MEDIENSPIEGEL 14.2.11
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)

Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Kulturtipps (Rössli, Infoladen, Kino, Tojo, DS, GH)
- (St)Reitschule: Leistungsvertrag unterschrieben
- Club-Leben: Aarbergergasse-Knatsch; Security-Knatsch
- Bahnhof-Zukunft: Mitwirkungsbericht
- Big Brother Sport: Raubtierkäfig-Affäre; SBB-Extrazüge; Supporter Xamax
- Stadtrats-Sitzung 17.2.11: Linksterror in Bern
- RaBe-Info 9-14.11
- Anwalt der 1. Stunde: Polizei stöhnt
- Vermummung: Verbot schlecht durchsetzbar
- Big Brother: BE will präventive verdeckte Ermittlung
- Big Brother Video: Videoüberwachung in der Praxis
- Zwischengeschlecht: Operationen SG
- Sexwork: Strichdebatte LU + ZH
- Randstand Zug:  FdP-Familien statt Randständige
- Drogen: Dealszene Chur; Kokser-Alltag;
- Nothlfe: 180 Gramm Hörnli in GR; Kempthal
- Ausschaffungen: Rückschaffungsabkommen mit Nigeria; Schnellverfahren AG; Theater; autonome Blasmusik
- Migration Control: Festung Europa + die Südgrenze; FdP-Migrationspolitik
- Gefangene: Brief Costa; Steven bleibt in UHaft ZH
- Anti-SVP: Verhaftung im Fehr-Fall; Ohrfeigen à la Hans Fehr
- Urnenklau: keine neuen Erkenntnisse in Allschwil
- KIFF Aarau: 20 Jahre gegen das Kleinbürgertum
- Antifa: Mit dem Bus von Konstanz nach Dresden
- Zum Tod von Peter Paul Zahl
- Weltsozialforum: Dakar für Weltgerechtigkeit
- Anti-Atom: AKW-JA gegen Stadt + Agglo; Wellenberg-Nein; Felslabor; Immobilien-Preise

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REITSCHULE
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Mi 16.02.11
19.00 Uhr - Grosse Halle  - Blinde Insel - Gastküche: eventmakers (Essen pünktlich 19.30 Uhr)
19.00 Uhr - SousLePont - Baskische-Spezialitäten

Do 17.02.11
19.00 Uhr - Grosse Halle - Blinde Insel - Gastküche: eventmakers (Essen pünktlich 19.30 Uhr)
20.00 Uhr - Frauenraum - Buchpräsentation Natasha Walter "Living Dolls" - Warum Frauen heute lieber schön als schlau sein wollen"
20.30 Uhr - Tojotheater - Charged. Von Cynthia Gonzalez Dance Theater. HEIMSPIEL extern
22.00 Uhr - Rössli - Midilux & Rössli present: Heu, Stroh und Hafer. - minimal techno

Fr 18.02.11
19.00 Uhr - Grosse Halle - Blinde Insel - Gastküche: eventmakers (Essen pünktlich 19.30 Uhr)
20.30 Uhr - Kino - Baskenland Soliwoche: Lucio Urtubia: Baustelle Revolution - Erinnerungen eines Anarchisten; Aitor Arregi/José Maria Goenaga, Spanien 2007
20.30 Uhr - Tojotheater - Charged. Von Cynthia Gonzalez Dance Theater. HEIMSPIEL extern
20.00 Uhr - Dachstock - Jubilee: ZWEI JAHRE Wild Wild East! THE GYPSY QUEENS & KINGS mit ESMA REDZEPOVA, JONY ILIEV, MAHALA RAI BANDA, KALOOME, FLORENTINA SANDU, AURELIA & TANTZICA. Support: DJ's Bobby Baguette & Toni Peperoni- Gypsy-Madness! Balkan

Sa 19.02.11
19.00 Uhr - Grosse Halle - Blinde Insel - Gastküche: eventmakers (Essen pünktlich 19.30 Uhr)
17.00 Uhr -   - Öffentliche Führung durch die Reitschule Treffpunkt grosses Tor
19.30 Uhr - Kino - Baskenland Soliwoche: Infoveranstaltung über die baskische Jugendbewegung
20.30 Uhr - Tojotheater - Charged. Von Cynthia Gonzalez Dance Theater. HEIMSPIEL extern
23.00 Uhr - Dachstock - Dachstock Darkside: KLUTE (Commercial Suicide Rec/UK), Deejamf (UTB/be), Silent Extent (Full Force/be), Ryck (Rabass) -- Drumnbass

So 20.02.11
20.30 Uhr - Tojotheater - Charged. Von Cynthia Gonzalez Dance Theater. HEIMSPIEL extern

Infos:
http://www.reitschule.ch

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kulturstattbern.derbund.ch 11.2.11

Pirol im Rössli

Von Gisela Feuz am Freitag, den 11. Februar 2011, um 13:08 Uhr

Subversiv Records Label-Papi Dani Fischer strahlte gestern übers ganze Gesicht und verkündetet mit stolzgeschwellter Brust: "So gut wie heute waren die noch nie." Mit "die" meinte er seine Schützlinge Pirol, ein Trio aus dem schönen Berner Oberland, welches gestern sein neues Album "Rompelbock" im Rössli taufte.

Die drei Mannen fabrizieren gewaltigen Postrock. Also eigentlich spielen sie ja einen Song lang jeweils die gleiche Melodie, jagen diese aber durch sämtliche mögliche und unmögliche Tempi und Täkte. Oder wie DJ Sir Hamesly es formulierte: "Versuch mal irgendwo auf vier mitzuzählen. Geht nicht." Egal ob man mitzählen konnte oder nicht, Pirol gefielen gestern mit ihrer unaufgeregten Art, ihrer Gewaltigkeit und Genauigkeit.

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WoZ 10.2.11

Rechte in Social Networks

 Michael Weiss vom Antifaschistischen Presse archiv und Bildungszentrum Apabiz Berlin spricht über die Aktivitäten der extremen Rechten in Social Networks wie Face book und MySpace.

 Bern Infoladen der Reitschule, Neubrückstrasse 8, Fr, 11. Februar, 20 Uhr.

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Woz 10.2.11

Baskenland

 Zum zweiten Mal finden im Kino in der Berner Reitschule Solidaritätsveranstaltungen zum Baskenland statt. Neben dem Film "Ander" von Roberto Castón wird "Lucio Urtubia: Baustelle Revolution - Erinnerungen eines Anarchisten" von Aitor Arregi und José Maria Goenaga gezeigt. Urtubia war Sozialrebell, Geldfälscher, Bandit, ein moderner Robin Hood. Sein Leben ist wie ein Spiegel der revolutionären Bewegungen Europas in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. In "Ander" zeichnet Regisseur Castón das Bild einer Bergbauernfamilie um die Hauptfigur Ander, die autoritäre Mutter, die alles Fremde ablehnt, kaum Spanisch spricht und starr an den Traditionen festhält. - Ausserdem gibt es ein Gespräch mit Vertreter Innen der baskischen Jugendbewegung und baskische Spezialitäten.

 Bern Kino in der Reitschule, Neubrückstrasse 8, "Ander": Fr, 11. Februar, 20.30 Uhr, Sa, 12. Februar, 21 Uhr. "Urtubia": Fr, 18. Februar, 20.30 Uhr. Gespräch: Sa, 19. Februar, 19.30 Uhr. Baskisches Essen im "SousLePont": Mi, 16. Februar, ab 19 Uhr.

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BZ 10.2.11

 Theater

 Bühnenreifes Helfen

 Das Thema Helfen ist ein Dauerbrenner - nicht nur in den Medien. Die Hilfsindustrie holt uns mit Plakaten auf der Strasse ab und begleitet uns beim Shopping. Im Stück "Let's Pretend to Be Human" nehmen drei Darsteller die Benfizmaschinerie unter die Lupe. "Wie sieht Helfen konkret aus?", fragen sie und stürzen sich Hals über Kopf in ein Training für den Ernstfall.pd

 Vorstellungen: heute und morgen, 20.30 Uhr, Tojo-Theater, Bern.

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BZ 10.2.11

 Party I

 Maskierter Mann

 Der Mann mit der metallenen Maske kommt für ein DJ-Set in den Dachstock der Reitschule: Im Rahmen der Partyserie "Patchwork" tritt morgen Daniel Dumile alias Underground-Rapper DJ Doom auf, der sich einst als Rapper MF Doom einen Namen gemacht hat. "MF" steht dabei für "Metal Face", da der englische DJ, Rapper und Produzent bei seinen Auftritten stets eine Maske trägt.pd

 DJ-Set: Freitag, 11. Februar, ab 22 Uhr, Dachstock der Reitschule, Bern. Tickets: www.petzitickets.ch

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BZ 10.2.11

 Hip-Hop

 Erwachsener Rap

 Lyrisch wie musikalisch sei "Zum Glück in die Zukunft" das beste deutschsprachige Hip-Hop-Album der letzten zehn Jahre, ist der deutsche Rapper, Musiker und Produzent Jan Delay ("Beginner") überzeugt. Von wem spricht er? Vom Rostocker Rapper Marteria, der letztes Jahr mit seinem Debütalbum nicht nur in Deutschland Furore gemacht hat. Nun kommt Marteria, mit dessen Texten sich auch Erwachsene identifizieren können, zum ersten Mal nach Bern.pd

 Konzert: Samstag, 12. Februar, 22 Uhr, Dachstock der Reitschule, Bern. Informationen und Tickets: www.petzitickets.ch.

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kulturagenda.be 10.2.11

28 Jahre, dritte Karriere

Kicker, Model, Musiker: Rapper Marteria macht alles mit links. Im Dachstock spielt er die neuen Songs seines zweiten Albums, "Zum Glück in die Zukunft".

"Mein Name ist Marteria und du bist mein Uptown-Girl, du allein bringst mein Eisfach zum abtau'n, Girl": So beginnt der Song "Marteria Girl" des Rappers, dessen Name eigentlich Marten Laciny ist. Der 28-jährige Rostocker reiht nicht nur die Worte elegant aneinander, sondern auch seine Karrierestationen. Zunächst sah es nach einer Fussballerlaufbahn aus, Marteria schaffte es bis in die U17-Bundeself. Doch diese interessierte ihn nicht mehr, als er als New- York-Reisender von einem Modelscout entdeckt wurde. So erschien sein Gesicht auf Hugo-Boss- und Diesel-Kampagnen. Nach wenigen Jahren verleidete ihm das blosse Schönsein. Er besann sich auf die zweite Leidenschaft seiner Teenagerzeit, das Rappen. Und siehe da: Auch seine dritte Karriere läuft, als gäbe es nichts Einfacheres. Er ist bei der Plattenfirma der Fantastischen Vier untergekommen, "Four Music". Letzten Herbst hat er es mit seinem zweiten Album, "Zum Glück in die Zukunft", in die deutschen Top 10 geschafft. Wer vom Leben so mit Glück überschüttet wurde, kann getrost zuversichtlich in die Zukunft schauen.

Michael Feller

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Dachstock der Reitschule, Bern
Sa., 12.2., 22 Uhr. www.dachstock.ch

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kulturagenda.be 10.2.11

Eine Insel der Dunkelheit

Die Blinde Insel ist mehr als nur ein temporäres Restaurant in der Reitschule. Zum achten Mal schon lockt sie zum Diner in absoluter Dunkelheit. Dazu serviert wird eine ordentliche Portion Kultur.

Die besondere Atmosphäre in der Blinden Insel lockt Publikum an. Das Restaurant, in welchem Sehende bei völliger Dunkelheit von Nichtsehenden bedient werden, wurde schon 12 000 Mal besucht. Den Gästen werden Menüs in drei Gängen vorgesetzt, zubereitet von vier verschiedenen Kochteams. Die Speisenfolge sei simpel, aber stets schmackhaft. "Wir wollen die Gäste in der Dunkelheit nicht kulinarisch überfordern", sagt Giorgio Andreoli, Verantwortlicher der Blinden Insel. Damit aber nicht nur der Gaumen auf Hochtouren kommt, wird auch was fürs Ohr aufgetischt, allerdings aus der Konserve. Deutschschweizer Autorinnen und Autoren lesen ihre eigens für die Blinde Insel verfassten Texte, die ab Band eingespielt werden. Dieses Jahr hat die Blinde Insel jedoch kein Motto gewählt wie in den letzen beiden Jahren mit dem Thema Klimawandel. Lediglich der Kulturteil fällt unter den Leitspruch "Wahrnehmung", an welchen die Schreibenden ihre Texte knüpfen.
"Die Autoren arbeiten mit einer anschaulichen Sprache. Der Zuhörer soll die Bilder vor seinem inneren Auge sehen können", so Andreoli. Dieses Jahr verwenden die Künstler zum ersten Mal auch Geräusche und Musik, "allerdings nur dezent". Das Rezept geht auf. "Der erste Samstag war ausverkauft ", meint Andreoli zufrieden. So bietet die Blinde Insel mehr als nur Küche und Kultur, sondern eine Möglichkeit, über den Tellerrand des Alltags in eine andere Welt zu blicken.

Katharina Bornhauser

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Reitschule, Bern
Do., 10.2., bis Sa., 12.2., 19.30 Uhr
http://www.grossehalle.ch

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Programm
Die Blinde Insel ist jeweils Mittwoch bis Samstag geöffnet. Zum Essen sind folgende Texte zu hören:
• 9.02. - 12.2. Franz Hohler, "Fägswil"
• 16.02. - 5.3. Pedro Lenz, "Mir luege zunenang"
• 9.3. - 19.3. Mireille Gugolz & Clod, "Kostproben"
• 23.3. - 26.0. Franz Hohler, "Fägswil"

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kulturagenda.be 9.2.11

Abenteuer Menschlichkeit

Von Grazia Pergoletti am Mittwoch, den 9. Februar 2011, um 06:07 Uhr

"Ich will helfen, einfach nur helfen. Und wenn jetzt jemand sagt, ich hätte ein Helfersyndrom, dann hat er vielleicht Recht. Aber darf man denn nicht mehr helfen? Darf man nicht mehr mit Anderen teilen? Darf man nicht mehr geben? Darf man nicht mehr lieben?" Lotti Latrous

In "Let's Pretend To Be Human - Eine Exkursion ins Abenteuer Menschlichkeit" lernen wir zwei Helferinnen und einen Helfer kennen: Die eine das zupackende Organisationstalent, vor der man gleich ein wenig Schiss bekommt, so gut sie es auch meint, die andere eine zweifelnd bis verzweifelte Künstlerin, die endlich etwas sinnvolles tun möchte und auch gerne etwas von sich erzählt, der dritte im fürsoglichen Bunde ein zartes und freundliches Wesen, um den man sich gleich selbst ein wenig Sorgen macht. Es werden verschiedene Themen umkreist, vom Roten Kreuz bis zu absurden Spenden, wobei Bob Geldofs Live-Aid einen zentralen Platz einnimmt, inklusive Madonna, die Unheilige, die vor die Massen hin tänzelt und einfach mal frisch von der Leber weg fragt: "Are you ready for a revolution?"

Das Projekt stellt auf verspielte Weise verschiedene Arten von Helfen zur Diskussion, ein endgültiges Urteil darüber, ob es bessere und schlechtere Varianten des Helfens gibt, liefert es nicht (dies war jedenfalls meine Ansicht, während andere Zuschauer der Basler Aufführung den Abend durchaus als recht moralisch empfanden). Ein interessantes Thema und eine tatsächlich etwas unangenehme Frage, die da gestellt wird, weil sie etwas mit uns zu tun hat und sich nicht an ein Phantom richtet, das sowieso nicht im Publikum sitzt, wie das so oft der Fall ist im freien Theater. Und bezaubernd hübsch gemacht!

Eine gute Gelegenheit also, den Regisseur Marcel Schwald und die Schauspieler Susanne Abelein und Adrian Gillott zu entdecken. Und wie schon erwähnt: Ein Wiedersehen mit der ziemlich einzigartigen Ariane Andereggen. Heute Mittwoch bis Freitag im Tojo.

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(ST)REITSCHULE
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Bund 9.2.11

Reitschule unterschreibt Leistungsvertrag mit der Stadt

 Die Reitschule-Betreiber haben am letzten Wochenende den Leistungsvertrag mit der Stadt Bern für die Jahre 2012-2015 unterzeichnet. Veronica Schaller, Leiterin der städtischen Abteilung Kulturelles, bestätigte einen entsprechenden Bericht der "Berner Zeitung". Damit ist eine Forderung der Mitteparteien erfüllt. Sie verlangten, dass der Vertrag bis am 24. Februar unterzeichnet vorliege, ansonsten würden sie ihn ablehnen. Zuvor hatte bereits die vorberatende Kommission die Ablehnung des Vertrages empfohlen, da er noch nicht unterzeichnet war. Über die Leistungsverträge der grossen, subventionierten Kulturbetriebe entscheidet der Stadtrat voraussichtlich am 3. März.(bro)

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CLUB-LEBEN
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20 Minuten 11.2.11

Aarbergergasse: Nun soll der Gemeinderat eingreifen

 BERN. Der Knatsch um die Aarbergergasse geht weiter. Politiker und Clubbetreiber fordern vom Gemeinderat, er solle jetzt das Ruder übernehmen.

 Die Stadtregierung müsse sich jetzt endlich in die Diskussion um das Berner Nachtleben einschalten, forderte gestern Stadtratsmitglied Manuel Widmer (GFL) in einem offenen Brief an Sicherheitsdirektor Reto Nause. "Der Gemeinderat soll die Aarbergergasse als Ausgangszone definieren", so Widmer gegenüber 20 Minuten. Das sei eine Zone, in der nicht das Wohnen Vorrang habe, sondern der Ausgang. "Daran wären aber Bedingungen geknüpft, die auch durchzusetzen wären." So hätte die Stadt etwa eine Handhabe gegenüber Betreibern, die sich nicht an Sicherheitsbedingungen hielten.

 Auch die SP und die junge FDP rufen nach dem Gemeinderat. "Mit einer solchen Zone wären die Probleme wie Schlägereien und Lärm am Wochenende aber nicht behoben", gibt FDP-Stadtrat Bernhard Eicher zu bedenken.

 "Der Gemeinderat hat sich bisher aus dieser Diskussion herausgehalten", sagt Rolf Bähler vom Bonsoir Club. "Er soll jetzt mit den Clubs definieren, wo und wie sich das Nachtleben entfalten darf." Stephan Zesiger vom Liquid würde das ebenfalls begrüssen: "In der Aarbergergasse besteht absolut Handlungsbedarf."  

PEDRO CODES

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Bund 9.2.11

Private Security: Reto Nause räumt Fehler ein

 Man sei den Berner Innenstadt-Wirten "ein bisschen auf die Füsse getreten", sagt der Sicherheitsdirektor.

 Christian Brönnimann

 "Suboptimal kommuniziert" und "im Wortlaut über das Ziel hinausgeschossen": So beschreibt der Berner Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP) ein Schreiben von Regierungsstatthalter Christoph Lerch, das Ende letzter Woche an die Öffentlichkeit gelangt war ("Bund" vom 5. 2.). Im Brief wird den Wirten und Clubbetreibern rund um die Ausgehmeile Aarbergergasse mitgeteilt, dass sie sich in Zukunft finanziell an einem privaten Sicherheitsdienst beteiligen müssen - mit bis zu 5400 Franken jährlich.

 Alles nur ein Missverständnis?

 "Ich kann die Aufregung nachvollziehen, die das Schreiben ausgelöst hat", sagt Nause. Aber es liege noch gar kein Konzept auf dem Tisch. Man befinde sich erst in der Ideenphase. "Entschieden ist nichts." Nause spricht im Nachhinein von einem Missverständnis. Jedoch ist im Brief von einem "erarbeiteten Sicherheitskonzept" die Rede, für welches bereits im nächsten Herbst eine erste "Gesamtauswertung" geplant sei. Die Umsetzung sollte also rasch vonstattengehen. Wirten, die nicht freiwillig mitmachen, wurden Verfügungen angedroht.

 Das zweite Missverständnis liegt laut Nause in der Funktion des Sicherheitsdienstes. Es sei nie die Absicht gewesen, die Polizei durch private Sicherheitsleute zu ersetzen. "Der Dienst ist eine flankierende Massnahme, um die allgemeine Atmosphäre zu verbessern", sagt Nause. "Es ist unbestritten, dass für die Sicherheit die Polizei verantwortlich bleibt."

 Insgesamt sei man den Wirten wohl "ein bisschen auf die Füsse getreten", sagt Nause. Den Brief habe er erst gesehen, als er bereits verschickt war. Der Gesamtgemeinderat sei in der Sache überdies nicht involviert. Er habe die Stadtregierung erstmals letzten Mittwoch mündlich über die Gespräche mit dem Regierungsstatthalter und der Polizei orientiert, sagt Nause. "Dabei reagierte der Gemeinderat mit Skepsis und brachte Fragezeichen zum Einsatz privater Sicherheitsdienste an."

 Parlamentarier werden aktiv

 "Das tönt alles ganz anders als bislang", kommentiert FDP-Stadtrat Bernhard Eicher die Aussagen Nauses. "Aber eigentlich ist es nur die logische Konsequenz aus den lauten Reaktionen." Gemeinsam mit Vertretern von SVP und BDP wird Eicher nächste Woche im Parlament einen Vorstoss einreichen, in welchem der Gemeinderat aufgefordert wird, die Übung abzublasen und stattdessen die Polizeipräsenz zu erhöhen.

 Auch nach der Kritik will Nause an der "Idee an sich" festhalten.Es liege im Interesse aller, der "teils fiebrigen Stimmung" entgegenzuwirken.Die Polizeipräsenz sei im fraglichen Stadtteil bereits sehr hoch und werde ab Herbst weiter erhöht.

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20 Minuten 9.2.11

Sichere Altstadt durch Polizei

 BERN. Um die Sicherheit der Restaurant- und Clubgäste in der oberen Berner Altstadt soll sich die Polizei kümmern, fordern bürgerliche Politiker. Mit dem Vorstoss reagieren sie auf ein Schreiben des Regierungsstatthalters Christoph Lerch, das verlangt, dass die Lokalbesitzer an den Wochenenden einen privaten Ordnungsdienst stellen und diesen gemeinsam berappen. Die Politiker wollen das Gewaltmonopol aber bei der Polizei behalten. Dafür fordern sie eine Erhöhung der Polizeipräsenz um 2000 Stunden pro Jahr.

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BAHNHOF-ZUKUNFT
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be.ch 14.2.11

Handlungsbedarf für den Ausbau des Bahnhofs Bern in der Mitwirkung unbestritten

In der Öffentlichkeit geniesst der Bahnhof Bern einen hohen Stellenwert. Der grosse Handlungsbedarf zu dessen Ausbau ist unbestritten. Ebenfalls unbestritten ist der durchgehende Ausbau der Bahnlinie Bern - Solothurn auf Doppelspur. Dies sind die Ergebnisse der öffentlichen Mitwirkung zum Sachplan Verkehr, Teil "Infrastruktur Schiene im Raum Bern". Die Situation bei den Publikumsanlagen im Bahnhof Bern - insbesondere beim RBS, aber auch bei den SBB - wird als prekär erachtet. Deshalb soll so rasch wie möglich mehr Platz für die Passanten geschaffen werden. Beim Ausbau des Bahnknotens Bern ist es den an der Mitwirkung Teilnehmenden ein Anliegen, dass langfristig und ganzheitlich geplant wird und die Koordination mit den umliegenden Projekten sichergestellt ist. Von grosser Bedeutung ist die städtebauliche Integration des Bahnhofs. In der gesamten Planung sollen Auswirkungen auf den sensiblen Siedlungs- und Aareraum stets beachtet und so gering wie möglich gehalten werden.
Der Kanton Bern erwartet, dass die Ergebnisse des Planungsprozesses "Zukunft Bahnhof Bern" bei der Verabschiedung des Sachplans vom Bundesrat berücksichtigt werden. Das Gesamtkonzept für den Ausbau des Bahnhofs Bern wird vor den Sommerferien der Öffentlichkeit vorgestellt. Der Mitwirkungsbericht ist hier abrufbar.
http://www.zukunftbahnhofbern.ch/index.php?id=43

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BIG BROTHER SPORT
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Schweiz Aktuell sf.tv 14.2.11

"Raubtierkäfig" hat sich bewährt

Erstmals stand am Wochenende beim Risikospiel YB-FCZ in Bern ein mobiler Sicherheitszaun im Einsatz. Weil Berns Sicherheitsdirektor Reto Nause den Zaun salopp als "Raubtierkäfig" bezeichnete, zog er den Zorn der Fans auf sich. Nun hat sich die Aufregung gelegt, der Zaun hat sich im Einsatz bewährt, und der Sicherheitsdirektor entschuldigt sich bei den Fussballfans für seine Formulierung.
http://videoportal.sf.tv/video?id=96e8411c-c8d2-417f-aa35-bd0fa0ba8d78

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Bund 14.2.11

Neuer Sicherheitszaun übersteht Feuerprobe

 Das "Risikospiel" YB - FC Zürich verlief weitgehend friedlich.

 Reto Siffert

 Daran, dass viele Fussballspiele der Super League nicht ohne beträchtliches Polizeiaufgebot auszukommen scheinen, hat man sich mittlerweile gewöhnt. Ein gut zwei Meter hoher mobiler Sicherheitszaun stellt nun das neuste Element im Sicherheitsdispositiv rund um das Stade de Suisse für sogenannte Risikospiele dar.

 Bei der Partie zwischen den Berner Young Boys und dem FC Zürich am Sonntag gelangte der Zaun zum ersten Mal zum Einsatz, und zwar als zusätzliche Absicherung auf dem Weg zwischen dem S-Bahnhof Wankdorf und dem Eingang des Gästesektors. So wurde der Abschnitt bei der Kreuzung Winkelriedstrasse/Sempachstrasse für die Ankunft der Zürcher Fans teilweise und bei deren Abzug aus dem Stadion vollständig abgeriegelt.

 Polizei ist zufrieden

 Michael Fichter, Mediensprecher der Kantonspolizei Bern, zieht insgesamt eine positive Bilanz des gestrigen Fussballabends aus Sicherheitsperspektive: "Abgesehen davon, dass sich nach dem Spiel ein paar Fans am Zaun zu schaffen machten, verlief der Polizeieinsatz weitgehend ruhig." Der Polizei stehe damit ein effizientes Einsatzmittel zur Verfügung, das je nach Situation zum Zug kommen soll. Die Kosten für die Zaunverlängerung von 140 000 Franken trägt YB gemäss Mitteilung allein.

 Begriffspolemik vor dem Spiel

 Für Unverständnis hatte im Vorfeld der Partie die Aussage des Stadtberner Sicherheitsdirektors Reto Nause gesorgt: Er hatte den Zaun als "Raubtierkäfig" bezeichnet. Darauf riefen die Zürcher Fans in Online-Foren dazu auf, nicht den üblichen Extrazug der SBB zu nehmen, sondern mit dem regulären öffentlichen Verkehr früher anzureisen. In die Empörung über Nauses Wortwahl mischte sich der Protest über die Fahrzeiten der Extrazüge, die in den Augen der Zürcher Fans zu knapp bemessen sind.

 Ebenso irritiert über die Äusserung Nauses zeigte sich die YB-Clubleitung. In einem Communiqué distanzierte sie sich klar von der Aussage und versuchte, die Wogen bei den FCZ-Anhängern zu glätten. Die mobilen Gitterzäune seien keinesfalls als Provokation aufzufassen. "Das Bestreben ist es, mit der Verlängerung des bestehenden Zauns für zusätzliche Sicherheit zu sorgen und die Anzahl der im Einsatz stehenden Polizeikräfte zu verringern", teilte der Verein letzte Woche mit.

 Am Freitag hatten sich SBB und Kantonspolizei schliesslich doch noch auf einen früheren Extrazug geeinigt, der den Vorstellungen der Zürcher Fans entgegenkam. Der Sicherheitsdirektor kündigte zudem eine Entschuldigung auf dem YB-Forum an, sofern es zu keinen Ausschreitungen komme.

 Die Bemühungen blieben nicht ohne Erfolg: Die angedrohte unkontrollierte Anreise der FCZ-Fans konnte gestern verhindert werden.

 Welcher Aufwand für Sicherheit?

 Trotz positiver Bilanz nach dem erstmaligen Einsatz des Zauns bleiben Fragen zum Umgang mit Gewalt an Fussballspielen offen. Auch die sogenannt "friedlichen Fussballfeste", wo es zu keinen Randalen kommt, gehen längst nur noch mit einer strikten sektoriellen Trennung der Fangruppen über die Bühne. Dass es in allen grösseren Vereinen der Schweiz eine gewisse Anzahl gewaltbereiter Anhänger gibt, wird kaum bestritten. Dennoch müssen sich die Verantwortlichen für die Sicherheit im und um das Stadion permanent die Frage stellen, wo der beste Weg liegt, um bei allen Sicherheitsvorkehrungen möglichst deeskalierend auf die Fans zu wirken.

 Den neuen Sicherheitszaun erachtet die Kantonspolizei jedenfalls als probates Mittel, um allgemein für mehr Sicherheit an den Super-League-Partien zu sorgen. Dazu könnte die Massnahme auch in der Diskussion um die Kosten eine Rolle spielen. "Bereits mit dem gestrigen Einsatz konnte die Zahl der Polizisten vor Ort erheblich gesenkt werden", erklärt Polizeisprecher Fichter.

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BZ 14.2.11

Mobiler Zaun hielt Fans auseinander

 Stade de SuisseDer mobile Sperrzaun zwischen Bahnhof Wankdorf und Stadion hat sich gestern bewährt. Die FCZ-Fans blieben insgesamt friedlich.

 Fence-Box heisst der mobile Zaun, der gestern in Bern beim Fussballspiel YB gegen Zürich zum ersten Mal zum Einsatz kam und der im Vorfeld des Matchs für Diskussionen sorgte (siehe Kasten). Der Aufbau ging rasch: Zuerst platzierten Polizisten über zwei Meter hohe Metallstangen auf der Winkelriedstrasse. Zum Teil wurden die Pfosten in Löchern verankert oder mit Platten fixiert. Zuoberst zogen Techniker ein Kabel durch Schlaufen und montierten bei jeder Stange eine Rolle. Anschliessend rollten sie aus einem Container den Gitterzaun ab und schoben ihn am Kabel hängend über die Strasse.

 Der Aufbau wurde geübt, während das Spiel lief. Der Zaun wurde jedoch wieder in die Container eingerollt, damit der Verkehr auf der Winkelriedstrasse zirkulieren konnte. Er wurde erst wieder montiert, nachdem die Berner Fans das Stadion verlassen hatten. Die Zürcher Fans wurden im Stadion so lange zurückgehalten, bis der Zaun wieder stand. Und durch diesen Gitterkorridor mussten die Zürcher Fans vom Stade de Suisse marschieren, um zum nahen Bahnhof Wankdorf zu gelangen. Auf beiden Seiten des Korridors standen Polizeigrenadiere bereit. Auch Absperrfahrzeuge und der Wasserwerfer waren vor Ort.

 Polizei zufrieden

 "Das System mobiler Zaun hat sich sehr bewährt", sagte gestern Abend Michael Fichter, Mediensprecher der Kantonspolizei. "Wir konnten so verhindern, dass Fans aus Bern und Zürich aufeinandertrafen." Laut Fichter konnte dank dem Zaun das Polizeiaufgebot im Vergleich zu früheren Risikospielen reduziert werden. Der Polizeieinsatz sei insgesamt ruhig und positiv verlaufen und die Separierung der Fangruppen gelungen, so Fichter. "Es gab nur einen kurzen Einsatz nach dem Spiel, als Fans am Gitterzaun rüttelten."

 Jürg Spori

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 Nause sagt SorrY

 Der Stadtberner Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP) entschuldigt sich bei den YB-Fans: "99 Prozent der Berner Fans haben ein dickes Sorry verdient", sagte Nause gestern Abend auf Anfrage dieser Zeitung. Doch Nause betont: Die Abreise der FCZ-Fans sei problematisch gewesen. "Ein Fussballfest stelle ich mir anders vor." Bei der Abreise hätten FC-Zürich-Fans die Polizei attackiert. "Es brauchte einen Wasserwerfer, um die Chaoten in Schach zu halten." Solche Szenen würden zeigen: "Dieser Fanzaun ist leider nötig." Ohne Zaun sei es schwierig, Zusammenstösse zwischen Fangruppen zu verhindern.

 Im Vorfeld der Risikopartie hatte Reto Nause den Sicherheitszaun zwischen der S-Bahn-Station Wankdorf und dem Stade de Suisse als Raubtierkäfig bezeichnet. Die YB-Fanorganisationen Gäubschwarzsüchtig und Ostkurve Bern sahen in diesem Ausdruck eine "Beleidigung an alle Schweizer Fussballfans". Sie forderten von Nause eine Entschuldigung.tob

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bernerzeitung.ch 13.2.11

Sicherheitszaun kommt erstmals vollständig zum Einsatz

sda / met

 Rund um das Fussballspiel Young Boys Bern - FC Zürich vom Sonntag wurde zwischen dem Berner Stade de Suisse und der Bahnstation Bern-Wankdorf erstmals ein neuer Sicherheitszaum vollständig aufgestellt. Die Polizei ist zufrieden damit.

 Der mobile Zaun dient dazu, zwischen dem Stade de Suisse und der Bahnstation die beiden Fanlager auseinanderzuhalten. Dies habe am Sonntag gut geklappt, sagte Einsatzleiter Heinz Thomann am Sonntagabend. Zuerst sei der Zaun nur teilweise aufgebaut worden, am Schluss ganz.

 Bisher wurde der Zaun zwar auch schon gezogen, doch nie auf der ganzen Distanz zwischen Stadion und Bahnhof.

 Überhaupt verlief der Polizeieinsatz am Sonntag zur Zufriedenheit des Einsatzleiters: Grössere Probleme habe es nicht gegeben und die Fans des FC Zürich seien per Extrazug angereist, nicht individuell. Zu Anhaltungen von Fans kam es nicht.

 Nauses unglücklicher Vergleich

 Der Sicherheits- oder Lenkungszaun war in der vergangenen Woche in die Schlagzeilen geraten, weil der Berner Sicherheitsdirektor Reto Nause von einem "Raubtierkäfig" gesprochen hatte und damit sowohl Zürcher wie Berner Fans erboste.

 Der vom Stade de Suisse finanzierte Zaun soll nicht nur die Polizeiarbeit erleichtern, er soll es auch erlauben, das Polizeiaufgebot bei solchen Risikospielen zu verringern.

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NZZ am Sonntag 13.2.11

Aussenrist

 Zirkus mit Direktor Nause

 Am Sonntag spielen im Stade de Suisse die Young Boys gegen den FC Zürich. Weil es in der Vergangenheit zu Scharmützeln zwischen den Fangruppen gekommen ist, will man in Bern nun einen mobilen Zaun montieren, der von der Bahnstation Wankdorf bis zum Stadion führt. Damit soll das Polizeiaufgebot verringert werden, was zu Kosteneinsparungen führt. So weit, so gut. Wäre da nicht der Berner Sicherheitsdirektor Reto Nause. Der CVP-Mann bezeichnete ebendiesen Zaun am Mittwoch in der "Berner Zeitung" als "Raubtierkäfig". Eine bedenkliche Wortwahl, die nicht zuletzt Gastgeber YB in Verlegenheit brachte, der sich mittels Communiqué "vehement" von Nauses Äusserungen distanzierte. Auch Berner Fangruppierungen solidarisierten sich mit den Raubtieren aus Zürich. Nause zeigt sich ungerührt. Er übernehme die Verantwortung für seine Äusserungen, sagte er. Eine Entschuldigung hält er gleichwohl nicht für unmöglich. Wenn es am Sonntag keine Ausschreitungen gebe, werde er ein "dickes Sorry" ins YB-Forum posten. Dick oder nicht - eigentlich sind Sorrys nicht an Bedingungen geknüpft. Das scheint den Dompteur im Zirkus Nause nicht zu kümmern. Er schwingt lieber die Peitsche. (cen.)

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BZ 12.2.11

Erfolg für FCZ-Fans

 Stadt BernDie Drohung der FCZ-Fans hat Wirkung gezeigt: Weil sie am Sonntag mit den regulären SBB-Zügen zum Spiel gegen YB anreisen wollten, fährt der Extrazug nun wie von den Fans gefordert früher.

 Entspannung vor dem sonntäglichen Fussballknaller YB - FC Zürich: Die FCZ-Fans haben gestern ihren Aufruf zurückgenommen, den Extrazug zu boykottieren und mit den regulären SBB-Zügen anzureisen. Zum Boykott hatten sie aufgerufen, weil sie sich schikaniert fühlten (Ausgabe vom Donnerstag).

 Dass Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP) den neuen durchgehenden Sicherheitskorridor vom Bahnhof Wankdorf zum Stade de Suisse unbedarft "Raubtierkäfig" genannt hat, war dabei nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Die FCZ-Fans ärgerten sich schon länger über die "zunehmende Schikanierung" an Auswärtsspielen. Dabei ging es vorab darum, dass die Abfahrtszeiten der Extrazüge aus Sicherheitsgründen so spät angesetzt werden, dass es nicht alle Fans rechtzeitig vor Anpfiff durch die rigorosen Eingangskontrollen ins Stadion schaffen. So geschehen letzten Sonntag in St. Gallen, wo die Fans auch schon einen Boykott erwogen haben.

 Polizei hat nachgegeben

 Gegenüber dieser Zeitung hat SBB-Pressesprecher Jean-Louis Scherz bereits am Donnerstag erklärt, dass man mit den "zuständigen Behörden" Massnahmen treffen müsse, sollten die Fans mit ihrem Boykott Ernst machen. Nun wurden diese Massnahmen ergriffen, wie das zentrale FCZ-Fanforum "Südkurve" verkündet: "Die Polizei hat soeben informiert, dass nun doch eine frühere Ankunftszeit zugelassen wird. Somit werden wir doch per Extrazug anreisen in der Hoffnung, dass durch die neue ausreichende Zeitspanne alle FCZler problemlos und rechtzeitig zum Anpfiff im Stadion sind." Die Mitteilung endet mit dem Aufruf, dass sich die Fans nicht "von Gittern und massivem Polizeiaufgebot" provozieren lassen sollen.

 Ankunft um 14.16 Uhr

 Der Fanzug kommt nun bereits um 14.16 im Wankdorf-Bahnhof an, fast zwei Stunden vor Spielbeginn und rund eine Stunde früher als geplant. Mit der Ankunft des Zugs wird der neue mobile Zaun kurzfristig über die Winkelriedstrasse aufgestellt. Sobald die FCZ-Fans durchmarschiert sind, wird der Zaun demontiert und die Hauptstrasse wieder für den Verkehr freigegeben. Dasselbe Prozedere wiederholt sich nach Spielschluss um 17.45 Uhr.

 Mit dem Einlenken der Polizei und der Vorverschiebung des Extrazugs konnte wohl ein Chaos verhindert werden: Bei einem Boykott wären die 1500 erwarteten FCZ-Supporter via Innenstadt angereist.

 Adrian Zurbriggen

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BZ 11.2.11

Fans fordern ein Sorry von Nause

 Stade de SuisseYB-Fans fordern von Reto Nause eine öffentliche Entschuldigung für den Ausdruck "Raubtierkäfig" im Zusammenhang mit dem Fanzaun. Der Stadtberner Sicherheitsdirektor spielt den Ball an die Fans zurück.

 Die YB-Fanclub-Verbände "gäubschwarzsüchtig" und "Ostkurve Bern" beschwerten sich in einer Mitteilung über den Stadtberner Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP). Dieser hatte im Zusammenhang mit dem Sicherheitszaun zwischen dem S-Bahnhof Wankdorf und dem Stade de Suisse in dieser Zeitung von einem "Raubtierkäfig" gesprochen. "Das ist eine Entgleisung sondergleichen gegenüber allen Schweizer Fussballfans", schreiben die Fanorganisationen. Einmal mehr zeige diese Wortwahl auf, in welchem Licht Fussballfans gesehen würden. Die Fans fordern Reto Nause zu einer "unmissverständlichen Entschuldigung" auf für seine "diskreditierende Äusserung".

 Darauf angesprochen, sagt Reto Nause: Er übernehme die Verantwortung für seine Äusserungen. "Und ja, ich werde ein dickes Sorry ins YB-Fanforum posten - aber nur, wenns rund um die Partie zwischen YB und dem FC Zürich keine Ausschreitungen gibt." Der Sicherheitsdirektor appelliert an die Fans: "Auch sie haben eine Verantwortung. Denn von ihrem Verhalten hängt es ab, ob das Spiel am Sonntag ein friedliches Fussballfest wird."

 YB-Fans unterstützen Zürcher

 Die YB-Fanorganisationen unterstützen den Plan der Schlachtenbummler aus Zürich. Diese wollen die Anreise im offiziellen Fanzug boykottieren - und damit die Ankunft am Wankdorfbahnhof und den Gang durch den erstmals zum Einsatz kommenden "Raubtierkäfig" verhindern. Stattdessen rufen die FCZ-Fans im Internet zur Anreise mittels SBB-Regelzügen via Berner Hauptbahnhof auf. "Nach den Äusserungen Nauses können wir diese Reaktion nachvollziehen", schreiben die YB-Fans.

 Die Kantonspolizei warnt für den Sonntagnachmittag vor "Verkehrsbehinderungen im Raum Wankdorf". Die Winkelriedstrasse ist in beiden Richtungen zeitweise gesperrt. Die Polizei empfiehlt den Berner Zuschauern, frühzeitig mit den öffentlichen Verkehrsmitteln anzureisen. Das Stade de Suisse öffnet seine Tore bereits 14.30 Uhr, die Partie beginnt um 16 Uhr.

 Tobias Habegger

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Le Matin 11.2.11

Les CFF serrent la vis

Hooligans Le transport des supporters par train pourrait être refusé et les clubs priés de passer à la caisse.

rocchi

 Le championnat de Super League bat son plein en Suisse et rien ne va plus. Dimanche dernier encore, 800 supporters du FC Sion transportés par train spécial à Neuchâtel, ont semé la violence et la pagaille à la gare et en ville. Et l'alerte est maximale pour le match Young Boys - FC Zurich ce week-end à Berne. Pour les CFF, en tout cas, la coupe est pleine.

 La saison dernière, 140 trains spéciaux ont été affrétés pour le déplacement de supporters. Et cela a occasionné pour plus de 3   millions de francs de frais non couverts (dégâts, nettoyages, personnel d'accompagnement supplémentaire). "Les CFF ne sont plus prêts à supporter seuls ces coûts", annonce Jean-Louis Scherz, porte-parole.

 Aux clubs de payer

 Les CFF sont en train de négocier avec la Swiss Football League (SFL) pour obtenir que les clubs passent à la caisse. "Ils doivent prendre la responsabilité des agissements des supporters dans l'espace public, y compris dans les transports publics", précise Jean-Louis Scherz. A voir la réaction négative de la SFL (lire l'encadré), la négociation s'annonce difficile.

 Pouvoir refuser les fans dangereux

 Mais les CFF veulent aller plus loin encore. Ils demandent d'être libérés de l'obligation légale de transporter tout voyageur et de pouvoir ainsi refuser des fauteurs de troubles potentiels. Une demande dans ce sens a été déposée auprès de l'Office fédéral des transports (OFT).

 Jean-Louis Scherz explique le sens de la démarche: "Nous voulons être couverts juridiquement au cas où une police cantonale nous signifierait de ne pas transporter de fans vers un lieu de match. L'OFT nous a assurés de son appui si un tel cas se présente à l'avenir. "

 Studer applaudit

 Responsable de la police dans son canton, le conseiller d'Etat neuchâtelois Jean Studer n'exclut pas de recourir à cette nouvelle possibilité. "C'est une piste très intéressante, dit le magistrat. Le fait que les CFF réagissent de leur côté, prouve que nous ne sommes pas les seuls à songer à des mesures radicales. " Après les débordements des supporters valaisans, Jean Studer s'est en effet fâché et il a menacé d'interdire des matches s'il le faut.

 Du côté des clubs, on renvoie la balle aux CFF, estimant que leur offre de trains spéciaux est néfaste et que des transports par cars seraient plus sûrs pour éviter les débordements. Cet argument fâche les CFF: "Alors que les autocaristes sont de moins en moins intéressés à transporter des fans, notre offre de trains spéciaux est un moindre mal. Cela permet de séparer les supporters des autres voyageurs. Par le passé, nous avons vécu des expériences négatives de fans transportés dans des trains réguliers. " Et Jean-Louis Scherz d'ajouter que le transport de supporters est tout sauf rentable!

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 "L'état ne fait pas son travail!"

 Directeur de la Swiss Football League, EdmondIsozréagit négativement aux nouvelles exigences des CFF. "Il n'est pas normal de faire passer les clubs à la caisse. Comment déterminer qui a causé quel dégât et l'imputer à un club en particulier?"

 Pour lui, c'est clair: "L'Etat ne fait pas son travail! C'est à la police d'assurer l'ordre public et d'empêcher les dégâts dans les trains. Il est trop facile de s'en prendre toujours aux clubs. " Edmond Isoz rappelle que "la Suisse est le seul pays à faire payer aux clubs les frais de sécurité publique hors des stades. Nous versons près de 9   millions de francs par année aux autorités. "

 Le directeur de la SFL ne croit pas davantage à un régime d'interdiction dans les trains: "Chacun jouera au chat et à la souris, plutôt que d'avoir affaire à des convois de supporters groupés. "éL. R.

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Blick am Abend 10.2.11

BERN

 Der Raubtierkäfig ist nur ein Zaun

 FANS

 Der Sicherheitszaun sorgt für Ärger. FCZ-Fans wollen sogar auf den Sonderzug verzichten.

 peter.pflugshaupt@ringier.ch

 Raubtierkäfig" hat das Potenzial, zum Wort des Jahres gewählt zu werden. Sicherheitsdirektor Reto Nause verwendete den Ausdruck im Zusammenhang mit dem verlängerten Sicherheitszaun zwischen S-Bahnhof Wankdorf und Stadion. Der Zaun soll die bestehende Lücke im Bereich der Kreuzung schliessen und dient vor allem zur Kostensenkung dank Personaleinsparung seitens der Polizei. Der Zaun soll am Sonntag beim Spiel YB gegen Zürich getestet werden, kommt aber möglicherweise gar nicht vollständig zum Einsatz. Trotzdem fühlen sie viele Fans provoziert. Zürcher wollen jetzt sogar auf den Sonderzug verzichten, um dem "Käfig" auszuweichen.

 Reto Nause sagte heute morgen zu Blick am Abend: "Die Frage ist doch, warum solche Zäune überhaupt nötig sind. Weil sich nicht alle Fans immer vorbildlich verhalten. Der Verband und die Liga verhalten sich zu passiv."

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BZ 10.2.11

Wegen "Raubtierkäfig": FCZ-Fans drohen mit Boykott

 Stadt BernWeil sie sich in Bern schikaniert fühlen, wollen die Fans des FC Zürich am Sonntag nicht mit dem Extrazug zum Spiel gegen YB fahren. Reisen sie individuell an, droht Chaos.

 Eigentlich sollte es ab diesem Sonntag rund ums Stade de Suisse an Spieltagen viel ruhiger werden: Geplant wäre, dass die Fans des Gastklubs per Extrazug anreisen und vom Bahnhof Wankdorf durch einen lückenlosen Sicherheitskorridor ins Stadion gelangen.

 Dumm nur, dass Berns Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP) den durch einen mobilen Zaun gebildeten Korridor gestern in dieser Zeitung "Raubtierkäfig" genannt hat: Die unbedarfte Äusserung brachte den angestauten Unmut der Gästefans vom Sonntag zum Überlaufen: Die Anhänger des FC Zürich ärgern sich schon länger über die "zunehmende Schikanierung" an Auswärtsspielen. Zankapfel sind vor allem die Abfahrtszeiten der Extrazüge, die - offenbar aus Sicherheitsgründen - so spät angesetzt werden, dass es nicht alle Fans rechtzeitig zum Spielbeginn ins Stadion schaffen.

 Die FCZ-Fans wollen darum am Sonntag den Extrazug boykottieren und mit den regulären Zügen anreisen. Damit entkämen sie auch dem "Raubtierkäfig", weil sie via Hauptbahnhof anreisen würden. Für die Polizei wären die 1500 erwarteten Zürcher Fans viel schwerer zu kontrollieren. SBB und Polizei wollen darum "Massnahmen" treffen, um dies zu verhindern. Näheres wollten die Verantwortlichen nicht verraten.

 YB, das den mobilen Zaun finanziert, distanzierte sich gestern in einer Medienmitteilung von Nauses Äusserung. Der Verein appelliert ebenso wie der FCZ an die Fans, mit dem Extrazug anzureisen. Danach sah es gestern aber nicht aus: Auf den FCZ-Fanforen wurde "offiziell" zum Boykott aufgerufen. Gleichzeitig schrieben die Fanvertreter aber, dass es ihnen nicht um Provokation ginge. So rufen sie die Fans zu "deeskalierendem" Verhalten auf.

 Zu diesen Aufrufen wollte Reto Nause gestern nicht Stellung nehmen. Er sagte bloss, dass durch seine Wortwahl ein falsches Bild entstanden sei: Den Sicherheitszaun habe es in der Vergangenheit bereits gegeben. Neu werde bloss die 150 Meter grosse Lücke über die Winkelriedstrasse geschlossen, sodass der Zaun nun durchgehend sei. Damit werde die konsequente Fantrennung fortgeführt, dank der es in letzter Zeit ums Stadion viel ruhiger geworden sei.azuSeite 3

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"Raubtierkäfig": FCZ-Fans sind empört

 Stade de SuisseDie FCZ-Fans wollen am Sonntag statt im Extrazug individuell zum Match gegen YB anreisen. Sie protestieren damit gegen die "zunehmende Schikanierung" der Fans.

 Er sollte die Lösung des Sicherheitsproblems rund um das Stade de Suisse werden: der mobile Zaun zwischen der S-Bahn-Station Wankdorf und der Fussballarena, der am Sonntag anlässlich des Spiels YB - FC Zürich erstmals im Einsatz ist. Dank diesem Zaun sollen in Zukunft weniger Polizisten im Einsatz stehen.

 Doch nun droht der Zaun zum Rohrkrepierer zu werden - wegen eines saloppen Ausspruchs von Berns Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP), der den Zaun in dieser Zeitung gestern "Raubtierkäfig" nannte. Diese Aussage brachte die FCZ-Fans in Rage: In ihren Fanforen rufen sie dazu auf, nicht im Extrazug, sondern in den regulären Zügen anzureisen. Diese halten natürlich nicht an der S-Bahn-Station, sondern erst im Hauptbahnhof - die Gästefans wären so für die Polizei noch schwieriger zu kontrollieren.

 YB musste reagieren

 Mit diesem Boykott wolle man keinesfalls die Polizei provozieren, heisst es im zentralen FCZ-Fanforum "Südkurve": Vielmehr gehe es darum, "dieser Tendenz der zunehmenden Schikanierung Einhalt zu gewähren".

 Die Aufregung unter den FCZ-Fans schreckte gestern auch die YB-Verantwortlichen auf: In einer Medienmitteilung distanzierte sich der Klub "vehement" von Nauses Darstellung. Doch der Schaden dürfte angerichtet sein: Auf der "Südkurve" wurde der "offizielle" Fantreffpunkt verschoben. Bis gestern wollten sich die FCZ-Anhänger um 13 Uhr für den Extrazug versammeln, jetzt wollen sie dies bereits um 11.30 Uhr tun.

 Extrazüge fahren zu spät

 Dass die FCZ-Fans kaum vom Boykott des Extrazugs abzuhalten sind, hat aber nicht nur mit Nauses unbedachter Äusserung zu tun: Die Fans ärgern sich schon lange darüber, dass die Extrazüge zu knapp am Auswärtsspielort eintreffen und einige Fans wegen der rigorosen Eingangskontrollen den Spielbeginn verpassen - so geschehen letztes Wochenende beim FCZ-Gastspiel in St. Gallen. "Auch diesmal sind wir bei der Polizei, welche der SBB die Ankunftszeiten diktiert, mit unserem Anliegen auf taube Ohren gestossen", heisst es auf der "Südkurve" im Hinblick auf das Spiel in Bern.

 Zu diesem Vorwurf sagt Polizeisprecherin Daniela Sigrist lediglich, dass über die Abfahrtszeiten der Extrazüge selbstverständlich "Absprachen mit allen Beteiligten" stattfinden würden. Organisiert werden die Extrazüge von den FCZ-Fans in Zusammenarbeit mit den SBB, wie Martin Guglielmetti, Leiter Spielbetrieb beim FCZ, erklärt.

 Wenig erfreut ist man über den angedrohten Boykott bei der SBB: "Wir wollen wie die Polizei die auswärtigen Fans kanalisieren. Deshalb sollen sie in Extrazügen anreisen", sagt Pressesprecher Jean-Louis Scherz. "Sollte sich abzeichnen, dass die FCZ-Fans am Sonntag mit Regelzügen nach Bern reisen wollen, müssten wir mit den zuständigen Behörden Massnahmen treffen." Welche das wären, wollte Polizeisprecherin Sigrist nicht verraten: "Wir beobachten die Situation laufend, machen aber im Vorfeld keine Angaben zu unseren taktischen Massnahmen."

 Auch beim FCZ beobachtet man die Entwicklung mit Sorge: "Ein Ausweichen auf normale Züge wäre ein katastrophaler Rückschritt und von der Masse der Fans, welche den FCZ begleiten, wohl gar nicht zu bewältigen", sagt FCZ-Vertreter Guglielmetti. Er rechnet damit, dass rund 1500 Zürcher Anhänger nach Bern kommen. "Wir hoffen, dass die Fans trotz anders lautender Meldung den Extrazug benützen werden."

 Zaun gar nicht im Einsatz?

 Reto Nause bemühte sich gestern, die Wogen zu glätten: Offensichtlich sei durch seine Wortwahl ein falsches Bild entstanden. Den Zaun habe es bereits in der Vergangenheit gegeben. Nun würde einfach die 150 Meter grosse Lücke über die Winkelriedstrasse geschlossen. Das hätten bisher Polizisten mit Gitterfahrzeugen getan. "Der durchgehende Zaun ist die konsequente Fortführung der Fantrennung, die sich in Bern in letzter Zeit bewährt hat."

 Laut Polizeisprecherin Sigrist ist im Übrigen nicht einmal klar, ob das Objekt der Aufregung überhaupt in seiner vollen Länge zum Einsatz kommt: "Der Sicherheitszaun befindet sich in der Versuchsphase. Es ist offen, wann welche Teile getestet werden."

 Christoph Hämmann
 Adrian Zurbriggen

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 Online

 "Wie kann man nur derart Öl ins Feuer giessen?"

 Die BZ-Berichterstattung zum Thema Sicherheitskosten an Fussballspielen und über den neuen Fanzaun zwischen der S-Bahn-Station-Wankdorf und dem Stade de Suisse wurde auf Bernerzeitung.ch rege kommentiert. Insbesondere der Ausdruck "Raubtierkäfig" vom städtischen Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP) sorgte für Kopfschütteln.

 Ronald Lack: Reto Nause ist wie Darbellay ein grosser Schwätzer. Anstatt zu handeln und die Krawallbrüder und Pyro-Zünder festzunehmen und den Schaden bezahlen zu lassen, werden die Fussballklubs belangt. Wer zahlt bei einer rot-grünen Demo? Dort wird alles erlaubt.

 Rudolf Steiner: Verursacherprinzip in Ehren, aber vielleicht sollte die Polizei über die Bücher gehen. Zum Beispiel wenn gegen Bellinzona eine Hundertschaft die gesamte Westseite des Stadions abriegelt wegen ein paar wenigen friedlichen Fans.

 Heinz Frei: Find ich bedenklich, dass der Sicherheitsverantwortliche von einem "Raubtierkäfig" spricht. Da braucht sich keiner zu wundern, wenn sich die Fans wie Wilde benehmen.

 Renate Mäder: Das Stadion von YB hat ein grösseres Fassungsvermögen als die SCB-Arena. Beim SCB sind die Fans friedlicher als bei YB, daher müsste YB mindestens das Doppelte an die Kosten bezahlen.

 Sandra Huber: Keine Frage: Die Sportfans müssen das Risiko selber tragen, wenn sie schon nicht fähig sind, eine friedliche Veranstaltung durchzuführen, wie es bei anderen Gruppen (z. B. Konzerten) möglich ist. Wenn 1 Rappen von den Steuern für Kulturveranstaltungen gebraucht wird, schreit die Öffentlichkeit auf, aber Millionen für stumpfsinnige Sportfans, die sich nicht im Griff haben, sind okay - das ist Verhältnisblödsinn.

 Urs Müller: Ich empfehle einen landesweiten Boykott des Wankdorfs durch alle Gästefans … War schon letztes Jahr an unserer Meisterfeier in Bern eine Frechheit. Berner greifen an, und die Polizei nebelt die Basler ein. Es wurden Dutzende Basler Normalofans vor dem A-Sektor angegriffen.

 Stefan Spoerri: Der Herr Sicherheitsdirektor nennt das ganze "Raubtierkäfig" und kommt sich dabei wohl auch noch wahnsinnig lustig vor. Solange man die Leute wie Vieh behandelt, werden sie sich auch so benehmen.

 Simon Kamber: Dass dieser "Raubtierkäfig" erst recht für Zoff sorgen wird, ist ja klar. Ausschreitungen sind jetzt programmiert. Wie kann man nur derart Öl ins Feuer giessen? Vielen Dank, Herr Nause! Aber kommen Sie dann hinterher nicht und sagen, es brauche eben mehr Polizei. Das Gegenteil ist der Fall. Oder wollen Sie so etwa das übertriebene Polizeiaufgebot rechtfertigen?

 Tom Liebermann: Herr Nause, es ist nicht der Verein YB, der die oft übertriebene Anzahl Polizisten aufbietet, das übernimmt die Polizei selber. Daher ist es auch nicht legitim, dass sich YB mit horrenden 2 Franken pro Zuschauer an den Kosten beteiligt. Zudem kommt es jährlich nur zu vier Risikospielen, bei FCZ und FCB in Bern.

 Dan Meier: Fussball ist keine politische Demonstration, sondern ein Geschäft. Ein Teil der Kundschaft ist nicht am Sport, sondern am Kampf interessiert. Der Begriff des Raubtierkäfigs scheint da angebracht. Die Hools sollen sich irgendwo auf der grünen Wiese prügeln gehn, damit die richtigen Fans wieder den Sport geniessen können. Ohne Käfig.

 Martin Schönbächler: Hier nochmals das schöne Zitat: "Wenn man Menschen wie Tiere behandelt, muss man sich nicht wundern, wenn sich diese auch wie solche verhalten."

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20 Minuten 10.2.11

Fans müssen in "Raubtierkäfig"

 BERN. Die Fans des FC Zürich werden sich am Sonntag in Bern wie Verbrecher vorkommen: Die 600 Meter vom Aussteigen aus dem Extrazug bis zum Stadion werden sie hinter Gittern laufen müssen - im "Raubtierkäfig", wie der Berner Sicherheitsdirektor Reto Nause den Zaun-Korridor laut der "BernerZeitung" nennt. So sollen Ausschreitungen verhindert und Kosten für Polizisten gespart werden. YB versuchte zwar, die Wogen zu glätten. Die Fans des FC Zürich sehen sich in Foren aber wie "Schlachtvieh" und "Untermenschen" behandelt. Sie wollen nun nicht mit dem Extrazug ans Spiel reisen.

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L'Express/L'Impartial 10.211

VIOLENCES

 Confessions d'un supporter de Xamax qui a choisi de baisser ses poings

 NICOLAS DONNER

 Les dégâts causés par les supporters du FC Sion à Neuchâtel ont soulevé la polémique. L'occasion de donner la parole à un ancien supporter actif de Neuchâtel Xamax. Interview d'un homme qui porte un regard sans concession sur la personne qu'il était dans un passé pas si lointain.

 Dans un dictionnaire, le mot "hooligan" décrit un jeune asocial qui exerce la violence dans les lieux publics ou lors de rencontres sportives. Vous reconnaissez-vous dans ce portrait?

 Non. Il ne faut pas confondre les hooligans, qui sont uniquement des casseurs, et les supporters ultras, qui s'identifient à un club de football et s'investissent pleinement pour faire partager leur passion. Le supportérisme a une dimension sociale, avec la nécessité de se réunir pour discuter la politique du club, peindre des banderoles ou imaginer des chants.

 Les récents événements à Neuchâtel laissent penser que les clubs de supporters ne sont pas tous composés de peintres et de chansonniers. Il y a tout de même quelques boxeurs dans le lot?

 Notre philosophie n'a jamais été d'inciter à la violence. Ce qui occupait notre esprit le jour du match, c'était la préparation des animations à réaliser, pas l'achat de coups de poing américains. Ceci étant dit, il arrive que certains éléments du groupe, une faible minorité de 4-5 personnes, cherchent la confrontation avec les supporters adverses et cela peut vite dégénérer et se transformer en baston générale, à vingt contre vingt.

 Cela se produisait à Neuchâtel ou lors des déplacements à l'extérieur?

 Cela est arrivé à l'ancienne Maladière, mais c'était le plus souvent lors des matches à l'extérieur, où les fans des équipes adverses nous attendaient à la sortie du stade, bien après la fin du match. Et ce n'était pas pour nous proposer une partie d'échecs...

 Quelles raisons expliquent selon vous cette envie de se battre?

 L'alcool joue sans doute un grand rôle. Lors des matchs à l'extérieur, il n'est pas rare de descendre beaucoup de bières dans le car. On devient alors plus agressif, susceptible à l'extrême, et avec l'effet de groupe, l'envie de vouloir faire le malin et jouer au fort, les choses peuvent vite déraper.

 L'alcool n'explique pas tout. Cette recherche de violence n'exprimait-elle pas peut-être pour vous un certain malaise, une manière d'expulser des frustrations?

 Il s'agissait effectivement d'une période de ma vie où je cherchais ma voie, où je voulais faire ma place. Et quand on est jeune, on subit également plus facilement les influences, bonnes ou mauvaises.

 Vous avez pris de la distance avec ce monde-là. Un déclic a-t-il eu lieu?

 Je ne peux pas vraiment parler d'un élément déclencheur. J'ai tout simplement passé le cap de l'adolescence pour devenir un adulte. J'ai désormais un travail et des responsabilités. Dans la vie, il y a un temps pour tout, il faut bien que jeunesse se passe. Mais je n'ai rien perdu de ma passion pour le football et continue de suivre avec intérêt les matches de Xamax.

 Que vous inspirent les dégâts provoqués par les ultras sédunois en ville de Neuchâtel?

 C'est complètement idiot et irresponsable. Je ne comprends pas que les déplacements des supporters ne se fassent pas en car pour limiter les risques, comme c'est le cas pour Xamax.

 Interdire les supporters adverses. Une bonne idée?

 Non. Ce serait pénaliser les vrais supporters et cela créerait d'énormes conflits à l'intérieur des clubs. Mais par contre, le fait d'interdire à vie les "purs hooligans" en Angleterre porte aujourd'hui ses fruits. /NDO

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Blick am Abend 9.12.11

ZÜRICH

 Ein Raubtierkäfig für die FCZ-Fans in Bern

 Von  Peter Pflugshaupt  und  Marc Ribolla

 TEST

 Der Match YB - FCZ ist ein Hochrisikospiel. Deshalb werden die FCZ-Fans eingegittert.

 Bei Spielen zwischen den Berner Young Boys und dem FC Zürich kommt es immer wieder zu Krawallen zwischen den Fan-Gruppen und der Polizei. Das kostet die Berner Steuerzahler viel Geld, bis zu zwei Millionen Franken jährlich. Um die Ausschreitungen in Zukunft zu verhindern, gelangt am Sonntag beim Duell der beiden Klubs erstmals ein durchgehender "Raubtierkäfig" zum Einsatz, wie der Berner Sicherheitsdirektor Reto Nause in der "Berner Zeitung" zitiert wird.

 Die Auswärtsfans müssen in diesem geschlossenen Käfig direkt vom SBahnhof Wankdorf die rund 400 Meter zum Stadion marschieren.

 Dieser mobile Zaun wird vor dem Eintreffen des Extrazugs der Fans aufgestellt, während des Spiels abgebaut (!), um nach dem Schlusspfiff wieder errichtet zu werden. Mit diesem "Raubtierkäfig" könnten Kosten gespart werden, meint Nause. "Dank dieses Zaunes sollen in Zukunft während YB-Spielen weniger Polizisten im Einsatz stehen." Die Berner Behörden kämpfen bereits seit Jahren gegen die steigenden Sicherheitskosten an Sportveranstaltungen an. Laut Polizeidirektor Hans-Jürg Käser sind diese "aus dem Ruder gelaufen".

 Marcel Hofstetter, Präsident des FCZ-Fanclubs Letzi: "Ich habe kein Problem mit so einem Zaun, aber für einige Fans könnte es schon eine Provokation sein." Er werde dann schon ein bisschen schmunzeln, wenn er in Bern wie ein Raubtier durch diesen Käfig laufen müsse.

 Den Zaun hat YB für rund 140 000 Franken übrigens selbst finanziert. Dennoch fordert die Berner SP, dass sich YB noch stärker an den Sicherheitskosten beteiligt. Sie will, dass jeder Fan pro Spiel eine zusätzliche Abgabe von zwei Franken bezahlt.

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 Der Käfig für die Fans entlastet die Polizei.

 Das sagen Blick.ch-Leser

 "Traurig, aber wir sind nun mal schon so weit ... Danke, ihr Idioten."
 Michel Fink, Luzern

 "Chaoten muss man wie Raubtiere behandeln. Aber den Zaun während des Spiels abbauen, um ihn später wieder aufzubauen ...?"
 Marco Weber, Basel

 "Der Zaun ist eine gute Idee. So sollten einige Krawalle verhindert werden können. Aber alles Stahl nützt auch nicht viel, wenn 600 besoffene, gewaltbereite Fans in Bern sind!"
 Jonas Mettler, Bern

 "Und wie sollen die privat anreisenden Gästefans in den FCZ-Sektor gelangen?"
 Jonas Manouk, Baden as

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BASEL

 Raubtierkäfig für FCB-Fans

 ZAUN

 In Bern werden die Gästefans bald in einem Käfig ins Stadion geführt. Ein Modell für Basel?

 Zwischen dem S-Bahnhof Wankdorf und dem Stade de Suisse wird künftig bei Hochrisikospielen ein durchgehender, mobiler Zaun errichtet. Der Berner Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP) nennt ihn einen "Raubtierkäfig".

 Dank des Zauns könne die Stadt Bern laut "Berner Zeitung" Kosten einsparen, weil es so weniger Polizisten brauche. Der Zaun kommt am Sonntag beim Spiel zwischen YB und dem FCZ erstmals zum Einsatz.

 In Zukunft dürfte er auch bei Auswärtsspielen des FCB eingesetzt werden. Ist der "Raubtierkäfig" ebenfalls ein Modell für Basel? Josef Zindel, FCB-Mediensprecher, sagt dazu: "Wir haben unsere eigenen Modelle, um Gästefans ins Stadion zu begleiten. Die Situation ist je nach Stadion verschieden."

 Ob es dereinst auch in Basel einen "Raubtierkäfig" geben wird, steht also noch in den Sternen. pp/dhs

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ST. GALLEN

 Raubtierkäfig für Gästefans

 BERN

 Am Sonntag kommt der durchgehende Zaun zwischen Bahnhof und Stadion zum Einsatz.

 Zwischen dem S-Bahnhof Wankdorf und dem Stade de Suisse wird künftig bei Hochrisikospielen ein durchgehender, mobiler Zaun errichtet. Ein "Raubtierkäfig", wie es Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP) heute in der "Berner Zeitung" nannte. Erstmals kommt der Zaun am Sonntag beim Spiel zwischen YB und dem FC Zürich zum Einsatz. Marcel Hofstetter, Präsident des FCZ-Fanclubs Letzi: "Ich habe kein Problem mit so einem Zaun, aber für einige Fans könnte es schon eine Provokation sein."

 YB und SCB bezahlen mit je 60000 Franken im Verhältnis zu den Klubs in anderen Städten einen verhältnismässig kleinen Beitrag an die Sicherheit. YB hat jetzt die Kosten von 140000 Franken für den "Raubtierkäfig" vollständig übernommen.

 Ob auch St. Galler Fussballfans bei Auswärtspielen in Bern durch den Käfig müssen, ist offen. pp

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LUZERN/ZUG

 Raubtierkäfig für Gästefans

 TEST

 Am Sonntag kommt der durchgehende Zaun zwischen Bahnhof und Stadion zum Einsatz.

 Zwischen dem S-Bahnhof Wankdorf und dem Stade de Suisse wird künftig bei Hochrisikospielen ein durchgehender, mobiler Zaun errichtet. Ein "Raubtierkäfig", wie es Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP) heute in der Berner Zeitung nannte. Erstmals kommt der Zaun am Sonntag beim Spiel zwischen YB und dem FC Zürich zum Einsatz. Marcel Hofstetter, Präsident des FCZ-Fanclubs Letzi: "Ich habe kein Problem mit so einem Zaun, aber für einige Fans könnte es schon eine Provokation sein."

 YB und SCB bezahlen mit je 60000 Franken im Verhältnis zu den Klubs in anderen Städten einen verhältnismässig kleinen Beitrag an die Sicherheit. YB hat jetzt die Kosten von 140000 Franken für den "Raubtierkäfig" vollständig übernommen. Damit kann die Stadt vor allem beim Personal sparen, denn dank dem Zaun braucht es weniger Polizisten. pp

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bernerzeitung.ch 9.2.11 (14.00 Uhr)
http://www.bernerzeitung.ch/region/bern/FCZFans-wollen-dem-Raubtierkaefig-ausweichen/story/29497732

FCZ-Fans wollen dem "Raubtierkäfig" ausweichen

Von Jonathan Spirig, tob
     

Weil sie vor dem Spiel gegen YB durch einen "Raubtierkäfig" zum Stadion geleitet werden sollen, sind die Fans des FC Zürich sauer. Sie wollen nun statt im Extrazug individuell anreisen. YB appelliert seinerseits an die Fairness der Fans.

YB empfängt am Sonntag um 16 Uhr den FC Zürich im Stade de Suisse. Zwischen Anhängern dieser Vereine kam es in der Vergangenheit immer wieder zu Ausschreitungen. Erstmals in der Geschichte des Stade de Suisse sollen die Auswärtsfans deswegen durch einen durchgehenden "Raubtierkäfig" (Zitat Reto Nause, Sicherheitsdirektor der Stadt Bern) vom S-Bahnhof-Wankdorf zum Gästesektor des Stadions gelangen. Der mobile Zaun wird vor Ankunft des Extrazuges aus Zürich aufgestellt, während der Partie abgebaut und nach dem Schlusspfiff erneut errichtet.

Der Ausdruck "Raubtierkäfig" hat in den Fussball-Foren für grosse Diskussionen und Ärger gesorgt. Die FCZ-Anhänger rufen in ihrem Forum (http://1898.ch/forum) dazu auf, statt im Extrazug mit den regulären Zügen anzureisen.

Keine Provokation

Wie der FCZ-Fanclub Südkurve schreibt, gehe es aber nicht darum, die Polizei oder die Sicherheitskräfte zu provozieren. Man wolle so nur der zunehmenden Schikanierung der Fans Einhalt gebieten und dafür sorgen, das alle Zuschauer dank der früheren Ankunftszeit pünktlich im Stadion sind.

Auch die YB-Sympathisanten verfolgen die Situation in ihrem Forum gespannt. Während ein Fan nachfragt, ob man Koteletts in den Käfig werfen dürfe, sehen andere schwarz. Sie befürchten, dass der Sonntag wegen diesem Käfig chaotischer werden wird, als er es sonst gewesen wäre. Einig ist man sich mit den FCZ-Fans, dass der Begriff, den Nause gewählt hat, herablassend ist.

Dass der "Raubtierkäfig" für Ärger sorgen könnte hat man auch bei YB erkannt. Die Verantwortlichen distanzierten sich am Mittwoch vehement von der Darstellung des Raubtierkäfigs. Es handle sich lediglich um eine Verlängerung des bestehenden Fanzauns um 150 Meter - es könne auch keine Rede davon sein, dass die Gäste in Bern wie Raubtiere empfangen werden.

Appell an die Fairness der Fans

YB und das Stade de Suisse bedauern gemäss Mitteilung, dass mit den Aussagen von Sicherheitsdirektors Nause die Diskussion "in eine falsche Richtung" gelenkt worden ist. Das Bestreben sei es, mit der Verlängerung des bestehenden Zauns für zusätzliche Sicherheit zu sorgen und die Anzahl der im Einsatz stehenden Polizeikräfte zu verringern.

Im Schreiben appelliert YB "in aller Form" an die Fairness der Fans und wünscht sich, dass die Diskussion bezüglich Sicherheitskosten künftig wieder "auf sachdienlicher Ebene" geführt werden kann.

Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP) war für eine Stellungnahme nicht erreichbar. (Bernerzeitung.ch/Newsnetz)

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bscyb.ch 9.2.11
http://www.bscyb.ch/news-detail.aspx?navi=4&detail=839

09.02.11  Kein "Raubtierkäfig", sondern die Verlängerung des bestehenden Zauns

Der BSC Young Boys und das Stade de Suisse sehen sich veranlasst, auf heutige Medienberichte zu reagieren. Im Zusammenhang mit der geplanten Verlängerung des Sicherheitszauns zwischen Bahnhof Wankdorf und Stade de Suisse brauchte der Berner Sicherheitsdirektor den Begriff "Raubtierkäfig". YB und das Stade de Suisse distanzieren sich vehement von dieser Darstellung - es kann keine Rede davon sein, dass die Gäste in Bern wie Raubtiere empfangen werden. Vielmehr ist nach Absprache mit der Berner Kantonspolizei geplant, den bisherigen Zaun mobil zu verlängern - mit einem Zaun im normalen Sinn und keineswegs als Käfig. Der bisherige Zaun ist ungefähr 450 Meter lang, nun ist die Verlängerung bzw. die mobile Schliessung der Lücke beim Überqueren der Hauptstrasse um weitere rund 150 Meter geplant.

 YB und das Stade de Suisse bedauern, dass mit den Aussagen des Sicherheitsdirektors die Diskussion in eine falsche Richtung gelenkt worden ist. Das Bestreben ist es, mit der Verlängerung des bestehenden Zauns (Kostenpunkt 140'000 Franken, bezahlt von YB) für zusätzliche Sicherheit zu sorgen und die Anzahl der im Einsatz stehenden Polizeikräfte zu verringern.

 Wir appellieren in aller Form an die Fairness der Fans und wünschen uns, dass die Diskussion bezüglich Sicherheitskosten künftig wieder auf sachdienlicher Ebene geführt werden kann.

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gaeubschwarz.be 9.2.11

Sehr geehrter Herr Nause

 Kategorie: Getackelt Autor: Biber

Wir haben heute in der Berner Zeitung lesen können, dass am nächsten Sonntag im Rahmen des Fussballspiels der Berner Young Boys gegen den FC Zürich zum ersten Mal die Absperrgitter zum Einsatz kommen sollen. Sie haben in diesem Zusammenhang auch von einem "Raubtierkäfig" gesprochen, in den die zürcher Fans gesteckt werden sollen. Wir bezweifeln den Erfolg dieser Massnahme und erlauben uns einige Fragen:
 Zuerst einmal würde uns doch sehr interessieren, ob der offenbar von Ihnen verwendete Begriff des Raubtierkäfigs Ihrem Verständnis von Fussballfans entspricht? Handelt es sich dabei um wilde Bestien, die man am besten in Käfigen sperrt? Oder sind Fussballfans eher Zirkustiere, die, abgeschirmt durch massives Eisen, aus etwas näherer Distanz quasi als Attraktion beobachtet werden können? Zum Raubtier im Käfig gehört übrigens unseres Wissens auch immer ein Dompteur. Sehen Sie sich in dieser Rolle? Oder haben wir Sie etwa ganz falsch verstanden?
 Weiter fragen wir uns, wie Sie das den Zutritt kontrollieren wollen. Müssen zürcher Fans, die in den Auswärtssektor wollen, zwingend den "Käfig" durchlaufen? Oder müssen sie sogar auf dem Extrazug sein? Was machen Sie mit zürcher Fans, die ganz normal mit Regelzügen und Bernmobil anreisen werden? Übrigens: Ein Teil der zürcher Südkurve, das wissen wir aus entsprechenden frei zugänglichen Internetforen, wird mit ganz normalen Regelzügen anreisen. Vermutlich über den Hauptbahnhof, wo auch die meistens YB Fans eintreffen werden. Wir schlagen vor, am besten die ganze Innenstadt in einen Raubtierkäfig zu verwandeln. Um einen Zirkus scheint es sich zumindest heute schon zu handeln.

 Mit freundlichen Grüssen

 Gaeubschwarz.be

P.S. Wir sind ein YB-Fanblog (http://www.gaeubschwarz.be). Wenn Sie uns auf dieses Mail antworten, so werden wir Ihre Antwort  veröffentlichen. Und keine Angst, nicht alle Raubtiere beissen.

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suedkurve.ch 9.2.11

Alli uf Bern mit em normale Zug!

Für das Auswärtsspiel am 13.02.2011 gegen YB werden wir nicht wie gewohnt einen Extrazug nutzen!

Wie bereits beim letzten Auswärtsspiel gegen St. Gallen wurde die Ankunftszeit des Extrazugs so terminiert dass noch weniger Zeit für das in Bern sowieso schon langwierige Eingangsprozedere bleibt, obwohl schon beim letzten Spiel dort etliche Fans aufgrund der zu knappen Zeitbemessung den Spielbeginn nicht im Stadion verfolgen konnten.

 Bereits vor dem Spiel in St. Gallen haben wir auf diese Problematik, die unweigerlich ein Gedränge und Nervosität auf beiden Seiten herbeiführt, aufmerksam gemacht. Damals wurden wir mit angeblichen zusätzlichen Drehkreuzen abgespeist welche sich als nutzlos erwiesen, denn bei Spielbeginn standen noch einige Dutzend Fans vor den Eingängen weil vor den Drehkreuzen trotzdem lediglich zwei und nicht vier Durchgänge vorhanden waren.

Kein polizeiliches Interesse an Deeskalation?

 Auch diesmal sind wir bei der Polizei, welche der SBB die Ankunftszeiten diktiert, mit unserem Anliegen auf taube Ohren gestossen. Man gibt sich dort betont lernresistent und will auf keinen Fall eine frühere Ankunft des Extrazuges akzeptieren. Unser Bemühen dient der Entspannung der Lage und eines reibungslosen Ablaufs unseres Spiels in Bern. Gleichzeitig spricht der Sicherheitsdirektor der Stadt Bern wortwörtlich von "Raubtierkäfigen", in denen wir Fans vom Bahnhof zum Stadion geleitet werden sollten. Nicht unbedingt ein Ausdruck, der deeskalierend wirkt.

 Um dieser Tendenz der zunehmenden Schikanierung Einhalt zu gewähren, und um zu verhindern dass noch mehr Fans den Spielbeginn verpassen werden wir diesmal einen Regelzug der SBB benutzen! Wichtig ist dabei, auf keine Provokationen der Polizei oder der Sicherheitsdienste einzugehen. Durch eine frühere Ankunftszeit sollte die nötige, deeskalierende Entspannung an den Eingängen gewährleistet sein.

Nur gemeinsam können wir so ein Zeichen setzen!

 Auf zu 3 Punkten!

 Treffpunkt HB: 11:30 Uhr. Weitersagen und kommen!!!!

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BZ 9.2.11

FCZ-Fans müssen hinter Gitter

 Stadt BernDas erste Heimspiel der Meisterschaftsrückrunde ist für die Young Boys ein Hochrisikospiel. Am Sonntag empfängt YB den FC Zürich. Dabei kommt erstmals ein durchgehender "Raubtierkäfig" zum Einsatz, wie es Sicherheitsdirektor Reto Nause nennt: Der mobile Zaun zwischen S-Bahnhof Wankdorf und Stade de Suisse soll dafür sorgen, dass weniger Polizisten im Einsatz stehen müssen. Trotz diesem Zaun, den YB bezahlt hat, nimmt der politische Druck auf den Fussballklub zu, sich finanziell stärker an den Sicherheitskosten zu beteiligen. Die Berner SP fordert eine Abgabe von zwei Franken pro Zuschauer und Spiel.azu Seite 2

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SP fordert: Jeder YB-Zuschauer soll zwei Franken für Polizei bezahlen

 SicherheitskostenJährlich beteiligen sich YB und SCB mit je 60 000 Franken an den Polizeikosten, die während den Spielen anfallen. Im Städtevergleich ist der Beitrag gering. Die Berner SP verlangt eine Abgabe von zwei Franken pro Zuschauer und Spiel.

 Mit einem Hochrisikospiel beginnt am Sonntag die Fussballrückrunde in der Stadt Bern. YB empfängt um 16 Uhr den FC Zürich im Wankdorfstadion. Zwischen Anhängern dieser Vereine kam es in der Vergangenheit immer wieder zu Ausschreitungen.

 Erstmals in der Geschichte des Stade de Suisse gelangen die Auswärtsfans durch einen durchgehenden "Raubtierkäfig" (Zitat Reto Nause, Sicherheitsdirektor der Stadt Bern) vom S-Bahnhof-Wankdorf zum Gästesektor des Stadions. Der mobile Zaun wird vor Ankunft des Extrazuges aus Zürich aufgestellt, während der Partie abgebaut und nach dem Schlusspfiff erneut errichtet.

 "Dank dieses Zaunes sollen in Zukunft während YB-Spielen weniger Polizisten im Einsatz stehen", sagt der Stadtberner Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP). Denn seit einigen Jahren kämpfen die Behörden gegen die steigenden Sicherheitskosten rund um Sportveranstaltungen an. Diese sind laut des kantonalen Polizeidirektors Hans-Jürg Käser (FDP) "aus dem Ruder gelaufen". Vor sieben Jahren schlugen die Kosten für die öffentliche Sicherheit noch mit 250 000 Franken jährlich zu Buche. Mittlerweile hat sich der Betrag auf dem Niveau von 2,5 Millionen Franken pro Jahr stabilisiert. An SCB-Spielen ist das Polizeiaufgebot gemäss Nause "viel tiefer", als wenn YB spielt.

 Polizisten fehlen in der Stadt

 Passend zum Rückrundenstart schaltet sich die Berner SP in die Sicherheitsdebatte rund um Sportveranstaltungen ein. In ihren jüngst publizierten Legislaturzielen fordern die Genossen, dass "die Sicherheitskosten von Sportanlässen nicht von der öffentlichen Hand finanziert werden sollen."

 SP-Stadtrat Stefan Jordi konkretisiert: "YB sollte sich mit einem Betrag zwischen 1,8 und 2 Franken pro Zuschauer und Spiel an den Polizeikosten beteiligen." Das liege in der Grössenordnung des FC Basels. Dieser Klub zahlt pro Zuschauer 1,8 Franken an die Sicherheitskosten. Jordi argumentiert mit dem Verursacherprinzip: "Als Veranstalter der Spiele, die solche Kosten verursachen, stehen die Klubs in der Verantwortung."

 Die Polizeileistungen an YB- und SCB-Spielen sind durch den Ressourcenvertrag abgegolten, der zwischen den Berner Stadtbehörden und der kantonalen Polizeidirektion besteht. "Weil derart viele Ressourcen für Sportveranstaltungen benötigt werden, gibt es beispielsweise weniger Polizeipatrouillen in der Berner Innenstadt", sagt Hans-Jürg Käser.

 Problematischer Vertrag

 Aktuell bezahlen YB und SCB eine jährlichen Pauschale von je 60 000 Franken an die Polizeikosten. "Dieser Betrag ist - nett ausgedrückt: bescheiden", sagt Stefan Jordi. In der Tat beteiligen sich die Young Boys im Vergleich mit anderen Schweizer Städten marginal an den öffentlichen Sicherheitskosten (siehe Grafik). Der ehemalige Polizeidirektor Stephan Hügli (FDP) hat den Vertrag mit YB und dem SCB ausgehandelt. "Dieser Vertrag stellt die Stadt Bern vor Probleme", sagt Stefan Jordi. Denn die Laufzeit beträgt fünf Jahre. "Eigentlich müsste man die Kosten vor jeder Saison neu aushandeln, weil niemand weiss, wie sich die Zahlen entwickeln."

 Auch Sicherheitsdirektor Reto Nause bestätigt die Problematik dieses langfristigen Vertrages, den er seinem Vorgänger verdankt. Laut eines Bundesgerichtsentscheides aus dem Frühjahr 2009 dürften die Behörden 80 Prozent der Sicherheitskosten an die verursachenden Sportklubs überwälzen. "Dummerweise haben wir den Vertrag mit YB und dem SCB wenige Monate vor diesem Bundesgerichtsentscheid unterschrieben", sagt Nause. Es gäbe bestimmt juristische Optionen, um den Vertrag anzupassen, sagt Nause. "Doch es geht hier um die Verlässlichkeit unter Vertragspartnern."

 Nause lobt Sportklubs

 Reto Nause betont: "Sowohl die Young Boys wie auch der SCB kooperieren gut mit den Sicherheitsbehörden." Er erwähnt die Zusatzvereinbarung für internationale Spiele, für die YB bereits heute zwei Franken pro Zuschauer dem Staat abgibt. Auch der neue Zaun zwischen Stadion und S-Bahn-Station habe YB selber bezahlt (siehe Kasten).

 Hans-Jürg Käser lässt durchblicken, dass sich die Sportklubs seiner Meinung nach stärker an den Sicherheitskosten beteiligen sollten. Allerdings anerkennt auch er "die Anstrengungen, welche YB und SCB zusätzlich leisten" Beide Vereine würden Fanarbeiter finanzieren und beide hätten die Videoüberwachung im Stadion ausgebaut. "Sollten die Polizeikosten dank diesen Massnahmen markant zurückgehen, müsste man die Vereine nicht zusätzlich zur Rechenschaft ziehen."

Tobias Habegger

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 YB bezahlt jährlich drei Millionen für die Sicherheit

 ReaktionenYB und der SCB zählen auf, wie viel Geld sie bereits heute in die Sicherheit in und um ihre Stadien investieren.

 Die Young Boys wehren sich gegen den Vorwurf, wonach sie zu wenig Geld für die Sicherheitskosten ausgeben würden: "Pro Saison wenden wir für die Sicherheit im Stadion rund 3 Millionen Franken auf", sagt YB-Pressesprecher Albert Staudenmann. Das sei viel Geld, habe sich aber bezahlt gemacht. "Es gab in den letzten zwei Jahren keine Ausschreitungen im Stade de Suisse."

 Zusätzlich zu den 60 000 Franken, mit denen sich YB jährlich an den Polizeikosten beteiligt, hat der Klub mit 140 000 Franken den Zaun zwischen dem Stade de Suisse und der S-Bahn-Station Wankdorf finanziert. Staudenmann zählt weitere von YB finanzierte Projekte auf: "Wir haben eine Fanrückhaltezone beim Gästesektor gebaut - damit sich die Fangruppen nach den Spielen nicht begegnen." Zudem unterstütze YB verschiedene Fanprojekte, produziere für den TV-Screen im Stadion Trailers mit YB-Spielern, die sich von Gewalt, Pyros und Rassismus distanzieren.

 Rolf Bachmann, Chief Operation Officer des SCB, betont: "Der SCB investiert über eine Million Franken pro Saison in die Sicherheit." Damit finanziere der Eishockey-Schweizer-Meister den Sicherheitsdienst in der Postfinance-Arena sowie das Sicherheitspersonal an den Auswärtsspielen. Neben den Abgaben an die Polizeikosten von 60 000 Franken entlöhnt der SCB zwei Teilzeitmitarbeiter im Fanarbeitsbereich sowie ein Mitarbeiter mit Schwergewicht Sicherheit. Zudem organisiert der Klub Sicherheitsmeetings mit dem Verband, und er betreibt eine Videoüberwachung im Stadion. tob

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L'Express/L'Impartial 9.2.11

VIOLENCES

 Les CFF organisent le voyage des ultras

 Sylvio Bernasconi considère lui aussi que les débordements provoqués dimanche à Neuchâtel par les ultras du FC Sion sont intolérables. Le président de Neuchâtel Xamax comprend donc la réaction du conseiller d'Etat Jean Studer. Le chef du Département de la sécurité a donné de la voix lundi, menaçant de décréter des solutions extrêmes comme l'interdiction de matches à la Maladière ou l'imposition de rencontres à huis clos. Mais avant d'en arriver là, le boss des "rouge et noir" souhaiterait que les fan's clubs viennent à Neuchâtel en autocars plutôt qu'en trains spéciaux. Moyen de transport qu'utilisent précisément les deux fan's clubs qui suivent Xamax dans ses déplacements.

 Or, semble-t-il, personne n'est en mesure de décider du mode de déplacement des suiveurs, et des hooligans surtout, de Sion ou de n'importe quel autre club du pays. "Nous, nous étions contre la venue des supporters sédunois en train spécial", assure Philippe Salvi. L'avis du directeur administratif de Xamax n'a pesé d'aucun poids. Pourtant, "nous savions que ce déplacement serait difficile à gérer. Cela avait déjà été le cas, en décembre dernier, lors du premier voyage en train spécial des supporters sédunois."

 Aucune autorité ne gère les risques liés au déplacement de foules au potentiel de dangerosité démontré. Le calendrier de la Swiss Football League (SFL) établit pourtant très clairement avant le début du championnat quels sont les matches à risque! "Ce sont les fan's clubs qui décident du moyen de transport qu'ils vont emprunter", confirme le responsable de la cellule hooliganisme de la police cantonale valaisanne. Des propos immédiatement corroborés par le directeur général du FC Sion. "Nous n'organisons aucun déplacement pour les supporters du FC Sion, ni ne vendons aucun billet pour les matches à l'extérieur. Ce sont les CFF qui prennent, en tant qu'entreprise commerciale, l'initiative de démarcher les fan's clubs!" Et le bras droit de Christian Constantin d'assurer qu'il est totalement favorable aux déplacements en autocar.

 Aux CFF, on se dit bien conscient de la problématique. Mais l'ex-régie fédérale, tout en admettant que son service commercial démarche effectivement les supporters, se pose en sauveur plutôt qu'en vecteur des ennuis générés par les hooligans. "Les autocaristes refusent de plus en plus de transporter ces groupes. C'est un risque qu'ils ne veulent plus prendre", éclaire Jean-Louis Scherz. Le porte-parole souligne l'obligation légale des CFF de transporter des voyageurs. "Nous proposons des trains spéciaux aux supporters afin de les canaliser. Précisément pour qu'ils n'indisposent pas les clients des trains réguliers."

 Le porte-parole des CFF précise que les problèmes rencontrés avec les fan's clubs du FC Sion sont relativement récents (et les dégâts au train utilisé dimanche plus conséquent qu'imaginé initialement). "Nous sommes en discussion avec différentes partenaires afin de mieux responsabiliser les clubs", assure Jean-Louis Scherz. "Mais nous ne savons pas encore comment procéder lors de prochains matches."

 Faudra-t-il se résoudre à interdire des rencontres, comme suggéré par Jean Studer? Qui prendrait alors la décision?

 "Je ne sais pas si les pouvoirs politiques en ont la compétence. Il faudrait étudier la législation", évoque, quelque peu circonspect, le porte-parole de la SFL. "Le plus important est d'ouvrir la discussion avec les autorités afin de les soutenir", poursuit Roger Muller, en lâchant cette perle: "Il n'est pas possible d'éviter le potentiel de violence...". Avant de se ressaisir. "Dans les pays où le hooliganisme a disparu, ils disposent d'une législation forte!" CQFD.

 SANTI TEROL

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STADTRAT
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Stadtratssitzung (Traktanden)

Donnerstag, 17. Februar 2011 17.00 Uhr und 20.30 Uhr
Sitzungssaal im Rathaus

Die Stadtratssitzungen sind öffentlich zugänglich (Besuchertribüne)
Traktanden

(...)
 
17. Kleine Anfrage Jimy Hofer (parteilos): Linksterror in Bern (SUE: Nause) 10.000321
http://www.bern.ch/stadtrat/sitzungen/termine/2010/10.000321/gdbDownload

(...)

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10.000321 (10/368)
Reg. 22/-00
Kleine Anfrage Jimy Hofer (parteilos): Linksterror in Bern

Nach den Abstimmungen vom Sonntag, 28.11.2010 kam es in der Berner Innenstadt zu Ausschreitungen durch zum Teil vermummte Chaoten, die unschwer dem Umfeld der Linksradikalen und Reithallebetreiber zugerechnet werden konnten.

1. Will oder muss der Gemeinderat mit dieser höchst undemokratischen Chaotentruppe aus der linken Szene auch in Zukunft leben?
2. Will oder kann der Gemeinderat nichts unternehmen, um die Bevölkerung in Zukunft vor diesen linken Schlägern und Chaotentruppen zu schützen?
3. Kann der Gemeinderat in Zukunft garantieren, dass Andersdenkende in dieser Stadt ihre Meinung frei äussern und Abstimmungen gewinnen können, ohne befürchten zu müssen, von linken, vermummten Terrortruppen angegriffen zu werden?
4. Wie ist es zu erklären, dass es zu Sachbeschädigungen durch einen kleinen Haufen Chaoten kommen kann, wenn der Gemeinderat darauf scheinbar vorbereitet ist und die Polizei in Bereitschaft steht?

Bern, 2. Dezember 2010
Kleine Anfrage Jimy Hofer (parteilos)

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RABE-INFO
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Mo. 14. Februar 2011
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_14._Februar_2011.mp3
http://www.rabe.ch/nc/webplayer.html?song_url=uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_14._Februar_2011.mp3&song_title=RaBe-%20Info%2014.%20Februar%202011
- Projekt Stattgarten - Wie man ohne Garten zum Gärtner werden oder den eigenen Garten besser nutzen kann.
- Unser Kopf der Woche ist Michael Weiss. Der Faschismus-Experte wirft einen Blick auf die rechtsextreme Szene in den sozialen Netzwerken des Internets.

Links:
http://www.apabiz.de
http://www.al-be.ch/index.php/stattgarten

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Fr. 11. Februar 2011
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_11._Februar_2011.mp3
http://www.rabe.ch/nc/webplayer.html?song_url=uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_11._Februar_2011.mp3&song_title=RaBe-%20Info%2011.%20Februar%202011
- Die Schweizer Nuklearanlagen sind sicher- doch was ist im Ernstfall?
- Freilandversuche mit Gentechpflanzen- kostet die Sicherheit mehr als die Forschung?
- Milliarden für die Entwicklungshilfe- wie werden sie richtig investiert?

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Do. 10. Februar 2011
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_10._Februar_2011.mp3
http://www.rabe.ch/nc/webplayer.html?song_url=uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_10._Februar_2011.mp3&song_title=RaBe-%20Info%2010.%20Februar%202011
- Wie Kernkraftwerke die Immobilienpreise beeinflussen: Neue Studie von Universität Bern veröffentlicht
- Grossstaudamm-Projekt Belo Monte unter Druck: Der Widerstand in Brasilien wächst
- Entschärft die Schuldenkrise! Organisationen am Weltsozialforum in Dakar fordern Insolvenzverfahren für Staaten

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Mi. 9. Februar 2011
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_9._Februar_2011_.mp3
http://www.rabe.ch/nc/webplayer.html?song_url=uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_9._Februar_2011_.mp3&song_title=RaBe-%20Info%209.%20Februar%202011
- FDP fordert mehr Rechte für Berner SexarbeiterInnen
- Solarsiedlungen sind die Bauten der Zukunft
- Kino Kunstmuseum sucht nach einem neuen Standort

Links:
http://www.aarplan.ch/aktuell/solarsiedlung-riedholz

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ANWALT DER 1. STUNDE
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Blick am Abend 8.2.11

ZÜRICH

 Neues Gesetz lähmt Polizisten

 PAPIERKRIEG

 Durch den "Anwalt der ersten Stunde" sind Polizisten seltener an der Front.

 andrea.schmits@ringier.ch

 Seit Anfang Jahr können Personen, die von der Polizei eines Verbrechens beschuldigt werden, einen "Anwalt der ersten Stunde" beiziehen. Er wird also - wie aus US-Filmen bekannt - bereits bei der Verhaftung darauf aufmerksam gemacht, dass er von Anfang an das Recht auf einen Anwalt hat.

 Diese Neuerung in der Schweizerischen Strafprozessordnung wird von den Beschuldigten rege benutzt, wie Kapo-Sprecher Stefan Oberlin gegenüber Radio DRS bestätigte. "Der Anwalt ist nicht in jedem Fall, aber doch vereinzelt zum Einsatz gekommen", so Oberlin. Besonders häufig werde die Dienstleistung von "Leuten aus anderen Kulturkreisen" in Anspruch genommen.

 Im Kanton Zürich stellen rund 200 Rechtsanwälte einen 24-Stunden-Dienst sicher.

 Marco Cortesi von der Stadtpolizei Zürich bestätigt gegenüber Blick am Abend das Bedürfnis nach dem Anwalt bereits bei der Einvernahme.

 "Der Anwalt der ersten Stunde wird beansprucht", so Cortesi.

 Allerdings habe sich in den vergangenen Wochen gezeigt, dass die Neuerung einen hohen administrativen Aufwand nach sich ziehe. Cortesi: "Die Polizisten verbringen jetzt mehr Zeit damit, Formulare auszufüllen. Dadurch sind sie weniger oft an der Front."

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VERMUMMUNG
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Landbote 9.2.11

Unbehelligte Vermummte

 Peter Fritsche

Zürich. Seit über 15 Jahren gilt im Kanton Zürich bei Demonstrationen ein Vermummungsverbot. Doch angezeigt oder gebüsst wegen verbotener Vermummung wurde kaum je einer. Grund: Das Verbot - dessen Übertretung immerhin mit 200 bis 300 Franken gebüsst werden könnte - lässt sich in der Praxis schlecht durchsetzen. Um eine Gruppe vermummter Randalierer nicht unnötig zu provozieren, sieht die Polizei nämlich grundsätzlich davon ab, einzelne Vermummte zu verhaften. Es sei denn, es liegen auch Sachbeschädigungen vor. Eine Anzeige nur wegen Vermummung hat ohnehin wenig Chancen, wie sich gezeigt hat. Randalierer, die ihr Gesicht hinter einer Skimütze versteckt haben, sprechen danach von einer Erkältung. Fussball-Hooligans geben vor, sie hätten einfach den Schal ihres Lieblingsvereins getragen. Von einer Abschaffung des wenig wirkungsvollen Verbots sprechen mag dann aber doch niemand. (pfr) Seite 26

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Verbot ohne Wirkung

 Peter Fritsche

 Zürich. Sich an Demos zu vermummen, wäre eigentlich verboten. Doch Vermummte haben wenig zu befürchten. Die Polizei hält sich bewusst zurück.

 Das Stadtzürcher Parlament will, dass Stadtpolizisten künftig nicht mehr anonym gegen gewaltbereite Demonstranten und Hooligans vorgehen, sondern mit einer Nummer auf der Kampfmontur. Dies für den Fall, dass es ein juristisches Nachspiel wegen polizeilicher Übergriffe geben sollte. Diese Forderung von linken Politikern kommt im Polizeikorps gar nicht gut an. Es befürchtet, künftig noch stärker zur Zielscheibe von randalierenden Autonomen oder Fussballfans zu werden (Ausgabe von gestern).

 Die Diskussion über die Kennzeichen bringt ein anderes Thema wieder aufs Tapet: das Vermummungsverbot. Gekennzeichnete Polizisten auf der einen, vermummte, anonyme Krawallanten auf der andern Seite - das seien ungleich lange Spiesse, argumentieren die Gegner der Uniformnummern. Damit sich Pöbler, Steinewerfer und Brandschatzer nicht hinter Schals und Skimützen verstecken können, wurde in sieben Kantonen das Vermummungsverbot eingeführt. Im Kanton Zürich hat das Stimmvolk 1995 einer solchen Massnahme zugestimmt.

 Eskalation vermeiden

 Das heisst, die Polizei hätte eigentlich ein Instrument in der Hand, um Vermummte ihrer Anonymität zu berauben. Doch in der Praxis hat sich gezeigt, wovor die Polizei bereits im Vorfeld gewarnt hatte: Dieses Instrument ist ziemlich untauglich - aus mehreren Gründen: "Aus einem Mob einen Vermummten herauszuholen, ist sehr riskant", sagt Martin Niederer vom Stadtzürcher Polizeibeamtenverband. Die Erfahrung zeige, dass ein solches Vorgehen die Stimmung zusätzlich anheize. Auch die Kantonspolizei, die Stadtpolizei Winterthur und zum Beispiel auch die Berner Kantonspolizei gehen aus diesem Grund nur zurückhaltend gegen Vermummte vor, wie es bei den betreffenden Korps heisst: "Wir wollen nicht unnötig Gewalt provozieren. Die Sicherheit der Bevölkerung hat Priorität", sagt Corinne Müller, Sprecherin der Kapo Bern. Deshalb seien in den letzten Jahren "nur vereinzelt" Vermummte angezeigt worden. Und wenn es eine Anzeige gegeben habe, dann meist in Zusammenhang mit einer Sachbeschädigung oder Landfriedensbruch, so Müller.

 Kaum Anzeigen und Bussen

 Konkretere Angaben über die Zahl der Anzeigen oder Bussen gegen Vermummte sind auch aus dem Kanton Zürich nicht zu bekommen. Marco Cortesi, Sprecher der Zürcher Stadtpolizei, spricht ebenfalls von "wenigen Anzeigen". Vermummten würde eine Busse von etwa 200 bis 300 Franken drohen. Doch ob eine solche Busse je ausgesprochen wurde, ist nicht zu erfahren. Zuständig sind die Statthalter. "Weder ich noch mein Vorgänger können sich an einen solchen Fall erinnern", sagt Winterthurs Statthalter Meinrad Schwarz. Sein Zürcher Kollege Hartmuth Attenhofer war gestern nicht zu erreichen. Doch es ist anzunehmen, dass auch in der Stadt Zürich Bussen gegen Vermummte eine unbekannte oder seltene Erscheinung sind.

 Denn - und das ist das zweite grosse Problem - es lässt sich schlecht beweisen, ob jemand tatsächlich einen Schal getragen hat, um sein Gesicht vor den Uniformierten zu verstecken. "Diese Leute machen im Nachhinein glauben, sie hätten einfach gefroren", sagt Stapo-Sprecher Cortesi. Von einer Abschaffung des Vermummungsverbots mag aber trotzdem niemand sprechen. "Man müsste vielleicht einfach mal ein Exempel statuieren", findet Stadtpolizist Martin Niederer.

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BIG BROTHER
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Bund 11.2.11

Käser reagiert auf Gesetzeslücke

 Der Regierungsrat will der Kantonspolizei präventive verdeckte Ermittlungen rasch wieder ermöglichen. Laut Polizeidirektor Hans-Jürg Käser (FDP) soll die Gesetzeslücke bei der Überwachung von Chatrooms bis im Frühherbst per Gesetzesänderung geschlossen sein. Der Grosse Rat entscheidet im März. Die neue Strafprozessordnung erlaubt es der Polizei nicht mehr, vor einem Delikt verdeckt zu ermitteln.(mra)- Seite 23

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"Verschlafen? Wir sind die Ersten, welche die Sache nun regeln"

 Regierungsrat Käser will die Lücke bei präventiven verdeckten Ermittlungen bis im Frühherbstschliessen.

 Matthias Raaflaub

 Im Herbst sollen Berner Kantonspolizisten wieder verdeckt in Chatrooms nach möglichen Pädokriminellen suchen können. Dieses Ziel verfolgt der Regierungsrat. Wie er gestern mitteilte, legt er dem Grossen Rat noch in der Märzsession eine Änderung des Polizeigesetzes vor, welche eine Gesetzeslücke bei präventiven Ermittlungen schliessen soll. Seit Anfang Jahr fehlt der Kantonspolizei die gesetzliche Grundlage für verdeckte Ermittlungen ausserhalb eines Strafverfahrens, wie sie bei Pädokriminalität im Internet und der Drogenfahndung eingesetzt wird. Die Kapo darf heute nur dort verdeckt tätig werden, wo schon ein Verbrechen geschehen ist.

 Die Regierung und das Parlament wollen schnell Abhilfe schaffen. Mit einer Lesung im März solle die Gesetzeslücke bis im Frühherbst geschlossen sein, sagt der Polizei- und Militärdirektor Hans-Jürg Käser (FDP) auf Anfrage. Dass der Rat zustimmt, ist nahezu sicher. Im Oktober und November des vergangenen Jahres hatte er zwei SVP-Motionen, welche die schnelle Anpassung der Gesetzeslage forderten, fast einstimmig überwiesen.

 Vom Chatroom ausgesperrt

 Ein kurzer Passus im Gesetz ist für die aussergewöhnliche Eile verantwortlich: "Die Staatsanwaltschaft kann eine verdeckte Ermittlung anordnen, wenn der Verdacht besteht, eine[...] Straftat sei begangen worden." Das steht unter dem Abschnitt "Verdeckte Ermittlung" in der Schweizerischen Strafprozessordnung, die seit dem 1. Januar 2011 in Kraft ist. Dieser Artikel hindert die Kantonspolizei heute daran, im Internet auf die Jagd nach Pädophilen zu gehen, die noch kein Verbrechen begangen haben. Um Kindsmissbrauch zu verhindern, traten Beamte in Bern und anderen Kantonen bis Ende 2010 mit falscher Identität in Chatrooms ein. Sie gaben sich selbst als Minderjährige aus, schlossen Bekanntschaft mit interessierten Pädophilen und verabredeten sich mit ihnen. Dann schnappte die Falle zu.

 Solche präventiven verdeckten Ermittlungen sind in der neuen Strafprozessordnung nicht mehr erlaubt. Der Bund schreibt diese Kompetenzen neu den Kantonen zu und hat sie deshalb aus dem Regelwerk entfernt. Im Kanton Bern aber fehlt dafür ein Gesetz. "Momentan haben wir keine eigene Rechtsgrundlage. Bei hinreichendem Tatverdacht können wir erst nachträglich tätig werden", sagt Daniela Sigrist, Mediensprecherin der KantonspolizeiBern.

 Dass es zur misslichen Lage für die Polizei kam, schmeichelt den Kantonen nicht. Nur in Schwyz war man sich bewusst, dass die Kantone auf die Vereinheitlichung der schweizerischen Rechtspraxis durch den Bund hätten reagieren müssen. Ob die gewählten Volksvertreter, die Kantone oder die Bundesverwaltung für das Dilemma verantwortlich ist, wird heiss diskutiert. Hat der Kanton Bern die Änderungen verschlafen? Regierungsrat Käser wehrt sich: "Verschlafen? Wir sind nach Schwyz die Ersten, welche die Sache nun regeln. Wenn schon, hat es der Bund versäumt, zu kommunizieren." Bis auf Schwyz hätten die Änderungen die meisten Kantone verschlafen, sagt dagegen SVP-Motionär Lars Guggisberg (Ittigen). "Auch der Kanton Bern." Im Übrigen glaubt er aber - gleich wie Parteikollege Andreas Blank (Aarberg), Mitautor einer zweiten Motion -, die Bundesverwaltung hätte den Kantonen bewusst machen sollen, dass Anpassungen nötig würden. "Wenn die Konsequenzen nicht deutlich genug mitgeteilt werden, ist es leicht, zu sagen, die Kantone seien dafür verantwortlich", sagt Blank.

 Trotz der "unerfreulichen" Gesetzeslücke, die noch mehrere Monate andauern wird, ist Guggisberg mit dem Zeitplan der Regierung zufrieden. "Man muss dem Regierungsrat ein Kompliment machen, dass er so schnell vorwärtsmacht, seitdem man den Ernst der Lage erkannt hat."

 Ermittlungen nur über Umwege

 Wohl habe die Regierung da auch den Druck der Polizei gespürt, sagt Blank. Er habe vernehmen können, dass die Situation für die Fahnder sehr unbefriedigend sei. Tatsächlich hätte die Passage in der Strafprozessordnung beinahe noch weitreichendere Konsequenzen gehabt. Die präventiven Ermittlungen mussten nur deshalb nicht in der ganzen Schweiz eingestellt werden, weil heute eine Vereinbarung mit Schwyz erlaubt, dass die Koordinationsstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (Kobik) der Bundespolizei Fedpol bei Überwachungen und Ermittlungen für die Kantone einspringt. Allerdings gehörten dort solche Ermittlungen nicht zu den Hauptaufgaben, sagt Fedpol-Mediensprecher Stefan Kunfermann. Weil die Behörde nicht die Arbeit von 25 Kantonspolizeien übernehmen kann, wird nicht mehr im gleichen Umfang ermittelt wie im Vorjahr.

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be.ch 10.2.11

Rechtsgrundlagen für präventive, verdeckte Ermittlungen

Die Kantonspolizei soll zur Verhinderung von Straftaten weiterhin im bisherigen Rahmen präventiv observieren und verdeckte Ermittlungen durchführen können. Der Regierungsrat hat eine entsprechende Änderung des Polizeigesetzes an den Grossen Rat verabschiedet. Dieser wird die Vorlage in der Märzsession 2011 behandeln. Das Polizeigesetz muss angepasst werden, weil seit dem 1. Januar 2011 die neue eidgenössische Strafprozessordnung gilt. Diese überlässt die Regelungen zu verdeckten Ermittlungen und Observationen ausserhalb eines Strafverfahrens den Kantonen. Mit der Anpassung des Polizeigesetzes werden diese Rechtsgrundlagen so rasch wie möglich geschaffen. Eine umfassende Revision des Polizeigesetzes ist für 2012 vorgesehen.

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BIG BROTHER VIDEO
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Schaffhauser Nachrichten 11.2.11

Videoaufnahmen: So verfahren andere Kantone

 Konsequente Auswertung der Videoaufnahmen wird von Bürgerlichen gefordert. Die Praxis in dieser Frage ist nicht einheitlich.

VON ROBIN BLANCK

 In welchem Fall sollen die Aufzeichnungen der kürzlich installierten Videokameras in der Altstadt ausgewertet werden? Die Schaffhauser Staatsanwaltschaft hat am Mittwoch dargelegt, dass sie diesen Schritt nur dann vornehmen will, wenn ein Verbrechen oder ein Vergehen vorliegt, bei Ubertretungen - etwa Unfug oder Sachbeschädigungen bis 300 Franken - hingegen davon absehe (siehe SN von gestern). Das sorgt für Unmut vorab bei bürgerlichen Politikern, die nun auf eine vermehrte Auswertung drängen.

 In Diskussion kein Thema

Fest steht: Mit den geltenden Bestimmungen zur Videouberwachung, die Gegenstand einer Volksabstimmung waren und die Wahrung von öffentlicher Sicherheit und Ordnung zum Ziel haben, ist eine Ausdehnung der Auswertung auf Übertretungen nicht möglich. Anders wäre es, wenn statt dieses allgemeineren Zwecks der Schutz eines konkreten Objekts im Vordergrund stehen würde. "Wenn die Videoüberwachung beispielsweise den unbeschädigten Erhalt eines Bauwerks zum Ziel hätte, wäre eine Auswertung der Videobilder auch im Übertretungsfalle denkbar", sagt Cem Arikan, Rechtsberater in der städtischen Verwaltung. Allerdings müssten diese Objekte auch in den entsprechenden gesetzlichen Grundlagen klar bezeichnet werden. "In der Diskussion um die Einführung der Videoüberwachung war nie die Rede davon, die Aufnahmen auch im Bagatellfall auszuwerten", blickt Staatsanwalt Peter Sticher auf die Entstehungsgeschichte zurück.

 Uneinheitliche Praxis

Wie aber handhaben andere Kantone diesen Punkt? In der Stadt Luzern etwa werden die Bilder von Polizeibeamten überwacht und gleichzeitig aufgezeichnet. Besonderes Augenmerk wird auf den oben angesprochenen Objektschutz gelegt, etwa die Kapellerbrücke: Gemäss Auskunft der Staatsanwaitschaft des Kantons Luzern könnten die Bilder der Videokameras auch bei Übertretungen beigezogen werden - sofern der zuständige Staatsanwalt dies als verhältnismässig erachtet.
 Dies, so wird erklärt, sorge dafür, dass Ermittlungsansätze auch bei Ubertretungen "nicht schon im Voraus verbaut" würden.

 In der Stadt St. Gallen sind bereits seit mehreren Jahren Videokameras im Einsatz, auch dort muss die Staatsanwaltschaft über die Sichtungsanträge der Polizei entscheiden. Wie Thomas Hansjakob, 1. Staatsanwalt des Kantons, auf Anfrage erklärt, beantrage die Polizei aber keine Sichtung bei Bagatellen, "deshalb stellt sich das Problem gar nicht", sagt Hansjakob.
 Und bei der Berner Kantonspolizei wird betont, dass man alle zur Verfügung stehenden Mittel bei den Ermittlungen einsetzt - bei Ubertretungen, wie sie etwa angetrunkene Jugendliche im Ausgang begehen, finde aber keine Videoauswertung statt

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ZWISCHENGESCHLECHT
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St. Galler Tagblatt 11.2.11

Zwist um Zwitter-Operationen

 Weder Bub noch Mädchen: Manche intersexuellen Kinder werden nach der Geburt geschlechtsangleichend operiert. Eine Gruppe von Betroffenen will dies verbieten. Christian Kind, Chefarzt des Ostschweizer Kinderspitals, geht das zu weit.

 Jeanette Herzog

 St. Gallen. Daniela Truffer ist als Zwitter geboren. Und wurde zum Mädchen gemacht. Ärzte entfernten ihr im Kindsalter einen kleinen Penis und in der Bauchhöhle liegende Hoden. "Die meisten intersexuellen Kinder werden genitalverstümmelt und kastriert", sagt Truffer erbost über geschlechtsangleichende Operationen. Die 45jährige Zürcherin kämpft mit weiteren Betroffenen in der Menschenrechtsorganisation "Zwischengeschlecht.org" für ein Verbot von nicht lebensnotwendigen, also kosmetischen Genitaloperationen an intersexuellen Kindern. "Wir kämpfen für die Menschenrechte der Zwitter. Jedes Kind soll unversehrt aufwachsen dürfen und später selber entscheiden, ob es operiert werden möchte." Die geschlechtsangleichenden Operationen - meist bleibe es nicht bei einer einzelnen - und deren Folgen traumatisieren die Kinder laut Truffer und nehmen ihnen oftmals das sexuelle Empfinden.

 Bedürfnis nach Akzeptanz

 Auch im Ostschweizer Kinderspital in St. Gallen wird eine kleine Anzahl intersexueller Kinder betreut. Für Chefarzt Christian Kind gehen die Forderungen von "Zwischengeschlecht.org" zu weit. Er ist gegen ein generelles Verbot von geschlechtsangleichenden Operationen. "Es besteht manchmal ein Konflikt zwischen der Forderung, die zukünftige autonome Entscheidung des späteren Jugendlichen über seinen Körper zu respektieren, und dem Bedürfnis des Kindes, von seiner Familie und seinen Altersgenossen als vollwertig akzeptiert zu werden", erklärt Kind, der auch Präsident der Zentralen Ethikkommission der Schweizerischen Akademie der medizinischen Wissenschaften ist.

 Entscheidung ist zwingend

 Unsere Gesellschaft kenne derzeit nur die zwei Geschlechter männlich und weiblich, begründet Christian Kind das Dilemma der Intersexualität. Deswegen muss auch innerhalb der ersten paar Monate nach der Geburt der Entscheid gefällt werden, ob das Kind männlich oder weiblich ist. Dies zumindest auf dem Papier, um das Kind ins Geburtenregister eintragen zu können. Chirurgische Eingriffe würden primär vorgenommen, wenn für das Kind eine Gefährdung besteht und nicht, um das Geschlecht anzugleichen, sagt Kind. Wenn beispielsweise der Ausgang der Harnröhre mit der Scheide zusammenfällt, muss operiert werden, um einer chronischen Nierenbeckeninfektion vorzubeugen. Habe ein eigentlich weibliches Kind aber aufgrund eines Testosteron-Überschusses im Mutterleib eine penisartige Klitoris, sei eine Operation nicht zwingend. Dennoch würden sich Eltern gemeinsam mit Ärzten in seltenen Einzelfällen dafür entscheiden, auch nicht lebensnotwendige geschlechtsangleichende Operationen vorzunehmen. Werde das Geschlecht des Kindes nämlich nicht angeglichen, könne dies zu Schwierigkeiten in der kindlichen Entwicklung. führen. "Ein Kind beginnt sich mit zwei Jahren zu fragen, ob es nun Mutter oder Vater gleicht", erklärt Christian Kind. Wenn sein familiäres Umfeld mit den uneindeutigen Geschlechtsorganen nicht umgehen kann, werde das Andersseins für das Kind sehr traumatisierend.

 Trauma verhindern

 Doch Daniela Truffer ist überzeugt, dass Anderssein weniger schlimm ist, als operiert zu werden. "Erhalten die Eltern psychologische Unterstützung und wird das Umfeld des Kindes aufgeklärt, kann es unbekümmert aufwachsen." Dies sei nicht immer einfach, aber Genitaloperationen und die nachfolgenden Behandlungen ermöglichten kein unbeschwertes Kindsein. "Ich kenne keinen operierten Zwitter, der glücklich ist. Wir sind alle psychisch und physisch versehrt." Truffer selbst hat über Jahre psychologische Betreuung in Anspruch genommen. Sie wünscht sich, sie wäre damals nicht operiert worden.

 "Für das Wohl des Kindes"

 Daniela Truffer und "Zwischengeschlecht.org" klagen die Ärzte des Ostschweizer Kinderspitals an, die Eltern zum Teil massiv unter Druck zu setzen. "Die Ärzte wollen die Kinder operieren", sagt Truffer.

 Der Chefarzt weist dies vehement zurück: "Unser Interesse zu operieren, ist nicht gross. Wir drängen niemanden zu einem Eingriff." Im Ostschweizer Kinderspital wird bei der Behandlung eines intersexuellen Kindes ein multiprofessionelles Betreuungsteam beigezogen. Chromosomen, Hormone und Geschlechtsorgane werden überprüft, um allenfalls ein eindeutiges Geschlecht ausmachen zu können. Ist dies nicht möglich, beraten die Eltern mit dem Betreuungsteam, das aus Hormonspezialisten, Gynäkologen und Psychologen besteht, was das Beste für das Kind sein könnte. Die Entscheidung schliesslich ist eine gemeinsame, denn die Eltern müssen für eine Behandlung ihr Einverständnis geben, können aber gleichzeitig keinen Eingriff verlangen, den die Ärzte ablehnen. Ob bei einem Kind eine geschlechtsangleichende Operation vorgenommen wird, hat laut Christian Kind zum Grossteil mit den Eltern zu tun: "Wenn die Eltern ein intersexuelles Kind nicht annehmen können, dann kann es für das Wohl des Kindes besser sein, zu operieren."

 "Lieber hier als im Osten"

 Daniela Truffer ist da anderer Meinung. "Die Unversehrtheit des Kindes muss oberste Priorität haben. Schreit ein Kind für den Geschmack der Eltern zu laut, entfernt man auch nicht seine Stimmbänder."

 Christian Kind sieht das pragmatisch: "Es ist mir lieber, wir behandeln die Kinder hier, als dass die Eltern in den Osten fahren und die Operationen dort vornehmen lassen." Betroffene Patienten - ob operiert oder nicht - würden über Jahre hinweg begleitet. Das Ostschweizer Kinderspital unterstütze zudem die Forschung über die Behandlung von intersexuellen Kindern und nehme aktiv daran teil. In der Vergangenheit habe es bestimmt traumatisierende Eingriffe gegeben. Heute aber gehe man viel sensibler mit dem Thema Intersexualität um, sagt Kind.

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Lexikon

Zwitter

 Am Anfang sind wir alle Zwitter: Jeder Fötus hat Anlagen für beide Geschlechter. Erst nach der sechsten Schwangerschaftswoche bestimmen die Gene das männliche oder weibliche Wesen. Ein XY-Chromosomen-Paar lässt Hoden und Penis wachsen, XX führt zu Eierstöcken und Klitoris. Doch während der Entwicklung im Mutterleib kommt der Natur gelegentlich etwas dazwischen: Chromosomen fehlen oder sind überzählig, Enzyme versagen, Hormone fallen aus. Es gibt diverse Störungsbilder. Eigentlich weibliche Säuglinge können im Mutterleib einem Testosteronüberschuss ausgesetzt sein, so dass sich eine penisartige Klitoris bildet. Umgekehrt können männliche Säuglinge einen separaten Ausgang der Harnröhre ausbilden. Des weiteren gibt es Kinder, die wie Mädchen aussehen, obwohl sich in der Bauchhöhle Hoden verstecken. Gerade weil es so viele verschiedene Ausprägungen gibt, ist es schwierig, die Häufigkeit dieser Launen der Natur zu bestimmen. Eine einheitliche Statistik gibt es in der Schweiz nicht. Die Betroffenenorganisation "Zwischengeschlecht.org" spricht von einem Zwitter auf 2000 Geburten. Andere Quellen schätzen die Rate fünfmal kleiner ein. Betroffene werden auch Intersexuelle, Zwischengeschlechtliche oder Hermaphroditen genannt. (jhe)

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SEXWORK
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20min.ch 14.2.11

Luzern: Anzeige wegen Prostitution

 Prostituierte und ihre Freier sorgen im Tribschenquartier für schlaflose Nächte. Jetzt hat eine Anwohnerin Strafanzeige eingereicht.

Martin Erdmann

 "Die Sexarbeiterinnen schreien Worte wie ‹ficken› und ‹blasen› in die Nacht hinein oder streiten lautstark mit den Freiern über Preis und detaillierte Sexleistungen": So beschreibt Anwohnerin M.H., was sich Nacht für Nacht vor ihrer Haustür auf dem Strassenstrich im Tribschenquartier abspielt. Zudem seien die Prostituierten oft zugedröhnt.

 H. hat vom allnächtlichen Treiben jetzt die Nase voll und hat Strafanzeige wegen Lärmbelästigung gegen unbekannt eingereicht. Ausserdem beantragt sie die dauerhafte Wegweisung von Prostituierten - und dass die Tribschen- und Unterlachenstrasse grösstenteils strassenstrichfreie Zone werden.

 Auch der Coiffeurladen Haarkult leidet unter dem Strassenstrich. Laut Geschäftsleiterin Susanne Schmid lassen die Prostituierten und ihre Freier ihren Müll oft vor dem Haus liegen. "Das reicht von Zigarettenstummeln und Getränkeflaschen bis zu gebrauchten Kondomen und Exkrementen." Ihr Personal müsse deshalb jeden Morgen auf Müllpatrouille gehen. "Die Situation ist wirklich mühsam", ärgert sich Schmid. Die Hoffnung auf Hilfe von der Stadt Luzern schwindet: "Die Stadt hat uns bisher immer im Stich gelassen", so Schmid. Eine baldige Lösung des Prostituierten-Problems ist für sie nicht in Sicht.

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NLZ 12.2.11

Lösungen für die Stadt Luzern?

Strassenstrich

 red. Anwohner leiden seit Jahren unter dem Strassenstrich im Tribschenquartier. Der Stadtrat hat bislang keine Lösung für das Problem gefunden. Ein Blick auf andere Städte zeigt: Lösungen sind durchaus möglich. So ist in Chur die Prostitution an Strassen und Plätzen mit Wohnhäusern verboten.

 Eine Lösung auch für Luzern? Stadträtin Ursula Stämmer will sich dazu derzeit nicht äussern und verweist auf einen entsprechenden Vorstoss von Grossstadtrat Daniel Wettstein (FDP). Bei der Beantwortung des Vorstosses werde der Stadtrat seinen Standpunkt vertreten.

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Prostitution: So machen es andere Städte

 Stadt Luzern

Barbara Inglin

 In Luzern befindet sich der Strassenstrich mitten in einem Wohngebiet. Andere Städte haben dies längst verboten - und erfolgreich durchgesetzt.

 barbara.inglin@luzernerzeitung.ch

 Ganz verbieten lässt sich die Strassenprostitution nach Schweizer Gesetz nicht. Aber die Städte können durchaus Einfluss darauf nehmen, wo sie sich abspielt. So könnte Luzern zum Beispiel Zonen festlegen, in denen Prostitution toleriert oder eben verboten ist (siehe Kasten).

 Andere Städte zeigen, wie es gehen könnte: In Chur ist es gemäss Polizeigesetz untersagt, "sich in der erkennbaren Bereitschaft zur Ausübung der Prostitution an folgenden Orten aufzuhalten: Strassen und Plätze, an denen Wohnhäuser stehen; in und bei Parkanlagen, die der Öffentlichkeit zugänglich sind; in der Nähe von Schulen, Kinderspielplätzen, Heimen, Sportanlagen, Spitälern, Kirchen und Friedhöfen". Laut Roland Hemmi von der Churer Stadtpolizei ist der Strassenstrich in einem Industriequartier angesiedelt. "Wenn das Gesetz nicht eingehalten würde, könnten wir eine Wegweisung verfügen", sagt Hemmi.

 Auch die Stadt St. Gallenkennt ein städtisches Polizeireglement mit praktisch identischem Wortlaut. Zusätzlich verboten ist die Prostitution in St. Gallen an Haltestellen öffentlicher Verkehrsmittel während der Betriebszeiten.

 Basel büsst auch die Freier

 In Basel-Stadtgilt bereits seit 1978 eine Vorschrift, in welcher drei Toleranzzonen für die Strassenprostitution festgelegt sind. Wer sich nicht daran hält, muss mit einer Geldbusse oder Haft rechnen. "In Betrieb ist aber nur noch eine der Toleranzzonen im Kleinbasel", sagt Klaus Mannhart, Leiter Kommunikation des Justiz- und Sicherheitsdepartements des Kantons Basel-Stadt. "Die anderen zwei Zonen in der Nähe von Bahnhöfen im Industriegebiet wurden nie benutzt. Eine von ihnen wurde darum vor rund zehn Jahren offiziell wieder gestrichen." Hin und wieder komme es vor, dass einzelne Sexarbeiterinnen Plätze ausserhalb der erlaubten Zone zur Prostitution benutzten. "Die Polizei kontrolliert hier aber sehr intensiv. Gebüsst werden nicht nur die Prostituierten, die meist aus dem Drogenmilieu kommen, sondern auch die potenziellen Freier, die den Platz umrunden. Sie erhalten eine Busse wegen ‹unnötigen Herumfahrens› beziehungsweise ‹Nachtruhestörung›. Das funktioniert", sagt Mannhart.

 Dass sich der Strassenstrich durchaus ins Industriegebiet verschieben lässt, zeigen die Erfahrungen aus Olten. "Anfang der Achtzigerjahre fand die Prostitution noch mitten in der Innenstadt statt, in der Nähe des Kantonsspitals", sagt Andreas Kohler, stellvertretender Kommandant der Stadtpolizei. "Da sich die Anwohner daran gestört haben, hat der Stadtrat den Prostituierten ein Gebiet an der Industriestrasse zugesprochen, wo der Strassenstrich toleriert wurde. Die Frauen waren froh, an einem Ort zu arbeiten, wo sie nicht dauernd weggewiesen wurden." An der Industriestrasse wurden Kameras installiert und ein Beratungsangebot für die Prostituierten geschaffen.

 Olten: "Strich massiv verkleinert"

 Doch je länger, je mehr störte sich auch das Gewerbe am Strassenstrich. Zeitweise haben laut Kohler bis zu 90 Prostituierte an einem Abend dort gearbeitet. "Auf den Druck der Gewerbetreibenden wurde der Strich vor vier Jahren massiv verkleinert und in die nahe Haslistrasse verschoben", sagt Kohler. Ideal sei die Lösung aber immer noch nicht. Das ansässige Kleingewerbe, eingemietete religiöse Gemeinschaften und Kulturgemeinden von Ausländern würden sich nun über den Strassenstrich beschweren. Der Strich bleibe auch in Olten ein Politikum.

 Luzern: Vorstoss hängig

 Der Luzerner Stadtrat hat sich in der Vergangenheit gegen die Bildung von Strichzonen ausgesprochen. Momentan will sich die zuständige Stadträtin Ursula Stämmer nicht äussern, da inzwischen ein neuer Vorstoss von Daniel Wettstein (FDP) eingereicht wurde (Ausgabe vom 7. Februar). Bei der Beantwortung des Vorstosses werde der Stadtrat seinen Standpunkt vertreten.

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 Strichzonen sind möglich

 flj. Die Gemeinden des Kantons Luzern können lokale Vorschriften über die Ausübung der Prostitution erlassen. Zwar kann man die Prostitution selbst gemäss Bundesrecht nicht verbieten. Jedoch können Ort, Zeit und Art der Ausübung geregelt werden. Ebenfalls sind störende Begleiterscheinungen der Prostitution, wie zum Beispiel Nachtruhestörung, strafbar.

 In der Antwort auf eine schliesslich zurückgezogene SVP-Motion schrieb der Stadtrat im Jahr 2004, dass es möglich wäre, Strichzonen festzulegen, in denen Prostitution toleriert würde, und andere Zonen, wo sie illegal wäre. Der Stadtrat sprach sich damals gegen eine solche Regelung aus. Sie bringe "derzeit keine wesentlichen Vorteile". Die Verlagerung der Strassenprostitution sei nur realisierbar, wenn man Liegenschaften gezielt für die Prostitution zur Verfügung stelle.
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Reformiert 11.2.11

"Diese Verordnung ist eine Mogelpackung"

 Stadt Zürich/ Der Stadtrat plant eine neue Prostitutionsverordnung. Die Stadtmission, aber auch andere Fachstellen, kritisieren den Entwurf.

 Am 19. Januar hat der Stadtrat den Entwurf der neuen Prostitutionsgewerbeverordnung in die Vernehmlassung geschickt. Gemäss dieser braucht es für die Prostitution künftig eine Bewilligung. Und Salonbesitzer müssen ein Patent vorweisen.

 Kritik

Die neue Verordnung zielt vor allem auf die Missstände beim Strassenstrich am Sihlquai, wo die Zahl der Prostituierten als Folge der EU-Personenfreizügigkeit deutlich zugenommen hat. Der Kampf um Freier zwingt die Prostituierten, zum Teil unter unwürdigsten Bedingungen zu arbeiten, zum Beispiel im Freien. Frauen werden Opfer von Zuhälterbanden und Menschenhändlern, und die Anwohner klagen über Lärm und Schmutz.

 Heute kann sich eine Prostituierte aus einem Schengen-Land eine Bewilligung beim Amt für Wirtschaft besorgen und neunzig Tage in Zürich arbeiten. Neu soll dies schwieriger werden. Sie muss eine zusätzliche Bewilligung für Strassenprostitution einholen und dafür bestimmte Voraussetzungen erfüllen: Mündigkeit, Urteilsfähigkeit, Aufenthaltserlaubnis, die Zulassung zur Erwerbstätigkeit und den Nachweis einer Krankenversicherung.

 Gegen diese Kriterien sei nichts einzuwenden, sagt Regula Rother von der Zürcher Stadtmission. Trotzdem lehnt sie zusammen mit der Fachstelle Frauenhandel und Frauenmigration FIZ und der Zürcher Aidshilfe gemäss einem Communiqué die Verordnung ab. Die Fachstellen stören sich daran, dass die Verordnung, neben dem Schutz der Bevölkerung, bessere Arbeitsbedingungen und mehr Sicherheit für Sexarbeiterinnen verspricht. "Diesen Anspruch erfüllt die Verordnung in keiner Weise", kritisieren sie und bezeichnen sie als "Mogelpackung", weil sie Ausbeutung und Gewalt nicht verhindere.

 Illegalität

Vor allem lehnen die Fachstellen die vorgesehene Bewilligungspflicht für alle Prostituierten ab. Rother befürchtet, dass viele Frauen deswegen in die Agglomeration abwandern oder in die Illegalität abtauchen könnten. Dort wären sie Zuhältern oder Menschenhändlern erst recht ausgeliefert. Diese Gefahr drohe besonders auch deshalb, weil sich die Stadt laut der neuen Verordnung vorbehält, die Bewilligungen zeitlich zu begrenzen. Stadtrat Daniel Leupi dagegen glaubt, dass die Bewilligungspflicht zur Sicherheit der Sexarbeiterinnen beiträgt. Der Strassenstrich werde so kontrollierbarer und transparenter. "Damit kann verhindert werden, dass etwa Zuhälter in den für die Strassenprostitution zugelassenen Gebieten die Vorherrschaft übernehmen", so der Vorsteher des Polizeidepartements, das die Verordnung ausgearbeitet hat.

 Unterstützung

Die Stadtmission, die von der Stiftung der Evangelischen Gesellschaft des Kantons Zürich getragen wird, betreibt im Zürcher Kreis 4 seit vielen Jahren eine Anlaufstelle für Sexarbeiterinnen. Die Frauen erhalten dort Begleitung und Beratung in Gesundheits- und Lebensfragen, bei Finanzproblemen oder arbeitsrechtlichen Anliegen. Auch ein Mittagstisch ist Teil des Angebots.

 Dass die Missstände am Sihl-quai behoben werden müssen, steht für Regula Rother ausser Frage. "Es braucht aber eine nachhaltige Lösung", sagt sie und schlägt einen runden Tisch mit Vertretern von Stadt, Kanton und Fachstellen vor. Damit die Prostituierten gestärkt würden, brauche es auch arbeitsrechtlichen Schutz bezüglich Lohn, Sozialversicherung, Selbstbestimmung von Sexualpraktiken und vielem mehr. Die Vernehmlassung der Verordnung läuft bis Ende März.  

Sabine Schüpbach Ziegler

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Respekt und Rat für die Frauen im Rotlichtmilieu

 Solidarität/ Die Heilsarmee-Soldatin Cornelia Zürrer Ritter betreut jede Dienstagnacht Prostituierte im Kreis 4.

 Cornelia Zürrer Ritter weiss, wie es sich anfühlt, wenn Menschen an einem vorbeieilen und bewusst wegschauen. Als junge Frau verliebte sie sich in einen Obdachlosen und lebte mit ihm einige Zeit auf den Strassen Wiens und Zürichs. "Das hat mich sehr geprägt", erzählt sie jetzt. "Ich lernte viele Obdachlose kennen und realisierte: Es kann jeden aus der Bahn werfen." Die 44-jährige Soldatin der Heilsarmee, die jeweils dienstagnachts Prostituierte im Kreis 4 aufsucht, weiss aus dieser Zeit, wie kostbar respektvolle Begegnungen sind.

 Zuhören

Als die Heilsarmee vor dreizehn Jahren der Sozialpädagogin vorschlug, Sexarbeiterinnen zu betreuen, zögerte sie nicht. Gerade war ihr erstes Kind geboren, und nach einigen Jahren in der Jugendarbeit wollte sie Veränderung.

 Einmal pro Woche zieht Cornelia Zürrer los, in Uniformjacke, den Heilsarmee-hut auf ihrem rot gefärbten Haar. Auf der Strasse, in Salons und Wohnungen besucht sie Sexarbeiterinnen, fragt, wie es geht, verteilt Esswaren und berät in Fragen zu Gesundheit, Recht, Arbeitssuche. Von elf bis vier Uhr morgens empfängt das Dreierteam Frauen in einem Raum an der Müllerstrasse. "Oft hören wir einfach zu", sagt Zürrer. Oder sie schauen Fotos an, Fotos von Kindern.

 Die meisten Sexarbeiterinnen seien Migrantinnen, viele hätten Kinder in der fernen Heimat. Das erschüttert Cornelia Zürrer: "Die Vorstellung, ich müsste mich prostituieren, damit meine Kinder eine Lebensgrundlage haben, ist schlimm." Viele Mütter würden ihre Kinder nur einmal im Jahr sehen - und hilflos erleben, wie sie sich entfremden. Manche wollen, dass die Soldatin Zürrer mit ihnen betet, auch für die Kinder. Cornelia Zürrer betont: "Die Frauen bestimmen selbst, worüber wir reden." Für sie selber sei der Glaube, dass Gott alle Menschen liebt, die Basis ihrer Arbeit, sie schwatze ihn anderen aber nicht auf.

 Schräg

Bereits die Eltern der vifen Frau waren vollamtlich in der Heilsarmee tätig. Von den vier Geschwistern ist Cornelia als Einzige bei der Institution mit dem etwas altbackenen Profil geblieben. Lächelnd sagt sie: "Wir sind ein schräger Verein. Man muss sich dazu berufen fühlen. Ich bin eben auch etwas schräg." Ihr Obdachlosenleben sei ebenso auf Unverständnis gestossen wie ihr Entscheid, nach dem Gymnasium in einer Fabrik am Fliessband zu arbeiten.

 Mit ihrer unkonventionellen Denkweise ecke sie immer wieder an, auch in ihrer Gemeinde. Aber sie fühlt sich dennoch mit der Heilsarmee sehr verbunden, auch weil Frauen von jeher die obersten Ämter bekleiden dürfen. "Nie würde ich einer patriarchal strukturierten Kirche angehören!" Selbstverständlich ist es für Cornelia Zürrer auch, dass sie Berufs- und Familienarbeit mit ihrem Mann, einem Katholiken, teilt. Der ganzheitliche Ansatz gefällt ihr auch an der Heilsarmee - die Sorge für die elemen-tarsten Bedürfnisse der Menschen: "Suppe, Seife, Seelenheil".

 Anouk Holthuizen

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 Das Projekt "Rahab"

 In Zürich arbeiten mehr als 4400 Prostituierte mit einer Aufenthalts- und Arbeitsbewilligung. Dazu kommt eine grosse Zahl von Frauen, die sich illegal in der Schweiz aufhalten. Oft sind sie von Frauenhändlern hierher gebracht worden. "Rahab" ist ein Angebot der Heilsarmee Zürich, das sich an diese Frauen richtet, mit dem Ziel, sie aus ihrer Isolation zu befreien. Zum "Rahab"- Team gehören eine Sozialpädagogin, eine Krankenschwester und eine Sozialarbeiterin.

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Kommentar

 Wirkungsvoll gegen das Elend der Prostitution

Delf Bucher  ist "reformiert." - Redaktor in Zürich

 Unter Beschuss

In einem Blatt, das den Namen "reformiert." trägt, über Prostitution zu schreiben, ist heikel. "Gekaufte Liebe" - das skandalisiert bis heute. Daniel Leupi, der neue Stadtzürcher Polizei-vorsteher, hat dies zu spüren bekommen, als er in einem Zeitungsinterview über die Einrichtung von "Verrichtungsboxen" nachdachte, um dem Elend des Strassenstrichs am Zürcher Sihlquai zu begegnen. In deutschen Städten stehen den Prostituierten solche Unterkünfte zur Verfügung.

 Unter Kritik

Hart angeschlagen von der öffentlichen Moralkeule, krebste der neue Polizeichef schliesslich zurück. In seinem Departement wur-den neue Verbote erdacht und der Verordnungsentwurf mit der Etikette versehen, er sei im Interesse der Prostituierten. Und wieder hagelt es Kritik, auch von christlichen Organisationen wie der Stadtmission oder der Heilsarmee. Der Botschaft Jesu folgend, der die Menschen am Rand aufsuchte, stellen diese Institutionen die Frauen ins Zentrum, die, von der Armut getrieben, ihren Körper verkaufen.

 Unter Kontrolle

Was wäre nun sinnvoll für Prostituierte und Freier zugleich? Statt nur einen amtlich bürokratischen Hindernislauf für die Frauen zu organisieren, sollte Leupi seine alte Idee weiterverfolgen: Warum nicht an ein von der Stadt eingerichtetes Bordell denken? Hier liessen sich Hygiene, Sicherheit und Gesundheitsvorsorge am besten garantieren. Ein amtlich bewilligtes Haus für Sexdienstleistungen - geht das? Sicher. Wie bei der staatlichen Heroinabgabe könnte Zürich zum Modell werden, wie man dem Elend der Prostitution begegnet.

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Tagesanzeiger 9.2.11

"Die Polizei macht am Sihlquai unser Geschäft kaputt"

 Rebekka S., die auf dem Zürcher Strassenstrich anschafft, fühlt sich von der Stadtpolizei schikaniert. Im Gegensatz zu den Anwohnern: Die sind froh um die Polizeipräsenz.

 Mit Rebekka S.* sprach  Liliane Minor

 Zürich - Jeden Abend stehen Dutzende Frauen am Zürcher Sihlquai und warten auf Freier. Eine von ihnen ist Rebekka S., eine 21-jährige Ungarin. Wir treffen sie im Café El Greco am Limmatplatz. Weil Rebekka nur gebrochen Deutsch spricht, ist eine Übersetzerin aus Budapest dabei. Wer die junge Frau zum ersten Mal sieht, würde sie kaum für eine Prostituierte halten.Rebekka ist eine selbstbewusste, energische junge Frau. Ihren Namen will sie nicht in der Zeitung lesen, ebenso wenig ein Foto von sich sehen - weil sie Repressalien fürchtet.

 Seit sich die Beschwerden der Quartierbevölkerung über die Auswüchse des Strassenstrichs häufen, hat die Stadt die Vorschriften für das Gewerbe verschärft, und sie prüft eine Verlegung der Sexmeile.

 Sie arbeiten seit anderthalb Jahren am Sihlquai. Was hat sich in dieser Zeit verändert?

 Es gibt heute viel weniger Frauen am Sihlquai als früher, als der Strich noch bis zum Bahnhof ging. Damals standen jeden Abend weit über 100 Frauen dort, heute sind es etwa 70, 80. Was immer schlimmer wird, sind die Schikanen der Stadtpolizei. Die Beamten lassen uns nicht in Ruhe arbeiten. Sie machen unser Geschäft kaputt.

 Was tun die Polizisten?

 Zum Beispiel fährt die Polizei im Streifenwagen vor, wenn ich gerade daran bin, einen Mann zu bedienen. Dann befehlen sie uns per Lautsprecher auszusteigen, um den Freier und mich zu kontrollieren. Manchmal werden wir mehrmals pro Nacht kontrolliert. Das dauert jeweils bis zu einer halben Stunde. So können wir nicht arbeiten, die Freier kommen nicht, wenn sie sich beobachtet fühlen. Vor allem wir Ungarinnen werden von der Polizei schikaniert: Man zerbricht die SIM-Karten unserer Handys oder nimmt uns gleich auf den Posten mit.

 Die Polizei hat es auf illegale Prostituierte abgesehen.

 Wir haben nichts dagegen, wenn illegal arbeitende Frauen weggewiesen werden. Aber warum müssen wir Legalen ständig kontrolliert werden?

 Es geht auch um Ihren Schutz vor gewalttätigen Freiern und Zuhältern.

 Nein, eben gerade nicht. Die Stadtpolizisten kommen nicht einmal, wenn eine Frau für Stunden verschwindet und wir befürchten müssen, dass sie irgendwo vergewaltigt wird. Wenn ich in einem solchen Fall die 117 anrufe, dann heisst es, ich solle erst mal Deutsch lernen. Und ich wisse doch bestimmt, dass ich einen gefährlichen Beruf hätte. Manchmal hört man sogar: Wenn du hier keine Steuern zahlst, dann sind wir nicht für dich da. Was soll das? Ich zahle hier doch Steuern.

 Sie zahlen Steuern?

 Aber natürlich, ich habe eine Aufenthaltsbewilligung. Ich zahle auch Krankenkasse und alles.

 Die Polizei ist am Sihlquai auch deshalb präsent, weil sich Anwohner beklagen, es werde immer schlimmer dort. Verstehen Sie die Anwohner nicht?

 Der Strich ist seit 20 Jahren am Sihlquai. Die Leute, die dort hinziehen, wissen das genau. Klar, mich würde es auch nerven, wenn gebrauchte Kondome in meinem Hauseingang liegen und mir Leute ins Gebüsch pinkeln. Aber wenn die Stadt schon den Strich dort zulässt, warum stellt sie nicht mehr Klos und Mülleimer auf? Uns stehen bloss drei WCs zur Verfügung, und die sind extrem dreckig und oft kaputt.

 Wie steht es mit der grassierenden Zuhälterei?

 Ich arbeite auf eigene Rechnung. Früher hatte ich einen Zuhälter, dem ich 50 Prozent meiner Einnahmen abliefern musste. Aber der bedrohte mich. Deshalb zeigte ich ihn bei der Polizei an. Das ist jetzt ein Jahr her, aber die Staatsanwaltschaft hat nichts getan gegen ihn; er ist immer noch auf freiem Fuss. Zu meinem Glück ist er inzwischen nach Berlin gezogen. Ich habe die Polizei auch schon auf andere Zuhälter aufmerksam gemacht, aber sie tut nichts.

 Warum nicht?

 Das Problem ist, dass Zuhälterei nicht verboten ist, solange die Frauen das Geld freiwillig abliefern. Man müsste also beweisen, dass die Männer Zwang ausüben. Das ist schwierig.

 Wenn man Ihnen zuhört, fragt man sich, warum Sie hier sind. Ist Zürich kein einträgliches Pflaster?

 Doch, schon, ich verdiene gut. Ich kann sogar Geld sparen und meinen Eltern etwas nach Ungarn schicken.

 Wussten Sie, was Sie hier erwarten würde?

 Ich habe in Ungarn Konditorin gelernt, dort würde ich bloss ein paar Hundert Franken verdienen - das ist viel zu wenig, um zu leben. Die Lebenskosten in Budapest sind - gemessen an den Löhnen - höher als in Zürich. Ausserdem fand ich keinen Job. Im Internet stiess ich auf ein Inserat, das für gute Verdienstmöglichkeiten in Zürich warb. Obwohl nichts Genaueres stand, wusste ich, was meine Arbeit sein würde.

 Man hört immer wieder von Frauen, die davon angeblich nichts wissen.

 Ja, es gibt viele davon. 17-jährige Mädchen, die sich in einen Kerl verlieben. Der erzählt ihnen, er arbeite als Maurer oder so in Zürich, nimmt sie mit - und wenn sie da sind, sagt er plötzlich, er sei arbeitslos, aber sie könne Geld verdienen. Die Mädchen gehen auf den Strich, weil sie verliebt sind. In Zürich beginnen dann die Drohungen und der Zwang.

 Um den Prostituierten einen gewissen Schutz zu bieten, überlegt sich die Stadt Zürich, Strichboxen aufzustellen. Was halten Sie davon?

 Nichts. Das würde unser Geschäft ruinieren. Ich habe viele Schweizer Kunden, zum Teil Familienväter, und die kommen nicht, wenn sie das Gefühl haben, es gebe irgendwo eine Kamera. Für uns wäre ein Parkplatz ideal, mit genügend Abfallkörben, WCs und hin und wieder Zivilpatrouillen. Sicher keine Uniformierten. Und vor allem keine Kameras!

 * Name der Redaktion bekannt

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Polizei weist Vorwürfe zurück

 "Die Kontrollen sind absolut nötig"

 Zürich - Marco Cortesi, Medienchef der Stadtpolizei, weist die Vorwürfe der Prostituierten Rebekka S. zurück: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass so etwas passiert. Wenn dem so wäre, käme es bestimmt zu Anzeigen." Die Polizisten seien geschult. Ein Verhalten, wie es Rebekka S. schildere, würde intern nicht akzeptiert. Dass die Kontrollen für die Prostituierten nicht angenehm seien, kann Cortesi indes nachvollziehen.

 Für die Prostituierten-Anlaufstellen Flora Dora und Isla Victoria zeigen Rebekkas Schilderungen grundsätzlich das grosse Dilemma der Polizeiarbeit: Auf der einen Seite steht das Bedürfnis der Bevölkerung nach Ruhe und Ordnung, auf der anderen der Wunsch der Prostituierten, ungestört arbeiten zu können.

 Die Mitarbeiterinnen der Prostituierten-Anlaufstellen Flora Dora und Isla Victoria sind zwar überzeugt davon, dass es am Sihlquai genügend Polizeikontrollen brauche. Die Arbeit der Polizisten vor Ort schätzen sie allerdings sehr unterschiedlich ein.

 Angst vor einer Anzeige

 Im städtischen Flora-Dora-Bus, der am Sihlquai stationiert ist, beurteile man die Arbeit der Polizei insgesamt als gut, sagt Barbara Strebel, Pressesprecherin der Sozialen Einrichtungen und Betriebe der Stadt Zürich: "Wir haben zwar auch schon gravierende Klagen gehört, aber wenn wir den Frauen Hilfe anbieten, um Anzeige zu erstatten, lehnen sie meist ab." Die Anliegen der Prostituierten würden regelmässig in Gesprächen mit der Polizei besprochen.

 Etwas kritischer ist Regula Rother von der privat betriebenen Anlaufstelle Isla Victoria. Es sei bekannt, dass der Strich am Sihlquai der Polizei ein Dorn im Auge sei. Ihre Mitarbeiterinnen hörten oft von Prostituierten, sie seien von der Polizei unfreundlich behandelt worden. Rother findet das nicht in Ordnung: "Wenn man davon ausgeht, dass Prostitution ein Geschäft ist wie jedes andere auch, dann müssten auch die Kontrollen in gleicher Art und Weise stattfinden."

 Frust über die Konkurrenz?

 Eine Szenekennerin, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen will, sieht Rebekkas Aussagen als Ausdruck der Frustration einer hier wohnhaften Prostituierten: "Sie muss in Zürich ihren Lebensunterhalt bestreiten - aber die Konkurrenz ist hart, die Frauen aus dem Ausland drücken die Preise, und wegen dieser Frauen sind mehr Kontrollen nötig." Denn viele davon seien jeweils nur kurze Zeit hier und würden nicht einmal die vorgeschriebene Bewilligung einholen.

 Wie viele Frauen sich unter Zwang prostituieren, ist selbst für Fachleute schwer abzuschätzen. Nach Rothers Erfahrung haben längst nicht alle Frauen einen Zuhälter. Gegen die Zuhälterei könnten die Kontrollen im Übrigen wenig ausrichten, glaubt sie. Wichtiger sei, dass die Frauen auch Bezugspersonen hätten, denen sie vertrauten.(leu)

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RANDSTAND ZUG
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NLZ 10.2.11

Familien und Jugendliche sollen vermehrt einkehren

 Zug

Yvonne Anliker

 Zwei FDP-Gemeinderäte stören sich daran, dass im Podium 41 Randständigenarbeit betrieben wird. Und wünschen eine Veränderung.

 Das Podium 41 in Zug ist immer wieder Thema in der Politik. Auch der jüngste Vorstoss aus den Reihen der FDP-Fraktion im Grossen Gemeinderat beschäftigt sich mit der Beiz in der Nähe des Hafens. Rainer Leemann und Marcel Uhr haben eine Interpellation eingereicht. Und verfolgen damit ein Ziel. "Wir wollen anregen, dass eine andere Lösung für Randständige gesucht wird", heisst es im Vorstoss. Denn: "An der schönen Lage in Zug machen vermehrt Familien und Jugendliche einen grossen Bogen um das Podium 41." Es stört die Interpellanten, "dass Familien diese Lage und das Freizeitangebot um das Lokal nicht nützen können". Leemann und Uhr wollen deshalb vom Stadtrat wissen, weshalb er die Randständigenarbeit genau an diesem Ort betreibe. "Warum ist hier kein Konzept für Familien erarbeitet worden?", fragen die Gemeinderäte, befänden sich doch ganz in der Nähe ein Skaterpark und ein grosser Spielplatz.

 "Podium ist für alle offen"

 Carl Utiger ist irritiert und überrascht über diesen Vorstoss. Utiger ist Geschäftsführer von GGZ@Work, jener Institution der Gemeinnützigen Gesellschaft des Kantons Zug (GGZ), die für das Betriebs- und Betreuungskonzept der Beiz zuständig ist. Gemäss seinen Angaben läuft es im Podium gut. "Wir sind sehr zufrieden mit der Entwicklung." Man habe ein sehr gutes letztes Jahr gehabt. Auch die Stammgäste seien zufrieden, sagt Utiger. Vorbei sind also die Unruhen, die entstanden, als die GGZ vor rund zwei Jahren das Lokal übernahm. Ist das Publikum durchmischt? "Familien sind ja vor allem an schönen Tagen am Seeufer unterwegs. Ja, dann gibt es eine sehr gute Durchmischung", sagt er. Und in der Beiz würden nun auch regelmässig Veranstaltungen wie Konzerte organisiert. "Auch das führt zu einer Durchmischung", so Utiger. Er empfiehlt jedem Zuger, einmal im Lokal vorbeizuschauen. "Denn das Podium ist für alle offen, es ist ein Begegnungsort, auch wenn manche dieser Begegnungen vielleicht ein bisschen Mut brauchen, dafür eine Hemmschwelle überwunden werden muss", ergänzt der Geschäftsführer und spricht damit das Zusammentreffen mit Randständigen an. Obwohl - diese Bezeichnung mag Carl Utiger gar nicht. Wo beginne denn der Rand, wo sei die Mitte der Gesellschaft?, fragt er. "Und darauf angesprochen würden wohl die meisten Leute im Podium antworten, dass sie sich nicht als Randständige verstehen." So oder so, er ist überzeugt, dass es in der Stadt Zug ein Angebot wie das Podium braucht. "Am derzeitigen Konzept sollte nichts geändert werden."

 Trägerschaft hat gewechselt

 Mit besagtem Konzept spricht Utiger jene Ausrichtung an, für die sich der Stadtrat und schliesslich auch das Stadtparlament (gegen den Willen von FDP und SVP) vor rund zwei Jahren entschieden haben: Das Podium soll weiterhin einem stark durchmischten Publikum offen stehen, jedoch wird der Fokus vermehrt auf die Randständigenarbeit gelegt. Weshalb kam es zu diesem neuen Betriebskonzept? Im Sommer 2007 machte der Verein Zuger Jugendtreffpunkte (ZJT), die damalige Trägerschaft des Lokals, publik, dass er dieses schliessen und in ein Restaurant von Jungen für Junge wieder eröffnen wolle. Viele Gäste wehrten sich, der Stadtrat mischte sich ein. Schliesslich wurde entschieden, dass der ZJT das Podium abgibt und die GGZ übernimmt. Gleichzeitig wurde auch das Betriebskonzept geändert. Auch anlehnend an die Überlegungen, die sich der Stadtrat im Jahr 2000 gemacht hat. Zu diesem Zeitpunkt wurde in Zug über einen Neubau der Beiz diskutiert, der schliesslich auch realisiert wurde. Und die damalige Exekutive fasste den Jugendbegriff weit. Sie argumentierte, die Jugendbeiz sei für viele Heimatlose zu einem Treffpunkt geworden. Und: "Für einige Besucher ist die Beiz der letzte Ort mit freiem Eintritt. Ohne die Beiz müssten sie ihre Freizeit auf der Gasse verbringen."

 Yvonne Anliker
 yvonne.anliker@zugerzeitung.ch

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DROGEN
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Südostschweiz 14.2.11

Schwarze Dealer gefährden Churer Drogenpatienten

 Die Verantwortlichen der Churer Heroinabgabestelle Neumühle sind besorgt: Immer mehr dunkelhäutige Drogendealer versuchen gleich neben dem Ambulatorium ihren Stoff zu verkaufen.

 Von Hansruedi Berger

 Chur. - Seit Mitte 2011 ist die Zahl der afrikanischen Drogenhändler bei der Churer Turnerwiese sprunghaft angestiegen. Diese Erfahrung machen nicht nur die Quartierbewohner, sondern auch Margrith Meier, Bereichsleiterin des angrenzenden Ambulatoriums Neumühle. "Ich habe festgestellt, dass einige unserer Drogenpatienten vor der Heroin- beziehungsweise Methadonabgabe noch beim angrenzenden Spielplatz Turnerwiese vorbeischauen und dabei offensichtlich Kontakt zur Drogenszene suchen." Ihre Beobachtung meldete sie umgehend der Kantonspolizei Graubünden, die seitdem ihre Kontrollen im Quartier verstärkt hat. Konkrete Beweise, dass hier Kokainhandel betrieben wird, hat sie jedoch bisher nicht.

 In der Quartierbeiz

 Überzeugt, dass auf der Turnerwiese mit harten Drogen gedealt wird, sind allerdings viele Quartierbewohner. So wurde wiederholt festgestellt, dass sich eine Patientin nach dem Besuch der Drogenabgabestelle in der Toilette eines Quartierrestaurants jeweils einen Schuss setzt. Das letzte Mal hatte sie es unterlassen, die Blutspuren wegzuwischen. Bericht Seite 3

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Schwarzafrikaner dealen vor der Churer Heroinabgabestelle

 Churs schwarze Drogendealer werden immer dreister: Jetzt versuchen sie ihren Stoff direkt vor der kantonalen Heroinabgabestelle an der Gürtelstrasse an süchtige Patienten zu verkaufen. Doch der Polizei fehlen die Beweise.

 Von Hansruedi Berger

 Chur. - Zurzeit erhalten 33 süchtige Patienten heroingestützte Behandlung im Ambulatorium Neumühle an der Churer Gürtelstrasse. Sie beziehen ihre Tagesration Heroin in zwei Dosen. Dazu kommen fünf bis zehn Patienten, die mit Methadon versuchen, von ihrer Abhängigkeit loszukommen. Bei den Patienten handelt es sich vor allem um Personen, bei denen herkömmliche Methoden zur Suchtentwöhnung gescheitert sind. Mit der kontrollierten Abgabe von Suchtmitteln soll der Betäubungsmittelkonsum der Patienten mittelfristig reduziert und wenn möglich sogar ganz zum Verschwinden gebracht werden.

 Mitte 2010 kommen die Dealer

 Doch das kantonale Wiedereingliederungsprogramm wird seit mehr als einem halben Jahr massiv gestört. Immer wieder tauchen im Quartier Drogendealer auf, die offensichtlich darauf aus sind, ihren Stoff an süchtige Patienten zu verkaufen. Die erhöhte Präsenz von Schwarzafrikanern ist nicht nur den Quartierbewohnern, sondern auch Margrith Meier, Betriebsleiterin des Ambulatoriums Neumühle, aufgefallen. Sie hat vor rund sechs Monaten festgestellt, dass vereinzelte Patienten vor der Heroin- beziehungsweise Methadonabgabe noch beim angrenzend liegenden Spielplatz Turnerwiese vorbeischauen und dabei offensichtlich Kontakt zur Drogenszene suchen.

 Sie hat denn auch umgehend die Polizei informiert, die nun vermehrt vor Ort Präsenz markiert. Seit Mitte 2010 wurden die Kontrollen massiv erhöht, wie Daniel Zinsli, Mediensprecher der Kantonspolizei Graubünden, bestätigt. Untersucht worden seien nicht nur afrikanische Asylsuchende, sondern auch einheimische Personen. Konkrete Beweise, dass hier Kokainhandel betrieben wird, wie es Beobachter aus der Nachbarschaft behaupten, hat die Polizei bis jetzt jedoch nicht.

 Die Gerüchte, dass hier afrikanische Asylsuchende Kokain an Patienten verkaufen, sind allerdings nicht aus der Luft gegriffen. So hat sich kürzlich eine Patientin nach ihrem Besuch bei der Abgabestelle in einem nahe liegenden Restaurant auf der Toilette einen Schuss gesetzt. Die zurückgebliebenen Blutspuren zeugten davon.

 Nicht überrascht von dieser Nachricht ist Meier. Sie vermutet, dass es sich bei der betroffenen Person um eine Methadon-Patientin handelt. Denn durch die Ersatzdroge würden die Patienten ruhig gestellt und litten an keinen Entzugserscheinungen. Allerdings könne dadurch das Verlangen entstehen, sich mit einem Schuss Kokain wieder ein wenig in Fahrt zu bringen. Gespritzt statt geschnupft wirke Kokain viel schneller. Meier vermutet jedoch, dass es sich dabei um eine Person handelt, die das Suchtentwöhnungsprogramm beim Ambulatorium Neumühle in der Zwischenzeit abgebrochen hat.

 Beunruhigt über die ganze Situation ist auch Suzanne von Blumenthal, Chefärztin bei den Psychiatrischen Diensten Graubünden und damit zuständig für die Drogenabgabestation Neumühle. Allerdings gibt sie zu bedenken, dass hier Personen behandelt würden, bei denen verschiedene Versuche mit anderweitigen Entziehungskuren gescheitert seien. Die Neumühle-Patienten seien ganz besonders stark suchtgefährdet.

 Immer wieder Kontrollen

 Im Weiteren betonen Meier und von Blumenthal, dass Drogen-, Medikamenten- und Alkoholmissbrauch von Patienten keinesfalls geduldet werde. Deshalb würden Patienten auch immer wieder kontrolliert. Dies erfolge durch Stichproben, zumindest einmal im Monat. Fehlbare Patienten müssten mit gewissen Unannehmlichkeiten wie Putzarbeiten und längerem Warten auf die Abgabe rechnen, so Meier. Sofort aus dem Entwöhnungsprogramm ausgeschlossen werde deswegen jedoch niemand.

 Meier hofft jedoch, dass die Polizei durch vermehrte Kontrollen die gegenwärtige Situation entschärfen kann. Denn neben den Patienten der kantonalen Heroinabgabestelle betreut sie noch weitere suchtkranke Menschen, die bei der Neumühle ein- und ausgehen. Auch diese seien durch die veränderte Situation im Quartier gefährdet.

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Solothurner Zeitung 10.2.11

Schnee von heute

Kokain. Eine Stange Bier, dazu eine Linie des weissen Pulvers. Ein Konsument erzählt, warum er nicht davon loskommt

Christof Ramser*

 Letztes Jahr gabs für Marc Hofer (Name von der Redaktion geändert) "weisse Weihnachten", wie er sagt. Schon wieder. "Das hat Tradition." Der Elektroinstallateur sitzt in seinem Ledersessel und schaut aus dem Wohnzimmerfenster. Es ist ein frostiger Nachmittag. Feiner, pulveriger Schnee hat die Blumenrabatte im Vorgarten des Doppeleinfamilienhauses zugedeckt. Dahinter blasen die Kamine des Stahlwerks Industrieruss in den Nebel.

 Dann strahlt der 28-Jährige wie ein kleiner Junge, der sich auf die Bescherung freut. Mit der "weissen Weihnacht" beschenkt er sich seit vier Jahren selbst. Sie ist zum Ritual geworden. Wenn das Familienfest vorbei ist und Hofer in seine Wohnung zurückkommt, liegt das Präsent schon da. Wie ein Häufchen Puderzucker. Mit seiner Postcard portioniert er mehrere Linien, kleine Kristalle glitzern darin. Die Glitzerspuren führen heute Nacht ins Glück. Dann rollt er eine 50er-Note, beugt sich über den Glastisch und zieht den Stoff durch den Geldschein in die Nase. Er richtet sich auf, blinzelt ein paar Mal und hüstelt. Der Puderzucker schmeckt bitter. Hofer greift erneut zum gerollten Nötli. "Noch einen Faden rupfen." Bis nichts mehr vom weissen Pulver da ist.

 Nachfrage als Wurzel allen Übels

 2009 hat die Polizei im Kanton Solothurn sechs Kilogramm Kokain beschlagnahmt. 2008 war es ein Kilo. "Peanuts", sagt Urs Bartenschlager, Chef der Solothurner Kriminalpolizei und oberster Drogenfahnder im Kanton. Würden alle Kokser in Solothurn mit einer gelben Jacke herumlaufen, so habe ihm kürzlich einer gesagt - die Polizei würde vor lauter Gelb aus dem Staunen nicht mehr herauskommen.

 Als Urs Bartenschlager vor knapp 20 Jahren die Polizeischule im Kanton Baselland beendet hatte, galt Kokain als Droge des reichen Mannes. "Das war etwas für den Jetset, für den Normalbürger fast nicht erschwinglich." Heute weiss er, dass auch Handwerker und sogar Schüler regelmässig koksen. Es gibt Beizen am Jurafuss, wo nach Feierabend zur Stange ein "Briefli Coci" über die Theke geht. "Die Nachfrage ist in allen gesellschaftlichen Schichten riesengross." Das ist für den Kripo-Chef die Wurzel allen Übels. Denn wo eine Nachfrage besteht, gibts immer auch ein Angebot. "So spielt der Markt." Und in den letzten Jahren wurde der Markt überschwemmt.

 Stoff nur im Notfall von der Gasse

 Statt zu sniffen, reibt sich Hofer das Kokain mit dem Zeigefinger auf das Zahnfleisch über den Schneidezähnen. "Das hat eine angenehm betäubende Wirkung." Meist sei der Geschmack bitter, mit öliger Konsistenz. Manchmal stinke es nach Kot.

 Die Zunge rast über seine Oberlippe und tastet das Zahnfleisch ab auf der Suche nach Gefühl. Eine typische Macke. "Wie wenn sich einer ständig die Nase reibt oder mit den Händen zuckt", sagt Hofer. Daran erkenne er aus hundert Metern, ob einer auf Koks ist. Den Stoff besorgt er sich nur im Notfall auf der Gasse. "Bei den Schwarzen am Bahnhof ist das Zeug stark gestreckt. Da ziehst du häufig Dreck in die Nase." Ausserdem entpuppten sich die prallen Kügelchen oft als Mogelpackung. "Viel Papier drumherum, aber fast nichts drin."

 Immer wieder kreuzen die Drogenfahnder in den einschlägigen Etablissements auf. Beschlagnahmen hier ein paar Gramm, finden dort etwas Drogengeld. Doch die Polizei ist in der Unterzahl. Tauchen die Beamten in Zivil in der Solothurner Bahnhofunterführung auf, werden sie von den Dealern erkannt. "Der Kampf gegen den Kokainhandel ist der Kampf gegen eine Hydra", sagt Bartenschlager. "Zerschlagen wir hier einen Händlerring, wächst dort ein neuer Kopf."

 Manchmal landet die Kripo einen Coup; im Januar 2009 gelang ein Schlag gegen den Handel in der Region. Ein Dealer hatte im Raum Solothurn zwischen 6 und 12 Kilo Kokain verkauft und damit bis zu 850000 Franken umgesetzt. Jetzt sitzt er für viereinhalb Jahre im Gefängnis. "Das war ein schöner Fang für uns", sagt Bartenschlager. Es seien diese Erfolge, die am Ende die mühevolle Arbeit der Drogenfahnder legitimierten. Denn Bartenschlager sagt auch, dass der Kampf gegen den Kokainhandel fast aussichtslos sei. "Doch wenn wir nicht ständig Ermittlungsdruck aufsetzen, breitet sich die offene Szene aus."

 Vom WC-Deckel gesnifft

 Laut der schweizerischen Gesundheitsbefragung haben über sechs Prozent aller Männer zwischen 15 und 39 schon gekokst. Bei den Frauen sind es weniger. Die Tendenz ist stark steigend. Annick Lebreau von der Hilfsorganisation Suchtinfo Schweiz schätzt, dass rund ein Prozent der Bevölkerung regelmässig Kokain konsumiert. Forscher haben die Kokain-Konzentration im Abwasser der Schweizer Städte gemessen. Gemäss der Studie aus dem letzten Jahr werden in Zürich jeden Samstag schätzungsweise 19000 Linien Kokain konsumiert.

 "Niemals werde ich von dem Teufelszeug nehmen." Das hatte sich Hofer geschworen, als er noch zur Schule ging. Aus einer Broschüre über Drogenkonsum wusste er, dass Kokain eine der am schnellsten und am stärksten abhängig machenden Drogen ist. In aufklärerischer Mission redete er seinen Klassenkameraden ins Gewissen: Finger weg! Zehn Jahre später, Hofer hatte die Ausbildung zum Elektroinstallateur abgeschlossen, sniffte er während der Znünipause auf dem Bau eine Linie vom WC-Deckel. Der Chef ahnte nichts.

 Die ersten Drogenerfahrungen machte er mit Marihuana, später nahm er auf Partys Ecstasy. Jedes Mal war es für ihn aufregend, neue Drogen auszuprobieren. Doch vor dem "ersten Faden" klopfte sein Herz besonders schnell. Er wohnte noch zu Hause, die Eltern waren in den Ferien. Ein Kollege hatte ihm ein paar Milligramm verkauft. Als er das Pulver reingezogen hatte und die Wirkung einsetzte, durchströmte ihn ein wohliges Gefühl. "Das war so etwas wie ein Schlüsselerlebnis." Es blieb vorerst dabei. Doch Hofer wusste: Es wird nicht die letzte Linie sein.

 Bereits ein Jahr später konsumierte er regelmässig. "Das waren schöne Zeiten. Wenn ich gekokst habe, fühlte ich mich grossartig." Besonders, wenn er vor dem Bildschirm sass und Online-Poker spielte, wie er es liebte. "Ich hatte vier, fünf Browserfenster gleichzeitig geöffnet, spielte mehrere Partien auf einmal. Ich war extrem wach und kontrollierte jeden Tisch." Es folgte eine Phase in Hofers Leben, wo er nach Feierabend oft vor dem Laptop sass und bis in die Morgenstunden spielte. "Ohne Kokain machte das aber keinen Spass. Ich wurde extrem abhängig." Trotzdem erschien er am Morgen stets pünktlich zur Arbeit. Doch nachts wurden die Intervalle zwischen den Linien kürzer und kürzer. Das intensive Wohlgefühl nach dem ersten Kick indes verflüchtigte sich allmählich. Hofer richtet sich im Ledersessel auf und zeichnet mit dem Zeigefinger eine Linie in die Luft, die wie ein Börsenindex in Wellenbewegungen absinkt und schliesslich ins Bodenlose fällt. "Es ist wie bei einer Batterie, die sich trotz Akku nie mehr ganz auflädt."

 Eine Sucht kommt selten allein

 Er stumpfte ab. Nichts konnte ihn mehr begeistern, selbst die Adrenalinschübe vor dem Computer blieben aus. Es war, als ob sich das aufgewirbelte weisse Pulver in Hofers Innern allmählich absetzte, sich wie eine Gipsschicht über sein Seelenleben legte und die Emotionen dämpfte. "Trotzdem wollte ich immer mehr, mehr von allem." Hatte er Kokain genommen, trank er masslos Bier und rauchte exzessiv Joints und Zigaretten. "Was du in die Finger kriegst, du ziehst es rein."

 "Kokainsucht kommt selten allein", sagt Rita Hubrich, Leiterin der Suchtberatung Contact Netz in Bern, "sie geht oft einher mit anderen Süchten, wie etwa dem Glücksspiel." Andere Konsumenten schauten Pornofilme oder besuchten Prostituierte. Der Körper wird stimuliert, der Antrieb gesteigert. "Kokser überschätzen sich oft selbst. Sie wirken arrogant, denken, sie seien unantastbar."

 Zwischen 100 und 140 Kokainsüchtige sind derzeit bei Contact Netz in der Beratung. Vor zehn Jahren waren es noch zehnmal weniger. Der Boom des weissen Pulvers hänge vor allem mit dem Preis zusammen. Kokain ist heute auch für junge Leute erschwinglich, für eine Linie zahlen sie weniger als für einen Drink an der Bar. Aus einem Gramm können mehrere Linien portioniert werden.

 Ein Gramm kostet zwischen 60 und 100 Franken - in den 80er-Jahren waren es 600 Franken. Das sei ein Grund dafür, glaubt Suchtberaterin Hubrich, dass sich in letzter Zeit vermehrt Handwerker und Bauarbeiter an Contact Netz wenden. Immer öfter würden der Beratungsstelle vom Jugendgericht Jugendliche zugewiesen.

 Der Hausarzt David Winizki hat oft mit Koksern zu tun. In seiner Praxis im Zürcher Seefeld behandelt er auch Drogensüchtige. Er hat beobachtet, dass Kokainkonsumenten oft an ADHS leiden, an einer Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung. "Es sind Zappelphilippe, die sich schlecht auf eine Aufgabe konzentrieren und diese zu Ende führen können."

 Winizki setzt sich für die Legalisierung von Drogen ein. Denn die Kriminalisierung, sagt er, verursache mehr Leid als die Droge selber. Auch eine Legalisierung von Kokain würde er befürworten. Aus seiner Sicht würde dies den Gesundheitszustand vieler Konsumenten verbessern. Weil Produktion und Vertrieb der Droge im Verborgenen stattfinden, wüssten die Konsumenten oft nicht genau, was sie sich in die Nase ziehen. Heute sind sich Experten zudem einig, dass Kokain das Immunsystem schwächt und zu schweren Herzschädigungen und Infarkten führen kann.

 Konsum hinterliess Spuren

 Der exzessive Konsum hinterliess auch in Hofers Körper Spuren. Oft litt er an Migräneanfällen. "Nach stundenlangem Konsum lag ich schlaflos im Bett. Ich kam nicht zur Ruhe. Mein Körper vibrierte und bebte." Eigentlich sei es das nicht wert. Doch wenn ihn eine Linie anlache, denke er nicht daran. "Der Drang ist zu gross." Noch schlimmer seien die psychischen Veränderungen gewesen. Er verlor die Freude an alltäglichen Dingen, benahm sich gegenüber Freunden abweisend. "Ich hab das zwar registriert. Aber es war mir einfach egal."

 Der grosse Knall kündigte sich per Klingelton und unterdrückter Nummer an. Ein Anruf von der Polizei. Sie hatten einen Dealer geschnappt, einen Nigerianer. Auf seinem Handy waren Hunderte SMS von Kunden gespeichert. Auch Hofers Nummer war dabei. Dabei habe er doch so gut wie nie bei den Schwarzen eingekauft.

 Er musste eine hohe Busse bezahlen. Vielleicht sei es ja sogar gut, dass sie ihn erwischt hätten. "Ich bin ja jetzt über den Berg." Aber er weiss: Ein paar Milligramm reichen, und alles geht von vorne los. Es hängt an einem Glitzerfaden.

 * Der az-Redaktor absolviert die Diplomausbildung "Journalismus" am Medien-Ausbildungszentrum (MAZ) in Luzern. Dieser Artikel ist seine Diplomarbeit.

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 Kokain: von den Anden in die Alpen

 Kokain wird aus den Blättern des Coca-Strauchs gewonnen, der in Kolumbien, Peru und Bolivien angebaut wird. In Schiffscontainern und per Luftfracht wird die Droge nach Europa gebracht, meist nach Spanien oder Holland. Dort wird das Pulver portioniert und abgepackt. So genannte Bodypacker schlucken die Fingerlinge, Schlepper bringen die Drogenkuriere über die Schweizer Grenze. Hier scheiden sie die Fingerlinge aus und präparieren sie für den Endverkauf.

 Auf seiner Reise wird das Kokain mehrmals gestreckt, meist mit Milchzucker, Paracetamol oder Ähnlichem. Am Ende weist das Pulver noch einen Reinheitsgrad von 30 bis 40 Prozent auf. Der Wert indes hat sich pro Gramm verhundertfacht. Der Handel ist weit verzweigt, streng organisiert und undurchsichtig. 2008 waren weltweit 865 Tonnen Kokain verfügbar. Ein Gramm kostet in der Schweiz zwischen 60 und 100 Franken. (crs)

 Quellen: UN World Drug Report, Polizei Kanton Solothurn

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NOTHILFE
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sf.tv 14.2.11

180 Gramm Hörnli pro Tag

 Das Nothilfe-Regime in Graubünden ist nach Einschätzung von Amnesty International (AI) menschenunwürdig und gnadenlos. Kein Kanton behandle seine abgewiesenen Asylbewerber derart schlecht, ist AI überzeugt und fordert Sofortmassnahmen.

sda/thom

 Zu Beginn der Februar-Session demonstrierte Amnesty International in Chur gegen die Bündner Nothilfe. Der Protest richtete sich vorab gegen Justizdirektorin Barbara Janom Steiner (BDP).

 180 Gramm Hörnli

 Der Kanton Graubünden versorgt seine abgewiesenen Asylbewerber mit 2000 Kalorien pro Tag. 180 Gramm Hörnli am Tag sind für Amnesty International jedoch zutiefst entwürdigend. Zudem würden die Menschen in isoliert in Abgeschiedenheit gehalten und bewusst nicht beschäftigt.

 Trotz der Härte des bündnerischen Nothilfe-Regimes würden die politischen Ziele kaum erreicht, kritisiert Amnesty International. Gemäss der Hilfsorganisation reisten ungeachtet des menschenunwürdigen Regimes nur 20 Prozent der Nothilfebezüger aus.

 Amnesty International fordert von den Behörden, alle Frauen und Kinder sofort aus der Nothilfe zu holen und das Regime zu überdenken.

 Die kritisierte Regierungsrätin Barbara Janom Steiner (BDP) wollte gegenüber "Schweiz aktuell" keine Stellung nehmen.

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Schweiz Aktuell sf.tv 14.2.11

Protestaktion gegen den Kanton Graubünden

Wegen seiner harten Gangart gegenüber abgewiesenen Asylsuchenden steht der Kanton Graubünden erneut in der Kritik. Amnesty International und verwandte Organisationen haben heute vor dem Bündner Parlamentsgebäude demonstriert. Den Appell gegenüber Langzeit-Nothilfebeziehenden Milde walten zu lassen, hat die zuständige Justizdirektorin Barbara Janom Steiner zur Kenntnis genommen.
http://videoportal.sf.tv/video?id=e428331d-5c21-45d5-a19c-3e8899f3f0e0

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Landbote 9.2.11

Nothilfe in der Kritik

Oliver Graf

 ZÜRICH. Keine Sozialhilfe, sondern Nothilfe erhalten abgewiesene Asylbewerber. Dieses Konzept habe versagt, sagen mehrere Organisationen.

 Er wäre lieber wieder im Flughafengefängnis, sagt Saaed Shamrookh. Seit knapp zwei Monaten lebt er aber in der Nothilfeunterkunft in Kemptthal. "Im Gefängnis", sagt der abgewiesene Asylbewerber aus Jemen, "konnte ich wegen meiner Diabetes jederzeit zum Arzt." In Kemptthal sei dies nicht möglich. Und in den Sechserzimmern sei an Schlaf oft nicht zu denken, insbesondere weil andere Bewohner wegen psychischer Probleme auch schon mal schrien.

 Amnesty International und das Solidaritätsnetz Zürich, die gestern in Zürich zu einer Medienorientierung geladen hatten, nahmen Shamrookh als Beispiel. Als Beispiel dafür, dass die "Nothilfe in der Sackgasse steckt" und das "System versagt".

 Seit 2004 werden alle Personen, auf deren Asylgesuch nicht eingetreten wurde, aus der Sozialhilfe ausgeschlossen. Seit 2008 gilt dies auch für all jene, deren Gesuch abgelehnt wurde und denen eine Frist zur Ausreise aus der Schweiz gesetzt wurde. Statt Sozialhilfe steht ihnen nur noch Nothilfe zu. Im Kanton Zürich bedeutet dies eine Unterkunft sowie wöchentlich sechs Zehn-Frankengutscheine der Migros für den sämtlichen Unterhalt (8.60 Franken pro Tag).

 Das Ziel dieser Verschärfung war es, den Abgewiesenen den Aufenthalt in der Schweiz unattraktiv zu machen und sie zur freiwilligen Rückkehr in ihre Heimatländer zu bewegen. Für Amnesty International und das Solidaritätsnetz sowie weitere Nichtregierungsorganisationen ist dies jedoch gescheitert. Laut Flüchtlingshilfe Schweiz verlassen nur 12 bis 17 Prozent der Nothilfebezüger die Schweiz. Die übrigen tauchen unter oder bleiben in den Nothilfeunterkünften. "Es braucht einen neuen Ansatz", glaubt die Zürcher Pfarrerin Verena Mühlethaler, die das Solidaritätsnetz unterstützt. "Erst wenn es, wie in der Zürcher Drogenpolitik, zu einem humanen und intelligenten Umgang mit den Flüchtlingen kommt, können die Betroffenen den Kopf freibekommen, um auch an eine Rückkehr zu denken."

 Die Organisationen kritisieren Regierungsrat Hans Hollenstein scharf. Dass er der gestrigen "öffentlichen Diskussion" ferngeblieben sei, taxierten sie als "Gesprächsverweigerung". Die Direktion weist diesen Vorwurf zurück. Die Einladung sei zu kurzfristig erfolgt, heisst es auf Anfrage. Zudem hätten bereits zwei bilaterale Gespräche stattgefunden, ein drittes habe Hollenstein nun angeboten. Die Organisationen wollen aber eine öffentliche Diskussion.

 Saaed Shamrookh, dessen Asylgesuch abgewiesen wurde, kann gemäss Amnesty International hoffen. Nachforschungen hätten ergeben, dass er im Jemen politisch verfolgt ist. Seinem Wiedererwägungsgesuch räumt die Organisation grosse Chancen ein.

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AUSSCHAFFUNGEN
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Tagesschau sf.tv 14.2.11

Neues Rückschaffungsabkommen mit Nigeria

Bundesrätin Simonetta Sommaruga und der nigerianische Aussenminister habe ein neues Rückschaffungsabkommen unterzeichnet. Die Schweiz sichert Nigeria Unterstützung bei der Reintegration der Flüchtlinge zu.
http://videoportal.sf.tv/video?id=0a95e666-9d06-487a-bbdf-c7bde2d1bb7b

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nzz.ch 14.2.11

Neuer Anlauf mit Nigeria

 Besuch des Aussenministers - Kooperation in der Krise um Aslybewerber

 Die Schweiz und Nigeria wollen eine Migrationspartnerschaft etablieren. Es geht um die Rückführung abgewiesener Asylbewerber und Massnahmen gegen den Drogenhandel, aber auch um die Förderung von Ausbildungen.

Christoph Wehrli

 Der nigerianische Aussenminister Henry Odein Ajumogobia und Bundesrätin Simonetta Sommaruga unterzeichnen heute Montag Mittag eine Absichtserklärung über eine Migrationspartnerschaft. Nachdem es um die Rückführung abgewiesener Asylsuchender im letzten Frühling zu Verstimmungen gekommen war, wird jetzt eine breite Zusammenarbeit in Aussicht genommen.

 Nigerianer machen seit einiger Zeit die grösste nationale Gruppe von Asylbewerbern in der Schweiz aus. Die 1969 Gesuche, die im letzten Jahr gestellt wurden, machten fast 13 Prozent des Totals aus. Die allermeisten nigerianischen Migranten können keine hinreichenden Asylgründe geltend machen und müssen die Schweiz wieder verlassen. Die Rückreise wird in einem Teil der Fälle mit Zwangsmitteln durchgesetzt. Im März des vergangenen Jahres starb am Flughafen Zürich Kloten ein Ausschaffungshäftling, kurz bevor er in ein Sonderflugzeug hätte gebracht werden sollen. Der Mann hatte an einer unerkannten Herzkrankheit gelitten und war - nach einem Hungerstreik - vor der Ausschaffung in einen Zustand schwerer Erregung geraten.

 Bis diese Umstände abgeklärt waren, sistierte das Bundesamt für Migration (BfM) die Sonderflüge für Zwangsrückführungen. Nigeria seinerseits verweigerte die Einreise auf diesem Weg. Zu der harten und auch indignierten Haltung dürfte der BfM-Direktor beigetragen haben, indem er im April gegenüber der "NZZ am Sonntag" über die Nigerianer sagte: "Sie kommen nicht als Flüchtlinge hierher, sondern um illegale Geschäfte zu machen."

 In der Folge kam es zu verschiedenen Gesprächen und Verhandlungen, um die Lage zu deblockieren. Bundesrätin Micheline Calmy-Rey reiste im April nach Abuja, auf etwas tieferer Ebene fanden Treffen in Nigeria und der Schweiz statt, und der Bund (BfM und Deza) bildeten zusammen mit Vertretern der in der Schweiz lebenden Nigerianer einen Steuerungsausschuss, um Vorschläge für Integrations- wie auch Entwicklungsprojekte auszuarbeiten. Im November war ein Memorandum of Understanding fertig ausgehandelt. Es wird nun von Aussenminister Henry Odein Ajumogobia und Bundesrätin Simonetta Sommaruga (als Migrationsministerin) unerzeichnet.

 Nigeria und die Schweiz bekräftigen und konkretisieren in dem Memorandum die Absicht, eine Migrationspartnerschaft einzugehen. Eine solche Zusammenarbeit, wie sie bereits mit Staaten des Westbalkans ausgehandelt worden ist, soll alle Aspekte der Migration betreffen und den Interessen beider Seiten Rechnung tragen. Für die Schweiz steht die Regelung der Rückübernahme abgewiesener Asylsuchender im Vordergrund. Erste Ausschaffungen konnten inzwischen im Januar wieder durchgeführt werden, nachdem nigerianische Beamte in der Schweiz eine Reihe von Personen identifiziert hatten. Darüber hinaus soll die seit 2005 angebotene Hilfe bei der Wiedereingliederung der Rückkehrer verstärkt werden.

 Legale Migration

 Die beiden Staaten wollen aber auch präventiv vorgehen, das Schlepperwesen und den Drogenhandel bekämpfen und unterwegs gestrandeten Migranten helfen. Nigeria könnte von Unterstützung im technisch-administrativen Bereich profitieren, möchte aber besonders Wege für legale Migration öffnen. Seitens der Schweiz kommen da aber nur Aus- und Weiterbildungsaufenthalte in Frage, wenn nicht am System gerüttelt werden soll, dass aus Nicht-EU-Ländern nur speziell qualifizierte Arbeitskräfte zugelassen werden. Die Rede war auch schon vom Einbezug schweizerischer Unternehmen, die in Nigeria tätig sind.

 Teilweise die gleichen Felder der Zusammenarbeit waren schon 2003 in einem "Abkommen über Zuwanderungsangelegenheiten" abgesteckt worden. Es scheint, dass jetzt mehr Aufwand und auch ein gewisses Prestige in die Umsetzung gesteckt wird.

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Newsnetz 14.2.11

Die Schweiz erhofft sich weniger Asylsuchende aus Nigeria

sda / pbe

 Die Schweiz und Nigeria gehen eine Migrationspartnerschaft ein. Die Schweiz will einen Rückgang der Gesuche aus Nigeria; das westafrikanische Land erhofft sich bessere Beziehungen und mehr Hilfen.

 Die erste Migrationspartnerschaft mit einem afrikanischen Land wurde am Montag in Bern von Bundesrätin Simonetta Sommaruga und dem nigerianischen Aussenminister Henry Odein Ajumogobia in Form einer Absichtserklärung (Memorandum of Understanding, MoU) unterzeichnet.

 Die Zwangsrückschaffungen von Nigerianern werden aber fortgesetzt. Mitte Januar waren erstmals seit dem Ausschaffungsstopp nach dem Tod eines Nigerianers vor knapp einem Jahr drei Nigerianer in ihre Heimat abgeschoben worden. Sommaruga sagte vor den Medien, die Zwangsrückführungen seien aber nur die "letzte Möglichkeit".

 Der Tod des Nigerianers hatte dazu geführt, dass die seit langem von Menschenrechtsgruppen geforderte Begleitung durch neutrale Beobachter rascher umgesetzt wird. Gemäss Sommaruga will der Bund Mitte Jahr beginnen. Wie BFM-Vizedirektor Gottfried Zürcher später der Nachrichtenagentur SDA sagte, sollen in der Übergangszeit Vertreter der Anti-Folterkommission die Sonderflüge begleiten.

 Freiwillige Rückkehr

 In Bern sagte Minister Ajumogobia, er hoffe, dass es keine Todesfälle mehr gebe. Ziel der Vereinbarung sei, abgewiesene Asylbewerber von einer freiwilligen Rückkehr zu überzeugen.

 Die Schweiz greift deshalb Freiwilligen finanziell unter die Arme und hilft bei der Wiedereingliederung. Gemäss Zürcher läuft das Programm in Nigeria seit drei Jahren. Dabei werde zum Beispiel Rückkehrern beim Anstossen eines eigenen Geschäfts geholfen.

 Zusammen wollen die Schweiz und Nigeria auch gegen Menschenhandel und -schmuggel vorgehen. Die Schweizer wollen ferner Nigeria bei Themen wie fälschungssicheren Pässen oder einem Bevölkerungsregister unterstützen.

 Das Abkommen sieht auch ein Ausbildungsprogramm vor. So sollen Schweizer Firmen in Nigeria Berufsbildungsprogramme auf die Beine stellen. Bald spruchreif ist nach BFM-Angaben aber erst eine Zusammenarbeit mit dem Nahrungsmittelkonzern Nestlé. Auch sollen Nigerianern Nachdiplomstudiengänge in der Schweiz ermöglicht werden, so an der Universität Bern.

 Flüchtlingshilfe halb zufrieden

 2010 hatten gemäss BFM-Statistik 1969 Nigerianer ein Asylgesuch in der Schweiz gestellt. Damit war Nigeria das wichtigste Herkunftsland. Zugleich wurden von über 2200 Gesuchen nur zwei bewilligt.

 Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) begrüsste die Rückkehrhilfen. Damit könnten "Rückkehrern Perspektiven aufgezeigt werden", sagte SFH-Sprecher Adrian Hauser der SDA. Rückführprogramme seien zudem besser als Zwangsausschaffungen. Zugleich fürchtet die SFH, dass mit dem Abkommen Flüchtlinge aus Nigeria gar keine Chance mehr auf Asyl haben.

 "Offene Fragen" zu Rückkehrabkommen

 Die Schweiz und Nigeria hatten 2003 ein Rückübernahmeabkommen unterzeichnet. Angesprochen darauf, dass Nigeria dieses ändern möchte, zeigte sich Sommaruga bereit, über "offene Fragen" zu sprechen.

 BFM-Direktor Alard du Bois-Reymond hatte im April 2010 gegenüber der "NZZ am Sonntag" ebenfalls Änderungswünsche angemeldet. In Nigeria sorgte er für Unmut mit der Aussage die meisten Nigerianer kämen nicht "als Flüchtlinge her, sondern um illegale Geschäfte zu machen". Am Montag erwähnten weder Sommaruga noch Ajumogobia vor Journalisten das Interview.

 Ajumogobia war auch mit Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey zusammenkommen, wobei es unter anderem um den Beginn eines Menschenrechtsdialogs ging. Vor den Medien erklärte er, sein Land sei auch an einem Doppelbesteuerungsabkommen interessiert.

 Nigeria hat 150 Millionen Einwohner. Das Land wird durch mehrere Konflikte erschüttert: Durch Zusammenstösse zwischen Christen und Muslimen im Zentrum; im Norden durch den Kampf selbst ernannter Taliban. Und im Süden kämpfen Rebellen gewaltsam für eine bessere Beteiligung der Bevölkerung an den Öleinnahmen.

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swissinfo.ch 14.2.11

Nigeria: weiterhin Sonderflüge für die Rückschaffung

swissinfo

 Die Schweiz und Nigeria wollen eine Migrationspartnerschaft eingehen. Justizministerin Sommaruga und der nigerianische Aussenminister Ajumogobia haben eine entsprechende Absichtserklärung unterzeichnet. Die Rückschaffungen sollen mit finanziellen Anreizen gefördert werden.

 Nigerianer sind die grösste nationale Gruppe der Asylsuchenden in der Schweiz. Im vergangenen Jahr stellten 1969 Menschen aus diesem afrikanischen Land in der Schweiz ein Asylgesuch. Das sind 13% aller Gesuche.   Doch die wenigsten Asylbewerber aus Nigeria erhalten in der Schweiz Asyl. 2009 hat die Schweiz lediglich einem Gesuch stattgegeben. Sechs nigerianische Asylbewerber erhielten eine vorläufige Aufnahme. Die überwältigende Mehrheit der Gesuche wurde abgelehnt.   Dass das so ist, hat verschiedene Gründe. Laut Beat Meiner, dem Generalsekretär der Flüchtlingshilfe, erzählen die meisten Nigerianer während dem Asylverfahren "dieselben stereotypen, kurzen und nicht glaubwürdigen Geschichten und nicht ihre wirkliche Biografie".   Die Ablehnung der Asylgesuche sei wahrscheinlich in den meisten Fällen berechtigt: "Die Leute von den Hilfswerken, die bei den Anhörungen dabei sind, beurteilen das auch so."  

 Gefesselt und unter den Augen der Polizei

 Meistens reisen die Asylbewerber zudem ohne Pass in die Schweiz ein. Das führt im Falle einer Abweisung des Asylantrages zu Problemen, denn das Herkunftsland akzeptiert eine Rückführung nur dann, wenn die Identität und damit auch die Staatsangehörigkeit des abgelehnten Asylbewerbers nachgewiesen werden kann.   Problematisch sind die Rückführungen auch, weil sie zum grossen Teil mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden müssen. Auf den Sonderflügen werden die abgewiesenen Asylbewerber in den meisten Fällen gefesselt und polizeilich bewacht.   Die Flüge verlaufen zudem regelmässig erfolglos, weil das Zielland die Landeerlaubnis verweigert und die Maschine deshalb in die Schweiz zurückkehren muss.  

 Todesfälle

 Zudem sorgten die Zwangsausschaffungen in den in den vergangenen Jahren mehrmals für negative Schlagzeilen, so 1989, als der Palästinenser Khaled Abuzarifa auf dem Weg zum Flugzeug erstickte. Weil er sich geweigert hatte, das Flugzeug zu besteigen, hatte ihn die Polizei auf einen Rollstuhl gefesselt.2001 starb der Nigerianer Samson Chukwu, als ihn eine Walliser Anti-Terror-Einheit für die Ausschaffung überwältigte und fesselte. Im März 2010 starb ein Ausschaffungshäftling aus Nigeria auf dem Flughafengelände. Die Todesursache ist rechtlich noch nicht endgültig abgeklärt.   Danach setzte die Schweiz die Ausschaffungsflüge aus. Nach einer Pause wurden am 19. Januar 2011 drei abgewiesene nigerianische Asylbewerber unter Zwang in ihre Heimat abgeschoben.  

 Bewerber werden geprüft

 Vor den Medien in Bern sagte Justizministerin Simonetta Sommaruga, es seien weitere Zwangsrückführungen geplant. Einen Termin nannte sie nicht, Zwangsmassnahmen seien lediglich die "letzte Möglichkeit".   Eine Weiterentwicklung des Schengen-Abkommens verlangt, dass die Sonderflüge ab Januar 2011 von neutralen Beobachtern begleitet werden sollten. Die Schweiz hat dafür bisher noch keine Lösung gefunden, nachdem es das Schweizerische Rote Kreuz im vergangenen Herbst abgelehnt hat, diese Aufgabe zu übernehmen.   Laut Sommaruga will der Bund ab Mitte Jahr mit begleiteten Sonderflügen beginnen. Das Bundesamt für Migration (BFM) prüfe derzeit die Bewerbungen der Organisationen, die sich für diese Aufgabe interessierten, so Sommaruga.  

 Finanzielle Anreize

 Nach Angaben von BFM-Vizedirektor Gottfried Zürcher sollen in der Übergangszeit Vertreter der Anti-Folterkommission die Sonderflüge begleiten. Die im Januar abgeschobenen Nigerianer waren mit einem von der Agentur zur Sicherung der EU-Aussengrenzen (Frontex) organisierten Flug geflogen. Bei der Frontex fliegen bereits neutrale Beobachter mit.   Der nigerianische Aussenminister Odein Ajumogobia sagte, er hoffe, dass dank der neuen Partnerschaft Todesfälle vermieden werden können. Es gehe künftig darum, abgewiesene Asylbewerber von einer freiwilligen Rückkehr zu überzeugen.   Zu diesem Zweck will die Schweiz freiwilligen Rückkehrern finanziell unter die Arme greifen und ihnen bei der Wiedereingliederung in ihrer Heimat helfen.   Die Migrationspartnerschaft - die erste zwischen der Schweiz und einem afrikanischen Land - umfasst weitere Massnahmen. So sollen zusammen mit in Nigeria tätigen Schweizer Firmen Berufsbildungsprogramme auf die Beine gestellt werden.

 Andreas Keiser,swissinfo.ch

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admin.ch 14.2.11

Schweiz und Nigeria unterzeichnen Migrationspartnerschaft

Bern, 14.02.2011 - Die Schweiz und Nigeria haben heute eine Absichtserklärung zur Errichtung einer Migrationspartnerschaft unterzeichnet. Die Unterzeichnung erfolgte anlässlich des offiziellen Besuchs des nigerianischen Aussenministers Henry Odein Ajumogobia bei Justizministerin Simonetta Sommaruga. Im Anschluss folgte ein Arbeitsessen mit Peter Maurer, dem Staatssekretär für auswärtige Angelegenheiten, sowie ein Höflichkeitsbesuch bei Bundespräsidentin und Aussenministerin Micheline Calmy-Rey.

Der offizielle Besuch des nigerianischen Aussenministers Henry Odein Ajumogobia war im Wesentlichen der Migrationszusammenarbeit gewidmet. Die schweizerische und die nigerianische Delegation haben ein Abkommen zur Migrationspartnerschaft unterzeichnet, das die beiden Länder am 5. November 2010 in Bern abgeschlossen hatten. Die Verhandlungen dazu liefen seit dem Besuch von Aussenministerin Micheline Calmy-Rey in Abuja 2009. Die Absichtserklärung umfasst die Zusammenarbeit in Bereichen wie der Kapazitätserweiterung von Einwanderungs-, Migrations- und Entwicklungsbehörden, der Förderung und Wahrung der Menschenrechte, der legalen Migration z.B. mit Austauschprogrammen zur Aus- und Weiterbildung, der Rückkehr-, Rückübernahme- und Reintegrationshilfe sowie der Verhütung der illegalen Migration oder der Bekämpfung von Menschen- und Drogenhandel.

Diese Absichtserklärung ist wegweisend für den Migrationsbereich, handelt es sich doch um das erste Abkommen dieser Art zwischen der Schweiz und einem afrikanischen Staat. Dadurch soll die Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und Nigeria gestärkt werden. Beide Partner streben eine langfristige Zusammenarbeit an, die den gegenseitigen Interessen entgegenkommt und einen ganzheitlichen Ansatz widerspiegelt, der Chancen und Herausforderungen der Migration gleichermassen anerkennt.

Die Schweiz und Nigeria haben sich verpflichtet, diese Migrationspartnerschaft mit gemeinsamen Initiativen und Projekten zu verschiedenen Ausprägungen der Migration ins Leben zu rufen. Um die Umsetzung zu begleiten, soll ein regelmässiger fachlicher Migrationsdialog stattfinden, erstmals Ende März 2011 in Abuja.

Beim anschliessenden Arbeitsessen mit Staatssekretär Peter Maurer und dem Höflichkeitsbesuch bei Bundespräsidentin Calmy-Rey wurden weitere Themen angeschnitten, die für beide Parteien von Interesse sind. Darunter die Stärkung der bilateralen Beziehungen sowie der Handels- und Investitionstätigkeit, der gemeinsame Kampf gegen unrechtmässige Vermögen, die Friedensbemühungen in Subsahara-Afrika, die Sicherheitslage im Saharagebiet und der Sahelzone sowie multilaterale Themenbereiche. Beide Parteien haben ihre Absicht bekräftigt, einen bilateralen Menschenrechtsdialog zu führen. Das erste entsprechende Treffen ist für Februar 2011 in Abuja geplant.

Adresse für Rückfragen:
Information EDA, Tel. +41 31 322 31 53
Gottfried Zürcher, Vizedirektor BFM, Tel. +41 31 325 07 92

Herausgeber:
Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement
Internet: http://www.ejpd.admin.ch
Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten
Internet: http://www.eda.admin.ch/eda/de/home/recent/media.html

Die Dokumente zu dieser Medienmitteilung finden Sie auf der Website des EJPD
http://www.ejpd.admin.ch/content/ejpd/de/home/dokumentation/mi/2011/2011-02-14.html

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Memorandum of Understanding (20 Kb, pdf)
http://www.ejpd.admin.ch/content/dam/data/migration/rechtsgrundlagen/internationale_rechtsquellen/keine-sr-nr/20110214-mou-nga-d.pdf

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Sonntagsblick 13.2.11

Endlich greift mal einer richtig durch

 Staatsanwalt jagt kriminelle Asylanten

 VON  SIDONIA KÜPFER  (TEXT), PHILIPPE ROSSIER (FOTO )

 Der Aargauer Simon Burger geht mit Schnellverfahren gegen abgewiesene Asylbewerber vor. Und kritisiert andere Kantone als "viel zu lasch".

 Er startet mit grossem Schwung in seinen neuen Job: Simon Burger, seit Dezember Staatsanwalt in den Aargauer Bezirken Zofingen und Kulm, will härter gegen abgewiesene Asylbewerber vorgehen - besonders wenn sie kriminell werden. "Wir müssen es den straffälligen Ausreisepflichtigen so ungemütlich machen, dass sie von allein gehen", erklärt Burger seine Strategie.

 Ende Januar testete er sein Schnellverfahren bei einer Razzia in der Oftringer Asylunterkunft. Innert Tagesfrist waren die Strafbefehle zugestellt. Burger ist überzeugt: "In gewissen Kantonen macht man zu wenig gegen abgewiesene Asylbewerber." Und: "Mein Eindruck ist, dass je weiter westlich man in der Schweiz geht, umso weniger konsequent wird das Ausländergesetz umgesetzt."

 Zumindest in seinen Bezirken soll Ordnung herrschen. Burger will, dass konsequent Anzeige erstattet wird - selbst wenn eine Ausschaffung nicht möglich ist. Die Aussicht auf einen Gefängnisaufenthalt verfehle ihre Wirkung nicht, glaubt er: "Viele reisen freiwillig aus."

 Einer von denen, auf die Burgers neue Härte zielt, ist Karim F.* (37). Er sitzt mit zwei jungen Männern im Aufenthaltsraum einer Baracke im aargauischen Muri vor dem Fernseher und verfolgt das Geschehen in Ägypten.

 Die drei sind aus Algerien, beziehen Nothilfe - und dürften längst nicht mehr hier sein.

 Seit elf Monaten lebt Karim in diesem "Gefängnis mit offenen Türen", wie er die Unterkunft für abgewiesene Asylbewerber bezeichnet. Er bekommt Fr. 7.50 Nothilfe pro Tag. Jeder Tag gleicht dem anderen. In seine Heimat zurück will er dennoch auf gar keinen Fall: "Mir drohen dort drei Jahre Gefängnis - und wir sprechen hier nicht von einem Schweizer Gefängnis." Lieber bleibt er in der rudimentär eingerichteten Baracke: Gemeinschaftsduschen, ein Aufenthaltsraum mit Kochmöglichkeit und ein gemeinsamer Schlafraum mit Kajütebetten. Die Koffer stapeln sich, Leintücher geben ein Minimum an Privatsphäre. So sieht Nothilfe aus.

 Im Aargau leben rund 330 abgewiesene Asylbewerber, wie die "Aargauer Zeitung" diese Woche meldet. Unklar ist die Zahl der Untergetauchten. Landesweit lebten 2009 rund 5800 Personen, die das Land schnellstmöglich verlassen sollten, von Nothilfe. Aber nur zwölf bis 17 Prozent der Nothilfebezüger, so wissen Hilfsorganisationen, reisen auch wirklich aus.

 Laut Burger stösst das Ausländeramt an seine Grenzen, wenn diese Menschen nicht mit den Behörden kooperieren. In solchen Fällen solle die Justiz Druck machen, meint er - umso mehr, wenn die Abgewiesenen straffällig werden.

 Mit den Schnellverfahren bewegt sich Burger auf gewohntem Terrain: Zuletzt arbeitete der Staatsanwalt in St. Gallen, dem Pionierkanton der Schnellgerichte. Bei Asylfällen setzen die Ostschweizer seit 2005 auf dieses Mittel. Wer trotz Nichteintretensentscheid nicht ausreist und von der Polizei kontrolliert wird, bekommt einen Strafbefehl in die Hand gedrückt. Dann hat der Betroffene einen Monat Zeit für die Ausreise. In dieser Phase büsst ihn die Polizei nicht erneut. Reist er immer noch nicht aus und wird erneut gestellt, erhält der Betreffende eine Freiheitsstrafe wegen Verstosses gegen das Ausländergesetz. "Für manch einen ist dies Anlass, vor dem Vollzug der Strafe auszureisen", so Thomas Hansjakob, Erster Staatsanwalt des Kantons St. Gallen. "Das ist uns lieber, als eine Strafe durchzusetzen."

 Nun bringt Burger die Praxis der Schnellverfahren auch in den Aargau. Die Kritik, er treibe damit nur weitere Abgewiesene in den Untergrund, lässt er nicht gelten. "Es spricht sich herum, wer hart durchgreift." * Name geändert

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WoZ 10.2.11

Asyl und Abschiebung

 "Abflug" ist ein Theaterstück der Gruppe Stückwerk über eine Sammelabschiebung von Asylsuchenden, über Fluchtgründe und -wege, Heimat und Integration. Die siebzehnjährige Melina aus Togo und der Ghanaer Raimou werden aus Deutschland ausgeschafft. Melina verbrachte fast ihr ganzes Leben dort. Togo ist ihr fremd - sie spricht weder französisch noch die Stammessprache Ewe. Wie Melina ist auch Raimou verzweifelt. Um seine Familie ernähren zu können, nahm er die lebensgefährliche Reise nach Europa auf sich   - nun wird er mit leeren Händen zurückkehren.

 Schaffhausen Fasstheater, Webergasse 13, Do, 10. Februar, 20 Uhr. Zürich Kulturmarkt, Aemtlerstrasse 23, Fr+Sa, 11./12. Februar, 19 Uhr.

 Seit Januar 2008 gilt der Sozialhilfestopp für abgewiesene Asylsuchende in der Schweiz; sie haben nur noch Anspruch auf Nothilfe. Diese wird von den Kantonen unterschiedlich ausgerichtet. Der Kurzfilm "Abgeschreckt, aber noch da" des Medienkollektivs "a-films" zeigt anhand von drei Sans-Papiers, was es heissen kann, unter dem Nothilferegime zu leben. Er kann online angeschaut oder heruntergeladen werden.

http://www.tinyurl.com/nothilfe

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tagesanzeiger.ch 9.2.11

Die Blasmusik spielt - Beamte sollen rausschleichen

cal

 Um 17 Uhr protestieren Zürcher Blasmusiker mit einem Platzkonzert gegen die Ausweisung ihres Dirigenten. Die Verwaltung schleust ihre Mitarbeiter deshalb durch die Seitenausgänge.

 Die Konsequenzen einer Zuwiderhandlung müssen furchtbar sein: "Wenn Sie das Gebäude Walchetor am Feierabend ungehindert verlassen möchten", warnen fette rote Lettern, "empfehlen wir Ihnen, die Seitenausgänge zu benutzen."

 Die Beamten, die davor gewarnt werden, durch den Hauptausgang zu gehen, müssen sich nicht vor einer gewalttätigen Demo von Linksautonomen fürchten, sondern vor der Blasmusik. Die "bewilligte Kundgebung", die zwischen 17 und 18 Uhr auf dem Walcheplatz stattfinden soll, ist ein Platzkonzert. Mit Pauken und Trompeten werden mehrere Orchester für ihren Dirigenten Yukio Yamada aufspielen.

 Der Japaner ist Dirigent des Musikvereins Thurtal-Hüttlingen, des Musikvereins Hedingen und der Jugendmusik Bezirk Affoltern am Albis. Nach einem negativen Entscheid des kantonalen Migrationsamts soll der ehemalige ZHdK-Student, der perfekt schweizerdeutsch spricht, ausgeschafft werden.

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MIGRATION CONTROL
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10vor10 sf.tv 14.2.11

Schweiz auf Flüchtlinge vorbereitet

Italien kämpft nach der Revolution in Tunesien erneut mit starken Flüchtlingsströmen. Früher oder später werden die Flüchtlinge auch die Schweiz erreichen - darauf sei die Schweiz aber vorbereitet, sagte Bundesrätin Simonetta Sommaruga.
http://videoportal.sf.tv/video?id=d6875ba5-52cc-4aa2-af30-74b26dc9cbe2

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Tagesschau sf.tv 14.2.11

Flüchtlingsstrom auf Lampedusa reisst nicht ab

Seit dem Umsturz in Tunesien haben tausende ihr Land verlassen. Auf der Insel Lampedusa sind alleine in den letzten vier Tagen 5000 Flüchtlinge gestrandet. Einschätzungen von SF-Korrespondent Philipp Zahn, Lampedusa.
http://videoportal.sf.tv/video?id=decd1852-2c44-47b8-b5b6-4dd96b1719b0

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EU will auf Flüchtlingsansturm reagieren

Die massive Zunahme von tunesischen Flüchtlingen beschäftigt auch die EU. Eu-Aussenbeauftragte Catherine Ashton ist für Gespräche nach Tunis gereist. Einschätzungen von SF-Korrespondent Christoph Nufer, Brüssel.
http://videoportal.sf.tv/video?id=ee1c731c-6028-4f38-9a75-dce947809942

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Auch die Schweiz ist betroffen

Laut der Justizministerin Simonetta Sommaruga bereitet sich auch die Schweiz seit Längerem auf ein Szenario mit mehr Flüchtlingen aus Nordafrika vor.
http://videoportal.sf.tv/video?id=e3c05fb7-5ff1-40d5-9cb8-a2bac3ee1316

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20min.ch 14.2.11

Aufnahme von Flüchtlingen: Selbst SP ist zurückhaltend

 Die Schweiz bereitet sich auf einen Flüchtlingsstrom vor. Politiker von links bis rechts wollen diesen so klein wie möglich halten.

Désirée Pomper/Zora Schaad

 Zu Tausenden strömen seit dem politischen Umbruch Flüchtlinge durch und aus Tunesien in Richtung Europa.

 Der Strom dürfte auch vor der Schweizer Grenze nicht Halt machen. So hat laut Bundesrätin Simonetta Sommaruga die Schweiz bereits mit den Vorbereitungen dafür begonnen. Sie sucht nach Unterbringungsmöglichkeiten. Das Grenzwachtkorps im Tessin erwartet in einer Woche die ersten Auswirkungen des Flüchtlingsstroms an der Grenze.

 Die FDP aber möchte es am liebsten gar nicht erst so weit kommen lassen: "Die Schweiz muss jetzt Druck auf die EU machen, damit die Migranten rasch aus Italien nach Nordafrika zurückgeführt werden können", sagt Parteipräsident Fulvio Pelli. Erst gestern hat die FDP ein Positionspapier veröffentlicht, in dem gefordert wird, die Einwanderung aus Drittstaaten besser zu regeln. Dies aber gelinge sicher nicht, indem Sommaruga den Flüchtlingen in der Schweiz Infrastruktur zur Verfügung stelle, findet SVP-Nationalrat Hans Fehr. Anstelle dessen müsste die Grenzkontrolle verschärft werden. "Lässt man Wirtschaftsflüchtlinge ins Land, steht plötzlich ganz Nordafrika vor der Türe. Dann haben wir ein Asylchaos im Quadrat."

 Sogar die SP findet, dass die Schweiz gegenüber der Aufnahme tunesischer Flüchtlinge "sehr zurückhaltend" sein sollte: "Die Lebenssituation hat sich nach den Vorkommnissen der letzten Wochen für die Tunesier verbessert", sagt Generalsekretär Thomas Christen. Einzig Moreno Casasola von Solidarité sans frontières ist der Meinung, die Schweiz solle möglichst viele Flüchtlinge aufnehmen: "Flüchtlingsbegriff hin oder her."

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sf.tv 14.2.11

Revolutionen im arabischen Raum

Flüchtlinge: Tunesien gegen Italiens "rassistisch rechte Regierung"

sda/fasc

 Die tunesische Regierung hat den Vorschlag Italiens zurückgewiesen, angesichts des Stroms tunesischer Bootsflüchtlinge eigene Polizisten in das nordafrikanische Land entsenden zu wollen. "Das ist inakzeptabel", sagte der Sprecher der tunesischen Regierung. Italien bezeichnete er als "rassistisch Rechts".

 "Das tunesische Volk lehnt die Stationierung ausländischer Soldaten auf seinem Gebiet ab", sagte Taïeb Baccouche dem Fernsehsender El Arabija und fügte hinzu, die Kontrolle der eigenen Küsten liege bei den tunesischen Behörden.

 Rund 5000 Personen auf Lampedusa

 Italiens Innenminister Roberto Maroni hatte zuvor angekündigt, er werde das Aussenministerium in Tunis um eine Erlaubnis für den Einsatz italienischer Polizisten auf tunesischem Territorium ersuchen. Die Beamten sollten verhindern, dass weitere Flüchtlinge sich auf den Weg nach Europa machten. Zudem sagte er, das tunesische System sei dabei, "zusammenzubrechen".

 Baccouche sagte, die Äusserungen Maronis seien nicht überraschend, da sie von einem Minister der "rassistischen extremen Rechten" kämen. In den vergangenen fünf Tagen erreichten rund 5000 tunesische Flüchtlinge die italienische Mittelmeerinsel Lampedusa. Allein in der Nacht zum Sonntag waren es laut Küstenwache fast 1100 Menschen.

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Newsnetz 14.2.11

Tunesien lehnt Stationierung italienischer Polizisten ab

AFP / jak

 Der nicht abreissende Strom tausender tunesischer Bootsflüchtlinge nach Italien sorgt für Streit zwischen den beiden Ländern. Tunis reagiert mit Sofortmassnahmen zur Eindämmung des Flüchtlingsstroms.

 Die tunesische Regierung wies am Sonntag den Vorschlag Italiens zurück, eigene Polizisten in das nordafrikanische Land zu entsenden, um den Flüchtlingsstrom einzudämmen. Die EU-Aussenbeauftragte Catherine Ashton wollte das Thema bei einem Besuch in Tunesien am Montag ansprechen. Der Sprecher der tunesischen Regierung, Taïeb Baccouche, sagte dem Fernsehsender El Arabija, der italienische Vorschlag sei "inakzeptabel". "Das tunesische Volk lehnt die Stationierung ausländischer Soldaten auf seinem Gebiet ab", sagte er und fügte hinzu, die Kontrolle der eigenen Küsten liege bei den tunesischen Behörden.

 Angesichts der vielen Bootsflüchtlinge mit Ziel Europa stockte Tunesien seine Küstenwache personell auf. "Verstärkung wurde geschickt", hiess es am Sonntagabend aus Regierungskreisen in der Hauptstadt Tunis. Die Küstenwache arbeite "Tag und Nacht, um diesen Strom zu stoppen" und habe viele Menschen beim Versuch der Grenzüberquerung festgenommen. Nähere Angaben zur Art und Zahl der Verstärkung wurden nicht gemacht. Tunesien erlebe "eine aussergewöhnliche Phase", zugleich sei das Problem der Bootsflüchtlinge mit Ziel Italien jedoch nicht neu, hiess es.

 200 Menschen festgenommen

 In den vergangenen fünf Tagen erreichten rund 5000 tunesische Flüchtlinge die italienische Mittelmeerinsel Lampedusa. Allein in der Nacht zum Sonntag waren es laut Küstenwache fast 1100 Menschen. Darüber hinaus hielten die tunesischen Behörden Berichten zufolge rund 1500 Bürger an der Küste von einer Flucht ab. Allein auf der Insel Djerba seien 200 Menschen festgenommen worden.

 Angesichts der Flüchtlingsmassen hatte Italien den humanitären Notstand ausgerufen. Der italienische Innenminister Roberto Maroni kündigte an, er werde das Aussenministerium in Tunis um eine Erlaubnis für den Einsatz italienischer Polizisten auf tunesischem Territorium ersuchen. Die Beamten sollten verhindern, dass weitere Flüchtlinge sich auf den Weg nach Europa machten. Zudem sagte er, das tunesische System sei dabei "zusammenzubrechen". Baccouche erklärte daraufhin, die Äusserungen Maronis seien nicht überraschend, da sie von einem Minister der "rassistischen extremen Rechten" kämen.

 Die EU zu Besuch in Tunesien

 Die EU-Aussenbeauftragte Ashton wollte das Thema bei ihrem Besuch in Tunesien am Montag zur Sprache bringen. Ein Sprecher in Brüssel sagte der Nachrichtenagentur AFP, der Flüchtlingsstrom werde ein Nebenaspekt des eigentlichen Ziels des Besuches sein, bei dem es um demokratische Reformen in dem Land gehen solle. Zuvor hatte eine Sprecherin von EU-Innenkommissarin Cecilia Malström erklärt, die EU sei sich "des aussergewöhnlichen Drucks bewusst", der derzeit auf Italien laste. Malström habe Kontakt mit der EU-Grenzschutzagentur Frontex und mit Flüchtlingsorganisationen aufgenommen.

 Lampedusa liegt nur 110 Kilometer vor der tunesischen Küste und damit näher an Nordafrika als am italienischen Festland. Der Flüchtlingsstrom war seit den Unruhen in Tunesien und dem anschliessenden Sturz von Staatschef Zine El Abidine Ben Ali angeschwollen.

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sf.tv 14.2.11

Revolutionen im arabischen Raum

 Flüchtlingslager auf Lampedusa völlig überfüllt?

sda/muei

 Ein vorläufiges Ende der Flüchtlingswelle aus Tunesien ins süditalienische Lampedusa ist nicht abzusehen. Nach einer ruhigen Nacht auf der süditalienischen Insel wurde wieder ein erstes Flüchtlingsboot gesichtet. Das erst am Sonntagabend wiedereröffnete Hauptaufnahmelager platzt schon jetzt aus allen Nähten.

 Seit Samstagnacht hatten 1600 Menschen in rund 20 Schiffen die nur 20 Quadratkilometer grosse Insel erreicht, wie italienische Medien berichteten. Rund 2150 Menschen befänden sich zurzeit im Flüchtlingszentrum, hiess es. Offiziell kann das Lager 800 Menschen aufnehmen. Weitere 180 Flüchtlinge seien zudem in Notunterkünften und Hotels untergebracht.

 Notstand ausgerufen

 Die italienische Regierung hatte den humanitären Notstand für die Insel ausgerufen und am Sonntag die Wiederöffnung des Flüchtlingslagers genehmigt. Aussenminister Franco Frattini wollte in Tunesien mit dem neuen Ministerpräsidenten Mohamed Ghannuchi über die Lage sprechen.

 Bei der letzten grossen Flüchtlingswelle aus Nordafrika nach Italien waren zwischen Juli 2008 bis Juli 2009 mehr als 20'000 Bootsflüchtlinge allein auf Lampedusa angekommen.

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St. Galler Tagblatt 14.2.11

Flüchtlingsstrom: Insel Lampedusa vor dem Kollaps

 Unter dem Eindruck der Massenflucht aus Tunesien hat die italienische Regierung Berlusconi über Lampedusa den Notstand verhängt.

 Dominik Straub

 Rom. Die überfüllten, teils kaum seetauglichen Boote erreichen Lampedusa praktisch im Stundentakt: Seit letzten Mittwoch sind auf Dutzenden Schiffen etwa 5000 Flüchtlinge auf der wenige Quadratkilometer kleinen italienischen Insel gelandet. Bei den Flüchtlingen handelt es sich überwiegend um junge Männer, fast alle aus Tunesien. Laut ihren Angaben warten in den Häfen Tunesiens noch Zehntausende Menschen auf eine Möglichkeit zur Überfahrt. Lampedusa ist Europas südlichster Vorposten und liegt nur 100 Kilometer von der tunesischen Küste entfernt.

 "Exodus biblischen Ausmasses"

 Obwohl etwa die Hälfte der Ankömmlinge mit Fähren und mit einer improvisierten Luftbrücke nach Sizilien und aufs Festland gebracht werden konnten, sind die Lokalbehörden restlos überfordert. Man stehe vor einem "Exodus biblischen Ausmasses", hiess es auf der Insel. 1000 Flüchtlinge konnten in der Pfarrei, einem Gemeindesaal, einem Blutspendezentrum und bei Privatpersonen untergebracht werden. Doch weitere 1500 weitere Flüchtlinge verbrachten die Nacht auf Sonntag unter freiem Himmel - auf der überfüllten Hafenmole, auf einem Parkplatz, auf dem Fussballfeld. "Es herrschen unhaltbare Zustände. Eine ganze Nation ist auf der Flucht nach Lampedusa", sagte Bürgermeister Bernardino De Rubeis.

 "Marshallplan für den Maghreb"

 Die italienische Regierung verhängte am Samstag den Notstand über Lampedusa und setzte einen Sonderkommissar ein, der sich um den Weitertransport und die Unterbringung der Flüchtlinge kümmern soll. Geplant ist unter anderem die Einrichtung eines Zeltlagers auf Sizilien. Bereits am Freitag hatte die Regierung Patrouillen der europäischen Grenzschutzagentur Frontex vor der tunesischen Küste gefordert, bisher ohne Erfolg. Innenminister Roberto Maroni zeigte sich ungehalten über das Zögern der EU.

 Maroni sagte, er wolle beim tunesischen Aussenminister um die Erlaubnis bitten, mit der eigenen Küstenwache und mit eigenen Polizisten die tunesischen Häfen zu kontrollieren und das Auslaufen der Flüchtlingsboote zu verhindern. Das Problem: Im derzeitigen Chaos ist es fast unmöglich, in Tunis einen Ansprechpartner zu finden - auch für allfällige Zwangsrückschaffungen.

 Aussenminister Franco Frattini hat die EU bereits aufgefordert, über einen "Marshallplan für den Maghreb" nachzudenken. Der Wirtschaft der nordafrikanischen Länder müsse auf die Beine geholfen werden, damit die jungen Menschen dort Arbeit fänden.

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BZ 14.2.11

FDP setzt auf Ausländerpolitik

 DelegiertenversammlungDie FDP Schweiz bekennt sich zwar klar zur Personenfreizügigkeit mit der EU. Gleichzeitig will sie aber auch die Einwanderung aus Nicht-EU-Ländern noch stärker begrenzen.

 Die Delegiertenversammlung vom Samstag hatte über ein ausländerpolitisches Grundsatzpapier zu befinden, das im kommenden Wahlkampf einen thematischen Schwerpunkt bilden soll. Die FDP will damit Probleme bei der Ausländerpolitik ansprechen, Lösungen anbieten und das Feld der Ausländerpolitik nicht allein der SVP überlassen. Parteipräsident Fulvio Pelli betonte bereits bei der Eröffnung der Delegiertenversammlung, die FDP wolle weder ein "Schlaraffenland", das jedem Ausländer Aufnahme biete, noch eine "Käseglocke" über dem Land, die jede Einwanderung verhindere. Aber die Schweiz müsse die Einwanderung steuern.

 Positiv sei die Personenfreizügigkeit mit der EU. Diese bringe einen Zuzug gut ausgebildeter Menschen, die es der Wirtschaft ermöglichten, ihren Bedarf an qualifiziertem Personal zu decken. Negativ sei es dagegen, dass in früheren Jahren Eingewanderte aus Drittstaaten einfach ihre Familien nachziehen lassen konnten.

 Die Delegierten stimmten denn auch der Forderung zu, diesen Familiennachzug nur zu begrenzen: Die Eingewanderten müssten nachweisen können, dass sie finanziell in der Lage seien, ihre Familien zu unterhalten.

 Eine im Vorfeld der Versammlung erwartete Diskussion über das ausländerpolitische Papier reduzierte sich auf eine Frage des angeschlagenen Tons. Die inhaltlichen Differenzen hatte die Parteileitung noch vor der DV durch Anpassungen abgefedert. Sie hatte die Kapitel zur Einwanderung aus Drittstaaten und zum Asylrecht getrennt. Zudem wird nun gefordert, mehr Schweizer so auszubilden, dass die Unternehmen heimische Fachkräfte finden.

 Bundesrat Johann Schneider-Ammann hatte in seinem Votum ein klares Bekenntnis zur Personenfreizügigkeit mit der EU abgelegt. Sie helfe der Wirtschaft den Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften zu decken. Schneider-Ammann betonte, derzeit bräuchten die Schweizer Firmen aber zusätzlich auch Spezialisten aus Ländern ausserhalb der EU. Diese Einwanderung aus Drittstaaten könne durch Kontingente gesteuert werden. In den letzten Jahren seien diese Kontingente aber nie ausgenützt worden.

 Hinsichtlich der EU betonte Schneider-Ammann, eine automatische Übernahme von EU-Recht werde es in der Schweiz nicht geben. "Das wäre ein Souveränitätsverlust, der gegenüber der EU nicht zu akzeptieren ist", sagte er.
 sda

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NZZ 14.2.11

Liberal-restriktive Ausländerpolitik

 FDP-Massnahmenpapier nach intensiver Debatte gutgeheissen

Christoph Wehrli (CW)

 Die FDP hält die EU-Personenfreizügigkeit hoch und fordert im Gegenzug Beschränkungen für Familien aus anderen Staaten und Flüchtlinge. Die Delegierten haben die intern umstrittene Stellungnahme angenommen.

 C. W. · Die Versammlung der FDP über die Migrationspolitik hatte nach Wahlkampfritual ausgesehen. Doch laute Kritik vor allem welscher Liberaler, die aus dem vorgeschlagenen Papier schlecht imitierte SVP-Töne heraushörten, brachte Bewegung in das Geschäft, so dass am Samstag in Zürich eine starke Beteiligung zu verzeichnen war und die echten Diskussionen die arrangierten fast überflüssig gemacht hätten.

 Suche nach dem mittleren Ton

 Der von einer Kommission unter Nationalrat Philipp Müller (Aargau) ausgearbeitete Text macht den absehbaren wirtschaftlichen Nutzen zum leitenden Kriterium der Einwanderungspolitik, bewegt sich allerdings in der Bandbreite der bisherigen Volksentscheide. Besonders der Ton weckte indessen die Opposition einer Gruppe um Nationalrat Claude Ruey (Waadt). Er vermisste liberale Prinzipien und wandte sich dagegen, wegen einzelner Missbräuche generell einschränkende Regeln zu verlangen. Im gleichen Sinn trat der Tessiner Ständerat Dick Marty auf, der zudem auf den Nutzen der Immigration für die AHV hinwies. Müller wurde besonders von der St. Galler Regierungsrätin Karin Keller-Sutter unterstützt.

 Parteipräsident Fulvio Pelli bemühte sich in seiner Eröffnungsrede um Ausgewogenheit. Mit ihrem Blick auf Vorteile und Schattenseiten der Einwanderung unterscheide sich die FDP einerseits von der Linken, die allen den roten Teppich ausrollen möchte, anderseits von jenen, die der Schweiz eine Käseglocke überstülpen wollten. Die SVP, die die Personenfreizügigkeit angreift, "spielt so oft mit dem Feuer, dass sie zu einer Gefahr für unser Land wird". Einzelne der in den Entwurf aufgenommenen Anträge von Kantonalparteien weiteten die Optik etwas aus. So wird gefordert, das eigene Arbeitskräftepotenzial sei besser auszuschöpfen, namentlich durch Vermehrung der Medizin-Studienplätze und Bekämpfung akademischer Anforderungen an Erziehungs- und Pflegeberufe.

 Den Rückweisungsantrag zog Ruey zugunsten einer offeneren Formulierung des Einleitungsteils zurück. Diese Alternative zum Kommissionsantrag wurde aber von den Delegierten mit 139 zu 118 Stimmen verworfen. An unterschiedlich grossen Mehrheiten scheiterten auch die weiteren Abschwächungs- und Streichungsanträge.

 Weniger Familiennachzug

 Unbestritten war das Ja zur Personenfreizügigkeit unter Absicherung gegen extensive Auslegungen. Der Bevölkerungsdruck soll durch ein verdichtetes und generell weniger reguliertes Bauen aufgefangen werden. Gleichzeitig postuliert die FDP Einschränkungen für Personen aus Nicht-EU-Staaten. Es gelte, die vor allem bei diesem Drittel der Einwanderung bestehenden Steuerungsmöglichkeiten auch wirklich zu benützen. Die Kontingente für besonders qualifizierte Personen seien aber "flexibel" zu handhaben, sagte Müller, und Bundesrat Johann Schneider-Ammann erklärte sich offen für eine Diskussion über diese Begrenzung.

 Im Einzelnen sollen Aufenthalter und auch Niedergelassene die Familie nur noch nachziehen können, wenn sie ein für den Unterhalt genügendes Einkommen nachweisen können. (Heute ist Sozialhilfeabhängigkeit ein Grund zum Widerruf einer Bewilligung.) Flüchtlinge sollen die Niederlassungsbewilligung nicht generell schon nach fünf Jahren erhalten. Wird heute auch den Familienangehörigen Asyl gewährt, so hält die FDP gewöhnliche Bewilligungen für richtig. (Dies bedingt allenfalls eine zusätzliche Prüfung, ob etwa die Ehefrau von Repressalien bedroht ist.) Eine Nationalratskommission hat drei entsprechende Vorstösse Philipp Müllers vor kurzem gutgeheissen. Besonders deutlich, mit 231 gegen 44 Stimmen, votierten die Liberalen dafür, vorläufig Aufgenommene aus "sicheren" Staaten zurückzuschicken, und zwar unabhängig von der Aufenthaltsdauer.

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NZZ am Sonntag 13.2.11

Die FDP verschärft ihre Ausländerpolitik

 Die FDP fordert eine härtere Gangart in der Ausländerpolitik. Der Westschweizer Flügel wehrte sich vergeblich gegen diese Kursverschärfung.

 Katharina Bracher

 Die Deutschschweizer seien in Ausländerfragen eben ängstlicher als die Westschweizer, resümierte der Waadtländer FDP-Nationalrat Claude Ruey nach seiner Niederlage im Kampf gegen das Migrationspapier seiner Partei. Vornehmlich Westschweizer Sektionen hatten sich gegen das Zwölf-Punkte-Papier gesperrt, über welches die FDP-Delegierten am Samstag in Zürich zu befinden hatten. Von 39 Änderungsanträgen stammten 19 aus der Westschweiz.

 Claude Ruey hatte gar die Rückweisung des gesamten Papiers beantragt, scheiterte aber am Widerstand der Parteipräsidentenkonferenz, die bereits am Freitag getagt hatte. "Das Papier ist zu stark auf Probleme fokussiert", sagt Ruey. Die negative Tonalität stehe im Widerspruch zu den Werten der FDP. Zudem sei es falsch, die Ausländer ausschliesslich an ihrem Nutzen für die Wirtschaft zu beurteilen. Kurzfristig hatte Ruey namhafte Parteikollegen zusammengetrommelt, die ihn an der Delegiertenversammlung unterstützen sollten.

 Von den Anträgen der Westschweizer Sektionen blieb trotz engagierten Voten von Ruey und Verbündeten wie den Nationalräten Jacques Bourgeois (FR) und Martine Brunschwig Graf (GE) nicht viel übrig. Das Papier wurde in seinen Grundzügen genau so verabschiedet, wie es im Januar unter dem Titel "Einwanderung gezielt steuern zum Nutzen der Schweiz" den Medien vorgestellt worden war.

 Einen der Kernpunkte des Papiers bildet die Begrenzung der Zuwanderung aus Drittstaaten, indem die Hürden für den Familiennachzug erhöht werden. Geht es nach dem Willen der FDP, müssen die Eingewanderten fortan in der Lage sein, für den Lebensunterhalt ihrer Familie zu sorgen. Federführend bei der Ausarbeitung des Papiers war der Aargauer Nationalrat Philipp Müller, der jeden Antrag auf Abschwächung konterte, indem er aus Statistiken zitierte und Fallbeispiele aus der Praxis nannte.

 Philipp Müller hat im letzten Herbst bereits zwei parlamentarische Initiativen eingereicht, die unter anderem den Familiennachzug von Ausländern aus Drittstaaten einschränken sollen. "Ich werde mich der Stimme enthalten müssen, wenn die Vorstösse von Philipp Müller im Parlament zur Abstimmung kommen", sagt die Genfer Nationalrätin Martine Brunschwig Graf. Im Minimum hätte sie sich eine positiver formulierte Einleitung für das Papier gewünscht - eine Einleitung, die "weniger auf die negativen Konsequenzen der Migration fokussiert" gewesen wäre, als dies jetzt der Fall sei.

 Parteipräsident Fulvio Pelli betonte in seiner Eröffnungsrede, die FDP wolle weder ein "Schlaraffenland", das jedem Ausländer Aufnahme biete, noch eine "Käseglocke" über dem Land, die jede Einwanderung verhindere. Die Mehrheit der Delegierten stimmte schliesslich der Forderung zu, den Familiennachzug zu begrenzen.

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St. Galler Tagblatt 12.2.11

Die Südgrenze als Brennpunkt

 Markanter Anstieg 2010 bei der illegalen Einwanderung: Dabei drängte mehr als die Hälfte der Migranten von Süden in die Schweiz. Nach anhaltenden Raubüberfällen auf Tankstellen gibt die Öffnung der Grenzen umso mehr zu reden.

Gerhard Lob

 lugano. Der Migrationsdruck auf die Schweiz erfolgt von Süden. Diese Erkenntnis haben die gestern vom Grenzwachtkorps IV der Region Lugano vorgestellten Zahlen für das Jahr 2010 eindrücklich unter Beweis gestellt: Im soeben abgelaufenen Jahr griffen die Grenzwächter an der Südgrenze mit Italien 2410 illegale Migranten auf, landesweit waren es 4350. Das bedeutet für diesen Grenzabschnitt 50 Prozent mehr illegale Überschreitungen als im Vorjahr (1580).

 Dabei waren Nigerianer (900) die klar dominierende Gruppe, vor Personen aus Georgien (180), Tunesien (170), Algerien (160) sowie aus dem Irak, Eritrea und anderen Staaten. "Wir erlebten keine Migrationswellen, sondern eine konstante Einwanderung", hielt Korpskommandant Mauro Antonini im Rahmen einer Medienkonferenz fest.

 In die Höhe geschnellt

 Der Druck von Süden spiegelt sich auch in der Zahl der aufgegriffenen Migranten, die einen Asylantrag stellten. Diese schnellte von 160 (2009) auf 1220 (2010) in die Höhe. Landesweit stieg die Zahl von 210 auf 1275. Dies zeigt, dass praktisch alle Asylbewerber in der Schweiz an der Südgrenze aufgegriffen werden. "Die Zahlen sind umso eindrücklicher, weil wir ein Binnenland des Schengenraums sind, also keine Aussengrenze zu einem Nicht-Schengenland haben", so Antonini. Das Bundesamt für Migration geht davon aus, dass ein bedeutender Teil der aufgegriffenen Personen, namentlich nigerianische Staatsangehörige, sich teilweise während längerer Zeit illegal in Italien aufhalten, bevor sie ihr Glück in der Schweiz versuchen. Wer keinen Asylantrag stellt, wird nach Italien zurückgeschickt.

 In Bezug auf den Migrationsdruck an der Grenze bezeichnete Mauro Antonini das Schengen-Abkommen aber als sehr effizient. "Die Grenze funktioniert als Filter", hielt er fest. Auch wenn nicht alle Grenzübergänge mehr rund um die Uhr besetzt und die systematischen Personenkontrollen aufgehoben seien, könnte dies durch die mobilen Kontrollen im Hinterland kompensiert werden. Unter dem Strich sei die Effizienz erhöht worden. Er verwies darauf, dass die Grenzwacht mehr polizeilich gesuchte Personen als früher stellen konnte und auch die Treffer in der Datenbank des Schengen-Informationssystems (SIS) gestiegen seien.

 Zunehmende Unsicherheit

 In weiten Teilen der Tessiner Bevölkerung, insbesondere in Grenznähe, wird diese Auffassung nicht geteilt. Dort haben Bewohner zumindest subjektiv den Eindruck, dass die grenzüberschreitende Kriminalität zugenommen hat und die Bekämpfung schwieriger geworden ist, seit die Grenzübergänge nicht mehr ständig bewacht sind. Seit Anfang Jahr gab es sechs bewaffnete Raubüberfälle auf Tankstellen in Grenznähe - der letzte ereignete sich just gestern morgen nahe Chiasso. Die kantonale CVP forderte bereits, dass das Tessin in Bern vorstellig werden sollte, um eine 24-Stunden-Präsenz der Grenzwacht an allen Grenzübergängen einzufordern. Doch ist an diesen Raubüberfällen die Situation an den Grenzübergängen verantwortlich? Der Generalstaatsanwalt des Kantons Tessin John Noseda vereint dies. "In den 1970er-Jahren hatten wir mehr Überfälle dieser Art, auch in Banken, sogar mit Toten, und damals waren die Grenzübergänge ständig bewacht", ruft er in Erinnerung.

 Biometrischen Pass gefälscht

 Das Grenzwachtkorps IV will die grenzüberschreitende Kriminalität keineswegs verharmlosen. Doch hält man die Kombination aus statischen und mobilen Kontrollen für adäquat. Gestern zeigte man in Lugano viel beschlagnahmtes Material: Von Werkzeug zum Klonen von Kreditkarten über gefälschte Pässe - darunter erstmals ein biometrischer Pass - bis zu Falschgeld.

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Blick am Abend 11.2.11

"Ausländer als Belästigung"

 UNFRIEDEN

 Ein Positionspapier zur Migrationspolitik bringt das Blut von FDP-Leuten zum Kochen.

 Die Migrationspolitik spaltet die FDP: An der Delegiertenversammlung morgen in Zürich werden die Klingen gekreuzt. Die FDP will die Migration stärker steuern, heisst es im Positionspapier. Das heisst, EU-Fachkräfte sind willkommen, für Personen aus anderen Staaten soll aber der Familiennachzug erschwert werden.

 Einer, der sich gegen diese Position wehrt, ist der ehemalige Bundeskanzler François Couchepin. Dieses Papier könne nur so zusammengefasst werden: "Der Ausländer ist eine Belästigung, es sei denn, er ist uns wirtschaftlich von Nutzen". Das Papier schlage entweder alberne, am Problem vorbeilaufende oder schädliche Massnahmen vor, regt sich Couchepin auf.

 Und die Übernahme der populistischen Thematik der SVP komme einem Eigentor gleich, heisst es in einem Aufruf an die FDP-Parteimitglieder. Mit autor des Papiers ist der Aargauer Nationalrat Phi lipp Müller. Er ist überzeugt davon, dass die FDP als Volkspartei zu allen Themen Antworten liefern muss. Vor allem wegen des drohenden Familiennachzugs entstünden "durch die überbordende Einwanderung unqualifizierter Personen" Probleme. Mit bis 45000 Immigranten aus Drittstaaten pro Jahr sei diese Gruppe sehr wichtig. hcq

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BZ 11.2.11

Neue Massnahmen gegen illegale Einwanderer

 EinwandererDer Bund will die illegale Einwanderung an der Quelle bekämpfen: Schweizer Beamte sollen die Dokumente bereits an ausländischen Flughäfen prüfen.

 Dokumentenberater aus der Schweiz sollen an ausländischen Flughäfen die Dokumente von Reisenden unter die Lupe nehmen, sagte Martin Banz vom Bundesamt für Migration (BFM) gestern gegenüber Schweizer Radio DRS: zum ersten Mal am Check-in und ein zweites Mal beim Einsteigen ins Flugzeug. Illegale Migranten sollen nicht ins Flugzeug kommen. So soll erkannt werden, ob die Papiere echt und die notwendigen Visa vorhanden sind. Bei Unstimmigkeiten, die auf illegale Migration hindeuten, empfehlen die Schweizer laut Banz den Behörden vor Ort, die betroffene Person nicht reisen zu lassen.

 Wie BFM-Sprecher Michael Glauser sagte, führte die Schweiz im Oktober und November 2010 ein Pilotprojekt in Kairo durch: "Das Projekt war erfolgversprechend." Pro Berater und Tag könne aufgrund bisheriger Erfahrungen eine illegale Einwanderung verhindert werden, was "erhebliche Kosten" vermeide. Ab wann und wo die Berater zum Einsatz kommen, ist noch nicht klar.
 sda

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20 Minuten 11.2.11

Auslandeinsatz gegen illegale Einwanderung

 ZÜRICH. Um die illegale Einwanderung an der Quelle zu stoppen, hat der Bund ein Pilotprojekt lanciert. In den Monaten Oktober und November 2010 haben so genannte Schweizer Dokumentenberater die Papiere von Reisenden genau geprüft: Zum ersten Mal beim Check-in und zum zweiten Mal beim Betreten des Flugzeuges. Aufgrund bisheriger Erfahrungen kann pro Beamter und Tag eine illegale Einwanderung verhindert werden, teilt das Bundesamt für Migration mit. Bei einem negativen Entscheid verursacht die Ausschaffung eines Asylbewerbers oder eines Sans-Papiers Kosten von bis zu 10 000 Franken. Wann und wo die Dokumentenberater zum Einsatz kommen, ist derzeit noch unklar.

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GEFANGENE
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Indymedia 14.2.11

Brief von Costa / Die Solidarität ist in Bewegung ::

AutorIn : freiheit         

Brief von Costa aus dem Gefängnis aus Bern vom Oktober 2010!

Freiheit für Marco, Silvia, Billy und Costa!
Freiheit für alle politischen und sozialen Gefangenen!
Knäste zu Baulücken!     
    
Brief von Costa

DIE SOLIDARITÄT IST IN BEWEGUNG

"Im Moment der Aktion beherrschen wir nur die angewendeten Mittel und nicht das gewollte Ziel oder, genauer, wir beherrschen das Ziel nur über die Mittel. Das Ziel gehört der Zukunft, nur die Mittel gehören der Gegenwart, es ist also wichtig, dass die Mittel "Anfang des Zieles" seien.
Jean Marie Müller


Liebe GenossInnen,

Eure Nähe und Komplizität hörte am 15. April nicht auf, als ich mit Billy und Silvia zusammen hier in der Schweiz verhaftet wurde; mit der Anklage eines versuchten Angriffs auf die neuen sich im Bau befindenden Strukturen eines der weltweit wichtigsten Forschungszentrums im Bereich der Nanotechnologien des amerikanischen Multis IBM, der seine Labors in Rüschlikon bei Zürich hat.

Unser schönes Mietauto und unser breites Lächeln genügten offensichtlich nicht um die Strassensperre zu passieren. Diese Verhaftung wird dann in den bis anhin sehr wenigen verfügbaren Akten als "auf Grund ihres nervösen Verhaltens" beschrieben. Es muss eine besonders "negativ energiegeladene" Strasse gewesen sein, da jedes passierende Fahrzeug angehalten und auf einem Ausweichsplatz kontrolliert wurde, wo fünf oder sechs Streifenwagen und ein Zivibus mit verdunkelten Scheiben mit Informatikausrüstung und starken Scheinwerfern auf dem Dach da waren. Wir waren nicht das einzige angehaltene Auto aber den Blicken unter den Bullen nach waren wir die Attraktion; keine Ahnung ob sofort oder nach der Abfrage in ihren Terminals. Ich glaube es waren die Letzteren, der sich an uns mit ein wenig Italienisch wendende Beamte wird unsere Sprache brauchen, als er dem nächsten Kollegen "Terrorismo" sagt, bevor sie uns und gleichzeitig das Auto durchsuchen. Sofort kommt der erste Sprengstoff zum Vorschein und auch die Handschellen; in der Folge wird im Auto, das in Erwartung der Sprengstoffexperten eingezäunt wurde, die Behälter mit Gas drin, Brandutensilien und dutzende Texte gefunden.

Die Anklage, nachdem wir in drei verschiedene Gefängnisse der Schweiz zerstreut wurden, sind: Transport von Sprengstoff und Giftgasen, versuchte Brandstiftung und versuchtes Attentat. Letztere Anklage bezieht sich auf den Inhalt unserer Texte, die von einem Angriff mit Sprengstoff, Gas und Feuer sprechen, um die neue Produktion von Nanotechnologien unter dem Deckmantel der Forschung in den zukünftigen IBM-Labors zu verhindern. Die an verschiedene Informationsorgane addressierten Schreiben trugen die Unterschrift "ELF SWITZERLAND".

Unterdessen haben auch die italiensichen Behörden begonnen sich mit der Sache zu befassen, auf die einzig mögliche Art: d.h. durch Ermittlung wegen Art. 270Bis (subversive Vereinigung zum Zwecke des Terrorismus) weil, als angeblich Mitglieder der ELF (Earth Liberation Front) wir untereinander und mit anderen noch zu identifizierenden Subjekten eine Vereinigung gefördert, gebildet und organisiert hätten, mit der Absicht der Ausübung von Gewalt mitdem ziel des Terrorismus oder Umsturzes der demokratischen Ordnung, auch gegenüber fremden Staaten. Im Gesuch um internationale Rechtshilfe an die Schweizer Behörden, der zwei ermittelnden Turiner Staatsanwälte schliessen dieselben mit der kuriosen Bemerkung: "vorausgesetzt, dass nicht wegen politischen Vergehen oder im Zusammenhang mit politischen Vergehen vorgegangen wird...".

In diesen Monaten der Haft werden wir einer immer stärkeren Zensur ausgesetzt, die soweit geht, dass in gewissen Fällen eine Kommunikation, die als solche bezeichnet werden kann, eigentlich verhindert wird. Jeder Brief, jede Karte, jedes Buch oder Papier wird vom Gefängnis an die Staatsanwaltschaft gesendet um gelesen und auf deutsch übersetzten zu werden; kürzlich wurde eine zusätzliche Beschränkung des Postflusses eingeführt: "...die ankommende und ausgehende Post mit der sich in Haft befindenden Person wird auf maximal 3 Briefe pro Wcohe (und vier maschinengeschriebenen Seiten" beschränkt...". Angeschichts der ganzen Umwege unserer Post, u.a. Die Übersetzungen, könnten "technisch-praktische" Probleme als Grund der enormen Verspätungen unserer nie ankommenden Korrespondenz angeführt werden. Wir wissen aber nur zu gut, dass gewisse Strukturen wenn nötig sehr effizent sind, also können diese Beschränkungen nur gezielte Absicht sein, um jegliche Beziehung nach aussen einzuschränken. Denn was sollen diese sog. Präventiven Ermittlungen denn anderes sein, als der Versuch das repressive Netz auszuweiten: einerseits um eventuelle Komplizenschaften zu suchen und andererseits um uns noch mehr von der solidarischen und beziehungsmässigen Sphäre zu isolieren. Klar ist, dass in diesen Monaten sich viel Komplizenschaft gezeigt hat: offensichtlich zuviel! Und derart, dass jeder gezielte Angriff, den die Bundespolizei und -anwaltschaft gerne geführt hätte, verhindert wurde. So sind sie von einer funktionalen Öffnung auf eine notwendige Schliessung übergegangen.

Die Nähe und Komplizenschaft in diesen Monaten wurde zur grossen und sofortigen internationalen Solidarität, unter Überwindung jeglicher spezifischen Tendenz, und wurde in den tausend Arten, die jedes Individium oder Situation für angebracht hielt, ausgedrückt. In der Schweiz, in Italien und vielen anderen Ländern: Initiativen, solidarische Momente und Kundgebungen der Nähe wie der wunderbare aus dem Gefängnis San Michele von den gefangenen anarchistischen Genossen. Alles mit dem einzigen Zweck, ohne diesen definieren und koordinieren zu müssen: diese Solidarität aktiv und lebendig zu machen und vor allem in Bewegung zu setzen. Die sehr starke Zensur hat diesen Flus snicht verhindert, der immer energischer wurde von drinnen nach draussen und von aussen nach innen. Unsere beste Kommunikation: der unlösbare Faden, der nicht einmal auch nur kurz lose wurde, sind die laufenden Kämpfe. Gerade diese haben unseren Weg in diesen Jahren charakterisiert, vor allem in unseren Widerstand gegen die industriellen und technologischen Schädlichkeiten wie Bio- und Nanotech. Indem Umweltschutz nicht als Wissenschaft der Herrschaft sondern als Notwendigkeit geführt wurde, einen starken Widerstand zu schaffen, der angesichts des laufenden Ökozids immer weniger vertagt werden kann.
Der gesamte Planet brennt, schmilzt, wird steril, verändert sich, wird von Rohöl und toxischen Stoffen bedeckt, verschwindet unter dem Imperativ des Fortschritts und der Ideologie der Herrschaft der Entwicklung. Es gibt viele Theorien und Annahmen über den Ursprung der ersten Lebensformen auf dem Planeten. Aber sicher ist, dass sie enden können, und das ist unter den Augen aller. Die Klimaveränderungen und die immer totaleren Kriege (atomare und nano-biotechnologische), die jeder Staat zurzeit vorbereitet auf wenn die Zeiten noch kritischer sein werden, belegen es.

Übrigens ist das der Mechanismus der Industriegesellscahft, der sich in der Massengesellscahft und in ihrer Todeswirtschaft reproduziert.

Die Gefahr ist nicht nur die Tatsache der Möglichkeit der Zerstörung der Herrschaftsgesellschaft; sondern die Idee und die Voraussetzung an sich der Notwendigkeit derselben. Die Formen der Kontrolle und der sozialen Entleerung wurden "verinnerlicht" bis zu dem Punkt, dass die Opposition an ihren Wurzeln angegriffen wird, und die Weigerung "am Spiel teilzunehmen", wie die anderen zu "marschieren" als irrational, "neurotisch", undenkbar erscheint: wie eine seltsame Krankheitsform solcher Tiefe, dass sie die Unterscheidung zwischen aufgezwungenem und spontanem Verhalten verwischt.

Die Zerstörung der Natur enthüllt nocheinmal ihr vollständiges Ausmass in Anbetracht der Tatsache, dass wir die anderen Tiere Teil von ihr sind. Wie können wir umhin, die Analogie zwischen einer durch die Wachstumshormone von Monsanto zur grösseren Milchproduktion drogenabhängig gemachten Kuh, zwischen Pflanzen, die ohne andauernden chemischen Input nicht mehr überleben
können und Menschenwesen nicht feststellen, die von Kindheit an mit Ritalin drogenabhängig gemacht werden, dann mit Prozac, Beruhigungsmitteln, Gentech bis sogar zur Abhängigkeit und Akzeptanz auf freiwilliger Basis eines sozialen Kontextes, der immer untragbarer wird.

Kühe erleiden die intensive Haltung und die damit Wahnsinnsprionen, die technisierten Pflanzen brechen aus den Grenzen der Labors aus, und Mann und Frau sind zu universellen Instrumenten im Dienste des technischen Apparates geworden. Die Technologie und vor allem die konvergenten Wissenschaften (Nano- und Biotech, Kybernetik, Neurowissenschaften) sind daran, die Essenz selbst aller Lebewesen zu ersetzen: das Sein an sich und für sich stellen sich als von der Technik konstruiert heraus, als instrumentelle Struktur mit dem eigenen "Zweck", die eigene wahre Daseinsberechtigung ausserhalb von sich selbst zu suchen, in der neuen kollektiven und anonymen Rationalität einer wirksamen aber blinden Kollektivität. Als Totalität beinhaltet der technische Apparat die von ihm geforderten Leistungen und die von ihm produzierten Sachen; er auferlegt die eigenen Bedürfnisse den Verhaltensweisen, den Bestrebungen und den Werten des Mannes und der Frau; er konstruiert den endültigen Rahmen der Erfahrung der Welt: definiert die Hoffnungen und das Scheitern und alles, was legitim geträumt, gefürchtet und gewünscht werden darf.

Sein höchstes Versprechen, dass sich in den fortgeschrittendsten Industriegesellschaften progressiv erfüllt, ist das eines immer komfortableren Lebens und einer wachsenden Sicherheit für einen immer grösseren Teil der Bevölkerung. Mit dem Fortschritt der technischen Wirklichkeit Richtung einer immer kompletteren Herrschaft wird es null und nichtig: es löst sich in Rauch auf. Sie bieten am Ende des Fortschritts eine künstliche Existenz an. Wir gehen Richtung Singularität: die technische Realität definiert jeden Aspekt der Natur neu, ihre Vergangenheit und ihre Gegenwart aber vor allem ihre Zukunft. Sie wird Garant der Krise und des "natürlichen Desasters". Vielmehr noch, diese Aspekte sind immer mehr die Essenz der Herrschaft, die sich nicht etwa in einem provisorsichen "Notstand" sondern gerade in jenem verewigt, der "permanent" geworden ist. Wahre Macht ist heute gerade die, die sich in den Falten dieser unabdingbar und folglich unauslöslich gewordenen Infrastruktur versteckt; von wo aus die Welt als Geisel halten kann. Herrschaft kann heute sehr wohl auch von jenem Wissenschafter dargestellt werden, der die Welt von der Kultursuppe in seinem Labor aus betrachtet; und auf einen Zufall wartet, wie ein Kasinozocker: dass dieses oder jenes Nanomolekül an die rechte Stelle wandert oder auf das die Genkanone diesmal doch endlich treffen möge. Vielleicht noch mit dem Resultat dem Patent näherzukommen, das vom Multi schon längst reserviert worden ist. Nach Überwindung der schlicht geschäftlichen Phase wird der nächste Schritt des Systems der "symbolische" Teil sein, mit dem es wieder einmal mittels des technischen Instrumentes und der Manipulierung die Richtigkeit des eigenen eingriffsmodells belegen wird. Darin spielt der eigentliche operative Arm die grundlegende Rolle: die Wissenschaft. Diese hat der technologischen Herrschaft nicht nur immer neue Möglichkeiten eröffnet; sie hat auch (immer offensichtlicher) die existientielle Erfahrung, die Moralität und jegliche Bestrebung von Mann und Frau geleitet. Sie hat die Rolle der Natur und der anderen Tiere neu definiert. Diese Regierung war offenbar indirekt, "vermittelt": die wissenschaftliche Methode schien in sich nichts zu bergen, was eine Verhaltensorientierung an sich liefern könnte, keine Idee für das zu erreichende Zweck und "Ziel". Sie schien von allen Gesichtspunkten her neutral zu sein. Heute wissen wir, das dem nicht so ist.

Diese Siege über die Natur (darunter die menschliche) haben uns die Erbschaft von Umwelt- und sozialen Katastrophen nie gekannten Ausmasses hinterlassen und die Zukunft schon mit anderen noch grösseren Ausmasses vorbelastet.

Dass das für die Mobilisierungen eine günstige Periode ist, wird durch die grosse Breite der militanten Solidarität belegt. Ich denke es ist ein optimales Einschätzungsmass zur Qualität und eingeschlagenen Richtungen des Kampfes. Und auch für das Verständnis der Dynamik, die dem Herrschaftssystem innewohnt, und vor allem beweist es, dass wir gelernt haben mit der Repression zu leben: als einzige Art um Räume der Freiheit aufrecht zu erhalten und immer Neue zu schaffen.

Ohne sich in eine einfach defensive Aktivität zurückzuziehen, die auf die Länge zum Verlust von erobertem kostbaren Terrain führen würde, sondern indem vorangeschritten wird. Das repressive Moment bringt immer Zerstörung und Verlust für die betroffenen Situationen, aber es verläuft im Sand der Bedeutung, die wir ihm zu geben fähig sind, und in unserer Stärke: neue Hindernisse zu bilden, die das Räderwerk dieser Todesmaschine wieder zum Stillstand bringen werden.

Ich möchte auf zwei solidarische Momente näher eingehen, die gerade in diesen Wochen Form annehmen und denen ich meine völlige Unterstützung und Solidarität ausdrücken möchte. Es handelt sich um die Kampagne zur Befreiung der Langzeitgefangenen und der internationalen Kampagne zur Befreiung von Marco Camenisch, Grünanarchist und seit mehr als zwanzig Jahren in Italien und der Schweiz gefangen.

Diese beiden Kampagnen haben dasselbe Wesen. Nicht nur weil die Regierungen, und im Fall von Marco auch die Atommafia (die sich seit kurzem in der Schweiz wieder lauthals bemerkbar macht), die Gefangenschaft jener, die ihre Welt der Ausbeutung in Frage gestellt haben, nie beenden möchten.

Diese revolutionären Gefangenen, ob Anarchisten wie Marco, Antiimperialisten wie die Gefangenen von Action Directe, ob aus der baskischen Befreiungsbewegung, KomunistInnen der GRAPO und des 17. November oder auch die UmweltschützerInnen von MOVE oder ELF in den USA und noch viele viele andere haben grundlegende gemeinsame Aspekte. Sie haben die verschiedenen Fratzen des Systems kennengelernt, die mit den Lügen der Herrschaft aufrecht erhalten werden: des Faschismus, je nach dem die autoritäre oder demokratische oder alle miteinander.

Sie haben jahrelang des immer härtesten Knastes erlebt oder leiden immer noch darunter: Isolierung, Folter, Differenzierung, Entzug, Verschwindenlassen und physische Eliminierung. Manchmal ist das System auch "gnädig" mit diesen sehr lang gefangenen Leuten, wie als sie nach langen Jahren die Militante von Action Directe Nathalie Menigon gerade noch rechtzeitig rausliessen um bei ihren Lieben an einem Leiden zu sterben, das durch den Knast verschlimmert wurde und innerhalb der Mauern unmöglich behandelt werden konnte.

Die enorme Verbissenheit der Bullen und der Justiz gehört nicht einem besonderen territorialen Kontext oder dem x-tem "Notstand" an. Sondern ist das Ergebnis einer geplanten Strategie, die allerorts, in Europa wie in den USA und andern Ländern auch, sich immer mehr gleicht. Eine repressive Strategie auf dem maximalen Niveau an Vernichtung, gleich welche Ebene von Opposition auf dem Terrain aufgestellt ist. Wo die Wirtschaft des Todes ihre Werk auf die eigene Art strickt und alles plündert und raubt, was dem Aufbau einer anderen Macht günstig oder Beitrag wäre, ist todsicher dass Widerstand nicht toleriert wird. Der für diese RebellInnen vorgesehene Knast stellt für das System das letzte Glied dar zur Beendigung der konterrevolutionären, reaktionären, befriedenden Offensive und zur Wiederherstellung des Status quo, was logischerweise mit ihrer "Rehabilitierung und Entleerung" enden muss, oder dann mit ihrer Vernichtung durch endlose Haft.

Eben, denn hier beginnt der wichtigste Aspekt, der überall in der Welt viele revolutionäre Gefangene charakterisiert.

Der Kampf gegen das System ist nicht zu Ende! Diese Gefangene sind nicht dazu bereit, sich in leere Puppen und zahme Ex-Militante verwandelt zu lassen ... sie bekennen sich weiter klipp und klar zu ihrer Identität und ihrem Empfinden und lehnen Bereuung und Distanzierungen von den Kampfprojekten ab, denen sie angehörten und angehören: indem sie ihre Stimme erheben und oft zur Aktion schreiten wie gerade stattgefundenen Hungerstreiks der Mapuche und Baskischen Gefangenen.

Letztere sind beispielhaft für die Art und Weise, wie ein Staat, in diesem Fall der spanische, mit seinem inneren Gegner abrechnen will; er erlässt neue Gesetze die nachträglich auf Gefangene angewendet werden, die ihre sehr lange Strafe schon abgesessen haben und oft auch wegen der erlittenen Folter schwer krank sind.

Diese grausame Verbissenheit gegen politische Gefangene seitens des Systems gipfelt auch in der Rechtfertigung oft nur präventiver drakonischer Repression. In Amerika bezahlen viele UmweltaktivistInnen der ELF mit drakonischen Strafen, weil sie ihre GenossInnen nicht verraten haben und sich nicht von ihren Aktionen distanzieren wollten. Und diesen einen präzisen Sinn verleihten und enthüllten, wer in dieser Ausbeutungs- und Vernichtungsgesellschaft die wirklichen Ökoterroristen sind. Und dass die Rettung des Planeten nicht "Freiwilligenarbeit" sein kann, sondern eine unabdingbare Notwendigkeit zu handeln ist, nicht um das industrielle System zu reformieren oder es besser zu verwalten, sondern um es völlig zu vernichten. Bezeichnend ist der Fall der Ökomilitanten Marie Mason, die für verschiedene Angriffe auf ökozide Strukturen zu 22 Jahren verurteilt wurde, unter anderem wegen der Sabotage eines Biotechforschungszentrums, alles mit ELF unterzeichnete Aktionen. Schon seit einigen Jahren hat die Regierung der USA auf starken Druck der Industrie- und Forschungslobby die ELF zum Feind Nummer Eins erklärt, und danach war der Schritt zu langen Urteilen und schwersten Sondermassnahmen klein.

Die Angriffe auf die weitergehenden Kampfsituationen und auch auf die Gefangenen haben das Ziel, das Widerstandspotential zu zertrümmern und zu spalten: und zielen auf die Repression derjenigen ab, welche die Herrschaftslogik mit ihrer grauenhaften "Normalität" des Elends und der Zerstörung ablehnen.

In diesem Kontext erhält die Solidarität mit den revolutionären Gefangenen eine neue Bedeutung, die nicht ignoriert und vor allem nicht vernachlässigt werden darf. Sie sind organischer Teil der breiten Widerstandsbewegung, denn die Behauptung der Solidarität hängt unmittelbar mit der Entwicklung und den Erfolgen der Bewegung zusammen, aber auch umgekehrt, denn die Solidarität stärkt die Erfahrung und die Radikalisierung eines grossen Teils der Bewegung grundlegend.

Nur mit dem Aufbau einer starken und vielseitigen Solidaritätsfront, wovon die zwei genannten Kampagnen ein optimaler Ausruck sind und ich hoffe sie seien nur der Anfang, wird eine Umkehrung der Lage möglich sein, in der viele Gefangene stecken; eine anscheinend unveränderliche Lage und das System will, dass sie so bleibt. Erfahrungen vergangener Jahre haben gezeigt, dass internationale Mobilisierungen diesen Prozess stoppen oder es ihm wenigstens nicht leicht machen können. Viele GenossInnen konnten wieder frei werden oder ihre Strafe wurde gesenkt, in anderen Fällen wie bei Mumia Abu Jamal, Militanter der "MOVE", wurde die Hand des Henkers aufgehalten, aber nur nach einer enormen internationalen Mobilisierung.

Wenn wir überzeugt sind, dass die revolutionären Gefangenen Teil unserer Bewegung sind, dann glaube ich sind wir ebenfalls überzeugt, dass keine Bewegung hoffen kann eine radikale Kritik des Bestehenden auszudrücken oder etwas zu erreichen, wenn die eigenen Kämpfe nicht auch über die Forderung ihrer Befreiung laufen. Sicher ist, dass nicht die Institutionen, die Menschenrechtskonventionen oder humanitäre Vereine einen Unterschied machen werden. Denn gerade mit der Legitimierung solcher Institutionen und oft in ihrem Namen hat das System die verbrecherischten Gewalttaten und Zerstörungen gegen die Ausgeschlossenen und die Natur begangen.

Und das solange, wie die indische ökologische Schriftstellerin Arundhati Roy, die gegen die grosse Staudämme Indiens kämpft, schreibt: "auch Krieg Frieden genannt wird".

Verwandeln wir "diesen glühenden Zorn eines sterbenden Planeten" (ELF)
in ein Donnern der Revolte.

- Freiheit für Mumia Abu Jamal, Jaime Simon Quintela, Marco Camenisch, Georges Ibrahim Abdullah und alle politischen Gefangenen mit ausserordentlich langen Strafen, die im Gefängnis bleiben, weil sie sich weigern, ihre revolutionäre Identität zu verleugnen.

- Unterstützen wir die Kampagne zur Befreiung von Marco Camenisch
- Freiheit für die Ökoanarchisten Leonardo Landi, Silvia Guerini, Luca Bernasconi
- Freiheit für die politischen Mapuchegefangenen im Hungerstreik
- Und überall und jedenfalls alle Käfige für alle öffnen

Costantino Ragusa - Gefängnis Bern Oktober 2010

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Tagesanzeiger 12.2.11

Mutmasslicher Brandstifter bleibt in Untersuchungshaft

Hohler Stefan

 Zürich - Der 33-jährige Mann, der beschuldigt wird, eine Baustelle auf der Hardbrücke angezündet zu haben, bleibt in Haft. Das Obergericht hat gestern seinen Antrag auf Entlassung abgelehnt, wie der zuständige Staatsanwalt sagt. Das bedeutet, dass der dringende Tatverdacht weiter besteht.

 Beim Brand vom 18. September entstand ein Schaden von über einer halben Million Franken. Die Kantonspolizei verhaftete den Schweizer Mitte Dezember. Er macht keine Aussagen und ist nicht geständig. Der Mann ist der Polizei aus der Hausbesetzerszene bekannt. Nach dem Brand wurde auf der linksautonomen Onlineplattform Indymedia ein Bekennerschreiben veröffentlicht, das ebenfalls in diese Richtung weist. Am letzten Samstag haben rund 50 Personen vor dem Bezirksgefängnis beim Helvetiaplatz für den Verhafteten demonstriert und Flyers mit dem Aufruf "Freiheit für Steven!" verteilt. Laut dem Staatsanwalt hat man keine Hinweise, dass der Verhaftete Verbindungen zu den drei Personen hat, die im letzten April einen Anschlag auf das IBM-Forschungszentrum in Rüschlikon geplant hatten.

 Die Polizei kam dem 33-Jährigen anhand von DNA-Spuren auf die Schliche. Er hatte einen Baustellentank aufgebrochen, mit einem Schlauch Dieselöl auf die Strasse auslaufen lassen und das Öl angezündet. Offenbar hinterliess er Speichelspuren. Da der Verhaftete der Polizei von früheren Vorfällen bekannt ist, war er bereits in der DNA-Datenbank registriert. (hoh)

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ANTI-SVP
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Tagesanzeiger 12.2.11

Verhaftung nach Attacke auf Fehr

 Die Stadtpolizei hat einen Mann verhaftet, der beim Angriff auf SVP-Nationalrat Hans Fehr beim Albisgüetli beteiligt gewesen sein soll.

 Von Stefan Hohler

 Zürich - Beim Mann handelt es sich um einen 32-jährigen Schweizer, wie die Staatsanwaltschaft Zürich gestern mitteilte. Er wurde am Mittwoch aufgrund eines dringenden Tatverdachts verhaftet und sitzt nun wegen Verdunkelungsgefahr in Untersuchungshaft. Staatsanwalt Markus Imholz sagte auf Anfrage, dass nach weiteren Tätern gesucht werde. Ob sich der Mann schon in der Vergangenheit in den Kreisen von Linksautonomen bewegt hatte und polizeilich bekannt ist, wollte Imholz nicht sagen. Auch nicht, ob er geständig ist. Bei der Ermittlung habe man sich auf Zeugen und Beweismittel abgestützt, welche Imholz aus ermittlungstaktischen Gründen nicht näher kommentieren wollte.

 Gegen den Mann läuft nun ein Verfahren wegen Angriffs und einfacher Körperverletzung. Die Maximalstrafe für einen Angriff beträgt fünf Jahre. "Früher oder später wird Herr Fehr direkt in das Verfahren eintreten. Dann ist auch eine direkte Gegenüberstellung möglich", sagt Imholz. Als Opfer aber habe er auch Anspruch auf eine Gegenüberstellung per Video.

Fehr hofft auf strenges Urteil

 Hans Fehr wurde am 21. Januar an der SVP-Tagung beim Albisgüetli von Chaoten angegriffen und verprügelt. Die Medien berichteten danach von mehreren Angreifern. Der Nationalrat erlitt Schrammen im Gesicht und angeknackste Rippen. Fehr, der nach der Attacke eine Strafanzeige gegen unbekannt gemacht hatte, zeigte sich gestern erfreut über die Verhaftung. "Eine positive Meldung, die Polizei hat gut gearbeitet". Er hofft, dass der Täter, falls sich dessen Schuld erweise, streng bestraft werde und das Gericht den Strafrahmen auch ausnutze. Gesundheitlich gehe es ihm wieder besser, aber er habe immer noch Augenflimmern.

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Landbote 12.2.11

Mutmasslicher Angreifer Hans Fehrs verhaftet

Tes Sandra Hohendahl Tesch

 Zürich. Nach dem Angriff auf SVP-Nationalrat Fehr ist ein 32-Jähriger verhaftet worden. Er könnte für maximal fünf Jahre hinter Gitter kommen.

 Knapp drei Wochen ist es her, dass Nationalrat Hans Fehr vor der Albisgüetli-Tagung der SVP Kanton Zürich von linksautonomen Demonstranten angegriffen und dabei leicht verletzt wurde. Nun hat die Polizei einen Mann festgenommen, der die Attacke verübt haben soll. Es handelt sich um einen 32-jährigen Schweizer, sagte der zuständige Staatsanwalt Markus Imholz auf Anfrage. Der Beschuldigte sei nach "intensiven Ermittlungen und Hinweisen von Zeugen" festgenommen worden. Da die Chaoten in der Regel vermummt auftreten, habe es eine gewisse Ermittlungszeit gebraucht. Gegen den mutmasslichen Täter hat die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl nun ein Verfahren wegen Angriffs und einfacher Körperverletzung eröffnet. Dem Mann drohen bis zu fünf Jahre Haft - die Maximalstrafe für ein derartiges Verbrechen.

 Fehr fordert harte Bestrafung

 Die Untersuchungshaft wurde angeordnet, "weil ein dringender Tatverdacht und Verdunkelungsgefahr bestehen", sagt Staatsanwalt Imholz. Die Ermittlungen im Fall laufen derzeit auf Hochtouren weiter. Man gehe davon aus, dass mehrere Personen an der Tat beteiligt waren. Für das Opfer wird es laut Imholz früher oder später zu einer direkten Gegenüberstellung mit den mutmasslichen Tätern kommen. Fehr, der momentan im Ausland weilt, findet auf Anfrage deutliche Worte: Sollte sich herausstellen, dass der Verhaftete einer der Angreifer ist, erwarte er eine "strenge Bestrafung". Denn aus diesem Grund habe er damals auch Strafanzeige eingereicht.

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Blick 12.2.11

Endlich Verhaftung nach Attacke auf Fehr

 Der erste Albisgüetli-Chaot sitzt im Knast: Die Polizei verhaftete einen Schweizer (32), der Hans Fehr verprügelt haben soll.

 Die Vermummung nützte ihm nichts: Einer der radikalen Links-Autonomen, die SVP-Nationalrat Hans Fehr (64) brutal verprügelten (BLICK berichtete), sitzt seit gestern in Untersuchungshaft. Staatsanwalt Markus Imholz spricht von einem "dringenden Verdacht", wonach der Schweizer (32, ohne Migrationshintergrund) am Angriff auf Fehr am Rande der SVP-Tagung im Zürcher Albisgüetli am 21. Januar beteiligt war.

 Die Stadtpolizei verhaftete den mutmasslichen Prügler bereits am Mittwoch. Gestern kam der Antrag auf Untersuchungshaft der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl durch - wegen Verdunkelungsgefahr.

 Ob der U-Häftling wegen ähnlicher Delikte den Behörden bereits bekannt war, wollte Markus Imholz gestern nicht sagen. Die Staatsanwaltschaft führt ein Verfahren wegen Angriffs und einfacher Körperverletzung.

 Opfer Hans Fehr begrüsste gestern die Verhaftung. "Eine positive Nachricht! Die Polizei und die Staatsanwaltschaft haben gute Arbeit geleistet", so Fehr zu BLICK. "Ich habe die Anzeige eingereicht, damit dieser Schläger erwischt wird. Ich hoffe, dass er jetzt auch streng bestraft wird."

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BZ 12.2.11

Verdächtiger verhaftet

 Hans FehrEin 32-jähriger Schweizer ist am Mittwoch wegen des dringenden Verdachts der Beteiligung am Angriff auf SVP-Nationalrat Hans Fehr verhaftet worden.

 Aufgrund polizeilicher Ermittlungen habe sich der dringende Tatverdacht ergeben, der Verhaftete sei am 21. Januar anlässlich der SVP-Tagung beim Albisgüetli in Zürich an den Übergriffen auf Hans Fehr beteiligt gewe-sen, schreiben Stadtpolizei und Staatsanwaltschaft in einer gemeinsamen Mitteilung von gestern.

 Keine Details bekannt

 Das Zwangsmassnahmengericht ordnete am Freitag auf Antrag der Staatsanwaltschaft Untersuchungshaft an, wie es weiter heisst.

 Ob der Verhaftete wegen ähnlicher Delikte bekannt ist, woll-te der zuständige Staatsanwalt, Markus Imholz, auf Anfrage der Nachrichtenagentur SDA aus ermittlungstaktischen Gründen nicht sagen.

 Auch zum mutmasslichen Tatablauf sowie zum Ort und zu den näheren Umständen der Verhaftung gab er nichts bekannt. Klar ist laut Imholz, dass mehrere Personen am Angriff beteiligt waren.

 Vor der Albisgüetlitagung der SVP Kanton Zürich war es zu Ausschreitungen von Linksautonomen gekommen. Der Zürcher SVP- Nationalrat Hans Fehr wurde dabei auf offener Strasse tätlich angegriffen und verletzt. Er erstattete Anzeige gegen unbekannt.

 Die Attacke wurde von Exponenten aller politischen Parteien scharf verurteilt.
 sda

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Schweiz Aktuell 11.2.11

ZH: Mutmasslicher Angreifer auf Nationalrat Hans Fehr verhaftet
http://videoportal.sf.tv/video?id=ff03b154-fb19-46c1-872e-252342d9960d

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stadt-zuerich.ch/pd/de/index/stadtpolizei_zuerich 11.2.11

Medienmitteilung der Staatsanwaltschaft Zürich

Verhaftung im Zusammenhang mit den Übergriffen auf Hans Fehr vor der Albisgüetli-Tagung
Ein 32-jähriger Schweizer wurde am 9. Februar 2011 wegen des drin-genden Verdachts der Beteiligung am tätlichen Angriff auf Hans Fehr verhaftet.

Aufgrund polizeilicher Ermittlungen ergab sich der dringende Tatverdacht, der verhaftete Schweizer sei am 21. Januar 2011 anlässlich der SVP-Tagung beim Albisgüetli an den Übergriffen auf Nationalrat Hans Fehr beteiligt gewesen. Der Beschuldigte wurde am 9. Februar 2011 von der Stadtpolizei Zürich festgenommen. Die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl führt gegen ihn ein Verfahren wegen Angriffs und einfacher Körperverletzung. Das Zwangsmassnahmengericht ordnete am 11. Februar 2011 auf Antrag der Staatsanwaltschaft Untersuchungshaft an.

Ergänzende Auskunft erteilt:

Staatsanwalt Markus Imholz am 11. Februar 2011 von 13.30 Uhr bis 17.00 Uhr unter Telefon 044 248 23 96

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20 Minuten 9.2.11

Fehr teilte Ohrfeigen aus

 ZÜRICH. Der Revolutionäre Aufbau verschickt im Nachgang zur Attacke auf SVP-Nationalrat Hans Fehr einen Link mit einer Filmsequenz aus einem alten SF-Dok-Film. Im Clip äussert sich der Politiker und ehemalige Reallehrer Fehr über Erziehungsmethoden in der Schule: "Eine Ohrfeige zur rechten Zeit wirkt wahrscheinlich mehr als fünf Psychologen." Der Revolutionäre Aufbau nimmt dies als Beweis, dass vor allem die reaktionäre Politik der SVP die alltägliche Gewalt verschärfe.

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aufbau.org 8.2.11

Ohrfeigen für Hans Fehr

 Tuesday, 8. February 2011

am 8.2.2011 auf indymedia.ch gefunden:

Ein Video, gefunden auf  http://vimeo.com/19668916

 Die Gewaltdiskussion der Bürgerlichen ist heuchlerisch. Vor allem die reaktionäre Politik der SVP ist es, die die alltägliche Gewalt verschärft. Sei es durch rassistische Kampagnen gegen Ausländer, Hetzen gegen vermeintliche "Sozialbetrüger" oder nationalistische "Schweizer-wählen-SVP"-Parolen. Dies führt zur Verschärfung der strukturellen Gewalt im Kapitalismus. Beispielsweise die ökonomische Situation: Die Konkurrenz wird immer schärfer, die Arbeitsbedingungen werden mieser und Sozialleistungen werden abgebaut. Oder bei dem zur Sicherung des Kapitalismus notwendigen Repressionsapparat von Polizei & Justiz, welcher immer weiter ausgebaut werden soll. Während sie revolutionäre Militanz scharf verurteilen, fordern sie im gleichen Atemzug ein härteres Vorgehen gegen Ausländer oder den politischen Widerstand auf der Strasse: Gewalt in Form von Gummischrot, Knast oder Ausschaffungen.
 Die Medien übernehmen diese heuchlerische Gewaltdiskussion und treiben sie voran. Berichte vom "Krankenbett" Hans Fehrs, welche einer Seifenoper ähneln, die geschürte Hysterie vor "linken Chaoten" und das Entpolitisieren von revolutionärer Militanz. Denn letztendlich ist die Frage der Militanz immer, wer sie gegen wen mit welchen Zielen einsetzt. Und einem rechten Hetzer auf's Maul zu geben, weil er ein Vertreter einer reaktionären Politik ist, ist berechtigt.
 WER REAKTIONÄREN WIND SÄT, WIRD REVOLUTIONÄREN STURM ERNTEN. VON UNTEN LINKS GEGEN OBEN RECHTS - KLASSE GEGEN KLASSE!

 Das Original-Video von Hans Fehr (inkl. Beschreibung, wie er als Lehrer Ohrfeigen verteilte): http://youtube.com/watch?v=oQuaa1rCtyk
    
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URNENKLAU
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Basler Zeitung 10.2.11

Verbrannte Stimmzettel haben das Ergebnis nicht beeinflusst

 Zum Überfall von Vermummten auf das Allschwiler Wahlbüro liegen laut Regierungsrat keine neuen Erkenntnisse vor

Laura Ferrari

 Fast drei Monate nach dem Diebstahl einer Wahlurne sind die Täter noch nicht gefasst worden.

 Am Samstag, dem 27. November 2010, drangen sechs oder sieben vermummte Personen in das Allschwiler Wahlbüro ein und stahlen die Urne mit den Abstimmungszetteln zur Ausschaffungsinitiative. Sie entwendeten die Urne mit 20 Stimmzetteln und verbrannten die Stimmzettel vor dem Gebäude. Laut Polizei soll es sich um eine politische Tat gehandelt haben. Es war einer von mehreren Vorfällen dieser Art. Dem Diebstahl der Wahlurne folgte ein Tag später ein vereitelter Brandanschlag auf das Wahlbüro in Schlieren im Kanton Zürich.

 Nach Meinung von SVP-Landrat Karl Willimann brauche es keine grosse Fantasie, um sich vorzustellen, mit welchen politischen Gruppierungen die Täter sympathisieren. Er reichte am 8. Dezember 2010 eine Interpellation an den Regierungsrat ein und stellte Fragen zu dem Überfall auf das Wahlbüro. Diese sind nun beantwortet worden.

 Der Vorfall habe keine Auswirkungen auf das Abstimmungsresultat gehabt, so die Antwort des Regierungsrats. Gemäss Abstimmungsprotokoll des Wahlbüros der Gemeinde Allschwil sei das Abstimmungsresultat so klar, dass ein Fehlen von 20 Stimmzetteln keinen Einfluss auf das Ergebnis haben konnte.

 Die Täter hätten das Wahllokal zu gewöhnlichen Öffnungszeiten betreten. Die anwesenden Personen im Wahllokal seien sich der Situation erst bewusst geworden, als die Täter mit der Urne das Lokal verlassen hatten. Ein Stimmbürger sei ihnen gefolgt und habe die Polizei alarmiert. Verletzt wurde niemand.

 politisch motiviert. Auf die Frage, wie die Polizei ihre Aussage, dass es sich um eine politisch motivierte Tat handle, begründet, weist der Regierungsrat auf den Tathergang sowie auf die Aussagen der anwesenden Personen hin. Die Medienmitteilung sei nach Absprache mit den Verantwortlichen des Wahlbüros Allschwil sowie mit der Landeskanzlei verfasst worden.

 Die Täter seien bis anhin nicht gefasst worden. Es lägen auch weder Bekennerschreiben noch Hinweise auf die unbekannten Täter vor. Da sie von Kopf bis Fuss in Schwarz gekleidet waren und vermummte Gesichter hatten, gebe es keine brauchbaren Signalemente. Die Ermittlungen erwiesen sich schon eine Woche nach dem Vorfall als schwierig. Allgemein würden eigentlich noch keine neuen Erkenntnisse vorliegen.

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KIFF AARAU
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Aargauer Zeitung 14.2.11

"Ein Kontrapunkt zum kleinbürgerlichen Aarau"

 KiFF Christian Kälin gehörte zur zweiten Generation des KiFF in Aarau. Im Interview blickt er zurück auf dessen Entwicklung

Stefan Künzli

 Christian Kälin, das KiFF bezeichnete sich vor 20 Jahren als Alternativzentrum. Was heisst das?

 Christian Kälin: Das KiFF ist ein typisches Kind der 80er-Bewegung. Dabei ging es darum, sich eigenen Raum für eigene kulturelle Bedürfnisse und Aktivitäten zu schaffen. Im KiFF waren das die Ateliers der Künstler und die Konzerte der damaligen alternativen Musikszene. Zentral ist die Freiwilligenarbeit von Jugendlichen. Sie erhielten die Gelegenheit, in einem sinnvollen Freizeitengagement etwas aufzubauen und zu kreieren.

 Und auf der politischen Ebene?

 Die Anfänge habe ich nicht aktiv erlebt. Aber es war sicher so, dass vor allem bürgerliche Vertreter im KiFF damals ein Zentrum von links-alternativen und kreativ-kritischen Gestalten gesehen haben, in dem auch Jugendliche politisch indoktriniert wurden. Das KiFF war ein Kontrapunkt zum kleinbürgerlichen Aarau, und es hat aufmüpfige Aktivisten gegeben. Aber eigentlich war das KiFF immer erstaunlich unpolitisch. Die Energie der Jugendlichen wurde kanalisiert in die Arbeit im KiFF.

 Wie standen die Parteien zu euch?

 Die SP und die Grünen haben uns immer unterstützt. Kritisch waren dagegen SVP und Teile der FDP. Die CVP spielte das Zünglein an der Waage. Namentlich der CVP-Stadtrat Carlo Mettauer spielte in der Stadt und im Kuratorium eine wichtige Rolle. Aber auch der FDP-Stadtrat Nik. Brändli hat immer die Bedeutung des KiFF unterstrichen. Sie haben in Aarau Mehrheitsentscheide zu unseren Gunsten ermöglicht.

 Das KiFF ist heute, nach 20 Jahren, ein Leuchtturm der Aargauer Kultur. Wann, wie und weshalb ist der Gesinnungswandel in Aarau erfolgt?

 Wir haben uns die Anerkennung durch Qualität erarbeitet. Organisatorisch und durch das Programm. Das KiFF ist zum Inbegriff für gute Musik geworden. Interessant ist, wie sich der Fokus in der Zeitung verschoben hat. Früher, im Aargauer Tagblatt, wurde das KiFF nur negativ erwähnt. Zum Beispiel, wenn Nachbarn wegen Lärmimmissionen reklamierten. Nach der Fusion zur Aargauer Zeitung 1996 wurde plötzlich die Jugendarbeit, der gesellschaftliche und kulturelle Wert hervorgestrichen.

 Auch im Stadtrat?

 Ja, es hat eine Öffnung stattgefunden und Aarau wollte sich neu positionieren als Veranstaltungsort mit einem breiten kulturellen Angebot mit Ausstrahlung. Das KiFF mit seiner Ausrichtung in der jungen und aktuellen Kultur spielte in diesen Überlegungen eine zentrale Rolle.

 Plötzlich war das Alternativzentrum eine etablierte Kulturinstitution. Haben alle diesen Wandel im KiFF begrüsst?

 Es gab schon auch skeptische Stimmen. Wir mussten Umsätze bringen, Budget einhalten und wurden von der Stadt eine Zeit lang an der kurzen Leine gehalten. Das passte nicht allen. Tatsächlich hat die Abhängigkeit zugenommen und ein Stück Freiraum wurde verschenkt. Andere monierten, dass das KiFF zu gross und das Risiko zu gross sei.

 Hat sich denn eine Anti-KiFF-Szene entwickelt?

 So würde ich sie nicht nennen. Aber es gibt schon Jugendliche, die sich im KiFF nicht wohl fühlen, weil es für sie schon zu strukturiert und zu professionell ist. Oder Szenen, die sich ihre Freiräume an anderen Orten schaffen. Zum Beispiel im Wenk. Mit der Besetzerszene haben wir auch nichts zu tun.

 Gibt es heute auf der politischen Ebene noch entschiedene KiFF-Gegner?

 Das ist auch davon abhängig, wie gearbeitet wird. Das Beispiel des verstorbenen SVP-Einwohnerrats Fortunat Schuler ist erhellend. Er war ein scharfer Kritiker des KiFF. Dann wurde er in die KiFF-Kommission berufen. Das KiFF hat Gespräche geführt und er konnte hinter die Kulissen schauen. Plötzlich hat er begonnen, konstruktiv mitzuarbeiten. Mitunter hat er sich sogar auch positiv über das KiFF geäussert. Rückblickend müssen wir eingestehen: Wir haben uns zu lange gescheut, diese Leute einzuladen und alles zu erklären und zu zeigen. Wir haben uns zu lange in diesem rot-grünen Zirkel bewegt.

 Ist die Bezeichnung "alternatives Kulturzentrum" für das KiFF heute noch richtig?

 Ja, denn nach wie vor wird das KiFF von freiwillig arbeitenden jungen Leuten geprägt und betrieben. Es gibt zwar eine professionelle Führung, aber die rund 100 Aktivisten halten das KiFF am Leben. Das ist aber meine Meinung. Der jetzige Vorstand, der Verein und das Team müssen sich aber selber definieren. Nicht zuletzt deshalb findet das Podium statt, mit dem das KiFF diese Diskussion anstossen will.

 20 Jahre KiFF: Podiumsdiskussion

 Ende der Revolution: Oder was ist aus den Alternativen Kulturhäusern geworden? 17. Februar, 20.15 Uhr. Teilnehmende: Jean-Pierre Hoby (ehem. Direktor Abteilung Kultur Stadt Zürich), Gustav (Musiker), Irene Näf-Kuhn (Aargauer Kuratorium), Etrit Hasler (Rote Fabrik Zürich), Christian Kälin, Moderation: Sabine Altorfer.

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 Christian Kälin

 Der 43-Jährige ist Ökonom und arbeitet beim Kanton im Bildungsdepartement. Er war von 1997 bis 2009 im KiFF-Vorstand. Heute ist er für die SP in der Aarauer Schulpflege. Er vertritt heute nicht mehr die offizielle Position des KiFF. HO

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NZZ 12.2.11

Eine ganze Fabrik nur für Sounds

 Wie Alternativkultur fernab von Zürich, Bern und Basel funktionieren kann - zum Beispiel in Aarau

 Internationale Bands setzen zwar lieber Zürich auf ihren Tourneeplan. Trotzdem schaffen es Musikklubs ausserhalb des grossstädtischen Zentrums, ein ansprechendes Programm anzubieten. Seit zwei Jahrzehnten tut dies das KiFF in Aarau.

 Lorenz Frischknecht

 Mitten zwischen ausgedienten Fabrikgebäuden im Aarauer Telli-Quartier steht das KiFF. Es war selber einmal eine Fabrik, nämlich eine Verarbeitungsstätte für Tierfutter, die dem Musikklub auch den Namen geben sollte: "Kultur in der Futterfabrik". Mittlerweile läuft die zwanzigste Saison des Lokals, in dem Konzerte, Theater oder Lesungen angeboten werden. An einem Freitag steht die Band Gustav auf der Affiche, und kurz nach 14 Uhr trudeln die Musiker aus Freiburg ein. Sie laden selber ihre Gitarren und Trompeten, die Verstärker und die schweren Boxen aus dem Kleinbus aus.

 150 Freiwillige

 Der grosse Konzertsaal ist in der zweiten Etage. Kaum kommt das Material mit dem Lift an, wird es auf der Bühne an den rechten Platz gelegt. An der Bartheke befestigt derweil Morena Massimiano den Zeitplan des Abends. Die 29-Jährige ist heute Programmverantwortliche und in dieser Funktion eine von rund 150 Freiwilligen, die sich 15 000 Stunden pro Jahr unentgeltlich engagieren. Müsste der Klub diese Einsätze bezahlen, wäre der Konzertbetrieb nicht durchführbar. Bis zu drei Abende im Monat gestaltet Morena Massimiano. "Ich bin nicht bloss eine, die den Saal putzt", hält sie fest. Den Freiwilligen wird Verantwortung gegeben. Von der Verpflegung der Musiker über die Einhaltung des Zeitplans bis zur Zahlung der Gage sind sie für den gesamten Ablauf zuständig.

 Eine Etage tiefer sitzen Oliver Dredge und Simon Kaufmann in einem engen Grossraumbüro. Die beiden 34-jährigen Geschäftsführer sind gerade um die Lösung eines unerwartet aufgetretenen Problems besorgt. Soeben hat eine amerikanische Hip-Hop-Band ihr Konzert vom folgenden Tag abgesagt, ein Ersatzprogramm ist gefragt. "Flexibilität gehört zu unserem Business", sagt Dredge, der für das künstlerische Programm zuständig ist.

 Das Team zählt neun Angestellte mit je höchstens einem 80-Prozent-Pensum. Sie kümmern sich um die Finanzen, die Medienarbeit, die Technik oder die Bar. Nicht alle haben einen eigenen Arbeitsplatz im Büro. Am meisten Platz in Anspruch nimmt das Ressort Finanzen von Simon Kaufmann. Hinter seinem Bürotisch steht ein riesiges Gestell mit 120 Ordnern, in denen die Buchhaltung der letzten vier Jahre aufbewahrt wird.

 Wende nach einem Krisenjahr

 Der enorme Umfang all der Abrechnungen illustriert den Wandel, den das KiFF in diesen vier Jahren durchgemacht hat. Vorher befand sich der Betrieb in einer tiefroten finanziellen Krise. Er stand vor einem riesigen Schuldenberg, der von einem grossen Umbau des Lokals herrührte. Als nach einem Krisenjahr Kaufmann und Dredge ins Team eintraten, leiteten sie eine enorme Professionalisierung ein. Sie erhöhten zunächst die Anzahl der Veranstaltungen pro Jahr, von 188 im Jahr 2006 auf heute rund 240. Damit schnellte die Besucherzahl von rund 23 000 auf 37 000 in die Höhe.

 Noch wichtiger war, dass der durchschnittliche Ticketverkauf pro Veranstaltung von 124 auf 155 stieg. Der Umsatz seinerseits verdoppelte sich fast von 1,2 Millionen auf 2,3 Millionen Franken. "Es war ein Wagnis", bilanziert Dredge. Doch es habe sich gelohnt: Die Kosten für die Instandhaltung des Gebäudes nicht eingerechnet, schreibe der eigentliche Veranstaltungsbetrieb mittlerweile schwarze Zahlen.

 Sich von andern abheben

 Im Saal, der 550 Zuschauern Platz bietet, kümmern sich derweil die Tontechniker um die Dekoration. Sie wollen chinesische Lampions an der Decke anbringen. Für jedes Konzert denken sie sich etwas Neues aus. "Das macht uns einzigartig", sagt der Techniker und erklärt: "Man muss sich von anderen Klubs abheben." Die Szene habe sich nämlich in letzter Zeit stark verändert. "Indie-Bands füllten früher kaum einen kleinen Saal in der Provinz, und heute spielen sie im Zürcher Hallenstadion", sagt auch Geschäftsführer Dredge. Bands, die früher zu den Stammkünstlern dunkler Musikklubs in abgelegenen Industriearealen fernab der Städte gehörten, hätten sich längst etabliert. "Die Klubs müssen sich inhaltlich neu definieren, um ihr Publikum zu halten."

 Alternative Szene im Wandel

 Statt von Alternativkultur spricht Dredge von "Populärmusik-Kultur". Das KiFF wolle und müsse Bands auf die Bühne bringen, die künstlerische und nicht bloss kommerzielle Absichten hätten. Denn auch auf der organisatorischen Ebene steht die Szene im Wandel. In grösseren Städten gibt es professionelle Veranstalter, die sich bei den Lokalen bloss noch einmieten. Ihre Anlässe sind deshalb oft rentabel, weil wenige Fixkosten anfallen.

 Auf der anderen Seite setzen sich die Klubbetreiber nicht dem Risiko aus, dass eine Band zu wenig Besucher anlockt. Kommerziell gesehen, ist das eine "Win-win"-Situation - künstlerisch dagegen nicht, wie Dredge festhält. Das KiFF verfüge über ein kuratiertes Programm, und der Besucher vertraue darauf, dass hier gute Musik zu hören sei.

 Sorge bereiten dem Programmmacher manchmal die internationalen Bands, die statt Aarau lieber Zürich auf ihren Tourneeplan setzen. Das liegt weniger an der Grösse des Konzertsaals als daran, dass die Musiker in den Städten eine grössere Medienpräsenz erzielen können. Dredge betont darum in seinen Offerten an die Bands, Aarau liege "only thirty minutes from Basel and Zurich".

 Hohe Eigenfinanzierung

 Im Saal geht der Soundcheck seinem Ende zu. Die Programmverantwortliche Morena Massimiano hat inzwischen eine Kopfwehtablette für einen Musiker organisiert und ist in letzter Minute Plektren kaufen gegangen, mit denen Gustav Gitarre spielen wird. Nun gibt sie im Erdgeschoss, wo die "Foyer-Bar" eingerichtet ist, das Essen aus. Die Musiker und alle Helfer, von den Technikern bis zum Barkeeper, setzen sich zueinander an die Tische. Mit bekannten Musikern unter sich sein und Sprüche klopfen - auch deshalb engagiere sie sich hier, sagt Massimiano. Im Hintergrund wird das "Foyer" hergerichtet, denn parallel zum Konzert im oberen Stock findet hier eine Party statt. Auch die "Silo-Bar" im Keller ist geöffnet. Zum Gebäudekomplex gehören ferner mehrere Künstlerateliers.

 Der Betrieb dieser verschiedenartigen Räume kostet Geld. Das KiFF hat einen Eigenfinanzierungsgrad von rund 80 Prozent. Die restlichen Einnahmen stammen von der Stadt Aarau und dem Kanton Aargau. Die meisten anderen Kulturinstitutionen leben viel stärker von der öffentlichen Hand, wie Geschäftsleiter Simon Kaufmann ausführt. Das KiFF schaffe es kaum, Reserven anzuhäufen. Der Unterhalt des Gebäudes beispielsweise gehe voll zulasten des Betriebes. Drohe in der Künstlergarderobe der Boden einer Dusche durchzubrechen, müsse das Budget auf einen Schlag erhebliche Sonderausgaben verkraften. Im Vergleich dazu befänden sich andere Kulturstätten, deren Gebäude im Besitz des Kantons oder der Stadt seien, in einer komfortablen Lage, sagt Kaufmann.

 Zum Leuchtturm ernannt

 Deshalb hat sich das KiFF vorgenommen, auf politischer Ebene höhere Subventionen zu erwirken. Im Herbst vor einem Jahr entbrannte im Einwohnerrat, dem Parlament der Stadt Aarau, eine hitzige Debatte, als das KiFF zusätzlich zum jährlichen Betriebsbeitrag von 240 000 Franken eine Summe von 195 000 Franken beantragte. Damit wollte man die dringendsten Infrastrukturprobleme im alten Gebäude lösen. Gesprochen wurden für die folgenden zwei Jahre je 55 000 Franken.

 Kritische Stimmen im Parlament bemängelten, der Musikklub stelle jeweils Geldforderungen in letzter Minute vor dem endgültigen Aus. Tatsächlich sei dies früher so geschehen, räumt die heutige Präsidentin des Vereins KiFF, Gisela Roth, ein. Allerdings kritisiert sie ihrerseits die Politik der Stadt: "Man hat uns zwar nicht sterben, aber auch nicht recht überleben lassen." Inzwischen hat der Stadtrat einen Beirat eingesetzt, in dem das KiFF, die Politik und die Verwaltung vertreten sind.

 Der Beirat soll Nachhaltigkeit anstreben. Darunter versteht das KiFF auch eine langfristig höhere Unterstützung. Es erhofft sich vom Kanton, der bisher via seine Förderstelle, das Kuratorium, jährlich 230 000 Franken beisteuerte, eine erhebliche Erhöhung des Beitrages.

 Ein wichtiger Schritt ist auf Anfang 2011 denn auch erfolgt. Der Kanton hat das KiFF zu einem "Leuchtturm" ernannt. Mit diesem Projekt will die Aargauer Regierung ausgewählte Kulturinstitutionen gesondert subventionieren. Das KiFF erhält bis 2013 zusätzlich 200 000 Franken pro Jahr. Mit dem Geld kann der Betrieb Schulden vom Umbau vor zehn Jahren abzahlen, weitere Löcher stopfen, die sich daraus ergeben hatten, und die Pensen einiger Angestellten einigermassen deren Arbeitsleistung anpassen. Zudem habe die "Leuchtturm"-Ernennung auch symbolischen Charakter: Es sei ein Zeichen dafür, dass das KiFF und seine Populärkultur anerkannt würden, sagt Co-Geschäftsführer Simon Kaufmann.

 Die Betreiber verweisen dabei auch gerne auf die Ergebnisse einer Umfrage des kantonalen Departements Bildung, Kultur und Sport vom vergangenen April. In dieser nannten nämlich die befragten Personen das KiFF als meistbesuchte Kulturinstitution des Kantons. Auch eigene Erhebungen belegen eine breite Ausstrahlung: Ein Drittel der Besucher wohnt ausserhalb des Kanton Aargaus.

 Wohin in ein paar Jahren?

 Die noch grössere Herausforderung als die Finanzen ist der künftige Standort. 2015 wird der Mietvertrag mit dem Besitzer der Futterfabrik auslaufen. Was dann geschieht, weiss niemand; die Betreiber loten zurzeit mehrere Möglichkeiten aus. An die Zukunft denkt am Gustav-Konzert aber niemand.

 Um 21 Uhr 15 betreten die Musiker die Bühne. Morena Massimiano öffnet den schwarzen Vorhang vor der Bühne, die Band legt los. Der grosse Teil ihrer Arbeit ist getan. Doch der Abend dauert noch ein paar Stunden. Für die Freiwilligen endet er erst, wenn die Verstärker weggeräumt sind, die Getränkeflaschen im Kühlschrank stehen und der Boden gewischt ist. Dann erst ist wieder alles bereit, wenn am nächsten Tag die nächste Band, ein Theater oder eine Lesung auf dem Programm steht.

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WoZ 10.2.11

 20 Jahre KiFF

 Vor etwas mehr als zwei Jahrzehnten wurde in der sogenannten Futterfabrik im Osten von Aarau noch Mischfutter für die Tierhaltung hergestellt. Heute ist die ehemalige Fabrikhalle unter dem Namen KiFF (Kultur in der Futterfabrik) weit herum bekannt als Veranstaltungsort für zeitgenössische Konzerte und Partys sowie für Theater-, Kleinkunst- und Literaturveranstaltungen. Das Rückgrat des Non-Profit-Vereins IG KiFF bilden die rund 150 freiwilligen HelferInnen.

 Anlässlich des Zwanzig-Jahr-Jubiläums des Aarauer Kulturhauses findet am kommenden Donnerstag, 17. Februar, eine Podiumsdiskussion im KiFF über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft alternativer Kulturhäuser statt. Unter der Moderation der Kulturjournalistin Sabine Altorfer diskutieren Jean-Pierre Hoby, der ehemalige Direktor der Abteilung Kultur Stadt Zürich, der Freiburger Musiker Gustav, Irene Näf-Kuhn, die Präsidentin des Aargauer Kuratoriums, WOZ-Kolumnist Etrit Hasler von der Betriebsgruppe Rote Fabrik Zürich und Christian Kälin, ehemaliger Präsident des KiFF. Im Vorfeld der Diskussion gibt Gustav ein kleines Solokonzert. jj

 "20 Jahre KiFF - Ende der Revolution: Oder was ist aus den alternativen Kulturhäusern geworden?" in: Aarau KiFF, Tellistrasse 18, Do, 17. Februar, 19.45 Uhr. www.kiff.ch

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ANTIFA
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Indymedia 13.2.11

Antifaschistischer Bus von Konstanz nach Dresden

AutorIn : Konstanzer Vorbereitungsbündnis: http://protestvomsee.blogsport.de/

Von Konstanz fährt am 19.02.2011 ein antifaschistischer Bus zur Blockade des europaweit mobilisierten Naziaufmarsches in Dres den. Auch für Schweizer GenossInnen ist noch Platz!

Seit Jahren nehmen tausende Neofaschisten aus ganz Europa die allierten Bombardements auf Dresden zum Anlass, dort Mitte Februar aufzumarschieren und ihr revisionistisches Geschichtsbild sowie ihre menschenverachtende Politik öffentlich darzustellen. Neonaziaufmärsche sind kein Mittel der demokratischen Meinungsäußerung, sondern Aufrufe zu rassistischer Gewalt und Ausgrenzung. Sie sind eine Beleidigung aller überlebenden Opfer des Naziregimes und aller Opfer neonazistischer Gewalt. In Dresden haben sich seit einigen Jahren breite Proteste gegen den Naziaufmarsch herausgebildet, die sich den Nazis entgegenstellen.

Im letzten Jahr konnte aufgrund massenhafter Mobilisierung in ganz Deutschland der Aufmarsch der Nazis in Dresden verhindert werden. Sie marschierten keinen Meter und blieben unverrichteter Dinge den ganzen Tag in einem Kessel beim Bahnhof stehen. Derweil harrten ca. 10.000 GegendemonstrantInnen an den gut organisierten Blockadepunkten aus.

Dieser große Erfolg für alle AntifaschistInnen soll dieses Jahr wiederholt werden.

2011 planen die Nazis an zwei Wochenenden Aufmärsche: am 13.2. und am 19.2. Dem Fackelmarsch am 13.2. werden sich regionale antifaschistische Mobilisierungen entgegen stellen. Der 19.2. ist der Tag der Massenblockaden zu denen bundesweit mobilisiert wird.


Bus ab Konstanz:

Der Bus wird am Freitag, den 18.02.2011 am späten Abend in Konstanz losfahren und Samstag früh in Dresden ankommen. Am selben Tag, nach Ende der Demonstrationen (ca. 18 Uhr), fährt der Bus wieder zurück.

Achtung: Im Bus sind noch ne Menge Plätze frei, d.h. wir müssen alle noch mehr Werbung machen. Auch Schweizer GenossInnen sind gerne gesehen :-)


Tickets:

Busse sind teuer und ein gewisses finanzielles Risiko für die OrganisatorInnen. Wir haben uns folgendes Preismodell überlegt:

 * GeringverdienerInnen: 20 Euro
 * NormalverdienerInnen: 30 Euro
 * Solipreis: 30 Euro + X

30 Euro sind in etwa kostendeckend, das X beim Solipreis ist eine Bezuschussung der Tickets für GeringverdienerInnen. Die Einschätzung ob Ihr GeringverdienerInnen seid oder nicht, muss jede/r für sich selbst vornehmen.


Anmeldung:

Wenn Ihr mitfahren wollt, meldet Euch bitte so früh wie möglich verbindlich an mit einer E-Mail an protest-vom-see [ät] web.de oder über das Kontaktformular.
In die ser Mail brau chen wir :

 * Einen Buchungsnamen
 * Anzahl der Plätze und deren Preisstaffelung

Sobald ihr die Bestätigung eines für euch reservierten Platzes habt, überweist bitte das Geld an das hier angegebene Konto. Falls der Bus aus irgendeinem Grund storniert werden muss (was mittlerweile sehr unwahrscheinlich ist) würde das eingezahlte Geld wieder zurücküberwiesen.

Zur Anmeldung:  http://protestvomsee.blogsport.de/anmeldung-bus/


Konto:

Hier können Spenden eingezahlt und Tickets für die Busfahrt nach Dresden bezahlt werden:

Nadine Herm
Konto-Nr.: 0294710
BLZ: 69070024
Deutsche Bank PGK Konstanz


Werbung für den Bus und Spendenaufruf:

Bitte helft nach Kräften mit, für diesen Bus zu werben! Auch, die, die leider nicht mitfahren können, das Anliegen aber für wichtig halten, können für den Bus werben, Spenden sammeln oder zum Spenden aufrufen.


Was kann ich tun?

 * Mundpropaganda
 * Mails weiterleiten an Eure FreundInnen / politische Verteiler
 * Auf die Website http://protestvomsee.blogsport.de/ verweisen bzw. sie in Eurem Blog verlinken
 * Unsere Banners nutzen (http://protestvomsee.blogsport.de/materialien/)
 * Flyer ausdrucken und verteilen (http://protestvomsee.blogsport.de/materialien/)
 * An Infoständen mitmachen
 * Infoveranstaltungen organisieren

Blockadetraining

Für die kommende Woche ist ein Blockadetraining an der Uni Konstanz geplant. Der Termin steht noch nicht fest. Schaut daher regelmäßig auf http://protestvomsee.blogsport.de/ nach!

No pasarán!

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PETER-PAUL ZAHL
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WoZ 10.2.11

Peter-Paul Zahl (1944-2011)

 Der Anarchist auf der Insel

 Am 24. Januar ist auf Jamaika der Untergrundpionier, Krimiautor und Jamaikakenner Peter-Paul Zahl gestorben.

 Von Pius Frey

 Peter-Paul Zahl ging auf die Leute zu, mischte sich ein, stellte Fragen. Das war sicher auch ein Grund, warum Jamaika seine zweite Heimat wurde. 1985 liess er sich dort auf Rose Hill nieder, hoch über dem wunderbaren Strand von Long Bay. Hier hatte er seinen Platz gefunden, nachdem er sich drei Jahre lang zwischen den Seychellen, Grenada und Nicaragua bewegt hatte. Die Jahre davor war er im Gefängnis: 1972 war er bewaffnet in eine Polizeikontrolle geraten; es kam zu einem Schusswechsel, bei dem ein Polizist schwer verletzt wurde; 1976 wurde Peter-Paul Zahl "wegen versuchten Mords in zwei Fällen" zu fünfzehn Jahren Haft verurteilt.

 Peter, wie er in Jamaika genannt wurde, war in den frühen siebziger Jahren Drucker und Mitherausgeber der Berliner Wochenzeitung "Agit 883", eines Sammelsuriums von militanten Erklärungen, engagierter Lyrik, Interviews mit Rockstars und heissen Diskussionen. Die Zeitung war aber auch Pionierin der Kleininserate, die später in den boomenden Stadtmagazinen zum Hauptbestandteil wurden.

 Politisch war Zahl zeitlebens ein Freigeist. Ein Anarchist, der sich keiner reinen Ideologie verpflichtet fühlte. Das zeigte sich auch in seiner Kritik an den SandinistInnen in Nicaragua, die sich nicht gerade ruhmhaft mit den indianischen und schwarzen Minderheiten an der Atlantikküste auseinandersetzten.

 Als Autor bekannt wurde Zahl mit dem Berlin-Kreuzberg-Schelmenroman und Szene beststeller "Die Glücklichen": ein Buch voller Freiheitsdrang, Witz und Lebensentwürfe, das er im Gefängnis schrieb. 1980 bekam er dafür den Literaturförderpreis der Stadt Bremen.

 Der jamaikanische Citoyen

 Wenn man Peter-Paul Zahl auf Jamaika besuchte, fielen einem zuerst die vielen Schreibmaschinen auf. Denn Computer haben es nicht leicht im salzig-nassen Klima von Long Bay. Und dann die grosse Bibliothek. Hier reihten sich Klassiker des Anarchismus, politische Literatur, bewegte Romane der sechziger und siebziger Jahre, Bücher karibischer AutorInnen, Sachbücher zu Jamaika und das Gesamtwerk seines Zürcher Freundes Paul Parin, den er bei seinen Besuchen in der Schweiz immer aufsuchte.

 Zahls Bibliothek hatte bis zu ihrem festen Standort im tropischen Long Bay viele Reisen hinter sich. Als der fürchterliche Hurrikan Gilbert 1988 über die Insel fegte, wurde auch sie arg beschädigt, viele Bücher konnten gerade noch gerettet werden.

 Zahl gründete in Jamaika eine Familie und sorgte sich liebevoll um seine vielen Kinder. Er gab alles für ihre gute Ausbildung und ein selbstbewusstes Leben. Als jamaikanischer Bürger mischte er sich voll in den Alltag der Insel ein, schrieb aktuelle Artikel, machte Volkstheater und wurde Friedensrichter.

 Seine Jamaikakriminalromane - sechs Bände - sind beste Beschreibungen der Insel, mit ihrer Schönheit wie auch ihren Problemen. Jeder Roman widmet sich einem auf der Insel virulenten Thema: Sport, Sextourismus, Hahnenkämpfe, Drogen, Justiz, Sektentum, Religion. Zu jedem Kapitel gibt es das treffende Zitat aus einem Reggaesong - und manchmal aus der Bibel. Es war interessant, mit Peter zu erleben, wie er für seinen letzten erschienenen Roman "Im Todestrakt" (1995) auf der Insel recherchierte. Denn Jamaika ist nicht nur Reggaeparadies, sondern auch das Land mit den meis ten Kirchen pro Quadratmeile. Für den Roman, in dem die Kirchen das Thema bildeten, bereiste er die ganze Insel, sprach mit unzähligen Sektenpredigern, religiösen AgitatorInnen und Leuten vom Morddezernat. Seine Neugierde und seine Menschenfreundlichkeit machten ihn zu einem anerkannten Erzähler und Chronisten der Insel.

 Angewandte Länderkunde

 Eigentlich wollte Zahl vierzehn Jamaika krimis schreiben - für jeden der jamaikanischen Bezirke einen. Dazu kam es nicht mehr. Die Romane erschienen bei verschiedenen Verlagen und sind praktisch nicht mehr greifbar. Sie sollten auch im jamaikanischen Patois erscheinen. Das gelang nur mit der Märchensammlung "Ananzi ist schuld". Spärlich flossen in den letzten Jahren noch Tantiemen für ein Jamaika länderkundebuch und für sein Stück über den Hitler-Attentäter Johann Georg Elser. Peter lebte hauptsächlich von der Vermietung seines Ferienhauses. Erst kürzlich noch beklagte er sich bei mir, dass er von einem jamaikanischen Verlag aufs Übelste beschissen wurde.

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WELTSOZIALFORUM
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NZZ 12.2.11

Suche nach einer gerechteren Welt in Dakar

 Eindrücke vom zehnten Weltsozialforum in der senegalesischen Hauptstadt

 Das zehnte Weltsozialforum in Dakar hat sich neben Fragen des Welthandels vor allem mit dem Klimawandel und den Problemen von Migration und Landraub beschäftigt. Die Organisation des Treffens liess zu wünschen übrig.

 Klaus Rieth, Dakar

 "Lasst uns studieren, lasst uns in unsere Räume!" stand auf selbstgemalten Plakaten, die Studierende der Universität von Dakar auf dem Gelände zeigten, auf dem das zehnte Weltsozialforum stattfand. Der Universitätsbetrieb lief parallel zu den Veranstaltungen des Forums, einer Basisbewegung von Nichtregierungsorganisationen, Menschenrechtsgruppen und Umweltverbänden.

 Organisatorische Mängel

 Organisationsmässig funktionierte wenig in Dakar. Für die mehr als 1000 angekündigten Veranstaltungen standen keine entsprechenden Räumlichkeiten zur Verfügung, so dass die Mehrheit der Teilnehmer tagelang hilflos auf dem Campus der Universität umherirrte und Hörsäle suchte, in denen die vorgesehenen Vorträge und Diskussionen hätten stattfinden sollen. Es hiess, der Rektor der Universität habe sich geweigert, Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen. Wie viele Teilnehmer das Treffen aufwies, vermochte niemand mit Sicherheit anzugeben. Die Schätzungen bewegten sich zwischen 6000 und 60 000 Personen.

 Ein wichtiges Thema in Dakar war Landraub. Bauern aus Westafrika berichteten davon, wie ihnen gute Äcker abgenommen und durch minderwertigere ersetzt oder wie sie ganz von ihren Dörfern vertrieben und umgesiedelt werden. Ausländische Investoren kaufen seit ein paar Jahren vermehrt Land auf oder eignen es sich widerrechtlich an. Das Eigentum von Kleinbauern ist in vielen Fällen nicht verbrieft, was skrupellosen Investoren ihr Vorgehen erleichtert.

 Der Weltkirchenrat veranstaltete eine Podiumsdiskussion zum Thema "Befreiung vom Kapitalismus, einem System der Gier". Andere "klassische" Themen waren die Verbreitung von Handfeuerwaffen, Fragen des Handels zwischen Afrika und der Europäischen Union oder die gewaltsame Ausschaffung von Migranten. Wegen des Veranstaltungsortes Dakar wurde am Weltsozialforum schwerpunktmässig über die Situation der senegalesischen Emigranten diskutiert, die auf ihrem gefährlichen Weg per Boot nach Europa oft elendiglich umkommen, wenn dieses überfüllt oder die Gier der Schlepper zu gross ist.

 "Afrika ernährt Europa"

 Ebenfalls aufgrund des Veranstaltungsortes wurde die Situation der einheimischen Fischer genauer in den Blick genommen. Wenn westafrikanische Fischer gemeinsam mit Investoren aus Europa und Asien Fischereiunternehmen aufbauen, bleiben die Netze der Kleinfischer vor Ort leer. Dies geht aus einer Studie hervor, die der deutsche Evangelische Entwicklungsdienst (EED) am Weltsozialforum in Dakar vorstellte. Francisco Marí vom EED kündigte an, seine Organisation werde auf der Basis dieser Studie gemeinsam mit den westafrikanischen Kleinfischer-Verbänden mehr Transparenz bei Investitionen einfordern. Es müsse verhindert werden, dass Schein-Gemeinschaftsunternehmen die Plünderung der westafrikanischen Gewässer für europäische Fischmärkte fortsetzten. "Afrika ernährt mittlerweile Europa", brachte ein Fischer das Problem auf den Punkt.

 So schwach die organisatorische Bewältigung in Dakar auch war, so scheint doch das Weltsozialforum als Gelegenheit zu Begegnungen und zum Austausch unersetzlich zu sein. "Ich treffe hier so viele Partner wie sonst nirgends. Das erspart mir jede Menge Auslandsreisen", sagte ein Mitarbeiter einer grossen Entwicklungshilfe-Organisation. Auch der Zentralsekretär von "Brot für alle", Beat Dietschy, gab sich beeindruckt von der Hartnäckigkeit und dem langen Atem der in Dakar versammelten Gruppierungen. Persönlich bewertet Dietschy das Treffen als Erfolg. "Ich erlebe das Weltsozialforum als Schule des Ungehorsams. Und zwar eines Ungehorsams gegen den Mainstream, gegen die herrschenden Paradigmen, welche die Belastbarkeit des Planeten nicht berücksichtigen." Für die Länder des Nordens zieht Dietschy die folgende Konsequenz: "Als zu viel Konsumierende müssen wir uns in Zukunft auf Entwöhnung einstellen."

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Südostschweiz 12.2.11

90 000 Menschen am Weltsozialforum

 Das Weltsozialforum in der senegalesischen Hauptstadt Dakar ist gestern als Erfolgsgeschichte zu Ende gegangen. Rund 90 000 Menschen aus der ganzen Welt nahmen daran teil.

 Dakar. - "Wir sind positiv überrascht von der Mobilisierung der Leute", sagte Taoufik Ben Abdallah, Koordinator des Forums in Senegal, vor den Medien. Es seien doppelt so viele Menschen gekommen wie erwartet. Einen starken Eindruck hinterliess Afrika: Teilnehmer aus über 45 Ländern des Kontinents waren an die Gegenveranstaltung zum World Economic Forum in Davos angereist.

 "Ein Ziel war, dass Afrika über die Missstände des Kontinents sprechen kann", hielt Demba Moussa Dembele fest. Das sei gelungen, sagte der Senegalese, der zum Organisationskomitee des Forums gehört. "Dakar ist eine wichtige Etappe für die Entwicklung der sozialen Bewegungen in Afrika", erklärte er. Bis diese so stark seien wie etwa in Südamerika, brauche es aber noch Zeit. Als "Glücksfall" für das Weltsozialforum bezeichneten die Organisatoren die Revolten in Tunesien und Ägypten. Die Geschehnisse in Nordafrika hätten den Leuten etwas Grundlegendes gezeigt, sagte der Tunesier Ben Abdallah: "Wenn die Menschen ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen wollen, dann sind sie auch fähig dazu." (sda)

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Bund 11.2.11

Der Schweizer Finanzplatz trägt zum Kapitalabfluss aus Afrika bei

 Afrikanische Organisationen fordern am Weltsozialforum gerechtere Handelsbeziehungen.

 Anja Burri (SDA)

 Die Vertreter afrikanischer Organisationen haben am Weltsozialforum in Dakar, welches heute zu Ende geht, eine radikale Änderung der Entwicklungszusammenarbeit gefordert. Das Geld müsse in Menschen investiert werden und nicht in wirtschaftliche Tätigkeiten, die bloss den Industrieländern Gewinn einbrächten.

 "Das meiste Geld der Entwicklungshilfe kommt bei den Menschen, die dieses brauchen, nie an", sagte Pemba Mbow, Professorin an der Universität Dakar, ehemalige senegalesische Ministerin und Präsidentin der Organisation Mouvement social. Im Gegenteil: Das Geld fliesse in die Taschen korrupter Eliten und von da zurück in die Steuerparadiese.

 Schwarzgeld in der Schweiz

 Zu diesen Steuerparadiesen zähle auch die Schweiz, sagte Bruno Gurtner, Präsident der internationalen Organisation Tax Justice Network, im Verlauf des Weltsozialforums der Nachrichtenagentur SDA. So lägen auf Schweizer Banken unversteuerte Privatvermögen aus Entwicklungsländern in Höhe von 360 Milliarden Franken. Den Ländern entgingen dadurch jedes Jahr geschätzte 6 Milliarden Franken Steuergelder.

 "Der jährliche Steuerverlust der Entwicklungsländer durch den Finanzplatz Schweiz ist rund dreimal grösser als das Schweizer Budget für Entwicklungshilfe", stellte Peter Niggli, Geschäftsleiter von Alliance Sud, fest.

 Neben den Profiten des Schweizer Finanzsystems schadeten auch die ungleichen Handelsbeziehungen und der Rohstoffabbau den Entwicklungsländern. "In Norwegen kostet es sehr viel, Erdöl zu fördern, im Tschad ist es fast gratis", sagte Niggli. Ein Grund sei, dass die afrikanischen Regierungen von den Ölkonzernen fast keine Konzessionsgelder für die Ölförderung forderten.

 Bisher sei der Rohstoffabbau in Entwicklungsländern in der Schweiz kaum ein Thema gewesen, sagte Niggli. Das ändere sich nun: "Immer mehr Firmen, die im Rohstoffabbau tätig sind, verlegen ihren Sitz in die Schweiz", erklärte er. Beispiele seien das Bergbauunternehmen Xstrata oder die Ölplattform-Betreiberin Transocean.

 Auch die Handelsbeziehungen zwischen Entwicklungsländern und Industrieländern seien oft sehr ungleich, sagte Niggli. Ein extremes Beispiel sei der Fall USA-Philippinen: Nach dem Sturz der Marcos-Diktatur 1986 leisteten die USA einen Hilfskredit in Milliardenhöhe. Weil aber gleichzeitig das US-Handelsministerium unabhängig davon die Importquote für Textilien aus den Philippinen verkleinerte, hatte das südostasiatische Land am Ende weniger Geld als vorher.

 Aussenpolitik beeinflussen

 Um solche widersprüchlichen Massnahmen zu verhindern, engagiert sich Alliance Sud, die Arbeitsgemeinschaft von sechs Schweizer Hilfswerken, in der Schweizer Aussenpolitik. "Seit die WTO-Verhandlungen blockiert sind, versuchen alle Staaten, bilaterale Freihandelsabkommen abzuschliessen", sagte Niggli. Da setze Alliance Sud an: Die Organisation versucht, Parlamentarier, die die Freihandelsverträge bewilligen müssen, für die ungleichen Handelsbeziehungen zu sensibilisieren. "Erst wenn sich im Parlament Widerstand regt, werden die Freihandelsabkommen in der Öffentlichkeit zum Thema", erklärte der Alliance-Sud-Geschäftsleiter die Strategie.

 Ein weiteres wichtiges Anliegen von Alliance Sud ist die Erhöhung des Schweizer Entwicklungshilfebudgets. Allerdings nütze auch ein Milliardenbudget nichts, wenn das Geld falsch investiert werde, sind sich Alliance Sud und die afrikanischen Entwicklungshilfeorganisationen einig.

 Eigene Interessen durchsetzen

 "Ihr müsst in die Bildung der Menschen und die Stärkung der Zivilgesellschaft investieren", forderte Pemba Mbow. Nur dann seien die Afrikaner auch in der Lage, sich selbst gegen korrupte Regimes im Innern und ungleiche Handelsbeziehungen mit dem Ausland zu wehren.

 "Wir müssen uns klar werden, welches unsere wirtschaftlichen und sozialen Interessen sind", erklärte Joséphine Ouedraogo, Generalsekretärin der Nichtregierungsorganisation Enda Tiers-Monde und ehemalige Aussenministerin Burkina Fasos. Afrika müsse lernen, seine Interessen selber durchzusetzen.

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BZ 11.2.11

Hilfe muss die Menschen erreichen

Weltsozialforum Die Länder Afrikas rufen zu einem radikalen Umdenken in der Entwicklungszusammenarbeit auf. Im Zentrum sollen die Menschen stehen.

 Die Vertreter afrikanischer Organisationen haben am Weltsozialforum in Dakar eine radikale Änderung der Entwicklungszusammenarbeit gefordert. Das Geld müsse in Menschen investiert werden und nicht in wirtschaftliche Tätigkeiten, die bloss den Industrieländern Gewinn einbrächten. "Das meiste Geld der Entwicklungshilfe kommt bei den Menschen, die dieses brauchen, nie an", sagte Pemba Mbow, Professorin an der Universität Dakar, ehemalige senegalesische Ministerin und Präsidentin der Organisation "Mouvement social". Im Gegenteil: Das Geld fliesse in die Taschen korrupter Eliten und von da zurück in die Steuerparadiese.

 Schwarzgeld in der Schweiz

 Zu diesen Steuerparadiesen zähle auch die Schweiz, sagte Bruno Gurtner, Präsident der internationalen Organisation Tax Justice Network, im Verlauf des Weltsozialforums der Nachrichtenagentur SDA, das heute zu Ende geht. So lägen auf Schweizer Banken unversteuerte Privatvermögen aus Entwicklungsländern in Höhe von 360 Milliarden Franken. Den Ländern entgingen dadurch jedes Jahr geschätzte 6 Milliarden Franken Steuergelder. "Der jährliche Steuerverlust der Entwicklungsländer durch den Finanzplatz Schweiz ist rund dreimal grösser als das Schweizer Budget für Entwicklungshilfe", stellte Peter Niggli, Geschäftsleiter von Alliance Sud, fest. Neben den Profiten des Schweizer Finanzsystems schadeten auch die ungleichen Handelsbeziehungen und der Rohstoffabbau den Entwicklungsländern. "In Norwegen kostet es sehr viel, Erdöl zu fördern, im Tschad ist es fast gratis", sagte Niggli. Ein Grund sei, dass die afrikanischen Regierungen von den Ölkonzernen fast keine Konzessionsgelder für die Ölförderung forderten.

 Bisher sei der Rohstoffabbau in Entwicklungsländern in der Schweiz kaum ein Thema gewesen, sagte Niggli. Das ändere sich nun: "Immer mehr Firmen, die im Rohstoffabbau tätig sind, verlegen ihren Sitz in die Schweiz", erklärte er. Beispiele seien das Bergbauunternehmen Xstrata oder die Ölplattform-Betreiberin Transocean. Auch die Handelsbeziehungen zwischen Entwicklungsländern und Industrieländern seien oft sehr ungleich, sagte Niggli. Ein extremes Beispiel sei der Fall USA-Philippinen: Nach dem Sturz der Marcos-Diktatur 1986 leisteten die USA einen Hilfskredit in Milliardenhöhe. Weil aber gleichzeitig das US-Handelsministerium unabhängig davon die Importquote für Textilien aus den Philippinen verkleinerte, hatte das südostasiatische Land am Ende weniger Geld als vorher. Um solche widersprüchlichen Massnahmen zu verhindern, engagiert sich Alliance Sud, die Arbeitsgemeinschaft von sechs Schweizer Hilfswerken, in der Schweizer Aussenpolitik. "Seit die WTO-Verhandlungen blockiert sind, versuchen alle Staaten, bilaterale Freihandelsabkommen abzuschliessen", sagte Niggli.

 Da setze Alliance Sud an: Die Organisation versucht, Parlamentarier, die die Freihandelsverträge bewilligen müssen, für die ungleichen Handelsbeziehungen zu sensibilisieren. "Erst wenn sich im Parlament Widerstand regt, werden die Freihandelsabkommen in der Öffentlichkeit zum Thema", erklärte der Alliance Sud-Geschäftsleiter die Strategie. Ein weiteres wichtiges Anliegen von Alliance Sud ist die Erhöhung des Schweizer Entwicklungsbudgets.

 Ohne Bildung geht nichts

 Allerdings nütze auch ein Milliardenbudget nichts, wenn das Geld falsch investiert werde, sind sich Alliance Sud und die afrikanischen Entwicklungsorganisationen einig. "Ihr müsst in die Bildung der Menschen und die Stärkung der Zivilgesellschaft investieren", forderte Pemba Mbow. Nur dann seien die Afrikaner auch in der Lage, sich selbst gegen korrupte Regimes im eigenen Land und ungleiche Handelsbeziehungen mit dem Ausland zu wehren. "Wir müssen uns klar werden, welches unsere wirtschaftlichen und sozialen Interessen sind", erklärte Joséphine Ouedraogo, Generalsekretärin der Nichtregierungsorganisation Enda-Tiers Monde und ehemalige Aussenministerin Burkina Fasos. Afrika müsse lernen, seine Interessen selber durchzusetzen.
 Anja Burri , sda

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Südostschweiz 10.2.11

Weltsozialforum fordert Ende der Ausbeutung Afrikas

 Afrika den Afrikanern: Am Weltsozialforum in der senegalesischen Hauptstadt Dakar steht die Dominanz der Industrieländer auf dem Schwarzen Kontinent in der Kritik.

 Von Kristin Palitza

 Dakar. - Der Kampf für die gerechtere Verteilung von Ressourcen ist der Kern der Debatte des 11. Weltsozialforums, das derzeit in Senegal stattfindet. Debatiert werden noch bis morgen Möglichkeiten, die wirtschaftliche Dominanz von Industrieländern in Afrika zurückzubinden. Das Weltsozialforum - die soziale Antwort auf das World Economic Forum (WEF) in Davos - ist inzwischen zu einem Treffpunkt der globalen Bürgergesellschaft geworden, das jedes Jahr auf einem anderen Kontinent stattfindet.

 Brasilien als Vorbild

 Afrikanische Länder sollen Brasiliens Beispiel folgen und eine "grüne Revolution" anstiften, um sich vor steigenden Nahrungsmittelpreisen zu schützen, sagte der ehemalige brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva zu mehr als 50 000 Teilnehmern aus 123 Ländern. Der Begriff "grüne Revolution" bezeichnet gemeinhin die Einführung neuer Technologien in der Landwirtschaft in Entwicklungsländern. "Ohne Nahrungsmittel-Souveränität kann es gar keine Souveränität geben", so Lula weiter. "Ich bin überzeugt, dass Afrika alle Vorraussetzungen hat, um Brasiliens Weg zu folgen."

 Lulas Rede bezog sich auf die jüngste Lebensmittelkrise. Die Preise von wichtigen Grundnahrungsmitteln sind in den letzten Wochen massiv in die Höhe geklettert. Bereits vor zwei Jahre hatte eine Lebensmittelkrise für Unruhe gesorgt. Lula ermutigte Afrikas Länder, sich politisch zu verbünden und Beziehungen mit Entwicklungsländern anderer Kontinente aufzubauen, um sich vom Einfluss der Industriemächte zu distanzieren. "Diejenigen, die uns Lektionen über die Lenkung unsere eigenen Wirtschaften erteilen, waren nicht in der Lage, die Krise, die die gesamte Menschheit betrifft, in ihren eigenen Ländern abzuwenden", sagte er.

 Form von Neokolonialismus

 Das Weltsozialforum sprach sich ausserdem vehement gegen Bodenspekulationen in Afrika durch ausländische Gruppen aus. Dies sei eine Form des Neokolonialismus, hiess es, und besonders mit Hinblick auf die globale Nahrungsmittelkrise verwerflich. Denn die Investoren des Nordens seien hauptsächlich an finanziellen Spekulationen interessiert, statt in die Landwirtschaft zu investieren. Es handle sich um einen zweiten "Wettlauf um Afrika", der dem Landerwerb europäischer Kolonialmächte im 19. Jahrhundert ähnle. Zwischen August 2008 und Oktober 2009 seien laut Angaben der Weltbank bereits 42 Millionen Hektar Land in Entwicklungsländern aufgekauft worden.

 Delegierte von Gewerkschaften kritisierten, dass der Kampf um die Ressourcen des afrikanischen Kontinents zum Nachteil von dessen 680 Millionen Einwohnern sei. "Die Gehälter bleiben niedrig, da Globalisierung keine soziale Dimension hat. Es geht vor allem um den Wettbewerb zwischen und innerhalb von Ländern, multinationales und ausländisches Investment anzuziehen", sagte Kwasi Adu-Amankwah, Generalsekretär des afrikanischen Zweigs der Konföderation Internationaler Gewerkschaften. "Es ist mehr als dringend, das derzeitige Model der Globalisierung zu ändern und dem Neoliberalismus ein Ende zu setzen, der Millionen Afrikanern in unterfinanzierte Bildungssysteme, schlechte Gesundheitsversorgung und praktisch menschenunwürdige Arbeitsbedingungen gezwungen hat", fügte er hinzu.

 Morales: Kapitalismus stirbt

 Die Unruhen in Ägypten und Tunesien seien klare Anzeichen einer Krise des Kapitalismus, sagte Boliviens Präsident Evo Morales bei seinem Auftritt. Kapitalismus "ist aufgrund von rebellierenden Völkern am Sterben", meinte er. Morales bezeichnete Neoliberalismus und Neokolonialismus als menschenfeindlich, da diese entworfen wurden, um die Bodenschätze von Entwicklungsländern zu stehlen.

 Bei der Eröffnung des Forums am Sonntag hatte der aus Tunesien stammende Taoufik Ben Abdallah gesagt, Afrika sei nicht als "Schlachtfeld einflussreicher Nationen" gedacht. "Afrika kann ein reicher Kontinent sein, wenn ihm erlaubt ist, seine eigenen politischen und entwicklungspolitischen Richtlinien festzusetzen."

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ANTI-ATOM
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Bund 14.2.11

AKW-Ja dank Land-Gemeinden

 Das bernische Stimmvolk sagt in der kantonalen Konsultativabstimmung mit 51,2 Prozentknapp Ja zu einem neuen Atomkraftwerk in Mühleberg. Die Stadt Bern sagt mit 65,3 Prozent deutlich Nein.

 Simon Thönen

 Der Abstimmungskampf war heftig, das Resultat knapp: Die Befürworter eines neuen Atomkraftwerks in Mühleberg lagen gestern mit 51,2 Prozent Ja-Stimmen vorne. Mühleberg bleibt damit als möglicher Standort für ein neues AKW im Rennen. Weitere mögliche Standorte sind Beznau (AG) und Gösgen (SO). Bis 2012 wollen sich die drei Stromkonzerne Axpo, Alpiq und BKW auf zwei Standorte für neue AKW einigen.

 Das Ergebnis zeigt einen klaren Stadt-Land-Graben. Für das neue Atomkraftwerk haben vor allem die ländlichen Gebiete votiert. Die Städte Bern, Biel und Thun lehnten ab - Bern als grösste Nachbargemeinde von Mühleberg sogar mit einer Zweidrittel-Mehrheit. Die Stimmbeteiligung war mit 51,7 Prozent hoch.

 Die Abstimmung war konsultativ, also rechtlich nicht bindend. Eigentlich ging es nur um die Stellungnahme, die der Kanton dem Bund zum Projekt eines neuen AKW in Mühleberg übermittelt. Die mehrheitlich rot-grüne Kantonsregierung muss nun - gegen ihren Willen - dem Bund eine positive Stellungnahme weiterleiten. Energiedirektorin Barbara Egger-Jenzer (SP) betonte gestern, dass sie dies tun und den Volksentscheid akzeptieren wird. Gleichzeitig verwies sie jedoch auf den hohen Anteil der Nein-Stimmen. "Mich freut das Ergebnis", sagte sie.

 Alle sehen sich als Sieger

 BKW-Verwaltungsratspräsident Urs Gasche bezeichnete das Resultat im Interview mit dem "Bund" trotz seiner Knappheit als klar: "Bern als Standortkanton hat Ja gesagt zu einem Ersatzkernkraftwerk." Das Komitee "Ja zu Mühleberg" zeigte sich "erfreut" und wertete das Resultat als "positives Signal" für die schweizerische Volksabstimmung über neue AKW, die wahrscheinlich 2013 oder 2014 stattfinden wird. In diesem Urnengang wird das Schweizer Volk verbindlich entscheiden, ob neue AKW gebaut werden.

 Wegen des hohen Anteils der Nein-Stimmen gab sich aber auch das Komitee "Nein zum neuen AKW in Mühleberg" zuversichtlich: "In der Bevölkerung schwindet die Akzeptanz für neue Atomkraftwerke." Bis zur nationalen Abstimmung werde "der Wind in der Atomfrage definitiv drehen".

 Der Bund kommentierte das Abstimmungsresultat gestern nicht, er liess lediglich verlauten, es werde zur Kenntnis genommen.

 Die bernische Abstimmung hatte als Testlauf für den kommenden nationalen Abstimmungskampf gegolten - doch nun endete die bernische Vorrunde ohne echten Sieger. Das knappe Ja könnte möglicherweise bewirken, dass Bundesrat und Parlament dem Schweizer Volk 2013 oder 2014 nur ein statt zwei neue AKW zur Genehmigung vorlegen, um die Chance für ein Ja zu verbessern.

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Kommentar

 Lediglich ein Etappensieg für die BKW

Hans Galli

 Die Mehrheit der Bernerinnen und Berner will, dass auch in Zukunft genügend Strom aus der Steckdose fliesst, und zwar sowohl im Sommer als auch im Winter. Atomkraftwerke liefern seit vier Jahrzehnten zuverlässig Strom, während Solarzellen und Windturbinen erst einen kleinen Beitrag an die Energieversorgung leisten. Das knappe Resultat zeigt aber auch, dass ein grosser Teil der Bevölkerung der Atomenergie skeptisch gegenübersteht. Das Restrisiko eines nuklearen Unfalls sowie die ungelöste Entsorgung der atomaren Abfälle wecken Ängste.

 Aus dem knappen Ausgang schöpfen sowohl die Befürworter als auch die Gegner der Atomenergie Hoffnungen. Die Gegner sind zuversichtlich, dass sich die Stimmung bis zum nationalen Urnengang in zweieinhalb Jahren zu ihren Gunsten wenden wird. Und die Befürworter sehen sich durch das Ja in ihrem Bestreben bestätigt, die alten Atomkraftwerke durch neue zu ersetzen.

 In den kommenden Monaten spielen die Bundesbehörden eine wichtige Rolle. Sie prüfen die Gesuche um die Rahmenbewilligungen für die Standorte Beznau, Mühleberg und Gösgen auf ihre Tauglichkeit. Im Vordergrund steht die Sicherheit. Das Nuklearsicherheitsinspektorat hat im November bereits zusätzliche Unterlagen angefordert: Beim Standort Beznau muss die Überflutungsgefahr analysiert werden, und die BKW muss in Mühleberg die Gefährdung durch Felssturz, Steinschlag und Rutschungen untersuchen.

 Trotz des gestrigen Ja bleibt unsicher, ob in Mühleberg dereinst ein neues Atomkraftwerk gebaut wird. Die Berner Regierung muss zwar gegen ihren Willen eine positive Stellungnahme zum Rahmenbewilligungsgesuch einreichen. Aber der Bund wird berücksichtigen, dass das Resultat knapp ausgefallen ist und dass die Stadt Bern mit zwei Dritteln der Stimmen wuchtig Nein gesagt hat.

 Falls sich die Standorte Beznau und Gösgen in technischer, wirtschaftlicher und politischer Hinsicht als deutlich besser erweisen sollten, müsste Mühleberg zurückstehen. Da auch in der gesamtschweizerischen Volksabstimmung mit einem knappen Ausgang zu rechnen ist, wird die Strombranche im eigenen Interesse nur die besten Projekte weiterverfolgen.

 Offene Fragen wirft auch die Finanzierung auf. Vieles deutet darauf hin, dass nur schon die Kapitalbeschaffung für ein neues Atomkraftwerk zu einem Kraftakt wird und dass das zweite Projekt am Geld scheitern könnte.

 Die BKW hat zwar in der kantonalen Abstimmung einen Etappensieg errungen, aber sie ist mit dem Projekt Mühleberg noch weit vom Ziel entfernt.

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Mühleberg sagt Ja - Bern und die meisten anderen Nachbargemeinden sagen Nein

 Die Analyse der Abstimmungsresultate in allen Gemeinden des Kantons Bern zeigt: Der Graben zwischen Stadt und Land ist tief in der AKW-Frage.

 Sarah Nowotny

 Wuchtig war das Nein zu einem neuen Atomkraftwerk in Mühleberg gestern mit 65,3 Prozent in der Stadt Bern. Dass die Bundesstadt als wichtigste Nachbargemeinde von Mühleberg ein AKW ablehnt, ist freilich keine Überraschung: Bern hat sich erst vor zwei Monaten für einen Ausstieg aus der Atomenergie ausgesprochen. Auch die Berner Agglomeration will kein neues AKW: Köniz sagte mit 54,5 Prozent Nein, Wohlen gar mit 57,8 Prozent. Überhaupt ist der Verwaltungskreis Bern-Mittelland einer von zweien, in denen Mühleberg II abgelehnt wurde - und zwar von 53,1 Prozent der Stimmbürger. Im Kreis Biel sind es 53,3 Prozent. Nein gesagt haben ferner die grösseren Städte: Biel mit 60,8 Prozent, Thun mit 51,5 Prozent, Burgdorf mit 53,5 Prozent.

 Mit 72,4 Prozent war das Nein aber nirgendwo so deutlich wie in der 58-Seelen-Gemeinde Seehof im Berner Jura. Auf dem zweiten Rang folgt die Nachbargemeinde Schelten mit 46 Einwohnern und einem Nein-Stimmen-Anteil von 69,2 Prozent. Eine Erklärung ist, dass sich dortige Familien im Komitee der Berner Landwirtschaft gegen Mühleberg II engagiert hatten. Deutlich fiel die Ablehnung auch in anderen Gemeinden des Berner Juras aus. Das linke Lager ist traditionell stark in der Region. Das Nein in Krattigen und Hermiswil könnte sich als Fehler herausstellen: Vielleicht wurden Ja- und Nein-Stimmen vertauscht. Schwieriger ist die Frage, warum einige Gemeinden rund um den Brienzersee ein AKW ablehnen. Möglicherweise versprechen sie sich viel Strom von einem Pumpspeicherwerk, das Wasser aus dem Brienzersee pumpt.

 Besonders deutlich Ja gesagt haben wie erwartet viele Gemeinden im Emmental und im Oberland, etwa Grindelwald mit 69,7 Prozent oder Röthenbach i. E. mit 69,1 Prozent. Auch dass in Mühleberg 61 Prozent der Stimmenden Ja sagen würden, entspricht den Erwartungen, war doch die Standortgemeinde schon immer AKW-freundlich. Die ländlichen Nachbargemeinden von Mühleberg wollen dagegen kein neues AKW. Im Gegensatz zur Standortgemeinde profitieren sie nicht von den Steuern, die der Energiekonzern BKW abliefert.

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Jetzt geht der Streit um ein neues AKW erst richtig los

 Das knappe Ja für ein neues AKW in Mühleberg dürfte die landesweite Stimmung in der Atomfrage spiegeln. Mit Blick auf die nationale Atomabstimmung von 2013 ist alles offen. Um die Chancen der Atomkraft zu erhöhen, bewilligt der Bundesrat am Schluss möglicherweise nur ein neues AKW statt zwei. Mühleberg und Gösgen haben die Nase vorne.

 Patrick Feuz und Simon Thönen

 Wie geht es weiter mit dem Projekt für ein neues AKW in Mühleberg?

 Nach dem Ja des bernischen Volkes bleibt Mühleberg als Standort für ein neues AKW im Rennen, ist jedoch nicht definitiv gesetzt. Insider gehen aber davon aus, dass Mühleberg jetzt zusammen mit Gösgen die besseren Chancen hat als Beznau, da das dortige AKW-Projekt aus technischer Sicht als schwierig gilt. Ob tatsächlich neue AKW in der Schweiz gebaut werden, wird das Schweizer Volk entscheiden.

 Wie beeinflusst das Ja zu Mühleberg die kantonale Energiepolitik?

 Der bürgerlich dominierte Grosse Rat ist der Sieger der Volksabstimmung - und erhält generell Aufwind für seine Energiepolitik. Im Mai wird das bernische Volk über ein teilweise grün angehauchtes kantonales Energiegesetz und einen bürgerlichen Gegenvorschlag abstimmen. Hängig ist die grüne Volksinitiative "Bern erneuerbar". Deren Chancen sind nach dem Ja zu Mühleberg II ebenfalls gesunken.

 Wie geht es im nationalen Ringen um die Atomkraft weiter?

 Die Stromkonzerne Alpiq, Axpo und BKW wollen sich bis 2012 einigen, wo die zwei neuen AKW stehen sollen. Der Bundesrat entscheidet Mitte 2012 über die verbleibenden Rahmenbewilligungsgesuche, anschliessend ist das Parlament am Zug. Das letzte Wort hat Ende 2013 oder Anfang 2014 das Schweizer Stimmvolk. Denn SP, Grüne und Umweltverbände haben bereits angekündigt, dass sie das Referendum ergreifen werden.

 Bewilligt der Bundesrat zwei neue AKW oder nur eines?

 Der Bundesrat befürwortet "den Ersatz der bestehenden oder den Neubau von Kernkraftwerken", wie es in seiner Energiestrategie von 2007 heisst. Daneben setzt er auf Gas-Kombi-Kraftwerke, um die Stromversorgung sicherzustellen. Das knappe Berner Resultat zeigt, wie umstritten die Atomkraft bleibt. Deshalb bewilligt der Bundesrat am Schluss möglicherweise nur ein neues AKW statt zwei - die Beschränkung könnte in der nationalen Volksabstimmung die Chancen der Atomkraft erhöhen. Zum Mühleberg-Entscheid liess Energieministerin Doris Leuthard gestern nur verlauten, der Bund nehme das Resultat der konsultativen Abstimmung zur Kenntnis. Und: Beim Entscheid über die Rahmenbewilligung werde der Bundesrat die Meinungsäusserungen der betroffenen Kantone selbstverständlich "mitberücksichtigen".

 Was bedeutet das Berner Ja für die nationale Abstimmung?

 Das Ja zu einem neuen AKW in Mühleberg dürfte relativ genau die nationale Stimmung in der Atomfrage spiegeln - immerhin hat sich der Kanton Bern in früheren Atomabstimmungen meistens gleich wie die Gesamtschweiz positioniert. Direkt wirkt sich das Ja zu Mühleberg II aber nur auf die Standortfrage aus. Der weitere Verlauf der nationalen Atomdebatte hängt von anderen Faktoren ab. Anfang 2012 wird das Bundesamt für Energie die aktualisierten "Energieperspektiven" vorlegen und darin den künftigen Strombedarf aufzeigen. Bereits jetzt ist klar: Die Bevölkerung wächst massiv stärker als bisher prognostiziert. Die tendenziell steigende Nachfrage nach Strom wird den Befürwortern von Grosskraftwerken (AKW und leistungsstarke Gaskraftwerke) in die Hände spielen. Sinkende Kosten der erneuerbaren Energien und allfällige Bauteuerungen bei AKW dagegen könnten den Atomgegnern nützen. Vor allem ein grosser AKW-Unfall irgendwo auf der Welt gäbe dieser Seite Auftrieb.

 Wann könnte ein neues AKW Strom liefern?

 Ein neues Atomkraftwerk wird frühestens 2025 den Betrieb aufnehmen. Das Baubewilligungsverfahren mit Einsprachemöglichkeiten dauert vier bis sechs Jahre - wahrscheinlich wird die Auseinandersetzung bis vor Bundesgericht getragen. Der Bau beansprucht weitere fünf bis sechs Jahre. Zudem kann das Verfahren für die Betriebsbewilligung erst starten, wenn wesentliche Teile der neuen Anlage gebaut sind; das Verfahren selber dauert bis zu sechs Jahren. Wegen der langen Zeit bis zur Inbetriebnahme eines neuen AKW - und weil die nationale Abstimmung auch ein Nein ergeben könnte - wünscht der Bundesrat zusätzlich Gas-Kombi-Kraftwerke - diese sind innerhalb von drei Jahren betriebsbereit.

 Was passiert mit dem Atommüll?

 Mit der gestrigen Wellenberg-Abstimmung im Kanton Nidwalden hat die Suche nach einem Endlager erneut einen Rückschlag erlitten. Zwar ist der Bund rechtlich nicht verpflichtet, dieses Resultat zu akzeptieren. Gegner eines Lagers werden nun aber auch an den anderen fünf möglichen Standorten Aufwind erhalten. Die offizielle Planung sieht vor: Bis etwa 2020 soll weiter untersucht werden. Danach will sich der Bundesrat auf je einen Standort für hoch- und mittelradioaktiven Müll festlegen.

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 Gösgen II

 Anders als für Beznau (Überflutungsgefahr) und Mühleberg (Hangrutsche) hatte die Nuklearaufsicht für den Standort Gösgen keine spezifischen Zusatzabklärungen gefordert. Gemäss der Übereinkunft der Stromkonzerne steht ein neues AKW in Gösgen an letzter Stelle. Technische und politische Überlegungen könnten dies jedoch ändern.(st)


 Beznau III

 Beznau I wird als ältestes AKW in der Schweiz voraussichtlich am frühesten abgestellt werden. Gemäss der Übereinkunft der Stromkonzerne Axpo, Alpiq und BKW soll deshalb in Beznau, wo heute auch das alte Werk Beznau II steht, das erste neue AKW gebaut werden. Die Nuklearaufsicht hat jedoch kritisiert, dass die Überflutungsgefahr am Standort ungenügend einkalkuliert sei.(st)


 Mühleberg II

 Nach dem knappen Ja des bernischen Volkes bleibt Mühleberg als Standort für ein neues AKW im Rennen. Der Reaktortyp würde wohl erst nach der schweizerischen Volksabstimmung bestimmt. Je nachdem wäre das AKW drei- bis viereinhalb Mal so leistungsstark wie das bestehende AKW (rechts hinten im Bild). Das Projekt umfasst auch zwei Zwischenlager für Atommüll (Gebäude vorne im Bild).(st)

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"Das Resultat ist klar: Bern hat als Standortkanton Ja gesagt"

 Mühleberg II hat für BKW-Verwaltungsratspräsident Urs Gasche gute Chancen.

 Interview: Simon Thönen

 Das Bernervolk hat nur sehr knapp Ja gesagt. Glauben Sie, dass in Mühleberg ein neues AKW gebaut wird?

 Schon im Vorfeld der Abstimmung habe ich gesagt, dass jedes Resultat über 51 Prozent für mich deutlich und verpflichtend ist - ob nun ein Ja oder Nein resultiert. In diesem Sinn ist das heutige Resultat für mich klar. Den Standortentscheid werden letztlich die Bundesbehörden treffen. Danach gibt es eine schweizerische Referendumsabstimmung darüber, ob es überhaupt neue Kernkraftwerke gibt. Ich gehe aber davon aus, dass die Chancen von Mühleberg nun gestiegen sind.

 Die wichtigste Nachbargemeinde, die Stadt Bern, hat aber mit 65 Prozent deutlich Nein gesagt.

 Und die direkte Sitzgemeinde hat Ja gesagt, man darf jetzt nicht einzelne Gemeinden gegeneinander ausspielen. Es ging um die Gesamtheit der Kantonsbürger und -bürgerinnen.

 Konkurrent Alpiq könnte nun argumentieren, die Akzeptanz für sein AKW Gösgen sei besser, weil keine benachbarte Grossstadt es ablehnt.

 Ich kann nicht einschätzen, welche Taktik Alpiq fährt. Für uns gibt es nur einen Fakt: Bern als Standortkanton hat Ja gesagt zu einem Ersatzkernkraftwerk in Mühleberg.

 Gemäss der Reihenfolge, die Axpo, BKW und Alpiq vereinbart haben, würden die zwei neuen AKW zuerst in Beznau und dann in Mühleberg gebaut. Gösgen wäre als dritte Priorität überflüssig. Bleibt dies so?

 Die bernische Abstimmung hat diese Reihenfolge sicher gefestigt beziehungsweise Mühleberg vielleicht sogar einen leichten Vorsprung verschafft.

 Verbindlich wird die schweizerische AKW-Abstimmung sein. Es gibt Stimmen, die sagen, dass die Bundesbehörden nur mit einem AKW-Projekt antreten werden, um die Chancen für ein Ja zu erhöhen.

 Das kann ich nicht sagen. Wir haben uns solche Szenarien auch überlegt: Aus der Sicht einer zuverlässigen Stromversorgung wäre dies eine politische Konzession, die bedauerlich wäre.

 Eine weitere Hürde ist die Finanzierung der AKW. In der internationalen Debatte wird oft gesagt, diese sei ohne Subventionen nicht möglich.

 Nach unseren Berechnungen ist die Kernenergie weiterhin eine wirtschaftliche Art der Stromproduktion, die sich auch finanzieren lässt. Die Erfahrungen beim Bau des Kernkraftwerkes in Finnland haben wir da bereits einbezogen. Wir haben keine Hinweise, dass eine Finanzierung über den Kapitalmarkt nicht machbar ist. Ich bin überzeugt, dass die CO2-freie Stromversorgung, der wir uns verschrieben haben, auch für Finanzierungsinstitute interessant ist.

 BKW-Chef Kurt Rohrbach hat gesagt, dass man wegen der Finanzierung die zwei AKW-Projekte um ein paar Jahre staffeln müsse.

 Die drei Unternehmen Axpo, Alpiq und BKW arbeiten bei den zwei Kernkraftwerken zusammen. Wir werden die Projekte natürlich in verschiedener Hinsicht optimieren, dazu kann auch eine Staffelung um wenige Jahre gehören. Grundsätzlich bin ich überzeugt, dass zwei Werke wirtschaftlich und auch finanzierbar sind.

 Würde die BKW das Projekt abbrechen, falls die Finanzierung ohne Subventionen doch nicht klappt?

 Wir gehen von einer privaten Finanzierung aus. Wir haben keine Indizien, dass dies nicht möglich ist. Wie gesagt, eine Staffelung um einige Jahre kann bei der Realisierung durchaus möglich sein.

 Wann würde Mühleberg II Strom produzieren?

 Die bisherige Planung geht von einem Zeitraum ab 2020 aus, ich persönlich rechne eher mit 2025 bis 2030.

 Wann würde das bestehende, ältere AKW in Mühleberg abgeschaltet?

 Es ist geplant, dass dies spätestens bei der Inbetriebnahme des neuen Kernkraftwerks geschieht. Ich gehe davon aus, dass das heutige Kernkraftwerk eine unbefristete Betriebsbewilligung erhalten wird. Das heisst: Es darf so lange laufen, wie der Betrieb als sicher erachtet wird. Würde die Sicherheit fraglich, würde das heutige Werk früher abgestellt.

 Im Abstimmungskampf hat es hohe Wellen geworfen, dass für Mühleberg II grosse Zwischenlager geplant werden, die den Atommüll aus der ganzen Betriebsdauer aufnehmen könnten. Bleiben diese so gross?

 Es ist ein Ausdruck unserer Verantwortung, dass wir genügend Kapazität für die Zwischenlager einplanen. Wie sich die Frage der Endlager entwickeln wird, können wir heute nicht abschätzen.

 Die Nidwaldner haben erneut ein Endlager in Wellenberg abgelehnt. Besteht die Gefahr, dass der Atommüll im Zwischenlager bleibt, weil niemand ein Endlager will?

 Die Wellenberg-Abstimmung ist kein Massstab für andere Standorte, weil der Wellenberg nicht im Vordergrund steht. Der Nachweis ist erbracht, dass eine sichere Endlagerung möglich ist. Die Chancen sind intakt, dass wir im Laufe der Zeit Endlager haben werden.

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Befürworter und Gegner sehen sich als Sieger

 Regierung und Rot-Grün feiern sich als heimliche Gewinner - Bürgerliche und Wirtschaftslobby triumphieren verhalten. Energiepolitik wird jetzt noch schwieriger.

 Sarah Nowotny

 Gut jeder zweite Stimmbürger im Kanton Bern will ein neues Atomkraftwerk in Mühleberg, fast jeder zweite ist dagegen. Angesichts dieses knappen Resultats erklärten sich gestern beide Lager zu Siegern. "Mich freut das Ergebnis", sagte Energiedirektorin Barbara Egger-Jenzer (SP). Die rot-grüne Regierung hatte im Abstimmungskampf kein Hehl aus ihrer Anti-AKW-Haltung gemacht - was ihr von gegnerischer Seite harsche Kritik eintrug. Die Energiestrategie des Kantons sieht gar einen Ausstieg aus der Atomenergie vor. Als Misstrauensvotum gegen ihre Politik will Egger das Ja zu Mühleberg aber nicht verstanden wissen. "Unsere Strategie sieht schliesslich kein konkretes Datum für den Ausstieg vor." Allerdings kündigten Bürgerliche bereits Widerstand gegen das Papier an. "Es ist blosse Makulatur", sagte Adrian Haas, Direktor des Handels- und Industrievereins Bern (HIV). "Die Strategie ist nicht haltbar", findet auch BDP-Grossrat Mathias Tromp. Ob er politisch aktiv werden will gegen die rot-grüne Energiepolitik, liess Tromp indes noch offen.

 "Atomenergie hat Auftrieb"

 Diese Unentschlossenheit passt zur Gemütslage der Bürgerlichen und der Wirtschaftsverbände nach der Abstimmung. Ihre Freude hielt sich in Grenzen und die Überraschung etwa angesichts des deutlichen Neins in der Stadt Bern war gross. "Eine Portion Skepsis gegenüber AKW ist gesund. Vielleicht können die erneuerbaren Energien unseren Bedarf in 20 Jahren decken. Es wäre aber verheerend gewesen, jetzt schon die Option AKW aus dem Rennen zu nehmen", sagte Adrian Kneubühler, Chef der FDP-Fraktion im Grossen Rat. Das knappe Resultat zeige, dass die Akteure nun zum Beispiel endlich eine politisch durchsetzbare Lösung für ein Endlager finden müssten. Gelinge dies, habe Mühleberg II gute Chancen, gebaut zu werden. "Immerhin ist Bern der erste AKW-Standortkanton mit einem Volksentscheid." Etwas euphorischer war Haas: "Die Atomenergie hat Auftrieb erhalten, das Volk hat eingesehen, dass sie für die Versorgungssicherheit unerlässlich ist."

 Ganz anders beurteilen SP, Grüne und Umweltschützer die Lage. Für sie ist klar, dass Mühleberg II nie gebaut wird. "Das Abstimmungsresultat ist eine Sensation, die Front der AKW-Befürworter bröckelt - erstmals auch auf dem Land und bei den Gewerblern", sagte Roland Näf, Präsident der SP Kanton Bern. Das Lager der AKW-Gegner im Kanton sei deutlich gewachsen, erklärte Jörg Rüetschi, Geschäftsführer vom WWF Bern. Tatsächlich nahmen 2003 nur 41,4 Prozent des Stimmvolks eine Initiative zur Verlängerung des AKW-Baustopps an. "Ohne eine solide Mehrheit, gegen den Willen jedes zweiten Berners, kann man kein AKW bauen", sagte Näf. Noch vor einem Jahr sei es vor allem darum gegangen, die Anti-AKW-Bewegung zu reaktivieren, jetzt habe es beinahe zum Sieg gereicht, sagte Blaise Kropf, Präsident der kantonalen Grünen. Die Grünen erwarteten nun, dass die BKWihr Gesuch für Mühleberg II zurückziehe.

 "Preise werden purzeln"

 Diese Erwartung beeindruckt die Regierung aber offenbar wenig. Energiedirektorin Egger machte klar, dass sie den Volksentscheid akzeptiere und sich nun beim Bund für ein neues AKW in Mühleberg ausspreche. "Auch wenn der Kanton später noch einmal Stellung nehmen kann zu Mühleberg, werden wir uns positiv äussern", sagte Egger. Als Vertreterin des Kantons im Verwaltungsrat des Energiekonzerns BKW gedenke sie, den Volksentscheid ebenfalls mitzutragen. "Was nicht heisst, dass ich meine Prinzipien verraten werde und aufhöre, das Grossprojekt kritisch zu hinterfragen."

 Für kritische Fragen dürfte es noch genug Gelegenheit geben, denn im Kanton und auf Bundesebene stehen bald weitere wichtige energiepolitische Weichenstellungen an. Das Schlussbouquet bildet 2013 oder 2014 die verbindliche eidgenössische Volksabstimmung über neue AKW in der Schweiz. "Bis dahin werden die Preise für Strom aus Wind, Wasser und Sonne weiter purzeln. Wir werden die Volksabstimmung gewinnen", glaubt SP-Präsident Näf. Bis in zwei Jahren werde sich das Problem der Versorgungssicherheit noch akzentuieren, sagte hingegen FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen. "Deshalb wird auch das Schweizer Volk Ja zu AKW sagen - wie knapp es wird, ist unwichtig."

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Kraftwerkbetreiber

 "Die besten Standorte für die Ersatzkraftwerke vorschlagen"

 Die Betreiber der anderen Kernkraftwerke bleiben zurückhaltend und sprechen von einem "positiven Signal".

 Die konsultative Abstimmung über Mühleberg wurde nicht nur bei der BKW Energie AG aufmerksam verfolgt, sondern auch bei den Betreibern der andern Kernkraftwerke. "Das Resultat ist ein positives Signal aus einem Standortkanton", sagte Daniela Biedermann, Mediensprecherin der Axpo-Gruppe in Baden, welche die Werke in Beznau betreibt. Nicht näher äussern wollte sie sich dazu, dass die Zustimmung sehr knapp ausgefallen ist. "Ein knapper Ausgang hat sich abgezeichnet, aber das Ja ist ein positives Signal", sagte sie.

 Von einem positiven Ergebnis sprach auch Martin Bahnmüller, Kommunikationschef der Alpiq-Gruppe in Olten. Es zeige, dass die Mehrheit der Berner Bevölkerung die Kernenergie befürworte. Alpiq sei deshalb zuversichtlich im Hinblick auf die gesamtschweizerische Abstimmung im Jahr 2013.

 Dem Volk werden voraussichtlich zwei Projekte unterbreitet, mit Beznau, Gösgen und Mühleberg sind aber jetzt noch drei Standorte im Rennen. "Das Ziel von Alpiq, Axpo und BKW ist es, dem Volk die besten Standorte für die Ersatzkraftwerke vorzuschlagen", sagte Bahnmüller. Die Rahmenbewilligungsgesuche würden von den Bundesbehörden geprüft. Die Prioritäten für die Standorte würden gestützt auf die Prüfergebnisse festgelegt. Falls sich keine nennenswerten Unterschiede zeigen sollten, werde die Reihenfolge gemäss dem Zeitpunkt für die Stilllegung der alten Werke bestimmt.

 Bund hält sich zurück

 Der Bund kommentiert den Ausgang der Mühleberg-Abstimmung im Kanton Bern nicht. Das zuständige Energie- und Umweltdepartement (Uvek) teilte mit, es nehme das Resultat der konsultativen Abstimmung zur Kenntnis.

 Beim bevorstehenden Entscheid über die Rahmenbewilligung würden selbstverständlich auch die Meinungsäusserungen der Bevölkerung aus betroffenen Kantonen "mitberücksichtigt", schreibt das Uvek.(-ll-/sda)

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BZ 14.2.11

Knappes Ja zu neuem AKW

 KANTON BERNDie Stimmberechtigten des Kantons Bern haben sich für den Bau eines neuen Atomkraftwerks in Mühleberg ausgesprochen. Das Resultat fiel mit 51,2 Prozent Ja-Stimmen knapp aus.

 188 193 Ja-Stimmen standen am Schluss 179 279 Nein-Stimmen gegenüber. Damit muss der rot-grüne bernische Regierungsrat gegen seinen entschiedenen Willen dem Bund mitteilen, der Berner Souverän sei für den Ersatz des AKW Mühleberg.

 Bei der Konsultativabstimmung ging es eigentlich nur darum, der Bevölkerung den Puls zu fühlen. Rein rechtlich wäre sie nicht einmal verbindlich. Die Kantonsregierung hatte aber bereits im Vorfeld signalisiert, sie werde das Ergebnis akzeptieren. Dies bekräftigte die zuständige SP-Regierungsrätin Barbara Egger-Jenzer gestern vor den Medien erneut.sda Seite 2 + 3

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BZ Standpunkt

 Das Kalkül der Regierung ist nicht aufgegangen

 AKW-Abstimmung  Michael Hug  Chefredaktor

 Eine knappe Mehrheit der Bernerinnen und Berner will, dass Mühleberg als Standort für ein neues Atomkraftwerk im Rennen bleibt. Das ist ein ziemlich erstaunliches Abstimmungsresultat. Ähnlich wie die Nidwaldner mit dem Endlager hätten sie die Gunst der Stunde nutzen und sich unbesehen von den übergeordneten Fragen der Energiepolitik das unangenehme Thema Atomkraftwerk nach dem Sankt-Florians-Prinzip vom Hals schaffen können.

 Genau dies war das Kalkül der rot-grünen Mehrheit in der Berner Regierung, die diesen Urnengang in der durchaus realistischen Hoffnung aufgleiste, eine Allianz von Atomkraft- und Standortgegnern verschaffe ihr die nötige Mehrheit für eine kantonale Energiewende. Unschön war, dass sie für dieses politische Pokerspielchen die Interessen des Kantons an Arbeitsplätzen und vor allem den Wert des Unternehmens BKW ohne jede Not aufs Spiel setzte.

 Die Stimmberechtigten liessen sich von den Schalmeienklängen aus dem Rathaus nicht in die politische Sackgasse locken. Sie verabschieden sich nicht vorzeitig aus der Diskussion über die Schweizer Energiepolitik und gehen nicht mit ihrer Regierung den Berner Sonderweg. Sie warten klugerweise ab, bis eine eidgenössische Abstimmung die Weichen stellt. Das ist schon fast eine verkehrte Welt: Die Regierung prescht mit ideologischen Versprechungen vor, und das Volk entscheidet so nüchtern und pragmatisch, wie man es eigentlich von einer verantwortungsvollen Regierung erwarten würde.

 Das Gute an dieser Abstimmung ist, dass die Fronten jetzt geklärt sind. Nun müssen die regelmässigen Scharmützel zwischen der Regierung und der BKW-Spitze ein Ende haben. Regierungsrätin Barbara Egger-Jenzer wird akzeptieren müssen, dass sie ihre Energiepolitik nicht gegen den Grossen Rat, die BKW und das bernische Stimmvolk durchstieren kann.

 michael.hug@bernerzeitung.ch

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Mühleberg sagt klar Ja zum neuen AKW

 In seiner Standortgemeinde geniesst das AKW grosse Unterstützung. Die Nachbargemeinden hingegen zeigen sich kritisch.

 Mühleberg steht zu seinem AKW. Mit 61 Prozent Ja-Stimmen stellten sich die Einwohnerinnen und Einwohner der Gemeinde in der AKW-Abstimmung deutlich hinter ihr Kraftwerk. Ähnlich wie bei vergangenen Abstimmungen liegen sie damit weit über dem kantonalen Schnitt von 51,2 Prozent.

 Traditionell grosser Rückhalt

 Für Gemeindepräsident Kurt Herren sind beide Zahlen wenig überraschend: Mit dem knappen Entscheid des Kantons habe er ebenso gerechnet wie mit der klaren Unterstützung seiner Gemeinde. "Das AKW hatte in Mühleberg schon immer einen grossen Rückhalt. Daran wird sich nichts ändern." Die Stimmbeteiligung von mehr als 67 Prozent zeugt zudem von einem grossen Interesse in der Gemeinde. Der Rückhalt in der Bevölkerung käme laut Herren vor allem daher, dass viele Arbeiter in der Gemeinde wohnten und so für ein vertrauensvolles Klima sorgten. Er sei nun aber froh, dass sich der mediale Fokus nach der Abstimmung endlich wieder von Mühleberg abwende: "Das Interesse war enorm, jetzt dürfte es wieder etwas ruhiger werden." Zumindest so lange, bis die nächste Atomenergie-Abstimmung in der Schweiz anstünde.

 Nachbarn sagen Nein

 Sehr unterschiedlich haben sich die weiteren umliegenden Gemeinden zum AKW geäussert: Während Wileroltigen (61,7 Prozent Ja-Stimmen) und Golaten (61,3) noch deutlicher Ja sagten als Mühleberg, sprachen sich Laupen (51,5) und Ferenbalm (53,4) knapper für das Kraftwerk aus. Keine Mehrheit hingegen fand das AKW in Frauenkappelen (49,8), Radelfingen (43,5) und Wohlen (42,2). Kurt Herren erklärt die deutlichen Unterschiede mit der Nähe zur Stadt sowie den fehlenden finanziellen Vorteilen für die anderen Gemeinden: "Da ging es bestimmt dem einen oder anderen ums Geld." Die Steuerteilung der BKW spült Mühleberg jährlich Beträge in Millionenhöhe in die Kassen - die anderen gehen leer aus. Dass die Nachbargemeinden für ihre Standortnachteile kompensiert werden möchten, sei laut Herren aber verständlich: "Wird ein neues AKW gebaut, braucht es eine Lösung, die alle zufrieden stellt." Gespräche zwischen Gemeinden und BKW betreffend die Kompensationszahlungen könnten nun weitergeführt werden.
 
Christian Zeier

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AKW-Abstimmung:   ● Ja zu Mühleberg II

 Knapper Etappensieg für die BKW - doch die Atomgegner sind in Lauerstellung

 Die BKW bleibt mit ihren Plänen für ein Ersatz-Atomkraftwerk in Mühleberg im Rennen. Allerdings zeigt das knappe Abstimmungsergebnis: Die AKW-Gegner haben im Kanton Bern in den letzten Jahren viel Boden gutgemacht.

 Wer hat nun wirklich gewonnen? Sowohl der Berner Energiekonzern BKW wie auch die Gegner eines neuen Atomkraftwerks in Mühleberg sahen sich nach der gestrigen Abstimmung als Sieger. Fakt ist: Die Atomlobby hat im schweizweit mit Spannung erwarteten Stimmungstest 51,2 Prozent der Stimmen geholt und somit mehr als die AKW-Gegner. Die absolute Differenz lag bei 8914 Stimmen. Der rot-grüne Berner Regierungsrat muss sich damit beim Bund wider seinen Willen positiv zum geplanten Ersatzkraftwerk in Mühleberg äussern, womit das Projekt Mühleberg II vorerst im Rennen bleibt.

 Fakt ist aber auch: Die Atomkraftgegner gewinnen im traditionell AKW-freundlichen Kanton Bern stetig an Boden. Das verdeutlicht ein Blick in die Vergangenheit. 2003 wurde in der Schweiz zum bisher letzten Mal über die Zukunft der Atomenergie abgestimmt. Die Volksinitiative "Strom ohne Atom" forderte damals die Energiewende und die schrittweise Stilllegung der Schweizer AKW. Die Initiative scheiterte, im Kanton Bern wurde sie mit 67,5 Prozent Nein-Anteil gar überdurchschnittlich deutlich verworfen.

 Gestern nun kamen die AKW-Gegner sehr nahe an die Befürworter heran. Auch wenn die beiden Abstimmungen nicht eins zu eins miteinander verglichen werden können, ist ein klarer Trend ablesbar.

 "In zwei Jahren reicht es"

 Entsprechend aufgeräumt war die Stimmung gestern kurz nach 17 Uhr im Restaurant Lötschberg in Bern, wo sich das Komitee "Nein zum neuen AKW Mühleberg" versammelt hatte. Kurz nach der Verkündigung des Endergebnisses wurde freudig mit Weisswein angestossen. "Das ist grossartig", sagte Jürg Buri, Geschäftsleiter der Schweizerischen Energiestiftung. "In zwei Jahren reicht es. Bis zur nationalen Abstimmung holen wir den Rückstand auf." Ähnlich sah es Grüne-Nationalrätin Franziska Teuscher: "Die Zeit arbeitet ganz klar für uns." Und für den Präsidenten der Grünen Kanton Bern, Blaise Kropf, ist klar: "Mühleberg II wird niemals gebaut."

 Anders sah es freilich die BKW-Spitze. Per Medienmitteilung verbreitete sie, das Abstimmungsergebnis stärke den Standort Mühleberg. BKW-Präsident Urs Gasche sagt im Interview (siehe Seite 3): "Ich erwarte, dass die Berner Regierung den Entscheid akzeptiert. Und ich weiss, dass sie gemäss diesem Volksentscheid handeln wird."

 Ein Stadt-Land-Graben

 Acht der zehn Verwaltungskreise haben sich positiv zu Mühleberg II geäussert. Einzig die beiden städtisch geprägten Kreise Bern-Mittelland und Biel haben Nein gesagt, und zwar mit 53,1 respektive 53,3 Prozent. Am deutlichsten zugestimmt hat der Verwaltungskreis Obersimmental mit 61 Prozent Ja (siehe Grafik rechts). Das zeigt, dass die Zustimmung für ein AKW auf dem Land tendenziell grösser ist.

 Noch deutlicher widerspiegelt sich der Stadt-Land-Graben bei einem Blick auf das Ergebnis in den Städten: In der Stadt Bern beispielsweise lag der Nein-Anteil bei hohen 65,3 Prozent. Die ländlichen Gemeinden sorgten dafür, dass die Ablehnung im Kreis Bern-Mittelland am Schluss nicht ganz so deutlich ausfiel. Auch in Thun mit 51,5 Prozent Nein-Stimmen und Burgdorf (53,5 Prozent) sagte die Stadtbevölkerung Nein zu Mühleberg II, während sich der Rest der beiden Verwaltungsbezirke mehrheitlich für das neue AKW starkmachte. Die Stimmbeteiligung lag gesamtkantonal bei 51,7 Prozent

 Niederlage für die Regierung

 Nach der gestrigen Abstimmung dürften sich auch die Spannungen zwischen Regierung und BKW wieder etwas legen, zumindest vorläufig. Der Konflikt hatte im Abstimmungskampf einen neuen Höhepunkt erreicht. Zuerst hatte die Regierung der BKW faktisch einen Maulkorb verpasst, indem sie ihr die Einmischung in den Abstimmungskampf untersagte. Dann waren sich die beiden Seiten uneinig in der Frage, wie es nach einem allfälligen Volks-Nein weitergehen würde. Regierungsrätin Barbara Egger war der Ansicht, die BKW würde das Projekt beerdigen, die BKW-Geschäftsleitung ihrerseits wollte auch bei einem Nein weiterplanen.

 Die rot-grüne Regierungsmehrheit musste mit dem gestrigen Ja eine Niederlage einstecken. Egger trugs mit Fassung (siehe Interview rechts): "Ich habe kein Problem, diesen Volksentscheid zu akzeptieren und umzusetzen."
 
Philippe Müller

 AKW-Abstimmung Alles zum gestrigen Urnengang auf

 www.urnengang.bernerzeitung.ch.

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 Neue AKW: So gehts weiter

 Komplexes Verfahren Die Stromkonzerne Axpo, Alpiq und BKW wollen in der Schweiz neue Atomkraftwerke bauen. Allerdings konnten sie sich bisher nicht auf zwei Standorte einigen. Obwohl sie wissen, dass maximal zwei neue AKW realisierbar sind, haben sie insgesamt drei Rahmenbewilligungsgesuche eingereicht. Aus heutiger Sicht ist aber klar, dass Axpo und BKW mit Beznau und Mühleberg in der Favoritenrolle sind, weil dort die alten Reaktoren zuerst abgeschaltet werden.

 Nach der gestrigen Konsultativabstimmung im Kanton Bern sehen die nächsten Schritte wie folgt aus: Die drei in Frage kommenden Standortkantone neuer AKW - Aargau, Bern und Solothurn - müssen demnächst zuhanden des Bundes Stellung zu einem neuen AKW auf ihrem Kantonsgebiet beziehen. Neben Bern werden sich wohl auch die Aargauer und die Solothurner Regierung positiv äussern.

 Wo und ob überhaupt neue Atomkraftwerke gebaut werden, wird das Stimmvolk anlässlich einer nationalen Volksabstimmung entscheiden. Diese findet voraussichtlich in drei Jahren statt. Der Bund rechnet mit einer Bauzeit von rund zehn Jahren, sodass das erste neue AKW zwischen 2023 und 2025 ans Netz gehen könnte. Das heutige AKW Mühleberg muss ungefähr 2022 abgeschaltet werden.phm

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"Ich trage den Volksentscheid mit"

 Die Energiedirektorin Barbara Egger akzeptiert den gestern gefällten Entscheid zu Mühleberg II. Auch im Verwaltungsrat der BKW werde sie für den Volkswillen einstehen.

 Frau Egger, das Resultat zur AKW-Abstimmung ist mit einem Ja-Anteil von 51,2 Prozent knapp ausgefallen. Wie stark schmerzt Sie diese Niederlage?

 Barbara Egger: Ich habe immer vermutet, dass es sehr knapp wird. Insofern bin ich vom Abstimmungsresultat nicht überrascht. Es freut mich, dass fast die Hälfte der Bernerinnen und Berner in der AKW-Frage so denkt wie ich. Aber ich habe nun auch kein Problem damit, diesen Volksentscheid zu akzeptieren und umzusetzen. Der Regierungsrat wird jetzt beim Bund eine positive Stellungnahme zu Mühleberg II einreichen.

 Ist dieser Entscheid ein Misstrauensvotum gegenüber Ihrer Energiepolitik?

 Nein, das deute ich nicht so. Immerhin haben knapp 49 Prozent die Meinung des Regierungsrates bei der AKW-Frage unterstützt.

 In der Energiestrategie des Kantons Bern haben Sie den Ausstieg aus der Atomenergie als Ziel formuliert. Muss der Regierungsrat die Energiestrategie nach dem Ja zu Mühleberg nun überarbeiten?

 Bei dieser Abstimmung ging es nur um die Stellungnahme, die der Kanton beim Bund zu Mühleberg II einreichen wird, und nicht um die kantonale Energiestrategie. Deshalb sehe ich jetzt auch keinen Grund dafür, die Energiestrategie zu ändern.

 Warum hat es aus Ihrer Sicht schliesslich nicht zu einem Nein gereicht?

 Bei diesem äusserst knappen Resultat ist dies schwer zu sagen. Was mir aber auffällt, ist, dass auch in ländlichen Gebieten die Skepsis gegenüber Atomstrom sehr gross ist. Dass der Nein-Anteil in diesen Gebieten so hoch war, hat mich als AKW-Gegnerin gefreut.

 Wird der Regierungsrat bei der nationalen Abstimmung über neue Atomkraftwerke auch wieder eine Nein-Parole herausgeben?

 Ganz sicher nicht. Die kantonale Abstimmung kam ja nur zustande, weil ich beim Grossen Rat einen Antrag gestellt habe. Wenn dieser nicht angenommen worden wäre, hätte sich jetzt das Berner Stimmvolk nicht zu dieser Frage äussern können. Das Volk hat sich nun entschieden, und deshalb werden wir in zwei Jahren nicht wieder von vorne beginnen. In den Jahren, in denen ich noch als Energiedirektorin im Amt bin, werde ich diesen Volksentscheid vertreten.

 Auch im Verwaltungsrat der BKW?

 Ja, denn ich vertrete im Verwaltungsrat der BKW nicht mich persönlich, sondern die Interessen des Kantons Bern. Deshalb werde ich den Volkswillen jetzt auch in diesem Gremium vertreten. Da ich meine persönliche Meinung aber nicht ändern werde, werde ich es auch künftig nicht unterlassen, beim Thema AKW kritische Fragen zu stellen. Das muss ich abgesehen davon auch, denn immerhin haben fast 49 Prozent der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger Nein zu Mühleberg II gesagt.

 Kritiker monieren, das Ja-Komitee habe für ihre Pro-Kampagne deutlich mehr Geld zur Verfügung gehabt als die Gegner. Wie beurteilen Sie die Ja-Kampagne?

 Mir ist auch aufgefallen, dass das Ja-Lager gerade in den letzten Wochen sehr grosse Inserate geschaltet hat. Welchen Einfluss dies aber auf das Abstimmungsergebnis gehabt hat, kann ich nicht beurteilen.

 Welche Rolle hat der Kanton Bern jetzt bezüglich Mühleberg II noch? Ist das Thema für den Kanton Bern nach der Eingabe der Stellungnahme beim Bund abgehakt?

 Nein, diese Stellungnahme ist nur ein erster Schritt. Der Kanton muss sich später noch einmal offiziell zum Thema Mühleberg II äussern. Für mich ist klar, dass sich der Kanton auch dann auf
den Volksentscheid beziehen wird.

Interview: Niklaus Bernhard

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"Gegner hatten es einfacher als wir"

 BKW-Präsident Urs Gasche ist nach dem Ja zu Mühleberg II erleichtert, aber "nicht euphorisch". Die Ablehnung in den Städten erachtet er als Tatsache, die es zu akzeptieren gilt.

 Wird die BKW-Spitze das Abstimmungsergebnis zu Mühleberg II mit einem Fest feiern?

 Urs Gasche: Ich werde an keinem Fest teilnehmen, dafür bin ich zu lange in der Politik. Ich bin weder bei einem Sieg euphorisch noch in der Niederlage allzu niedergeschlagen. Aber natürlich bin ich erleichtert, dass das Ergebnis so herausgekommen ist.

 Erleichtert ist wohl eine Untertreibung: Für die BKW ging es um eine Schicksalsfrage.

 Ein Nein hätte erhebliche Konsequenzen für den Kanton Bern und die BKW als Unternehmung gehabt. Es hätte bedeutet, dass die BKW beim Bau und Betrieb von künftigen Kernkraftwerken zum Juniorpartner geworden wäre. Er war zwar keine Schicksalsfrage, bei der es um die Existenz der BKW ging, aber es war eine sehr wichtige Entscheidung.

 Welche Gründe haben aus Ihrer Sicht dazu geführt, dass der Nein-Stimmen-Anteil so hoch ausfiel?

 Die AKW-Gegner hatten es einfacher als wir mit unseren sachlichen Argumenten. Sie haben beispielsweise das Thema des Zwischenlagers skandalisiert - zu Unrecht. Wir haben die Unterlagen auf unsere Website geladen, und da waren sie für jedermann einsehbar.

 In den grösseren Städten wie Bern und Biel gab es ein klares Nein. Wie gross ist Ihre Ernüchterung darüber?

 Selbstverständlich hätte ich es lieber gehabt, wenn die Zustimmung flächendeckend gewesen wäre. Aber es gilt, die Gegebenheiten zu akzeptieren. Offensichtlich ist diese Frage auf das Rechts-links-Schema reduziert worden, was mir unerklärlich ist. Demzufolge stimmt eine linke Stadt eher gegen AKW.

 Wie interpretieren Sie das Ergebnis im Hinblick auf den eidgenössischen Urnengang, der in zwei bis drei Jahren stattfinden wird?

 Das Ergebnis ist sicher kein Hinweis darauf, dass der Bau neuer Kernkraftwerke in einer nationalen Volksabstimmung chancenlos ist. Mehr kann ich dazu nicht sagen.

 Die BKW durfte keine eigentliche Kampagne organisieren. Wie stark hat sich dies ausgewirkt?

 Mich persönlich hat es gestört, dass uns in der Information die Hände gebunden waren. Zudem hat es mich verletzt, dass uns vorgeworfen wurde, dass wir die Tatsache verschwiegen hätten, dass auch ein Zwischenlager geplant sei. Dem ist wie erwähnt nicht so: Aus unseren Gesuchsunterlagen war klar ersichtlich, dass wir in Mühleberg ein Zwischenlager planen.

 Was erwarten Sie nun von der Berner Regierung, die sich bislang negativ zu Mühleberg II geäussert hat?

 Ich erwarte, dass sie den Entscheid zum Ersatzkernkraftwerk akzeptiert. Und ich weiss, dass sie gemäss diesem Volksentscheid handeln wird.

 Erwarten Sie, dass sich das angespannte Verhältnis zwischen der BKW-Spitze und der Berner Regierung verbessern wird?

 Das Verhältnis ist nicht angespannt. Wir hatten in einer Sachfrage eine unterschiedliche Meinung.

 Dies führt meistens zu Spannungen.

 Nein, bei Profis ist dies nicht der Fall. Beide Partner haben respektiert, dass hier unterschiedliche Haltungen vorliegen. Sie haben aber auch anerkannt, dass die Kompetenzbereiche unterschiedlich sind.

 Wie hoch beurteilen Sie das Risiko, dass das nationale Parlament entscheidet, dem Volk den Bau von nur einem AKW vorzuschlagen, was Mühleberg aus dem Rennen werfen würde?

 Diesbezüglich kann ich nichts ausschliessen. Aber ich fände es sehr schade, wenn dies das Ergebnis der Beratungen des eidgenössischen Parlaments wäre. Denn der Bedarf für zwei neue AKW ist seriös berechnet worden.
 
Interview: Stefan Schnyder

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Bund 14.2.11

Vier von fünf Nidwaldnern lehnen Atomendlager ab

 Nidwalden will keine Atomabfälle im Wellenberg, hat aber nichts gegen Atomstrom.

 Erwin Haas, Luzern

 Zum fünften Mal in gut 20 Jahren hat sich das Nidwaldner Stimmvolk gestern dagegen ausgesprochen, dass der Bund im Wellenberg im Engelberger Tal ein Endlager für radioaktive Abfälle baut. Und die Zahl jener, die dagegen sind, hat sich kontinuierlich erhöht. Sogar die Standortgemeinde Wolfenschiessen, die sich das Tiefenlager wegen verlockender Einnahmen lange Zeit wünschte, ist jetzt dagegen.

 Gestern Sonntag erhielt die Nidwaldner Regierung, die vom Bundesrat den endgültigen Verzicht auf den möglichen Tiefenlagerstandort im Wellenberg verlangt, die Unterstützung von 11 602 der Stimmenden oder 80 Prozent. Die Stimmbeteiligung betrug 51 Prozent. Bei den Abstimmungen über die Tiefenlagerkonzession 1995 sowie über die Bewilligung für Probebohrungen 2002 hatte der Nein-Stimmen-Anteil noch 52 respektive 58 Prozent betragen. Danach hatten sich auch die bürgerlichen Parteien und die Regierung gegen die Pläne des Bundes gewandt.

 Die Regierung argumentiert in ihrer Stellungnahme zuhanden des Bundes damit, dass der Wellenberg zahlreiche geologische Bruchzonen aufweise. Dessen Eignung für ein Endlager sei wegen der fortwährenden Alpenfaltung unsicher. Wenn der Bundesrat Nidwalden nicht von der Standortliste streiche, verstosse er zudem gegen Treu und Glauben. Denn der damalige Umweltminister, Moritz Leuenberger, hatte 2003 in einer Interpellationsantwort im Nationalrat gesagt, im Wellenberg werde es kein Tiefenlager geben.

 Beim Wellenberg-Nein 1995 hatte derselbe Leuenberger von einem Sankt-Florians-Entscheid gesprochen. Die Nidwaldner Regierung teilt diese Ansicht nicht, auch wenn sich das Stimmvolk auf kantonaler und nationaler Ebene schon mehrmals für den Atomstrom ausgesprochen hat - letztmals im September 2010. Die Absicht des Bundes, Atomabfälle bis 2030 im Inland zu lagern, werde auch von Nidwalden unterstützt, sagt Baudirektor Hans Wicki - "aber am sicherstmöglichen Ort, und das ist nicht der Wellenberg".

 Der Bundesrat will bis im Herbst entscheiden, welche der sechs möglichen Gebiete zur engeren Prüfung auf der Standortliste bleiben. Für ein Lager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle sind gemäss den Expertisen des Bundes grundsätzlich alle geeignet. Das Inspektorat sowie die Kommissionen für nukleare Sicherheit sagen aber selber, dass es geeignetere Standorte gebe als den Wellenberg.

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BZ 14.2.11

 Wellenberg

 Gegen ein Lager

 Die Stimmberechtigten Nidwaldens lehnen ein Lager für radioaktive Abfälle im Wellenberg weiter ab. Sie haben sich gestern mit 11 602 zu 2948 Stimmen klar gegen ein mögliches Tiefenlager im eigenen Kanton ausgesprochen. Die Stimmbeteiligung betrug 50,76 Prozent.

 Formal hiessen die Stimmberechtigten die Stellungnahme des Regierungsrates an den Bund gut, der zurzeit einen Lagerstandort sucht. Der Wellenberg sei aus der Liste der möglichen Standorte zu streichen, verlangt die Kantonsregierung. Dass das Volk dasselbe fordert, ist nicht überraschend. Es hatte 1995 und 2002 der Nationalen Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) Konzessionen für Bohrungen verweigert. Zuvor hatte es sich Mitspracherechte gesichert, weshalb es gestern Stellung zur Haltung der Kantonsregierung beziehen konnte.

 Nidwalden ruft dem Bundesrat in Erinnerung, dass er zugesichert habe, dass es im Wellenberg kein Tiefenlager geben werde. Zudem seien andere Standorte geologisch besser geeignet.

 Zurzeit stehen sechs Standorte für ein Lager zur Diskussion. Neben dem Wellenberg sind dies die Regionen Bözberg (AG), Jura-Südfuss (SO/AG), Nördlich Lägeren (AG und ZH), Südranden (SH) und Zürcher Weinland (ZH und TG). Der Bundesrat wird dieses Jahr entscheiden, welche Gebiete im Auswahlverfahren bleiben.

 Die Kriterien für ein Lager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle werden von allen Standorten erfüllt.

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NLZ 14.2.11

Nidwaldens starkes Signal nach Bern

mu/sda.

 Wellenberg Das Stimmvolk stärkt der Nidwaldner Regierung den Rücken. Mit fast 80 Prozent Ja-Stimmen unterstützt es die Stellungnahme zu den geologischen Tiefenlagern.

 mu/sda. "Die Nidwaldner haben dem Antrag der Regierung auf eindrückliche Art Folge geleistet", sagte ein erfreuter Baudirektor Hans Wicki gestern im Regierungsgebäude in Stans. Mit 11 602 zu 2948 Stimmen haben sich die Nidwaldner gegen ein mögliches Tiefenlager im eigenen Kanton ausgesprochen. Die Stimmbeteiligung betrug 50,76 Prozent. "Der Regierungsrat fühlt sich in seiner Politik bestätigt, die er beim Verfahren für die geologischen Tiefenlager verfolgt." Dies sei nun bereits die vierte Volksabstimmung gewesen, die sich gegen ein Tiefenlager wehrt. "Wir hoffen, dass das auch ein klares Zeichen gegenüber dem Bundesrat ist." Es sei wichtig, in der jetzt laufenden ersten Phase des Verfahrens auszuscheiden. Ansonsten bleibe der Wellenberg, egal wie geeignet oder ungeeignet er sei, bis ganz zum Schluss auf der Liste.

 Die Präsidenten von SVP, CVP, FDP und Grünen waren sich einig, dass das Resultat ein klares Verdikt sei, das es zu respektieren gelte. Den im Vergleich zu den meisten anderen Gemeinden hohen Nein-Anteil von fast 30 Prozent in der Wellenberg-Gemeinde Wolfenschiessen interpretierte SVP-Präsident Peter R. Wyss dahingehend, dass das Rennen offengehalten werden soll. Wenn der Bund Wort halte, dass nur das Gelände ausgewählt werde, das am geeignetsten ist, sollte man von Seiten der Regierung gar nicht eingreifen müssen. Auch diese kritischen Stimmen müsse man ernst nehmen.

 Zuversicht bei den Grünen

 Norbert Furrer, Präsident der Grünen Nidwalden, hielt fest, dass zum ersten Mal in einer Abstimmung alle Nidwaldner Gemeinden ganz klar sagten, dass sie das Endlager nicht wollten. Die Grünen seien froh und auch dankbar, dass die ungeklärten Fragen zur Tektonik untersucht worden seien. "Wenn wir nicht zunächst gegen den Druck der andern Parteien gegen das Endlager gewehrt hätten, dann wären wir jetzt nicht so weit, dieses Zeichen zu setzen. Dann würde man heute am Wellenberg lochen, und der Sondierstollen wäre im Bau." Furrer ist zuversichtlich, dass der Wellenberg von der Liste möglicher Endlager gestrichen wird.

 Uvek nimmts "zur Kenntnis"

 Der Bund kommentiert das Nein des Kantons Nidwalden nicht. Das zuständige Departement teilte am Sonntag mit, es habe den Entscheid "zur Kenntnis genommen". Bei der definitiven Standortwahl würden die Meinungsäusserungen der Bevölkerung aus betroffenen Kantonen "selbstverständlich mit berücksichtigt", schreibt das Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) in einer Mitteilung.

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 Die Antwort der Regierung

 Vernehmlassung

 mu. Der Nidwaldner Regierungsrat will, dass der Bund den Wellenberg als möglichen Standort für ein Endlager streicht. Das schreibt er in der Vernehmlassung zum Sachplanverfahren geologische Tiefenlager, über die die Nidwaldner gestern abgestimmt haben. Abgestimmt wurde, weil die Nidwaldner Kantonsverfassung die Mitsprache des Volkes zu Belangen von Atomanlagen auf dem Gebiet des Kantons vorschreibt.

 Ungünstige Geologie

 Massive Bedenken äussert der Regierungsrat in Bezug auf die Geologie und die Tektonik. Dabei stützt sich die Regierung auch auf ein Gutachten des Tektonikers Jon Mosar von der Universität Freiburg. Mosar stuft das Standortgebiet Wellenberg als ungünstig ein. Der Untergrund weise einen geologisch komplexen Aufbau auf. Es gebe noch immer beträchtliche Ungewissheiten darüber, wie es im Inneren des Wellenbergs aussieht. Auch ein Sondierstollen könnte nicht ausschliessen, dass beim Bau eines Tiefenlagers unerwartete Strukturen gefunden würden, schrieb die Regierung in den Abstimmungsunterlagen.

 Schon dreimal Nein

 Der Nidwaldner Regierungsrat bringt in seiner Stellungnahme auch demokratierechtliche Gründe ins Spiel. Die Nidwaldner Bevölkerung habe in drei Abstimmungen seit 1988 deutlich gegen den Wellenberg Stellung genommen. Zwar seien bei der Revision des Kernenergiegesetzes die bisherigen formellen Mitspracherechte der Kantone und Gemeinden eliminiert und auf ein nationales Referendum reduziert worden. Das dürfe jedoch nicht dazu führen, dass die vor den Gesetzesänderungen geäusserten Meinungen einfach übergangen würden.

 Die Vernehmlassungsantwort finden Sie auf
http://www.nw.ch/dl.php/de/4d0b2aefa32eb/2010-12-17_vernehmlassung_wellenberg.pdf

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sf.tv 13.2.11

Nein zum Wellenberg-Tiefenlager: Bund nimmt Votum zur Kenntnis

 Der Bund kommentiert das Nein des Kantons Nidwalden zu einem Lager für radioaktive Abfälle im Wellenberg nicht. Das zuständige Departement teilte mit, es habe den Entscheid "zur Kenntnis genommen".

sda

 Bei der definitiven Standortwahl würden die Meinungsäusserungen der Bevölkerung aus betroffenen Kantonen "selbstverständlich mitberücksichtigt", schreibt das Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) in einer Mitteilung.

 Das UVEK ruft in Erinnerung, dass die Standortsuche in drei Etappen durchgeführt wird, die innert zehn bis zwölf Jahren zu einem Resultat führen sollen. Derzeit würden die Stellungnahmen aus der öffentlichen Anhörung zur ersten Etappe ausgewertet.

 Das letzte Wort hat der Souverän

 Der Bundesrat werde voraussichtlich im Herbst entscheiden, welche Standortgebiete im weiteren Auswahlverfahren verbleiben würden. In der zweiten Etappe würden die Standortgebiete sicherheitstechnisch vertieft untersucht. In der dritten Etappe erfolge dann die definitive Standortwahl, und das Rahmenbewilligungsverfahren werde eingeleitet.

 Der Bundesrat wird seinen Entscheid dem Parlament unterbreiten. Der Entscheid des Parlaments wiederum unterliegt dem fakultativen Referendum. Das letzte Wort wird also das Schweizer Stimmvolk haben.

 Eine Referendumsabstimmung zu den Rahmenbewilligungsgesuchen könnte um das Jahr 2020 stattfinden, schreibt das UVEK. Ziel sei es, im Jahr 2030 ein Lager für die schwach- und mittelradioaktiven Abfälle und 2040 ein Lager für die hochradioaktiven Abfälle in Betrieb zu nehmen.

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sf.tv 13.2.11

AKW-Abstimmung: SP und Grüne betonen hohen Nein-Anteil

sf/sda/schj/hues

 Das Berner Stimmvolk stehten einem neuen AKW positiv gegenüber. Bei der Konsultativabstimmung zu Mühleberg II sagten 51,2 Prozent Ja. In ersten Reaktionen sahen sich SP und Grüne dennoch gestärkt im Kampf gegen die Atomkraft. Für die bürgerlichen Parteien bedeutet das Ja ein Bekenntnis zum Standort Mühleberg.

 Die Niederlage für das links-grüne Lager hatte sich schon bei ersten Hochrechnungen abgezeichnet. "Es wird eindeutig knapp", sagte Roland Näf, Präsident der bernischen SP am Nachmittag.

 Dennoch würde er bei einer knappen Niederlage zufrieden sein, zumal bei der Berner Bevölkerung, die in der Vergangenheit stets kernkraftfreundlich gewesen sei, eine Entwicklung auszumachen sei. So kam es denn auch.

 "Selbst wenn wir verlieren, können wir zufrieden sein, denn die Unterstützung für die Atomkraft bröckelt", sagte Näf weiter. Bei einer weiteren Abstimmung würden sich die Atomkraftgegner wohl durchsetzen können, sagte er.

 "Solide Basis"

 Auch der Berner GFL-Nationalrat Alec von Graffenried sagte, der hohe Nein-Stimmen-Anteil sei eine "solide Basis" für den weiteren Kampf gegen neue Atomkraftwerke. Dass fast jeder zweite Berner gegen Mühleberg gestimmt habe, sei angesichts der massiven Kampagne der AKW-Befürworter sehr erfreulich.

 Die Mittel im Abstimmungskampf seien doch sehr ungleich verteilt gewesen, hielt von Graffenried weiter fest. Dazu komme, dass sich manche Stimmbürger in der Energiefrage offenbar alle Optionen offen halten wollten - ein Nein in der Konsultativabstimmung wäre schon jetzt das "definitive Aus" für Atomkraftwerke gewesen.

 So oder so glaubt von Graffenried nicht, dass in der Schweiz noch jemals ein AKW gebaut wird. Diese veraltete Technologie habe keine Zukunft und sei mit vielen Problemen behaftet.

 Bekenntnis zum Standort

 Anders sieht dies FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen. Mit der Ja-Mehrheit für ein neues AKW sei dies ein Bekenntnis der Berner Bevölkerung zum Standort Mühleberg.

 Das sei deshalb hervorzuheben, weil die bernische Kantonsregierung mit einer Angstkampagne gegen ein neues AKW gekämpft habe, aber auch weil die Presse mehr über die Gegner geschrieben habe, sagte Wasserfallen. Er sei froh, dass sich die Berner Bevölkerung scheinbar doch für die Versorgungssicherheit und den Standort im Kanton Bern ausgesprochen habe.

 "Berner Volk hat Kurs der Regierung korrigiert"

 Der Präsident der kantonalbernischen SVP, Rudolf Joder, hat erfreut auf das sich Ja zu Mühleberg II reagiert. Das Volk habe damit den atomfeindlichen Kurs des rotgrünen Regierungsrats korrigiert, sagte Joder im Schweizer Fernsehen.

 Die Regierung sei bekanntlich "dem Grossen Rat in den Rücken gefallen", indem sie Mühleberg II gegen den Willen des Parlaments bekämpft habe, sagte Joder. Diesen Vorgang werde man politisch noch aufarbeiten müssen.

 Der Souverän habe sich davon aber nicht beeindrucken lassen. Die Mehrheit der Stimmenden habe erkannt, dass ohne Atomenergie eine Stromlücke drohe, sagte Joder.

 Entscheid für sichere Energieversorgung

 In der Parteipräsidenten-Runde im Schweizer Fernsehen zeigten sich vor allem die bürgerlichen Vertreter zufrieden mit dem Resultat der Konsultativabstimmung. Das Berner Stimmvolk habe die Realität erkannt, dass die alternativen Energien die AKW nicht ersetzen könnten, sagte beispielsweise FDP-Präsident Fulvio Pelli. Auch CVP-Präsident Christophe Darbellay stellte fest, eine sichere Energieversorgung sei mit erneuerbaren Energie heute noch nicht möglich.

 Für SVP-Präsident Toni Brunner ist das Berner Verdikt nur ein Vorentscheid. "Das Schweizer Volk wird sowieso das letzte Wort haben. Das Referendum ist so sicher wie das Amen in der Kirche." Man müsse sich entscheiden: "Wollen wir einheimische Stromproduktion als Ergänzung zu den erneuerbaren Energien und zur Wasserkraft oder will man abhängig werden vom Ausland und damit auch höhere Preise in Kauf nehmen."

 Grünen-Präsident Ueli Leuenberger hält rund 48 % Nein-Stimmen für ein gutes Resultat. Insbesondere in einem Kanton, der wie der Kanton Aargau, traditionell Pro AKW sei. Die wirkliche Debatte über den Atomstrom habe aber noch nicht begonnen.

 Auch für SP-Präsident Christian Levrat fängt die Diskussion erst an. Sollten dereinst AKW gebaut werden, dürfe man keinesfalls die Investitionen in die erneuerbaren Energien vergessen. Hier müssten auch die Energiekonzerne in die Pflicht genommen werden.

 Konsultativabstimmung

 Die Bernerinnen und Berner konnten sich konkret zu einer Stellungnahme des Kantons Bern gegenüber dem Bund für den Ersatz des Kernkraftwerks Mühleberg äussern. Die Abstimmung hat lediglich konsultativen Charakter, gilt aber als wichtiges Signal für kommende AKW-Abstimmungen auf nationaler Ebene.

 Der Bund kommentierte den Ausgang der Mühleberg-Abstimmung im Kanton Bern nicht. Das zuständige Departement teilte mit, es nehme das Resultat der konsultativen Abstimmung zur Kenntnis.

 Standortwahl bleibt offen

 Anders die Energiekonzerne Alpiy und Axpo: Zwar habe die Volksabstimmung keinen direkten Einfluss auf die Standortauswahl, wie eine Axpo-Sprecherin sagte. Alle drei Standorte (Mühleberg, Gösgen und Beznau) für neue Atomkraftwerke bleiben nach dem knappen Ja der Stimmberechtigten des Kantons Bern zu einem neuen AKW Mühleberg in der Diskussion.

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presseportal.ch 13.2.11

BKW FMB Energie AG/ Konsultativabstimmung Ersatzkernkraftwerk Mühleberg: Standort Mühleberg gestärkt

 Bern (ots) - Die BKW FMB Energie AG (BKW) nimmt mit Befriedigung zur Kenntnis, dass die Berner Stimmberechtigten mehrheitlich der positiven Stellungnahme des Kantons Bern zum Ersatzkernkraftwerk Mühleberg zugestimmt haben. Diese Zustimmung stärkt den für die Versorgungssicherheit der ganzen West- und Nordwestschweiz wichtigen Standort Mühleberg. Der definitive Entscheid über das Ersatzkernkraftwerkprojekt wird auf nationaler Ebene gefällt werden.

 Dass die Mehrheit der Stimmberechtigten des Kantons Bern dem Projekt für die Realisierung eines Ersatzkernkraftwerks am Standort Mühleberg zustimmt, hat Signalwirkung. Diese Zustimmung stärkt sowohl den Standort Mühleberg als auch die BKW, die auf einen technologisch diversifizierten, nahezu CO2-freien Produktionspark und einen hohen Versorgungsstandard setzt. Sie trägt der Tatsache Rechnung, dass der Standort Mühleberg eine wichtige Rolle für die Stromversorgung des Grossraums Bern, der Nordwest- und der Westschweiz spielt. Eine Realisierung des Projekts stärkt den Kanton Bern und schafft wertvolle Arbeitsplätze.

 Die BKW sieht sich nach diesem positiven Resultat darin bestärkt, das Projekt im Kontakt und Dialog mit der Gemeinde Mühleberg und den angrenzenden Gemeinden sowie weiteren Interessierten zu vertiefen.

 Kontakt: BKW FMB Energie AG Media Communications Tel. 031 330 51 07

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swissinfo.ch 13.2.11

Kernkraft dominiert kantonale Abstimmungen

swissinfo

 In den Kantonen Bern und Nidwalden wurde über richtungsweisende Vorlagen für die Kernkraft abgestimmt. Das Nidwaldner Stimmvolk lehnt ein Lager für radioaktive Abfälle ab. Die Stimmenden im Kanton Bern sprechen sich knapp für ein neues Kernkraftwerk aus.

 Die Abstimmung im Kanton Bern hatte zwar lediglich konsultativen Charakter, gilt aber als wichtiges Signal für kommende Abstimmungen über Kernkraftwerke (KKW) auf nationaler Ebene.   Die Bernerinnen und Berner konnten sich zu einer Stellungnahme des Kantons Bern gegenüber dem Bund für den Ersatz des Kernkraftwerks Mühleberg äussern.   51,2 Prozent der Stimmenden sprachen sich für ein neues KKW aus. Damit muss der rot-grüne Regierungsrat nun dem Bund mitteilen, dass der Berner Souverän für den Ersatz des KKW Mühleberg sei. Der Weg zu einem neuen Kernkraftwerk ist allerdings noch weit.   Neubauprojekte gibt es auch in Beznau AG und Gösgen SO. Bern ist aber der einzige Standortkanton, der das Volk befragte. Der Bundesrat dürfte nächstes Jahr über die Gesuche entscheiden. Das letzte Wort haben voraussichtlich 2013 die Schweizer Stimmberechtigten.   Im Kanton Bern haben sich Befürworter und Gegner der Atomkraft in den letzten Wochen einen erbitterten Abstimmungskampf geliefert. Die Befürworter, angeführt vom bürgerlichen Lager und unterstützt vom Energiekonzern BKW, machten geltend, ohne Atomkraft drohe eine Stromlücke.   Die Gegner - vorab aus dem rot-grünen Lager - verwiesen auf die Sicherheitsrisiken von Atomkraftwerken und forderten, das Geld stattdessen in erneuerbare Energien zu investieren.  

 Kein Tiefenlager im Wellenberg

   Formal hiessen die Stimmenden im Kanton Nidwalden die Stellungnahme des Regierungsrates an den Bund gut, der zur Zeit einen Lagerstandort für ein Tiefenlager sucht.   Der Wellenberg sei aus der Liste der möglichen Standorte zu streichen, verlangt die Kantonsregierung.   Dass das Volk dasselbe fordert, ist nicht überraschend. Es hatte 1995 und 2002 der Nationalen Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) Konzessionen für Bohrungen verweigert.   Nidwalden ruft dem Bundesrat in Erinnerung, dass er nach der letzten Wellenberg-Abstimmung zugesichert habe, dass es im Wellenberg kein Tiefenlager geben werde. Zudem seien andere Standorte geologisch besser geeignet als der Wellenberg.   Zur Zeit stehen sechs Standorte für ein Tiefenlager zur Diskussion. Neben dem Wellenberg sind dies die Regionen Bözberg (AG), Jura-Südfuss (SO/AG), Nördlich Lägeren (AG und ZH), Südranden (SH) und   Zürcher Weinland (ZH und TG). Der Bundesrat wird dieses Jahr entscheiden, welche Gebiete im Auswahlverfahren bleiben.   Die Kriterien für ein Lager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle werden von allen Standorten erfüllt. Das Nuklear-Sicherheitsinspektorat sowie die Kommissionen für nukleare Sicherheit und für nukleare Entsorgung kamen aber zum Schluss, dass es besser geeignete Standorte gebe als der Wellenberg.  

 Keine Gnade für Steuersünder

   Das Genfer Stimmvolk hat die geplante Steueramnestie bachab geschickt. Diese wäre wesentlich grosszügiger ausgestaltet gewesen als jene des Bundes.   Steuersünder, die sich bis Ende 2011 selbst angezeigt hätten, hätten auf die Nachsteuer einen 70-Prozent-Rabatt erhalten.   Die Bürgerlichen wollten mit diesem grosszügigen Angebot möglichst viele Steuersünder zu einer Selbstanzeige animieren, um so die Staatskasse zu füllen.   Für die Linke verletzte die Vorlage das Recht auf Gleichbehandlung und den Grundsatz der Besteuerung gemäss wirtschaftlicher Fähigkeit. Deshalb hatten sie beim Bundesgericht gegen die Steueramnestie Beschwerde eingereicht. Der Entscheid der Bundesrichter in Lausanne steht noch aus.

 

 Nein zur freien Schulwahl

   Auch im Kanton St. Gallen wird es keine freie Schulwahl geben: Die Initiative "Freie Schulwahl auf der Oberstufe" der Eltern-Lobby und der Jungfreisinnigen wurde deutlich abgelehnt.   In den Kantonen Thurgau und Basel-Landschaft hatte das Volk ähnlichen Initiativen jeweils eine deutliche Abfuhr erteilt. Im Kanton Zürich ist ein ähnliches Begehren hängig.   Im Kanton Solothurn zog die Eltern-Lobby Schweiz eine solche Initiative zurück, nachdem das Begehren im Parlament keine Chance hatte.  

 Velofahrer ausgebremst

   Die Luzerner Regierung muss fürs Velo fahren nicht stärker in die Pedale treten. Die Stimmenden haben eine Initiative, die eine verstärkte Förderung des Fahrradverkehrs forderte deutlich abgelehnt.   Die Volksinitiative "Mehr fürs Velo" verlangte, dass der Anteil des Veloverkehrs an den Wegetappen innerhalb von zehn Jahren verdoppelt wird. Heute werden im Kanton Luzern 7,4 Prozent aller Wegetappen mit dem Fahrrad zurückgelegt. Der Schweizer Schnitt liegt bei 5,3 Prozent.  

 Landesmuseum wird erweitert

   Dem geplanten Erweiterungsbau des Landesmuseums in Zürich steht nichts mehr im Weg: Die Stimmenden des Kantons Zürich haben deutlich Ja gesagt zum Kantonsbeitrag von 20 Millionen Franken. Das Geld wird dem Lotteriefonds entnommen.

 swissinfo.ch und agenturen

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Freiburger Nachrichten 12.2.11

Berner sagen ihre Meinung zu Mühleberg

 Freiburg Das Atomkraftwerk Mühleberg liegt in unmittelbarer Nähe zu zahlreichen Freiburger Gemeinden. An diesem Wochenende können aber nur die Bernerinnen und Berner in einer Konsultativabstimmung sagen, was sie von der Idee eines neuen Atomkraftwerks in Mühleberg halten. In den Freiburger Nachbargemeinden ist die Abstimmung kein Thema. "Die Leute wissen, dass sie nichts sagen können", sagt Louis Casali, Ammann von Bösingen. Politikerinnen und Politiker hingegen möchten sehr wohl mitreden. njb

 Bericht Seite 2

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Das Atomkraftwerk vor Freiburgs Tür

 Die Bernerinnen und Berner können an der Urne sagen, was sie vom Atomkraftwerk Mühleberg halten. Einwohner von Kerzers oder Bösingen, die nahe am Kraftwerk wohnen, haben jedoch nichts zu sagen. Das scheint sie nicht zu stören. Grossräte aber fordern eine Mitsprache.

 Nicole Jegerlehner

 An diesem Wochenende stimmt die Bevölkerung im Kanton Bern über ein umstrittenes Thema ab: Soll der Kanton Bern zuhanden des Bundes eine positive Stellungnahme zum geplanten Neubau eines Atomkraftwerks in Mühleberg abgeben? Die kantonale Abstimmung ist konsultativer Natur, rechtlich also nicht bindend. Trotzdem schaut die ganze Schweiz auf Bern - denn die Frage des Atomstroms ist wieder aktuell. Und bald schon stehen nationale Referenden an (siehe Kasten links).

 Jodtabletten im Schrank

 Freiburgerinnen und Freiburger schauen erst recht auf die Berner Abstimmung. Denn sie wohnen teilweise sehr nahe am Atomkraftwerk (AKW) Mühleberg. Wer in Alterswil, Düdingen, Freiburg, Gurmels, Heitenried, Schmitten, Wünnewil-Flamatt oder 32 weiteren Freiburger Dörfern wohnt, lebt in der sogenannten Zone 2: Diese Gemeinden befinden sich in einem Umkreis von rund zwanzig Kilometern des Atomkraftwerks. Ihre Einwohner haben zu Hause Jodtabletten - um sie bei einem Unfall im Atomkraftwerk sofort schlucken zu können. Das Kaliumiodid soll vor Schilddrüsenkrebs schützen.

 "Kein Thema"

 In den Freiburger Dörfern rund um Mühleberg ist die Konsultativabstimmung kein Thema. So sagt Susanne Schwander-Gerber, Gemeindepräsidentin von Kerzers: "Wir sind gewöhnt daran, mit dem Atomkraftwerk vor dem Haus zu leben." Sie wisse, dass in Bern eine grosse Polemik um die Abstimmung entstanden sei. "Bei uns aber ist das kein Thema." So auch in Bösingen: "Bei uns hört man nichts von dieser Abstimmung", sagt Ammann Louis Casali. "Die Leute wissen, dass sie nichts sagen können - die Abstimmung findet ja im Kanton Bern statt und ist erst noch nur konsultativ." Der Gemeinderat von Bösingen habe auch vor zwei Jahren, als es um die Verlängerung der Betriebsbewilligung für das AKW Mühleberg gegangen sei, keine Stellungnahme abgegeben. "Das war Aufgabe des Kantons."

 Parlament wird debattieren

 Damals sprach sich der Staatsrat gegen eine unbefristete Bewilligung aus - der Bund erteilte sie trotzdem. Zurzeit läuft eine neue Vernehmlassung; diesmal geht es um die Rahmenbewilligungsgesuche für neue Atomkraftwerke (siehe Kasten links). "Wir werden die Frage vor den Grossen Rat bringen", sagt Erwin Jutzet, Staatsratspräsident und Sicherheitsdirektor. Und auch der Ausgang der Konsultativabstimmung im Kanton Bern werde die Antwort des Staatsrats beeinflussen. Die Regierung selber habe die Frage lange diskutiert, sagt Jutzet - ohne aber verraten zu wollen, wie der Staatsrat sich zum Thema stellt.

 Das Volk befragen?

 Auf eine Anfrage der SP antwortete der Staatsrat, dass "die Frage der Elektrizitätsversorgung nicht allein auf die Debatte um die Kernenergie reduziert werden darf". Die SP hatte auch gefragt, ob das Stimmvolk sich nicht bereits jetzt zu den neuen Atomkraftwerken äussern sollte. Dies lehnt der Staatsrat ab. Eine Motion, welche die Christlich-Soziale Partei Freiburgs anfangs Woche lanciert hat, geht jedoch genau in diese Richtung (FN vom Dienstag).

 Der grüne Stadtfreiburger und Generalrat Rainer Weibel meint: "Es ist schon fragwürdig, dass wir - die näher am Atomkraftwerk wohnen als ein Berner Oberländer - nichts zu Mühleberg sagen können." Bei Fragen rund um Atomkraftwerke seien "Kantonsgrenzen nicht mehr sachgerecht."

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 Neue AKW: Berner könnten den Standortentscheid vorspuren

 Das Berner Stimmvolk sagt in einer Konsultativabstimmung, was es von Strom aus Atomkraftwerken hält (siehe Haupttext). Einen verbindlichen Entscheid über eine Rahmenbewilligung für neue AKW wird das Schweizer Stimmvolk voraussichtlich 2013 oder 2014 fällen. Denn die Schweizer Energiekonzerne Axpo, Alpiq und BKW werden Gesuche für neue AKW einreichen. Stimmt der Bundesrat zu, wird das eidgenössische Parlament und letztlich das Schweizer Volk entscheiden, ob neue Kraftwerke gebaut werden.

 Axpo, Alpiq und BKW haben sich auf eine gemeinsame Strategie mit zwei neuen AKW geeinigt. Bisher sind Projekte für drei Neubauten hängig. Axpo und BKW möchten im aargauischen Beznau und im bernischen Mühleberg je ein neues Werk bauen, Alpiq eines in Gösgen im Kanton Solothurn.

 Die Berner Konsultativabstimmung gilt als Stimmungstest in der Atomfrage, aber auch als Vorentscheid in der Standortfrage: Sagt das Volk Nein zu Mühleberg, dürfte das Projekt aus dem nationalen Rennen sein. njb

 Altes AKW: Einsprache gegen die unbefristete Betriebsbewilligung

 Der Bund hat dem Atomkraftwerk (AKW) Mühleberg im Dezember 2009 die unbefristete Betriebsbewilligung erteilt. Dagegen haben 108 Anwohner Einsprache erhoben; sie verlangten Einblick in die Sicherheitsunterlagen, um belegen zu können, dass der Reaktor des fast vierzigjährigen Kraftwerks nicht mehr genügend sicher sei. Die Einsprecher kritisieren unter anderem die altersbedingten Risse im Kernmantel und die Zugankerkonstruktion, mit welcher der Kernmantel instand gehalten wird.

 Das Bundesverwaltungsgericht fällte im vergangenen Dezember einen Zwischenentscheid: Die Einsprecher erhielten Einsicht - allerdings nur in einen Teil der Akten. "Dank dieser Einsicht haben wir mehr Material für unsere Beschwerde gewonnen", sagt Rainer Weibel, Freiburger und Anwalt der Einsprecher. Allerdings hätte er sich eine grössere Einsicht gewünscht.

 Gewinnen die Beschwerdeführer, läuft die Betriebsbewilligung Ende 2012 aus; das AKW Mühleberg müsste auf diesen Zeitpunkt hin abgeschaltet werden. njb

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Südostschweiz 11.2.11

Berner AKW-Abstimmung strahlt national aus

 Am Sonntag stimmt der Kanton Bern über ein neues AKW in Mühleberg ab. Rechtlich ist der Entscheid nicht bindend, aber politisch ist er wenige Jahre vor der nationalen AKW-Abstimmung schweizweit bedeutend.

 Von Barbara Spycher

 Bern. - Wenn am Sonntag die Berner Stimmzettel ausgezählt werden, schaut die ganze Schweiz hin. Denn die knapp eine Million Einwohnerinnen und Einwohner des zweitgrössten Kantons stimmen darüber ab, ob sie im bernischen Mühleberg ein neues AKW wollen oder nicht. Mühleberg II wäre viermal leistungsfähiger als der bestehende bald 40-jährige Reaktor, der zwölf Kilometer westlich der Stadt Bern steht und in voraussichtlich zehn Jahren vom Netz gehen soll.

 Der Berner Urnengang ist der erste und letzte - und zudem konsultative - Stimmungstest, bevor voraussichtlich 2013 oder 2014 die Stimmbürger der Schweiz darüber entscheiden, ob zwei neue AKW - zur Auswahl stehen Beznau im Aargau, Gösgen im Kanton Solothurn und Mühleberg - gebaut werden.

 Die Bernerinnen und Berner werden schon jetzt an die Urne gerufen, weil Regierung und Parlament die Stellungnahme des Standortkantons Bern zu Mühleberg II dem Volk unterbreiten wollten. Die rot-grüne Regierung ist gegen ein neues AKW, das bürgerlich dominierte Parlament dafür.

 Alle Register werden gezogen

 Sollten die Berner ein neues AKW ablehnen, dürften die Chancen für einen Neubau auf Berner Boden aber markant sinken, auch wenn der Energiekonzern BKW als Betreiber betont, sein Gesuch selbst dann nicht zurückziehen zu wollen. Doch dann hätten Gösgen und Beznau die deutlich besseren Karten. Im Berner Abstimmungskampf werden sämtliche Re- gister gezogen, und die Emotionen gehen hoch. Viel kritisiert wurde etwa der Rückzieher beim "grünen Strom", den die BKW wenige Wochen vor dem Urnengang angekündigt hatte: Wegen des zunehmenden Widerstands gegen Windparks und Kleinwasserkraftwerke sei es unmöglich, bei den erneuerbaren Energien die Ziele des Bundes zu erreichen. Die BKW werde ihre Ausbauprojekte in der Schweiz bis ins Jahr 2030 um 40 Prozent reduzieren. Die implizite Botschaft "ohne AKW geht es nicht" wirkte etwas gar durchsichtig. Doch auch die rot-grüne Berner Regierung musste Schelte einstecken: An einer Medienkonferenz hatte sie dargelegt, wieso sie sich gegen Mühleberg II ausspricht. Das war den Bürgerlichen der "Information" zu viel.

 Radioaktiver Müll inklusive

 Der grösste Aufreger aber entstand um zwei Zwischenlager für radioaktive Abfälle, welche das neue AKW beinhalten würde. Zwar stehen diese im Gesuch der BKW, doch der Konzern selber verschwieg sie vornehm. Auch Politiker thematisierten sie nicht und selbst im Abstimmungsbüchlein steht nichts dazu. Der Grund hierfür: Die Kantonsparlamentarier hatten das Gesuch nicht richtig studiert. Erst durch Medienberichte wurde publik, dass diese Zwischenlager für hochradioaktive und mittelaktive Abfälle geplant seien und nicht nur Platz für die Brennstäbe aus dem neuen und dem alten AKW Mühleberg, sondern auch für Abfall aus anderen Schweizer AKW hätten.

 Wie sehr diese Enthüllungen den AKW-Gegnern in die Hände spielen, wird sich weisen. Ebenso, wovor die Bevölkerung mehr Angst hat: Vor einer vermeintlichen Stromlücke oder vor der radioaktiven Strahlung bei einem Unfall wie in Tschernobyl. Auf diese Emotionen wird der Abstimmungskampf auf den Berner Plakatwänden von Befürwortern und Gegnern reduziert.

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Finanz und Wirtschaft 12.2.11

Kernenergie vor Lackmustest

Berner Abstimmung zum BKW-Standort Mühleberg hat Signalwirkung

Christoph Gisiger

 Dieses Wochenende stimmt der Kanton Bern über den Ersatz des BKW-Kernkraftwerks Mühleberg ab. Rechtlich hat das Resultat zwar keinen bindenden Charakter, für die Debatte um die Kernenergie wird es jedoch Richtungsweisend sein. Als Standortkanton ist der Kanton Bern im Rahmen des Kernenergiegesetzes zur Stellungnahme zum geplanten Neubau eingeladen. Der Grosse Rat, die Legislative, hat den Ersatz des bestehenden Kernkraftwerks am gleichen Standort deutlich gutgeheissen. Er hat seinen Beschluss dem obligatorischen Referendum unterstellt, nicht zuletzt auch, weil sich der Regierungsrat explizit gegen das Bauvorhaben ausspricht.

 Eine Prognose über den Ausgang der Abstimmung fällt schwer. Die Meinungen im Kanton sind geteilt, und auch in der Strombranche selbst wird mit einem knappen Ergebnis gerechnet.

 Auf das Tagesgeschäft der BKW hat der Entscheid keine direkten Folgen. In letzter Minute hat sich der Berner Versorger mit Axpo und Alpiq auf ein gemeinsames Vorgehen zum Bau neuer Kernkraftwerke geeinigt. Auch hat der Konzern mit der Beteiligung an einem bald fertig gestellten Kohlekraftwerk in Deutschland seine Produktion zu einem wichtigen Teil abgesichert, wenn der alte Reaktor in Mühleberg zwischen 2020 und 2025 vom Netz geht. Nach einem Nein des Kantons Bern wird es auch für die alternativen Standorte Beznau und Gösgen ungemütlich. Der politische Gegenwind macht einen nationalen Abstimmungserfolg schwerer.PM/CG

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Tagesanzeiger 11.2.11

In Mühleberg hat das lange Brüten bald ein Ende

 Wie das Dorf Mühleberg den Abstimmungskampf um das neue AKW bewältigte. Und warum man froh ist, dass nun abgestimmt wird.

 Von Jean-Martin Büttner, Mühleberg

 Das Atomkraftwerk strahlt in die Nacht hinaus, die Aare gleitet im Dunkeln vorbei, es ist niemand zu sehen, obwohl der Ort genau bewacht wird. Hinter dem Hügel, in einer weiten Landschaft im Westen von Bern, liegt Mühleberg, Hauptort einer Gemeinde mit 13 Dörfern.

 Von dort aus ist das Werk so wenig zu sehen wie die Reststrahlung, die ihm seit 1972 entweicht. Diese habe noch niemandem geschadet, beschwichtigen die einen. Sie erhöhe die Krebsgefahr, behaupten die anderen. Beweisen lässt sich keines von beiden, weil die Schweiz kein nationales Krebsregister führt.

 Die Häuser drängen sich entlang der Hauptstrasse, ducken sich unter dem Hügel mit der Kirche drauf. Durch die Fenster leuchtet der Strom in die Nacht, ohne den nichts mehr geht. Dass der auch aus Atomkraftwerken kommt, stört hier nur wenige. Im ganzen Kanton hängen Abstimmungsplakate zur Abstimmung über Mühleberg II (siehe Artikel rechts), hier hängen keine. Das ganze Land schaut auf das Dorf, doch hier gibt es nichts zu sehen.

 Bitte nicht diese Gefühle

 Und schon gar nichts zu reden; Mühleberg ist zur atomfreien Zone geworden. Die Einwohner haben keine Lust mehr, auf der Strasse oder in der Beiz ihre Meinung zum geplanten Kraftwerk abzugeben. Als die Bernischen Kraftwerke unlängst in Lyss aus ihrer Sicht informieren wollten und ihre Einladung in grossen Inseraten ankündigten, kamen keine fünfzig Leute. Die Argumente sind ausgetauscht, die Differenzen markiert, die Meinungen gemacht. Die Gemeinde hat schon bei früheren Abstimmungen zur Atomenergie Ja gesagt, dagegen waren jeweils nur 20 Prozent.

 Das Kraftwerk bringt Mühleberg bis zu 1,5 Millionen Steuerfranken pro Jahr, entsprechend niedrig bleiben die Steuern. Es gehe aber nicht nur ums Geld, es gehe auch um eine Überzeugung. Das sagt einer, der noch immer über das Thema reden muss: Gemeindepräsident Kurt Herren von der SVP, der als Swissair-Pilot während dreissig Jahren die Welt beflog. Als Pilot habe er wesentlich mehr Strahlung abbekommen als hier auf dem Boden, sagt er.

 Der Politiker empfängt im Sitzungszimmer des Gemeinderates, das so aussieht, wie er selber argumentiert: übersichtlich und sachlich, demonstrativ nüchtern, geradezu schmucklos. Für Kurt Herren braucht es halt beides, die Atomenergie und die Alternativen dazu. "Ich mag das Extreme nicht", sagt er einmal, übrigens auch nicht in seiner eigenen Partei. Das Enge mag er auch nicht. Dafür war er zu weit weg gewesen.

 Das Extreme und das Enge stören ihn am meisten an den Einwänden seiner Gegner: Sie weckten extreme Ängste und begnügten sich mit engen Argumenten. Am meisten zu reden gebe hier auch nicht das Atomkraftwerk, sondern die zehnjährigen Bauarbeiten mit den 1500 Bauarbeitern. Man habe aber, nach mehreren Aussprachen, einen Kompromiss gefunden. Sogar ein Tunnel würde für die Zufahrt gebaut.

 Bitte mehr Informationen

 Auf der anderen Seite des Flusses, nur wenige Kilometer weit entfernt, sitzt Kurt Herrens heftigster Kontrahent an seinem Küchentisch. Der Biobauer Walter Ramseier kämpft zusammen mit seiner Frau seit bald vierzig Jahren gegen das alte AKW. Jetzt möchte er das neue verhindern helfen. Herren und Ramseier sind beide 67 Jahre alt, haben sonst aber nichts miteinander gemeinsam. Sie sind einander auch nicht begegnet.

 Auf dem Bauernhof läuft mehr als im Gemeindehaus. Das Essen dampft auf dem Tisch, ein Enkel kräht am Boden, Katzen rennen, ein Hund bellt. Auf der Anrichte, neben dem Faxgerät, stapeln sich Ordner mit den Einsprachen, Briefen und Aktionen.

 Der Bauer redet auch ganz anders als der Politiker. Nämlich gefühlvoll, ausschweifend und aufgebracht. "Wir wurden immer wieder belogen oder unvollständig informiert", sagt er, zuletzt wegen des grossen Zwischenlagers, das hier entstehen soll. Davon hätten die Bernischen Kraftwerke bei ihrer ersten Orientierung nichts gesagt. Und das habe die Leute aufgebracht; "ich habe noch nie eine Abstimmung erlebt, die so vielen so nahe ging wie diese."

 Dabei mussten die Älteren recht lange auf die Hilfe der Jungen warten. Das ist Iris Balmer aufgefallen, 26-jährige Mutter und Tochter einer langjährigen AKW-Gegnerin aus der Gegend. Erst in der letzten Zeit habe sich ihre Generation für das Thema zu interessieren begonnen, sagt sie. "Umso grösser ist dafür das Engagement."

 Und wie geht die Abstimmung aus? Beide Seiten rechnen mit einem relativ knappen Entscheid. Am Sonntag werden beide wissen, wem die Berner eher glauben: denen, die sich falsch verstanden fühlen - oder denen, die sich falsch informiert finden.

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 Abstimmung mit Strahlkraft

 Ein neues AKW in Mühleberg?

 Zwar werden die Bernerinnen und Berner nur konsultativ befragt, doch das Resultat der Abstimmung hat eine grosse Signalwirkung. Sagt der Kanton am Wochenende Ja zum Neubau eines neuen Kraftwerkes in Mühleberg, könnte sich das günstig auf die landesweite Abstimmung auswirken, die voraussichtlich 2013 stattfindet. Ein Nein lieferte den Gegnern der Atomenergie ein starkes Argument. Entsprechend intensiv führten beide Seiten den Abstimmungskampf, zumal die rot-grüne Kantonsregierung gegen ein neues AKW votierte und das bürgerlich dominierte Parlament dafür.

 Die Abstimmung wurde nötig, weil Mühleberg I spätestens 2025 vom Netz muss und dann - teuer und lange - abgebaut wird. Das neue Werk würde in der Nähe errichtet, soll einiges grösser ausfallen und ungefähr die vierfache Leistung erbringen. Besonders umstritten ist das atomare Zwischenlager von Mühleberg; es soll die hochradioaktiven Abfälle aufnehmen, die das neue Werk produzieren würde. Das sei weitaus sicherer, als die Abfälle zu transportieren, sagen die Befürworter. Die Gegner kritisieren, man habe sie zu wenig klar über das Lager und dessen Grösse informiert. Bereits zeichnet sich eine sehr hohe Stimmbeteiligung ab, zumal Bern in einer Ersatzwahl einen neuen Ständerat bestimmt.(jmb.)

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Landbote 11.2.11

Ausstieg aus Atomenergie aufgleisen
 
Anna Wepfer

 Zürich. Ein überparteiliches Komitee wird Ende Monat eine Initiative für die Förderung erneuerbarer Energien lancieren. Aus der Atomenergie soll der Kanton ganz aussteigen.

 76 Prozent macht die Kernenergie im Stommix aus, den die Elektrizitätswerke des Kantons Zürich (EKZ) ihren Kunden liefern. Abgesehen von der Wasserkraft sind erneuerbare Energien nur zu verschwindend kleinen Teilen im Mix vertreten (siehe Kasten). Damit schneiden die EKZ deutlich um ein Mehrfaches schlechter ab als die Elektrizitätswerke der grossen Schweizer Städte.

 Eine unhaltbare Situation, findet ein Komitee, das sich aus Vertretern aller grossen Parteien von links-grün bis freisinnig zusammensetzt. Mit der Initiative "Strom für morn" wollen sie den Kanton zu einer energiepolitischen Kehrtwende zwingen: Spätestens im Jahr 2035 soll im Netz des Kantons nur noch Strom aus erneuerbaren Energien fliessen.

 Dazu bräuchte es eine Änderung im Energiegesetz. Dort wollen die Initianten dem Kanton, den EKZ sowie anderen Netzbetreibern im Kanton künftig verbieten, neue Beteiligungen an Kernkraftwerken zu erwerben. Laufende Beteiligungen müssen nicht gekündigt werden, sie dürfen aber auch nicht mehr ersetzt werden.

 Der Zeithorizont ist so gesetzt, dass bis dahin die meisten der betroffenen Verträge ohnehin nicht mehr gültig sind. "Wir wollen ein gemächliches Auslaufen", sagt Mitinitiant Bernhard Piller, der für die Grünen im Zürcher Gemeinderat sitzt. Nach 2035 dürften die Netzbetreiber im Kanton Atomstrom nur noch bei Engpässen an der europäischen Strombörse kaufen.

 Das würde für die EKZ und den Kanton bedeuten, dass sie ihre Zusammenarbeit mit der Energielieferantin Axpo neu aufgleisen müssten. Entweder müssten sie die Axpo überzeugen, sehr viel stärker auf erneuerbare Energien zu setzen und dem Kanton Zürich nur noch sauberen Strom zu liefern. Oder Kanton und EKZ müssten ihre Beteiligung an der Axpo aufgeben und auf eigene Faust erneuerbare Energiequellen anzapfen. Eine Beteiligung an neuen AKW wäre auf jeden Fall nicht mehr zulässig.

 Als Ersatz für den Atomstrom sehen die Initianten vor allem Solar-, Wasser- und Windenergie. Das Potenzial der Schweiz und des Kantons Zürich in Sachen saubere Energie sei enorm, sagte das Komitee gestern vor den Medien. Bis 2035 sei die Technik so weit, dass sich der Energiebedarf problemlos decken liesse. Die Unterschriftensammlung startet am 25. Februar. Nötig sind 6000 Unterschriften.

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 Diesen Strommix liefern die EKZ
 
Anna Wepfer

 Der Strom, den die Elektrizitätswerke des Kantons Zürich (EKZ) im Jahr 2009 auslieferte, setzte sich zusammen aus 74 Prozent Kern- und knapp 26 Prozent Wasserenergie. Die Energie aus Solar- und Biogasanlagen machte 0,08 Prozent aus. Den grössten Teil des Stroms - 96 Prozent - beziehen die EKZ von der Axpo. EKZ und Kanton Zürich sind mit je 18,41 Prozent am Schweizer Stromversorger beteiligt. Die Axpo wiederum bezieht den Strom hauptsächlich aus den von ihr (mit)betriebenen Kernkraftwerken Beznau, Gösgen und Leibstadt. Zudem besitzt sie Bezugsrechte an Französischen Kernkraftwerken. Rund zwei Drittel des Axpostroms ist Atomstrom, der Rest beruht auf erneuerbaren Energien. (awe)

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BeobachterNatur 11.2.11

Felslabor Mont Terri

 Forschen für die Ewigkeit

 Paul Bossart ist verantwortlich für das Stollensystem im Mont Terri bei St-Ursanne. Darin prüfen Geologen das Gestein Opalinuston auf seine Fähigkeit, radioaktiven Abfall für Jahrtausende sicher abzuschliessen.  

Stefan Stöcklin (Text) und Rolf Siegenthaler (Fotos)

 Manche Experimente dauern Jahre, andere gar Jahrzehnte. "Nachfolgende Geologen werden beenden, was wir angefangen haben", sagt Paul Bossart. Der Direktor des Mont-Terri-Felslabors rückt den weissen Helm zurecht, der im Stollen getragen werden muss. Die lange Dauer der Versuche stört ihn nicht. Wer sich mit der Endlagerung von radioaktivem Abfall befasst, ist es gewohnt, in grossen Zeiträumen zu denken.

 Mehrere hunderttausend Jahre müssen vergehen, bis hochradioaktiver Abfall nur noch schwach strahlt und für die Umwelt harmlos ist. Weil Schichten von Opalinuston für Endlager geeignet sein könnten, wird im Felslabor eine solche Formation erforscht. Das relativ weiche, schieferähnliche Gestein ist bei St-Ursanne JU gut zugänglich, der Autobahn sei Dank. Beim Bau der Transjurane zwischen Biel und Pruntrut wurde parallel zum Strassentunnel ein Sicherheitsstollen gebaut und von diesem aus das Felslabor ausgebrochen. Entsorgungsfirmen führen im rund 500 Meter langen Stollensystem ihre Versuche durch. Seit 1996 arbeiten hier Geologen aus Ländern wie Deutschland, Japan oder Kanada und prüfen das Gestein. Ausgebrannte Brennstäbe aus Atomkraftwerken lagern hier nicht, das Felslabor ist lediglich Untersuchungsstätte und Modell für die Regionen Bözberg, Nördlich Lägern und Zürcher Weinland, deren Eignung als Stätten für ein Endlager - offiziell spricht man von Tiefenlager - für hochradioaktive Abfälle derzeit evaluiert wird (siehe "Endlager", Seite 52).

 180 Millionen Jahre alt

 Wir stehen in einer Kaverne vor einer Betonwand, hinter der ein Stahlbehälter von vier Metern Länge und einem Meter Durchmesser liegt. Der tonnenschwere Zylinder simuliert abgepackte Brennstäbe. Umhüllt ist er mit einer meterdicken Schicht von Tonmineralien, sogenanntem Bentonit. Das quellfähige Material trennt die Stahlkapsel vom Opalinuston. Der Versuch soll zeigen, wie gut Bentonit den Container einschliesst. "Das Experiment läuft seit zehn Jahren, 2012 wird es beendet", sagt Paul Bossart. "Ein ähnlicher Versuch, bei dem die Auswirkungen einer erwärmten Stahlkapsel auf den Opalinuston geklärt werden, soll einige Jahrzehnte dauern." In dieser Zeit wird dokumentiert, wie sich die Wärme über den Behälter und den Bentonit ausbreitet, und bestehende Modelle der Erwärmung werden geprüft.

 Paul Bossart ist ein begeisterter Geologe, der packend zu erzählen weiss. Er hebt einen Brocken Opalinuston vom Boden auf. "Dieser Ton ist 180 Millionen Jahre alt", sagt er und sucht darin nach Versteinerungen, zum Beispiel eines Kopffüssers (Ammoniten), der in grauer Vorzeit im Jura heimisch war. Damals befand sich an dieser Stelle ein Meer. Schlammteilchen und tote Tiere setzten sich am Boden ab und bildeten in Jahrtausenden eine Tonschicht. Darüber lagerten sich Gesteinsschichten und pressten einen Teil des Wassers aus dem darunterliegenden Ton. Dieser ist mit einem Wassergehalt von 150 Litern pro Kubikmeter vergleichsweise trocken.

 "Noch heute findet sich in den Poren das uralte Meerwasser. Es blieb über Jahrmillionen stabil im Ton", sagt Paul Bossart über das Stück, das er in Händen hält. Dichte und Stabilität sind wichtige Punkte und machen Opalinuston aus Sicht der Geologen zum Topkandidaten für die Endlagerung.

 Die Jurafaltung vor sechs Millionen Jahren hob die einst plan im Untergrund liegende Tonschicht senkrecht in die Höhe. Darum ist sie bei St-Ursanne so gut zugänglich wie nirgendwo sonst: ein geologischer Zufall, der das Städtchen zum Mekka der Endlagerforschung gemacht hat.

 Vom Informationszentrum beim Bahnhof gelangt der Besucher mit dem Auto in wenigen Minuten in die Versuchsstollen. Und erhält dabei gleich eine sinnliche Lektion in Geologie. Auf den ersten 100 Metern im Fels tropft Wasser von Decke und Wänden, überall fliessen kleine Rinnsale. Hier dominiert poröser Karst, das typische Juragestein. Danach wirds knochentrocken: Der Besucher legt die ersten Meter im Opalinuston zurück. In diesem Gestein zirkuliert kein Wasser, die Tonschichten nehmen die Feuchtigkeit auf und schliessen sie ein. Obwohl der Stollen unter dem Grundwasserspiegel liegt, bleibt er trocken.

 Wichtigste Akteurin ist die Zeit

 Auch die Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) forscht im Mont Terri. Letztes Jahr hat sie dem Bund sechs mögliche Standorte für ein Endlager vorgeschlagen, davon drei für hochradioaktiven Abfall. Gemäss dem "Sachplan geologische Tiefenlager" werden diese Regionen in den nächsten Jahren weiter geprüft, und bis 2020 soll klar sein, wo strahlendes Material entsorgt werden kann (siehe "Chronologie").

 "Wir sind unabhängig von der Nagra", betont Heinz Hauser, der die Besucher im Felslabor betreut. Dieses steht unter der Leitung des Bundesamts für Landestopographie, das vor allem für seine Landkarten bekannt ist. Der promovierte Geologe Bossart koordiniert und überwacht die Aktivitäten im Auftrag des Bundes. Das Felslabor wird von in- und ausländischen Firmen und Forschungsinstituten genutzt. 50 Universitäten und Organisationen sowie 50 Firmen arbeiten im Mont Terri. Oft kommen die Forscher nur für kurze Zeit, installieren ihre Messgeräte und überlassen die Versuche dem Gang der Zeit. Bossart und seine Kollegen überwachen den Verlauf und sichern die Daten. In den Stollen arbeiten nur wenige Menschen; zum Zeitpunkt unseres Besuchs brechen einige Arbeiter Nischen für neue Experimente aus.

 Plutonium bleibt unten, Jod nicht

 Knapp 60 Millionen Franken wurden zwischen 1996 und 2011 in die Projekte investiert. 32 Prozent davon stammen von der Nagra. Die Forschungsergebnisse sind öffentlich und werden in umfangreichen Berichten publiziert. Trotz der Flut bereits erzielter Resultate gibt es noch einige offene Fragen zu den Eigenschaften von Opalinuston. Sind strahlende Atomkerne während mehrerer hunderttausend Jahre Hunderte von Metern tief im Ton eingeschlossen, können sie leichte Veränderungen im Gestein hervorrufen. Diese müssen möglichst genau prognostiziert werden - eine gewaltige Herausforderung für die Geologen.

 Paul Bossart nennt vier Problembereiche: die Verwitterung der Behälter, die Wanderung radioaktiver Teilchen durch die Tonschichten (Diffusion), Störzonen in der Gesteinsformation und die Erwärmung durch die Brennstäbe.

 Im Ton eingelagertes Wasser, chemische Stoffe und Bakterien zersetzen mit der Zeit die 15 Zentimeter starken Stahlwände der Behälter. Dabei entstehen Gase wie etwa Wasserstoff, die im Gestein Druck aufbauen. Dieser könnte zu Rissen führen.

 Deshalb werden als Alternative Behälter mit einem weniger reaktionsfreudigen Kupfermantel geprüft, die weniger Gase entwickeln. Sie bleiben länger dicht und verringern somit auch ein anderes Problem: den Austritt radioaktiver Stoffe aus lecken Gefässen. Tritt dieser Fall ein, diffundieren strahlende Teilchen langsam, aber stetig durch die Tonschicht nach oben, abhängig von ihren chemischen Eigenschaften. "Plutonium ist trotz der langen Strahldauer diesbezüglich harmlos", sagt Paul Bossart. Denn Plutoniumteilchen bleiben an den Tonmineralien hängen. "Jod-129 hingegen kommt irgendwann an die Oberfläche", so Bossart.

 Ein Tiefenlager muss deshalb so konstruiert werden, dass entweichendes Jod erst dann an die Oberfläche gelangt, wenn es praktisch nicht mehr strahlt. Ausserdem muss gewährleistet sein, dass die Abfälle in gleichmässigen Tonschichten gelagert werden, durch die keine Störzonen wie etwa geologische Verwerfungen führen.

 Gegen Erdbebenschäden gefeit

 Heikel ist auch die Hitze, die von Atommüll ausgehen kann. Der dichte Opalinuston leitet Wärme schlecht ab und heizt sich auf, was zu Austrocknung und zu Rissen führen könnte. "Die von den Brennstäben abgestrahlte Wärme darf den Ton nicht über 100 Grad erhitzen", sagt Bossart. In Opalinuston werden deshalb nur Brennstäbe gelagert werden, die im Zwischenlager während Jahrzehnten abkühlen konnten und "nur" noch zwischen 150 und 250 Grad heiss sind. Der Bentonitmantel wirkt weiter kühlend, so dass der Ton nicht über 100 Grad warm werden sollte.

 Den Laien beschleicht bei solchen Überlegungen ein mulmiges Gefühl. Der Geologe Bossart gibt sich unbeeindruckt. Selbst die Möglichkeit von Erdbeben und Meteoriteneinschlägen lässt ihn kalt. Solche Naturkatastrophen könnten die Sicherheit von tief im Untergrund verankerten Tiefenlagern nicht beeinträchtigen.

 Der Mensch ist ein Risikofaktor

 Während das Wärmeverhalten und die Reaktion auf Gasdruck negativ zu Buche schlagen, sind seine Verformbarkeit und seine Fähigkeit zur Abdichtung Pluspunkte des Opalinustons. Bohrt man ein kleines Loch in das Material, schliesst es sich von selbst wieder. Man erwartet, dass Opalinuston dank dieser Eigenschaft auch tonnenschwere Behälter hermetisch abschliessen kann.

 "Bis dahin ist es ein weiter Weg, viele Fragen harren noch der Antworten", sagt der Geologe Marcos Buser. Er ist Präsident der jurassischen Begleitkommission (Commission de suivi du Projet Mont Terri) und verfolgt die Arbeiten im Felslabor im Auftrag des Kantons. Der kritische Beobachter attestiert dem Felslabor unter Paul Bossarts Leitung einen guten Job: "Bossart gewährt unabhängige Forschung." Eine glaubwürdige Beurteilung des Opalinustons ist wichtig, denn nur damit wird sich die breite Öffentlichkeit vielleicht davon überzeugen lassen, radioaktiven Abfall in solchen Formationen zu versenken. Das Felslabor hat auch in dieser Hinsicht eine wichtige Aufgabe. Im Besucherzentrum in St-Ursanne können sich Interessierte eine Meinung bilden. Die Ausstellung in der alten Kalkfabrik beim Bahnhof wird ausgebaut, mit zunehmendem Interesse wird gerechnet.

 Kaum hat der Besucher den Stollen verlassen, schweift sein Blick über die sanften Jurahöhen und das enge Doubstal. "Die Natur und die Geologie machen mir keine Sorgen", sagt Paul Bossart, "aber die Menschen. Was passiert, wenn in Tausenden von Jahren Menschen auf ein Lager stossen und radioaktive Stoffe ausgraben?" Er zuckt mit den Schultern. Wie vor der Gefahr gewarnt werden soll, ist noch unklar.

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 Endlager: Sechs Regionen im Auswahlverfahren

 Sechs Regionen werden derzeit auf ihre Eignung für die Lagerung radioaktiver Abfälle geprüft. Bis 2020 soll definitiv feststehen, wo schwach- und mittelaktive und wo hochaktive Abfälle in der Schweiz gelagert werden. Die Auswahl findet in Etappen gemäss dem "Sachplan geologische Tiefenlager" statt.

 Opalinuston eignet sich laut der Nagra und den Gutachtern des Bundes grundsätzlich für die Lagerung hochradioaktiven Abfalls. Solche Tonschichten finden sich im Untergrund des Bözbergs AG, der Region Nördlich Lägern ZH/AG und des Zürcher Weinlands. Für schwach- und mittelaktive Abfälle werden auch andere Gesteinsschichten evaluiert.

 Chronologie: Lange Suche nach einem Endlager für radioaktiven Abfall

 1972: Der Bund und die Betreiber der Atomkraftwerke gründen die Nationale Genossenschaft für die Lagerung radio-aktiver Abfälle (Nagra). Sie soll eine Lösung für die Entsorgung radioaktiver Abfälle erarbeiten. Bis 2050 wird mit 99 015 Kubikmetern gerechnet, davon 7325 Kubikmeter hochradioaktiver Abfall.

 1988: Der Bundesrat entscheidet, gestützt auf Untersuchungen der Nagra, dass schwach- und mittelradioaktive Abfälle in der Schweiz entsorgt werden können. Für ein Lager für hochradioaktive Abfälle fehlt der Standortnachweis.

 1993 und 1994: Nach Sondierbohrungen schlägt die Nagra ein Tiefenlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle im Mergel des Wellenbergs NW vor. Der Opalinuston bei Benken im Zürcher Weinland eignet sich laut Nagra zur Lagerung hochradioaktiver Abfälle.

 1995 und 2002: Das Nidwaldner Stimmvolk spricht sich zweimal gegen ein Endlager im Wellenberg aus.

 2006: Der Bundesrat hält die Lagerung von hochradioaktiven Abfällen im Zürcher Weinland für möglich, verlangt aber die Ausweitung der Standortsuche.

 2008: Der Bundesrat genehmigt den "Sachplan geologische Tiefenlager" mit sechs möglichen Standorten.

 2010 und 2011: Das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat (Ensi) heisst die Auswahl der Nagra gut. Der Bundesrat wird im Sommer 2011 entscheiden, welche Regionen im Sachplan verbleiben.

 2011 bis 2016: Die Nagra soll je zwei Standorte für die Endlagerung von Abfall der Kategorien "schwach- und mittelaktiv" sowie "hochaktiv" vorschlagen.

 2016 bis 2020: In der dritten Etappe des Sachplans werden die Standorte vertieft untersucht. Bis 2020 soll der Bundesrat über eine Rahmenbewilligung entscheiden. Die Schweizer Bevölkerung wird anschliessend abstimmen können.

 2030 bis 2050: Bau und Inbetriebnahme zweier Tiefenlager oder eines Kombilagers für schwach- bis hochaktive Abfälle.

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Bund 10.2.11

Müssen Hausbesitzer neue AKW fürchten?

 Nuklearanlagen beeinflussen das Preisniveau des Immobilienmarktes erheblich - vor allem in Regionen mit leistungsstarken Anlagen. So lautet der Schluss einer Studie der Universität Bern.Atomenergie-Befürworter sprechen von einer Propaganda-Aktion.

 David Vonplon

 Wenige Tage vor dem Urnengang über die Zukunft des Atomkraftwerks Mühleberg hat die Fieberkurve im Abstimmungskampf ihren Höhepunkt erreicht. Just zu diesem Zeitpunkt veröffentlicht Professor Donato Scognamiglio vom Institut für Finanzmanagement der Universität Bern eine Masterarbeit, welche die Auswirkungen von Nuklearanlagen auf die Schweizer Immobilienpreise behandelt und auf einem Datensatz von 37 000 Handänderungen von Liegenschaften beruht: Die Studie kommt zum Schluss, dass die Häuserpreise in der Nähe der Atomkraftwerke Leibstadt, Gösgen, Beznau und Mühleberg zwischen 5 und 10 Prozent tiefer liegen im Vergleich zu identischen Objekten mit einer Entfernung von 15 bis 20 Kilometern zum Atomkraftwerk. Am stärksten wirkt sich dieser Effekt indes nicht direkt neben der Anlage aus, sondern in den etwas weiter entfernten Gemeinden. "Wo die Anlage präsent ist, erhalten die Gemeinden Entschädigungszahlungen, die sie dann an die Bevölkerung weitergeben", erklärt Scognamiglio. Das steigere die Standortattraktivität.

 Sieben Milliarden Wertverlust

 Merkliche Unterschiede bei den Immobilienpreisen stellt die Studie in einem Umkreis von 15 Kilometer um die vier AKW-Standorte fest - einem Gebiet, in dem über 770 000 Menschen leben. Geht man dort von einem durchschnittlichen Preisabschlag von 5 Prozent aus, entziehen die Atomkraftwerke dem Immobilienmarkt einen Wert von annähernd 7 Milliarden Franken.

 Politisch brisant an der Studie ist die These, dass der Preisabschlag auf Liegenschaften umso grösser ausfällt, je höher die Energieleistung des nahe gelegenen Atomkraftwerks ist. So liegt etwa der Preis für eine Liegenschaft in 5 Kilometern Entfernung zum AKW Leibstadt 6 Prozent tiefer als jener in 20 Kilometern Entfernung, während für den gleichen Fall in Mühleberg bloss ein Abschlag von 3 Prozent festzustellen ist. Scognamiglio leitet daraus ab, dass die Leistungsfähigkeit eines Kernkraftwerks den Wertverlust von Immobilien zusätzlich beeinflusst: "Offenbar hat die Bevölkerung mehr Respekt vor einem grossen AKW als vor einem kleinen." Deshalb sei davon auszugehen, dass der Ersatz einer Anlage gemessen an den Immobilienpreisen nicht neutral sei. Müssen Hausbesitzer im Grossraum Bern also befürchten, dass ihre Liegenschaft an Wert verliert, wenn das neue Kernkraftwerk in Mühleberg gebaut wird?

 "Reichlich weit hergeholt"

 Während Immobilienexperte Scognamiglio genau dies behauptet, wird aus dem Umfeld des Schweizer Nuklearforums Skepsis an der Stichhaltigkeit der Studie laut. Offiziell mochte die Lobbyorganisation zwar ebenso wenig zur Studie Stellung nehmen wie die Atomindustrie-Organisation Swissnuclear und der Berner Energiekonzern BKW. Hinter vorgehaltener Hand jedoch heisst es, dass man die Studienergebnisse für "reichlich weit hergeholt" hält. Das versteckt an der Aare gelegene Atomkraftwerk Mühleberg und die auf offenem Feld, mit einem von weitem ersichtlichen Kühlturm versehene Nuklearanlage Leibstadt würden sich völlig unterschiedlich ins Landschaftsbild eingliedern. Da sei es durchaus nachvollziehbar, dass diese die Immobilienpreise im Umfeld unterschiedlich beeinflussten. Ein Zusammenhang mit der Leistungsfähigkeit der AKW bestehe deshalb nicht.

 FPD-Ständerat Rolf Schweiger, zugleich Präsident der atomfreundlichen Aktion für vernünftige Energiepolitik (Aves), spricht von einer Propaganda-Aktion eines einzelnen Professors der Universität Bern: "Es spricht für sich und gegen die Wissenschaftlichkeit der Studie, dass die Ergebnisse drei Tage vor der Abstimmung präsentiert werden."

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BZ 10.2.11

Atomkraftwerke vermindern den Wert der Immobilien

 StudieEine neue wissenschaftliche Studie zeigt, dass die Nähe eines Einfamilienhauses zu einem Atomkraftwerk dessen Wert erheblich beeinflusst.

 Atomkraftwerke erhitzen die Gemüter. Bisher wurde aber noch nie anhand von realen Transaktionspreisen untersucht, ob AKW auch einen Einfluss auf die umliegenden Immobilien haben. Das hat das Institut für Finanzmanagement der Universität Bern nun nachgeholt.

 Die gestern publizierte Studie kommt zum Schluss, dass Atommeiler das Preisniveau von Schweizer Immobilien in erheblichem Mass beeinflussen. In Regionen mit leistungsstarken Anlagen, wie beispielsweise Leibstadt, wirkt sich der Effekt sogar stärker aus.

 Bei Häusern, die sich innerhalb einer Distanz von 2,5 bis 3 Kilometern zu einem AKW befinden, beläuft sich der Wertverlust auf 9 Prozent. Laut der Studie hat der Hauseigentümer bei einem Objekt von 750 000 Franken mit einem Abschlag von bis zu 67 500 Franken zu rechnen. Die Resultate zeigen weiter, dass ein Haus mit einer Entfernung von 10 Kilometern zum AKW einen Wertverlust von 1,1 Prozent gegenüber einem in jeder Beziehung identischen Objekt in 15 Kilometer Entfernung aufweist. Ein Haus, das eine Entfernung von 5 Kilometern aufweist, erleidet einen Wertverlust von 3,1 Prozent.

 Die Studie zeigt aber auch, dass der Wert von Liegenschaften im unmittelbaren Umfeld eines Atomkraftwerkes, das heisst in einer Entfernung von bis zu 2,5 Kilometern, wieder stark zunimmt. Im Vergleich zu einem Haus in 15 Kilometern Entfernung beträgt der Wertverlust nur 2,5 Prozent, während die gleiche Immobilie innerhalb einer Distanz von 2,5 bis 3 Kilometern zum AKW mit einem Abschlag von bis zu 9 Prozent belegt wird.

 Die Abnahme der Werteinbussen innerhalb einer Distanz von 2,5 Kilometern zum AKW erkläre sich durch die erhöhte Nachfrage durch AKW-Personal und/oder generelles Vertrauen von Käufern in die Technologie, heisst es in der Studie. Zudem hätten auch Entschädigungszahlungen, die Gemeinden mit einem AKW erhalten, einen positiven Einfluss auf die Häuserpreise. Denn diese Gelder würden zum Teil über Steuervergünstigungen an die Bevölkerung weitergegeben.
 nb

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NZZ 10.2.11

AKW dämpfen Preise nicht linear

 Studie zum Wert von Immobilien

 dsc. · Die Nähe zu Atomkraftwerken habe einen negativen Einfluss auf die Immobilienpreise, so eine Untersuchung des Instituts für Finanzmanagement der Universität Bern - nach eigenen Angaben die erste Erhebung dieser Art. Dabei wurden Transaktionspreise für Einfamilienhäuser mit gleicher Ausstattung verglichen, ausgehend von 37 000 Handänderungs-Daten. Bei einer Nähe von 10 Kilometern beträgt der Preisunterschied gegenüber einem Haus in 15 Kilometern Entfernung 1,1 Prozent. In einem Umkreis von 5 Kilometern wurde eine Abnahme von 3,1 Prozent errechnet. Auffallend ist, dass in unmittelbarer Nähe zu AKW (bis 2,5 Kilometer) der Unterschied 2,5 Prozent beträgt, während bei einer Distanz von knapp 3 Kilometern um etwa 9 Prozent tiefere Preise resultieren.

 Gründe für diese nichtlineare Entwicklung seien die AKW-Arbeitsplätze und die Tatsache, dass in den Standortgemeinden dank Kompensationsleistungen tiefere Steuersätze beständen, so Donato Scognamiglio, Professor an der Universität Bern.

 Bei neueren Werken mit hohen Kühltürmen ist die Wirkung auf die Preise grösser als bei den älteren, unscheinbaren AKW, an die sich die Bevölkerung im Analysezeitraum 1981 bis 2007 wohl eher gewöhnt hat. Andere Standortfaktoren, wie die unterschiedliche Erreichbarkeit, seien in der Studie, die auf Daten des Beratungsunternehmens Iazi basiert, berücksichtigt.

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20 Minuten 10.2.11

Kernkraftwerke fressen Preise auf

 ZÜRICH. Nicht nur Flugverkehr schadet Immobilienbesitzern. Auch Häuser in der Nähe eines Kernkraftwerks verlieren an Wert.

 Kernkraftwerke (KKW) sorgen in der Bevölkerung und bei Politikern immer wieder für rote Köpfe. Besonders ärgern dürfte die Diskussion um den Bau neuer KKWs aber die Hausbesitzer. Neue Munition liefert ihnen nun eine Studie der Universität Bern und der Immobilienberatung IAZI. Sie belegt wissenschaftlich, dass die Immobilienpreise massiv sinken, wenn ein Haus in der Nähe eines KKWs steht. Besonders vom Preissturz betroffen sind Häuser in 2,5 bis 3 Kilometer Entfernung zu einem Atommeiler. Sie sind laut Studie 9 Prozent weniger wert als ein identisches Haus in 15 Kilometer Distanz zum KKW. Bei 5 Kilometern Entfernung beträgt der Wertverlust 3,1 Prozent, bei 10 Kilometern 1,1 Prozent.

 Noch härter trifft es Hausbesitzer, deren Bijou im Umfeld eines leistungsstarken KKWs wie Leibstadt liegt. Eine Immobilie in 5 Kilometer Entfernung ist dann 6 Prozent weniger wert als ein Haus in 20 Kilometer Entfernung. Zum Vergleich: Der Preis eines Hauses in der Nähe des KKWs Mühleberg sinkt im gleichen Fall nur um 3 Prozent. Mühleberg hat ein Drittel der Kapazität des KKWs Leibstadt. Kurios: Liegt ein Haus ganz nah an einem KKW, nimmt der Wert wieder zu. Die Autoren begründen das durch die Nachfrage von Kraftwerk-Personal nach Wohnfläche. Auch würden von einem KKW-Bau betroffene Gemeinden Entschädigungszahlungen in Form von Steuervergünstigungen leisten. Basis der Untersuchung waren 37 000 Handänderungen zwischen 1981 und 2007. VB

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La Liberté 10.2.11

La nouvelle centrale de Mühleberg en Votation.

 Un test pour l'avenir du nucléaire

 Les citoyens du canton de Berne sont consultés dimanche sur le remplacement de la centrale atomique de Mühleberg. Des patrons de PME se sont joints aux antinucléaires pour dénoncer un "suicide économique".

 Pascal Fleury

 Les citoyens du canton de Berne sont appelés à se prononcer dimanche sur le remplacement de la vieille centrale de Mühleberg par une nouvelle centrale nucléaire quatre fois plus puissante, sur le même site des bords de l'Aar. Ce scrutin, s'il n'est que consultatif, n'en donnera pas moins un signal populaire fort concernant l'avenir de l'atome en Suisse. Le projet est recommandé par le Grand Conseil bernois, mais rejeté par le gouvernement bernois, pour qui la technologie nucléaire est "obsolète, dangereuse, chère et inutile".

 Pour les Forces motrices bernoises (FMB), qui ont déposé leur projet auprès de l'Office fédéral de l'énergie en novembre 2008, en même temps que les projets d'Axpo à Beznau (AG) et d'Alpiq près de Gösgen (SO), la construction de Mühleberg II s'impose. "Les premiers problèmes d'approvisionnement sont attendus au plus tard à partir de 2020", avertissent les FMB.

 Leurs prévisions reposent sur trois facteurs conjugués: la fermeture pour raison d'âge des trois centrales de Mühleberg et Beznau I et II à partir de 2020, l'arrivée à échéance des contrats d'importation de courant français dès 2017, et l'augmentation de la consommation d'électricité de 0,5% à 2% jusqu'en 2050, liée en particulier au remplacement des combustibles fossiles par l'électricité. Selon l'Association des entreprises électriques suisses, d'ici 2035, entre 10 000 et 20 000 GWh d'électricité pourraient manquer lors d'un semestre hivernal moyen. Deux nouvelles centrales de troisième génération, de 1450 mégawatts chacune, pourraient produire plus de 20 000 GWh d'électricité par an.

 Selon Gilles Seuret, porte-parole des FMB, la position géographique de Mühleberg est un atout pour la sécurité d'approvisionnement de la Suisse romande. "Sans Mühleberg, lors de la tempête Lothar de 1999, ce ne sont pas 300 000 personnes qui auraient été plongées dans le noir dans les cantons de Berne, Neuchâtel, Fribourg et Jura, mais 700 000 personnes", explique-t-il.

 Les FMB tablent sur un investissement de 7 à 9 milliards de francs pour la réalisation de Mühleberg II. Ce montant inclut des réserves pour les imprévus. Le projet pourrait générer 1300 emplois et d'importantes retombées fiscales. L'option retenue par les FMB, qui s'engagent aussi dans les énergies vertes (Mont-Soleil, Stade de Suisse, etc.), veut répondre à la politique des "quatre piliers" du Conseil fédéral: efficacité énergétique, énergies renouvelables, grandes centrales et politique énergétique étrangère. Un mix énergétique qualifié d'"idéal" par le Forum nucléaire suisse, "parce qu'il garantit la sécurité d'approvisionnement jour et nuit, été comme hiver", précise son porte-parole Michael Schorer.

 Pour les opposants au nucléaire, en revanche, la construction de nouvelles centrales serait un mauvais investissement. "Depuis les années 1970, on a suffisamment parlé des dégâts du nucléaire. On n'a toujours pas trouvé de solution pour les déchets radioactifs et les risques de catastrophes n'ont pas pu être écartés avec les nouvelles centrales", affirme Philippe de Rougemont. Le président de l'association Sortir du nucléaire compte principalement sur l'efficacité énergétique, le solaire et la géothermie pour remplacer les vieilles centrales. Et sur le développement de "réseaux intelligents" (smart grid) pour lisser les pics de consommation.

 Cleantechs en danger

 Ce qui préoccupe le plus le militant, c'est que la construction de nouvelles centrales nucléaires en Suisse "tuerait" tout projet de technologie environnementale (cleantech): "Ce serait un suicide économique. Les milliards investis dans le nucléaire seront autant d'argent perdu pour le développement des technologies propres. La Suisse resterait alors spectatrice des évolutions technologiques, tandis que l'Allemagne compte déjà 14 fois plus de panneaux solaires par habitant que notre pays. Alors que la Suisse exporte de la technologie photovoltaïque jusqu'en Chine, et y ouvre des entreprises, ne serait-elle pas capable de s'équiper elle-même?"

 Cinquante PME aussi opposées

 Cet argument économique est partagé par l'alliance "Non au nucléaire", qui comptent plus de quarante organisations soucieuses de l'environnement. Mais aussi par une cinquantaine d'entreprises, à l'enseigne d'"Energie Nouvelle Berne". Elles assurent que le développement des énergies renouvelables et de l'efficience énergétique permettra la création de 60% de plus d'emplois que la construction d'une nouvelle centrale nucléaire, qui devrait faire appel à des fournisseurs étrangers. Selon elle, la valeur ajoutée sera près de deux fois plus importante.

 La votation "test" de dimanche sera suivie d'autres scrutins consultatifs sur les nouvelles centrales, dans le canton de Vaud le 15 mai, et dans le Jura. D'autres cantons, comme Neuchâtel, pourraient recourir au référendum facultatif. La décision définitive de construire une ou deux centrales de remplacement sera prise en 2012 par le Conseil fédéral. Elle sera soumise au Parlement fédéral puis au référendum facultatif, fin 2013. Le peuple suisse aura alors le dernier mot. I

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 Campagne électrique

 Le vote des Bernois est consultatif, mais considéré comme déterminant pour l'avenir du site de Mühleberg. La campagne a donc été intensive, les deux camps s'accusant de minimiser l'ampleur de leurs moyens financiers. Le comité "Oui à Mühleberg", qui regroupe la plupart des partis de droite et des organisations économiques, annonce des dépenses de 300 000 francs. "Je n'y crois pas une minute", rétorque Blaise Kropf, président des Verts bernois, se basant sur les campagnes d'annonces dans la presse locale. L'Action pour une politique de l'énergie raisonnable en Suisse mène aussi campagne pour Mühleberg II, mais n'a pu être jointe.

 Le comité "Non à la nouvelle centrale", qui réunit la gauche, les vert'libéraux, les organisations écologistes et les syndicats, avance un budget de 180 000 francs. Le groupe "Energie nouvelle Berne", fort d'une cinquantaine d'entrepreneurs de la région, a investi quant à lui 150 000 francs dans la campagne du "non". "Les opposants ont au moins autant de moyens que nous!", assure Adrian Haas, porte-parole du comité "Oui à Mühleberg".

 Les Forces motrices bernoises (FMB), qui exploitent la centrale de Mühleberg, n'ont pas financé la campagne. Elles s'étaient fait remettre à l'ordre par le canton de Berne, leur actionnaire majoritaire (52%), après avoir investi en 2009 des centaines de milliers de francs dans une campagne similaire sur Vaud. Les FMB se sont toutefois fendues d'un tout-ménage de huit pages sur l'approvisionnement en électricité. Ce journal suscite l'ire de Blaise Kropf. Le président des Verts bernois les accuse de faire de la "propagande" et non de l'information. "Sinon, pourquoi n'ont-elles pas mentionné l'entreposage de déchets hautement radioactifs lié au projet de nouvelle centrale?" MR

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Canton et Confédération ont un pied dans le lobby nucléaire
 
Michaël Rodriguez

 Le débat sur l'atome met-il l'exécutif cantonal bernois dans une position de grand écart? D'un côté, le gouvernement s'engage fermement contre la construction d'une nouvelle centrale nucléaire à Mühleberg. De l'autre, l'administration qui dépend de ce même gouvernement a un pied dans le lobby nucléaire.

 L'Office cantonal bernois de la coordination environnementale et de l'énergie est en effet membre du Forum nucléaire suisse. Cette plateforme, qui regroupe les principaux intérêts liés à l'atome, n'intervient certes pas directement dans la campagne de Mühleberg. Mais elle dépense plus de 3 millions de francs par année pour "promouvoir l'utilisation pacifique de l'énergie nucléaire et la poursuite de son développement en Suisse".

 La quasi-totalité de cette manne provient des cotisations des membres du Forum nucléaire suisse, parmi lesquels les exploitants des centrales nucléaires font figures de poids lourds. Par le biais des factures d'électricité, les consommateurs alimentent à leur insu une véritable "caisse noire", selon l'expression d'Andreas Hofmann, député socialiste au Grand Conseil bernois. Une enquête publiée en septembre dernier dans le magazine "Beobachter" évaluait à plus de deux millions de francs par année les ponctions faites sur les ménages suisses. Le secrétariat du Forum nucléaire est assumé par Burson-Marsteller, l'une des plus grandes agences de relations publiques au monde.

 Les administrations qui ont adhéré au Forum nucléaire suisse se comptent sur les doigts d'une main. Parmi les offices cantonaux de l'énergie, on compte ceux de Berne et de Zurich. Troisième et dernier sur la liste: l'Office fédéral de l'énergie (Ofen), dont le socialiste Moritz Leuenberger a été le ministre de tutelle jusqu'en octobre. Doris Leuthard, qui lui a succédé à la tête du département concerné, était jusqu'à l'automne dernier membre d'honneur du Forum nucléaire suisse. La cotisation annuelle de l'office fédéral au Forum nucléaire se monte à 3600 francs.

 Matthieu Buchs, porte-parole à l'Ofen, juge que la participation à la plate-forme pronucléaire n'est pas problématique. Car l'office est aussi membre de plusieurs organisations qui militent pour les énergies renouvelables, comme la Fondation suisse énergie, membre du comité opposé à Mühleberg II. La conseillère nationale Adèle Thorens (Verts/VD) relève toutefois que les deux camps ne bataillent pas à armes égales. "Le lobby nucléaire est extrêmement puissant, et très fortement représenté au niveau du parlement." Une centaine de députés des deux Chambres sont en effet membres de l'Action pour une politique de l'énergie raisonnable en Suisse, une organisation pronucléaire.

 Du côté du canton de Berne, on justifie l'adhésion au Forum nucléaire par la nécessité de connaître les arguments des partisans de l'atome. La cotisation est nettement plus basse que celle de l'administration fédérale: 380 francs par année. L'Office cantonal de l'énergie est également membre de la Fondation Suisse Energie.

 Président des Verts bernois, Blaise Kropf estime que l'adhésion au Forum nucléaire est "problématique et contradictoire avec les objectifs politiques du canton". Dans sa "stratégie énergétique" adoptée en début de législature, l'exécutif vise en effet un abandon de l'atome à moyen terme.

 Plusieurs institutions de formation et de recherche sont aussi membres du Forum nucléaire suisse. C'est notamment le cas de l'Ecole polytechnique fédérale de Lausanne, de la Haute école du paysage, d'ingénierie et d'architecture de Genève et du Département de physique nucléaire et corpusculaire de l'Université de Genève. Le Courrier

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Landbote 9.2.11

AKW-Abstimmung strahlt national aus

 Barbara Spycher

 BERN. Am 13. Februar stimmt der Kanton Bern über ein neues AKW in Mühleberg ab. Zwar ist der Entscheid rechtlich nicht bindend, aber politisch ist er schweizweit von Bedeutung.

 Wenn am 13. Februar die Berner Stimmzettel ausgezählt werden, dann schaut die ganze Schweiz hin. Denn die knapp eine Million Einwohnerinnen und Einwohner des zweitgrössten Kantons stimmen darüber ab, ob sie im bernischen Mühleberg ein neues AKW befürworten oder ablehnen. Mühleberg II wäre viermal leistungsfähiger als der bestehende bald 40-jährige Reaktor, der zwölf Kilometer westlich der Stadt Bern steht und in voraussichtlich zehn Jahren vom Netz gehen soll. Der Berner Urnengang ist der erste und letzte Stimmungstest, bevor voraussichtlich 2013 oder 2014 die Stimmbürger der ganzen Schweiz darüber entscheiden, ob zwei neue AKWs gebaut werden. Die Betreiber von Beznau (AG), Gösgen (SO) und Mühleberg (BE) konnten sich noch nicht auf zwei Standorte einigen, haben aber Gesuche um Rahmenbewilligungen für neue Atommeiler eingereicht. Nun folgen Stellungnahmen der Standortkantone, dann die Entscheide von Bundesrat und Parlament, und letztlich wird das Volk in einer Referendumsabstimmung über die Schweizer Energiezukunft bestimmen.

 Die Bernerinnen und Berner werden schon jetzt an die Urne gerufen, weil Regierung und Parlament die Stellungnahme des Standortkantons Bern zu Mühleberg II dem Volk unterbreiten wollten. Die rot-grüne Regierung ist gegen ein neues AKW, das bürgerlich dominierte Parlament dafür. Die anderen Standortkantone befragen das Volk nicht. Allerdings hat jüngst eine Studie bei Gemeinden um Gösgen gezeigt, dass es unter den Anwohnern mehr Gegner als Befürworter gibt. In Bern ist die Standortgemeinde Mühleberg atomfreundlich eingestellt, die Stadt Bern atomkritisch. Der Gesamtkanton aber stimmte in früheren Atomvorlagen meistens wie der Schweizer Durchschnitt oder sogar etwas atomfreundlicher.

 Radioaktiver Müll inklusive

 Die jetzige Abstimmung ist zwar nur eine Konsultativabstimmung. Sollten die Berner ein neues AKW ablehnen, dürften die Chancen für einen Neubau auf Berner Boden aber sinken, auch wenn der Energiekonzern BKW als Betreiber betont, sein Gesuch so oder so nicht zurückziehen zu wollen. Doch Gösgen und Beznau hätten dann wohl bessere Karten.

 Der grösste Aufreger im emotionalen Abstimmungskampf entstand um die zwei Zwischenlager für radioaktive Abfälle, welche das neue AKW beinhaltet. Zwar steht das im Gesuch der BKW, doch der Konzern selber schwieg vornehm. Auch Politiker thematisierten es nicht und selbst im Abstimmungsbüchlein steht nichts dazu. Der Grund: Die Kantonsparlamentarier hatten das Gesuch der BKW nicht richtig studiert. Erst durch Medienberichte wurde publik, dass Mühleberg II auch zwei Zwischenlager für Atommüll beinhalten würde. Diese böten nicht nur Platz für die Brennstäbe aus Mühleberg, sondern auch für Abfall aus anderen Schweizer AKWs.

 Wie sehr diese Enthüllungen den AKW-Gegnern in die Hände spielen, wird sich weisen. Ebenso, wovor die Bevölkerung mehr Angst hat: Vor einer "Stromlücke" oder vor der radioaktiven Strahlung bei einem Unfall wie in Tschernobyl. Denn auf diese Frage wird der Abstimmungskampf auf den Plakatwänden reduziert.

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Schweizer Bauer 9.2.11

Pro & Kontra

 Ist ein Ersatzkraftwerk in Mühleberg BE ein Fluch oder ein Segen? Auch die Landwirtschaft ist vom Entscheid betroffen. Die Diskussion darüber wird hart und meistens fair geführt. Eine Umfrage auf www.schweizerbauer.ch zeigt, dass die Abstimmung wohl knapp ausfallen wird. Deshalb sollten möglichst viele Stimmberechtigte an die Urne. Die wichtigsten Argumente für und gegen einen AKW-Ersatz zeigen abschliessend Lobag-Präsident Walter Balmer (Pro) und Biobäuerin Kathy Hänni (Kontra) auf. rh

 PRO

 "Ersatzkernkraftwerk ist notwendig"

 Mühleberg und die Förderung erneuerbarer Energie sind kein Widerspruch! Ich unterstütze deshalb das Ersatzkernkraftwerk Mühleberg als Übergangslösung, bis alternative Energien wie Windenergie, Fotovoltaik oder Biomasse-Energie ausreichend verfügbar sind. Die erneuerbaren Energien decken zurzeit rund 2% des Schweizer Strombedarfs. Der Stromverbrauch steigt weiter von Jahr zu Jahr an. Wenn wir die Produktion des Ersatzkraftwerks Mühleberg mit alternativen Energien ersetzen wollten, bräuchte es 9800 landwirtschaftliche Biogasanlagen oder 2900 Windturbinen - das ist unrealistisch. Eine lückenlose sichere Stromversorgung ist für die Landwirtschaftsbetriebe existenziell. Kernenergie ist nach wie vor preislich am konkurrenzfähigsten, was in der wirtschaftlich schwierigen Situation ein wesentlicher Faktor ist. Wir haben in der Lobag die Energieproduktion durch Landwirte intensiv gefördert und unterstützt. Die Lobag war 2007 Initiator und Gründungsmitglied der bernischen Taskforce für landwirtschaftliche Vergärungsanlagen, welche in ein kantonales Förderprogramm mündete. Die Lobag ist Mitglied des Vereins gasgeben.ch, welcher die Förderung erneuerbarer Energien, insbesondere landwirtschaftlicher Biogasanlagen, bezweckt. Wir haben von 2007 bis 2009 eine Beratungsstelle betrieben und den Aufbau einer solchen am Inforama unterstützt. Leider sind die Resultate aller Anstrengungen bzw. der daraus resultierende Stromertrag viel zu bescheiden, um der Landwirtschaft mittelfristig genügend Strom liefern zu können. Diese Erkenntnisse machen ein Ersatzkernkraftwerk Mühleberg notwendig, hindern mich aber nicht daran, persönlich und mit der Lobag für erneuerbare Energien einzustehen.

 Walter Balmer, Lobag-Präsident

 KONTRA

 "AKW verbaut uns einen Erwerbszweig"

 Biobäuerin Kathy Hänni, Grüne

 Ein neues Atomkraftwerk (AKW) schadet der Berner Landwirtschaft. Mühleberg 2 verbaut uns Bäuerinnen und Bauern einen zukünftigen Erwerbszweig (Sonne, Wind, Holz, Biomasse) und gefährdet mit seinen Abfällen unsere Böden, unsere Pflanzen und unsere Tiere, ja uns alle.

 Schon bei einem jederzeit möglichen Störfall mit nuklearem Austritt werden die Grenzwerte zu hoch sein. Niemand will dann unsere Produkte kaufen. Wir Bauern werden den Schaden ganz alleine tragen müssen.

 Es ist unverantwortlich und rücksichtslos, mit dem heutigen Wissen über ungefährliche Energiequellen sich über diese Tatsachen hinwegzusetzen. Windenergie ist schon heute kostengünstiger als Atomstrom. Die AKW-Technologie hat ausgedient. Die BKW betreibt aktiv eine Energiepolitik, die sich auf grosse Anlagen beschränkt und dezentrale, kleinere Projekte als unwirtschaftlich abtut. Das Gegenteil ist sinnvoll: Die grossen, nach Süden geneigten Dachflächen unserer Bauernhäuser und Scheunen eignen sich sehr gut zur Stromproduktion, ohne giftige Abfälle zu hinterlassen. Das ist zeitgemäss und bringt Fortschritt.

 Die BKW verbaut aktiv die Möglichkeiten für uns Bauern zur Beteiligung an einer sicheren, sauberen, einheimischen Stromversorgung. Atomstrom ist und bleibt importierter Strom, auch dann, wenn das Werk in der Schweiz steht. Für mich zählt neben Ernährungssouveränität eben auch Energiesouveränität. Die Angstmacherei mit der Stromlücke ist unbegründet. Das AKW Mühleberg schadet dem guten Ruf der Schweizer Landwirtschaft. Mit einem Atommülllager in unmittelbarer Nähe zum Gemüsebau Seeland und zu den Alpweiden lässt sich keine Werbung machen.