-Aktien ins Bodenlose fallen lässt?" Allerdings sei die entscheidende ethische Frage diese: "Ist unsere Gesellschaft und bin ich bereit, drastische Energiesparmassnahmen im Baubereich, bei der Mobilität oder den technischen Geräten zu ergreifen, um das Ziel einer 2000 Watt-Gesellschaft zu erreichen?"

 Versöhnlich. Start zur Atomdebatte, die 2013 oder 2014 in einen eidgenössischen Urnengang zur Kernenergie münden dürfte, ist am 13. Februar: Dann stimmen die Berner konsultativ darüber ab, ob sich der Kanton beim Bund für oder gegen ein neues AKW Mühleberg einsetzen soll. Ein erster Kernenergie-Stimmungstest im Land. Keine Abstimmungsparole gibts dazu von der reformierten Berner Kirche. "Die Kirchenleitung hat noch keine konsolidierte Meinung", so Synodalratspräsident Andreas Zeller. Auf der einen Seite stünden "die qualifizierten Arbeitsplätze und der volkswirtschaftliche Nutzen der AKWs", auf der andern "die Risiken einer Kernschmelze und der Atommüll-Endlagerung". Darum, so Zeller, sollen die Kirchgemeinden Foren anbieten, "wo das Pro und Contra zur Kernkraft ausdiskutiert wird, auch unser persönliches Ja oder Nein zu Energiesparmassnahmen".

Samuel Geiser

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 Kernkraft und Kirchgemeinden

 In Beznau, Gösgen, Leibstadt und Mühleberg sind Kernkraftwerke gute Steuerzahler - und darum kaum umstritten. Wie halten es die Kirchgemeinden am Ort mit der Atomkraft? "Wir stehen als Rat hinter dem KKW, weilman ehrlich sagen muss, dass auch wir steuerlich profitieren", sagt der Mühleberger Kirchgemeindepräsident Kurt Buri: "Lieber ein KKW hier als Atomstrom aus dem Ausland."

 "Über Beznau gibt es in Kirchenpflege und Pfarrteam vermutlich unterschiedliche Meinungen", erklärt Margrit Anner, Präsidentin der Kirchgemeinde Döttingen-Klingnau-Kleindöttingen.

 Aber weder in der Kirchenpflege noch in einer Predigt sei je darüber gesprochen worden."Eine Diskussion über Leibstadt wäre heikel. Es gilt zu bedenken, dass das KKL geschätzter Arbeitgeber auch für Mitglieder unserer Kirchgemeinde ist", sagt Ruth Zumsteg, Kirchenpflegepräsi-dentin von Koblenz. "Persönlichfinde ich es zwar nicht so toll, dass sich mit Beznau, Leibstadt und Würenlingen alles in unserer Nähe konzentriert. Aber wir haben gelernt, damit zu leben."

 Eher AKW-kritisch ist auch Susi Fehlmann, Präsidentin der Kirchgemeinde Niederamt, zu der Gösgen gehört: "Ich kann mir vorstellen, dass wir einmal ein Podium über die Zukunft der AKWs organisieren."  SEL

 Stefan Burkhard, Christen + Energie

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Atommülllagerung

 Das schwierige Erinnern

 Markierung/ Wie warnen wir künftige Generationen vor radioaktivem Müll in unterirdischen Endlagern? Werden unsere Nachnachkommen in 10 000 Jahren die Warnzeichen überhaupt noch verstehen?

 Mindestens auf dem Papier ist alles in Butter: Im Kernenergiegesetz von 2003, Artikel 40, Alinea 6 und 7, liest man punkto Atommüllmarkierung rundum Beruhigendes. Der Bundesrat sorge dafür, steht da, "dass die Informationen über das Lager und die eingelagerten Abfälle aufbewahrt" würden, die Kenntnisse darüber erhalten und die Lager "dauerhaft" markiert blieben. Aber kann man über 10 000 oder 250 000 Jahre hinweg eine Gefahr überhaupt sicher signalisieren? "Ja, man kann", sagt Markus Fritschi, Geschäftsleitungsmitglied der nationalen Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra). Während der ersten 1000 Jahre, in denen der Abfall hoch radioaktiv ist, werde die Gefahreninformation "ohne grössere Probleme durch Bundesarchiv, Grundbücher und internationale Archive" sichergestellt. Dass sich das Wissen darüber später verliere, sei denkbar. Aber in die Tiefen des Endlagers könne ohnehin nur eine "hochentwickelte Gesellschaft" vordringen, und eine solche würde dank angebrachter Markierungen sofort merken: "Achtung, hier weicht etwas von der Norm ab."

 Zeitreisen. Weniger optimistisch in Sachen Atommüllmarkierung ist der Geologe und Sozialwissenschaftler Marcos Buser. Im Auftrag des Bundesamts für Energie hat er eine Studie zur Markierung von radioaktivem Abfall verfasst. "Natürlich haben wir die Pflicht, kommende Generationen zu warnen. Aber wir wissen nicht, ob und wie unsere Botschaft die Zeitreise übersteht und in ferner Zukunft ankommt", sagt er: "Wir wissen ja nicht einmal, ob wir uns an einen Homo stupidus oder an einen Homo megasapiens zu richten haben. Wo die Menschheit in 10 000 Jahren steht, in 300 Generationen also, wissen die Götter."

 Scherben. Aus der neolithischen Zeit vor 10 000 Jahren sei ja schliesslich auch wenig übrig geblieben, gibt Buser zu bedenken. Ob es der Hinterlassenschaft der Atomzeit besser ergehe, sei offen. Darum schlägt er vor, die Oberfläche eines Atommüll-Tiefenlagers mit "Zehntausenden gestreuter Tonscherben" gleich massenhaft zu markieren: darauf eingraviert ein Totenkopf und das gültige Gefahrenzeichen für Radioaktivität (siehe Bild). Das Totenkopfsymbol werde auch noch in Tausenden Jahren "ziemlich sicher lesbar bleiben" - wobei allerdings nicht auszuschliessen sei, dass man damit eine falsche Fährte Richtung Totenkult lege. Das dreiblättrige Zeichen für Radioaktivität hingegen sei weniger eindeutig, gibt Buser zu: "Man könnte es auch als Markenzeichen einer dreieinigen Gottheit missdeuten."

 Stelen. Wichtig sei, die radioaktive Gefahr "mit kombinierten Warnbotschaften" zu signalisieren. "So könnte man etwa schwachaktiven Stoff in Keramikbehältern vergraben, der bei Öffnung die Haut rötet oder reizt." Marcos Buser schliesst auch nicht aus, dass eine lokale Gemeinschaft, "die Standortgemeinde etwa", das Wissen um das Lager über Generationen tradiert.

 Und wie wärs mit sprachlicher Markierung des Atommülllagers? Auch dies müsse versucht werden, so Buser, etwa in Anlehnung an den Stein von Rosette, eine Stele aus dem zweiten Jahrhundert vor Christus, die einen Text in drei Schriften (Altgriechisch, Demotisch, Hieroglyphen) überliefert - und massgeblich zur Entzifferung der Hieroglyphen beigetragen hat. Allerdings werde der Sinn der meisten Wörter über Jahrhunderte und gar Jahrtausende verzerrt. "Wer weiss denn heute noch, dass sich hinter unseren Monatsnamen zwei römische Kaiser, etliche Götter und ein römisches Reinigungsfest verbergen?" Eines ist für Marcos Buser klar : "Das Wort Radioaktivität kann nicht tradiert werden."  

Samuel Geiser

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 Lucens

 Das grosse Vergessen

 Reaktorunglück/ 1969 explodierte im waadtländischen Dorf Lucens ein Forschungsreaktor. Kaum jemand erinnert sich heute noch an den schwersten nuklearen Unfall in der Schweiz.

 Das Kürzel GAU für den "grössten anzunehmenden Unfall" in einem Atomkraftwerk (AKW) hatte sich 1969 noch nicht im deutschen Wortschatz eingenistet. In jenen Zeiten überschwänglicher Technikbegeisterung schien ein solcher auch gar nicht denkbar. Dennoch kam es am 21. Januar 1969 in den Kavernen des kleinen Örtchens Lucens in der Waadt zum bisher grössten atomaren Unfall in der Schweiz. Im Versuchs-AKW überhitzte sich eines der Brennelemente und explodierte. Am Ende der fatalen nuklearen Kettenreaktion war der Reaktor völlig zerstört. Sieben Jahre zuvor hatte alt Bundesrat Hans Streuli die Ängste der Bürger von Lucens noch zerstreut: "Ein Werk wie das Versuchsatomkraftwerk Lucens explodiert nicht. Denn es kann gar nicht explodieren."

 Verharmlost. Erst nach einem Jahr konnten Aufräumtrupps in die Felsenkavernen vordringen. Über das Ausmass der Katastrophe wusste damals noch niemand richtig Bescheid. Der Westschweiz-Korrespondent der "Neuen Zürcher Zeitung" machte nach der Havarie "im Gespräch mit der Bevölkerung da und dort eine gewisse kreatürliche Angst" aus.

 Später, als das Atomfieber zurückging und 1986 mit Tschernobyl das Wort Super-GAU die Runde machte, wurden alle Reaktorenunfälle auf einer Skala der Internationalen Atomenergie-Organsation (IAEO) taxiert. Natürlich war Lucens auf dieser Skala weit weg von der Katastrophe 1986 in Tschernobyl (Stufe 7), aber mit der Stufe 4,5 schon nah dran an der Reaktorschmelze von 1979 in Harrisburg/USA (5).

 Verdrängt. Trotz ihrer Tragweite ist die Explosion von Lucens heute weitgehend vergessen. Auch im Mitte der Siebzigerjahre aufflammenden Streit um das AKW Kaiseraugst spielte der geborstene Reaktor keine Rolle. "1969 fehlte noch die Sensibilisierung", sagt Heini Glauser, kirchlich engagierter Energiespezialist und früher Kernkraftexperte bei Greenpeace. Für Glauser ist Lucens "ein Lehrstück für die Intransparenz der Berichterstattung bei AKW-Unfällen". Denn die Öffentlichkeit sei systematisch falsch über das Ausmass der Reaktorexplosion informiert worden. "Eine bis heute gängige Praxis", so Glauser. Er erinnert in diesem Zusammenhang an den Zwischenfall im AKW Leibstadt im August 2010, bei dem sich ein Taucher die Hand verstrahlte. Die Pressestelle des AKW-Betreibers liess verlauten: "Nach ersten ärztlichen Untersuchungen sind voraussichtlich keine bleibenden gesundheitlichen Schäden zu erwarten." Glausers Kommentar zu dieser Pressemeldung: "Jeder weiss, dass Strahlenschäden nicht unmittelbar danach diagnostiziert werden können."

 Vermessen. Hatte der Forschungsreaktor in Lucens etwas mit den Atombewaffnungsplänen der Schweiz zu tun? Dass sie nach der grossen Bombe greifen wollte, war Ende der Vierzigerjahre tatsächlich der entscheidende Impuls, die Nuklearforschung staatlich zu forcieren. Auch waren die Initianten des Lucens-Projekts durchwegs mit der Armee vernetzt. Die sehr detaillierten Recherchen des Historikers Tobias Wildi haben aber keine schriftliche Quelle zutage befördert, die hätten belegen können, dass Lucens von der Armee gesteuert wurde.

 Doch Wildis Buch ("Der Traum vom eigenen Reaktor"; Chronos-Verlag, Zürich 2003) macht auch klar: Die Schweiz hätte als kleines Land wohl besser in eine andere Zukunftstechnologie investiert. Walter Boveri, Präsident der BBC (heute ABB) und einer der Initianten des Lucens-Projekts, meinte freimütig: "Eigentlich wäre es für die Schweiz interessanter, die Subventionen dem Gebiet der Elektronik zuzuweisen. Der Reaktorbau ist nun aber einmal Mode, und für beide Gebiete reicht die Budgetlage der Eidgenossenschaft nicht."  

Delf Bucher

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Streitgespräch

 "Wir leben auf vielzu grossem Fuss"

 Kernenergie/ Beide sind Christen, EVP-Politiker, Umweltschützer und Naturwissenschaftler. Der eine aber, der Worber Gemeinde-präsident Niklaus Gfeller, wird am 13. Februar zum Ersatz des Kernkraftwerks Mühleberg Ja stimmen, der andere, der Solarpionier Josef Jenni, ein Nein einlegen. Wie kommt das?

 Niklaus Gfeller: Darf ich zu Beginn unseres Gesprächs etwas klarstellen?

 Bitte.

 GFELLER: Ich mag hier nicht die Rolle des überzeugten Kernkraftbefürworters spielen, die mir womöglich zugedacht ist.

 Immerhin stimmen Sie doch am 13. Februar Ja zum Neubau des Kernkraftwerks Mühleberg?

 GFELLER: Schon, aber ich bin Realist, nicht Lobbyist: Ich stelle einfach fest, dass wir Strom verbrauchen, immer mehr Strom verbrauchen und dass dieser Strom irgendwo produziert werden muss. Wo, wenn nicht in Kernkraftwerken? Die Wasserkraft ist nahezu ausgeschöpft. Kohle und Erdgas lehne ich wegen der CO2-Emissionen ab, Strom zu importieren, ist nicht opportun. Um Strom im grossen Stil herzustellen, Bandenergie ohne Schwankungen also, sehe ich keine Alternative zu neuen Kernkraftwerken.

 Sie sehen aber eine, oder, Herr Jenni?

 Josef Jenni: Wenn sich die Energieproduktion weiterhin an der wachsenden Nachfrage orientiert und der immense Verbrauch sakrosankt ist, gibts tatsächlich keine Alternativen. Aber man kann das Problem auch andersrum anpacken - und die Nachfrage dem Angebot anpassen. Eine Gesellschaft braucht immer so viel Strom, wie zur Verfügung steht.

 Wie? Sie wollen die Leute via Stromverknappung zum Sparen zwingen?

 JENNI: Wir hören das zwar nicht gern, aber es sei wieder einmal gesagt: Wir gehen kolossal fahrlässig mit der Energie um. Wir leben auf viel zu grossem Fuss. Wir tun so, als wäre unbeschränktes Wachstum möglich, und das ist tödlich! Wir müssen unbedingt bescheidener werden.

 GFELLER: Aber du brauchst ja auch Strom in deinem Betrieb, oder Josef? Im Bernbiet stammen vierzig Prozent davon aus Mühleberg - wie will die Jenni AG ohne diesen Atomstrom ihre Solartanks schweissen?

 JENNI: Wir brauchen etwa fünfmal weniger Energie als ein Durchschnittsbetrieb mit vergleichbarer Produktion. Wenn alle Unternehmer derart bewusst mit Energie umgingen wie wir, bräuchte es kein neues AKW. Bloss gibt es bislang überhaupt keinen Anreiz, Strom zu sparen: Er ist billig, viel zu billig. Und sobald man ihn verteuern will, schreit sofort alles Zetermordio und drohen Unternehmer mit dem Wegzug.

 Aber wie gesagt: Sparen ist das eine. Das andere ist die massive Förderung von Sonnen- und Windkraft sowie der Geothermie. Die Versorgung kann heute mit erneuerbaren Energien sichergestellt werden. Der Bau solar beheizter Häuser ist möglich - zu Preisen, die mit Wärmepumpen vergleichbar sind.

 GFELLER: Ein gutes Stichwort: Wärmepumpen.Die Leute rüsten ja derzeit tatsächlich um: Sie ersetzen nämlich die Ölheizungen durch Wärmepumpen, also die fossilen Energien durch Elektrizität. Die muss aber bereitgestellt werden. Dass ich neue Atomkraftwerke gutheisse, ist bloss pragmatisch - mittelfristig wird man wohl tatsächlich auf die Nutzung der Solarwärme setzen. Die Anlagen sind aber heute noch zu teuer, zu wenig effizient und zu materialaufwendig.

 JENNI: Natürlich ist es sinnvoll, von den fossilen Energieträgern Öl, Gas, Kohle wegzukommen - weil die Vorräte zu Ende gehen. Aber es ist eben auch sinnvoll, von der Kernenergie wegzukommen - weil auch das Uran zur Neige geht. Wir haben innert weniger Jahrhunderte sämtliche für die Energieproduktion geeigneten Rohstoffe ausgebeutet und aufgebraucht. Es scheint uns keinen Deut zu kümmern, wie man in zweihundert Jahren auf dieser Erde lebt.

 Und apropos teure Alternativenergien: Die Kosten für das neue Kernkraftwerk Mühleberg belaufen sich gemäss Auskünften der Berner Kantonsregierung auf 9 bis 15 Milliarden Franken. Wenn man diese Summe in energiesparende Massnahmen investieren würde, würde weit mehr herausschauen. Zudem zweifle ich, dass Mühleberg II, wenn es denn gegen 2030 ans Netz gehen sollte, angesichts der massiv gestiegenen Uranpreise überhaupt rentieren wird.

 Ihre Euphorie für die Solarenergie ist legendär, Herr Jenni: Aber woher kommt der Strom in der Nacht und bei bedecktem Himmel?

 JENNI: Dann ist der Ertrag aus Photovoltaikanlagen in der Tat marginal, jener aus Wind etwas konstanter. Aber im Sommer fällt viel Strom an: In Deutschland etwa liefern die Solarzellen in Spitzenzeiten mehr Energie als alle deutschen Kernkraftwerke zusammen. Aber Sie haben recht: Erneuerbare Energien liefern, anders als ein AKW, nicht stetig Strom. Deshalb brauchts Ausgleichskapazitäten. Und deshalb unterstütze ich den Ausbau der Pumpspeicherung: Wir haben dank der ausgebauten Wasserkraft in der Schweiz ideale Möglichkeiten, mit überschüssigem Strom Wasser in die höher gelegenen Seen zu pumpen und dort zu speichern, bis man es braucht. Deshalb sollte - als kleineres Übel - die Staumauer der Grimselkraftwerke erhöht werden dürfen.

 GFELLER: Die Erhöhung der Grimselstaumauer wird Mühleberg nie und nimmer kompensieren.

 JENNI: Die Kraftwerke Oberhasli (KWO) haben Konzepte, die auch den Brienzersee miteinbeziehen.

 Wollen Sie den Brienzersee stauen?

 JENNI: Nicht stauen, aber den Pegelstand mit einer Schleuse in Interlaken regulieren. Das Projekt ist noch überhaupt nicht spruchreif. Aber mit einer intensiveren Nutzung der Wasserkraft könnte man das Problem des unregelmässig fliessenden Alternativstroms massiv entschärfen.

 GFELLER: Die Kapazitäten für Windenergie in der Schweiz sind beschränkt. Und falls du jetzt auf die Windkraftwerke in der Nordsee verweisen willst, Josef, dann verweise ich auf die Schwierigkeit, Strom über derart weite Distanzen zu transportieren. Darum stehe ich übrigens auch dem Projekt Desertec - der Idee, mittels Solaranlagen in der Sahara Strom für die halbe Welt zu produzieren* - skeptisch gegenüber.

 JENNI: Wenn man den Strom mit Gleichstromübertragungen in die Schweiz holt, liegen die Verluste in engem Rahmen.

 GFELLER: Wie? Da kommt doch das ohmsche Gesetz zum Tragen: Der Verlust wächst proportional mit der Länge der Leitung.

 JENNI: Gleichstrom kann man über Tausende von Kilometern transportieren, ohne dass mehr als zehn Prozent verloren gehen.

 GFELLER: Dann brauchts aber ein ganz dickes Kabel, und dafür muss man zuerst Erz in Metall umwandeln, das gibt CO2 …

 … halthalt, stellen wir einfach fest: Herr Jenni hält den Transport von Strom über weite Strecken für machbar, Herr Gfeller findet, die Verluste seien viel zu gross.

 GFELLER: Ja. Zudem ist der Import von Strom grundsätzlich fragwürdig - erst recht, wenn er aus Gas- oder Kohle- oder wackeligen Kernkraftwerken stammt. Wir sollen die Folgen unseres Wohlstands, zu dem auch der fast uneingeschränkte Energiekonsum gehört, selbst tragen. Deshalb ist der Bau neuer Kernkraftwerke in der Schweiz derzeit die einzige, auch ethisch vertretbare Lösung.

 Und wie ethisch ist es, den radioaktiven Abfall unseren Nachnachnachkommen zu überlassen?

 Gfeller: Es sind wenigstens unsere eigenen Nachnachnachkommen. Und das weiterhin ungelöste Problem mit dem anfallenden Atommüll könnte uns immerhin deutlich machen, dass wir unsere Ansprüche reduzieren müssten.

 Dieser Atommüll fällt ja schon seit dreissig Jahren an, und der Wille, Strom zu sparen, hält sich trotzdem in engen Grenzen.

 Gfeller: Das stimmt. Viele Leute tun noch heute so, als ginge sie der Atommüll nichts an, als sei er eine Angelegenheit der bösen Stromkonzerne. Aber der radioaktive Abfall ist unser aller Problem, weil wir alle Energie verbrauchen - auch ich: Ich habe ein Generalabonnement, benutze Bahn und Bus und Tram und mag mich punkto Mobilität nicht einschränken. Und darum haben wir alle die Folgen zu tragen.

 Jenni: Kernenergie verstösst gegen dasGebot der Nächstenliebe: weil wir beider Gewinnung von Uran enorme Schweinereien zulassen und weil wir unseren Nachkommen Probleme aufhalsen, die sie später in einer Mangelsituation kaum bewältigen können: Sie werden nicht mehr unseren Wohlstand haben!

 Gfeller: Auch der Klimawandel trifft vor allem unsere Nachkommen. Wir bedauern zwar, dass die Gletscher immer kleiner werden, aber grosse Probleme bereitet uns die weltweite Erwärmung noch nicht. Jedenfalls nicht in der Schweiz.

 Der Klimawandel ist also das dringlichere Problem als die radioaktiven Abfälle?

 Gfeller: Ich mag das eine nicht gegen das andere ausspielen. Beides sind Folgen unseres Wohlstands, und beiden Problemen müssen wir uns stellen.

 Jenni: Mal abgesehen davon, dass kein einziges Barrel Öl weniger gefördert wird, wenn wir neue Kernkraftwerke bauen: CO2 hat das kleinere Potenzial als Kernenergie, menschlich entwickeltes Leben dermassen endgültig kaputt zu machen. Der Treibhauseffekt ist ein Riesenproblem, aber der nukleare Abfall ist viel finaler. Die Menschen werden noch in Tausenden von Jahren zu diesem Abfall schauen müssen. Zudem haben wir ja noch immer keinen Standort für die Lagerung der Abfälle gefunden. Wer kann denn garantieren, dass es in 20 000 Jahren nicht wieder zu einer Eiszeit kommt und ein Endlager von einem Gletscher an die Oberfläche geschoben wird? Und es geht auch nicht, dass man die Abfälle langfristig beim Kraftwerk lagert.

 Schlusswort, Herr Gfeller: Warum soll man am 13. Februar Ja stimmen zum Ersatz des Kernkraftwerks Mühleberg?

 Gfeller: Ich gebe Josef Jenni ja in vielem recht: Wir leben auf zu grossem Fuss, die Rohstoffvorräte sind beschränkt, auch Uran ist endlich, insofern ist Kernenergie eine Übergangstechnologie. Aber es gibt derzeit keine Alternative: Die erwartbare Menge aus alternativen Energien ist noch zu schwankend und zu klein - zu klein jedenfalls, um jene zu kompensieren, welche die dereinst stillgelegten AKWs Mühleberg, Gösgen und Beznau bislang produzieren. Wenn wir die alten Kernkraftwerke nicht ersetzen, importieren wir einfach mehr Strom, und das ist unethisch und unverantwortlich.

 Warum soll man Nein stimmen, Herr Jenni?

 Jenni: Spätestens 2050 sind die Öl-, Gas-, Kohle- und Uranreserven fast aufgebraucht und steht uns viel weniger Energie zur Verfügung als heute. Es ist sinnvoller, sich schon jetzt mit dieser Verknappung zu befassen und den Prozess aktiv einzuleiten. Wir können auf die hoch riskante Kernenergie verzichten, wenn wir erneuerbare Energien konsequenter nutzen und mit Strom haushälterischer umgehen. Schon die Bibel fordert uns auf, mit wenig zufrieden zu sein: Im Timotheusbrief ist von Kleidern die Rede, zum bescheidenen Leben gehören sicher auch ein Bett und eine Wohnung - aber sicher kein Swimmingpool, kein Motorboot, kein Auto mit breiten Rädern …

 Gfeller: Und Ferien? Gehören die auch zu einem bescheidenen Leben?

 Jenni: Man muss ja nicht unbedingt in den Fernen Osten jetten.
 Gespräch: Martin Lehmann, Anouk Holthuizen

 * www.desertec.org/de

 Niklaus Gfeller, 47,

 promovierter Chemiker und Gymnasial-lehrer, ist vollamtlicherGemeindepräsident der Berner Vororts-gemeinde Worb (11 000 Einwohner). Er politisiert für die EVP im bernischen Grossen Rat (Frak-tionschef), hat fünf Kinder und drei Enkelkinder und ist Mit-glied der Evangelisch-methodistischen Kirche (EMK). Niklaus Gfeller lebt in einem Dreigenerationenhaus, geht mit dem Velo zur Arbeit und kann nicht Auto fahren.

 "Kernenergie verstösst gegen das Gebot der Nächstenliebe - weil wir unseren Nachkommen Probleme aufhalsen, die sie kaum bewältigen können."

 Josef Jenni
 

 Josef Jenni, 57,

 gelernter Elektro-ingenieur, ist Solar-pionier und Geschäftsführer der Jenni Energie-technik AG im emmentalischen Oberburg (70 Angestellte). Er politi-siert für die EVP im bernischen Grossen Rat, hat drei erwachsene Kinder und ist Mitglied der freien Missionsgemeinde. Josef Jenni besitzt ein GA, wohnt im selben Haus, in welchem er arbeitet, und benutzt sei-nen VW Lupo nur äusserst selten.

 "Wenn wirdie altenKernkraft-werke nicht ersetzen, importieren wir einfach mehr Strom aus dem Ausland. Das ist un-ethisch."

 Niklaus Gfeller


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 Facts & Figures

 Entscheid. Die Gesuche der Stromproduzenten Axpo, Alpiq und BKW für den Bau zweier neuer Kernkraft-werke anstelle der in die Jahre gekommenen Werke in Beznau (I+II) und Mühleberg haben in der Schweiz eine Grundsatzdiskussion über die Energiezukunft und die Notwendigkeit von Kernenergie ausgelöst. Bis Ende März 2010 können die Kantone Stellung nehmen zum Rahmenbewilligungsgesuch des Bundes; in den Kantonen Bern, Waadt und Jura wird auch das Volk befragt. Diese Konsultativabstimmungen sind nicht verbindlich, dürften aber die Diskussion beeinflussen. Stimmen 2012 Bundes-rat und Parlament dem Bau zweier neuer Kernkraftwerke zu, kommt es wohl zur Referendumsab-stimmung. Sagt auch das Volk Ja, werden die neuen KKW frühestens 2025 realisiert.

 Verbrauch. Obwohl das Bundesamt für Energie im Energieverbrauchein Sparpotenzial von mindestens 30 Prozent ortet, nimmt dieser stetigzu. Seit 1980 ist er in der Schweiz um 26 Prozent auf 243 961 Gigawatt-stunden angestiegen. Knapp 70 Prozent der gesamten in der Schweiz verbrauchten Energiestammt aus fossilen Energie-trägern (Erdöl, Erdgas, Kohle), sie sind hauptverantwortlich für die klimaschädigenden CO2-Emis-sionen. Die Elektrizität macht am gesamten Energieverbrauch knapp ein Viertel aus. 6 Pro-zent der Elektrizität wird in Wasserkraftwerken, 40 Prozent in Kernkraftwerken und 5 Prozent in Kehrichtverbrennungsan-lagen, Fernheizkraftwerken und kleinen Wärmekraft-Kopplungs-anlagen erzeugt. Photovoltaik- und Windkraftanlagen machen weniger als 1 Prozent der gesamten Stromproduktion in der Schweiz aus.

 Preis. Dass der Stromverbrauch trotz steigender Energieeffizienz von Geräten weiter zunimmt, hat verschiedene Gründe: Einerseits ist derStrom in der Schweiz weiterhin sehr billig. Zudem werden Gross-geräte nur langsam erneuert, und die Verbrauchsdeklaration auf Geräten wie Kühlschränken, Waschmaschinen und Unterhaltungs-elektronik ist unübersichtlich. Umweltverbände und linke Parteien fordern daher Lenkungsabgaben auf Strom sowie strengere Verbrauchsvorschriften.  aho

 Testen Sie Ihre Energie- und CO2-Bilanz:www.ecospeed.ch (Rubrik "ECOPrivate")

 Forum:WIE STEHEN SIE ZUR KERNENERGIE?Diskutieren Sie mit: www.reformiert.info

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 Hochradioaktive Abfälle müssen 1 Million Jahre gelagert werden. Wie lange ist das?

 1 Million Jahre v. Chr.

 Schwach- und mittelradioaktive Abfälle aus Kernkraftwerken und Spitälern müssen rund 30 000 Jahre gelagert werden, hochradioaktive Abfälle (etwaverbrauchte Brennelemente) strahlen nach 200 000 Jahren noch wie natürliches Uran. Letztere müssen gemäss Nagra "eine Million Jahre sicher eingeschlossen werden können". Wie lange ist das?

 Älteste gefundene Feuerstelle etwa 700 000 v. Chr.

 Menschliche Besiedlung Europas etwa 500 000 v. Chr.

 etwa 400 000 v. Chr. Erste Siedlungsspuren in Nizza, Côte dAzur

 Ende der letzten Eiszeit 12 000 v. Chr.

 Jungsteinzeit; Mensch wird sesshaft 6000 v. Chr.

 Erste Schriftzeichen 3500 v. Chr.

 Auszug der Israeliten aus Ägypten (Mose) 1250 v. Chr.

 Christi Geburt o

 heute

 30 000
 Schwach- und mittel-radioaktives Material hat noch eine Strahlung wie Granitgestein

 200 000
 Hochradioaktive Abfälle strahlen noch so stark wie das einst abgebaute natürliche Uran

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Wilisauer Bote 28.1.11

Keine Konsultativabstimmung
 
Atomstrom | Das Luzerner Volk soll vorerst nicht befragt werden

 Im Kanton Luzern gibt es keine Konsultativabstimmung zur Frage, ob die Schweiz neue Atomkraftwerke brauche. Für eine solche Befragung fehle eine rechtliche Grundlage, befand die Mehrheit des Kantonsparlamentes.

 von Stefan Calivers

 Die Abstimmung war von Alain Greter (Grüne, Luzern) mit einem Postulat verlangt worden. Die Mitwirkung der Bevölkerung müsse bei diesem Thema von Anfang gewährleistet werden, sagte er. Nicht nur die Regierung soll Stellung nehmen dürfen.

 Keine gesetzlichen Grundlagen

 CVP, FDP und SVP lehnten das Begehren einhellig ab. Daniel Keller (SVP, Udligenswil) wies darauf hin, dass es keine gesetzliche Grundlage für eine unverbindliche Befragung gebe.

 Auch Robert Küng (FDP, Willisau) verwies auf die fehlenden gesetzlichen Grundlagen und machte geltend, dass verlässliche Fakten für einen Urnengang noch gar nicht vorhanden seien. Das Schweizer Volk werde zu gegebener Zeit aber über den Neu- oder Ausbau von Kernkraftwerken entscheiden können.

 Stefan Roth (CVP, Luzern) fand, dass eine Konsultativabstimmung nichts zur Lösung der Energieproblematik beitragen könne. Es mache keinen Sinn, wenn die Schweiz Kernkraftwerke ablehne, dafür aber Atomstrom aus dem Ausland importiere.

 Für Pius Müller (SVP, Ruswil) ist Strom aus AKWs "sicher, günstig und umweltverträglich".

 Fakten vorhanden

 Silvana Beeler (SP, Ebikon) mochte es dagegen nicht einleuchten, dass Regierung und Bürgerliche in der AKW-Frage dem Volk nicht den Puls fühlen möchten. Die Diskussion laufe, es werde nichts vorweggenommen. Die Fakten lägen auf dem Tisch und die fachlichen Voraussetzungen für eine Konsultativabstimmung seien vorhanden, sagte auch Adrian Borgula (Grüne, Luzern).

 Der zuständige Regierungsrat Max Pfister sagte, dass der Bau eines neuen Atomkraftwerkes in der Schweiz dem fakultativen Referendum unterstehen werde. Die Diskussion dazu dürfe deshalb nicht von einer verfrühten kantonalen Konsultativabstimmung vorweggenommen werden.

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Schweiz Aktuell sf.tv 27.1.11

Widerstand gegen AKW

45% der Bevölkerung im Solothurner Niederamt, der Standortregion des KKW Gösgen, sind gegen den Bau eines neuen Atomkraftwserks. Dies ist das Ergebnis einer Studie der regionalen Gemeindepräsidenten. Mit der Studie will das Niederamt klären, wer und wie finanziell von einem neuen AKW profitieren würde.
http://videoportal.sf.tv/video?id=e6379d8c-e28a-4a4c-b221-c254669cdd9e

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sf.tv 27.1.11

Gösgen II wird mit skeptischem Blick betrachtet

sda/bosy

 Bei der Bevölkerung im solothurnischen Niederamt stossen die Pläne für ein AKW Gösgen II und ein Atomendlager weitgehend auf Ablehnung. Dies zeigt eine sozioökonomische Studie im Auftrag der Präsidenten der 15 Gemeinden mit 32'800 Einwohnern zwischen Aarau und Olten. Die Bevölkerung aus dem Niederamt befürchtet ein negatives Image durch die Atomanlagen.

 45 Prozent der befragten Personen lehnen die Pläne für das unter anderem vom Energiekonzern Alpiq geplante Atomkraftwerk Gösgen II ab. Das geht aus der vom Verein Gemeindepräsidentenkonferenz Niederamt (GPN) veröffentlichten Studie hervor.


 Für ein zweites Atomkraftwerk - zusätzlich zum AKW Gösgen, das seit 1979 besteht -sind 38 Prozent. Weitere 15 Prozent der Befragten geben sich neutral. Die Unternehmen sehen die Pläne positiver.

 Auf klaren Widerstand stösst das vom Bund geplante Tiefenlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle. 71 Prozent der Niederämter sprechen sich dagegen aus. Die Ablehnung zieht sich durch alle 15 Gemeinden, wie es in der Studie heisst. Auch eine Mehrheit der Unternehmen ist dagegen.

 Unruhen befürchtet - Mehreinnahmen erhofft

 Die Bevölkerung und Unternehmen erwarten von den Atomanlagen mehrheitlich negative Wirkungen auf das Image des Niederamtes. Dieser Ansicht sind beim AKW Gösgen II 60 Prozent der Bevölkerung und der Unternehmen, beim Endlager 84 Prozent der Bevölkerung und 77 Prozent der Unternehmen.

 Eine Mehrheit der befragten Einwohner befürchtet etwa Unruhen und Spannungen. Der Wohnort würde an Attraktivität verlieren, und der Wert der Liegenschaften sinken. Anderseits erhoffen sich die Niederämter zusätzliche Einnahmen für die Gemeindekassen und neue Arbeitsplätze.

 Die Gemeindepräsidenten liessen daher auch die wirtschaftlichen Auswirkungen der Projekte berechnen. Für die Region würde das zweite AKW in der 60-jährigen Betriebsphase eine Bruttowertschöpfung von rund 720 Millionen Franken pro Jahr generieren. Mehr als drei Viertel der Wertschöpfung wären jedoch auf den hohen Kapitaleinsatz zurückzuführen.

 Nur 16 Prozent würden auf die für den Wohlstand der Region relevante Arbeitswertschöpfung entfallen, wie aus der Studie hervorgeht. Mit 620 Vollzeitstellen würde das AKW einen Beitrag von rund 7 Prozent zur regionalen Beschäftigung leisten.

 Geringe Rendite von Atomendlager

 Neben den Steuern der AKW-Betriebsgesellschaft rechnet das Niederamt mit Abgeltungen für die gemeinwirtschaftlichen Leistungen.

 Ein Atomendlager hätte laut der Studie eine geringere wirtschaftliche Bedeutung. Es seien etwa 30 Vollzeitstellen und eine Bruttowertschöpfung von rund 4 Millionen Franken pro Jahr über eine Dauer bis 2101 zu erwarten. Abgeltungszahlungen würden für die Region daher die grösste Wirkung haben.

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WoZ 27.1.11

Politour
 
AKW Mühleberg

 Die BernerInnen stimmen am 13. Februar da r über ab, ob der Kanton sich beim Bund für oder gegen ein neues AKW am Standort Mühleberg aussprechen soll. Vor dieser kantonalen Konsultativabstimmung gibt es die Veranstaltung "Eine strahlende Zukunft mit AKWs? - Nein danke!". Jürg Joss, Fokus Anti-Atom, und der Solarpionier Josef Jenni referieren zum Thema.

 Bern Polit-Forum Käfigturm, Marktgasse 67, Mi, 2. Februar, 19 Uhr.


 Ebenfalls im Hinblick auf die AKW-Konsultativ abstimmung am 13. Februar im Kanton Bern laden die Grünen des Kantons Bern ein zu einem Treffen zur Atomdebatte im deutschsprachigen Raum. Deutschland, Österreich und die Schweiz befinden sich in der Atomfrage an ganz unterschiedlichen Punkten: Im Gegensatz zur Schweiz ist Deutschland gewillt, aus der Atomenergie auszusteigen, und Österreich verzichtete schon bisher darauf. Bärbel Höhn, stellvertretende Vorsitzende der deutschen Bundestagsfraktion Bündnis 90 / Die Grünen, Christiane Brunner, Abgeordnete zum Österreichischen Nationalrat und Obfrau Umweltausschuss, sowie Franziska Teuscher, Nationalrätin und Vizepräsidentin Grüne Schweiz, äussern sich in Referaten zu ihrem jeweiligen Land und in einer anschliessenden Diskussionsrunde zu Entwicklungen und Zukunftsszenarien der Atomenergie im deutschsprachigen Raum.

 Bern Restaurant Schmiedstube, 1. Stock, Schmiedenplatz 5, Do, 3. Februar, 19.30 Uhr.

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WoZ 27.1.11

Fumoir
 
Hoffen auf ein Wunder

 Ruth Wysseier zur Abstimmung über das AKW Mühleberg

AKW lassen sich nur ertragen, solange man nicht über sie nachdenkt. Doch nun fragt der Kanton Bern am 13. Februar seine StimmbürgerInnen, ob sie ein neues AKW wollen, und deshalb muss ich nachdenken, während ich über den See schaue, Richtung Mühleberg, wo seit 1972 eines der ältesten Atomkraftwerke der Schweiz steht.

 Für den Fall, dass in Mühleberg ein Reaktorunfall passiert, verteilten die umliegenden Gemeinden vor Jahren Jodtabletten an die Haushalte. Bei einer Gefährdung würden uns die Behörden über Radio auffordern, sie zu schlucken. Das klingt praktisch, dass so ein Super-GAU gerade harmlos genug wäre, um ihn mit ein paar Tabletten bändigen zu können. Doch seit ich über AKW nachdenke, schleichen sich immer wieder Bilder in meinen Kopf, die ich gar nicht anschauen wollte. Ich sah sie in der WOZ vor einigen Wochen, unerträgliche Fotos von deformierten, verstrahlten Menschen, die in der Umgebung des kasachischen Atomversuchsgeländes Semipalatinsk lebten.

 Wenn die Behörden sich wirklich sorgen um unsere Gesundheit, warum zeigen sie uns dann nicht diese Bilder im Abstimmungsbüchlein, so, wie sie uns mit den Fotos auf den Zigarettenpäckli schocken? Warum warnen sie uns nicht, dass in einem AKW Plutonium entsteht und man an Lungenkrebs erkranken kann, wenn man auch nur ein Millionstel Gramm davon einatmet?

 Atomkraft gefährdet Ihre Gesundheit! Atomkraft verursacht genetische Schäden! Atomkraft produziert Abfälle, die eine Million Jahre lang gefährlich strahlen!

 Eine Million Jahre. So lange müsste hoch radioaktiver Müll sicher gelagert werden können. Das ist so irrwitzig, dass man sich wundert, wie sich überhaupt jemand ernsthaft an die Aufgabe machen kann. Doch weil die Menschheit seit einem halben Jahrhundert strahlende Abfälle anhäuft, müssen WissenschaftlerInnen nach einem sicheren Lagerort suchen. Also stehen sie jeden Morgen auf, rufen vielleicht beherzt "dem Ingeniör ist nichts zu schwör", dann vermessen sie Gestein, bohren Löcher in Berge, Hügel und Steppen - und scheitern kolossal. Schon fünfzig Jahre lang. Auf der ganzen Welt haben sie bis heute keinen Ort gefunden, von dem sich vorstellen liesse, der Müll wäre dort sicher. Hoffen auf ein Wunder wäre realistischer.

 Ende der siebziger Jahre hatte der Bundesrat versprochen, die AKWs stillzulegen, wenn das Abfallproblem bis Mitte der Achtziger nicht gelöst sei. Doch statt Wort zu halten, beugte er sich dem Sachzwang und befand, "rein theoretisch" sei das Problem gelöst.

 Eine Million Jahre. Ich fürchte, die Gefahr, die von radioaktiver Strahlung ausgeht, ist zu bedrohlich und zu abstrakt, als dass wir sie mit einem Abstimmungssonn tag in Verbindung zu bringen vermögen. Ein mal habe ich erlebt, dass diese Angst konkret wurde. Nachdem der Wind den Fallout aus dem Tscher nobyl-Unglücksreaktor über West europa verteilt hatte, fütterten Eltern ihre Kinder nur noch mit Büchsennahrung und Milch, die vor der Verseuchung produziert worden war   - worauf die italienische Firma Parmalat ihre Milch in rückdatierten UHT-Packungen verkaufte. Es war ein kleines Beispiel dafür, wie das atomare Risiko allen zwangsverabreicht wird und wie wenig man sich schützen kann.

 Die Menschen liessen sich von Ängsten leiten, beklagen Ingenieure. Schön wäre es! AKW sind nämlich unerträglich, sobald man über sie nachdenkt. Als vernünftiger Mensch lasse ich mich deshalb von meinen Ängsten leiten und stimme Nein.

 Ruth Wysseier  ist Winzerin und WOZ-Redaktorin.

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Bund 27.1.11

Mühleberg lässt Emotionen nochmals hochgehen

 18 Tage vor der Mühleberg-Abstimmung haben sich Befürworter und Gegner der Atomkraft im Grossen Rat nochmals einen verbalen Schlagabtausch geliefert.

 Im Zentrum der gestrigen Debatte standen die Rollen der Regierung und des Stromkonzerns BKW im Abstimmungskampf. Zu entscheiden gab es nichts. Beide Lager nutzten aber das Mittel der Interpellation, um im Lauf der knapp zweistündigen Debatte die eigene Position zu bekräftigen.

 Kritik an der Regierung . . .

 Die bürgerliche Ratsmehrheit attackierte dabei die rot-grüne Regierung: Ihr offensiver Einsatz für ein Nein am 13. Februar sei unstatthaft, nachdem sich der Grosse Rat klar für ein neues AKW Mühleberg ausgesprochen habe. "Die Regierung hat ihre Kompetenzen überschritten", sagte Erwin Burn (Adelboden) namens der EDU-Fraktion. Energiedirektorin Barbara Egger (SP) missachte den Auftrag des Parlaments und nutze jede Gelegenheit, den Kanton Bern ins Strom-Abseits zu manövrieren, ergänzte Ueli Jost (Thun) für die SVP.

 . . . am Grossratspräsidenten . . .

 Roland Näf (Muri), der Präsident der bernischen SP, wies die Kritik zurück. Schliesslich herrsche Gewaltenteilung, und die Regierung sei gegenüber dem Volk verpflichtet, zu ihrer Meinung zu stehen. Das Amt missbraucht habe hingegen Grossratspräsident Gerhard Fischer (SVP/Meiringen), als er die Regierung im Namen aller Grossräte öffentlich gemassregelt habe.

 . . . an der BKW . . .

 Die Linke nahm die Rolle der BKW ins Visier: Die Mühleberg-Betreiberin mische sich mit unzulässiger Propaganda in den Abstimmungskampf ein. Dabei unterschlage sie wesentliche Informationen wie etwa eine transparente Kostenrechnung, sagte Nadine Masshardt (SP/Bern). Die BKW verbreite eine "Vielzahl von Halbwahrheiten", befand auch Blaise Kropf (Bern) namens der Grünen. Sie stelle die Atomkraft als sichere Energieform dar und wisse dabei nicht einmal, woher das eigene Uran genau stamme, ergänzte Franziska Schöni-Affolter (Bremgarten) für die Grünliberalen.

 . . . und an den AKW-Gegnern

 Die BDP konterte die Kritik am Stromkonzern. Die BKW informiere transparent, sagte Bernhard Riem (BDP/Iffwil). Offene Fragen gebe es hingegen zur Finanzierung der Gegenkampagne. So sei es stossend, dass sich der baselstädtische Energiefonds in den Abstimmungskampf einmische und die AKW-Gegner unterstütze.

 FDP schlägt runden Tisch vor

 Einen Schritt in Richtung Versöhnung wollte Peter Flück (FDP/Brienz) machen: Er lud alle Fraktionen zu einem runden Tisch in der kommenden Woche ein, um eine Auslegeordnung in der Energiepolitik vorzunehmen. Die EVP betreibe einen solchen runden Tisch bereits fraktionsintern, erwiderte Marc Jost (Thun). In seiner Fraktion gebe es nämlich sowohl AKW-Befürworter als auch -Gegner. Energiedirektorin Barbara Egger begrüsste Flücks Initiative. Auf weitere Ausführungen zur Debatte verzichtete sie.(sda)

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BZ 27.1.11

Letzte Wortgefechte vor Volksentscheid

AKW Mühleberg. Knapp zwei Wochen vor der Abstimmung zum AKW Mühleberg kam es gestern im Grossen Rat zu einem weiteren Schlagabtausch zwischen Gegnern und Befürwortern.

 Woher kommt das Uran für das AKW Mühleberg? Wie engagiert sich die Regierung im Abstimmungskampf? Woher kommt das viele Geld für die Propaganda der Atomlobby? Wie viel muss der Kanton Bern bezahlen? Fragen, die gestern das bernische Kantonsparlament beschäftigten. Diskutiert wurde, weil das Bernervolk am 13. Februar die Frage beantworten muss, ob am jetzigen Standort des AKW Mühleberg dereinst ein neues, weit grösseres Atomkraftwerk gebaut werden soll.

 In der Regel werden Interpellationen im Grossen Rat nicht diskutiert, sondern zur Kenntnis genommen. Beim Thema AKW ist dies freilich anders. Die vier Interpellationen aus dem links-grünen Lager waren allesamt Attacken auf die Kernkraft und die AKW-Betreiberin BKW. Eine BDP-Interpellation nahm das Verhalten des links-grünen Regierungsrates ins Visier. Gegner und Befürworter des Standortes Mühleberg reklamierten für sich, nur Fakten zu präsentieren.

 BKW unter Dauerbeschuss

 "Demokratiepolitisch bedenklich" sei es, wetterte Samuel Leuenberger (BDP, Trubschachen), wenn sich der Regierungsrat an einer Medienkonferenz gegen den Bau eines neuen AKW in Mühleberg ins Zeug lege, obwohl das Parlament genau das Gegenteil beschlossen habe. Auch die SVP kritisierte das Verhalten der links-grünen Regierung.

 Kritisiert wurde von mehreren Votanten das Verhalten der Bernischen Kraftwerke (BKW), die sich mehrheitlich in Staatsbesitz befindet. Dass das geplante Lager von hoch radioaktivem Abfall kein Thema in der BKW-Abstimmungszeitung sei, gehe nicht an, monierte Nadine Masshardt (SP, Bern). Die Grünen sagten "Nein zur Propagandawalze der BKW", betonte Natalie Imboden (Bern). Wer nichts zu einem Atommülllager sage, habe etwas zu verbergen. Eine andere Erklärung hatte Josef Jenni (EVP, Oberburg): "Bei der BKW geht - das haben wir erfahren - von Zeit zu Zeit etwas vergessen." Und Franziska Schöni (GLP, Bremgarten) stellte fest, dass nicht eine Strom-, sondern eine Informations- und Sicherheitslücke bestehe. "Die absolute Desinformation der BKW" geisselte auch Andreas Hofmann (SP, Bern). "Nach der Vielzahl von Halbwahrheiten der BKW" plagen Finanzpolitiker Blaise Kropf (Bern) ungute Gefühle: die Kosten. Der Bau eines neuen AKW in Finnland zeige jetzt, dass ein finanzielles Risiko bestehe, letztlich für die Steuerzahler. Es gelte langfristig zu denken und deshalb auf den Bau von AKW zu verzichten, sagte Marc Jost (EVP, Thun).

 FDP will runden Tisch

 Zu einem diametral anderen Schluss kamen die Sprecher von BDP, SVP und FDP. "Die BKW informiert transparent", bilanzierte Bernhard Riem (BDP, Iffwil), welcher den AKW-Gegnern Angstmacherei vorwarf. Dem Kanton Bern drohe kein Risiko, sondern er "profitiert finanziell". Ueli Jost (SVP, Thun) ärgerte sich über "die vielen unwahren Voten". Ehrlich war das Votum von AKW-Befürworter Mathias Tromp (BDP, Bern): "Wir wollen, dass uns der Strom nicht ausgeht." Dem Hickhack wollte Peter Flück (FDP, Brienz) ein versöhnliches Ende setzen. Konkret: Am 1. Februar will der FDP-Kantonalpräsident die Streithähne an einem runden Tisch zusammenbringen. Das letzte Wort in der AKW-Mühleberg-Frage hat dann aber am 13. Februar das Bernervolk.
 
Urs Egli

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 O-Ton

 "Aus Mühleberg wird Müllberg."

 Weil neben dem geplanten neuen AKW in Mühleberg Atommüll gelagert werden soll, prognostiziert Natalie Imboden (Grüne, Bern) gleich einen neuen Ortsnamen.

 "Den erneuerbaren Energien gehört die Zukunft."

 Diese Aussage von BDP-Sprecher Bernhard Riem (Iffwil) ist löblich. Doch lobende Worte fand er nur für neue AKW.

 "Ich staune, wie viel Fachpersonal es im Grossen Rat hat."

 Das mag nicht nur SVP-Sprecher Ueli Jost erstaunen. Doch der Kaufmann aus Thun stand den selbst ernannten Fachleuten im Parlament in nichts nach.

 "Kein Weg führt an einem AKW vorbei."

 Hoffentlich meint Hugo Kummer (SVP, Burgdorf) dies nicht generell.

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Langenthaler Tagblatt 27.1.11

"Ist die BKW für Bern noch tragbar?"

 Grosser Rat Knapp drei Wochen vor der Abstimmung kommt es zu einer weiteren AKW-Debatte

Samuel Thomi

 Zu entscheiden gab es gestern zwar nichts - und doch diskutierte der Grosse Rat nochmals fast einen Morgen lang übers aktuelle und das neue Atomkraftwerk in Mühleberg. "Praktisch täglich erfahren wir aus den Medien irgendwelche Neuigkeiten", kritisierte Christoph Grimm (Grüne). Der Burgdorfer ergänzte namens der Fraktion: "Das ist nicht nur schlecht für das Vertrauen in die BKW. Bei dieser Informationspolitik müssen wir uns ernsthaft fragen, ob das Unternehmen für den Kanton noch tragbar ist."

 Harte Kritik an der BKW kam auch von SP-Sprecherin Nadine Masshardt (Bern): "In der angeblichen ‹Informations-Zeitung›, die in alle Haushalte verteilt wurde, steht nichts über die vierfache Leistung des neuen AKWs oder was es kostet. Die Betriebssicherheit wird auch nicht erwähnt; auch steht nichts zum neuen Zwischenlager für hoch radioaktive Abfälle." In diese Richtung zielte auch die Kritik der Grünliberalen: "Wir haben keine Stromlücke, sondern Sicherheits- und Informationslücken", kommentierte Franziska Schöni-Affolter (Bremgarten). "In diesem Zirkus wollen wir nicht mitmachen und setzen daher auf erneuerbare Energien und damit auf mehr regionale Wertschöpfung."

 Zu diesen Themen führe die EVP bereits einen eigenen "runden Tisch", kommentierte Marc Jost (Thun, vgl. Text unten). Die Fraktion sei zwar für ein AKW, die Parteibasis aber gegen Mühleberg II: "Investieren wir wieder in AKWs, haben wir an dessen Ende der Laufzeit wieder eine Stromlücke. Setzen wir daher also lieber bereits jetzt auf erneuerbare Energien."

 Wie nicht anders zu erwarten war, kamen aus dem bürgerlichen Lager gegenteilige Voten: "Mit der öffentlichen Auflehnung des Regierungsrates gegen den Grossen Rat wurde der Pfad der guten Zusammenarbeit verlassen", kommentierte Samuel Leuenberger (BDP/Trubschachen). "Leider müssen nun gewisse Gesetzesanpassungen ins Auge gefasst werden", damit die Regierung dem Parlament als Volksvertretung künftige nicht mehr in den Rücken falle. Dem hielt Roland Näf (SP/Muri) entgegen, im Gegensatz zu ausländischen Systemen sei im Kanton auch die Regierung direkt vom Volk gewählt und habe also einen Auftrag.

 An die Adresse der AKW-Gegner kritisierte BDP-Sprecher Bernhard Riem (Iffwil), die BKW Energie AG informiere transparent im Gegensatz etwa zum Energiefonds des Kantons Basel-Stadt, der Ende letztes Jahr auch im Kanton Bern eine Zeitung zur Förderung der neuen erneuerbaren Energien verteilen liess.

 SVP-Redner Ueli Jost (Thun) kritisierte die Zwischenlager-Debatte als "müssig", nachdem das Thema gegnerischerseits in der vorberatenden Kommission und der Grossratsdebatte letzten November "verschlafen" wurde. Dazu missachte Barbara Egger den Auftrag des Parlaments und nutze jede Gelegenheit, den Kanton Bern ins "Strom-Abseits zu manövrieren", ergänzte Ueli Jost.

 EDU-Sprecher Erwin Burn (Adelboden) hielt zwar fest: "Auch wir haben mehr Fragen als Antworten." Doch sehe er "bis jetzt leider noch keine Alternativen, die wirklich ein neues Kernkraftwerk ersetzen könnten."

 Dem allem hielt die bernische Energiedirektorin Barbara Egger (SP) entgegen: "Es ist eigentlich alles gesagt." Sie verzichte auf weitere Ausführungen. Da sich die AKW-Debatte jedoch an fünf Interpellationen entzündete, gab es auch keine Abstimmungen.

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 FDP: "Einladung zum runden Tisch"

 Die einzige wirkliche Neuigkeit in der AKW-Debatte gestern im Grossen Rat war die Einladung von FDP-Präsident Peter Flück an alle Fraktionen, sich am 1. Februar zu einem runden Tisch zur Energiepolitik zu treffen. "Egal, wie die Abstimmung vom 13. Februar ausfällt, müssen wir uns für die Zukunft rüsten." Der Brienzer hat bereits ein Mandat der BKW, zusammen mit der Grünen-Fraktionspräsidentin Christine Häsler (Burglauenen) nach neuen Ansätzen zur besseren Akzeptanz von neuen erneuerbaren Energien im Oberland zu suchen (wir berichteten). Der Vorschlag am Schluss der hart umkämpften Debatte wurde positiv aufgenommen. Regierungsrätin Barbara Egger musste wegen einer Terminkollision jedoch bereits absagen. (sat)

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BZ 27.1.11

Wachsender Stromkonsum lässt sich mit erneuerbaren Energien nicht kompensieren

AKW-DebatteAtomkraftwerke oder erneuerbare Energie? Diese Produktionsfrage dominiert die aktuelle Stromdebatte. Doch entscheidender für die Schweizer Stromversorgung sind der wachsende Konsum sowie der Aussenhandel.

 Der Stromkonzern BKW korrigierte letzte Woche sein Ziel zum Ausbau der Stromerzeugung aus erneuerbarer Energie nach unten: Bis im Jahr 2030 werde die BKW 40 Prozent weniger Strom als geplant aus den sogenannt neuen erneuerbaren Energien (aus Solar-, Wind-, Biomasse- und kleinen Wasserkraftwerken) produzieren (wir berichteten).

 Diese Minderproduktion von 0,4 Milliarden Kilowattstunden (kWh) für 2030 entspricht einem Anteil von 0,6 Prozent am heutigen Schweizer Stromverbrauch. Zum Vergleich: Der Stromkonsum in der Schweiz stieg allein in den ersten neun Monaten des Jahres 2010 um 1,6 Milliarden kWh. Das zeigen die neusten Daten des Bundesamtes für Energie. Im ganzen Kalenderjahr 2010 dürfte die Schweiz schätzungsweise 64 Milliarden kWh Strom verbraucht haben; das sind rund 3 Prozent mehr als im Vorjahr und sogar 14 Prozent mehr als vor zehn Jahren. Die genauen Zahlen werden im April veröffentlicht.

 Wichtiger Aussenhandel

 Noch stärker als der Konsum wuchs der Aussenhandel mit Strom. So hat die Schweiz 2010 rund 60 Milliarden kWh Strom importiert und exportiert (bei einem kleinen Importüberschuss). Das ist ein Drittel mehr als vor zehn Jahren. Damit sind Import und Export heute nahezu gleich gross wie der Stromverbrauch im Inland.

 Die Vergleiche zeigen: Das Wachstum von Konsum und Aussenhandel ist für die Schweizer Stromversorgung viel bedeutender als die Produktion von Strom aus neuen erneuerbaren Energien. Das gilt auch dann, wenn man den Blick über die Berner BKW hinaus auf die nationale Ebene erweitert: Die Schweiz setzt sich im Energiegesetz das Ziel, die Produktion von Strom aus Wasser-, Wind- und Solarkraft sowie Biomasse bis zum Jahr 2030 um 5,4 Milliarden kWh oder um rund 8 Prozent des heutigen Verbrauchs zu erhöhen. 2009 lag der Anteil der neuen erneuerbaren Energien an der Schweizer Stromproduktion bei 2 Prozent (siehe Grafik).

 Die Grenzen der Erneuerbaren

 Falls der Stromkonsum bis 2030 weiter zunimmt wie in den letzten zehn Jahren, bleibt der zusätzliche Beitrag der erneuerbaren Energie ein Klacks. Zudem ist ungewiss, ob das "ambitiöse Ziel" (BKW-Chef Kurt Rohrbach), zusätzlich 5,4 Milliarden kWh Strom im Inland erneuerbar zu produzieren, sich überhaupt erreichen lässt.

 Denn nicht nur die BKW krebst zurück. Die Verstromung von erneuerbaren Energieträgern stösst auch an ökologische Grenzen. Selbst bei Umweltorganisationen, die sich im Allgemeinen für die Förderung von erneuerbarer Energie einsetzen, regt sich in konkreten Fällen Widerstand. Beispiele:

 Die Stiftung für Landschaftsschutz stellt Anforderungen an den Bau von Windkraftwerken, die viele der projektierten Anlagen im Jura und in den Alpen verunmöglichen.

 Pro Natura und WWF bekämpfen Kleinwasserkraftwerke, die Bächen und kleinen Flüssen zu viel Wasser abgraben oder Schutzgebiete beeinträchtigen. Damit wird auch hier ein Teil der Projekte infrage gestellt.

 Biogas- und Biomassekraftwerke stossen bei Anwohnern auf Widerstand, wenn sie Gestank erzeugen.

 Weitgehend unbestritten ist einzig die Förderung von Solarkraft auf Hausdächern. Doch Strom aus Fotovoltaik ist teuer, und die Einspeisevergütung für Solarstrom ist begrenzt. Darum beträgt der Anteil von Solarstrom heute erst 0,1 Prozent an der Schweizer Stromproduktion.

 Drohende Abhängigkeit

 Die Widerstände gegen Naturstrom könnten den Druck zum Bau von neuen Atomkraftwerken erhöhen. Doch selbst wenn das Volk den aktuellen Plänen zustimmen sollte, liesse sich in der Schweiz bis 2030 maximal ein neues grosses AKW realisieren. Denn selbst der Chef des Stromkonzerns Alpiq, Giovanni Leonardi, glaubt nicht,dass sich zwei neue Atomkraftwerke mit Kosten von je 7 bis 10 Milliarden Franken in der Schweiz parallel finanzieren lassen. Zieht man die Produktion in den kleineren Altreaktoren in Mühleberg und Beznau ab, die ums Jahr 2020 stillgelegt werden, bliebe eine zusätzliche Produktion von 4,5 Milliarden kWh Atomstrom. Wächst der Stromkonsum weiter wie bisher - etwa durch die Förderung von Wärmepumpen, Elektromobilen und andern Geräten -, reicht auch die zusätzliche Atomenergie nicht aus, um den Schweizer Strombedarf im Inland zu decken.

 Damit bleiben zwei Möglichkeiten: Entweder begrenzt die Schweiz das Wachstum ihres Stromverbrauchs. Oder sie wird - wie schon bei der Versorgung von Nahrung, Erdöl und Erdgas - zunehmend von Importen abhängig.

 Hanspeter Guggenbühl

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Handelszeitung 27.1.11

Meinung

 Erneuerbare Energien

 Atomkraft ist zweifache Katastrophe

 Über 60 Prozent der neuinstallierten Kraftwerksleistung Europas stammten 2009 aus erneuerbaren Energien. Wind- und Solarenergie lieferten den grössten Anteil. Anders die Atomenergie: Sie liegt weit abgeschlagen auf dem zweitletzten Platz. Von einer Renaissance der Atomenergie kann keine Rede sein.

 2010 wurden weltweit 17,5 Gigawatt Leistung Solarstrom installiert. 2010 hat die Windenergie weltweit zehnmal die Leistung des AKW Gösgen ans Netz gebracht. Gleichzeitig zeigt die Preisentwicklung bei den erneuerbaren Energien nur in eine Richtung: Steil nach unten. Die Vergütungsansätze für Solarstrom konnten in der Schweiz innert eines Jahres um 36 Prozent gesenkt werden. Und die grossen Investoren zögern, Milliarden in eine veraltete Atom-Technologie zu investieren, die, wie Alpiq-Chef Giovanni Leonardi selber zugibt, erst nach 40 Jahren eine Rendite abwerfen wird. Wenn überhaupt.

 Ein Blick in die Statistik zeigt nämlich, dass weltweit neu 162 Milliarden Dollar in nachhaltige Energie investiert wurden. Dazu gehört die Atomenergie nicht. Investoren und Experten sehen die Atomenergie zunehmend als finanzielles Risiko. So hat der Staat Ontario in Kanada vor einem Jahr das Projekt für zwei neue Reaktoren sistiert, weil die Kosten mit 26 Milliarden Dollar nicht mehr tragbar waren. Die Notbremse hat Ende letzten Jahres auch der US-Konzern Constellation Energy gezogen. Der Konzern entschied, dass die drei geplanten Reaktoren in Maryland zu teuer sind und nicht finanzierbar wären. Und dies obwohl Washington für das Projekt 7,5 Milliarden Dollar Kreditgarantien gesprochen hatte. Dem nicht genug: Die Ratingagentur Moody's erwägt jene Konzerne, die neue AKW planen, negativ zu bewerten. Und die Analysten der Grossbank Citigroup empfehlen Investitionen in neue AKW nur, wenn der Staat weitreichende Kreditgarantien übernimmt. Die finanziellen Risiken seien sonst zu gross.

 Die Schweiz soll in den Markt für erneuerbare Energien investieren

 Das ist die energiepolitische Realität. Denn Uran ist ebenso endlich wie Erdöl. Von einer Renaissance der Atomenergie ist nichts zu sehen. Im Gegenteil: Das Wachstum gehört den Erneuerbaren. Und die Aussichten sind gut. Die Vorteile der Erneuerbaren werden immer augenfälliger: Sinkende Preise, hohe Beschäftigung, boomende Märkte, politische Unabhängigkeit und schier unendlich verfügbare Ressourcen. Wer an dieser Entwicklung teilhaben will, muss jetzt die Weichen stellen.

 In der Schweiz gibt es gemäss einer Untersuchung von Ernst Basler & Partner rund 160 000 "grüne" Arbeitsplätze. Erneuerbare Energien und Energieeffizienz stellen dabei den grössten Anteil. Tendenz steigend. McKinsey hat in einer Studie von 2010 vorgerechnet, dass der "Subventionsfranken", den die Schweiz zur Förderung von erneuerbaren Energien und Energieeffizienz einsetzt, das Fünf- bis Zehnfache an privaten Energieinvestitionen auslöst. Notabene Investitionsgelder, die zu einem grossen Teil hier bleiben, Arbeitsplätze schaffen, Steuereinnahmen generieren und die Volkswirtschaft stärken. Generell gilt, dass Volkswirtschaften, die in Zukunft vorne mit dabei sein wollen, heute in erneuerbare Energien und Energieeffizienz investieren.

 Die Schweiz tut deshalb gut daran, den Markt für erneuerbare Energien und Energieeffizienz mit förderlichen Rahmenbedingungen auszustatten. Ein starker Heimmarkt ist eine der zentralen Herausforderungen, um im Wettbewerb um die weltweit lockenden Potenziale erfolgreich bestehen zu können. Die Politik ist gefordert, sich für bestmögliche Spielregeln einzusetzen. Mit dem Masterplan Cleantech hat der Bundesrat seinen Kurs festgelegt. Nun gilt es dafür zu sorgen, dass dieser auch eine adäquate Umsetzung erfährt. Nicht adäquat wäre es, noch einmal 80 Jahre auf eine veraltete und gefährliche Technologie zu setzen. Der Bau von zwei neuen AKW würde die Schweiz im Rennen um Anteile am boomenden Markt der erneuerbaren Energien um Jahrzehnte zurückwerfen. Mit dem Resultat, dass wir auf Zehntausende von neuen Arbeitsplätzen verzichten müssten. Atomkraft ist eben nicht nur ökologisch ein Desaster, sondern auch wirtschaftlich eine Katastrophe.

 Jürg Buri, Geschäftsleiter Schweizerische Energie-Stiftung SES, Zürich

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Bund 27.1.11

Der Stromkonzern Axpo hat die Kosten nicht im Griff

 Der Gewinn brach das dritte Jahr in Folge ein. Auch 2011 wird nicht besser. Nun muss Axpo die Kosten senken und Investitionen kürzen.

 Andreas Flütsch

 Der Energiekonzern Axpo hat im vergangenen Jahr 20,85 Milliarden Kilowattstunden Strom verkauft, 4,3 Prozent mehr als im Vorjahr. Dennoch schrumpften Umsatz, Betriebsergebnis und Reingewinn erneut. 2008 war das Betriebsergebnis noch mehr als doppelt so hoch wie letztes Jahr gewesen. Der Reingewinn sackte seither von 1 Milliarde Franken auf 409 Millionen ab. Der frei verfügbare, erarbeitete Cash ging in dieser Zeit von 450 auf 65 Millionen Franken zurück. Der Anteil des Umsatzes, der als Betriebsgewinn hängen bleibt, die Ebit-Marge, fiel seit 2008 von 15,5 Prozent auf 8,6 Prozent - ein Alarmzeichen punkto Ertragskraft.

 Das Ergebnis sei "ungenügend", sagte Axpo-Präsident Robert Lombardini. Die Axpo müsse ihre "Investitionen sorgfältiger prüfen als in der Vergangenheit", forderte er. "Auch Massnahmen zur Kostensenkung sind unerlässlich geworden". Die Axpo-Aktionäre - es sind mehrheitlich die Kantone Zürich, Aargau, St. Gallen, Schaffhausen und Thurgau sowie ihre Elektrizitätswerke - erhalten nur 81 Millionen Franken Dividende, im Vorjahr waren es noch 139 Millionen.

 Eurokurs und Abschreiber

 Auch 2011 werde "sehr anspruchsvoll", sagte Axpo-Chef Heinz Karrer. Er erwartet erneut ein "rückläufiges Ergebnis", trotz Strompreiserhöhung von 1,2 Rappen pro Kilowattstunde. Der schwache Euro hat die Gewinne laut Karrer am stärksten geschmälert. Der Konkurs der Bündner Grosssägerei führte zu einem Abschreiber von 112 Millionen Franken. Der internationale Stromhandel, lange Zeit ein grosser Gewinnbringer, leidet laut Karrer an "Margenrückgang". Der Ausstieg aus einem Gaskraftwerkprojekt bei Neapel und Pannen im französischen AKW Bugey belasten die Rechnung mit 90 Millionen.

 Axpo muss sparen. Die Erneuerung der Kraftwerke gehe weiter, sagte Karrer. In den Ausbau erneuerbarer Energien werden bis 2030 3 Milliarden Franken investiert. Die übrigen Investitionen werden jedoch überprüft. Einzelne Projekte werden verzögert, gestrichen oder verkauft. Welche, sagte Karrer nicht. Auch ein Stellenabbau wird geprüft.

 Projektkosten nicht im Griff

 Um ihre Kraftwerke zu erneuern und auszubauen, hat Axpo 2010 Anleihen für 2 Milliarden Franken aufgenommen. Axpo hat die Kosten von Grossprojekten nicht im Griff. Ein Beispiel: Das neue Glarner Pumpspeicherkraftwerk "Linthal 2015" koste 1,4 Milliarden Franken, hiess es 2008, jetzt ist von 2,1 Milliarden die Rede - also die Hälfte mehr. Ein solcher Kostenschub innert zwei Jahren ist kaum nachvollziehbar.

 Die fetten Jahre sind vorbei, seit die EU ihren Strommarkt öffnet. In der Schweiz sorgt ein neues Strommarktgesetz 2015 für eine weitere Liberalisierung. Das Umfeld ist "unberechenbar" geworden, so Lombardini. Im Stromhandel sind nicht nur Gewinne, sondern auch grosse Verluste möglich, wie die letzten Jahre gezeigt haben.

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St. Galler Tagblatt 27.1.11

Magere Jahre für Axpo

 Die Strompreise in der Nordostschweiz steigen. Die Dividenden sinken. Denn die Axpo macht weniger Gewinn und braucht mehr Geld für Investitionen.

 Hanspeter Guggenbühl

 Zürich. Die Axpo gehört den Nordostschweizer Kantonen. Ihnen bescherte der Staatskonzern jahrelang hohe Dividenden und tiefe Stromtarife. Denn die Axpo produziert mit ihren in- und ausländischen Kraftwerkbeteiligungen weit mehr Strom, als sie fürs Versorgungsmonopol braucht.

 Und sie produziert billig, weil viele ihrer alten Kraftwerke amortisiert sind. Diesen billigen Überschuss konnte der Stromproduzent bis 2008 mit wachsendem Profit auf dem europäischen Markt verkaufen, weil die Marktpreise stetig stiegen. Damit häufte die Axpo in sieben fetten Jahren Gewinne von total 5 Mrd. Fr. an und konnte obendrein die Tarife im Versorgungsmonopol quersubventionieren.

 Goldene Zeiten sind vorbei

 Doch diese goldenen Zeiten sind vorbei: Im Geschäftsjahr 2009/10 (per Ende September) schrumpfte der Konzerngewinn auf 409 Mio. Fr.; dies bei einem Umsatz von 6,3 Milliarden. Gegenüber dem Vorjahr sank der Gewinn um 28%, gegenüber dem Jahr 2007/08 sogar um 60%. "Wir sind nicht zufrieden", sagte Axpo-Präsident Robert Lombardini gestern an der Bilanzmedienkonferenz. Der Gewinnrückgang ist primär auf tiefere Erträge im Stromhandel zurückzuführen. So brachen die europäischen Marktpreise im Krisenjahr 2009 ein und blieben 2010 tief. Der Zerfall des Euro drückte die Handelsmarge aller Schweizer Stromexporteure 2010 zusätzlich.

 Neben diesem Trend schmälerten 2010 Sondereffekte den Gewinn der Axpo. Dazu gehören happige Abschreibungen, erstens auf dem in den Sand gesetzten EGL-Gaskraftwerk-Projekt "Energy Plus" in Italien, zweitens auf dem Axpo-Holzkraftwerk im bündnerischen Domat/Ems, das mit der konkursiten Grosssägerei Mayr-Melnhof seinen wichtigsten Wärmeabnehmer verliert. Zudem hat sich die Axpo-Tochter EGL im Handelsgeschäft verspekuliert.

 Auf der andern Seite stiegen und steigen die Kosten, insbesondere für Investitionen: Dazu gehört die Sanierung von alten Wasserkraftwerken sowie der Neubau von Wind-, Biomasse- und kleinen Wasserkraftwerken. Am meisten Geld - total 2,1 Mrd. Fr. - investiert die Axpo zurzeit in ihr Pumpspeicherkraftwerk Linthal 2015. Dieses dient dazu, Bandstrom mit energetischem Verlust zu teurem Spitzenstrom zu veredeln. Die grösste, aber erst mittelfristig geplante Investition im zweistelligen Milliardenbereich stellen die zwei neuen Atomkraftwerke (AKW) dar, welche die Axpo zusammen mit den Firmen Alpiq und BKW plant. Damit sollen die alten AKW in Beznau ersetzt und die Stromproduktion erhöht werden. Falls das Volk zustimmt, sollen die beiden neuen AKW gestaffelt gebaut werden, das erste im Zeitraum bis 2025, das zweite fünf bis zehn Jahre später.

 Höhere Tarife

 Steigende Investitionen und sinkende Markterlöse lassen auch im laufenden Jahr ein "rückläufiges Ergebnis" erwarten, sagt Axpo-Chef Heinz Karrer. Damit ist Sparen angesagt. Das spüren zuerst die Eigentümer-Kantone, allen voran Zürich: Ab 2011 erhöhte die Axpo die Tarife im Versorgungsmonopol um 1,2 Rp. pro Kilowattstunde; damit verteuert sich der Stromkonsum in der Nordostschweiz um 7% oder jährlich 200 Mio. Franken. Zudem beantragt der Verwaltungsrat, die Dividende an die Kantone auf 80 (i. V. 140) Mio. Fr. zu kürzen.

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NZZ 27.1.11

Axpo immer noch dem Uran auf der Spur

 Erkenntnisse zu Umweltproblemen bis Ende Jahr - Lieferungen neu auch im Visier des Bundes

 dsc. · Die AKW-Betreiber sind in den letzten Monaten wegen der Herkunft ihres Urans in die Kritik geraten. Im Zentrum steht die Stromfirma Axpo (AKW Beznau), aber auch die Betreiberfirmen der Werke Gösgen und Leibstadt. Wie am Mittwoch an der Bilanzmedienkonferenz der Axpo in Zürich erklärt wurde, sind die Nachforschungen von Axpo rund um die kerntechnische Anlage Majak in Russland weiterhin im Gang. In den vergangenen Tagen reiste eine Delegation der Axpo nach Russland, um sich mit Fachleuten der Nuklearfirma Rosatom und Behördenvertretern der Gegend um Majak zu treffen. Aus dortigen Anlagen stammt Uran-235, das dann in einem anderen russischen Betrieb bei der Brennstabherstellung für die Schweizer Kernkraftwerke genutzt wird. Man "werte gerade die Ergebnisse dieser Gespräche aus", so die Formulierung der Axpo. Genaue Ergebnisse sollen bis Ende Jahr vorliegen. Die Frage ist, ob die starke radioaktive Verseuchung rund um Majak aus jetzigen Wiederaufbereitungs-Prozessen resultiert, die auch für die Axpo genutzt werden, oder aus früheren Zwischenfällen stammt.

 Die Herkunft aus Majak wurde von Greenpeace aufgedeckt. In mehreren Ostschweizer Kantonen sind in der Zwischenzeit parlamentarische Vorstösse zur Klärung der Sachlage eingereicht worden (die Axpo ist in Kantonsbesitz). Nachdem der Bund in der Vergangenheit jeweils darauf hingewiesen hatte, dass nur Material im Besitz der Schweizer AKW-Betreiber von den hiesigen Behörden registriert werde und die Überwachung ohnehin rechtlich auf das Inland konzentriert sei, haben Vorstösse im Nationalrat jetzt auch ein Handeln des Bundesamts für Energie (BfE) ausgelöst. Man habe bei den AKW-Betreibern Anfragen zur Herkunft des Urans deponiert und werde die Antworten dann prüfen, heisst es beim BfE. Erst aufgrund dieser Analyse könne über zukünftige Massnahmen bezüglich der Brennstoffherkunft entschieden werden, erklärt Matthieu Buchs vom BfE.

 Weiterer Bericht Seite 29

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L'Hebdo 27.1.11

LES CLEANTECHS DÉFIENT MÜHLEBERG

 MICHEL GUILLAUME

 NUCLÉAIRE.

 Avant la votation du 13 février, quelque 50 patrons de l'économie verte estiment qu'il est possible de se passer de la centrale bernoise d'ici à 2020.

 La votation du 13 février prochain sur l'avenir de la centrale nucléaire de Mühleberg donne lieu à un détonant duel: celui des patrons de l'économie verte face à ceux d'une économie plus traditionnelle. Impossible d'en prédire l'issue à deux semaines du scrutin cantonal bernois.

 Ces détracteurs du nucléaire ne sont plus de doux rêveurs prêchant la décroissance. Ce sont des entrepreneurs qui ont tous créé des emplois, les uns une poignée, d'autres plusieurs centaines: 1500 au total. Ils dirigent pour la plupart des sociétés en plein essor dans le secteur des énergies renouvelables. A l'enseigne d'"Energie nouvelle Berne", ils sont partis à l'assaut de la centrale nucléaire de Mühleberg, dont ils pensent qu'il est inutile de vouloir la remplacer. A la place, ils ont présenté un projet alternatif, combinant le solaire, l'éolien et les économies d'énergie.

 Le plus connu d'entre eux est certainement Christoph von Bergen, le CEO de Sputnik Engineering à Bienne. Agé aujourd'hui de 47 ans, ce pionnier du solaire a fondé son entreprise en 1991. Celle-ci a véritablement décollé lorsque le Gouvernement allemand a fait de la rétribution à prix coûtant (RPC) un instrument clé de sa politique énergétique.

 Il fabrique des onduleurs solaires de haute technologie qu'il écoule dans toute l'Europe et prévoit d'occuper plus de 400 personnes à fin 2011.

 Christoph von Bergen s'irrite des "nombreux préjugés" qui collent toujours, depuis vingt ans dorénavant, aux énergies renouvelables. "En Suisse, beaucoup de décideurs n'ont pas encore compris ce qui s'est passé dans ce secteur hors de nos frontières", regrette-t-il. Avec ses onduleurs en 2010 uniquement, Sputnik a équipé des installations équivalentes à deux fois la puissance de Mühleberg.

 Volonté politique.

 Le solaire n'est donc plus une utopie, mais bien une réalité… surtout ailleurs en Europe. "Mais il faut une volonté politique et des conditions économiques cadres incitant à investir dans les énergies renouvelables", admet-il. D'autant que le prix de ces énergies est en train de chuter - 40% en deux ans dans le photovoltaïque - une tendance qui se poursuivra à l'avenir.

 Face à la fronde des cleantechs, qui devraient offrir de 15 000 à 20 000 emplois dans le canton de Berne d'ici dix ans, l'économie plus traditionnelle n'a pas la partie facile. Vendredi 21 janvier à Berne, une demi-douzaine d'entrepreneurs est elle aussi montée au filet pour défendre l'énergie nucléaire.

 Très vite pourtant, il est apparu que l'opposition entre les patrons des cleantechs et ceux d'entreprises bien établies tournerait au dialogue de sourds. Jamais les seconds n'ont répondu sur le fond aux objections des premiers. Ils préfèrent baser leur argumentaire sur la sécurité. Parier sur Mühleberg, c'est assurer l'approvisionnement énergétique, maintenir quelque 1300 postes de travail à la centrale et bénéficier de 70 millions de recettes fiscales bienvenues au budget cantonal.

 Quatre fois le lac de Thoune.

 C'est un fait que les partisans du nucléaire s'emploient à rappeler sans cesse. En Suisse, l'éolien et le solaire ne participent qu'à raison de 0, 1% de la production électrique aujourd'hui. Difficile d'imagi ner dès lors que les énergies renouvelables puissent prendre le relais de l'atome d'ici à 2020, comme le prétendent les cleantechs. "Si l'on voulait remplacer Mühleberg par l'énergie éolienne, il faudrait ériger 740 turbines sur une surface représentant quatre fois celle du lac de Thoune. Ce n'est pas sérieux", s'est exclamé Hansruedi Wandfluh, président de l'UDC bernoise et patron d'une PME à Frutigen. "C'est un non-sens total, renchérit Willy Michel, président du conseil d'administration d'Ypsomed à Berthoud, une biotech spécialisée dans le traitement du diabète. "Si le canton de Berne renonçait à sa propre centrale, celle-ci serait de toute façon construite ailleurs." Ou alors les prix de l'énergie s'envoleraient, "passant du simple au double".

 En économie comme en politique, partisans et adversaires du nucléaire semblent décidément irréconciliables. A l'approche du 13 février, le climat de la campagne s'est singulièrement tendu, chaque camp martelant ses arguments coups de poing.

 En distribuant un journal tous ménages, puis en annonçant qu'elles réduisaient leurs ambitions en matière de production de courant vert, les Forces motrices bernoises (FMB) se sont immédiatement fait accuser d'influer sur le scrutin, alors qu'elles avaient promis de se montrer discrètes. Le gouvernement à majorité rose-verte a vivement réagi, d'abord par son président Philippe Perrenoud, puis par sa ministre de l'Energie Barbara Egger-Jenzer, qui n'a pas mâché ses mots: "Le nucléaire est une technologie dépassée", a-t-elle affirmé.

 Agressivité contre-productive. Chez les partisans du "oui" au nucléaire, le conseiller national Jean-Pierre Graber (UDC/BE) ne cache pas que le combat est rude, mais il croit en la victoire. "C'est impossible de remplacer 40% de notre électricité nucléaire en 15 ans. Les Bernois sont des gens raisonnables et ils sont très attachés à leurs entreprises paraétatiques comme les FMB, qui ont une bonne image", estime-t-il. Un avis qu'est loin de partager Patrick Gsteiger, député au Grand Conseil de Reconvilier, par ailleurs membre du groupe "Energie nouvelle Berne". Il a distribué de nombreux flyers dans la rue ces derniers weekends. "Le campagne agressive des FMB est contre-productive. Les gens sentent qu'il est temps d'adresser un signal en faveur des énergies renouvelables".

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Rundschau 26.1.11

Kampf um Atomkraft

Nach einem langen Moratorium steht die Schweiz vor einer neuen Runde im Atomstreit: Zwei neue AKW wollen die Energiekonzerne bauen. Eine Konsultativ-Abstimmung im Kanton Bern im Februar gilt als wichtiges Testfeld für die nationale AKW-Schlacht. Brisant: Die rotgrüne Regierung lehnt einen Mühleberg-Neubau ab, das bürgerliche Parlament steht hinter der Vorlage. Für hitzige Debatten und rote Köpfe ist gesorgt.
http://videoportal.sf.tv/video?id=10d114da-9e41-4dd8-80e0-b1da2315981b

* Dossier Atomenergie-Debatte
http://www.wissen.sf.tv/Dossiers/Umwelt/Atomenergie-Debatte#!videos

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Streitgespräch: Jürg Buri und Christian Wasserfallen

Geschäftsleiter der Schweizerischen Energiestiftung und der Berner FDP-Nationalrat .
http://videoportal.sf.tv/video?id=2c36931e-695b-4c6d-85ee-a1145ab89ec9

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telem1.ch 26.1.11

Umstrittenes AKW Niederamt
http://telem1.ch/de/overlayplayer---0--0--0--T000316267.html

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Blick am Abend 26.1.11

AKW-Abstimmung: Die Wogen gehen hoch

 DEBATTE

 Pro oder contra Mühleberg: Im Grossen Rat gab es heute viele Emotionen.

 Gegner und Befürworter eines neuen AKWs lieferten sich heute, 18 Tage vor der Mühleberg-Abstimmung, im Rathaus nochmals einen verbalen Schlagabtausch. Die bürgerliche Ratsmehrheit attackierte die rotgrüne Regierung: Ihr offensiver Einsatz für ein Nein am 13. Februar sei unstatthaft, nachdem sich der Gros se Rat klar für ein neues AKW Mühleberg ausgesprochen habe. "Die Regierung hat ihre Kompetenzen überschritten", sagte Erwin Burn (EDU). Und Ueli Jost (SVP) meinte: "Energiedirektorin Barbara Egger missachtet den Auftrag des Parlaments und nutzt jede Gelegenheit, den Kanton Bern ins Strom-Abseits zu manövrieren.

 SP-Präsident Roland Näf wies die Kritik zurück. Schliesslich herrsche Gewaltenteilung, und die Regierung sei gegenüber dem Volk verpflichtet, zu ihrer Meinung zu stehen. SDA/ehi