MEDIENSPIEGEL
14.2.11
(Online-Archiv:
http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)
Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Kulturtipps (Rössli, Infoladen, Kino, Tojo, DS, GH)
- (St)Reitschule: Leistungsvertrag unterschrieben
- Club-Leben: Aarbergergasse-Knatsch; Security-Knatsch
- Bahnhof-Zukunft: Mitwirkungsbericht
- Big Brother Sport: Raubtierkäfig-Affäre;
SBB-Extrazüge; Supporter Xamax
- Stadtrats-Sitzung 17.2.11: Linksterror in Bern
- RaBe-Info 9-14.11
- Anwalt der 1. Stunde: Polizei stöhnt
- Vermummung: Verbot schlecht durchsetzbar
- Big Brother: BE will präventive verdeckte Ermittlung
- Big Brother Video: Videoüberwachung in der Praxis
- Zwischengeschlecht: Operationen SG
- Sexwork: Strichdebatte LU + ZH
- Randstand Zug: FdP-Familien statt Randständige
- Drogen: Dealszene Chur; Kokser-Alltag;
- Nothlfe: 180 Gramm Hörnli in GR; Kempthal
- Ausschaffungen: Rückschaffungsabkommen mit Nigeria;
Schnellverfahren AG; Theater; autonome Blasmusik
- Migration Control: Festung Europa + die Südgrenze;
FdP-Migrationspolitik
- Gefangene: Brief Costa; Steven bleibt in UHaft ZH
- Anti-SVP: Verhaftung im Fehr-Fall; Ohrfeigen à la Hans Fehr
- Urnenklau: keine neuen Erkenntnisse in Allschwil
- KIFF Aarau: 20 Jahre gegen das Kleinbürgertum
- Antifa: Mit dem Bus von Konstanz nach Dresden
- Zum Tod von Peter Paul Zahl
- Weltsozialforum: Dakar für Weltgerechtigkeit
- Anti-Atom: AKW-JA gegen Stadt + Agglo; Wellenberg-Nein; Felslabor;
Immobilien-Preise
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REITSCHULE
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Mi 16.02.11
19.00 Uhr - Grosse Halle - Blinde Insel -
Gastküche:
eventmakers (Essen pünktlich 19.30 Uhr)
19.00 Uhr - SousLePont - Baskische-Spezialitäten
Do 17.02.11
19.00 Uhr - Grosse Halle - Blinde Insel -
Gastküche: eventmakers
(Essen pünktlich 19.30 Uhr)
20.00 Uhr - Frauenraum - Buchpräsentation Natasha
Walter "Living
Dolls" - Warum Frauen heute lieber schön als schlau sein wollen"
20.30 Uhr - Tojotheater - Charged. Von Cynthia Gonzalez
Dance Theater.
HEIMSPIEL extern
22.00 Uhr - Rössli - Midilux & Rössli
present: Heu, Stroh
und Hafer. - minimal techno
Fr 18.02.11
19.00 Uhr - Grosse Halle - Blinde Insel -
Gastküche: eventmakers
(Essen pünktlich 19.30 Uhr)
20.30 Uhr - Kino - Baskenland Soliwoche: Lucio Urtubia:
Baustelle
Revolution - Erinnerungen eines Anarchisten; Aitor Arregi/José
Maria Goenaga, Spanien 2007
20.30 Uhr - Tojotheater - Charged. Von Cynthia Gonzalez
Dance Theater.
HEIMSPIEL extern
20.00 Uhr - Dachstock - Jubilee: ZWEI JAHRE Wild Wild
East! THE GYPSY
QUEENS & KINGS mit ESMA REDZEPOVA, JONY ILIEV, MAHALA RAI BANDA,
KALOOME, FLORENTINA SANDU, AURELIA & TANTZICA. Support: DJ's Bobby
Baguette & Toni Peperoni- Gypsy-Madness! Balkan
Sa 19.02.11
19.00 Uhr - Grosse Halle - Blinde Insel -
Gastküche: eventmakers
(Essen pünktlich 19.30 Uhr)
17.00 Uhr - - Öffentliche Führung
durch die
Reitschule Treffpunkt grosses Tor
19.30 Uhr - Kino - Baskenland Soliwoche:
Infoveranstaltung über
die baskische Jugendbewegung
20.30 Uhr - Tojotheater - Charged. Von Cynthia Gonzalez
Dance Theater.
HEIMSPIEL extern
23.00 Uhr - Dachstock - Dachstock Darkside: KLUTE
(Commercial Suicide
Rec/UK), Deejamf (UTB/be), Silent Extent (Full Force/be), Ryck (Rabass)
-- Drumnbass
So 20.02.11
20.30 Uhr - Tojotheater - Charged. Von Cynthia Gonzalez
Dance Theater.
HEIMSPIEL extern
Infos:
http://www.reitschule.ch
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kulturstattbern.derbund.ch 11.2.11
Pirol im Rössli
Von Gisela Feuz am Freitag, den 11. Februar 2011, um 13:08 Uhr
Subversiv Records Label-Papi Dani Fischer strahlte gestern übers
ganze Gesicht und verkündetet mit stolzgeschwellter Brust: "So gut
wie heute waren die noch nie." Mit "die" meinte er seine
Schützlinge Pirol, ein Trio aus dem schönen Berner Oberland,
welches gestern sein neues Album "Rompelbock" im Rössli taufte.
Die drei Mannen fabrizieren gewaltigen Postrock. Also eigentlich
spielen sie ja einen Song lang jeweils die gleiche Melodie, jagen diese
aber durch sämtliche mögliche und unmögliche Tempi und
Täkte. Oder wie DJ Sir Hamesly es formulierte: "Versuch mal
irgendwo auf vier mitzuzählen. Geht nicht." Egal ob man
mitzählen konnte oder nicht, Pirol gefielen gestern mit ihrer
unaufgeregten Art, ihrer Gewaltigkeit und Genauigkeit.
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WoZ 10.2.11
Rechte in Social Networks
Michael Weiss vom Antifaschistischen Presse archiv und
Bildungszentrum Apabiz Berlin spricht über die Aktivitäten
der extremen Rechten in Social Networks wie Face book und MySpace.
Bern Infoladen der Reitschule, Neubrückstrasse 8, Fr, 11.
Februar, 20 Uhr.
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Woz 10.2.11
Baskenland
Zum zweiten Mal finden im Kino in der Berner Reitschule
Solidaritätsveranstaltungen zum Baskenland statt. Neben dem Film
"Ander" von Roberto Castón wird "Lucio Urtubia: Baustelle
Revolution - Erinnerungen eines Anarchisten" von Aitor Arregi und
José Maria Goenaga gezeigt. Urtubia war Sozialrebell,
Geldfälscher, Bandit, ein moderner Robin Hood. Sein Leben ist wie
ein Spiegel der revolutionären Bewegungen Europas in der zweiten
Hälfte des 20. Jahrhunderts. In "Ander" zeichnet Regisseur
Castón das Bild einer Bergbauernfamilie um die Hauptfigur Ander,
die autoritäre Mutter, die alles Fremde ablehnt, kaum Spanisch
spricht und starr an den Traditionen festhält. - Ausserdem gibt es
ein Gespräch mit Vertreter Innen der baskischen Jugendbewegung und
baskische Spezialitäten.
Bern Kino in der Reitschule, Neubrückstrasse 8, "Ander": Fr,
11. Februar, 20.30 Uhr, Sa, 12. Februar, 21 Uhr. "Urtubia": Fr, 18.
Februar, 20.30 Uhr. Gespräch: Sa, 19. Februar, 19.30 Uhr.
Baskisches Essen im "SousLePont": Mi, 16. Februar, ab 19 Uhr.
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BZ 10.2.11
Theater
Bühnenreifes Helfen
Das Thema Helfen ist ein Dauerbrenner - nicht nur in den Medien.
Die Hilfsindustrie holt uns mit Plakaten auf der Strasse ab und
begleitet uns beim Shopping. Im Stück "Let's Pretend to Be Human"
nehmen drei Darsteller die Benfizmaschinerie unter die Lupe. "Wie sieht
Helfen konkret aus?", fragen sie und stürzen sich Hals über
Kopf in ein Training für den Ernstfall.pd
Vorstellungen: heute und morgen, 20.30 Uhr, Tojo-Theater, Bern.
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BZ 10.2.11
Party I
Maskierter Mann
Der Mann mit der metallenen Maske kommt für ein DJ-Set in
den Dachstock der Reitschule: Im Rahmen der Partyserie "Patchwork"
tritt morgen Daniel Dumile alias Underground-Rapper DJ Doom auf, der
sich einst als Rapper MF Doom einen Namen gemacht hat. "MF" steht dabei
für "Metal Face", da der englische DJ, Rapper und Produzent bei
seinen Auftritten stets eine Maske trägt.pd
DJ-Set: Freitag, 11. Februar, ab 22 Uhr, Dachstock der
Reitschule, Bern. Tickets: www.petzitickets.ch
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BZ 10.2.11
Hip-Hop
Erwachsener Rap
Lyrisch wie musikalisch sei "Zum Glück in die Zukunft" das
beste deutschsprachige Hip-Hop-Album der letzten zehn Jahre, ist der
deutsche Rapper, Musiker und Produzent Jan Delay ("Beginner")
überzeugt. Von wem spricht er? Vom Rostocker Rapper Marteria, der
letztes Jahr mit seinem Debütalbum nicht nur in Deutschland Furore
gemacht hat. Nun kommt Marteria, mit dessen Texten sich auch Erwachsene
identifizieren können, zum ersten Mal nach Bern.pd
Konzert: Samstag, 12. Februar, 22 Uhr, Dachstock der Reitschule,
Bern. Informationen und Tickets: www.petzitickets.ch.
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kulturagenda.be 10.2.11
28 Jahre, dritte Karriere
Kicker, Model, Musiker: Rapper Marteria macht alles mit links. Im
Dachstock spielt er die neuen Songs seines zweiten Albums, "Zum
Glück in die Zukunft".
"Mein Name ist Marteria und du bist mein Uptown-Girl, du allein bringst
mein Eisfach zum abtau'n, Girl": So beginnt der Song "Marteria Girl"
des Rappers, dessen Name eigentlich Marten Laciny ist. Der
28-jährige Rostocker reiht nicht nur die Worte elegant aneinander,
sondern auch seine Karrierestationen. Zunächst sah es nach einer
Fussballerlaufbahn aus, Marteria schaffte es bis in die U17-Bundeself.
Doch diese interessierte ihn nicht mehr, als er als New- York-Reisender
von einem Modelscout entdeckt wurde. So erschien sein Gesicht auf
Hugo-Boss- und Diesel-Kampagnen. Nach wenigen Jahren verleidete ihm das
blosse Schönsein. Er besann sich auf die zweite Leidenschaft
seiner Teenagerzeit, das Rappen. Und siehe da: Auch seine dritte
Karriere läuft, als gäbe es nichts Einfacheres. Er ist bei
der Plattenfirma der Fantastischen Vier untergekommen, "Four Music".
Letzten Herbst hat er es mit seinem zweiten Album, "Zum Glück in
die Zukunft", in die deutschen Top 10 geschafft. Wer vom Leben so mit
Glück überschüttet wurde, kann getrost zuversichtlich in
die Zukunft schauen.
Michael Feller
\ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \
\ \ \ \ \ \ \ \
Dachstock der Reitschule, Bern
Sa., 12.2., 22 Uhr. www.dachstock.ch
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kulturagenda.be 10.2.11
Eine Insel der Dunkelheit
Die Blinde Insel ist mehr als nur ein temporäres Restaurant in der
Reitschule. Zum achten Mal schon lockt sie zum Diner in absoluter
Dunkelheit. Dazu serviert wird eine ordentliche Portion Kultur.
Die besondere Atmosphäre in der Blinden Insel lockt Publikum an.
Das Restaurant, in welchem Sehende bei völliger Dunkelheit von
Nichtsehenden bedient werden, wurde schon 12 000 Mal besucht. Den
Gästen werden Menüs in drei Gängen vorgesetzt,
zubereitet von vier verschiedenen Kochteams. Die Speisenfolge sei
simpel, aber stets schmackhaft. "Wir wollen die Gäste in der
Dunkelheit nicht kulinarisch überfordern", sagt Giorgio Andreoli,
Verantwortlicher der Blinden Insel. Damit aber nicht nur der Gaumen auf
Hochtouren kommt, wird auch was fürs Ohr aufgetischt, allerdings
aus der Konserve. Deutschschweizer Autorinnen und Autoren lesen ihre
eigens für die Blinde Insel verfassten Texte, die ab Band
eingespielt werden. Dieses Jahr hat die Blinde Insel jedoch kein Motto
gewählt wie in den letzen beiden Jahren mit dem Thema Klimawandel.
Lediglich der Kulturteil fällt unter den Leitspruch "Wahrnehmung",
an welchen die Schreibenden ihre Texte knüpfen.
"Die Autoren arbeiten mit einer anschaulichen Sprache. Der Zuhörer
soll die Bilder vor seinem inneren Auge sehen können", so
Andreoli. Dieses Jahr verwenden die Künstler zum ersten Mal auch
Geräusche und Musik, "allerdings nur dezent". Das Rezept geht auf.
"Der erste Samstag war ausverkauft ", meint Andreoli zufrieden. So
bietet die Blinde Insel mehr als nur Küche und Kultur, sondern
eine Möglichkeit, über den Tellerrand des Alltags in eine
andere Welt zu blicken.
Katharina Bornhauser
\ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \
\ \ \ \ \ \ \ \
Reitschule, Bern
Do., 10.2., bis Sa., 12.2., 19.30 Uhr
http://www.grossehalle.ch
--
Programm
Die Blinde Insel ist jeweils Mittwoch bis Samstag geöffnet. Zum
Essen sind folgende Texte zu hören:
• 9.02. - 12.2. Franz Hohler, "Fägswil"
• 16.02. - 5.3. Pedro Lenz, "Mir luege zunenang"
• 9.3. - 19.3. Mireille Gugolz & Clod, "Kostproben"
• 23.3. - 26.0. Franz Hohler, "Fägswil"
---
kulturagenda.be 9.2.11
Abenteuer Menschlichkeit
Von Grazia Pergoletti am Mittwoch, den 9. Februar 2011, um 06:07 Uhr
"Ich will helfen, einfach nur helfen. Und wenn jetzt jemand sagt, ich
hätte ein Helfersyndrom, dann hat er vielleicht Recht. Aber darf
man denn nicht mehr helfen? Darf man nicht mehr mit Anderen teilen?
Darf man nicht mehr geben? Darf man nicht mehr lieben?" Lotti Latrous
In "Let's Pretend To Be Human - Eine Exkursion ins Abenteuer
Menschlichkeit" lernen wir zwei Helferinnen und einen Helfer kennen:
Die eine das zupackende Organisationstalent, vor der man gleich ein
wenig Schiss bekommt, so gut sie es auch meint, die andere eine
zweifelnd bis verzweifelte Künstlerin, die endlich etwas
sinnvolles tun möchte und auch gerne etwas von sich erzählt,
der dritte im fürsoglichen Bunde ein zartes und freundliches
Wesen, um den man sich gleich selbst ein wenig Sorgen macht. Es werden
verschiedene Themen umkreist, vom Roten Kreuz bis zu absurden Spenden,
wobei Bob Geldofs Live-Aid einen zentralen Platz einnimmt, inklusive
Madonna, die Unheilige, die vor die Massen hin tänzelt und einfach
mal frisch von der Leber weg fragt: "Are you ready for a revolution?"
Das Projekt stellt auf verspielte Weise verschiedene Arten von Helfen
zur Diskussion, ein endgültiges Urteil darüber, ob es bessere
und schlechtere Varianten des Helfens gibt, liefert es nicht (dies war
jedenfalls meine Ansicht, während andere Zuschauer der Basler
Aufführung den Abend durchaus als recht moralisch empfanden). Ein
interessantes Thema und eine tatsächlich etwas unangenehme Frage,
die da gestellt wird, weil sie etwas mit uns zu tun hat und sich nicht
an ein Phantom richtet, das sowieso nicht im Publikum sitzt, wie das so
oft der Fall ist im freien Theater. Und bezaubernd hübsch gemacht!
Eine gute Gelegenheit also, den Regisseur Marcel Schwald und die
Schauspieler Susanne Abelein und Adrian Gillott zu entdecken. Und wie
schon erwähnt: Ein Wiedersehen mit der ziemlich einzigartigen
Ariane Andereggen. Heute Mittwoch bis Freitag im Tojo.
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(ST)REITSCHULE
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Bund 9.2.11
Reitschule unterschreibt Leistungsvertrag mit der Stadt
Die Reitschule-Betreiber haben am letzten Wochenende den
Leistungsvertrag mit der Stadt Bern für die Jahre 2012-2015
unterzeichnet. Veronica Schaller, Leiterin der städtischen
Abteilung Kulturelles, bestätigte einen entsprechenden Bericht der
"Berner Zeitung". Damit ist eine Forderung der Mitteparteien
erfüllt. Sie verlangten, dass der Vertrag bis am 24. Februar
unterzeichnet vorliege, ansonsten würden sie ihn ablehnen. Zuvor
hatte bereits die vorberatende Kommission die Ablehnung des Vertrages
empfohlen, da er noch nicht unterzeichnet war. Über die
Leistungsverträge der grossen, subventionierten Kulturbetriebe
entscheidet der Stadtrat voraussichtlich am 3. März.(bro)
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CLUB-LEBEN
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20 Minuten 11.2.11
Aarbergergasse: Nun soll der Gemeinderat eingreifen
BERN. Der Knatsch um die Aarbergergasse geht weiter. Politiker
und Clubbetreiber fordern vom Gemeinderat, er solle jetzt das Ruder
übernehmen.
Die Stadtregierung müsse sich jetzt endlich in die
Diskussion um das Berner Nachtleben einschalten, forderte gestern
Stadtratsmitglied Manuel Widmer (GFL) in einem offenen Brief an
Sicherheitsdirektor Reto Nause. "Der Gemeinderat soll die
Aarbergergasse als Ausgangszone definieren", so Widmer gegenüber
20 Minuten. Das sei eine Zone, in der nicht das Wohnen Vorrang habe,
sondern der Ausgang. "Daran wären aber Bedingungen geknüpft,
die auch durchzusetzen wären." So hätte die Stadt etwa eine
Handhabe gegenüber Betreibern, die sich nicht an
Sicherheitsbedingungen hielten.
Auch die SP und die junge FDP rufen nach dem Gemeinderat. "Mit
einer solchen Zone wären die Probleme wie Schlägereien und
Lärm am Wochenende aber nicht behoben", gibt FDP-Stadtrat Bernhard
Eicher zu bedenken.
"Der Gemeinderat hat sich bisher aus dieser Diskussion
herausgehalten", sagt Rolf Bähler vom Bonsoir Club. "Er soll jetzt
mit den Clubs definieren, wo und wie sich das Nachtleben entfalten
darf." Stephan Zesiger vom Liquid würde das ebenfalls
begrüssen: "In der Aarbergergasse besteht absolut
Handlungsbedarf."
PEDRO CODES
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Bund 9.2.11
Private Security: Reto Nause räumt Fehler ein
Man sei den Berner Innenstadt-Wirten "ein bisschen auf die
Füsse getreten", sagt der Sicherheitsdirektor.
Christian Brönnimann
"Suboptimal kommuniziert" und "im Wortlaut über das Ziel
hinausgeschossen": So beschreibt der Berner Sicherheitsdirektor Reto
Nause (CVP) ein Schreiben von Regierungsstatthalter Christoph Lerch,
das Ende letzter Woche an die Öffentlichkeit gelangt war ("Bund"
vom 5. 2.). Im Brief wird den Wirten und Clubbetreibern rund um die
Ausgehmeile Aarbergergasse mitgeteilt, dass sie sich in Zukunft
finanziell an einem privaten Sicherheitsdienst beteiligen müssen -
mit bis zu 5400 Franken jährlich.
Alles nur ein Missverständnis?
"Ich kann die Aufregung nachvollziehen, die das Schreiben
ausgelöst hat", sagt Nause. Aber es liege noch gar kein Konzept
auf dem Tisch. Man befinde sich erst in der Ideenphase. "Entschieden
ist nichts." Nause spricht im Nachhinein von einem
Missverständnis. Jedoch ist im Brief von einem "erarbeiteten
Sicherheitskonzept" die Rede, für welches bereits im nächsten
Herbst eine erste "Gesamtauswertung" geplant sei. Die Umsetzung sollte
also rasch vonstattengehen. Wirten, die nicht freiwillig mitmachen,
wurden Verfügungen angedroht.
Das zweite Missverständnis liegt laut Nause in der Funktion
des Sicherheitsdienstes. Es sei nie die Absicht gewesen, die Polizei
durch private Sicherheitsleute zu ersetzen. "Der Dienst ist eine
flankierende Massnahme, um die allgemeine Atmosphäre zu
verbessern", sagt Nause. "Es ist unbestritten, dass für die
Sicherheit die Polizei verantwortlich bleibt."
Insgesamt sei man den Wirten wohl "ein bisschen auf die
Füsse getreten", sagt Nause. Den Brief habe er erst gesehen, als
er bereits verschickt war. Der Gesamtgemeinderat sei in der Sache
überdies nicht involviert. Er habe die Stadtregierung erstmals
letzten Mittwoch mündlich über die Gespräche mit dem
Regierungsstatthalter und der Polizei orientiert, sagt Nause. "Dabei
reagierte der Gemeinderat mit Skepsis und brachte Fragezeichen zum
Einsatz privater Sicherheitsdienste an."
Parlamentarier werden aktiv
"Das tönt alles ganz anders als bislang", kommentiert
FDP-Stadtrat Bernhard Eicher die Aussagen Nauses. "Aber eigentlich ist
es nur die logische Konsequenz aus den lauten Reaktionen." Gemeinsam
mit Vertretern von SVP und BDP wird Eicher nächste Woche im
Parlament einen Vorstoss einreichen, in welchem der Gemeinderat
aufgefordert wird, die Übung abzublasen und stattdessen die
Polizeipräsenz zu erhöhen.
Auch nach der Kritik will Nause an der "Idee an sich"
festhalten.Es liege im Interesse aller, der "teils fiebrigen Stimmung"
entgegenzuwirken.Die Polizeipräsenz sei im fraglichen Stadtteil
bereits sehr hoch und werde ab Herbst weiter erhöht.
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20 Minuten 9.2.11
Sichere Altstadt durch Polizei
BERN. Um die Sicherheit der Restaurant- und Clubgäste in der
oberen Berner Altstadt soll sich die Polizei kümmern, fordern
bürgerliche Politiker. Mit dem Vorstoss reagieren sie auf ein
Schreiben des Regierungsstatthalters Christoph Lerch, das verlangt,
dass die Lokalbesitzer an den Wochenenden einen privaten Ordnungsdienst
stellen und diesen gemeinsam berappen. Die Politiker wollen das
Gewaltmonopol aber bei der Polizei behalten. Dafür fordern sie
eine Erhöhung der Polizeipräsenz um 2000 Stunden pro Jahr.
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BAHNHOF-ZUKUNFT
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be.ch 14.2.11
Handlungsbedarf für den Ausbau des Bahnhofs Bern in der Mitwirkung
unbestritten
In der Öffentlichkeit geniesst der Bahnhof Bern einen hohen
Stellenwert. Der grosse Handlungsbedarf zu dessen Ausbau ist
unbestritten. Ebenfalls unbestritten ist der durchgehende Ausbau der
Bahnlinie Bern - Solothurn auf Doppelspur. Dies sind die Ergebnisse der
öffentlichen Mitwirkung zum Sachplan Verkehr, Teil "Infrastruktur
Schiene im Raum Bern". Die Situation bei den Publikumsanlagen im
Bahnhof Bern - insbesondere beim RBS, aber auch bei den SBB - wird als
prekär erachtet. Deshalb soll so rasch wie möglich mehr Platz
für die Passanten geschaffen werden. Beim Ausbau des Bahnknotens
Bern ist es den an der Mitwirkung Teilnehmenden ein Anliegen, dass
langfristig und ganzheitlich geplant wird und die Koordination mit den
umliegenden Projekten sichergestellt ist. Von grosser Bedeutung ist die
städtebauliche Integration des Bahnhofs. In der gesamten Planung
sollen Auswirkungen auf den sensiblen Siedlungs- und Aareraum stets
beachtet und so gering wie möglich gehalten werden.
Der Kanton Bern erwartet, dass die Ergebnisse des Planungsprozesses
"Zukunft Bahnhof Bern" bei der Verabschiedung des Sachplans vom
Bundesrat berücksichtigt werden. Das Gesamtkonzept für den
Ausbau des Bahnhofs Bern wird vor den Sommerferien der
Öffentlichkeit vorgestellt. Der Mitwirkungsbericht ist hier
abrufbar.
http://www.zukunftbahnhofbern.ch/index.php?id=43
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BIG BROTHER SPORT
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Schweiz Aktuell sf.tv 14.2.11
"Raubtierkäfig" hat sich bewährt
Erstmals stand am Wochenende beim Risikospiel YB-FCZ in Bern ein
mobiler Sicherheitszaun im Einsatz. Weil Berns Sicherheitsdirektor Reto
Nause den Zaun salopp als "Raubtierkäfig" bezeichnete, zog er den
Zorn der Fans auf sich. Nun hat sich die Aufregung gelegt, der Zaun hat
sich im Einsatz bewährt, und der Sicherheitsdirektor entschuldigt
sich bei den Fussballfans für seine Formulierung.
http://videoportal.sf.tv/video?id=96e8411c-c8d2-417f-aa35-bd0fa0ba8d78
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Bund 14.2.11
Neuer Sicherheitszaun übersteht Feuerprobe
Das "Risikospiel" YB - FC Zürich verlief weitgehend
friedlich.
Reto Siffert
Daran, dass viele Fussballspiele der Super League nicht ohne
beträchtliches Polizeiaufgebot auszukommen scheinen, hat man sich
mittlerweile gewöhnt. Ein gut zwei Meter hoher mobiler
Sicherheitszaun stellt nun das neuste Element im Sicherheitsdispositiv
rund um das Stade de Suisse für sogenannte Risikospiele dar.
Bei der Partie zwischen den Berner Young Boys und dem FC
Zürich am Sonntag gelangte der Zaun zum ersten Mal zum Einsatz,
und zwar als zusätzliche Absicherung auf dem Weg zwischen dem
S-Bahnhof Wankdorf und dem Eingang des Gästesektors. So wurde der
Abschnitt bei der Kreuzung Winkelriedstrasse/Sempachstrasse für
die Ankunft der Zürcher Fans teilweise und bei deren Abzug aus dem
Stadion vollständig abgeriegelt.
Polizei ist zufrieden
Michael Fichter, Mediensprecher der Kantonspolizei Bern, zieht
insgesamt eine positive Bilanz des gestrigen Fussballabends aus
Sicherheitsperspektive: "Abgesehen davon, dass sich nach dem Spiel ein
paar Fans am Zaun zu schaffen machten, verlief der Polizeieinsatz
weitgehend ruhig." Der Polizei stehe damit ein effizientes
Einsatzmittel zur Verfügung, das je nach Situation zum Zug kommen
soll. Die Kosten für die Zaunverlängerung von 140 000 Franken
trägt YB gemäss Mitteilung allein.
Begriffspolemik vor dem Spiel
Für Unverständnis hatte im Vorfeld der Partie die
Aussage des Stadtberner Sicherheitsdirektors Reto Nause gesorgt: Er
hatte den Zaun als "Raubtierkäfig" bezeichnet. Darauf riefen die
Zürcher Fans in Online-Foren dazu auf, nicht den üblichen
Extrazug der SBB zu nehmen, sondern mit dem regulären
öffentlichen Verkehr früher anzureisen. In die Empörung
über Nauses Wortwahl mischte sich der Protest über die
Fahrzeiten der Extrazüge, die in den Augen der Zürcher Fans
zu knapp bemessen sind.
Ebenso irritiert über die Äusserung Nauses zeigte sich
die YB-Clubleitung. In einem Communiqué distanzierte sie sich
klar von der Aussage und versuchte, die Wogen bei den
FCZ-Anhängern zu glätten. Die mobilen Gitterzäune seien
keinesfalls als Provokation aufzufassen. "Das Bestreben ist es, mit der
Verlängerung des bestehenden Zauns für zusätzliche
Sicherheit zu sorgen und die Anzahl der im Einsatz stehenden
Polizeikräfte zu verringern", teilte der Verein letzte Woche mit.
Am Freitag hatten sich SBB und Kantonspolizei schliesslich doch
noch auf einen früheren Extrazug geeinigt, der den Vorstellungen
der Zürcher Fans entgegenkam. Der Sicherheitsdirektor
kündigte zudem eine Entschuldigung auf dem YB-Forum an, sofern es
zu keinen Ausschreitungen komme.
Die Bemühungen blieben nicht ohne Erfolg: Die angedrohte
unkontrollierte Anreise der FCZ-Fans konnte gestern verhindert werden.
Welcher Aufwand für Sicherheit?
Trotz positiver Bilanz nach dem erstmaligen Einsatz des Zauns
bleiben Fragen zum Umgang mit Gewalt an Fussballspielen offen. Auch die
sogenannt "friedlichen Fussballfeste", wo es zu keinen Randalen kommt,
gehen längst nur noch mit einer strikten sektoriellen Trennung der
Fangruppen über die Bühne. Dass es in allen grösseren
Vereinen der Schweiz eine gewisse Anzahl gewaltbereiter Anhänger
gibt, wird kaum bestritten. Dennoch müssen sich die
Verantwortlichen für die Sicherheit im und um das Stadion
permanent die Frage stellen, wo der beste Weg liegt, um bei allen
Sicherheitsvorkehrungen möglichst deeskalierend auf die Fans zu
wirken.
Den neuen Sicherheitszaun erachtet die Kantonspolizei jedenfalls
als probates Mittel, um allgemein für mehr Sicherheit an den
Super-League-Partien zu sorgen. Dazu könnte die Massnahme auch in
der Diskussion um die Kosten eine Rolle spielen. "Bereits mit dem
gestrigen Einsatz konnte die Zahl der Polizisten vor Ort erheblich
gesenkt werden", erklärt Polizeisprecher Fichter.
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BZ 14.2.11
Mobiler Zaun hielt Fans auseinander
Stade de SuisseDer mobile Sperrzaun zwischen Bahnhof Wankdorf und
Stadion hat sich gestern bewährt. Die FCZ-Fans blieben insgesamt
friedlich.
Fence-Box heisst der mobile Zaun, der gestern in Bern beim
Fussballspiel YB gegen Zürich zum ersten Mal zum Einsatz kam und
der im Vorfeld des Matchs für Diskussionen sorgte (siehe Kasten).
Der Aufbau ging rasch: Zuerst platzierten Polizisten über zwei
Meter hohe Metallstangen auf der Winkelriedstrasse. Zum Teil wurden die
Pfosten in Löchern verankert oder mit Platten fixiert. Zuoberst
zogen Techniker ein Kabel durch Schlaufen und montierten bei jeder
Stange eine Rolle. Anschliessend rollten sie aus einem Container den
Gitterzaun ab und schoben ihn am Kabel hängend über die
Strasse.
Der Aufbau wurde geübt, während das Spiel lief. Der
Zaun wurde jedoch wieder in die Container eingerollt, damit der Verkehr
auf der Winkelriedstrasse zirkulieren konnte. Er wurde erst wieder
montiert, nachdem die Berner Fans das Stadion verlassen hatten. Die
Zürcher Fans wurden im Stadion so lange zurückgehalten, bis
der Zaun wieder stand. Und durch diesen Gitterkorridor mussten die
Zürcher Fans vom Stade de Suisse marschieren, um zum nahen Bahnhof
Wankdorf zu gelangen. Auf beiden Seiten des Korridors standen
Polizeigrenadiere bereit. Auch Absperrfahrzeuge und der Wasserwerfer
waren vor Ort.
Polizei zufrieden
"Das System mobiler Zaun hat sich sehr bewährt", sagte
gestern Abend Michael Fichter, Mediensprecher der Kantonspolizei. "Wir
konnten so verhindern, dass Fans aus Bern und Zürich
aufeinandertrafen." Laut Fichter konnte dank dem Zaun das
Polizeiaufgebot im Vergleich zu früheren Risikospielen reduziert
werden. Der Polizeieinsatz sei insgesamt ruhig und positiv verlaufen
und die Separierung der Fangruppen gelungen, so Fichter. "Es gab nur
einen kurzen Einsatz nach dem Spiel, als Fans am Gitterzaun
rüttelten."
Jürg Spori
--
Nause sagt SorrY
Der Stadtberner Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP) entschuldigt
sich bei den YB-Fans: "99 Prozent der Berner Fans haben ein dickes
Sorry verdient", sagte Nause gestern Abend auf Anfrage dieser Zeitung.
Doch Nause betont: Die Abreise der FCZ-Fans sei problematisch gewesen.
"Ein Fussballfest stelle ich mir anders vor." Bei der Abreise
hätten FC-Zürich-Fans die Polizei attackiert. "Es brauchte
einen Wasserwerfer, um die Chaoten in Schach zu halten." Solche Szenen
würden zeigen: "Dieser Fanzaun ist leider nötig." Ohne Zaun
sei es schwierig, Zusammenstösse zwischen Fangruppen zu verhindern.
Im Vorfeld der Risikopartie hatte Reto Nause den Sicherheitszaun
zwischen der S-Bahn-Station Wankdorf und dem Stade de Suisse als
Raubtierkäfig bezeichnet. Die YB-Fanorganisationen
Gäubschwarzsüchtig und Ostkurve Bern sahen in diesem Ausdruck
eine "Beleidigung an alle Schweizer Fussballfans". Sie forderten von
Nause eine Entschuldigung.tob
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bernerzeitung.ch 13.2.11
Sicherheitszaun kommt erstmals vollständig zum Einsatz
sda / met
Rund um das Fussballspiel Young Boys Bern - FC Zürich vom
Sonntag wurde zwischen dem Berner Stade de Suisse und der Bahnstation
Bern-Wankdorf erstmals ein neuer Sicherheitszaum vollständig
aufgestellt. Die Polizei ist zufrieden damit.
Der mobile Zaun dient dazu, zwischen dem Stade de Suisse und der
Bahnstation die beiden Fanlager auseinanderzuhalten. Dies habe am
Sonntag gut geklappt, sagte Einsatzleiter Heinz Thomann am
Sonntagabend. Zuerst sei der Zaun nur teilweise aufgebaut worden, am
Schluss ganz.
Bisher wurde der Zaun zwar auch schon gezogen, doch nie auf der
ganzen Distanz zwischen Stadion und Bahnhof.
Überhaupt verlief der Polizeieinsatz am Sonntag zur
Zufriedenheit des Einsatzleiters: Grössere Probleme habe es nicht
gegeben und die Fans des FC Zürich seien per Extrazug angereist,
nicht individuell. Zu Anhaltungen von Fans kam es nicht.
Nauses unglücklicher Vergleich
Der Sicherheits- oder Lenkungszaun war in der vergangenen Woche
in die Schlagzeilen geraten, weil der Berner Sicherheitsdirektor Reto
Nause von einem "Raubtierkäfig" gesprochen hatte und damit sowohl
Zürcher wie Berner Fans erboste.
Der vom Stade de Suisse finanzierte Zaun soll nicht nur die
Polizeiarbeit erleichtern, er soll es auch erlauben, das
Polizeiaufgebot bei solchen Risikospielen zu verringern.
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NZZ am Sonntag 13.2.11
Aussenrist
Zirkus mit Direktor Nause
Am Sonntag spielen im Stade de Suisse die Young Boys gegen den FC
Zürich. Weil es in der Vergangenheit zu Scharmützeln zwischen
den Fangruppen gekommen ist, will man in Bern nun einen mobilen Zaun
montieren, der von der Bahnstation Wankdorf bis zum Stadion führt.
Damit soll das Polizeiaufgebot verringert werden, was zu
Kosteneinsparungen führt. So weit, so gut. Wäre da nicht der
Berner Sicherheitsdirektor Reto Nause. Der CVP-Mann bezeichnete
ebendiesen Zaun am Mittwoch in der "Berner Zeitung" als
"Raubtierkäfig". Eine bedenkliche Wortwahl, die nicht zuletzt
Gastgeber YB in Verlegenheit brachte, der sich mittels
Communiqué "vehement" von Nauses Äusserungen distanzierte.
Auch Berner Fangruppierungen solidarisierten sich mit den Raubtieren
aus Zürich. Nause zeigt sich ungerührt. Er übernehme die
Verantwortung für seine Äusserungen, sagte er. Eine
Entschuldigung hält er gleichwohl nicht für unmöglich.
Wenn es am Sonntag keine Ausschreitungen gebe, werde er ein "dickes
Sorry" ins YB-Forum posten. Dick oder nicht - eigentlich sind Sorrys
nicht an Bedingungen geknüpft. Das scheint den Dompteur im Zirkus
Nause nicht zu kümmern. Er schwingt lieber die Peitsche. (cen.)
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BZ 12.2.11
Erfolg für FCZ-Fans
Stadt BernDie Drohung der FCZ-Fans hat Wirkung gezeigt: Weil sie
am Sonntag mit den regulären SBB-Zügen zum Spiel gegen YB
anreisen wollten, fährt der Extrazug nun wie von den Fans
gefordert früher.
Entspannung vor dem sonntäglichen Fussballknaller YB - FC
Zürich: Die FCZ-Fans haben gestern ihren Aufruf
zurückgenommen, den Extrazug zu boykottieren und mit den
regulären SBB-Zügen anzureisen. Zum Boykott hatten sie
aufgerufen, weil sie sich schikaniert fühlten (Ausgabe vom
Donnerstag).
Dass Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP) den neuen durchgehenden
Sicherheitskorridor vom Bahnhof Wankdorf zum Stade de Suisse unbedarft
"Raubtierkäfig" genannt hat, war dabei nur der Tropfen, der das
Fass zum Überlaufen gebracht hat. Die FCZ-Fans ärgerten sich
schon länger über die "zunehmende Schikanierung" an
Auswärtsspielen. Dabei ging es vorab darum, dass die
Abfahrtszeiten der Extrazüge aus Sicherheitsgründen so
spät angesetzt werden, dass es nicht alle Fans rechtzeitig vor
Anpfiff durch die rigorosen Eingangskontrollen ins Stadion schaffen. So
geschehen letzten Sonntag in St. Gallen, wo die Fans auch schon einen
Boykott erwogen haben.
Polizei hat nachgegeben
Gegenüber dieser Zeitung hat SBB-Pressesprecher Jean-Louis
Scherz bereits am Donnerstag erklärt, dass man mit den
"zuständigen Behörden" Massnahmen treffen müsse, sollten
die Fans mit ihrem Boykott Ernst machen. Nun wurden diese Massnahmen
ergriffen, wie das zentrale FCZ-Fanforum "Südkurve"
verkündet: "Die Polizei hat soeben informiert, dass nun doch eine
frühere Ankunftszeit zugelassen wird. Somit werden wir doch per
Extrazug anreisen in der Hoffnung, dass durch die neue ausreichende
Zeitspanne alle FCZler problemlos und rechtzeitig zum Anpfiff im
Stadion sind." Die Mitteilung endet mit dem Aufruf, dass sich die Fans
nicht "von Gittern und massivem Polizeiaufgebot" provozieren lassen
sollen.
Ankunft um 14.16 Uhr
Der Fanzug kommt nun bereits um 14.16 im Wankdorf-Bahnhof an,
fast zwei Stunden vor Spielbeginn und rund eine Stunde früher als
geplant. Mit der Ankunft des Zugs wird der neue mobile Zaun kurzfristig
über die Winkelriedstrasse aufgestellt. Sobald die FCZ-Fans
durchmarschiert sind, wird der Zaun demontiert und die Hauptstrasse
wieder für den Verkehr freigegeben. Dasselbe Prozedere wiederholt
sich nach Spielschluss um 17.45 Uhr.
Mit dem Einlenken der Polizei und der Vorverschiebung des
Extrazugs konnte wohl ein Chaos verhindert werden: Bei einem Boykott
wären die 1500 erwarteten FCZ-Supporter via Innenstadt angereist.
Adrian Zurbriggen
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BZ 11.2.11
Fans fordern ein Sorry von Nause
Stade de SuisseYB-Fans fordern von Reto Nause eine
öffentliche Entschuldigung für den Ausdruck
"Raubtierkäfig" im Zusammenhang mit dem Fanzaun. Der Stadtberner
Sicherheitsdirektor spielt den Ball an die Fans zurück.
Die YB-Fanclub-Verbände "gäubschwarzsüchtig" und
"Ostkurve Bern" beschwerten sich in einer Mitteilung über den
Stadtberner Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP). Dieser hatte im
Zusammenhang mit dem Sicherheitszaun zwischen dem S-Bahnhof Wankdorf
und dem Stade de Suisse in dieser Zeitung von einem
"Raubtierkäfig" gesprochen. "Das ist eine Entgleisung
sondergleichen gegenüber allen Schweizer Fussballfans", schreiben
die Fanorganisationen. Einmal mehr zeige diese Wortwahl auf, in welchem
Licht Fussballfans gesehen würden. Die Fans fordern Reto Nause zu
einer "unmissverständlichen Entschuldigung" auf für seine
"diskreditierende Äusserung".
Darauf angesprochen, sagt Reto Nause: Er übernehme die
Verantwortung für seine Äusserungen. "Und ja, ich werde ein
dickes Sorry ins YB-Fanforum posten - aber nur, wenns rund um die
Partie zwischen YB und dem FC Zürich keine Ausschreitungen gibt."
Der Sicherheitsdirektor appelliert an die Fans: "Auch sie haben eine
Verantwortung. Denn von ihrem Verhalten hängt es ab, ob das Spiel
am Sonntag ein friedliches Fussballfest wird."
YB-Fans unterstützen Zürcher
Die YB-Fanorganisationen unterstützen den Plan der
Schlachtenbummler aus Zürich. Diese wollen die Anreise im
offiziellen Fanzug boykottieren - und damit die Ankunft am
Wankdorfbahnhof und den Gang durch den erstmals zum Einsatz kommenden
"Raubtierkäfig" verhindern. Stattdessen rufen die FCZ-Fans im
Internet zur Anreise mittels SBB-Regelzügen via Berner
Hauptbahnhof auf. "Nach den Äusserungen Nauses können wir
diese Reaktion nachvollziehen", schreiben die YB-Fans.
Die Kantonspolizei warnt für den Sonntagnachmittag vor
"Verkehrsbehinderungen im Raum Wankdorf". Die Winkelriedstrasse ist in
beiden Richtungen zeitweise gesperrt. Die Polizei empfiehlt den Berner
Zuschauern, frühzeitig mit den öffentlichen Verkehrsmitteln
anzureisen. Das Stade de Suisse öffnet seine Tore bereits 14.30
Uhr, die Partie beginnt um 16 Uhr.
Tobias Habegger
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Le Matin 11.2.11
Les CFF serrent la vis
Hooligans Le transport des supporters par train pourrait être
refusé et les clubs priés de passer à la caisse.
rocchi
Le championnat de Super League bat son plein en Suisse et rien ne
va plus. Dimanche dernier encore, 800 supporters du FC Sion
transportés par train spécial à Neuchâtel,
ont semé la violence et la pagaille à la gare et en
ville. Et l'alerte est maximale pour le match Young Boys - FC Zurich ce
week-end à Berne. Pour les CFF, en tout cas, la coupe est pleine.
La saison dernière, 140 trains spéciaux ont
été affrétés pour le déplacement de
supporters. Et cela a occasionné pour plus de 3
millions de francs de frais non couverts (dégâts,
nettoyages, personnel d'accompagnement supplémentaire). "Les CFF
ne sont plus prêts à supporter seuls ces coûts",
annonce Jean-Louis Scherz, porte-parole.
Aux clubs de payer
Les CFF sont en train de négocier avec la Swiss Football
League (SFL) pour obtenir que les clubs passent à la caisse.
"Ils doivent prendre la responsabilité des agissements des
supporters dans l'espace public, y compris dans les transports
publics", précise Jean-Louis Scherz. A voir la réaction
négative de la SFL (lire l'encadré), la
négociation s'annonce difficile.
Pouvoir refuser les fans dangereux
Mais les CFF veulent aller plus loin encore. Ils demandent
d'être libérés de l'obligation légale de
transporter tout voyageur et de pouvoir ainsi refuser des fauteurs de
troubles potentiels. Une demande dans ce sens a été
déposée auprès de l'Office fédéral
des transports (OFT).
Jean-Louis Scherz explique le sens de la démarche: "Nous
voulons être couverts juridiquement au cas où une police
cantonale nous signifierait de ne pas transporter de fans vers un lieu
de match. L'OFT nous a assurés de son appui si un tel cas se
présente à l'avenir. "
Studer applaudit
Responsable de la police dans son canton, le conseiller d'Etat
neuchâtelois Jean Studer n'exclut pas de recourir à cette
nouvelle possibilité. "C'est une piste très
intéressante, dit le magistrat. Le fait que les CFF
réagissent de leur côté, prouve que nous ne sommes
pas les seuls à songer à des mesures radicales. "
Après les débordements des supporters valaisans, Jean
Studer s'est en effet fâché et il a menacé
d'interdire des matches s'il le faut.
Du côté des clubs, on renvoie la balle aux CFF,
estimant que leur offre de trains spéciaux est néfaste et
que des transports par cars seraient plus sûrs pour éviter
les débordements. Cet argument fâche les CFF: "Alors que
les autocaristes sont de moins en moins intéressés
à transporter des fans, notre offre de trains spéciaux
est un moindre mal. Cela permet de séparer les supporters des
autres voyageurs. Par le passé, nous avons vécu des
expériences négatives de fans transportés dans des
trains réguliers. " Et Jean-Louis Scherz d'ajouter que le
transport de supporters est tout sauf rentable!
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"L'état ne fait pas son travail!"
Directeur de la Swiss Football League, EdmondIsozréagit
négativement aux nouvelles exigences des CFF. "Il n'est pas
normal de faire passer les clubs à la caisse. Comment
déterminer qui a causé quel dégât et
l'imputer à un club en particulier?"
Pour lui, c'est clair: "L'Etat ne fait pas son travail! C'est
à la police d'assurer l'ordre public et d'empêcher les
dégâts dans les trains. Il est trop facile de s'en prendre
toujours aux clubs. " Edmond Isoz rappelle que "la Suisse est le seul
pays à faire payer aux clubs les frais de sécurité
publique hors des stades. Nous versons près de 9
millions de francs par année aux autorités. "
Le directeur de la SFL ne croit pas davantage à un
régime d'interdiction dans les trains: "Chacun jouera au chat et
à la souris, plutôt que d'avoir affaire à des
convois de supporters groupés. "éL. R.
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Blick am Abend 10.2.11
BERN
Der Raubtierkäfig ist nur ein Zaun
FANS
Der Sicherheitszaun sorgt für Ärger. FCZ-Fans wollen
sogar auf den Sonderzug verzichten.
peter.pflugshaupt@ringier.ch
Raubtierkäfig" hat das Potenzial, zum Wort des Jahres
gewählt zu werden. Sicherheitsdirektor Reto Nause verwendete den
Ausdruck im Zusammenhang mit dem verlängerten Sicherheitszaun
zwischen S-Bahnhof Wankdorf und Stadion. Der Zaun soll die bestehende
Lücke im Bereich der Kreuzung schliessen und dient vor allem zur
Kostensenkung dank Personaleinsparung seitens der Polizei. Der Zaun
soll am Sonntag beim Spiel YB gegen Zürich getestet werden, kommt
aber möglicherweise gar nicht vollständig zum Einsatz.
Trotzdem fühlen sie viele Fans provoziert. Zürcher wollen
jetzt sogar auf den Sonderzug verzichten, um dem "Käfig"
auszuweichen.
Reto Nause sagte heute morgen zu Blick am Abend: "Die Frage ist
doch, warum solche Zäune überhaupt nötig sind. Weil sich
nicht alle Fans immer vorbildlich verhalten. Der Verband und die Liga
verhalten sich zu passiv."
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BZ 10.2.11
Wegen "Raubtierkäfig": FCZ-Fans drohen mit Boykott
Stadt BernWeil sie sich in Bern schikaniert fühlen, wollen
die Fans des FC Zürich am Sonntag nicht mit dem Extrazug zum Spiel
gegen YB fahren. Reisen sie individuell an, droht Chaos.
Eigentlich sollte es ab diesem Sonntag rund ums Stade de Suisse
an Spieltagen viel ruhiger werden: Geplant wäre, dass die Fans des
Gastklubs per Extrazug anreisen und vom Bahnhof Wankdorf durch einen
lückenlosen Sicherheitskorridor ins Stadion gelangen.
Dumm nur, dass Berns Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP) den
durch einen mobilen Zaun gebildeten Korridor gestern in dieser Zeitung
"Raubtierkäfig" genannt hat: Die unbedarfte Äusserung brachte
den angestauten Unmut der Gästefans vom Sonntag zum
Überlaufen: Die Anhänger des FC Zürich ärgern sich
schon länger über die "zunehmende Schikanierung" an
Auswärtsspielen. Zankapfel sind vor allem die Abfahrtszeiten der
Extrazüge, die - offenbar aus Sicherheitsgründen - so
spät angesetzt werden, dass es nicht alle Fans rechtzeitig zum
Spielbeginn ins Stadion schaffen.
Die FCZ-Fans wollen darum am Sonntag den Extrazug boykottieren
und mit den regulären Zügen anreisen. Damit entkämen sie
auch dem "Raubtierkäfig", weil sie via Hauptbahnhof anreisen
würden. Für die Polizei wären die 1500 erwarteten
Zürcher Fans viel schwerer zu kontrollieren. SBB und Polizei
wollen darum "Massnahmen" treffen, um dies zu verhindern. Näheres
wollten die Verantwortlichen nicht verraten.
YB, das den mobilen Zaun finanziert, distanzierte sich gestern in
einer Medienmitteilung von Nauses Äusserung. Der Verein appelliert
ebenso wie der FCZ an die Fans, mit dem Extrazug anzureisen. Danach sah
es gestern aber nicht aus: Auf den FCZ-Fanforen wurde "offiziell" zum
Boykott aufgerufen. Gleichzeitig schrieben die Fanvertreter aber, dass
es ihnen nicht um Provokation ginge. So rufen sie die Fans zu
"deeskalierendem" Verhalten auf.
Zu diesen Aufrufen wollte Reto Nause gestern nicht Stellung
nehmen. Er sagte bloss, dass durch seine Wortwahl ein falsches Bild
entstanden sei: Den Sicherheitszaun habe es in der Vergangenheit
bereits gegeben. Neu werde bloss die 150 Meter grosse Lücke
über die Winkelriedstrasse geschlossen, sodass der Zaun nun
durchgehend sei. Damit werde die konsequente Fantrennung
fortgeführt, dank der es in letzter Zeit ums Stadion viel ruhiger
geworden sei.azuSeite 3
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"Raubtierkäfig": FCZ-Fans sind empört
Stade de SuisseDie FCZ-Fans wollen am Sonntag statt im Extrazug
individuell zum Match gegen YB anreisen. Sie protestieren damit gegen
die "zunehmende Schikanierung" der Fans.
Er sollte die Lösung des Sicherheitsproblems rund um das
Stade de Suisse werden: der mobile Zaun zwischen der S-Bahn-Station
Wankdorf und der Fussballarena, der am Sonntag anlässlich des
Spiels YB - FC Zürich erstmals im Einsatz ist. Dank diesem Zaun
sollen in Zukunft weniger Polizisten im Einsatz stehen.
Doch nun droht der Zaun zum Rohrkrepierer zu werden - wegen eines
saloppen Ausspruchs von Berns Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP), der
den Zaun in dieser Zeitung gestern "Raubtierkäfig" nannte. Diese
Aussage brachte die FCZ-Fans in Rage: In ihren Fanforen rufen sie dazu
auf, nicht im Extrazug, sondern in den regulären Zügen
anzureisen. Diese halten natürlich nicht an der S-Bahn-Station,
sondern erst im Hauptbahnhof - die Gästefans wären so
für die Polizei noch schwieriger zu kontrollieren.
YB musste reagieren
Mit diesem Boykott wolle man keinesfalls die Polizei provozieren,
heisst es im zentralen FCZ-Fanforum "Südkurve": Vielmehr gehe es
darum, "dieser Tendenz der zunehmenden Schikanierung Einhalt zu
gewähren".
Die Aufregung unter den FCZ-Fans schreckte gestern auch die
YB-Verantwortlichen auf: In einer Medienmitteilung distanzierte sich
der Klub "vehement" von Nauses Darstellung. Doch der Schaden
dürfte angerichtet sein: Auf der "Südkurve" wurde der
"offizielle" Fantreffpunkt verschoben. Bis gestern wollten sich die
FCZ-Anhänger um 13 Uhr für den Extrazug versammeln, jetzt
wollen sie dies bereits um 11.30 Uhr tun.
Extrazüge fahren zu spät
Dass die FCZ-Fans kaum vom Boykott des Extrazugs abzuhalten sind,
hat aber nicht nur mit Nauses unbedachter Äusserung zu tun: Die
Fans ärgern sich schon lange darüber, dass die Extrazüge
zu knapp am Auswärtsspielort eintreffen und einige Fans wegen der
rigorosen Eingangskontrollen den Spielbeginn verpassen - so geschehen
letztes Wochenende beim FCZ-Gastspiel in St. Gallen. "Auch diesmal sind
wir bei der Polizei, welche der SBB die Ankunftszeiten diktiert, mit
unserem Anliegen auf taube Ohren gestossen", heisst es auf der
"Südkurve" im Hinblick auf das Spiel in Bern.
Zu diesem Vorwurf sagt Polizeisprecherin Daniela Sigrist
lediglich, dass über die Abfahrtszeiten der Extrazüge
selbstverständlich "Absprachen mit allen Beteiligten" stattfinden
würden. Organisiert werden die Extrazüge von den FCZ-Fans in
Zusammenarbeit mit den SBB, wie Martin Guglielmetti, Leiter
Spielbetrieb beim FCZ, erklärt.
Wenig erfreut ist man über den angedrohten Boykott bei der
SBB: "Wir wollen wie die Polizei die auswärtigen Fans
kanalisieren. Deshalb sollen sie in Extrazügen anreisen", sagt
Pressesprecher Jean-Louis Scherz. "Sollte sich abzeichnen, dass die
FCZ-Fans am Sonntag mit Regelzügen nach Bern reisen wollen,
müssten wir mit den zuständigen Behörden Massnahmen
treffen." Welche das wären, wollte Polizeisprecherin Sigrist nicht
verraten: "Wir beobachten die Situation laufend, machen aber im Vorfeld
keine Angaben zu unseren taktischen Massnahmen."
Auch beim FCZ beobachtet man die Entwicklung mit Sorge: "Ein
Ausweichen auf normale Züge wäre ein katastrophaler
Rückschritt und von der Masse der Fans, welche den FCZ begleiten,
wohl gar nicht zu bewältigen", sagt FCZ-Vertreter Guglielmetti. Er
rechnet damit, dass rund 1500 Zürcher Anhänger nach Bern
kommen. "Wir hoffen, dass die Fans trotz anders lautender Meldung den
Extrazug benützen werden."
Zaun gar nicht im Einsatz?
Reto Nause bemühte sich gestern, die Wogen zu glätten:
Offensichtlich sei durch seine Wortwahl ein falsches Bild entstanden.
Den Zaun habe es bereits in der Vergangenheit gegeben. Nun würde
einfach die 150 Meter grosse Lücke über die Winkelriedstrasse
geschlossen. Das hätten bisher Polizisten mit Gitterfahrzeugen
getan. "Der durchgehende Zaun ist die konsequente Fortführung der
Fantrennung, die sich in Bern in letzter Zeit bewährt hat."
Laut Polizeisprecherin Sigrist ist im Übrigen nicht einmal
klar, ob das Objekt der Aufregung überhaupt in seiner vollen
Länge zum Einsatz kommt: "Der Sicherheitszaun befindet sich in der
Versuchsphase. Es ist offen, wann welche Teile getestet werden."
Christoph Hämmann
Adrian Zurbriggen
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Online
"Wie kann man nur derart Öl ins Feuer giessen?"
Die BZ-Berichterstattung zum Thema Sicherheitskosten an
Fussballspielen und über den neuen Fanzaun zwischen der
S-Bahn-Station-Wankdorf und dem Stade de Suisse wurde auf
Bernerzeitung.ch rege kommentiert. Insbesondere der Ausdruck
"Raubtierkäfig" vom städtischen Sicherheitsdirektor Reto
Nause (CVP) sorgte für Kopfschütteln.
Ronald Lack: Reto Nause ist wie Darbellay ein grosser
Schwätzer. Anstatt zu handeln und die Krawallbrüder und
Pyro-Zünder festzunehmen und den Schaden bezahlen zu lassen,
werden die Fussballklubs belangt. Wer zahlt bei einer rot-grünen
Demo? Dort wird alles erlaubt.
Rudolf Steiner: Verursacherprinzip in Ehren, aber vielleicht
sollte die Polizei über die Bücher gehen. Zum Beispiel wenn
gegen Bellinzona eine Hundertschaft die gesamte Westseite des Stadions
abriegelt wegen ein paar wenigen friedlichen Fans.
Heinz Frei: Find ich bedenklich, dass der
Sicherheitsverantwortliche von einem "Raubtierkäfig" spricht. Da
braucht sich keiner zu wundern, wenn sich die Fans wie Wilde benehmen.
Renate Mäder: Das Stadion von YB hat ein grösseres
Fassungsvermögen als die SCB-Arena. Beim SCB sind die Fans
friedlicher als bei YB, daher müsste YB mindestens das Doppelte an
die Kosten bezahlen.
Sandra Huber: Keine Frage: Die Sportfans müssen das Risiko
selber tragen, wenn sie schon nicht fähig sind, eine friedliche
Veranstaltung durchzuführen, wie es bei anderen Gruppen (z. B.
Konzerten) möglich ist. Wenn 1 Rappen von den Steuern für
Kulturveranstaltungen gebraucht wird, schreit die Öffentlichkeit
auf, aber Millionen für stumpfsinnige Sportfans, die sich nicht im
Griff haben, sind okay - das ist Verhältnisblödsinn.
Urs Müller: Ich empfehle einen landesweiten Boykott des
Wankdorfs durch alle Gästefans … War schon letztes Jahr an unserer
Meisterfeier in Bern eine Frechheit. Berner greifen an, und die Polizei
nebelt die Basler ein. Es wurden Dutzende Basler Normalofans vor dem
A-Sektor angegriffen.
Stefan Spoerri: Der Herr Sicherheitsdirektor nennt das ganze
"Raubtierkäfig" und kommt sich dabei wohl auch noch wahnsinnig
lustig vor. Solange man die Leute wie Vieh behandelt, werden sie sich
auch so benehmen.
Simon Kamber: Dass dieser "Raubtierkäfig" erst recht
für Zoff sorgen wird, ist ja klar. Ausschreitungen sind jetzt
programmiert. Wie kann man nur derart Öl ins Feuer giessen? Vielen
Dank, Herr Nause! Aber kommen Sie dann hinterher nicht und sagen, es
brauche eben mehr Polizei. Das Gegenteil ist der Fall. Oder wollen Sie
so etwa das übertriebene Polizeiaufgebot rechtfertigen?
Tom Liebermann: Herr Nause, es ist nicht der Verein YB, der die
oft übertriebene Anzahl Polizisten aufbietet, das übernimmt
die Polizei selber. Daher ist es auch nicht legitim, dass sich YB mit
horrenden 2 Franken pro Zuschauer an den Kosten beteiligt. Zudem kommt
es jährlich nur zu vier Risikospielen, bei FCZ und FCB in Bern.
Dan Meier: Fussball ist keine politische Demonstration, sondern
ein Geschäft. Ein Teil der Kundschaft ist nicht am Sport, sondern
am Kampf interessiert. Der Begriff des Raubtierkäfigs scheint da
angebracht. Die Hools sollen sich irgendwo auf der grünen Wiese
prügeln gehn, damit die richtigen Fans wieder den Sport geniessen
können. Ohne Käfig.
Martin Schönbächler: Hier nochmals das schöne
Zitat: "Wenn man Menschen wie Tiere behandelt, muss man sich nicht
wundern, wenn sich diese auch wie solche verhalten."
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20 Minuten 10.2.11
Fans müssen in "Raubtierkäfig"
BERN. Die Fans des FC Zürich werden sich am Sonntag in Bern
wie Verbrecher vorkommen: Die 600 Meter vom Aussteigen aus dem Extrazug
bis zum Stadion werden sie hinter Gittern laufen müssen - im
"Raubtierkäfig", wie der Berner Sicherheitsdirektor Reto Nause den
Zaun-Korridor laut der "BernerZeitung" nennt. So sollen Ausschreitungen
verhindert und Kosten für Polizisten gespart werden. YB versuchte
zwar, die Wogen zu glätten. Die Fans des FC Zürich sehen sich
in Foren aber wie "Schlachtvieh" und "Untermenschen" behandelt. Sie
wollen nun nicht mit dem Extrazug ans Spiel reisen.
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L'Express/L'Impartial 10.211
VIOLENCES
Confessions d'un supporter de Xamax qui a choisi de baisser ses
poings
NICOLAS DONNER
Les dégâts causés par les supporters du FC
Sion à Neuchâtel ont soulevé la polémique.
L'occasion de donner la parole à un ancien supporter actif de
Neuchâtel Xamax. Interview d'un homme qui porte un regard sans
concession sur la personne qu'il était dans un passé pas
si lointain.
Dans un dictionnaire, le mot "hooligan" décrit un jeune
asocial qui exerce la violence dans les lieux publics ou lors de
rencontres sportives. Vous reconnaissez-vous dans ce portrait?
Non. Il ne faut pas confondre les hooligans, qui sont uniquement
des casseurs, et les supporters ultras, qui s'identifient à un
club de football et s'investissent pleinement pour faire partager leur
passion. Le supportérisme a une dimension sociale, avec la
nécessité de se réunir pour discuter la politique
du club, peindre des banderoles ou imaginer des chants.
Les récents événements à
Neuchâtel laissent penser que les clubs de supporters ne sont pas
tous composés de peintres et de chansonniers. Il y a tout de
même quelques boxeurs dans le lot?
Notre philosophie n'a jamais été d'inciter à
la violence. Ce qui occupait notre esprit le jour du match,
c'était la préparation des animations à
réaliser, pas l'achat de coups de poing américains. Ceci
étant dit, il arrive que certains éléments du
groupe, une faible minorité de 4-5 personnes, cherchent la
confrontation avec les supporters adverses et cela peut vite
dégénérer et se transformer en baston
générale, à vingt contre vingt.
Cela se produisait à Neuchâtel ou lors des
déplacements à l'extérieur?
Cela est arrivé à l'ancienne Maladière, mais
c'était le plus souvent lors des matches à
l'extérieur, où les fans des équipes adverses nous
attendaient à la sortie du stade, bien après la fin du
match. Et ce n'était pas pour nous proposer une partie
d'échecs...
Quelles raisons expliquent selon vous cette envie de se battre?
L'alcool joue sans doute un grand rôle. Lors des matchs
à l'extérieur, il n'est pas rare de descendre beaucoup de
bières dans le car. On devient alors plus agressif, susceptible
à l'extrême, et avec l'effet de groupe, l'envie de vouloir
faire le malin et jouer au fort, les choses peuvent vite déraper.
L'alcool n'explique pas tout. Cette recherche de violence
n'exprimait-elle pas peut-être pour vous un certain malaise, une
manière d'expulser des frustrations?
Il s'agissait effectivement d'une période de ma vie
où je cherchais ma voie, où je voulais faire ma place. Et
quand on est jeune, on subit également plus facilement les
influences, bonnes ou mauvaises.
Vous avez pris de la distance avec ce monde-là. Un
déclic a-t-il eu lieu?
Je ne peux pas vraiment parler d'un élément
déclencheur. J'ai tout simplement passé le cap de
l'adolescence pour devenir un adulte. J'ai désormais un travail
et des responsabilités. Dans la vie, il y a un temps pour tout,
il faut bien que jeunesse se passe. Mais je n'ai rien perdu de ma
passion pour le football et continue de suivre avec
intérêt les matches de Xamax.
Que vous inspirent les dégâts provoqués par
les ultras sédunois en ville de Neuchâtel?
C'est complètement idiot et irresponsable. Je ne comprends
pas que les déplacements des supporters ne se fassent pas en car
pour limiter les risques, comme c'est le cas pour Xamax.
Interdire les supporters adverses. Une bonne idée?
Non. Ce serait pénaliser les vrais supporters et cela
créerait d'énormes conflits à l'intérieur
des clubs. Mais par contre, le fait d'interdire à vie les "purs
hooligans" en Angleterre porte aujourd'hui ses fruits. /NDO
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Blick am Abend 9.12.11
ZÜRICH
Ein Raubtierkäfig für die FCZ-Fans in Bern
Von Peter Pflugshaupt und Marc Ribolla
TEST
Der Match YB - FCZ ist ein Hochrisikospiel. Deshalb werden die
FCZ-Fans eingegittert.
Bei Spielen zwischen den Berner Young Boys und dem FC Zürich
kommt es immer wieder zu Krawallen zwischen den Fan-Gruppen und der
Polizei. Das kostet die Berner Steuerzahler viel Geld, bis zu zwei
Millionen Franken jährlich. Um die Ausschreitungen in Zukunft zu
verhindern, gelangt am Sonntag beim Duell der beiden Klubs erstmals ein
durchgehender "Raubtierkäfig" zum Einsatz, wie der Berner
Sicherheitsdirektor Reto Nause in der "Berner Zeitung" zitiert wird.
Die Auswärtsfans müssen in diesem geschlossenen
Käfig direkt vom SBahnhof Wankdorf die rund 400 Meter zum Stadion
marschieren.
Dieser mobile Zaun wird vor dem Eintreffen des Extrazugs der Fans
aufgestellt, während des Spiels abgebaut (!), um nach dem
Schlusspfiff wieder errichtet zu werden. Mit diesem
"Raubtierkäfig" könnten Kosten gespart werden, meint Nause.
"Dank dieses Zaunes sollen in Zukunft während YB-Spielen weniger
Polizisten im Einsatz stehen." Die Berner Behörden kämpfen
bereits seit Jahren gegen die steigenden Sicherheitskosten an
Sportveranstaltungen an. Laut Polizeidirektor Hans-Jürg Käser
sind diese "aus dem Ruder gelaufen".
Marcel Hofstetter, Präsident des FCZ-Fanclubs Letzi: "Ich
habe kein Problem mit so einem Zaun, aber für einige Fans
könnte es schon eine Provokation sein." Er werde dann schon ein
bisschen schmunzeln, wenn er in Bern wie ein Raubtier durch diesen
Käfig laufen müsse.
Den Zaun hat YB für rund 140 000 Franken übrigens
selbst finanziert. Dennoch fordert die Berner SP, dass sich YB noch
stärker an den Sicherheitskosten beteiligt. Sie will, dass jeder
Fan pro Spiel eine zusätzliche Abgabe von zwei Franken bezahlt.
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Der Käfig für die Fans entlastet die Polizei.
Das sagen Blick.ch-Leser
"Traurig, aber wir sind nun mal schon so weit ... Danke, ihr
Idioten."
Michel Fink, Luzern
"Chaoten muss man wie Raubtiere behandeln. Aber den Zaun
während des Spiels abbauen, um ihn später wieder aufzubauen
...?"
Marco Weber, Basel
"Der Zaun ist eine gute Idee. So sollten einige Krawalle
verhindert werden können. Aber alles Stahl nützt auch nicht
viel, wenn 600 besoffene, gewaltbereite Fans in Bern sind!"
Jonas Mettler, Bern
"Und wie sollen die privat anreisenden Gästefans in den
FCZ-Sektor gelangen?"
Jonas Manouk, Baden as
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BASEL
Raubtierkäfig für FCB-Fans
ZAUN
In Bern werden die Gästefans bald in einem Käfig ins
Stadion geführt. Ein Modell für Basel?
Zwischen dem S-Bahnhof Wankdorf und dem Stade de Suisse wird
künftig bei Hochrisikospielen ein durchgehender, mobiler Zaun
errichtet. Der Berner Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP) nennt ihn
einen "Raubtierkäfig".
Dank des Zauns könne die Stadt Bern laut "Berner Zeitung"
Kosten einsparen, weil es so weniger Polizisten brauche. Der Zaun kommt
am Sonntag beim Spiel zwischen YB und dem FCZ erstmals zum Einsatz.
In Zukunft dürfte er auch bei Auswärtsspielen des FCB
eingesetzt werden. Ist der "Raubtierkäfig" ebenfalls ein Modell
für Basel? Josef Zindel, FCB-Mediensprecher, sagt dazu: "Wir haben
unsere eigenen Modelle, um Gästefans ins Stadion zu begleiten. Die
Situation ist je nach Stadion verschieden."
Ob es dereinst auch in Basel einen "Raubtierkäfig" geben
wird, steht also noch in den Sternen. pp/dhs
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ST. GALLEN
Raubtierkäfig für Gästefans
BERN
Am Sonntag kommt der durchgehende Zaun zwischen Bahnhof und
Stadion zum Einsatz.
Zwischen dem S-Bahnhof Wankdorf und dem Stade de Suisse wird
künftig bei Hochrisikospielen ein durchgehender, mobiler Zaun
errichtet. Ein "Raubtierkäfig", wie es Sicherheitsdirektor Reto
Nause (CVP) heute in der "Berner Zeitung" nannte. Erstmals kommt der
Zaun am Sonntag beim Spiel zwischen YB und dem FC Zürich zum
Einsatz. Marcel Hofstetter, Präsident des FCZ-Fanclubs Letzi: "Ich
habe kein Problem mit so einem Zaun, aber für einige Fans
könnte es schon eine Provokation sein."
YB und SCB bezahlen mit je 60000 Franken im Verhältnis zu
den Klubs in anderen Städten einen verhältnismässig
kleinen Beitrag an die Sicherheit. YB hat jetzt die Kosten von 140000
Franken für den "Raubtierkäfig" vollständig
übernommen.
Ob auch St. Galler Fussballfans bei Auswärtspielen in Bern
durch den Käfig müssen, ist offen. pp
--
LUZERN/ZUG
Raubtierkäfig für Gästefans
TEST
Am Sonntag kommt der durchgehende Zaun zwischen Bahnhof und
Stadion zum Einsatz.
Zwischen dem S-Bahnhof Wankdorf und dem Stade de Suisse wird
künftig bei Hochrisikospielen ein durchgehender, mobiler Zaun
errichtet. Ein "Raubtierkäfig", wie es Sicherheitsdirektor Reto
Nause (CVP) heute in der Berner Zeitung nannte. Erstmals kommt der Zaun
am Sonntag beim Spiel zwischen YB und dem FC Zürich zum Einsatz.
Marcel Hofstetter, Präsident des FCZ-Fanclubs Letzi: "Ich habe
kein Problem mit so einem Zaun, aber für einige Fans könnte
es schon eine Provokation sein."
YB und SCB bezahlen mit je 60000 Franken im Verhältnis zu
den Klubs in anderen Städten einen verhältnismässig
kleinen Beitrag an die Sicherheit. YB hat jetzt die Kosten von 140000
Franken für den "Raubtierkäfig" vollständig
übernommen. Damit kann die Stadt vor allem beim Personal sparen,
denn dank dem Zaun braucht es weniger Polizisten. pp
---
bernerzeitung.ch 9.2.11 (14.00 Uhr)
http://www.bernerzeitung.ch/region/bern/FCZFans-wollen-dem-Raubtierkaefig-ausweichen/story/29497732
FCZ-Fans wollen dem "Raubtierkäfig" ausweichen
Von Jonathan Spirig, tob
Weil sie vor dem Spiel gegen YB durch einen "Raubtierkäfig" zum
Stadion geleitet werden sollen, sind die Fans des FC Zürich sauer.
Sie wollen nun statt im Extrazug individuell anreisen. YB appelliert
seinerseits an die Fairness der Fans.
YB empfängt am Sonntag um 16 Uhr den FC Zürich im Stade de
Suisse. Zwischen Anhängern dieser Vereine kam es in der
Vergangenheit immer wieder zu Ausschreitungen. Erstmals in der
Geschichte des Stade de Suisse sollen die Auswärtsfans deswegen
durch einen durchgehenden "Raubtierkäfig" (Zitat Reto Nause,
Sicherheitsdirektor der Stadt Bern) vom S-Bahnhof-Wankdorf zum
Gästesektor des Stadions gelangen. Der mobile Zaun wird vor
Ankunft des Extrazuges aus Zürich aufgestellt, während der
Partie abgebaut und nach dem Schlusspfiff erneut errichtet.
Der Ausdruck "Raubtierkäfig" hat in den Fussball-Foren für
grosse Diskussionen und Ärger gesorgt. Die FCZ-Anhänger rufen
in ihrem Forum (http://1898.ch/forum) dazu auf, statt im Extrazug mit
den regulären Zügen anzureisen.
Keine Provokation
Wie der FCZ-Fanclub Südkurve schreibt, gehe es aber nicht darum,
die Polizei oder die Sicherheitskräfte zu provozieren. Man wolle
so nur der zunehmenden Schikanierung der Fans Einhalt gebieten und
dafür sorgen, das alle Zuschauer dank der früheren
Ankunftszeit pünktlich im Stadion sind.
Auch die YB-Sympathisanten verfolgen die Situation in ihrem Forum
gespannt. Während ein Fan nachfragt, ob man Koteletts in den
Käfig werfen dürfe, sehen andere schwarz. Sie
befürchten, dass der Sonntag wegen diesem Käfig chaotischer
werden wird, als er es sonst gewesen wäre. Einig ist man sich mit
den FCZ-Fans, dass der Begriff, den Nause gewählt hat,
herablassend ist.
Dass der "Raubtierkäfig" für Ärger sorgen könnte
hat man auch bei YB erkannt. Die Verantwortlichen distanzierten sich am
Mittwoch vehement von der Darstellung des Raubtierkäfigs. Es
handle sich lediglich um eine Verlängerung des bestehenden
Fanzauns um 150 Meter - es könne auch keine Rede davon sein, dass
die Gäste in Bern wie Raubtiere empfangen werden.
Appell an die Fairness der Fans
YB und das Stade de Suisse bedauern gemäss Mitteilung, dass mit
den Aussagen von Sicherheitsdirektors Nause die Diskussion "in eine
falsche Richtung" gelenkt worden ist. Das Bestreben sei es, mit der
Verlängerung des bestehenden Zauns für zusätzliche
Sicherheit zu sorgen und die Anzahl der im Einsatz stehenden
Polizeikräfte zu verringern.
Im Schreiben appelliert YB "in aller Form" an die Fairness der Fans und
wünscht sich, dass die Diskussion bezüglich Sicherheitskosten
künftig wieder "auf sachdienlicher Ebene" geführt werden kann.
Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP) war für eine Stellungnahme
nicht erreichbar. (Bernerzeitung.ch/Newsnetz)
---
bscyb.ch 9.2.11
http://www.bscyb.ch/news-detail.aspx?navi=4&detail=839
09.02.11 Kein "Raubtierkäfig", sondern die Verlängerung
des bestehenden Zauns
Der BSC Young Boys und das Stade de Suisse sehen sich veranlasst, auf
heutige Medienberichte zu reagieren. Im Zusammenhang mit der geplanten
Verlängerung des Sicherheitszauns zwischen Bahnhof Wankdorf und
Stade de Suisse brauchte der Berner Sicherheitsdirektor den Begriff
"Raubtierkäfig". YB und das Stade de Suisse distanzieren sich
vehement von dieser Darstellung - es kann keine Rede davon sein, dass
die Gäste in Bern wie Raubtiere empfangen werden. Vielmehr ist
nach Absprache mit der Berner Kantonspolizei geplant, den bisherigen
Zaun mobil zu verlängern - mit einem Zaun im normalen Sinn und
keineswegs als Käfig. Der bisherige Zaun ist ungefähr 450
Meter lang, nun ist die Verlängerung bzw. die mobile Schliessung
der Lücke beim Überqueren der Hauptstrasse um weitere rund
150 Meter geplant.
YB und das Stade de Suisse bedauern, dass mit den Aussagen des
Sicherheitsdirektors die Diskussion in eine falsche Richtung gelenkt
worden ist. Das Bestreben ist es, mit der Verlängerung des
bestehenden Zauns (Kostenpunkt 140'000 Franken, bezahlt von YB)
für zusätzliche Sicherheit zu sorgen und die Anzahl der im
Einsatz stehenden Polizeikräfte zu verringern.
Wir appellieren in aller Form an die Fairness der Fans und
wünschen uns, dass die Diskussion bezüglich Sicherheitskosten
künftig wieder auf sachdienlicher Ebene geführt werden kann.
---
gaeubschwarz.be 9.2.11
Sehr geehrter Herr Nause
Kategorie: Getackelt Autor: Biber
Wir haben heute in der Berner Zeitung lesen können, dass am
nächsten Sonntag im Rahmen des Fussballspiels der Berner Young
Boys gegen den FC Zürich zum ersten Mal die Absperrgitter zum
Einsatz kommen sollen. Sie haben in diesem Zusammenhang auch von einem
"Raubtierkäfig" gesprochen, in den die zürcher Fans gesteckt
werden sollen. Wir bezweifeln den Erfolg dieser Massnahme und erlauben
uns einige Fragen:
Zuerst einmal würde uns doch sehr interessieren, ob der
offenbar von Ihnen verwendete Begriff des Raubtierkäfigs Ihrem
Verständnis von Fussballfans entspricht? Handelt es sich dabei um
wilde Bestien, die man am besten in Käfigen sperrt? Oder sind
Fussballfans eher Zirkustiere, die, abgeschirmt durch massives Eisen,
aus etwas näherer Distanz quasi als Attraktion beobachtet werden
können? Zum Raubtier im Käfig gehört übrigens
unseres Wissens auch immer ein Dompteur. Sehen Sie sich in dieser
Rolle? Oder haben wir Sie etwa ganz falsch verstanden?
Weiter fragen wir uns, wie Sie das den Zutritt kontrollieren
wollen. Müssen zürcher Fans, die in den Auswärtssektor
wollen, zwingend den "Käfig" durchlaufen? Oder müssen sie
sogar auf dem Extrazug sein? Was machen Sie mit zürcher Fans, die
ganz normal mit Regelzügen und Bernmobil anreisen werden?
Übrigens: Ein Teil der zürcher Südkurve, das wissen wir
aus entsprechenden frei zugänglichen Internetforen, wird mit ganz
normalen Regelzügen anreisen. Vermutlich über den
Hauptbahnhof, wo auch die meistens YB Fans eintreffen werden. Wir
schlagen vor, am besten die ganze Innenstadt in einen
Raubtierkäfig zu verwandeln. Um einen Zirkus scheint es sich
zumindest heute schon zu handeln.
Mit freundlichen Grüssen
Gaeubschwarz.be
P.S. Wir sind ein YB-Fanblog (http://www.gaeubschwarz.be). Wenn Sie uns
auf dieses Mail antworten, so werden wir Ihre Antwort
veröffentlichen. Und keine Angst, nicht alle Raubtiere beissen.
---
suedkurve.ch 9.2.11
Alli uf Bern mit em normale Zug!
Für das Auswärtsspiel am 13.02.2011 gegen YB werden wir nicht
wie gewohnt einen Extrazug nutzen!
Wie bereits beim letzten Auswärtsspiel gegen St. Gallen wurde die
Ankunftszeit des Extrazugs so terminiert dass noch weniger Zeit
für das in Bern sowieso schon langwierige Eingangsprozedere
bleibt, obwohl schon beim letzten Spiel dort etliche Fans aufgrund der
zu knappen Zeitbemessung den Spielbeginn nicht im Stadion verfolgen
konnten.
Bereits vor dem Spiel in St. Gallen haben wir auf diese
Problematik, die unweigerlich ein Gedränge und Nervosität auf
beiden Seiten herbeiführt, aufmerksam gemacht. Damals wurden wir
mit angeblichen zusätzlichen Drehkreuzen abgespeist welche sich
als nutzlos erwiesen, denn bei Spielbeginn standen noch einige Dutzend
Fans vor den Eingängen weil vor den Drehkreuzen trotzdem lediglich
zwei und nicht vier Durchgänge vorhanden waren.
Kein polizeiliches Interesse an Deeskalation?
Auch diesmal sind wir bei der Polizei, welche der SBB die
Ankunftszeiten diktiert, mit unserem Anliegen auf taube Ohren
gestossen. Man gibt sich dort betont lernresistent und will auf keinen
Fall eine frühere Ankunft des Extrazuges akzeptieren. Unser
Bemühen dient der Entspannung der Lage und eines reibungslosen
Ablaufs unseres Spiels in Bern. Gleichzeitig spricht der
Sicherheitsdirektor der Stadt Bern wortwörtlich von
"Raubtierkäfigen", in denen wir Fans vom Bahnhof zum Stadion
geleitet werden sollten. Nicht unbedingt ein Ausdruck, der
deeskalierend wirkt.
Um dieser Tendenz der zunehmenden Schikanierung Einhalt zu
gewähren, und um zu verhindern dass noch mehr Fans den Spielbeginn
verpassen werden wir diesmal einen Regelzug der SBB benutzen! Wichtig
ist dabei, auf keine Provokationen der Polizei oder der
Sicherheitsdienste einzugehen. Durch eine frühere Ankunftszeit
sollte die nötige, deeskalierende Entspannung an den
Eingängen gewährleistet sein.
Nur gemeinsam können wir so ein Zeichen setzen!
Auf zu 3 Punkten!
Treffpunkt HB: 11:30 Uhr. Weitersagen und kommen!!!!
---
BZ 9.2.11
FCZ-Fans müssen hinter Gitter
Stadt BernDas erste Heimspiel der Meisterschaftsrückrunde
ist für die Young Boys ein Hochrisikospiel. Am Sonntag
empfängt YB den FC Zürich. Dabei kommt erstmals ein
durchgehender "Raubtierkäfig" zum Einsatz, wie es
Sicherheitsdirektor Reto Nause nennt: Der mobile Zaun zwischen
S-Bahnhof Wankdorf und Stade de Suisse soll dafür sorgen, dass
weniger Polizisten im Einsatz stehen müssen. Trotz diesem Zaun,
den YB bezahlt hat, nimmt der politische Druck auf den Fussballklub zu,
sich finanziell stärker an den Sicherheitskosten zu beteiligen.
Die Berner SP fordert eine Abgabe von zwei Franken pro Zuschauer und
Spiel.azu Seite 2
--
SP fordert: Jeder YB-Zuschauer soll zwei Franken für Polizei
bezahlen
SicherheitskostenJährlich beteiligen sich YB und SCB mit je
60 000 Franken an den Polizeikosten, die während den Spielen
anfallen. Im Städtevergleich ist der Beitrag gering. Die Berner SP
verlangt eine Abgabe von zwei Franken pro Zuschauer und Spiel.
Mit einem Hochrisikospiel beginnt am Sonntag die
Fussballrückrunde in der Stadt Bern. YB empfängt um 16 Uhr
den FC Zürich im Wankdorfstadion. Zwischen Anhängern dieser
Vereine kam es in der Vergangenheit immer wieder zu Ausschreitungen.
Erstmals in der Geschichte des Stade de Suisse gelangen die
Auswärtsfans durch einen durchgehenden "Raubtierkäfig" (Zitat
Reto Nause, Sicherheitsdirektor der Stadt Bern) vom S-Bahnhof-Wankdorf
zum Gästesektor des Stadions. Der mobile Zaun wird vor Ankunft des
Extrazuges aus Zürich aufgestellt, während der Partie
abgebaut und nach dem Schlusspfiff erneut errichtet.
"Dank dieses Zaunes sollen in Zukunft während YB-Spielen
weniger Polizisten im Einsatz stehen", sagt der Stadtberner
Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP). Denn seit einigen Jahren
kämpfen die Behörden gegen die steigenden Sicherheitskosten
rund um Sportveranstaltungen an. Diese sind laut des kantonalen
Polizeidirektors Hans-Jürg Käser (FDP) "aus dem Ruder
gelaufen". Vor sieben Jahren schlugen die Kosten für die
öffentliche Sicherheit noch mit 250 000 Franken jährlich zu
Buche. Mittlerweile hat sich der Betrag auf dem Niveau von 2,5
Millionen Franken pro Jahr stabilisiert. An SCB-Spielen ist das
Polizeiaufgebot gemäss Nause "viel tiefer", als wenn YB spielt.
Polizisten fehlen in der Stadt
Passend zum Rückrundenstart schaltet sich die Berner SP in
die Sicherheitsdebatte rund um Sportveranstaltungen ein. In ihren
jüngst publizierten Legislaturzielen fordern die Genossen, dass
"die Sicherheitskosten von Sportanlässen nicht von der
öffentlichen Hand finanziert werden sollen."
SP-Stadtrat Stefan Jordi konkretisiert: "YB sollte sich mit einem
Betrag zwischen 1,8 und 2 Franken pro Zuschauer und Spiel an den
Polizeikosten beteiligen." Das liege in der Grössenordnung des FC
Basels. Dieser Klub zahlt pro Zuschauer 1,8 Franken an die
Sicherheitskosten. Jordi argumentiert mit dem Verursacherprinzip: "Als
Veranstalter der Spiele, die solche Kosten verursachen, stehen die
Klubs in der Verantwortung."
Die Polizeileistungen an YB- und SCB-Spielen sind durch den
Ressourcenvertrag abgegolten, der zwischen den Berner
Stadtbehörden und der kantonalen Polizeidirektion besteht. "Weil
derart viele Ressourcen für Sportveranstaltungen benötigt
werden, gibt es beispielsweise weniger Polizeipatrouillen in der Berner
Innenstadt", sagt Hans-Jürg Käser.
Problematischer Vertrag
Aktuell bezahlen YB und SCB eine jährlichen Pauschale von je
60 000 Franken an die Polizeikosten. "Dieser Betrag ist - nett
ausgedrückt: bescheiden", sagt Stefan Jordi. In der Tat beteiligen
sich die Young Boys im Vergleich mit anderen Schweizer Städten
marginal an den öffentlichen Sicherheitskosten (siehe Grafik). Der
ehemalige Polizeidirektor Stephan Hügli (FDP) hat den Vertrag mit
YB und dem SCB ausgehandelt. "Dieser Vertrag stellt die Stadt Bern vor
Probleme", sagt Stefan Jordi. Denn die Laufzeit beträgt fünf
Jahre. "Eigentlich müsste man die Kosten vor jeder Saison neu
aushandeln, weil niemand weiss, wie sich die Zahlen entwickeln."
Auch Sicherheitsdirektor Reto Nause bestätigt die
Problematik dieses langfristigen Vertrages, den er seinem
Vorgänger verdankt. Laut eines Bundesgerichtsentscheides aus dem
Frühjahr 2009 dürften die Behörden 80 Prozent der
Sicherheitskosten an die verursachenden Sportklubs
überwälzen. "Dummerweise haben wir den Vertrag mit YB und dem
SCB wenige Monate vor diesem Bundesgerichtsentscheid unterschrieben",
sagt Nause. Es gäbe bestimmt juristische Optionen, um den Vertrag
anzupassen, sagt Nause. "Doch es geht hier um die Verlässlichkeit
unter Vertragspartnern."
Nause lobt Sportklubs
Reto Nause betont: "Sowohl die Young Boys wie auch der SCB
kooperieren gut mit den Sicherheitsbehörden." Er erwähnt die
Zusatzvereinbarung für internationale Spiele, für die YB
bereits heute zwei Franken pro Zuschauer dem Staat abgibt. Auch der
neue Zaun zwischen Stadion und S-Bahn-Station habe YB selber bezahlt
(siehe Kasten).
Hans-Jürg Käser lässt durchblicken, dass sich die
Sportklubs seiner Meinung nach stärker an den Sicherheitskosten
beteiligen sollten. Allerdings anerkennt auch er "die Anstrengungen,
welche YB und SCB zusätzlich leisten" Beide Vereine würden
Fanarbeiter finanzieren und beide hätten die Videoüberwachung
im Stadion ausgebaut. "Sollten die Polizeikosten dank diesen Massnahmen
markant zurückgehen, müsste man die Vereine nicht
zusätzlich zur Rechenschaft ziehen."
Tobias Habegger
--
YB bezahlt jährlich drei Millionen für die Sicherheit
ReaktionenYB und der SCB zählen auf, wie viel Geld sie
bereits heute in die Sicherheit in und um ihre Stadien investieren.
Die Young Boys wehren sich gegen den Vorwurf, wonach sie zu wenig
Geld für die Sicherheitskosten ausgeben würden: "Pro Saison
wenden wir für die Sicherheit im Stadion rund 3 Millionen Franken
auf", sagt YB-Pressesprecher Albert Staudenmann. Das sei viel Geld,
habe sich aber bezahlt gemacht. "Es gab in den letzten zwei Jahren
keine Ausschreitungen im Stade de Suisse."
Zusätzlich zu den 60 000 Franken, mit denen sich YB
jährlich an den Polizeikosten beteiligt, hat der Klub mit 140 000
Franken den Zaun zwischen dem Stade de Suisse und der S-Bahn-Station
Wankdorf finanziert. Staudenmann zählt weitere von YB finanzierte
Projekte auf: "Wir haben eine Fanrückhaltezone beim
Gästesektor gebaut - damit sich die Fangruppen nach den Spielen
nicht begegnen." Zudem unterstütze YB verschiedene Fanprojekte,
produziere für den TV-Screen im Stadion Trailers mit YB-Spielern,
die sich von Gewalt, Pyros und Rassismus distanzieren.
Rolf Bachmann, Chief Operation Officer des SCB, betont: "Der SCB
investiert über eine Million Franken pro Saison in die
Sicherheit." Damit finanziere der Eishockey-Schweizer-Meister den
Sicherheitsdienst in der Postfinance-Arena sowie das
Sicherheitspersonal an den Auswärtsspielen. Neben den Abgaben an
die Polizeikosten von 60 000 Franken entlöhnt der SCB zwei
Teilzeitmitarbeiter im Fanarbeitsbereich sowie ein Mitarbeiter mit
Schwergewicht Sicherheit. Zudem organisiert der Klub
Sicherheitsmeetings mit dem Verband, und er betreibt eine
Videoüberwachung im Stadion. tob
---
L'Express/L'Impartial 9.2.11
VIOLENCES
Les CFF organisent le voyage des ultras
Sylvio Bernasconi considère lui aussi que les
débordements provoqués dimanche à Neuchâtel
par les ultras du FC Sion sont intolérables. Le président
de Neuchâtel Xamax comprend donc la réaction du conseiller
d'Etat Jean Studer. Le chef du Département de la
sécurité a donné de la voix lundi, menaçant
de décréter des solutions extrêmes comme
l'interdiction de matches à la Maladière ou l'imposition
de rencontres à huis clos. Mais avant d'en arriver là, le
boss des "rouge et noir" souhaiterait que les fan's clubs viennent
à Neuchâtel en autocars plutôt qu'en trains
spéciaux. Moyen de transport qu'utilisent
précisément les deux fan's clubs qui suivent Xamax dans
ses déplacements.
Or, semble-t-il, personne n'est en mesure de décider du
mode de déplacement des suiveurs, et des hooligans surtout, de
Sion ou de n'importe quel autre club du pays. "Nous, nous étions
contre la venue des supporters sédunois en train
spécial", assure Philippe Salvi. L'avis du directeur
administratif de Xamax n'a pesé d'aucun poids. Pourtant, "nous
savions que ce déplacement serait difficile à
gérer. Cela avait déjà été le cas,
en décembre dernier, lors du premier voyage en train
spécial des supporters sédunois."
Aucune autorité ne gère les risques liés au
déplacement de foules au potentiel de dangerosité
démontré. Le calendrier de la Swiss Football League (SFL)
établit pourtant très clairement avant le début du
championnat quels sont les matches à risque! "Ce sont les fan's
clubs qui décident du moyen de transport qu'ils vont emprunter",
confirme le responsable de la cellule hooliganisme de la police
cantonale valaisanne. Des propos immédiatement corroborés
par le directeur général du FC Sion. "Nous n'organisons
aucun déplacement pour les supporters du FC Sion, ni ne vendons
aucun billet pour les matches à l'extérieur. Ce sont les
CFF qui prennent, en tant qu'entreprise commerciale, l'initiative de
démarcher les fan's clubs!" Et le bras droit de Christian
Constantin d'assurer qu'il est totalement favorable aux
déplacements en autocar.
Aux CFF, on se dit bien conscient de la problématique.
Mais l'ex-régie fédérale, tout en admettant que
son service commercial démarche effectivement les supporters, se
pose en sauveur plutôt qu'en vecteur des ennuis
générés par les hooligans. "Les autocaristes
refusent de plus en plus de transporter ces groupes. C'est un risque
qu'ils ne veulent plus prendre", éclaire Jean-Louis Scherz. Le
porte-parole souligne l'obligation légale des CFF de transporter
des voyageurs. "Nous proposons des trains spéciaux aux
supporters afin de les canaliser. Précisément pour qu'ils
n'indisposent pas les clients des trains réguliers."
Le porte-parole des CFF précise que les problèmes
rencontrés avec les fan's clubs du FC Sion sont relativement
récents (et les dégâts au train utilisé
dimanche plus conséquent qu'imaginé initialement). "Nous
sommes en discussion avec différentes partenaires afin de mieux
responsabiliser les clubs", assure Jean-Louis Scherz. "Mais nous ne
savons pas encore comment procéder lors de prochains matches."
Faudra-t-il se résoudre à interdire des rencontres,
comme suggéré par Jean Studer? Qui prendrait alors la
décision?
"Je ne sais pas si les pouvoirs politiques en ont la
compétence. Il faudrait étudier la législation",
évoque, quelque peu circonspect, le porte-parole de la SFL. "Le
plus important est d'ouvrir la discussion avec les autorités
afin de les soutenir", poursuit Roger Muller, en lâchant cette
perle: "Il n'est pas possible d'éviter le potentiel de
violence...". Avant de se ressaisir. "Dans les pays où le
hooliganisme a disparu, ils disposent d'une législation forte!"
CQFD.
SANTI TEROL
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STADTRAT
--------------------
Stadtratssitzung (Traktanden)
Donnerstag, 17. Februar 2011 17.00 Uhr und 20.30 Uhr
Sitzungssaal im Rathaus
Die Stadtratssitzungen sind öffentlich zugänglich
(Besuchertribüne)
Traktanden
(...)
17. Kleine Anfrage Jimy Hofer (parteilos): Linksterror in Bern (SUE:
Nause) 10.000321
http://www.bern.ch/stadtrat/sitzungen/termine/2010/10.000321/gdbDownload
(...)
---
10.000321 (10/368)
Reg. 22/-00
Kleine Anfrage Jimy Hofer (parteilos): Linksterror in Bern
Nach den Abstimmungen vom Sonntag, 28.11.2010 kam es in der Berner
Innenstadt zu Ausschreitungen durch zum Teil vermummte Chaoten, die
unschwer dem Umfeld der Linksradikalen und Reithallebetreiber
zugerechnet werden konnten.
1. Will oder muss der Gemeinderat mit dieser höchst
undemokratischen
Chaotentruppe aus der linken Szene auch in Zukunft leben?
2. Will oder kann der Gemeinderat nichts unternehmen, um die
Bevölkerung in Zukunft vor diesen linken Schlägern und
Chaotentruppen
zu schützen?
3. Kann der Gemeinderat in Zukunft garantieren, dass Andersdenkende in
dieser Stadt ihre Meinung frei äussern und Abstimmungen gewinnen
können, ohne befürchten zu müssen, von linken,
vermummten Terrortruppen
angegriffen zu werden?
4. Wie ist es zu erklären, dass es zu Sachbeschädigungen
durch einen
kleinen Haufen Chaoten kommen kann, wenn der Gemeinderat darauf
scheinbar vorbereitet ist und die Polizei in Bereitschaft steht?
Bern, 2. Dezember 2010
Kleine Anfrage Jimy Hofer (parteilos)
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RABE-INFO
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Mo. 14. Februar 2011
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_14._Februar_2011.mp3
http://www.rabe.ch/nc/webplayer.html?song_url=uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_14._Februar_2011.mp3&song_title=RaBe-%20Info%2014.%20Februar%202011
- Projekt Stattgarten - Wie man ohne Garten zum Gärtner werden
oder den eigenen Garten besser nutzen kann.
- Unser Kopf der Woche ist Michael Weiss. Der Faschismus-Experte wirft
einen Blick auf die rechtsextreme Szene in den sozialen Netzwerken des
Internets.
Links:
http://www.apabiz.de
http://www.al-be.ch/index.php/stattgarten
---
Fr. 11. Februar 2011
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_11._Februar_2011.mp3
http://www.rabe.ch/nc/webplayer.html?song_url=uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_11._Februar_2011.mp3&song_title=RaBe-%20Info%2011.%20Februar%202011
- Die Schweizer Nuklearanlagen sind sicher- doch was ist im Ernstfall?
- Freilandversuche mit Gentechpflanzen- kostet die Sicherheit mehr als
die Forschung?
- Milliarden für die Entwicklungshilfe- wie werden sie richtig
investiert?
---
Do. 10. Februar 2011
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_10._Februar_2011.mp3
http://www.rabe.ch/nc/webplayer.html?song_url=uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_10._Februar_2011.mp3&song_title=RaBe-%20Info%2010.%20Februar%202011
- Wie Kernkraftwerke die Immobilienpreise beeinflussen: Neue Studie von
Universität Bern veröffentlicht
- Grossstaudamm-Projekt Belo Monte unter Druck: Der Widerstand in
Brasilien wächst
- Entschärft die Schuldenkrise! Organisationen am Weltsozialforum
in Dakar fordern Insolvenzverfahren für Staaten
---
Mi. 9. Februar 2011
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_9._Februar_2011_.mp3
http://www.rabe.ch/nc/webplayer.html?song_url=uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_9._Februar_2011_.mp3&song_title=RaBe-%20Info%209.%20Februar%202011
- FDP fordert mehr Rechte für Berner SexarbeiterInnen
- Solarsiedlungen sind die Bauten der Zukunft
- Kino Kunstmuseum sucht nach einem neuen Standort
Links:
http://www.aarplan.ch/aktuell/solarsiedlung-riedholz
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ANWALT DER 1. STUNDE
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Blick am Abend 8.2.11
ZÜRICH
Neues Gesetz lähmt Polizisten
PAPIERKRIEG
Durch den "Anwalt der ersten Stunde" sind Polizisten seltener an
der Front.
andrea.schmits@ringier.ch
Seit Anfang Jahr können Personen, die von der Polizei eines
Verbrechens beschuldigt werden, einen "Anwalt der ersten Stunde"
beiziehen. Er wird also - wie aus US-Filmen bekannt - bereits bei der
Verhaftung darauf aufmerksam gemacht, dass er von Anfang an das Recht
auf einen Anwalt hat.
Diese Neuerung in der Schweizerischen Strafprozessordnung wird
von den Beschuldigten rege benutzt, wie Kapo-Sprecher Stefan Oberlin
gegenüber Radio DRS bestätigte. "Der Anwalt ist nicht in
jedem Fall, aber doch vereinzelt zum Einsatz gekommen", so Oberlin.
Besonders häufig werde die Dienstleistung von "Leuten aus anderen
Kulturkreisen" in Anspruch genommen.
Im Kanton Zürich stellen rund 200 Rechtsanwälte einen
24-Stunden-Dienst sicher.
Marco Cortesi von der Stadtpolizei Zürich bestätigt
gegenüber Blick am Abend das Bedürfnis nach dem Anwalt
bereits bei der Einvernahme.
"Der Anwalt der ersten Stunde wird beansprucht", so Cortesi.
Allerdings habe sich in den vergangenen Wochen gezeigt, dass die
Neuerung einen hohen administrativen Aufwand nach sich ziehe. Cortesi:
"Die Polizisten verbringen jetzt mehr Zeit damit, Formulare
auszufüllen. Dadurch sind sie weniger oft an der Front."
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VERMUMMUNG
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Landbote 9.2.11
Unbehelligte Vermummte
Peter Fritsche
Zürich. Seit über 15 Jahren gilt im Kanton Zürich bei
Demonstrationen ein Vermummungsverbot. Doch angezeigt oder gebüsst
wegen verbotener Vermummung wurde kaum je einer. Grund: Das Verbot -
dessen Übertretung immerhin mit 200 bis 300 Franken gebüsst
werden könnte - lässt sich in der Praxis schlecht
durchsetzen. Um eine Gruppe vermummter Randalierer nicht unnötig
zu provozieren, sieht die Polizei nämlich grundsätzlich davon
ab, einzelne Vermummte zu verhaften. Es sei denn, es liegen auch
Sachbeschädigungen vor. Eine Anzeige nur wegen Vermummung hat
ohnehin wenig Chancen, wie sich gezeigt hat. Randalierer, die ihr
Gesicht hinter einer Skimütze versteckt haben, sprechen danach von
einer Erkältung. Fussball-Hooligans geben vor, sie hätten
einfach den Schal ihres Lieblingsvereins getragen. Von einer
Abschaffung des wenig wirkungsvollen Verbots sprechen mag dann aber
doch niemand. (pfr) Seite 26
--
Verbot ohne Wirkung
Peter Fritsche
Zürich. Sich an Demos zu vermummen, wäre eigentlich
verboten. Doch Vermummte haben wenig zu befürchten. Die Polizei
hält sich bewusst zurück.
Das Stadtzürcher Parlament will, dass Stadtpolizisten
künftig nicht mehr anonym gegen gewaltbereite Demonstranten und
Hooligans vorgehen, sondern mit einer Nummer auf der Kampfmontur. Dies
für den Fall, dass es ein juristisches Nachspiel wegen
polizeilicher Übergriffe geben sollte. Diese Forderung von linken
Politikern kommt im Polizeikorps gar nicht gut an. Es befürchtet,
künftig noch stärker zur Zielscheibe von randalierenden
Autonomen oder Fussballfans zu werden (Ausgabe von gestern).
Die Diskussion über die Kennzeichen bringt ein anderes Thema
wieder aufs Tapet: das Vermummungsverbot. Gekennzeichnete Polizisten
auf der einen, vermummte, anonyme Krawallanten auf der andern Seite -
das seien ungleich lange Spiesse, argumentieren die Gegner der
Uniformnummern. Damit sich Pöbler, Steinewerfer und Brandschatzer
nicht hinter Schals und Skimützen verstecken können, wurde in
sieben Kantonen das Vermummungsverbot eingeführt. Im Kanton
Zürich hat das Stimmvolk 1995 einer solchen Massnahme zugestimmt.
Eskalation vermeiden
Das heisst, die Polizei hätte eigentlich ein Instrument in
der Hand, um Vermummte ihrer Anonymität zu berauben. Doch in der
Praxis hat sich gezeigt, wovor die Polizei bereits im Vorfeld gewarnt
hatte: Dieses Instrument ist ziemlich untauglich - aus mehreren
Gründen: "Aus einem Mob einen Vermummten herauszuholen, ist sehr
riskant", sagt Martin Niederer vom Stadtzürcher
Polizeibeamtenverband. Die Erfahrung zeige, dass ein solches Vorgehen
die Stimmung zusätzlich anheize. Auch die Kantonspolizei, die
Stadtpolizei Winterthur und zum Beispiel auch die Berner Kantonspolizei
gehen aus diesem Grund nur zurückhaltend gegen Vermummte vor, wie
es bei den betreffenden Korps heisst: "Wir wollen nicht unnötig
Gewalt provozieren. Die Sicherheit der Bevölkerung hat
Priorität", sagt Corinne Müller, Sprecherin der Kapo Bern.
Deshalb seien in den letzten Jahren "nur vereinzelt" Vermummte
angezeigt worden. Und wenn es eine Anzeige gegeben habe, dann meist in
Zusammenhang mit einer Sachbeschädigung oder Landfriedensbruch, so
Müller.
Kaum Anzeigen und Bussen
Konkretere Angaben über die Zahl der Anzeigen oder Bussen
gegen Vermummte sind auch aus dem Kanton Zürich nicht zu bekommen.
Marco Cortesi, Sprecher der Zürcher Stadtpolizei, spricht
ebenfalls von "wenigen Anzeigen". Vermummten würde eine Busse von
etwa 200 bis 300 Franken drohen. Doch ob eine solche Busse je
ausgesprochen wurde, ist nicht zu erfahren. Zuständig sind die
Statthalter. "Weder ich noch mein Vorgänger können sich an
einen solchen Fall erinnern", sagt Winterthurs Statthalter Meinrad
Schwarz. Sein Zürcher Kollege Hartmuth Attenhofer war gestern
nicht zu erreichen. Doch es ist anzunehmen, dass auch in der Stadt
Zürich Bussen gegen Vermummte eine unbekannte oder seltene
Erscheinung sind.
Denn - und das ist das zweite grosse Problem - es lässt sich
schlecht beweisen, ob jemand tatsächlich einen Schal getragen hat,
um sein Gesicht vor den Uniformierten zu verstecken. "Diese Leute
machen im Nachhinein glauben, sie hätten einfach gefroren", sagt
Stapo-Sprecher Cortesi. Von einer Abschaffung des Vermummungsverbots
mag aber trotzdem niemand sprechen. "Man müsste vielleicht einfach
mal ein Exempel statuieren", findet Stadtpolizist Martin Niederer.
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BIG BROTHER
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Bund 11.2.11
Käser reagiert auf Gesetzeslücke
Der Regierungsrat will der Kantonspolizei präventive
verdeckte Ermittlungen rasch wieder ermöglichen. Laut
Polizeidirektor Hans-Jürg Käser (FDP) soll die
Gesetzeslücke bei der Überwachung von Chatrooms bis im
Frühherbst per Gesetzesänderung geschlossen sein. Der Grosse
Rat entscheidet im März. Die neue Strafprozessordnung erlaubt es
der Polizei nicht mehr, vor einem Delikt verdeckt zu ermitteln.(mra)-
Seite 23
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"Verschlafen? Wir sind die Ersten, welche die Sache nun regeln"
Regierungsrat Käser will die Lücke bei präventiven
verdeckten Ermittlungen bis im Frühherbstschliessen.
Matthias Raaflaub
Im Herbst sollen Berner Kantonspolizisten wieder verdeckt in
Chatrooms nach möglichen Pädokriminellen suchen können.
Dieses Ziel verfolgt der Regierungsrat. Wie er gestern mitteilte, legt
er dem Grossen Rat noch in der Märzsession eine Änderung des
Polizeigesetzes vor, welche eine Gesetzeslücke bei
präventiven Ermittlungen schliessen soll. Seit Anfang Jahr fehlt
der Kantonspolizei die gesetzliche Grundlage für verdeckte
Ermittlungen ausserhalb eines Strafverfahrens, wie sie bei
Pädokriminalität im Internet und der Drogenfahndung
eingesetzt wird. Die Kapo darf heute nur dort verdeckt tätig
werden, wo schon ein Verbrechen geschehen ist.
Die Regierung und das Parlament wollen schnell Abhilfe schaffen.
Mit einer Lesung im März solle die Gesetzeslücke bis im
Frühherbst geschlossen sein, sagt der Polizei- und
Militärdirektor Hans-Jürg Käser (FDP) auf Anfrage. Dass
der Rat zustimmt, ist nahezu sicher. Im Oktober und November des
vergangenen Jahres hatte er zwei SVP-Motionen, welche die schnelle
Anpassung der Gesetzeslage forderten, fast einstimmig überwiesen.
Vom Chatroom ausgesperrt
Ein kurzer Passus im Gesetz ist für die
aussergewöhnliche Eile verantwortlich: "Die Staatsanwaltschaft
kann eine verdeckte Ermittlung anordnen, wenn der Verdacht besteht,
eine[...] Straftat sei begangen worden." Das steht unter dem Abschnitt
"Verdeckte Ermittlung" in der Schweizerischen Strafprozessordnung, die
seit dem 1. Januar 2011 in Kraft ist. Dieser Artikel hindert die
Kantonspolizei heute daran, im Internet auf die Jagd nach
Pädophilen zu gehen, die noch kein Verbrechen begangen haben. Um
Kindsmissbrauch zu verhindern, traten Beamte in Bern und anderen
Kantonen bis Ende 2010 mit falscher Identität in Chatrooms ein.
Sie gaben sich selbst als Minderjährige aus, schlossen
Bekanntschaft mit interessierten Pädophilen und verabredeten sich
mit ihnen. Dann schnappte die Falle zu.
Solche präventiven verdeckten Ermittlungen sind in der neuen
Strafprozessordnung nicht mehr erlaubt. Der Bund schreibt diese
Kompetenzen neu den Kantonen zu und hat sie deshalb aus dem Regelwerk
entfernt. Im Kanton Bern aber fehlt dafür ein Gesetz. "Momentan
haben wir keine eigene Rechtsgrundlage. Bei hinreichendem Tatverdacht
können wir erst nachträglich tätig werden", sagt Daniela
Sigrist, Mediensprecherin der KantonspolizeiBern.
Dass es zur misslichen Lage für die Polizei kam, schmeichelt
den Kantonen nicht. Nur in Schwyz war man sich bewusst, dass die
Kantone auf die Vereinheitlichung der schweizerischen Rechtspraxis
durch den Bund hätten reagieren müssen. Ob die gewählten
Volksvertreter, die Kantone oder die Bundesverwaltung für das
Dilemma verantwortlich ist, wird heiss diskutiert. Hat der Kanton Bern
die Änderungen verschlafen? Regierungsrat Käser wehrt sich:
"Verschlafen? Wir sind nach Schwyz die Ersten, welche die Sache nun
regeln. Wenn schon, hat es der Bund versäumt, zu kommunizieren."
Bis auf Schwyz hätten die Änderungen die meisten Kantone
verschlafen, sagt dagegen SVP-Motionär Lars Guggisberg (Ittigen).
"Auch der Kanton Bern." Im Übrigen glaubt er aber - gleich wie
Parteikollege Andreas Blank (Aarberg), Mitautor einer zweiten Motion -,
die Bundesverwaltung hätte den Kantonen bewusst machen sollen,
dass Anpassungen nötig würden. "Wenn die Konsequenzen nicht
deutlich genug mitgeteilt werden, ist es leicht, zu sagen, die Kantone
seien dafür verantwortlich", sagt Blank.
Trotz der "unerfreulichen" Gesetzeslücke, die noch mehrere
Monate andauern wird, ist Guggisberg mit dem Zeitplan der Regierung
zufrieden. "Man muss dem Regierungsrat ein Kompliment machen, dass er
so schnell vorwärtsmacht, seitdem man den Ernst der Lage erkannt
hat."
Ermittlungen nur über Umwege
Wohl habe die Regierung da auch den Druck der Polizei
gespürt, sagt Blank. Er habe vernehmen können, dass die
Situation für die Fahnder sehr unbefriedigend sei.
Tatsächlich hätte die Passage in der Strafprozessordnung
beinahe noch weitreichendere Konsequenzen gehabt. Die präventiven
Ermittlungen mussten nur deshalb nicht in der ganzen Schweiz
eingestellt werden, weil heute eine Vereinbarung mit Schwyz erlaubt,
dass die Koordinationsstelle zur Bekämpfung der
Internetkriminalität (Kobik) der Bundespolizei Fedpol bei
Überwachungen und Ermittlungen für die Kantone einspringt.
Allerdings gehörten dort solche Ermittlungen nicht zu den
Hauptaufgaben, sagt Fedpol-Mediensprecher Stefan Kunfermann. Weil die
Behörde nicht die Arbeit von 25 Kantonspolizeien übernehmen
kann, wird nicht mehr im gleichen Umfang ermittelt wie im Vorjahr.
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be.ch 10.2.11
Rechtsgrundlagen für präventive, verdeckte Ermittlungen
Die Kantonspolizei soll zur Verhinderung von Straftaten weiterhin im
bisherigen Rahmen präventiv observieren und verdeckte Ermittlungen
durchführen können. Der Regierungsrat hat eine entsprechende
Änderung des Polizeigesetzes an den Grossen Rat verabschiedet.
Dieser wird die Vorlage in der Märzsession 2011 behandeln. Das
Polizeigesetz muss angepasst werden, weil seit dem 1. Januar 2011 die
neue eidgenössische Strafprozessordnung gilt. Diese
überlässt die Regelungen zu verdeckten Ermittlungen und
Observationen ausserhalb eines Strafverfahrens den Kantonen. Mit der
Anpassung des Polizeigesetzes werden diese Rechtsgrundlagen so rasch
wie möglich geschaffen. Eine umfassende Revision des
Polizeigesetzes ist für 2012 vorgesehen.
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BIG BROTHER VIDEO
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Schaffhauser Nachrichten 11.2.11
Videoaufnahmen: So verfahren andere Kantone
Konsequente Auswertung der Videoaufnahmen wird von
Bürgerlichen gefordert. Die Praxis in dieser Frage ist nicht
einheitlich.
VON ROBIN BLANCK
In welchem Fall sollen die Aufzeichnungen der kürzlich
installierten Videokameras in der Altstadt ausgewertet werden? Die
Schaffhauser Staatsanwaltschaft hat am Mittwoch dargelegt, dass sie
diesen Schritt nur dann vornehmen will, wenn ein Verbrechen oder ein
Vergehen vorliegt, bei Ubertretungen - etwa Unfug oder
Sachbeschädigungen bis 300 Franken - hingegen davon absehe (siehe
SN von gestern). Das sorgt für Unmut vorab bei bürgerlichen
Politikern, die nun auf eine vermehrte Auswertung drängen.
In Diskussion kein Thema
Fest steht: Mit den geltenden Bestimmungen zur Videouberwachung, die
Gegenstand einer Volksabstimmung waren und die Wahrung von
öffentlicher Sicherheit und Ordnung zum Ziel haben, ist eine
Ausdehnung der Auswertung auf Übertretungen nicht möglich.
Anders wäre es, wenn statt dieses allgemeineren Zwecks der Schutz
eines konkreten Objekts im Vordergrund stehen würde. "Wenn die
Videoüberwachung beispielsweise den unbeschädigten Erhalt
eines Bauwerks zum Ziel hätte, wäre eine Auswertung der
Videobilder auch im Übertretungsfalle denkbar", sagt Cem Arikan,
Rechtsberater in der städtischen Verwaltung. Allerdings
müssten diese Objekte auch in den entsprechenden gesetzlichen
Grundlagen klar bezeichnet werden. "In der Diskussion um die
Einführung der Videoüberwachung war nie die Rede davon, die
Aufnahmen auch im Bagatellfall auszuwerten", blickt Staatsanwalt Peter
Sticher auf die Entstehungsgeschichte zurück.
Uneinheitliche Praxis
Wie aber handhaben andere Kantone diesen Punkt? In der Stadt Luzern
etwa werden die Bilder von Polizeibeamten überwacht und
gleichzeitig aufgezeichnet. Besonderes Augenmerk wird auf den oben
angesprochenen Objektschutz gelegt, etwa die Kapellerbrücke:
Gemäss Auskunft der Staatsanwaitschaft des Kantons Luzern
könnten die Bilder der Videokameras auch bei Übertretungen
beigezogen werden - sofern der zuständige Staatsanwalt dies als
verhältnismässig erachtet.
Dies, so wird erklärt, sorge dafür, dass
Ermittlungsansätze auch bei Ubertretungen "nicht schon im Voraus
verbaut" würden.
In der Stadt St. Gallen sind bereits seit mehreren Jahren
Videokameras im Einsatz, auch dort muss die Staatsanwaltschaft
über die Sichtungsanträge der Polizei entscheiden. Wie Thomas
Hansjakob, 1. Staatsanwalt des Kantons, auf Anfrage erklärt,
beantrage die Polizei aber keine Sichtung bei Bagatellen, "deshalb
stellt sich das Problem gar nicht", sagt Hansjakob.
Und bei der Berner Kantonspolizei wird betont, dass man alle zur
Verfügung stehenden Mittel bei den Ermittlungen einsetzt - bei
Ubertretungen, wie sie etwa angetrunkene Jugendliche im Ausgang
begehen, finde aber keine Videoauswertung statt
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ZWISCHENGESCHLECHT
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St. Galler Tagblatt 11.2.11
Zwist um Zwitter-Operationen
Weder Bub noch Mädchen: Manche intersexuellen Kinder werden
nach der Geburt geschlechtsangleichend operiert. Eine Gruppe von
Betroffenen will dies verbieten. Christian Kind, Chefarzt des
Ostschweizer Kinderspitals, geht das zu weit.
Jeanette Herzog
St. Gallen. Daniela Truffer ist als Zwitter geboren. Und wurde
zum Mädchen gemacht. Ärzte entfernten ihr im Kindsalter einen
kleinen Penis und in der Bauchhöhle liegende Hoden. "Die meisten
intersexuellen Kinder werden genitalverstümmelt und kastriert",
sagt Truffer erbost über geschlechtsangleichende Operationen. Die
45jährige Zürcherin kämpft mit weiteren Betroffenen in
der Menschenrechtsorganisation "Zwischengeschlecht.org" für ein
Verbot von nicht lebensnotwendigen, also kosmetischen
Genitaloperationen an intersexuellen Kindern. "Wir kämpfen
für die Menschenrechte der Zwitter. Jedes Kind soll unversehrt
aufwachsen dürfen und später selber entscheiden, ob es
operiert werden möchte." Die geschlechtsangleichenden Operationen
- meist bleibe es nicht bei einer einzelnen - und deren Folgen
traumatisieren die Kinder laut Truffer und nehmen ihnen oftmals das
sexuelle Empfinden.
Bedürfnis nach Akzeptanz
Auch im Ostschweizer Kinderspital in St. Gallen wird eine kleine
Anzahl intersexueller Kinder betreut. Für Chefarzt Christian Kind
gehen die Forderungen von "Zwischengeschlecht.org" zu weit. Er ist
gegen ein generelles Verbot von geschlechtsangleichenden Operationen.
"Es besteht manchmal ein Konflikt zwischen der Forderung, die
zukünftige autonome Entscheidung des späteren Jugendlichen
über seinen Körper zu respektieren, und dem Bedürfnis
des Kindes, von seiner Familie und seinen Altersgenossen als vollwertig
akzeptiert zu werden", erklärt Kind, der auch Präsident der
Zentralen Ethikkommission der Schweizerischen Akademie der
medizinischen Wissenschaften ist.
Entscheidung ist zwingend
Unsere Gesellschaft kenne derzeit nur die zwei Geschlechter
männlich und weiblich, begründet Christian Kind das Dilemma
der Intersexualität. Deswegen muss auch innerhalb der ersten paar
Monate nach der Geburt der Entscheid gefällt werden, ob das Kind
männlich oder weiblich ist. Dies zumindest auf dem Papier, um das
Kind ins Geburtenregister eintragen zu können. Chirurgische
Eingriffe würden primär vorgenommen, wenn für das Kind
eine Gefährdung besteht und nicht, um das Geschlecht anzugleichen,
sagt Kind. Wenn beispielsweise der Ausgang der Harnröhre mit der
Scheide zusammenfällt, muss operiert werden, um einer chronischen
Nierenbeckeninfektion vorzubeugen. Habe ein eigentlich weibliches Kind
aber aufgrund eines Testosteron-Überschusses im Mutterleib eine
penisartige Klitoris, sei eine Operation nicht zwingend. Dennoch
würden sich Eltern gemeinsam mit Ärzten in seltenen
Einzelfällen dafür entscheiden, auch nicht lebensnotwendige
geschlechtsangleichende Operationen vorzunehmen. Werde das Geschlecht
des Kindes nämlich nicht angeglichen, könne dies zu
Schwierigkeiten in der kindlichen Entwicklung. führen. "Ein Kind
beginnt sich mit zwei Jahren zu fragen, ob es nun Mutter oder Vater
gleicht", erklärt Christian Kind. Wenn sein familiäres Umfeld
mit den uneindeutigen Geschlechtsorganen nicht umgehen kann, werde das
Andersseins für das Kind sehr traumatisierend.
Trauma verhindern
Doch Daniela Truffer ist überzeugt, dass Anderssein weniger
schlimm ist, als operiert zu werden. "Erhalten die Eltern
psychologische Unterstützung und wird das Umfeld des Kindes
aufgeklärt, kann es unbekümmert aufwachsen." Dies sei nicht
immer einfach, aber Genitaloperationen und die nachfolgenden
Behandlungen ermöglichten kein unbeschwertes Kindsein. "Ich kenne
keinen operierten Zwitter, der glücklich ist. Wir sind alle
psychisch und physisch versehrt." Truffer selbst hat über Jahre
psychologische Betreuung in Anspruch genommen. Sie wünscht sich,
sie wäre damals nicht operiert worden.
"Für das Wohl des Kindes"
Daniela Truffer und "Zwischengeschlecht.org" klagen die
Ärzte des Ostschweizer Kinderspitals an, die Eltern zum Teil
massiv unter Druck zu setzen. "Die Ärzte wollen die Kinder
operieren", sagt Truffer.
Der Chefarzt weist dies vehement zurück: "Unser Interesse zu
operieren, ist nicht gross. Wir drängen niemanden zu einem
Eingriff." Im Ostschweizer Kinderspital wird bei der Behandlung eines
intersexuellen Kindes ein multiprofessionelles Betreuungsteam
beigezogen. Chromosomen, Hormone und Geschlechtsorgane werden
überprüft, um allenfalls ein eindeutiges Geschlecht ausmachen
zu können. Ist dies nicht möglich, beraten die Eltern mit dem
Betreuungsteam, das aus Hormonspezialisten, Gynäkologen und
Psychologen besteht, was das Beste für das Kind sein könnte.
Die Entscheidung schliesslich ist eine gemeinsame, denn die Eltern
müssen für eine Behandlung ihr Einverständnis geben,
können aber gleichzeitig keinen Eingriff verlangen, den die
Ärzte ablehnen. Ob bei einem Kind eine geschlechtsangleichende
Operation vorgenommen wird, hat laut Christian Kind zum Grossteil mit
den Eltern zu tun: "Wenn die Eltern ein intersexuelles Kind nicht
annehmen können, dann kann es für das Wohl des Kindes besser
sein, zu operieren."
"Lieber hier als im Osten"
Daniela Truffer ist da anderer Meinung. "Die Unversehrtheit des
Kindes muss oberste Priorität haben. Schreit ein Kind für den
Geschmack der Eltern zu laut, entfernt man auch nicht seine
Stimmbänder."
Christian Kind sieht das pragmatisch: "Es ist mir lieber, wir
behandeln die Kinder hier, als dass die Eltern in den Osten fahren und
die Operationen dort vornehmen lassen." Betroffene Patienten - ob
operiert oder nicht - würden über Jahre hinweg begleitet. Das
Ostschweizer Kinderspital unterstütze zudem die Forschung
über die Behandlung von intersexuellen Kindern und nehme aktiv
daran teil. In der Vergangenheit habe es bestimmt traumatisierende
Eingriffe gegeben. Heute aber gehe man viel sensibler mit dem Thema
Intersexualität um, sagt Kind.
--
Lexikon
Zwitter
Am Anfang sind wir alle Zwitter: Jeder Fötus hat Anlagen
für beide Geschlechter. Erst nach der sechsten
Schwangerschaftswoche bestimmen die Gene das männliche oder
weibliche Wesen. Ein XY-Chromosomen-Paar lässt Hoden und Penis
wachsen, XX führt zu Eierstöcken und Klitoris. Doch
während der Entwicklung im Mutterleib kommt der Natur gelegentlich
etwas dazwischen: Chromosomen fehlen oder sind überzählig,
Enzyme versagen, Hormone fallen aus. Es gibt diverse
Störungsbilder. Eigentlich weibliche Säuglinge können im
Mutterleib einem Testosteronüberschuss ausgesetzt sein, so dass
sich eine penisartige Klitoris bildet. Umgekehrt können
männliche Säuglinge einen separaten Ausgang der
Harnröhre ausbilden. Des weiteren gibt es Kinder, die wie
Mädchen aussehen, obwohl sich in der Bauchhöhle Hoden
verstecken. Gerade weil es so viele verschiedene Ausprägungen
gibt, ist es schwierig, die Häufigkeit dieser Launen der Natur zu
bestimmen. Eine einheitliche Statistik gibt es in der Schweiz nicht.
Die Betroffenenorganisation "Zwischengeschlecht.org" spricht von einem
Zwitter auf 2000 Geburten. Andere Quellen schätzen die Rate
fünfmal kleiner ein. Betroffene werden auch Intersexuelle,
Zwischengeschlechtliche oder Hermaphroditen genannt. (jhe)
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SEXWORK
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20min.ch 14.2.11
Luzern: Anzeige wegen Prostitution
Prostituierte und ihre Freier sorgen im Tribschenquartier
für schlaflose Nächte. Jetzt hat eine Anwohnerin Strafanzeige
eingereicht.
Martin Erdmann
"Die Sexarbeiterinnen schreien Worte wie ‹ficken› und ‹blasen› in
die Nacht hinein oder streiten lautstark mit den Freiern über
Preis und detaillierte Sexleistungen": So beschreibt Anwohnerin M.H.,
was sich Nacht für Nacht vor ihrer Haustür auf dem
Strassenstrich im Tribschenquartier abspielt. Zudem seien die
Prostituierten oft zugedröhnt.
H. hat vom allnächtlichen Treiben jetzt die Nase voll und
hat Strafanzeige wegen Lärmbelästigung gegen unbekannt
eingereicht. Ausserdem beantragt sie die dauerhafte Wegweisung von
Prostituierten - und dass die Tribschen- und Unterlachenstrasse
grösstenteils strassenstrichfreie Zone werden.
Auch der Coiffeurladen Haarkult leidet unter dem Strassenstrich.
Laut Geschäftsleiterin Susanne Schmid lassen die Prostituierten
und ihre Freier ihren Müll oft vor dem Haus liegen. "Das reicht
von Zigarettenstummeln und Getränkeflaschen bis zu gebrauchten
Kondomen und Exkrementen." Ihr Personal müsse deshalb jeden Morgen
auf Müllpatrouille gehen. "Die Situation ist wirklich
mühsam", ärgert sich Schmid. Die Hoffnung auf Hilfe von der
Stadt Luzern schwindet: "Die Stadt hat uns bisher immer im Stich
gelassen", so Schmid. Eine baldige Lösung des
Prostituierten-Problems ist für sie nicht in Sicht.
---
NLZ 12.2.11
Lösungen für die Stadt Luzern?
Strassenstrich
red. Anwohner leiden seit Jahren unter dem Strassenstrich im
Tribschenquartier. Der Stadtrat hat bislang keine Lösung für
das Problem gefunden. Ein Blick auf andere Städte zeigt:
Lösungen sind durchaus möglich. So ist in Chur die
Prostitution an Strassen und Plätzen mit Wohnhäusern verboten.
Eine Lösung auch für Luzern? Stadträtin Ursula
Stämmer will sich dazu derzeit nicht äussern und verweist auf
einen entsprechenden Vorstoss von Grossstadtrat Daniel Wettstein (FDP).
Bei der Beantwortung des Vorstosses werde der Stadtrat seinen
Standpunkt vertreten.
23
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Prostitution: So machen es andere Städte
Stadt Luzern
Barbara Inglin
In Luzern befindet sich der Strassenstrich mitten in einem
Wohngebiet. Andere Städte haben dies längst verboten - und
erfolgreich durchgesetzt.
barbara.inglin@luzernerzeitung.ch
Ganz verbieten lässt sich die Strassenprostitution nach
Schweizer Gesetz nicht. Aber die Städte können durchaus
Einfluss darauf nehmen, wo sie sich abspielt. So könnte Luzern zum
Beispiel Zonen festlegen, in denen Prostitution toleriert oder eben
verboten ist (siehe Kasten).
Andere Städte zeigen, wie es gehen könnte: In Chur ist
es gemäss Polizeigesetz untersagt, "sich in der erkennbaren
Bereitschaft zur Ausübung der Prostitution an folgenden Orten
aufzuhalten: Strassen und Plätze, an denen Wohnhäuser stehen;
in und bei Parkanlagen, die der Öffentlichkeit zugänglich
sind; in der Nähe von Schulen, Kinderspielplätzen, Heimen,
Sportanlagen, Spitälern, Kirchen und Friedhöfen". Laut Roland
Hemmi von der Churer Stadtpolizei ist der Strassenstrich in einem
Industriequartier angesiedelt. "Wenn das Gesetz nicht eingehalten
würde, könnten wir eine Wegweisung verfügen", sagt Hemmi.
Auch die Stadt St. Gallenkennt ein städtisches
Polizeireglement mit praktisch identischem Wortlaut. Zusätzlich
verboten ist die Prostitution in St. Gallen an Haltestellen
öffentlicher Verkehrsmittel während der Betriebszeiten.
Basel büsst auch die Freier
In Basel-Stadtgilt bereits seit 1978 eine Vorschrift, in welcher
drei Toleranzzonen für die Strassenprostitution festgelegt sind.
Wer sich nicht daran hält, muss mit einer Geldbusse oder Haft
rechnen. "In Betrieb ist aber nur noch eine der Toleranzzonen im
Kleinbasel", sagt Klaus Mannhart, Leiter Kommunikation des Justiz- und
Sicherheitsdepartements des Kantons Basel-Stadt. "Die anderen zwei
Zonen in der Nähe von Bahnhöfen im Industriegebiet wurden nie
benutzt. Eine von ihnen wurde darum vor rund zehn Jahren offiziell
wieder gestrichen." Hin und wieder komme es vor, dass einzelne
Sexarbeiterinnen Plätze ausserhalb der erlaubten Zone zur
Prostitution benutzten. "Die Polizei kontrolliert hier aber sehr
intensiv. Gebüsst werden nicht nur die Prostituierten, die meist
aus dem Drogenmilieu kommen, sondern auch die potenziellen Freier, die
den Platz umrunden. Sie erhalten eine Busse wegen ‹unnötigen
Herumfahrens› beziehungsweise ‹Nachtruhestörung›. Das
funktioniert", sagt Mannhart.
Dass sich der Strassenstrich durchaus ins Industriegebiet
verschieben lässt, zeigen die Erfahrungen aus Olten. "Anfang der
Achtzigerjahre fand die Prostitution noch mitten in der Innenstadt
statt, in der Nähe des Kantonsspitals", sagt Andreas Kohler,
stellvertretender Kommandant der Stadtpolizei. "Da sich die Anwohner
daran gestört haben, hat der Stadtrat den Prostituierten ein
Gebiet an der Industriestrasse zugesprochen, wo der Strassenstrich
toleriert wurde. Die Frauen waren froh, an einem Ort zu arbeiten, wo
sie nicht dauernd weggewiesen wurden." An der Industriestrasse wurden
Kameras installiert und ein Beratungsangebot für die
Prostituierten geschaffen.
Olten: "Strich massiv verkleinert"
Doch je länger, je mehr störte sich auch das Gewerbe am
Strassenstrich. Zeitweise haben laut Kohler bis zu 90 Prostituierte an
einem Abend dort gearbeitet. "Auf den Druck der Gewerbetreibenden wurde
der Strich vor vier Jahren massiv verkleinert und in die nahe
Haslistrasse verschoben", sagt Kohler. Ideal sei die Lösung aber
immer noch nicht. Das ansässige Kleingewerbe, eingemietete
religiöse Gemeinschaften und Kulturgemeinden von Ausländern
würden sich nun über den Strassenstrich beschweren. Der
Strich bleibe auch in Olten ein Politikum.
Luzern: Vorstoss hängig
Der Luzerner Stadtrat hat sich in der Vergangenheit gegen die
Bildung von Strichzonen ausgesprochen. Momentan will sich die
zuständige Stadträtin Ursula Stämmer nicht äussern,
da inzwischen ein neuer Vorstoss von Daniel Wettstein (FDP) eingereicht
wurde (Ausgabe vom 7. Februar). Bei der Beantwortung des Vorstosses
werde der Stadtrat seinen Standpunkt vertreten.
--
Strichzonen sind möglich
flj. Die Gemeinden des Kantons Luzern können lokale
Vorschriften über die Ausübung der Prostitution erlassen.
Zwar kann man die Prostitution selbst gemäss Bundesrecht nicht
verbieten. Jedoch können Ort, Zeit und Art der Ausübung
geregelt werden. Ebenfalls sind störende Begleiterscheinungen der
Prostitution, wie zum Beispiel Nachtruhestörung, strafbar.
In der Antwort auf eine schliesslich zurückgezogene
SVP-Motion schrieb der Stadtrat im Jahr 2004, dass es möglich
wäre, Strichzonen festzulegen, in denen Prostitution toleriert
würde, und andere Zonen, wo sie illegal wäre. Der Stadtrat
sprach sich damals gegen eine solche Regelung aus. Sie bringe "derzeit
keine wesentlichen Vorteile". Die Verlagerung der Strassenprostitution
sei nur realisierbar, wenn man Liegenschaften gezielt für die
Prostitution zur Verfügung stelle.
---
Reformiert 11.2.11
"Diese Verordnung ist eine Mogelpackung"
Stadt Zürich/ Der Stadtrat plant eine neue
Prostitutionsverordnung. Die Stadtmission, aber auch andere
Fachstellen, kritisieren den Entwurf.
Am 19. Januar hat der Stadtrat den Entwurf der neuen
Prostitutionsgewerbeverordnung in die Vernehmlassung geschickt.
Gemäss dieser braucht es für die Prostitution künftig
eine Bewilligung. Und Salonbesitzer müssen ein Patent vorweisen.
Kritik
Die neue Verordnung zielt vor allem auf die Missstände beim
Strassenstrich am Sihlquai, wo die Zahl der Prostituierten als Folge
der EU-Personenfreizügigkeit deutlich zugenommen hat. Der Kampf um
Freier zwingt die Prostituierten, zum Teil unter unwürdigsten
Bedingungen zu arbeiten, zum Beispiel im Freien. Frauen werden Opfer
von Zuhälterbanden und Menschenhändlern, und die Anwohner
klagen über Lärm und Schmutz.
Heute kann sich eine Prostituierte aus einem Schengen-Land eine
Bewilligung beim Amt für Wirtschaft besorgen und neunzig Tage in
Zürich arbeiten. Neu soll dies schwieriger werden. Sie muss eine
zusätzliche Bewilligung für Strassenprostitution einholen und
dafür bestimmte Voraussetzungen erfüllen: Mündigkeit,
Urteilsfähigkeit, Aufenthaltserlaubnis, die Zulassung zur
Erwerbstätigkeit und den Nachweis einer Krankenversicherung.
Gegen diese Kriterien sei nichts einzuwenden, sagt Regula Rother
von der Zürcher Stadtmission. Trotzdem lehnt sie zusammen mit der
Fachstelle Frauenhandel und Frauenmigration FIZ und der Zürcher
Aidshilfe gemäss einem Communiqué die Verordnung ab. Die
Fachstellen stören sich daran, dass die Verordnung, neben dem
Schutz der Bevölkerung, bessere Arbeitsbedingungen und mehr
Sicherheit für Sexarbeiterinnen verspricht. "Diesen Anspruch
erfüllt die Verordnung in keiner Weise", kritisieren sie und
bezeichnen sie als "Mogelpackung", weil sie Ausbeutung und Gewalt nicht
verhindere.
Illegalität
Vor allem lehnen die Fachstellen die vorgesehene Bewilligungspflicht
für alle Prostituierten ab. Rother befürchtet, dass viele
Frauen deswegen in die Agglomeration abwandern oder in die
Illegalität abtauchen könnten. Dort wären sie
Zuhältern oder Menschenhändlern erst recht ausgeliefert.
Diese Gefahr drohe besonders auch deshalb, weil sich die Stadt laut der
neuen Verordnung vorbehält, die Bewilligungen zeitlich zu
begrenzen. Stadtrat Daniel Leupi dagegen glaubt, dass die
Bewilligungspflicht zur Sicherheit der Sexarbeiterinnen beiträgt.
Der Strassenstrich werde so kontrollierbarer und transparenter. "Damit
kann verhindert werden, dass etwa Zuhälter in den für die
Strassenprostitution zugelassenen Gebieten die Vorherrschaft
übernehmen", so der Vorsteher des Polizeidepartements, das die
Verordnung ausgearbeitet hat.
Unterstützung
Die Stadtmission, die von der Stiftung der Evangelischen Gesellschaft
des Kantons Zürich getragen wird, betreibt im Zürcher Kreis 4
seit vielen Jahren eine Anlaufstelle für Sexarbeiterinnen. Die
Frauen erhalten dort Begleitung und Beratung in Gesundheits- und
Lebensfragen, bei Finanzproblemen oder arbeitsrechtlichen Anliegen.
Auch ein Mittagstisch ist Teil des Angebots.
Dass die Missstände am Sihl-quai behoben werden müssen,
steht für Regula Rother ausser Frage. "Es braucht aber eine
nachhaltige Lösung", sagt sie und schlägt einen runden Tisch
mit Vertretern von Stadt, Kanton und Fachstellen vor. Damit die
Prostituierten gestärkt würden, brauche es auch
arbeitsrechtlichen Schutz bezüglich Lohn, Sozialversicherung,
Selbstbestimmung von Sexualpraktiken und vielem mehr. Die
Vernehmlassung der Verordnung läuft bis Ende März.
Sabine Schüpbach Ziegler
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Respekt und Rat für die Frauen im Rotlichtmilieu
Solidarität/ Die Heilsarmee-Soldatin Cornelia Zürrer
Ritter betreut jede Dienstagnacht Prostituierte im Kreis 4.
Cornelia Zürrer Ritter weiss, wie es sich anfühlt, wenn
Menschen an einem vorbeieilen und bewusst wegschauen. Als junge Frau
verliebte sie sich in einen Obdachlosen und lebte mit ihm einige Zeit
auf den Strassen Wiens und Zürichs. "Das hat mich sehr
geprägt", erzählt sie jetzt. "Ich lernte viele Obdachlose
kennen und realisierte: Es kann jeden aus der Bahn werfen." Die
44-jährige Soldatin der Heilsarmee, die jeweils dienstagnachts
Prostituierte im Kreis 4 aufsucht, weiss aus dieser Zeit, wie kostbar
respektvolle Begegnungen sind.
Zuhören
Als die Heilsarmee vor dreizehn Jahren der Sozialpädagogin
vorschlug, Sexarbeiterinnen zu betreuen, zögerte sie nicht. Gerade
war ihr erstes Kind geboren, und nach einigen Jahren in der
Jugendarbeit wollte sie Veränderung.
Einmal pro Woche zieht Cornelia Zürrer los, in Uniformjacke,
den Heilsarmee-hut auf ihrem rot gefärbten Haar. Auf der Strasse,
in Salons und Wohnungen besucht sie Sexarbeiterinnen, fragt, wie es
geht, verteilt Esswaren und berät in Fragen zu Gesundheit, Recht,
Arbeitssuche. Von elf bis vier Uhr morgens empfängt das Dreierteam
Frauen in einem Raum an der Müllerstrasse. "Oft hören wir
einfach zu", sagt Zürrer. Oder sie schauen Fotos an, Fotos von
Kindern.
Die meisten Sexarbeiterinnen seien Migrantinnen, viele
hätten Kinder in der fernen Heimat. Das erschüttert Cornelia
Zürrer: "Die Vorstellung, ich müsste mich prostituieren,
damit meine Kinder eine Lebensgrundlage haben, ist schlimm." Viele
Mütter würden ihre Kinder nur einmal im Jahr sehen - und
hilflos erleben, wie sie sich entfremden. Manche wollen, dass die
Soldatin Zürrer mit ihnen betet, auch für die Kinder.
Cornelia Zürrer betont: "Die Frauen bestimmen selbst, worüber
wir reden." Für sie selber sei der Glaube, dass Gott alle Menschen
liebt, die Basis ihrer Arbeit, sie schwatze ihn anderen aber nicht auf.
Schräg
Bereits die Eltern der vifen Frau waren vollamtlich in der Heilsarmee
tätig. Von den vier Geschwistern ist Cornelia als Einzige bei der
Institution mit dem etwas altbackenen Profil geblieben. Lächelnd
sagt sie: "Wir sind ein schräger Verein. Man muss sich dazu
berufen fühlen. Ich bin eben auch etwas schräg." Ihr
Obdachlosenleben sei ebenso auf Unverständnis gestossen wie ihr
Entscheid, nach dem Gymnasium in einer Fabrik am Fliessband zu arbeiten.
Mit ihrer unkonventionellen Denkweise ecke sie immer wieder an,
auch in ihrer Gemeinde. Aber sie fühlt sich dennoch mit der
Heilsarmee sehr verbunden, auch weil Frauen von jeher die obersten
Ämter bekleiden dürfen. "Nie würde ich einer patriarchal
strukturierten Kirche angehören!" Selbstverständlich ist es
für Cornelia Zürrer auch, dass sie Berufs- und Familienarbeit
mit ihrem Mann, einem Katholiken, teilt. Der ganzheitliche Ansatz
gefällt ihr auch an der Heilsarmee - die Sorge für die
elemen-tarsten Bedürfnisse der Menschen: "Suppe, Seife,
Seelenheil".
Anouk Holthuizen
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Das Projekt "Rahab"
In Zürich arbeiten mehr als 4400 Prostituierte mit einer
Aufenthalts- und Arbeitsbewilligung. Dazu kommt eine grosse Zahl von
Frauen, die sich illegal in der Schweiz aufhalten. Oft sind sie von
Frauenhändlern hierher gebracht worden. "Rahab" ist ein Angebot
der Heilsarmee Zürich, das sich an diese Frauen richtet, mit dem
Ziel, sie aus ihrer Isolation zu befreien. Zum "Rahab"- Team
gehören eine Sozialpädagogin, eine Krankenschwester und eine
Sozialarbeiterin.
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Kommentar
Wirkungsvoll gegen das Elend der Prostitution
Delf Bucher ist "reformiert." - Redaktor in Zürich
Unter Beschuss
In einem Blatt, das den Namen "reformiert." trägt, über
Prostitution zu schreiben, ist heikel. "Gekaufte Liebe" - das
skandalisiert bis heute. Daniel Leupi, der neue Stadtzürcher
Polizei-vorsteher, hat dies zu spüren bekommen, als er in einem
Zeitungsinterview über die Einrichtung von "Verrichtungsboxen"
nachdachte, um dem Elend des Strassenstrichs am Zürcher Sihlquai
zu begegnen. In deutschen Städten stehen den Prostituierten solche
Unterkünfte zur Verfügung.
Unter Kritik
Hart angeschlagen von der öffentlichen Moralkeule, krebste der
neue Polizeichef schliesslich zurück. In seinem Departement
wur-den neue Verbote erdacht und der Verordnungsentwurf mit der
Etikette versehen, er sei im Interesse der Prostituierten. Und wieder
hagelt es Kritik, auch von christlichen Organisationen wie der
Stadtmission oder der Heilsarmee. Der Botschaft Jesu folgend, der die
Menschen am Rand aufsuchte, stellen diese Institutionen die Frauen ins
Zentrum, die, von der Armut getrieben, ihren Körper verkaufen.
Unter Kontrolle
Was wäre nun sinnvoll für Prostituierte und Freier zugleich?
Statt nur einen amtlich bürokratischen Hindernislauf für die
Frauen zu organisieren, sollte Leupi seine alte Idee weiterverfolgen:
Warum nicht an ein von der Stadt eingerichtetes Bordell denken? Hier
liessen sich Hygiene, Sicherheit und Gesundheitsvorsorge am besten
garantieren. Ein amtlich bewilligtes Haus für Sexdienstleistungen
- geht das? Sicher. Wie bei der staatlichen Heroinabgabe könnte
Zürich zum Modell werden, wie man dem Elend der Prostitution
begegnet.
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Tagesanzeiger 9.2.11
"Die Polizei macht am Sihlquai unser Geschäft kaputt"
Rebekka S., die auf dem Zürcher Strassenstrich anschafft,
fühlt sich von der Stadtpolizei schikaniert. Im Gegensatz zu den
Anwohnern: Die sind froh um die Polizeipräsenz.
Mit Rebekka S.* sprach Liliane Minor
Zürich - Jeden Abend stehen Dutzende Frauen am Zürcher
Sihlquai und warten auf Freier. Eine von ihnen ist Rebekka S., eine
21-jährige Ungarin. Wir treffen sie im Café El Greco am
Limmatplatz. Weil Rebekka nur gebrochen Deutsch spricht, ist eine
Übersetzerin aus Budapest dabei. Wer die junge Frau zum ersten Mal
sieht, würde sie kaum für eine Prostituierte halten.Rebekka
ist eine selbstbewusste, energische junge Frau. Ihren Namen will sie
nicht in der Zeitung lesen, ebenso wenig ein Foto von sich sehen - weil
sie Repressalien fürchtet.
Seit sich die Beschwerden der Quartierbevölkerung über
die Auswüchse des Strassenstrichs häufen, hat die Stadt die
Vorschriften für das Gewerbe verschärft, und sie prüft
eine Verlegung der Sexmeile.
Sie arbeiten seit anderthalb Jahren am Sihlquai. Was hat sich in
dieser Zeit verändert?
Es gibt heute viel weniger Frauen am Sihlquai als früher,
als der Strich noch bis zum Bahnhof ging. Damals standen jeden Abend
weit über 100 Frauen dort, heute sind es etwa 70, 80. Was immer
schlimmer wird, sind die Schikanen der Stadtpolizei. Die Beamten lassen
uns nicht in Ruhe arbeiten. Sie machen unser Geschäft kaputt.
Was tun die Polizisten?
Zum Beispiel fährt die Polizei im Streifenwagen vor, wenn
ich gerade daran bin, einen Mann zu bedienen. Dann befehlen sie uns per
Lautsprecher auszusteigen, um den Freier und mich zu kontrollieren.
Manchmal werden wir mehrmals pro Nacht kontrolliert. Das dauert jeweils
bis zu einer halben Stunde. So können wir nicht arbeiten, die
Freier kommen nicht, wenn sie sich beobachtet fühlen. Vor allem
wir Ungarinnen werden von der Polizei schikaniert: Man zerbricht die
SIM-Karten unserer Handys oder nimmt uns gleich auf den Posten mit.
Die Polizei hat es auf illegale Prostituierte abgesehen.
Wir haben nichts dagegen, wenn illegal arbeitende Frauen
weggewiesen werden. Aber warum müssen wir Legalen ständig
kontrolliert werden?
Es geht auch um Ihren Schutz vor gewalttätigen Freiern und
Zuhältern.
Nein, eben gerade nicht. Die Stadtpolizisten kommen nicht einmal,
wenn eine Frau für Stunden verschwindet und wir befürchten
müssen, dass sie irgendwo vergewaltigt wird. Wenn ich in einem
solchen Fall die 117 anrufe, dann heisst es, ich solle erst mal Deutsch
lernen. Und ich wisse doch bestimmt, dass ich einen gefährlichen
Beruf hätte. Manchmal hört man sogar: Wenn du hier keine
Steuern zahlst, dann sind wir nicht für dich da. Was soll das? Ich
zahle hier doch Steuern.
Sie zahlen Steuern?
Aber natürlich, ich habe eine Aufenthaltsbewilligung. Ich
zahle auch Krankenkasse und alles.
Die Polizei ist am Sihlquai auch deshalb präsent, weil sich
Anwohner beklagen, es werde immer schlimmer dort. Verstehen Sie die
Anwohner nicht?
Der Strich ist seit 20 Jahren am Sihlquai. Die Leute, die dort
hinziehen, wissen das genau. Klar, mich würde es auch nerven, wenn
gebrauchte Kondome in meinem Hauseingang liegen und mir Leute ins
Gebüsch pinkeln. Aber wenn die Stadt schon den Strich dort
zulässt, warum stellt sie nicht mehr Klos und Mülleimer auf?
Uns stehen bloss drei WCs zur Verfügung, und die sind extrem
dreckig und oft kaputt.
Wie steht es mit der grassierenden Zuhälterei?
Ich arbeite auf eigene Rechnung. Früher hatte ich einen
Zuhälter, dem ich 50 Prozent meiner Einnahmen abliefern musste.
Aber der bedrohte mich. Deshalb zeigte ich ihn bei der Polizei an. Das
ist jetzt ein Jahr her, aber die Staatsanwaltschaft hat nichts getan
gegen ihn; er ist immer noch auf freiem Fuss. Zu meinem Glück ist
er inzwischen nach Berlin gezogen. Ich habe die Polizei auch schon auf
andere Zuhälter aufmerksam gemacht, aber sie tut nichts.
Warum nicht?
Das Problem ist, dass Zuhälterei nicht verboten ist, solange
die Frauen das Geld freiwillig abliefern. Man müsste also
beweisen, dass die Männer Zwang ausüben. Das ist schwierig.
Wenn man Ihnen zuhört, fragt man sich, warum Sie hier sind.
Ist Zürich kein einträgliches Pflaster?
Doch, schon, ich verdiene gut. Ich kann sogar Geld sparen und
meinen Eltern etwas nach Ungarn schicken.
Wussten Sie, was Sie hier erwarten würde?
Ich habe in Ungarn Konditorin gelernt, dort würde ich bloss
ein paar Hundert Franken verdienen - das ist viel zu wenig, um zu
leben. Die Lebenskosten in Budapest sind - gemessen an den Löhnen
- höher als in Zürich. Ausserdem fand ich keinen Job. Im
Internet stiess ich auf ein Inserat, das für gute
Verdienstmöglichkeiten in Zürich warb. Obwohl nichts
Genaueres stand, wusste ich, was meine Arbeit sein würde.
Man hört immer wieder von Frauen, die davon angeblich nichts
wissen.
Ja, es gibt viele davon. 17-jährige Mädchen, die sich
in einen Kerl verlieben. Der erzählt ihnen, er arbeite als Maurer
oder so in Zürich, nimmt sie mit - und wenn sie da sind, sagt er
plötzlich, er sei arbeitslos, aber sie könne Geld verdienen.
Die Mädchen gehen auf den Strich, weil sie verliebt sind. In
Zürich beginnen dann die Drohungen und der Zwang.
Um den Prostituierten einen gewissen Schutz zu bieten,
überlegt sich die Stadt Zürich, Strichboxen aufzustellen. Was
halten Sie davon?
Nichts. Das würde unser Geschäft ruinieren. Ich habe
viele Schweizer Kunden, zum Teil Familienväter, und die kommen
nicht, wenn sie das Gefühl haben, es gebe irgendwo eine Kamera.
Für uns wäre ein Parkplatz ideal, mit genügend
Abfallkörben, WCs und hin und wieder Zivilpatrouillen. Sicher
keine Uniformierten. Und vor allem keine Kameras!
* Name der Redaktion bekannt
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Polizei weist Vorwürfe zurück
"Die Kontrollen sind absolut nötig"
Zürich - Marco Cortesi, Medienchef der Stadtpolizei, weist
die Vorwürfe der Prostituierten Rebekka S. zurück: "Ich kann
mir nicht vorstellen, dass so etwas passiert. Wenn dem so wäre,
käme es bestimmt zu Anzeigen." Die Polizisten seien geschult. Ein
Verhalten, wie es Rebekka S. schildere, würde intern nicht
akzeptiert. Dass die Kontrollen für die Prostituierten nicht
angenehm seien, kann Cortesi indes nachvollziehen.
Für die Prostituierten-Anlaufstellen Flora Dora und Isla
Victoria zeigen Rebekkas Schilderungen grundsätzlich das grosse
Dilemma der Polizeiarbeit: Auf der einen Seite steht das Bedürfnis
der Bevölkerung nach Ruhe und Ordnung, auf der anderen der Wunsch
der Prostituierten, ungestört arbeiten zu können.
Die Mitarbeiterinnen der Prostituierten-Anlaufstellen Flora Dora
und Isla Victoria sind zwar überzeugt davon, dass es am Sihlquai
genügend Polizeikontrollen brauche. Die Arbeit der Polizisten vor
Ort schätzen sie allerdings sehr unterschiedlich ein.
Angst vor einer Anzeige
Im städtischen Flora-Dora-Bus, der am Sihlquai stationiert
ist, beurteile man die Arbeit der Polizei insgesamt als gut, sagt
Barbara Strebel, Pressesprecherin der Sozialen Einrichtungen und
Betriebe der Stadt Zürich: "Wir haben zwar auch schon gravierende
Klagen gehört, aber wenn wir den Frauen Hilfe anbieten, um Anzeige
zu erstatten, lehnen sie meist ab." Die Anliegen der Prostituierten
würden regelmässig in Gesprächen mit der Polizei
besprochen.
Etwas kritischer ist Regula Rother von der privat betriebenen
Anlaufstelle Isla Victoria. Es sei bekannt, dass der Strich am Sihlquai
der Polizei ein Dorn im Auge sei. Ihre Mitarbeiterinnen hörten oft
von Prostituierten, sie seien von der Polizei unfreundlich behandelt
worden. Rother findet das nicht in Ordnung: "Wenn man davon ausgeht,
dass Prostitution ein Geschäft ist wie jedes andere auch, dann
müssten auch die Kontrollen in gleicher Art und Weise stattfinden."
Frust über die Konkurrenz?
Eine Szenekennerin, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen
will, sieht Rebekkas Aussagen als Ausdruck der Frustration einer hier
wohnhaften Prostituierten: "Sie muss in Zürich ihren
Lebensunterhalt bestreiten - aber die Konkurrenz ist hart, die Frauen
aus dem Ausland drücken die Preise, und wegen dieser Frauen sind
mehr Kontrollen nötig." Denn viele davon seien jeweils nur kurze
Zeit hier und würden nicht einmal die vorgeschriebene Bewilligung
einholen.
Wie viele Frauen sich unter Zwang prostituieren, ist selbst
für Fachleute schwer abzuschätzen. Nach Rothers Erfahrung
haben längst nicht alle Frauen einen Zuhälter. Gegen die
Zuhälterei könnten die Kontrollen im Übrigen wenig
ausrichten, glaubt sie. Wichtiger sei, dass die Frauen auch
Bezugspersonen hätten, denen sie vertrauten.(leu)
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RANDSTAND ZUG
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NLZ 10.2.11
Familien und Jugendliche sollen vermehrt einkehren
Zug
Yvonne Anliker
Zwei FDP-Gemeinderäte stören sich daran, dass im Podium
41 Randständigenarbeit betrieben wird. Und wünschen eine
Veränderung.
Das Podium 41 in Zug ist immer wieder Thema in der Politik. Auch
der jüngste Vorstoss aus den Reihen der FDP-Fraktion im Grossen
Gemeinderat beschäftigt sich mit der Beiz in der Nähe des
Hafens. Rainer Leemann und Marcel Uhr haben eine Interpellation
eingereicht. Und verfolgen damit ein Ziel. "Wir wollen anregen, dass
eine andere Lösung für Randständige gesucht wird",
heisst es im Vorstoss. Denn: "An der schönen Lage in Zug machen
vermehrt Familien und Jugendliche einen grossen Bogen um das Podium
41." Es stört die Interpellanten, "dass Familien diese Lage und
das Freizeitangebot um das Lokal nicht nützen können".
Leemann und Uhr wollen deshalb vom Stadtrat wissen, weshalb er die
Randständigenarbeit genau an diesem Ort betreibe. "Warum ist hier
kein Konzept für Familien erarbeitet worden?", fragen die
Gemeinderäte, befänden sich doch ganz in der Nähe ein
Skaterpark und ein grosser Spielplatz.
"Podium ist für alle offen"
Carl Utiger ist irritiert und überrascht über diesen
Vorstoss. Utiger ist Geschäftsführer von GGZ@Work, jener
Institution der Gemeinnützigen Gesellschaft des Kantons Zug (GGZ),
die für das Betriebs- und Betreuungskonzept der Beiz
zuständig ist. Gemäss seinen Angaben läuft es im Podium
gut. "Wir sind sehr zufrieden mit der Entwicklung." Man habe ein sehr
gutes letztes Jahr gehabt. Auch die Stammgäste seien zufrieden,
sagt Utiger. Vorbei sind also die Unruhen, die entstanden, als die GGZ
vor rund zwei Jahren das Lokal übernahm. Ist das Publikum
durchmischt? "Familien sind ja vor allem an schönen Tagen am
Seeufer unterwegs. Ja, dann gibt es eine sehr gute Durchmischung", sagt
er. Und in der Beiz würden nun auch regelmässig
Veranstaltungen wie Konzerte organisiert. "Auch das führt zu einer
Durchmischung", so Utiger. Er empfiehlt jedem Zuger, einmal im Lokal
vorbeizuschauen. "Denn das Podium ist für alle offen, es ist ein
Begegnungsort, auch wenn manche dieser Begegnungen vielleicht ein
bisschen Mut brauchen, dafür eine Hemmschwelle überwunden
werden muss", ergänzt der Geschäftsführer und spricht
damit das Zusammentreffen mit Randständigen an. Obwohl - diese
Bezeichnung mag Carl Utiger gar nicht. Wo beginne denn der Rand, wo sei
die Mitte der Gesellschaft?, fragt er. "Und darauf angesprochen
würden wohl die meisten Leute im Podium antworten, dass sie sich
nicht als Randständige verstehen." So oder so, er ist
überzeugt, dass es in der Stadt Zug ein Angebot wie das Podium
braucht. "Am derzeitigen Konzept sollte nichts geändert werden."
Trägerschaft hat gewechselt
Mit besagtem Konzept spricht Utiger jene Ausrichtung an, für
die sich der Stadtrat und schliesslich auch das Stadtparlament (gegen
den Willen von FDP und SVP) vor rund zwei Jahren entschieden haben: Das
Podium soll weiterhin einem stark durchmischten Publikum offen stehen,
jedoch wird der Fokus vermehrt auf die Randständigenarbeit gelegt.
Weshalb kam es zu diesem neuen Betriebskonzept? Im Sommer 2007 machte
der Verein Zuger Jugendtreffpunkte (ZJT), die damalige
Trägerschaft des Lokals, publik, dass er dieses schliessen und in
ein Restaurant von Jungen für Junge wieder eröffnen wolle.
Viele Gäste wehrten sich, der Stadtrat mischte sich ein.
Schliesslich wurde entschieden, dass der ZJT das Podium abgibt und die
GGZ übernimmt. Gleichzeitig wurde auch das Betriebskonzept
geändert. Auch anlehnend an die Überlegungen, die sich der
Stadtrat im Jahr 2000 gemacht hat. Zu diesem Zeitpunkt wurde in Zug
über einen Neubau der Beiz diskutiert, der schliesslich auch
realisiert wurde. Und die damalige Exekutive fasste den Jugendbegriff
weit. Sie argumentierte, die Jugendbeiz sei für viele Heimatlose
zu einem Treffpunkt geworden. Und: "Für einige Besucher ist die
Beiz der letzte Ort mit freiem Eintritt. Ohne die Beiz müssten sie
ihre Freizeit auf der Gasse verbringen."
Yvonne Anliker
yvonne.anliker@zugerzeitung.ch
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DROGEN
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Südostschweiz 14.2.11
Schwarze Dealer gefährden Churer Drogenpatienten
Die Verantwortlichen der Churer Heroinabgabestelle Neumühle
sind besorgt: Immer mehr dunkelhäutige Drogendealer versuchen
gleich neben dem Ambulatorium ihren Stoff zu verkaufen.
Von Hansruedi Berger
Chur. - Seit Mitte 2011 ist die Zahl der afrikanischen
Drogenhändler bei der Churer Turnerwiese sprunghaft angestiegen.
Diese Erfahrung machen nicht nur die Quartierbewohner, sondern auch
Margrith Meier, Bereichsleiterin des angrenzenden Ambulatoriums
Neumühle. "Ich habe festgestellt, dass einige unserer
Drogenpatienten vor der Heroin- beziehungsweise Methadonabgabe noch
beim angrenzenden Spielplatz Turnerwiese vorbeischauen und dabei
offensichtlich Kontakt zur Drogenszene suchen." Ihre Beobachtung
meldete sie umgehend der Kantonspolizei Graubünden, die seitdem
ihre Kontrollen im Quartier verstärkt hat. Konkrete Beweise, dass
hier Kokainhandel betrieben wird, hat sie jedoch bisher nicht.
In der Quartierbeiz
Überzeugt, dass auf der Turnerwiese mit harten Drogen
gedealt wird, sind allerdings viele Quartierbewohner. So wurde
wiederholt festgestellt, dass sich eine Patientin nach dem Besuch der
Drogenabgabestelle in der Toilette eines Quartierrestaurants jeweils
einen Schuss setzt. Das letzte Mal hatte sie es unterlassen, die
Blutspuren wegzuwischen. Bericht Seite 3
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Schwarzafrikaner dealen vor der Churer Heroinabgabestelle
Churs schwarze Drogendealer werden immer dreister: Jetzt
versuchen sie ihren Stoff direkt vor der kantonalen Heroinabgabestelle
an der Gürtelstrasse an süchtige Patienten zu verkaufen. Doch
der Polizei fehlen die Beweise.
Von Hansruedi Berger
Chur. - Zurzeit erhalten 33 süchtige Patienten
heroingestützte Behandlung im Ambulatorium Neumühle an der
Churer Gürtelstrasse. Sie beziehen ihre Tagesration Heroin in zwei
Dosen. Dazu kommen fünf bis zehn Patienten, die mit Methadon
versuchen, von ihrer Abhängigkeit loszukommen. Bei den Patienten
handelt es sich vor allem um Personen, bei denen herkömmliche
Methoden zur Suchtentwöhnung gescheitert sind. Mit der
kontrollierten Abgabe von Suchtmitteln soll der
Betäubungsmittelkonsum der Patienten mittelfristig reduziert und
wenn möglich sogar ganz zum Verschwinden gebracht werden.
Mitte 2010 kommen die Dealer
Doch das kantonale Wiedereingliederungsprogramm wird seit mehr
als einem halben Jahr massiv gestört. Immer wieder tauchen im
Quartier Drogendealer auf, die offensichtlich darauf aus sind, ihren
Stoff an süchtige Patienten zu verkaufen. Die erhöhte
Präsenz von Schwarzafrikanern ist nicht nur den Quartierbewohnern,
sondern auch Margrith Meier, Betriebsleiterin des Ambulatoriums
Neumühle, aufgefallen. Sie hat vor rund sechs Monaten
festgestellt, dass vereinzelte Patienten vor der Heroin-
beziehungsweise Methadonabgabe noch beim angrenzend liegenden
Spielplatz Turnerwiese vorbeischauen und dabei offensichtlich Kontakt
zur Drogenszene suchen.
Sie hat denn auch umgehend die Polizei informiert, die nun
vermehrt vor Ort Präsenz markiert. Seit Mitte 2010 wurden die
Kontrollen massiv erhöht, wie Daniel Zinsli, Mediensprecher der
Kantonspolizei Graubünden, bestätigt. Untersucht worden seien
nicht nur afrikanische Asylsuchende, sondern auch einheimische
Personen. Konkrete Beweise, dass hier Kokainhandel betrieben wird, wie
es Beobachter aus der Nachbarschaft behaupten, hat die Polizei bis
jetzt jedoch nicht.
Die Gerüchte, dass hier afrikanische Asylsuchende Kokain an
Patienten verkaufen, sind allerdings nicht aus der Luft gegriffen. So
hat sich kürzlich eine Patientin nach ihrem Besuch bei der
Abgabestelle in einem nahe liegenden Restaurant auf der Toilette einen
Schuss gesetzt. Die zurückgebliebenen Blutspuren zeugten davon.
Nicht überrascht von dieser Nachricht ist Meier. Sie
vermutet, dass es sich bei der betroffenen Person um eine
Methadon-Patientin handelt. Denn durch die Ersatzdroge würden die
Patienten ruhig gestellt und litten an keinen Entzugserscheinungen.
Allerdings könne dadurch das Verlangen entstehen, sich mit einem
Schuss Kokain wieder ein wenig in Fahrt zu bringen. Gespritzt statt
geschnupft wirke Kokain viel schneller. Meier vermutet jedoch, dass es
sich dabei um eine Person handelt, die das
Suchtentwöhnungsprogramm beim Ambulatorium Neumühle in der
Zwischenzeit abgebrochen hat.
Beunruhigt über die ganze Situation ist auch Suzanne von
Blumenthal, Chefärztin bei den Psychiatrischen Diensten
Graubünden und damit zuständig für die
Drogenabgabestation Neumühle. Allerdings gibt sie zu bedenken,
dass hier Personen behandelt würden, bei denen verschiedene
Versuche mit anderweitigen Entziehungskuren gescheitert seien. Die
Neumühle-Patienten seien ganz besonders stark suchtgefährdet.
Immer wieder Kontrollen
Im Weiteren betonen Meier und von Blumenthal, dass Drogen-,
Medikamenten- und Alkoholmissbrauch von Patienten keinesfalls geduldet
werde. Deshalb würden Patienten auch immer wieder kontrolliert.
Dies erfolge durch Stichproben, zumindest einmal im Monat. Fehlbare
Patienten müssten mit gewissen Unannehmlichkeiten wie Putzarbeiten
und längerem Warten auf die Abgabe rechnen, so Meier. Sofort aus
dem Entwöhnungsprogramm ausgeschlossen werde deswegen jedoch
niemand.
Meier hofft jedoch, dass die Polizei durch vermehrte Kontrollen
die gegenwärtige Situation entschärfen kann. Denn neben den
Patienten der kantonalen Heroinabgabestelle betreut sie noch weitere
suchtkranke Menschen, die bei der Neumühle ein- und ausgehen. Auch
diese seien durch die veränderte Situation im Quartier
gefährdet.
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Solothurner Zeitung 10.2.11
Schnee von heute
Kokain. Eine Stange Bier, dazu eine Linie des weissen Pulvers. Ein
Konsument erzählt, warum er nicht davon loskommt
Christof Ramser*
Letztes Jahr gabs für Marc Hofer (Name von der Redaktion
geändert) "weisse Weihnachten", wie er sagt. Schon wieder. "Das
hat Tradition." Der Elektroinstallateur sitzt in seinem Ledersessel und
schaut aus dem Wohnzimmerfenster. Es ist ein frostiger Nachmittag.
Feiner, pulveriger Schnee hat die Blumenrabatte im Vorgarten des
Doppeleinfamilienhauses zugedeckt. Dahinter blasen die Kamine des
Stahlwerks Industrieruss in den Nebel.
Dann strahlt der 28-Jährige wie ein kleiner Junge, der sich
auf die Bescherung freut. Mit der "weissen Weihnacht" beschenkt er sich
seit vier Jahren selbst. Sie ist zum Ritual geworden. Wenn das
Familienfest vorbei ist und Hofer in seine Wohnung zurückkommt,
liegt das Präsent schon da. Wie ein Häufchen Puderzucker. Mit
seiner Postcard portioniert er mehrere Linien, kleine Kristalle
glitzern darin. Die Glitzerspuren führen heute Nacht ins
Glück. Dann rollt er eine 50er-Note, beugt sich über den
Glastisch und zieht den Stoff durch den Geldschein in die Nase. Er
richtet sich auf, blinzelt ein paar Mal und hüstelt. Der
Puderzucker schmeckt bitter. Hofer greift erneut zum gerollten
Nötli. "Noch einen Faden rupfen." Bis nichts mehr vom weissen
Pulver da ist.
Nachfrage als Wurzel allen Übels
2009 hat die Polizei im Kanton Solothurn sechs Kilogramm Kokain
beschlagnahmt. 2008 war es ein Kilo. "Peanuts", sagt Urs
Bartenschlager, Chef der Solothurner Kriminalpolizei und oberster
Drogenfahnder im Kanton. Würden alle Kokser in Solothurn mit einer
gelben Jacke herumlaufen, so habe ihm kürzlich einer gesagt - die
Polizei würde vor lauter Gelb aus dem Staunen nicht mehr
herauskommen.
Als Urs Bartenschlager vor knapp 20 Jahren die Polizeischule im
Kanton Baselland beendet hatte, galt Kokain als Droge des reichen
Mannes. "Das war etwas für den Jetset, für den
Normalbürger fast nicht erschwinglich." Heute weiss er, dass auch
Handwerker und sogar Schüler regelmässig koksen. Es gibt
Beizen am Jurafuss, wo nach Feierabend zur Stange ein "Briefli Coci"
über die Theke geht. "Die Nachfrage ist in allen
gesellschaftlichen Schichten riesengross." Das ist für den
Kripo-Chef die Wurzel allen Übels. Denn wo eine Nachfrage besteht,
gibts immer auch ein Angebot. "So spielt der Markt." Und in den letzten
Jahren wurde der Markt überschwemmt.
Stoff nur im Notfall von der Gasse
Statt zu sniffen, reibt sich Hofer das Kokain mit dem Zeigefinger
auf das Zahnfleisch über den Schneidezähnen. "Das hat eine
angenehm betäubende Wirkung." Meist sei der Geschmack bitter, mit
öliger Konsistenz. Manchmal stinke es nach Kot.
Die Zunge rast über seine Oberlippe und tastet das
Zahnfleisch ab auf der Suche nach Gefühl. Eine typische Macke.
"Wie wenn sich einer ständig die Nase reibt oder mit den
Händen zuckt", sagt Hofer. Daran erkenne er aus hundert Metern, ob
einer auf Koks ist. Den Stoff besorgt er sich nur im Notfall auf der
Gasse. "Bei den Schwarzen am Bahnhof ist das Zeug stark gestreckt. Da
ziehst du häufig Dreck in die Nase." Ausserdem entpuppten sich die
prallen Kügelchen oft als Mogelpackung. "Viel Papier drumherum,
aber fast nichts drin."
Immer wieder kreuzen die Drogenfahnder in den einschlägigen
Etablissements auf. Beschlagnahmen hier ein paar Gramm, finden dort
etwas Drogengeld. Doch die Polizei ist in der Unterzahl. Tauchen die
Beamten in Zivil in der Solothurner Bahnhofunterführung auf,
werden sie von den Dealern erkannt. "Der Kampf gegen den Kokainhandel
ist der Kampf gegen eine Hydra", sagt Bartenschlager. "Zerschlagen wir
hier einen Händlerring, wächst dort ein neuer Kopf."
Manchmal landet die Kripo einen Coup; im Januar 2009 gelang ein
Schlag gegen den Handel in der Region. Ein Dealer hatte im Raum
Solothurn zwischen 6 und 12 Kilo Kokain verkauft und damit bis zu
850000 Franken umgesetzt. Jetzt sitzt er für viereinhalb Jahre im
Gefängnis. "Das war ein schöner Fang für uns", sagt
Bartenschlager. Es seien diese Erfolge, die am Ende die mühevolle
Arbeit der Drogenfahnder legitimierten. Denn Bartenschlager sagt auch,
dass der Kampf gegen den Kokainhandel fast aussichtslos sei. "Doch wenn
wir nicht ständig Ermittlungsdruck aufsetzen, breitet sich die
offene Szene aus."
Vom WC-Deckel gesnifft
Laut der schweizerischen Gesundheitsbefragung haben über
sechs Prozent aller Männer zwischen 15 und 39 schon gekokst. Bei
den Frauen sind es weniger. Die Tendenz ist stark steigend. Annick
Lebreau von der Hilfsorganisation Suchtinfo Schweiz schätzt, dass
rund ein Prozent der Bevölkerung regelmässig Kokain
konsumiert. Forscher haben die Kokain-Konzentration im Abwasser der
Schweizer Städte gemessen. Gemäss der Studie aus dem letzten
Jahr werden in Zürich jeden Samstag schätzungsweise 19000
Linien Kokain konsumiert.
"Niemals werde ich von dem Teufelszeug nehmen." Das hatte sich
Hofer geschworen, als er noch zur Schule ging. Aus einer Broschüre
über Drogenkonsum wusste er, dass Kokain eine der am schnellsten
und am stärksten abhängig machenden Drogen ist. In
aufklärerischer Mission redete er seinen Klassenkameraden ins
Gewissen: Finger weg! Zehn Jahre später, Hofer hatte die
Ausbildung zum Elektroinstallateur abgeschlossen, sniffte er
während der Znünipause auf dem Bau eine Linie vom WC-Deckel.
Der Chef ahnte nichts.
Die ersten Drogenerfahrungen machte er mit Marihuana, später
nahm er auf Partys Ecstasy. Jedes Mal war es für ihn aufregend,
neue Drogen auszuprobieren. Doch vor dem "ersten Faden" klopfte sein
Herz besonders schnell. Er wohnte noch zu Hause, die Eltern waren in
den Ferien. Ein Kollege hatte ihm ein paar Milligramm verkauft. Als er
das Pulver reingezogen hatte und die Wirkung einsetzte,
durchströmte ihn ein wohliges Gefühl. "Das war so etwas wie
ein Schlüsselerlebnis." Es blieb vorerst dabei. Doch Hofer wusste:
Es wird nicht die letzte Linie sein.
Bereits ein Jahr später konsumierte er regelmässig.
"Das waren schöne Zeiten. Wenn ich gekokst habe, fühlte ich
mich grossartig." Besonders, wenn er vor dem Bildschirm sass und
Online-Poker spielte, wie er es liebte. "Ich hatte vier, fünf
Browserfenster gleichzeitig geöffnet, spielte mehrere Partien auf
einmal. Ich war extrem wach und kontrollierte jeden Tisch." Es folgte
eine Phase in Hofers Leben, wo er nach Feierabend oft vor dem Laptop
sass und bis in die Morgenstunden spielte. "Ohne Kokain machte das aber
keinen Spass. Ich wurde extrem abhängig." Trotzdem erschien er am
Morgen stets pünktlich zur Arbeit. Doch nachts wurden die
Intervalle zwischen den Linien kürzer und kürzer. Das
intensive Wohlgefühl nach dem ersten Kick indes verflüchtigte
sich allmählich. Hofer richtet sich im Ledersessel auf und
zeichnet mit dem Zeigefinger eine Linie in die Luft, die wie ein
Börsenindex in Wellenbewegungen absinkt und schliesslich ins
Bodenlose fällt. "Es ist wie bei einer Batterie, die sich trotz
Akku nie mehr ganz auflädt."
Eine Sucht kommt selten allein
Er stumpfte ab. Nichts konnte ihn mehr begeistern, selbst die
Adrenalinschübe vor dem Computer blieben aus. Es war, als ob sich
das aufgewirbelte weisse Pulver in Hofers Innern allmählich
absetzte, sich wie eine Gipsschicht über sein Seelenleben legte
und die Emotionen dämpfte. "Trotzdem wollte ich immer mehr, mehr
von allem." Hatte er Kokain genommen, trank er masslos Bier und rauchte
exzessiv Joints und Zigaretten. "Was du in die Finger kriegst, du
ziehst es rein."
"Kokainsucht kommt selten allein", sagt Rita Hubrich, Leiterin
der Suchtberatung Contact Netz in Bern, "sie geht oft einher mit
anderen Süchten, wie etwa dem Glücksspiel." Andere
Konsumenten schauten Pornofilme oder besuchten Prostituierte. Der
Körper wird stimuliert, der Antrieb gesteigert. "Kokser
überschätzen sich oft selbst. Sie wirken arrogant, denken,
sie seien unantastbar."
Zwischen 100 und 140 Kokainsüchtige sind derzeit bei Contact
Netz in der Beratung. Vor zehn Jahren waren es noch zehnmal weniger.
Der Boom des weissen Pulvers hänge vor allem mit dem Preis
zusammen. Kokain ist heute auch für junge Leute erschwinglich,
für eine Linie zahlen sie weniger als für einen Drink an der
Bar. Aus einem Gramm können mehrere Linien portioniert werden.
Ein Gramm kostet zwischen 60 und 100 Franken - in den 80er-Jahren
waren es 600 Franken. Das sei ein Grund dafür, glaubt
Suchtberaterin Hubrich, dass sich in letzter Zeit vermehrt Handwerker
und Bauarbeiter an Contact Netz wenden. Immer öfter würden
der Beratungsstelle vom Jugendgericht Jugendliche zugewiesen.
Der Hausarzt David Winizki hat oft mit Koksern zu tun. In seiner
Praxis im Zürcher Seefeld behandelt er auch Drogensüchtige.
Er hat beobachtet, dass Kokainkonsumenten oft an ADHS leiden, an einer
Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung. "Es sind
Zappelphilippe, die sich schlecht auf eine Aufgabe konzentrieren und
diese zu Ende führen können."
Winizki setzt sich für die Legalisierung von Drogen ein.
Denn die Kriminalisierung, sagt er, verursache mehr Leid als die Droge
selber. Auch eine Legalisierung von Kokain würde er
befürworten. Aus seiner Sicht würde dies den
Gesundheitszustand vieler Konsumenten verbessern. Weil Produktion und
Vertrieb der Droge im Verborgenen stattfinden, wüssten die
Konsumenten oft nicht genau, was sie sich in die Nase ziehen. Heute
sind sich Experten zudem einig, dass Kokain das Immunsystem
schwächt und zu schweren Herzschädigungen und Infarkten
führen kann.
Konsum hinterliess Spuren
Der exzessive Konsum hinterliess auch in Hofers Körper
Spuren. Oft litt er an Migräneanfällen. "Nach stundenlangem
Konsum lag ich schlaflos im Bett. Ich kam nicht zur Ruhe. Mein
Körper vibrierte und bebte." Eigentlich sei es das nicht wert.
Doch wenn ihn eine Linie anlache, denke er nicht daran. "Der Drang ist
zu gross." Noch schlimmer seien die psychischen Veränderungen
gewesen. Er verlor die Freude an alltäglichen Dingen, benahm sich
gegenüber Freunden abweisend. "Ich hab das zwar registriert. Aber
es war mir einfach egal."
Der grosse Knall kündigte sich per Klingelton und
unterdrückter Nummer an. Ein Anruf von der Polizei. Sie hatten
einen Dealer geschnappt, einen Nigerianer. Auf seinem Handy waren
Hunderte SMS von Kunden gespeichert. Auch Hofers Nummer war dabei.
Dabei habe er doch so gut wie nie bei den Schwarzen eingekauft.
Er musste eine hohe Busse bezahlen. Vielleicht sei es ja sogar
gut, dass sie ihn erwischt hätten. "Ich bin ja jetzt über den
Berg." Aber er weiss: Ein paar Milligramm reichen, und alles geht von
vorne los. Es hängt an einem Glitzerfaden.
* Der az-Redaktor absolviert die Diplomausbildung "Journalismus"
am Medien-Ausbildungszentrum (MAZ) in Luzern. Dieser Artikel ist seine
Diplomarbeit.
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Kokain: von den Anden in die Alpen
Kokain wird aus den Blättern des Coca-Strauchs gewonnen, der
in Kolumbien, Peru und Bolivien angebaut wird. In Schiffscontainern und
per Luftfracht wird die Droge nach Europa gebracht, meist nach Spanien
oder Holland. Dort wird das Pulver portioniert und abgepackt. So
genannte Bodypacker schlucken die Fingerlinge, Schlepper bringen die
Drogenkuriere über die Schweizer Grenze. Hier scheiden sie die
Fingerlinge aus und präparieren sie für den Endverkauf.
Auf seiner Reise wird das Kokain mehrmals gestreckt, meist mit
Milchzucker, Paracetamol oder Ähnlichem. Am Ende weist das Pulver
noch einen Reinheitsgrad von 30 bis 40 Prozent auf. Der Wert indes hat
sich pro Gramm verhundertfacht. Der Handel ist weit verzweigt, streng
organisiert und undurchsichtig. 2008 waren weltweit 865 Tonnen Kokain
verfügbar. Ein Gramm kostet in der Schweiz zwischen 60 und 100
Franken. (crs)
Quellen: UN World Drug Report, Polizei Kanton Solothurn
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NOTHILFE
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sf.tv 14.2.11
180 Gramm Hörnli pro Tag
Das Nothilfe-Regime in Graubünden ist nach Einschätzung
von Amnesty International (AI) menschenunwürdig und gnadenlos.
Kein Kanton behandle seine abgewiesenen Asylbewerber derart schlecht,
ist AI überzeugt und fordert Sofortmassnahmen.
sda/thom
Zu Beginn der Februar-Session demonstrierte Amnesty International
in Chur gegen die Bündner Nothilfe. Der Protest richtete sich
vorab gegen Justizdirektorin Barbara Janom Steiner (BDP).
180 Gramm Hörnli
Der Kanton Graubünden versorgt seine abgewiesenen
Asylbewerber mit 2000 Kalorien pro Tag. 180 Gramm Hörnli am Tag
sind für Amnesty International jedoch zutiefst entwürdigend.
Zudem würden die Menschen in isoliert in Abgeschiedenheit gehalten
und bewusst nicht beschäftigt.
Trotz der Härte des bündnerischen Nothilfe-Regimes
würden die politischen Ziele kaum erreicht, kritisiert Amnesty
International. Gemäss der Hilfsorganisation reisten ungeachtet des
menschenunwürdigen Regimes nur 20 Prozent der Nothilfebezüger
aus.
Amnesty International fordert von den Behörden, alle Frauen
und Kinder sofort aus der Nothilfe zu holen und das Regime zu
überdenken.
Die kritisierte Regierungsrätin Barbara Janom Steiner (BDP)
wollte gegenüber "Schweiz aktuell" keine Stellung nehmen.
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Schweiz Aktuell sf.tv 14.2.11
Protestaktion gegen den Kanton Graubünden
Wegen seiner harten Gangart gegenüber abgewiesenen Asylsuchenden
steht der Kanton Graubünden erneut in der Kritik. Amnesty
International und verwandte Organisationen haben heute vor dem
Bündner Parlamentsgebäude demonstriert. Den Appell
gegenüber Langzeit-Nothilfebeziehenden Milde walten zu lassen, hat
die zuständige Justizdirektorin Barbara Janom Steiner zur Kenntnis
genommen.
http://videoportal.sf.tv/video?id=e428331d-5c21-45d5-a19c-3e8899f3f0e0
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Landbote 9.2.11
Nothilfe in der Kritik
Oliver Graf
ZÜRICH. Keine Sozialhilfe, sondern Nothilfe erhalten
abgewiesene Asylbewerber. Dieses Konzept habe versagt, sagen mehrere
Organisationen.
Er wäre lieber wieder im Flughafengefängnis, sagt Saaed
Shamrookh. Seit knapp zwei Monaten lebt er aber in der
Nothilfeunterkunft in Kemptthal. "Im Gefängnis", sagt der
abgewiesene Asylbewerber aus Jemen, "konnte ich wegen meiner Diabetes
jederzeit zum Arzt." In Kemptthal sei dies nicht möglich. Und in
den Sechserzimmern sei an Schlaf oft nicht zu denken, insbesondere weil
andere Bewohner wegen psychischer Probleme auch schon mal schrien.
Amnesty International und das Solidaritätsnetz Zürich,
die gestern in Zürich zu einer Medienorientierung geladen hatten,
nahmen Shamrookh als Beispiel. Als Beispiel dafür, dass die
"Nothilfe in der Sackgasse steckt" und das "System versagt".
Seit 2004 werden alle Personen, auf deren Asylgesuch nicht
eingetreten wurde, aus der Sozialhilfe ausgeschlossen. Seit 2008 gilt
dies auch für all jene, deren Gesuch abgelehnt wurde und denen
eine Frist zur Ausreise aus der Schweiz gesetzt wurde. Statt
Sozialhilfe steht ihnen nur noch Nothilfe zu. Im Kanton Zürich
bedeutet dies eine Unterkunft sowie wöchentlich sechs
Zehn-Frankengutscheine der Migros für den sämtlichen
Unterhalt (8.60 Franken pro Tag).
Das Ziel dieser Verschärfung war es, den Abgewiesenen den
Aufenthalt in der Schweiz unattraktiv zu machen und sie zur
freiwilligen Rückkehr in ihre Heimatländer zu bewegen.
Für Amnesty International und das Solidaritätsnetz sowie
weitere Nichtregierungsorganisationen ist dies jedoch gescheitert. Laut
Flüchtlingshilfe Schweiz verlassen nur 12 bis 17 Prozent der
Nothilfebezüger die Schweiz. Die übrigen tauchen unter oder
bleiben in den Nothilfeunterkünften. "Es braucht einen neuen
Ansatz", glaubt die Zürcher Pfarrerin Verena Mühlethaler, die
das Solidaritätsnetz unterstützt. "Erst wenn es, wie in der
Zürcher Drogenpolitik, zu einem humanen und intelligenten Umgang
mit den Flüchtlingen kommt, können die Betroffenen den Kopf
freibekommen, um auch an eine Rückkehr zu denken."
Die Organisationen kritisieren Regierungsrat Hans Hollenstein
scharf. Dass er der gestrigen "öffentlichen Diskussion"
ferngeblieben sei, taxierten sie als "Gesprächsverweigerung". Die
Direktion weist diesen Vorwurf zurück. Die Einladung sei zu
kurzfristig erfolgt, heisst es auf Anfrage. Zudem hätten bereits
zwei bilaterale Gespräche stattgefunden, ein drittes habe
Hollenstein nun angeboten. Die Organisationen wollen aber eine
öffentliche Diskussion.
Saaed Shamrookh, dessen Asylgesuch abgewiesen wurde, kann
gemäss Amnesty International hoffen. Nachforschungen hätten
ergeben, dass er im Jemen politisch verfolgt ist. Seinem
Wiedererwägungsgesuch räumt die Organisation grosse Chancen
ein.
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AUSSCHAFFUNGEN
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Tagesschau sf.tv 14.2.11
Neues Rückschaffungsabkommen mit Nigeria
Bundesrätin Simonetta Sommaruga und der nigerianische
Aussenminister habe ein neues Rückschaffungsabkommen
unterzeichnet. Die Schweiz sichert Nigeria Unterstützung bei der
Reintegration der Flüchtlinge zu.
http://videoportal.sf.tv/video?id=0a95e666-9d06-487a-bbdf-c7bde2d1bb7b
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nzz.ch 14.2.11
Neuer Anlauf mit Nigeria
Besuch des Aussenministers - Kooperation in der Krise um
Aslybewerber
Die Schweiz und Nigeria wollen eine Migrationspartnerschaft
etablieren. Es geht um die Rückführung abgewiesener
Asylbewerber und Massnahmen gegen den Drogenhandel, aber auch um die
Förderung von Ausbildungen.
Christoph Wehrli
Der nigerianische Aussenminister Henry Odein Ajumogobia und
Bundesrätin Simonetta Sommaruga unterzeichnen heute Montag Mittag
eine Absichtserklärung über eine Migrationspartnerschaft.
Nachdem es um die Rückführung abgewiesener Asylsuchender im
letzten Frühling zu Verstimmungen gekommen war, wird jetzt eine
breite Zusammenarbeit in Aussicht genommen.
Nigerianer machen seit einiger Zeit die grösste nationale
Gruppe von Asylbewerbern in der Schweiz aus. Die 1969 Gesuche, die im
letzten Jahr gestellt wurden, machten fast 13 Prozent des Totals aus.
Die allermeisten nigerianischen Migranten können keine
hinreichenden Asylgründe geltend machen und müssen die
Schweiz wieder verlassen. Die Rückreise wird in einem Teil der
Fälle mit Zwangsmitteln durchgesetzt. Im März des vergangenen
Jahres starb am Flughafen Zürich Kloten ein
Ausschaffungshäftling, kurz bevor er in ein Sonderflugzeug
hätte gebracht werden sollen. Der Mann hatte an einer unerkannten
Herzkrankheit gelitten und war - nach einem Hungerstreik - vor der
Ausschaffung in einen Zustand schwerer Erregung geraten.
Bis diese Umstände abgeklärt waren, sistierte das
Bundesamt für Migration (BfM) die Sonderflüge für
Zwangsrückführungen. Nigeria seinerseits verweigerte die
Einreise auf diesem Weg. Zu der harten und auch indignierten Haltung
dürfte der BfM-Direktor beigetragen haben, indem er im April
gegenüber der "NZZ am Sonntag" über die Nigerianer sagte:
"Sie kommen nicht als Flüchtlinge hierher, sondern um illegale
Geschäfte zu machen."
In der Folge kam es zu verschiedenen Gesprächen und
Verhandlungen, um die Lage zu deblockieren. Bundesrätin Micheline
Calmy-Rey reiste im April nach Abuja, auf etwas tieferer Ebene fanden
Treffen in Nigeria und der Schweiz statt, und der Bund (BfM und Deza)
bildeten zusammen mit Vertretern der in der Schweiz lebenden Nigerianer
einen Steuerungsausschuss, um Vorschläge für Integrations-
wie auch Entwicklungsprojekte auszuarbeiten. Im November war ein
Memorandum of Understanding fertig ausgehandelt. Es wird nun von
Aussenminister Henry Odein Ajumogobia und Bundesrätin Simonetta
Sommaruga (als Migrationsministerin) unerzeichnet.
Nigeria und die Schweiz bekräftigen und konkretisieren in
dem Memorandum die Absicht, eine Migrationspartnerschaft einzugehen.
Eine solche Zusammenarbeit, wie sie bereits mit Staaten des Westbalkans
ausgehandelt worden ist, soll alle Aspekte der Migration betreffen und
den Interessen beider Seiten Rechnung tragen. Für die Schweiz
steht die Regelung der Rückübernahme abgewiesener
Asylsuchender im Vordergrund. Erste Ausschaffungen konnten inzwischen
im Januar wieder durchgeführt werden, nachdem nigerianische Beamte
in der Schweiz eine Reihe von Personen identifiziert hatten.
Darüber hinaus soll die seit 2005 angebotene Hilfe bei der
Wiedereingliederung der Rückkehrer verstärkt werden.
Legale Migration
Die beiden Staaten wollen aber auch präventiv vorgehen, das
Schlepperwesen und den Drogenhandel bekämpfen und unterwegs
gestrandeten Migranten helfen. Nigeria könnte von
Unterstützung im technisch-administrativen Bereich profitieren,
möchte aber besonders Wege für legale Migration öffnen.
Seitens der Schweiz kommen da aber nur Aus- und
Weiterbildungsaufenthalte in Frage, wenn nicht am System gerüttelt
werden soll, dass aus Nicht-EU-Ländern nur speziell qualifizierte
Arbeitskräfte zugelassen werden. Die Rede war auch schon vom
Einbezug schweizerischer Unternehmen, die in Nigeria tätig sind.
Teilweise die gleichen Felder der Zusammenarbeit waren schon 2003
in einem "Abkommen über Zuwanderungsangelegenheiten" abgesteckt
worden. Es scheint, dass jetzt mehr Aufwand und auch ein gewisses
Prestige in die Umsetzung gesteckt wird.
---
Newsnetz 14.2.11
Die Schweiz erhofft sich weniger Asylsuchende aus Nigeria
sda / pbe
Die Schweiz und Nigeria gehen eine Migrationspartnerschaft ein.
Die Schweiz will einen Rückgang der Gesuche aus Nigeria; das
westafrikanische Land erhofft sich bessere Beziehungen und mehr Hilfen.
Die erste Migrationspartnerschaft mit einem afrikanischen Land
wurde am Montag in Bern von Bundesrätin Simonetta Sommaruga und
dem nigerianischen Aussenminister Henry Odein Ajumogobia in Form einer
Absichtserklärung (Memorandum of Understanding, MoU) unterzeichnet.
Die Zwangsrückschaffungen von Nigerianern werden aber
fortgesetzt. Mitte Januar waren erstmals seit dem Ausschaffungsstopp
nach dem Tod eines Nigerianers vor knapp einem Jahr drei Nigerianer in
ihre Heimat abgeschoben worden. Sommaruga sagte vor den Medien, die
Zwangsrückführungen seien aber nur die "letzte
Möglichkeit".
Der Tod des Nigerianers hatte dazu geführt, dass die seit
langem von Menschenrechtsgruppen geforderte Begleitung durch neutrale
Beobachter rascher umgesetzt wird. Gemäss Sommaruga will der Bund
Mitte Jahr beginnen. Wie BFM-Vizedirektor Gottfried Zürcher
später der Nachrichtenagentur SDA sagte, sollen in der
Übergangszeit Vertreter der Anti-Folterkommission die
Sonderflüge begleiten.
Freiwillige Rückkehr
In Bern sagte Minister Ajumogobia, er hoffe, dass es keine
Todesfälle mehr gebe. Ziel der Vereinbarung sei, abgewiesene
Asylbewerber von einer freiwilligen Rückkehr zu überzeugen.
Die Schweiz greift deshalb Freiwilligen finanziell unter die Arme
und hilft bei der Wiedereingliederung. Gemäss Zürcher
läuft das Programm in Nigeria seit drei Jahren. Dabei werde zum
Beispiel Rückkehrern beim Anstossen eines eigenen Geschäfts
geholfen.
Zusammen wollen die Schweiz und Nigeria auch gegen Menschenhandel
und -schmuggel vorgehen. Die Schweizer wollen ferner Nigeria bei Themen
wie fälschungssicheren Pässen oder einem
Bevölkerungsregister unterstützen.
Das Abkommen sieht auch ein Ausbildungsprogramm vor. So sollen
Schweizer Firmen in Nigeria Berufsbildungsprogramme auf die Beine
stellen. Bald spruchreif ist nach BFM-Angaben aber erst eine
Zusammenarbeit mit dem Nahrungsmittelkonzern Nestlé. Auch sollen
Nigerianern Nachdiplomstudiengänge in der Schweiz ermöglicht
werden, so an der Universität Bern.
Flüchtlingshilfe halb zufrieden
2010 hatten gemäss BFM-Statistik 1969 Nigerianer ein
Asylgesuch in der Schweiz gestellt. Damit war Nigeria das wichtigste
Herkunftsland. Zugleich wurden von über 2200 Gesuchen nur zwei
bewilligt.
Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) begrüsste die
Rückkehrhilfen. Damit könnten "Rückkehrern Perspektiven
aufgezeigt werden", sagte SFH-Sprecher Adrian Hauser der SDA.
Rückführprogramme seien zudem besser als
Zwangsausschaffungen. Zugleich fürchtet die SFH, dass mit dem
Abkommen Flüchtlinge aus Nigeria gar keine Chance mehr auf Asyl
haben.
"Offene Fragen" zu Rückkehrabkommen
Die Schweiz und Nigeria hatten 2003 ein
Rückübernahmeabkommen unterzeichnet. Angesprochen darauf,
dass Nigeria dieses ändern möchte, zeigte sich Sommaruga
bereit, über "offene Fragen" zu sprechen.
BFM-Direktor Alard du Bois-Reymond hatte im April 2010
gegenüber der "NZZ am Sonntag" ebenfalls
Änderungswünsche angemeldet. In Nigeria sorgte er für
Unmut mit der Aussage die meisten Nigerianer kämen nicht "als
Flüchtlinge her, sondern um illegale Geschäfte zu machen". Am
Montag erwähnten weder Sommaruga noch Ajumogobia vor Journalisten
das Interview.
Ajumogobia war auch mit Bundespräsidentin Micheline
Calmy-Rey zusammenkommen, wobei es unter anderem um den Beginn eines
Menschenrechtsdialogs ging. Vor den Medien erklärte er, sein Land
sei auch an einem Doppelbesteuerungsabkommen interessiert.
Nigeria hat 150 Millionen Einwohner. Das Land wird durch mehrere
Konflikte erschüttert: Durch Zusammenstösse zwischen Christen
und Muslimen im Zentrum; im Norden durch den Kampf selbst ernannter
Taliban. Und im Süden kämpfen Rebellen gewaltsam für
eine bessere Beteiligung der Bevölkerung an den Öleinnahmen.
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swissinfo.ch 14.2.11
Nigeria: weiterhin Sonderflüge für die Rückschaffung
swissinfo
Die Schweiz und Nigeria wollen eine Migrationspartnerschaft
eingehen. Justizministerin Sommaruga und der nigerianische
Aussenminister Ajumogobia haben eine entsprechende
Absichtserklärung unterzeichnet. Die Rückschaffungen sollen
mit finanziellen Anreizen gefördert werden.
Nigerianer sind die grösste nationale Gruppe der
Asylsuchenden in der Schweiz. Im vergangenen Jahr stellten 1969
Menschen aus diesem afrikanischen Land in der Schweiz ein Asylgesuch.
Das sind 13% aller Gesuche. Doch die wenigsten Asylbewerber
aus Nigeria erhalten in der Schweiz Asyl. 2009 hat die Schweiz
lediglich einem Gesuch stattgegeben. Sechs nigerianische Asylbewerber
erhielten eine vorläufige Aufnahme. Die überwältigende
Mehrheit der Gesuche wurde abgelehnt. Dass das so ist, hat
verschiedene Gründe. Laut Beat Meiner, dem Generalsekretär
der Flüchtlingshilfe, erzählen die meisten Nigerianer
während dem Asylverfahren "dieselben stereotypen, kurzen und nicht
glaubwürdigen Geschichten und nicht ihre wirkliche
Biografie". Die Ablehnung der Asylgesuche sei
wahrscheinlich in den meisten Fällen berechtigt: "Die Leute von
den Hilfswerken, die bei den Anhörungen dabei sind, beurteilen das
auch so."
Gefesselt und unter den Augen der Polizei
Meistens reisen die Asylbewerber zudem ohne Pass in die Schweiz
ein. Das führt im Falle einer Abweisung des Asylantrages zu
Problemen, denn das Herkunftsland akzeptiert eine Rückführung
nur dann, wenn die Identität und damit auch die
Staatsangehörigkeit des abgelehnten Asylbewerbers nachgewiesen
werden kann. Problematisch sind die Rückführungen
auch, weil sie zum grossen Teil mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden
müssen. Auf den Sonderflügen werden die abgewiesenen
Asylbewerber in den meisten Fällen gefesselt und polizeilich
bewacht. Die Flüge verlaufen zudem regelmässig
erfolglos, weil das Zielland die Landeerlaubnis verweigert und die
Maschine deshalb in die Schweiz zurückkehren muss.
Todesfälle
Zudem sorgten die Zwangsausschaffungen in den in den vergangenen
Jahren mehrmals für negative Schlagzeilen, so 1989, als der
Palästinenser Khaled Abuzarifa auf dem Weg zum Flugzeug erstickte.
Weil er sich geweigert hatte, das Flugzeug zu besteigen, hatte ihn die
Polizei auf einen Rollstuhl gefesselt.2001 starb der Nigerianer Samson
Chukwu, als ihn eine Walliser Anti-Terror-Einheit für die
Ausschaffung überwältigte und fesselte. Im März 2010
starb ein Ausschaffungshäftling aus Nigeria auf dem
Flughafengelände. Die Todesursache ist rechtlich noch nicht
endgültig abgeklärt. Danach setzte die Schweiz
die Ausschaffungsflüge aus. Nach einer Pause wurden am 19. Januar
2011 drei abgewiesene nigerianische Asylbewerber unter Zwang in ihre
Heimat abgeschoben.
Bewerber werden geprüft
Vor den Medien in Bern sagte Justizministerin Simonetta
Sommaruga, es seien weitere Zwangsrückführungen geplant.
Einen Termin nannte sie nicht, Zwangsmassnahmen seien lediglich die
"letzte Möglichkeit". Eine Weiterentwicklung des
Schengen-Abkommens verlangt, dass die Sonderflüge ab Januar 2011
von neutralen Beobachtern begleitet werden sollten. Die Schweiz hat
dafür bisher noch keine Lösung gefunden, nachdem es das
Schweizerische Rote Kreuz im vergangenen Herbst abgelehnt hat, diese
Aufgabe zu übernehmen. Laut Sommaruga will der Bund ab
Mitte Jahr mit begleiteten Sonderflügen beginnen. Das Bundesamt
für Migration (BFM) prüfe derzeit die Bewerbungen der
Organisationen, die sich für diese Aufgabe interessierten, so
Sommaruga.
Finanzielle Anreize
Nach Angaben von BFM-Vizedirektor Gottfried Zürcher sollen
in der Übergangszeit Vertreter der Anti-Folterkommission die
Sonderflüge begleiten. Die im Januar abgeschobenen Nigerianer
waren mit einem von der Agentur zur Sicherung der EU-Aussengrenzen
(Frontex) organisierten Flug geflogen. Bei der Frontex fliegen bereits
neutrale Beobachter mit. Der nigerianische Aussenminister
Odein Ajumogobia sagte, er hoffe, dass dank der neuen Partnerschaft
Todesfälle vermieden werden können. Es gehe künftig
darum, abgewiesene Asylbewerber von einer freiwilligen Rückkehr zu
überzeugen. Zu diesem Zweck will die Schweiz
freiwilligen Rückkehrern finanziell unter die Arme greifen und
ihnen bei der Wiedereingliederung in ihrer Heimat helfen.
Die Migrationspartnerschaft - die erste zwischen der Schweiz und einem
afrikanischen Land - umfasst weitere Massnahmen. So sollen zusammen mit
in Nigeria tätigen Schweizer Firmen Berufsbildungsprogramme auf
die Beine gestellt werden.
Andreas Keiser,swissinfo.ch
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admin.ch 14.2.11
Schweiz und Nigeria unterzeichnen Migrationspartnerschaft
Bern, 14.02.2011 - Die Schweiz und Nigeria haben heute eine
Absichtserklärung zur Errichtung einer Migrationspartnerschaft
unterzeichnet. Die Unterzeichnung erfolgte anlässlich des
offiziellen Besuchs des nigerianischen Aussenministers Henry Odein
Ajumogobia bei Justizministerin Simonetta Sommaruga. Im Anschluss
folgte ein Arbeitsessen mit Peter Maurer, dem Staatssekretär
für auswärtige Angelegenheiten, sowie ein
Höflichkeitsbesuch bei Bundespräsidentin und Aussenministerin
Micheline Calmy-Rey.
Der offizielle Besuch des nigerianischen Aussenministers Henry Odein
Ajumogobia war im Wesentlichen der Migrationszusammenarbeit gewidmet.
Die schweizerische und die nigerianische Delegation haben ein Abkommen
zur Migrationspartnerschaft unterzeichnet, das die beiden Länder
am 5. November 2010 in Bern abgeschlossen hatten. Die Verhandlungen
dazu liefen seit dem Besuch von Aussenministerin Micheline Calmy-Rey in
Abuja 2009. Die Absichtserklärung umfasst die Zusammenarbeit in
Bereichen wie der Kapazitätserweiterung von Einwanderungs-,
Migrations- und Entwicklungsbehörden, der Förderung und
Wahrung der Menschenrechte, der legalen Migration z.B. mit
Austauschprogrammen zur Aus- und Weiterbildung, der Rückkehr-,
Rückübernahme- und Reintegrationshilfe sowie der
Verhütung der illegalen Migration oder der Bekämpfung von
Menschen- und Drogenhandel.
Diese Absichtserklärung ist wegweisend für den
Migrationsbereich, handelt es sich doch um das erste Abkommen dieser
Art zwischen der Schweiz und einem afrikanischen Staat. Dadurch soll
die Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und Nigeria gestärkt
werden. Beide Partner streben eine langfristige Zusammenarbeit an, die
den gegenseitigen Interessen entgegenkommt und einen ganzheitlichen
Ansatz widerspiegelt, der Chancen und Herausforderungen der Migration
gleichermassen anerkennt.
Die Schweiz und Nigeria haben sich verpflichtet, diese
Migrationspartnerschaft mit gemeinsamen Initiativen und Projekten zu
verschiedenen Ausprägungen der Migration ins Leben zu rufen. Um
die Umsetzung zu begleiten, soll ein regelmässiger fachlicher
Migrationsdialog stattfinden, erstmals Ende März 2011 in Abuja.
Beim anschliessenden Arbeitsessen mit Staatssekretär Peter Maurer
und dem Höflichkeitsbesuch bei Bundespräsidentin Calmy-Rey
wurden weitere Themen angeschnitten, die für beide Parteien von
Interesse sind. Darunter die Stärkung der bilateralen Beziehungen
sowie der Handels- und Investitionstätigkeit, der gemeinsame Kampf
gegen unrechtmässige Vermögen, die Friedensbemühungen in
Subsahara-Afrika, die Sicherheitslage im Saharagebiet und der Sahelzone
sowie multilaterale Themenbereiche. Beide Parteien haben ihre Absicht
bekräftigt, einen bilateralen Menschenrechtsdialog zu führen.
Das erste entsprechende Treffen ist für Februar 2011 in Abuja
geplant.
Adresse für Rückfragen:
Information EDA, Tel. +41 31 322 31 53
Gottfried Zürcher, Vizedirektor BFM, Tel. +41 31 325 07 92
Herausgeber:
Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement
Internet: http://www.ejpd.admin.ch
Eidgenössisches Departement für auswärtige
Angelegenheiten
Internet: http://www.eda.admin.ch/eda/de/home/recent/media.html
Die Dokumente zu dieser Medienmitteilung
finden Sie auf der Website des EJPD
http://www.ejpd.admin.ch/content/ejpd/de/home/dokumentation/mi/2011/2011-02-14.html
--
Memorandum of Understanding (20 Kb, pdf)
http://www.ejpd.admin.ch/content/dam/data/migration/rechtsgrundlagen/internationale_rechtsquellen/keine-sr-nr/20110214-mou-nga-d.pdf
---
Sonntagsblick 13.2.11
Endlich greift mal einer richtig durch
Staatsanwalt jagt kriminelle Asylanten
VON SIDONIA KÜPFER (TEXT), PHILIPPE ROSSIER
(FOTO )
Der Aargauer Simon Burger geht mit Schnellverfahren gegen
abgewiesene Asylbewerber vor. Und kritisiert andere Kantone als "viel
zu lasch".
Er startet mit grossem Schwung in seinen neuen Job: Simon Burger,
seit Dezember Staatsanwalt in den Aargauer Bezirken Zofingen und Kulm,
will härter gegen abgewiesene Asylbewerber vorgehen - besonders
wenn sie kriminell werden. "Wir müssen es den straffälligen
Ausreisepflichtigen so ungemütlich machen, dass sie von allein
gehen", erklärt Burger seine Strategie.
Ende Januar testete er sein Schnellverfahren bei einer Razzia in
der Oftringer Asylunterkunft. Innert Tagesfrist waren die Strafbefehle
zugestellt. Burger ist überzeugt: "In gewissen Kantonen macht man
zu wenig gegen abgewiesene Asylbewerber." Und: "Mein Eindruck ist, dass
je weiter westlich man in der Schweiz geht, umso weniger konsequent
wird das Ausländergesetz umgesetzt."
Zumindest in seinen Bezirken soll Ordnung herrschen. Burger will,
dass konsequent Anzeige erstattet wird - selbst wenn eine Ausschaffung
nicht möglich ist. Die Aussicht auf einen Gefängnisaufenthalt
verfehle ihre Wirkung nicht, glaubt er: "Viele reisen freiwillig aus."
Einer von denen, auf die Burgers neue Härte zielt, ist Karim
F.* (37). Er sitzt mit zwei jungen Männern im Aufenthaltsraum
einer Baracke im aargauischen Muri vor dem Fernseher und verfolgt das
Geschehen in Ägypten.
Die drei sind aus Algerien, beziehen Nothilfe - und dürften
längst nicht mehr hier sein.
Seit elf Monaten lebt Karim in diesem "Gefängnis mit offenen
Türen", wie er die Unterkunft für abgewiesene Asylbewerber
bezeichnet. Er bekommt Fr. 7.50 Nothilfe pro Tag. Jeder Tag gleicht dem
anderen. In seine Heimat zurück will er dennoch auf gar keinen
Fall: "Mir drohen dort drei Jahre Gefängnis - und wir sprechen
hier nicht von einem Schweizer Gefängnis." Lieber bleibt er in der
rudimentär eingerichteten Baracke: Gemeinschaftsduschen, ein
Aufenthaltsraum mit Kochmöglichkeit und ein gemeinsamer Schlafraum
mit Kajütebetten. Die Koffer stapeln sich, Leintücher geben
ein Minimum an Privatsphäre. So sieht Nothilfe aus.
Im Aargau leben rund 330 abgewiesene Asylbewerber, wie die
"Aargauer Zeitung" diese Woche meldet. Unklar ist die Zahl der
Untergetauchten. Landesweit lebten 2009 rund 5800 Personen, die das
Land schnellstmöglich verlassen sollten, von Nothilfe. Aber nur
zwölf bis 17 Prozent der Nothilfebezüger, so wissen
Hilfsorganisationen, reisen auch wirklich aus.
Laut Burger stösst das Ausländeramt an seine Grenzen,
wenn diese Menschen nicht mit den Behörden kooperieren. In solchen
Fällen solle die Justiz Druck machen, meint er - umso mehr, wenn
die Abgewiesenen straffällig werden.
Mit den Schnellverfahren bewegt sich Burger auf gewohntem
Terrain: Zuletzt arbeitete der Staatsanwalt in St. Gallen, dem
Pionierkanton der Schnellgerichte. Bei Asylfällen setzen die
Ostschweizer seit 2005 auf dieses Mittel. Wer trotz
Nichteintretensentscheid nicht ausreist und von der Polizei
kontrolliert wird, bekommt einen Strafbefehl in die Hand gedrückt.
Dann hat der Betroffene einen Monat Zeit für die Ausreise. In
dieser Phase büsst ihn die Polizei nicht erneut. Reist er immer
noch nicht aus und wird erneut gestellt, erhält der Betreffende
eine Freiheitsstrafe wegen Verstosses gegen das Ausländergesetz.
"Für manch einen ist dies Anlass, vor dem Vollzug der Strafe
auszureisen", so Thomas Hansjakob, Erster Staatsanwalt des Kantons St.
Gallen. "Das ist uns lieber, als eine Strafe durchzusetzen."
Nun bringt Burger die Praxis der Schnellverfahren auch in den
Aargau. Die Kritik, er treibe damit nur weitere Abgewiesene in den
Untergrund, lässt er nicht gelten. "Es spricht sich herum, wer
hart durchgreift." * Name geändert
---
WoZ 10.2.11
Asyl und Abschiebung
"Abflug" ist ein Theaterstück der Gruppe Stückwerk
über eine Sammelabschiebung von Asylsuchenden, über
Fluchtgründe und -wege, Heimat und Integration. Die
siebzehnjährige Melina aus Togo und der Ghanaer Raimou werden aus
Deutschland ausgeschafft. Melina verbrachte fast ihr ganzes Leben dort.
Togo ist ihr fremd - sie spricht weder französisch noch die
Stammessprache Ewe. Wie Melina ist auch Raimou verzweifelt. Um seine
Familie ernähren zu können, nahm er die
lebensgefährliche Reise nach Europa auf sich - nun
wird er mit leeren Händen zurückkehren.
Schaffhausen Fasstheater, Webergasse 13, Do, 10. Februar, 20 Uhr.
Zürich Kulturmarkt, Aemtlerstrasse 23, Fr+Sa, 11./12. Februar, 19
Uhr.
Seit Januar 2008 gilt der Sozialhilfestopp für abgewiesene
Asylsuchende in der Schweiz; sie haben nur noch Anspruch auf Nothilfe.
Diese wird von den Kantonen unterschiedlich ausgerichtet. Der Kurzfilm
"Abgeschreckt, aber noch da" des Medienkollektivs "a-films" zeigt
anhand von drei Sans-Papiers, was es heissen kann, unter dem
Nothilferegime zu leben. Er kann online angeschaut oder heruntergeladen
werden.
http://www.tinyurl.com/nothilfe
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tagesanzeiger.ch 9.2.11
Die Blasmusik spielt - Beamte sollen rausschleichen
cal
Um 17 Uhr protestieren Zürcher Blasmusiker mit einem
Platzkonzert gegen die Ausweisung ihres Dirigenten. Die Verwaltung
schleust ihre Mitarbeiter deshalb durch die Seitenausgänge.
Die Konsequenzen einer Zuwiderhandlung müssen furchtbar
sein: "Wenn Sie das Gebäude Walchetor am Feierabend ungehindert
verlassen möchten", warnen fette rote Lettern, "empfehlen wir
Ihnen, die Seitenausgänge zu benutzen."
Die Beamten, die davor gewarnt werden, durch den Hauptausgang zu
gehen, müssen sich nicht vor einer gewalttätigen Demo von
Linksautonomen fürchten, sondern vor der Blasmusik. Die
"bewilligte Kundgebung", die zwischen 17 und 18 Uhr auf dem Walcheplatz
stattfinden soll, ist ein Platzkonzert. Mit Pauken und Trompeten werden
mehrere Orchester für ihren Dirigenten Yukio Yamada aufspielen.
Der Japaner ist Dirigent des Musikvereins
Thurtal-Hüttlingen, des Musikvereins Hedingen und der Jugendmusik
Bezirk Affoltern am Albis. Nach einem negativen Entscheid des
kantonalen Migrationsamts soll der ehemalige ZHdK-Student, der perfekt
schweizerdeutsch spricht, ausgeschafft werden.
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MIGRATION CONTROL
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10vor10 sf.tv 14.2.11
Schweiz auf Flüchtlinge vorbereitet
Italien kämpft nach der Revolution in Tunesien erneut mit starken
Flüchtlingsströmen. Früher oder später werden die
Flüchtlinge auch die Schweiz erreichen - darauf sei die Schweiz
aber vorbereitet, sagte Bundesrätin Simonetta Sommaruga.
http://videoportal.sf.tv/video?id=d6875ba5-52cc-4aa2-af30-74b26dc9cbe2
---
Tagesschau sf.tv 14.2.11
Flüchtlingsstrom auf Lampedusa reisst nicht ab
Seit dem Umsturz in Tunesien haben tausende ihr Land verlassen. Auf der
Insel Lampedusa sind alleine in den letzten vier Tagen 5000
Flüchtlinge gestrandet. Einschätzungen von SF-Korrespondent
Philipp Zahn, Lampedusa.
http://videoportal.sf.tv/video?id=decd1852-2c44-47b8-b5b6-4dd96b1719b0
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EU will auf Flüchtlingsansturm reagieren
Die massive Zunahme von tunesischen Flüchtlingen beschäftigt
auch die EU. Eu-Aussenbeauftragte Catherine Ashton ist für
Gespräche nach Tunis gereist. Einschätzungen von
SF-Korrespondent Christoph Nufer, Brüssel.
http://videoportal.sf.tv/video?id=ee1c731c-6028-4f38-9a75-dce947809942
--
Auch die Schweiz ist betroffen
Laut der Justizministerin Simonetta Sommaruga bereitet sich auch die
Schweiz seit Längerem auf ein Szenario mit mehr Flüchtlingen
aus Nordafrika vor.
http://videoportal.sf.tv/video?id=e3c05fb7-5ff1-40d5-9cb8-a2bac3ee1316
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20min.ch 14.2.11
Aufnahme von Flüchtlingen: Selbst SP ist zurückhaltend
Die Schweiz bereitet sich auf einen Flüchtlingsstrom vor.
Politiker von links bis rechts wollen diesen so klein wie möglich
halten.
Désirée Pomper/Zora Schaad
Zu Tausenden strömen seit dem politischen Umbruch
Flüchtlinge durch und aus Tunesien in Richtung Europa.
Der Strom dürfte auch vor der Schweizer Grenze nicht Halt
machen. So hat laut Bundesrätin Simonetta Sommaruga die Schweiz
bereits mit den Vorbereitungen dafür begonnen. Sie sucht nach
Unterbringungsmöglichkeiten. Das Grenzwachtkorps im Tessin
erwartet in einer Woche die ersten Auswirkungen des
Flüchtlingsstroms an der Grenze.
Die FDP aber möchte es am liebsten gar nicht erst so weit
kommen lassen: "Die Schweiz muss jetzt Druck auf die EU machen, damit
die Migranten rasch aus Italien nach Nordafrika zurückgeführt
werden können", sagt Parteipräsident Fulvio Pelli. Erst
gestern hat die FDP ein Positionspapier veröffentlicht, in dem
gefordert wird, die Einwanderung aus Drittstaaten besser zu regeln.
Dies aber gelinge sicher nicht, indem Sommaruga den Flüchtlingen
in der Schweiz Infrastruktur zur Verfügung stelle, findet
SVP-Nationalrat Hans Fehr. Anstelle dessen müsste die
Grenzkontrolle verschärft werden. "Lässt man
Wirtschaftsflüchtlinge ins Land, steht plötzlich ganz
Nordafrika vor der Türe. Dann haben wir ein Asylchaos im Quadrat."
Sogar die SP findet, dass die Schweiz gegenüber der Aufnahme
tunesischer Flüchtlinge "sehr zurückhaltend" sein sollte:
"Die Lebenssituation hat sich nach den Vorkommnissen der letzten Wochen
für die Tunesier verbessert", sagt Generalsekretär Thomas
Christen. Einzig Moreno Casasola von Solidarité sans
frontières ist der Meinung, die Schweiz solle möglichst
viele Flüchtlinge aufnehmen: "Flüchtlingsbegriff hin oder
her."
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sf.tv 14.2.11
Revolutionen im arabischen Raum
Flüchtlinge: Tunesien gegen Italiens "rassistisch rechte Regierung"
sda/fasc
Die tunesische Regierung hat den Vorschlag Italiens
zurückgewiesen, angesichts des Stroms tunesischer
Bootsflüchtlinge eigene Polizisten in das nordafrikanische Land
entsenden zu wollen. "Das ist inakzeptabel", sagte der Sprecher der
tunesischen Regierung. Italien bezeichnete er als "rassistisch Rechts".
"Das tunesische Volk lehnt die Stationierung ausländischer
Soldaten auf seinem Gebiet ab", sagte Taïeb Baccouche dem
Fernsehsender El Arabija und fügte hinzu, die Kontrolle der
eigenen Küsten liege bei den tunesischen Behörden.
Rund 5000 Personen auf Lampedusa
Italiens Innenminister Roberto Maroni hatte zuvor
angekündigt, er werde das Aussenministerium in Tunis um eine
Erlaubnis für den Einsatz italienischer Polizisten auf tunesischem
Territorium ersuchen. Die Beamten sollten verhindern, dass weitere
Flüchtlinge sich auf den Weg nach Europa machten. Zudem sagte er,
das tunesische System sei dabei, "zusammenzubrechen".
Baccouche sagte, die Äusserungen Maronis seien nicht
überraschend, da sie von einem Minister der "rassistischen
extremen Rechten" kämen. In den vergangenen fünf Tagen
erreichten rund 5000 tunesische Flüchtlinge die italienische
Mittelmeerinsel Lampedusa. Allein in der Nacht zum Sonntag waren es
laut Küstenwache fast 1100 Menschen.
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Newsnetz 14.2.11
Tunesien lehnt Stationierung italienischer Polizisten ab
AFP / jak
Der nicht abreissende Strom tausender tunesischer
Bootsflüchtlinge nach Italien sorgt für Streit zwischen den
beiden Ländern. Tunis reagiert mit Sofortmassnahmen zur
Eindämmung des Flüchtlingsstroms.
Die tunesische Regierung wies am Sonntag den Vorschlag Italiens
zurück, eigene Polizisten in das nordafrikanische Land zu
entsenden, um den Flüchtlingsstrom einzudämmen. Die
EU-Aussenbeauftragte Catherine Ashton wollte das Thema bei einem Besuch
in Tunesien am Montag ansprechen. Der Sprecher der tunesischen
Regierung, Taïeb Baccouche, sagte dem Fernsehsender El Arabija,
der italienische Vorschlag sei "inakzeptabel". "Das tunesische Volk
lehnt die Stationierung ausländischer Soldaten auf seinem Gebiet
ab", sagte er und fügte hinzu, die Kontrolle der eigenen
Küsten liege bei den tunesischen Behörden.
Angesichts der vielen Bootsflüchtlinge mit Ziel Europa
stockte Tunesien seine Küstenwache personell auf.
"Verstärkung wurde geschickt", hiess es am Sonntagabend aus
Regierungskreisen in der Hauptstadt Tunis. Die Küstenwache arbeite
"Tag und Nacht, um diesen Strom zu stoppen" und habe viele Menschen
beim Versuch der Grenzüberquerung festgenommen. Nähere
Angaben zur Art und Zahl der Verstärkung wurden nicht gemacht.
Tunesien erlebe "eine aussergewöhnliche Phase", zugleich sei das
Problem der Bootsflüchtlinge mit Ziel Italien jedoch nicht neu,
hiess es.
200 Menschen festgenommen
In den vergangenen fünf Tagen erreichten rund 5000
tunesische Flüchtlinge die italienische Mittelmeerinsel Lampedusa.
Allein in der Nacht zum Sonntag waren es laut Küstenwache fast
1100 Menschen. Darüber hinaus hielten die tunesischen
Behörden Berichten zufolge rund 1500 Bürger an der Küste
von einer Flucht ab. Allein auf der Insel Djerba seien 200 Menschen
festgenommen worden.
Angesichts der Flüchtlingsmassen hatte Italien den
humanitären Notstand ausgerufen. Der italienische Innenminister
Roberto Maroni kündigte an, er werde das Aussenministerium in
Tunis um eine Erlaubnis für den Einsatz italienischer Polizisten
auf tunesischem Territorium ersuchen. Die Beamten sollten verhindern,
dass weitere Flüchtlinge sich auf den Weg nach Europa machten.
Zudem sagte er, das tunesische System sei dabei "zusammenzubrechen".
Baccouche erklärte daraufhin, die Äusserungen Maronis seien
nicht überraschend, da sie von einem Minister der "rassistischen
extremen Rechten" kämen.
Die EU zu Besuch in Tunesien
Die EU-Aussenbeauftragte Ashton wollte das Thema bei ihrem Besuch
in Tunesien am Montag zur Sprache bringen. Ein Sprecher in Brüssel
sagte der Nachrichtenagentur AFP, der Flüchtlingsstrom werde ein
Nebenaspekt des eigentlichen Ziels des Besuches sein, bei dem es um
demokratische Reformen in dem Land gehen solle. Zuvor hatte eine
Sprecherin von EU-Innenkommissarin Cecilia Malström erklärt,
die EU sei sich "des aussergewöhnlichen Drucks bewusst", der
derzeit auf Italien laste. Malström habe Kontakt mit der
EU-Grenzschutzagentur Frontex und mit Flüchtlingsorganisationen
aufgenommen.
Lampedusa liegt nur 110 Kilometer vor der tunesischen Küste
und damit näher an Nordafrika als am italienischen Festland. Der
Flüchtlingsstrom war seit den Unruhen in Tunesien und dem
anschliessenden Sturz von Staatschef Zine El Abidine Ben Ali
angeschwollen.
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sf.tv 14.2.11
Revolutionen im arabischen Raum
Flüchtlingslager auf Lampedusa völlig
überfüllt?
sda/muei
Ein vorläufiges Ende der Flüchtlingswelle aus Tunesien
ins süditalienische Lampedusa ist nicht abzusehen. Nach einer
ruhigen Nacht auf der süditalienischen Insel wurde wieder ein
erstes Flüchtlingsboot gesichtet. Das erst am Sonntagabend
wiedereröffnete Hauptaufnahmelager platzt schon jetzt aus allen
Nähten.
Seit Samstagnacht hatten 1600 Menschen in rund 20 Schiffen die
nur 20 Quadratkilometer grosse Insel erreicht, wie italienische Medien
berichteten. Rund 2150 Menschen befänden sich zurzeit im
Flüchtlingszentrum, hiess es. Offiziell kann das Lager 800
Menschen aufnehmen. Weitere 180 Flüchtlinge seien zudem in
Notunterkünften und Hotels untergebracht.
Notstand ausgerufen
Die italienische Regierung hatte den humanitären Notstand
für die Insel ausgerufen und am Sonntag die Wiederöffnung des
Flüchtlingslagers genehmigt. Aussenminister Franco Frattini wollte
in Tunesien mit dem neuen Ministerpräsidenten Mohamed Ghannuchi
über die Lage sprechen.
Bei der letzten grossen Flüchtlingswelle aus Nordafrika nach
Italien waren zwischen Juli 2008 bis Juli 2009 mehr als 20'000
Bootsflüchtlinge allein auf Lampedusa angekommen.
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St. Galler Tagblatt 14.2.11
Flüchtlingsstrom: Insel Lampedusa vor dem Kollaps
Unter dem Eindruck der Massenflucht aus Tunesien hat die
italienische Regierung Berlusconi über Lampedusa den Notstand
verhängt.
Dominik Straub
Rom. Die überfüllten, teils kaum seetauglichen Boote
erreichen Lampedusa praktisch im Stundentakt: Seit letzten Mittwoch
sind auf Dutzenden Schiffen etwa 5000 Flüchtlinge auf der wenige
Quadratkilometer kleinen italienischen Insel gelandet. Bei den
Flüchtlingen handelt es sich überwiegend um junge
Männer, fast alle aus Tunesien. Laut ihren Angaben warten in den
Häfen Tunesiens noch Zehntausende Menschen auf eine
Möglichkeit zur Überfahrt. Lampedusa ist Europas
südlichster Vorposten und liegt nur 100 Kilometer von der
tunesischen Küste entfernt.
"Exodus biblischen Ausmasses"
Obwohl etwa die Hälfte der Ankömmlinge mit Fähren
und mit einer improvisierten Luftbrücke nach Sizilien und aufs
Festland gebracht werden konnten, sind die Lokalbehörden restlos
überfordert. Man stehe vor einem "Exodus biblischen Ausmasses",
hiess es auf der Insel. 1000 Flüchtlinge konnten in der Pfarrei,
einem Gemeindesaal, einem Blutspendezentrum und bei Privatpersonen
untergebracht werden. Doch weitere 1500 weitere Flüchtlinge
verbrachten die Nacht auf Sonntag unter freiem Himmel - auf der
überfüllten Hafenmole, auf einem Parkplatz, auf dem
Fussballfeld. "Es herrschen unhaltbare Zustände. Eine ganze Nation
ist auf der Flucht nach Lampedusa", sagte Bürgermeister Bernardino
De Rubeis.
"Marshallplan für den Maghreb"
Die italienische Regierung verhängte am Samstag den Notstand
über Lampedusa und setzte einen Sonderkommissar ein, der sich um
den Weitertransport und die Unterbringung der Flüchtlinge
kümmern soll. Geplant ist unter anderem die Einrichtung eines
Zeltlagers auf Sizilien. Bereits am Freitag hatte die Regierung
Patrouillen der europäischen Grenzschutzagentur Frontex vor der
tunesischen Küste gefordert, bisher ohne Erfolg. Innenminister
Roberto Maroni zeigte sich ungehalten über das Zögern der EU.
Maroni sagte, er wolle beim tunesischen Aussenminister um die
Erlaubnis bitten, mit der eigenen Küstenwache und mit eigenen
Polizisten die tunesischen Häfen zu kontrollieren und das
Auslaufen der Flüchtlingsboote zu verhindern. Das Problem: Im
derzeitigen Chaos ist es fast unmöglich, in Tunis einen
Ansprechpartner zu finden - auch für allfällige
Zwangsrückschaffungen.
Aussenminister Franco Frattini hat die EU bereits aufgefordert,
über einen "Marshallplan für den Maghreb" nachzudenken. Der
Wirtschaft der nordafrikanischen Länder müsse auf die Beine
geholfen werden, damit die jungen Menschen dort Arbeit fänden.
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BZ 14.2.11
FDP setzt auf Ausländerpolitik
DelegiertenversammlungDie FDP Schweiz bekennt sich zwar klar zur
Personenfreizügigkeit mit der EU. Gleichzeitig will sie aber auch
die Einwanderung aus Nicht-EU-Ländern noch stärker begrenzen.
Die Delegiertenversammlung vom Samstag hatte über ein
ausländerpolitisches Grundsatzpapier zu befinden, das im kommenden
Wahlkampf einen thematischen Schwerpunkt bilden soll. Die FDP will
damit Probleme bei der Ausländerpolitik ansprechen, Lösungen
anbieten und das Feld der Ausländerpolitik nicht allein der SVP
überlassen. Parteipräsident Fulvio Pelli betonte bereits bei
der Eröffnung der Delegiertenversammlung, die FDP wolle weder ein
"Schlaraffenland", das jedem Ausländer Aufnahme biete, noch eine
"Käseglocke" über dem Land, die jede Einwanderung verhindere.
Aber die Schweiz müsse die Einwanderung steuern.
Positiv sei die Personenfreizügigkeit mit der EU. Diese
bringe einen Zuzug gut ausgebildeter Menschen, die es der Wirtschaft
ermöglichten, ihren Bedarf an qualifiziertem Personal zu decken.
Negativ sei es dagegen, dass in früheren Jahren Eingewanderte aus
Drittstaaten einfach ihre Familien nachziehen lassen konnten.
Die Delegierten stimmten denn auch der Forderung zu, diesen
Familiennachzug nur zu begrenzen: Die Eingewanderten müssten
nachweisen können, dass sie finanziell in der Lage seien, ihre
Familien zu unterhalten.
Eine im Vorfeld der Versammlung erwartete Diskussion über
das ausländerpolitische Papier reduzierte sich auf eine Frage des
angeschlagenen Tons. Die inhaltlichen Differenzen hatte die
Parteileitung noch vor der DV durch Anpassungen abgefedert. Sie hatte
die Kapitel zur Einwanderung aus Drittstaaten und zum Asylrecht
getrennt. Zudem wird nun gefordert, mehr Schweizer so auszubilden, dass
die Unternehmen heimische Fachkräfte finden.
Bundesrat Johann Schneider-Ammann hatte in seinem Votum ein
klares Bekenntnis zur Personenfreizügigkeit mit der EU abgelegt.
Sie helfe der Wirtschaft den Bedarf an qualifizierten
Arbeitskräften zu decken. Schneider-Ammann betonte, derzeit
bräuchten die Schweizer Firmen aber zusätzlich auch
Spezialisten aus Ländern ausserhalb der EU. Diese Einwanderung aus
Drittstaaten könne durch Kontingente gesteuert werden. In den
letzten Jahren seien diese Kontingente aber nie ausgenützt worden.
Hinsichtlich der EU betonte Schneider-Ammann, eine automatische
Übernahme von EU-Recht werde es in der Schweiz nicht geben. "Das
wäre ein Souveränitätsverlust, der gegenüber der EU
nicht zu akzeptieren ist", sagte er.
sda
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NZZ 14.2.11
Liberal-restriktive Ausländerpolitik
FDP-Massnahmenpapier nach intensiver Debatte gutgeheissen
Christoph Wehrli (CW)
Die FDP hält die EU-Personenfreizügigkeit hoch und
fordert im Gegenzug Beschränkungen für Familien aus anderen
Staaten und Flüchtlinge. Die Delegierten haben die intern
umstrittene Stellungnahme angenommen.
C. W. · Die Versammlung der FDP über die
Migrationspolitik hatte nach Wahlkampfritual ausgesehen. Doch laute
Kritik vor allem welscher Liberaler, die aus dem vorgeschlagenen Papier
schlecht imitierte SVP-Töne heraushörten, brachte Bewegung in
das Geschäft, so dass am Samstag in Zürich eine starke
Beteiligung zu verzeichnen war und die echten Diskussionen die
arrangierten fast überflüssig gemacht hätten.
Suche nach dem mittleren Ton
Der von einer Kommission unter Nationalrat Philipp Müller
(Aargau) ausgearbeitete Text macht den absehbaren wirtschaftlichen
Nutzen zum leitenden Kriterium der Einwanderungspolitik, bewegt sich
allerdings in der Bandbreite der bisherigen Volksentscheide. Besonders
der Ton weckte indessen die Opposition einer Gruppe um Nationalrat
Claude Ruey (Waadt). Er vermisste liberale Prinzipien und wandte sich
dagegen, wegen einzelner Missbräuche generell einschränkende
Regeln zu verlangen. Im gleichen Sinn trat der Tessiner Ständerat
Dick Marty auf, der zudem auf den Nutzen der Immigration für die
AHV hinwies. Müller wurde besonders von der St. Galler
Regierungsrätin Karin Keller-Sutter unterstützt.
Parteipräsident Fulvio Pelli bemühte sich in seiner
Eröffnungsrede um Ausgewogenheit. Mit ihrem Blick auf Vorteile und
Schattenseiten der Einwanderung unterscheide sich die FDP einerseits
von der Linken, die allen den roten Teppich ausrollen möchte,
anderseits von jenen, die der Schweiz eine Käseglocke
überstülpen wollten. Die SVP, die die
Personenfreizügigkeit angreift, "spielt so oft mit dem Feuer, dass
sie zu einer Gefahr für unser Land wird". Einzelne der in den
Entwurf aufgenommenen Anträge von Kantonalparteien weiteten die
Optik etwas aus. So wird gefordert, das eigene
Arbeitskräftepotenzial sei besser auszuschöpfen, namentlich
durch Vermehrung der Medizin-Studienplätze und Bekämpfung
akademischer Anforderungen an Erziehungs- und Pflegeberufe.
Den Rückweisungsantrag zog Ruey zugunsten einer offeneren
Formulierung des Einleitungsteils zurück. Diese Alternative zum
Kommissionsantrag wurde aber von den Delegierten mit 139 zu 118 Stimmen
verworfen. An unterschiedlich grossen Mehrheiten scheiterten auch die
weiteren Abschwächungs- und Streichungsanträge.
Weniger Familiennachzug
Unbestritten war das Ja zur Personenfreizügigkeit unter
Absicherung gegen extensive Auslegungen. Der Bevölkerungsdruck
soll durch ein verdichtetes und generell weniger reguliertes Bauen
aufgefangen werden. Gleichzeitig postuliert die FDP
Einschränkungen für Personen aus Nicht-EU-Staaten. Es gelte,
die vor allem bei diesem Drittel der Einwanderung bestehenden
Steuerungsmöglichkeiten auch wirklich zu benützen. Die
Kontingente für besonders qualifizierte Personen seien aber
"flexibel" zu handhaben, sagte Müller, und Bundesrat Johann
Schneider-Ammann erklärte sich offen für eine Diskussion
über diese Begrenzung.
Im Einzelnen sollen Aufenthalter und auch Niedergelassene die
Familie nur noch nachziehen können, wenn sie ein für den
Unterhalt genügendes Einkommen nachweisen können. (Heute ist
Sozialhilfeabhängigkeit ein Grund zum Widerruf einer Bewilligung.)
Flüchtlinge sollen die Niederlassungsbewilligung nicht generell
schon nach fünf Jahren erhalten. Wird heute auch den
Familienangehörigen Asyl gewährt, so hält die FDP
gewöhnliche Bewilligungen für richtig. (Dies bedingt
allenfalls eine zusätzliche Prüfung, ob etwa die Ehefrau von
Repressalien bedroht ist.) Eine Nationalratskommission hat drei
entsprechende Vorstösse Philipp Müllers vor kurzem
gutgeheissen. Besonders deutlich, mit 231 gegen 44 Stimmen, votierten
die Liberalen dafür, vorläufig Aufgenommene aus "sicheren"
Staaten zurückzuschicken, und zwar unabhängig von der
Aufenthaltsdauer.
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NZZ am Sonntag 13.2.11
Die FDP verschärft ihre Ausländerpolitik
Die FDP fordert eine härtere Gangart in der
Ausländerpolitik. Der Westschweizer Flügel wehrte sich
vergeblich gegen diese Kursverschärfung.
Katharina Bracher
Die Deutschschweizer seien in Ausländerfragen eben
ängstlicher als die Westschweizer, resümierte der
Waadtländer FDP-Nationalrat Claude Ruey nach seiner Niederlage im
Kampf gegen das Migrationspapier seiner Partei. Vornehmlich
Westschweizer Sektionen hatten sich gegen das Zwölf-Punkte-Papier
gesperrt, über welches die FDP-Delegierten am Samstag in
Zürich zu befinden hatten. Von 39 Änderungsanträgen
stammten 19 aus der Westschweiz.
Claude Ruey hatte gar die Rückweisung des gesamten Papiers
beantragt, scheiterte aber am Widerstand der
Parteipräsidentenkonferenz, die bereits am Freitag getagt hatte.
"Das Papier ist zu stark auf Probleme fokussiert", sagt Ruey. Die
negative Tonalität stehe im Widerspruch zu den Werten der FDP.
Zudem sei es falsch, die Ausländer ausschliesslich an ihrem Nutzen
für die Wirtschaft zu beurteilen. Kurzfristig hatte Ruey namhafte
Parteikollegen zusammengetrommelt, die ihn an der
Delegiertenversammlung unterstützen sollten.
Von den Anträgen der Westschweizer Sektionen blieb trotz
engagierten Voten von Ruey und Verbündeten wie den
Nationalräten Jacques Bourgeois (FR) und Martine Brunschwig Graf
(GE) nicht viel übrig. Das Papier wurde in seinen Grundzügen
genau so verabschiedet, wie es im Januar unter dem Titel "Einwanderung
gezielt steuern zum Nutzen der Schweiz" den Medien vorgestellt worden
war.
Einen der Kernpunkte des Papiers bildet die Begrenzung der
Zuwanderung aus Drittstaaten, indem die Hürden für den
Familiennachzug erhöht werden. Geht es nach dem Willen der FDP,
müssen die Eingewanderten fortan in der Lage sein, für den
Lebensunterhalt ihrer Familie zu sorgen. Federführend bei der
Ausarbeitung des Papiers war der Aargauer Nationalrat Philipp
Müller, der jeden Antrag auf Abschwächung konterte, indem er
aus Statistiken zitierte und Fallbeispiele aus der Praxis nannte.
Philipp Müller hat im letzten Herbst bereits zwei
parlamentarische Initiativen eingereicht, die unter anderem den
Familiennachzug von Ausländern aus Drittstaaten einschränken
sollen. "Ich werde mich der Stimme enthalten müssen, wenn die
Vorstösse von Philipp Müller im Parlament zur Abstimmung
kommen", sagt die Genfer Nationalrätin Martine Brunschwig Graf. Im
Minimum hätte sie sich eine positiver formulierte Einleitung
für das Papier gewünscht - eine Einleitung, die "weniger auf
die negativen Konsequenzen der Migration fokussiert" gewesen wäre,
als dies jetzt der Fall sei.
Parteipräsident Fulvio Pelli betonte in seiner
Eröffnungsrede, die FDP wolle weder ein "Schlaraffenland", das
jedem Ausländer Aufnahme biete, noch eine "Käseglocke"
über dem Land, die jede Einwanderung verhindere. Die Mehrheit der
Delegierten stimmte schliesslich der Forderung zu, den Familiennachzug
zu begrenzen.
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St. Galler Tagblatt 12.2.11
Die Südgrenze als Brennpunkt
Markanter Anstieg 2010 bei der illegalen Einwanderung: Dabei
drängte mehr als die Hälfte der Migranten von Süden in
die Schweiz. Nach anhaltenden Raubüberfällen auf Tankstellen
gibt die Öffnung der Grenzen umso mehr zu reden.
Gerhard Lob
lugano. Der Migrationsdruck auf die Schweiz erfolgt von
Süden. Diese Erkenntnis haben die gestern vom Grenzwachtkorps IV
der Region Lugano vorgestellten Zahlen für das Jahr 2010
eindrücklich unter Beweis gestellt: Im soeben abgelaufenen Jahr
griffen die Grenzwächter an der Südgrenze mit Italien 2410
illegale Migranten auf, landesweit waren es 4350. Das bedeutet für
diesen Grenzabschnitt 50 Prozent mehr illegale Überschreitungen
als im Vorjahr (1580).
Dabei waren Nigerianer (900) die klar dominierende Gruppe, vor
Personen aus Georgien (180), Tunesien (170), Algerien (160) sowie aus
dem Irak, Eritrea und anderen Staaten. "Wir erlebten keine
Migrationswellen, sondern eine konstante Einwanderung", hielt
Korpskommandant Mauro Antonini im Rahmen einer Medienkonferenz fest.
In die Höhe geschnellt
Der Druck von Süden spiegelt sich auch in der Zahl der
aufgegriffenen Migranten, die einen Asylantrag stellten. Diese
schnellte von 160 (2009) auf 1220 (2010) in die Höhe. Landesweit
stieg die Zahl von 210 auf 1275. Dies zeigt, dass praktisch alle
Asylbewerber in der Schweiz an der Südgrenze aufgegriffen werden.
"Die Zahlen sind umso eindrücklicher, weil wir ein Binnenland des
Schengenraums sind, also keine Aussengrenze zu einem Nicht-Schengenland
haben", so Antonini. Das Bundesamt für Migration geht davon aus,
dass ein bedeutender Teil der aufgegriffenen Personen, namentlich
nigerianische Staatsangehörige, sich teilweise während
längerer Zeit illegal in Italien aufhalten, bevor sie ihr
Glück in der Schweiz versuchen. Wer keinen Asylantrag stellt, wird
nach Italien zurückgeschickt.
In Bezug auf den Migrationsdruck an der Grenze bezeichnete Mauro
Antonini das Schengen-Abkommen aber als sehr effizient. "Die Grenze
funktioniert als Filter", hielt er fest. Auch wenn nicht alle
Grenzübergänge mehr rund um die Uhr besetzt und die
systematischen Personenkontrollen aufgehoben seien, könnte dies
durch die mobilen Kontrollen im Hinterland kompensiert werden. Unter
dem Strich sei die Effizienz erhöht worden. Er verwies darauf,
dass die Grenzwacht mehr polizeilich gesuchte Personen als früher
stellen konnte und auch die Treffer in der Datenbank des
Schengen-Informationssystems (SIS) gestiegen seien.
Zunehmende Unsicherheit
In weiten Teilen der Tessiner Bevölkerung, insbesondere in
Grenznähe, wird diese Auffassung nicht geteilt. Dort haben
Bewohner zumindest subjektiv den Eindruck, dass die
grenzüberschreitende Kriminalität zugenommen hat und die
Bekämpfung schwieriger geworden ist, seit die
Grenzübergänge nicht mehr ständig bewacht sind. Seit
Anfang Jahr gab es sechs bewaffnete Raubüberfälle auf
Tankstellen in Grenznähe - der letzte ereignete sich just gestern
morgen nahe Chiasso. Die kantonale CVP forderte bereits, dass das
Tessin in Bern vorstellig werden sollte, um eine
24-Stunden-Präsenz der Grenzwacht an allen
Grenzübergängen einzufordern. Doch ist an diesen
Raubüberfällen die Situation an den Grenzübergängen
verantwortlich? Der Generalstaatsanwalt des Kantons Tessin John Noseda
vereint dies. "In den 1970er-Jahren hatten wir mehr Überfälle
dieser Art, auch in Banken, sogar mit Toten, und damals waren die
Grenzübergänge ständig bewacht", ruft er in Erinnerung.
Biometrischen Pass gefälscht
Das Grenzwachtkorps IV will die grenzüberschreitende
Kriminalität keineswegs verharmlosen. Doch hält man die
Kombination aus statischen und mobilen Kontrollen für
adäquat. Gestern zeigte man in Lugano viel beschlagnahmtes
Material: Von Werkzeug zum Klonen von Kreditkarten über
gefälschte Pässe - darunter erstmals ein biometrischer Pass -
bis zu Falschgeld.
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Blick am Abend 11.2.11
"Ausländer als Belästigung"
UNFRIEDEN
Ein Positionspapier zur Migrationspolitik bringt das Blut von
FDP-Leuten zum Kochen.
Die Migrationspolitik spaltet die FDP: An der
Delegiertenversammlung morgen in Zürich werden die Klingen
gekreuzt. Die FDP will die Migration stärker steuern, heisst es im
Positionspapier. Das heisst, EU-Fachkräfte sind willkommen,
für Personen aus anderen Staaten soll aber der Familiennachzug
erschwert werden.
Einer, der sich gegen diese Position wehrt, ist der ehemalige
Bundeskanzler François Couchepin. Dieses Papier könne nur
so zusammengefasst werden: "Der Ausländer ist eine
Belästigung, es sei denn, er ist uns wirtschaftlich von Nutzen".
Das Papier schlage entweder alberne, am Problem vorbeilaufende oder
schädliche Massnahmen vor, regt sich Couchepin auf.
Und die Übernahme der populistischen Thematik der SVP komme
einem Eigentor gleich, heisst es in einem Aufruf an die
FDP-Parteimitglieder. Mit autor des Papiers ist der Aargauer
Nationalrat Phi lipp Müller. Er ist überzeugt davon, dass die
FDP als Volkspartei zu allen Themen Antworten liefern muss. Vor allem
wegen des drohenden Familiennachzugs entstünden "durch die
überbordende Einwanderung unqualifizierter Personen" Probleme. Mit
bis 45000 Immigranten aus Drittstaaten pro Jahr sei diese Gruppe sehr
wichtig. hcq
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BZ 11.2.11
Neue Massnahmen gegen illegale Einwanderer
EinwandererDer Bund will die illegale Einwanderung an der Quelle
bekämpfen: Schweizer Beamte sollen die Dokumente bereits an
ausländischen Flughäfen prüfen.
Dokumentenberater aus der Schweiz sollen an ausländischen
Flughäfen die Dokumente von Reisenden unter die Lupe nehmen, sagte
Martin Banz vom Bundesamt für Migration (BFM) gestern
gegenüber Schweizer Radio DRS: zum ersten Mal am Check-in und ein
zweites Mal beim Einsteigen ins Flugzeug. Illegale Migranten sollen
nicht ins Flugzeug kommen. So soll erkannt werden, ob die Papiere echt
und die notwendigen Visa vorhanden sind. Bei Unstimmigkeiten, die auf
illegale Migration hindeuten, empfehlen die Schweizer laut Banz den
Behörden vor Ort, die betroffene Person nicht reisen zu lassen.
Wie BFM-Sprecher Michael Glauser sagte, führte die Schweiz
im Oktober und November 2010 ein Pilotprojekt in Kairo durch: "Das
Projekt war erfolgversprechend." Pro Berater und Tag könne
aufgrund bisheriger Erfahrungen eine illegale Einwanderung verhindert
werden, was "erhebliche Kosten" vermeide. Ab wann und wo die Berater
zum Einsatz kommen, ist noch nicht klar.
sda
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20 Minuten 11.2.11
Auslandeinsatz gegen illegale Einwanderung
ZÜRICH. Um die illegale Einwanderung an der Quelle zu
stoppen, hat der Bund ein Pilotprojekt lanciert. In den Monaten Oktober
und November 2010 haben so genannte Schweizer Dokumentenberater die
Papiere von Reisenden genau geprüft: Zum ersten Mal beim Check-in
und zum zweiten Mal beim Betreten des Flugzeuges. Aufgrund bisheriger
Erfahrungen kann pro Beamter und Tag eine illegale Einwanderung
verhindert werden, teilt das Bundesamt für Migration mit. Bei
einem negativen Entscheid verursacht die Ausschaffung eines
Asylbewerbers oder eines Sans-Papiers Kosten von bis zu 10 000 Franken.
Wann und wo die Dokumentenberater zum Einsatz kommen, ist derzeit noch
unklar.
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GEFANGENE
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Indymedia 14.2.11
Brief von Costa / Die Solidarität ist in Bewegung ::
AutorIn : freiheit
Brief von Costa aus dem Gefängnis aus Bern vom Oktober 2010!
Freiheit für Marco, Silvia, Billy und Costa!
Freiheit für alle politischen und sozialen Gefangenen!
Knäste zu Baulücken!
Brief von Costa
DIE SOLIDARITÄT IST IN BEWEGUNG
"Im Moment der Aktion beherrschen wir nur die angewendeten Mittel und
nicht das gewollte Ziel oder, genauer, wir beherrschen das Ziel nur
über die Mittel. Das Ziel gehört der Zukunft, nur die Mittel
gehören der Gegenwart, es ist also wichtig, dass die Mittel
"Anfang des Zieles" seien.
Jean Marie Müller
Liebe GenossInnen,
Eure Nähe und Komplizität hörte am 15. April nicht auf,
als ich mit Billy und Silvia zusammen hier in der Schweiz verhaftet
wurde; mit der Anklage eines versuchten Angriffs auf die neuen sich im
Bau befindenden Strukturen eines der weltweit wichtigsten
Forschungszentrums im Bereich der Nanotechnologien des amerikanischen
Multis IBM, der seine Labors in Rüschlikon bei Zürich hat.
Unser schönes Mietauto und unser breites Lächeln
genügten offensichtlich nicht um die Strassensperre zu passieren.
Diese Verhaftung wird dann in den bis anhin sehr wenigen
verfügbaren Akten als "auf Grund ihres nervösen Verhaltens"
beschrieben. Es muss eine besonders "negativ energiegeladene" Strasse
gewesen sein, da jedes passierende Fahrzeug angehalten und auf einem
Ausweichsplatz kontrolliert wurde, wo fünf oder sechs
Streifenwagen und ein Zivibus mit verdunkelten Scheiben mit
Informatikausrüstung und starken Scheinwerfern auf dem Dach da
waren. Wir waren nicht das einzige angehaltene Auto aber den Blicken
unter den Bullen nach waren wir die Attraktion; keine Ahnung ob sofort
oder nach der Abfrage in ihren Terminals. Ich glaube es waren die
Letzteren, der sich an uns mit ein wenig Italienisch wendende Beamte
wird unsere Sprache brauchen, als er dem nächsten Kollegen
"Terrorismo" sagt, bevor sie uns und gleichzeitig das Auto durchsuchen.
Sofort kommt der erste Sprengstoff zum Vorschein und auch die
Handschellen; in der Folge wird im Auto, das in Erwartung der
Sprengstoffexperten eingezäunt wurde, die Behälter mit Gas
drin, Brandutensilien und dutzende Texte gefunden.
Die Anklage, nachdem wir in drei verschiedene Gefängnisse der
Schweiz zerstreut wurden, sind: Transport von Sprengstoff und
Giftgasen, versuchte Brandstiftung und versuchtes Attentat. Letztere
Anklage bezieht sich auf den Inhalt unserer Texte, die von einem
Angriff mit Sprengstoff, Gas und Feuer sprechen, um die neue Produktion
von Nanotechnologien unter dem Deckmantel der Forschung in den
zukünftigen IBM-Labors zu verhindern. Die an verschiedene
Informationsorgane addressierten Schreiben trugen die Unterschrift "ELF
SWITZERLAND".
Unterdessen haben auch die italiensichen Behörden begonnen sich
mit der Sache zu befassen, auf die einzig mögliche Art: d.h. durch
Ermittlung wegen Art. 270Bis (subversive Vereinigung zum Zwecke des
Terrorismus) weil, als angeblich Mitglieder der ELF (Earth Liberation
Front) wir untereinander und mit anderen noch zu identifizierenden
Subjekten eine Vereinigung gefördert, gebildet und organisiert
hätten, mit der Absicht der Ausübung von Gewalt mitdem ziel
des Terrorismus oder Umsturzes der demokratischen Ordnung, auch
gegenüber fremden Staaten. Im Gesuch um internationale Rechtshilfe
an die Schweizer Behörden, der zwei ermittelnden Turiner
Staatsanwälte schliessen dieselben mit der kuriosen Bemerkung:
"vorausgesetzt, dass nicht wegen politischen Vergehen oder im
Zusammenhang mit politischen Vergehen vorgegangen wird...".
In diesen Monaten der Haft werden wir einer immer stärkeren Zensur
ausgesetzt, die soweit geht, dass in gewissen Fällen eine
Kommunikation, die als solche bezeichnet werden kann, eigentlich
verhindert wird. Jeder Brief, jede Karte, jedes Buch oder Papier wird
vom Gefängnis an die Staatsanwaltschaft gesendet um gelesen und
auf deutsch übersetzten zu werden; kürzlich wurde eine
zusätzliche Beschränkung des Postflusses eingeführt:
"...die ankommende und ausgehende Post mit der sich in Haft befindenden
Person wird auf maximal 3 Briefe pro Wcohe (und vier
maschinengeschriebenen Seiten" beschränkt...". Angeschichts der
ganzen Umwege unserer Post, u.a. Die Übersetzungen, könnten
"technisch-praktische" Probleme als Grund der enormen Verspätungen
unserer nie ankommenden Korrespondenz angeführt werden. Wir wissen
aber nur zu gut, dass gewisse Strukturen wenn nötig sehr effizent
sind, also können diese Beschränkungen nur gezielte Absicht
sein, um jegliche Beziehung nach aussen einzuschränken. Denn was
sollen diese sog. Präventiven Ermittlungen denn anderes sein, als
der Versuch das repressive Netz auszuweiten: einerseits um eventuelle
Komplizenschaften zu suchen und andererseits um uns noch mehr von der
solidarischen und beziehungsmässigen Sphäre zu isolieren.
Klar ist, dass in diesen Monaten sich viel Komplizenschaft gezeigt hat:
offensichtlich zuviel! Und derart, dass jeder gezielte Angriff, den die
Bundespolizei und -anwaltschaft gerne geführt hätte,
verhindert wurde. So sind sie von einer funktionalen Öffnung auf
eine notwendige Schliessung übergegangen.
Die Nähe und Komplizenschaft in diesen Monaten wurde zur grossen
und sofortigen internationalen Solidarität, unter Überwindung
jeglicher spezifischen Tendenz, und wurde in den tausend Arten, die
jedes Individium oder Situation für angebracht hielt,
ausgedrückt. In der Schweiz, in Italien und vielen anderen
Ländern: Initiativen, solidarische Momente und Kundgebungen der
Nähe wie der wunderbare aus dem Gefängnis San Michele von den
gefangenen anarchistischen Genossen. Alles mit dem einzigen Zweck, ohne
diesen definieren und koordinieren zu müssen: diese
Solidarität aktiv und lebendig zu machen und vor allem in Bewegung
zu setzen. Die sehr starke Zensur hat diesen Flus snicht verhindert,
der immer energischer wurde von drinnen nach draussen und von aussen
nach innen. Unsere beste Kommunikation: der unlösbare Faden, der
nicht einmal auch nur kurz lose wurde, sind die laufenden Kämpfe.
Gerade diese haben unseren Weg in diesen Jahren charakterisiert, vor
allem in unseren Widerstand gegen die industriellen und technologischen
Schädlichkeiten wie Bio- und Nanotech. Indem Umweltschutz nicht
als Wissenschaft der Herrschaft sondern als Notwendigkeit geführt
wurde, einen starken Widerstand zu schaffen, der angesichts des
laufenden Ökozids immer weniger vertagt werden kann.
Der gesamte Planet brennt, schmilzt, wird steril, verändert sich,
wird von Rohöl und toxischen Stoffen bedeckt, verschwindet unter
dem Imperativ des Fortschritts und der Ideologie der Herrschaft der
Entwicklung. Es gibt viele Theorien und Annahmen über den Ursprung
der ersten Lebensformen auf dem Planeten. Aber sicher ist, dass sie
enden können, und das ist unter den Augen aller. Die
Klimaveränderungen und die immer totaleren Kriege (atomare und
nano-biotechnologische), die jeder Staat zurzeit vorbereitet auf wenn
die Zeiten noch kritischer sein werden, belegen es.
Übrigens ist das der Mechanismus der Industriegesellscahft, der
sich in der Massengesellscahft und in ihrer Todeswirtschaft
reproduziert.
Die Gefahr ist nicht nur die Tatsache der Möglichkeit der
Zerstörung der Herrschaftsgesellschaft; sondern die Idee und die
Voraussetzung an sich der Notwendigkeit derselben. Die Formen der
Kontrolle und der sozialen Entleerung wurden "verinnerlicht" bis zu dem
Punkt, dass die Opposition an ihren Wurzeln angegriffen wird, und die
Weigerung "am Spiel teilzunehmen", wie die anderen zu "marschieren" als
irrational, "neurotisch", undenkbar erscheint: wie eine seltsame
Krankheitsform solcher Tiefe, dass sie die Unterscheidung zwischen
aufgezwungenem und spontanem Verhalten verwischt.
Die Zerstörung der Natur enthüllt nocheinmal ihr
vollständiges Ausmass in Anbetracht der Tatsache, dass wir die
anderen Tiere Teil von ihr sind. Wie können wir umhin, die
Analogie zwischen einer durch die Wachstumshormone von Monsanto zur
grösseren Milchproduktion drogenabhängig gemachten Kuh,
zwischen Pflanzen, die ohne andauernden chemischen Input nicht mehr
überleben
können und Menschenwesen nicht feststellen, die von Kindheit an
mit Ritalin drogenabhängig gemacht werden, dann mit Prozac,
Beruhigungsmitteln, Gentech bis sogar zur Abhängigkeit und
Akzeptanz auf freiwilliger Basis eines sozialen Kontextes, der immer
untragbarer wird.
Kühe erleiden die intensive Haltung und die damit
Wahnsinnsprionen, die technisierten Pflanzen brechen aus den Grenzen
der Labors aus, und Mann und Frau sind zu universellen Instrumenten im
Dienste des technischen Apparates geworden. Die Technologie und vor
allem die konvergenten Wissenschaften (Nano- und Biotech, Kybernetik,
Neurowissenschaften) sind daran, die Essenz selbst aller Lebewesen zu
ersetzen: das Sein an sich und für sich stellen sich als von der
Technik konstruiert heraus, als instrumentelle Struktur mit dem eigenen
"Zweck", die eigene wahre Daseinsberechtigung ausserhalb von sich
selbst zu suchen, in der neuen kollektiven und anonymen
Rationalität einer wirksamen aber blinden Kollektivität. Als
Totalität beinhaltet der technische Apparat die von ihm
geforderten Leistungen und die von ihm produzierten Sachen; er
auferlegt die eigenen Bedürfnisse den Verhaltensweisen, den
Bestrebungen und den Werten des Mannes und der Frau; er konstruiert den
endültigen Rahmen der Erfahrung der Welt: definiert die Hoffnungen
und das Scheitern und alles, was legitim geträumt, gefürchtet
und gewünscht werden darf.
Sein höchstes Versprechen, dass sich in den fortgeschrittendsten
Industriegesellschaften progressiv erfüllt, ist das eines immer
komfortableren Lebens und einer wachsenden Sicherheit für einen
immer grösseren Teil der Bevölkerung. Mit dem Fortschritt der
technischen Wirklichkeit Richtung einer immer kompletteren Herrschaft
wird es null und nichtig: es löst sich in Rauch auf. Sie bieten am
Ende des Fortschritts eine künstliche Existenz an. Wir gehen
Richtung Singularität: die technische Realität definiert
jeden Aspekt der Natur neu, ihre Vergangenheit und ihre Gegenwart aber
vor allem ihre Zukunft. Sie wird Garant der Krise und des
"natürlichen Desasters". Vielmehr noch, diese Aspekte sind immer
mehr die Essenz der Herrschaft, die sich nicht etwa in einem
provisorsichen "Notstand" sondern gerade in jenem verewigt, der
"permanent" geworden ist. Wahre Macht ist heute gerade die, die sich in
den Falten dieser unabdingbar und folglich unauslöslich gewordenen
Infrastruktur versteckt; von wo aus die Welt als Geisel halten kann.
Herrschaft kann heute sehr wohl auch von jenem Wissenschafter
dargestellt werden, der die Welt von der Kultursuppe in seinem Labor
aus betrachtet; und auf einen Zufall wartet, wie ein Kasinozocker: dass
dieses oder jenes Nanomolekül an die rechte Stelle wandert oder
auf das die Genkanone diesmal doch endlich treffen möge.
Vielleicht noch mit dem Resultat dem Patent näherzukommen, das vom
Multi schon längst reserviert worden ist. Nach Überwindung
der schlicht geschäftlichen Phase wird der nächste Schritt
des Systems der "symbolische" Teil sein, mit dem es wieder einmal
mittels des technischen Instrumentes und der Manipulierung die
Richtigkeit des eigenen eingriffsmodells belegen wird. Darin spielt der
eigentliche operative Arm die grundlegende Rolle: die Wissenschaft.
Diese hat der technologischen Herrschaft nicht nur immer neue
Möglichkeiten eröffnet; sie hat auch (immer offensichtlicher)
die existientielle Erfahrung, die Moralität und jegliche
Bestrebung von Mann und Frau geleitet. Sie hat die Rolle der Natur und
der anderen Tiere neu definiert. Diese Regierung war offenbar indirekt,
"vermittelt": die wissenschaftliche Methode schien in sich nichts zu
bergen, was eine Verhaltensorientierung an sich liefern könnte,
keine Idee für das zu erreichende Zweck und "Ziel". Sie schien von
allen Gesichtspunkten her neutral zu sein. Heute wissen wir, das dem
nicht so ist.
Diese Siege über die Natur (darunter die menschliche) haben uns
die Erbschaft von Umwelt- und sozialen Katastrophen nie gekannten
Ausmasses hinterlassen und die Zukunft schon mit anderen noch
grösseren Ausmasses vorbelastet.
Dass das für die Mobilisierungen eine günstige Periode ist,
wird durch die grosse Breite der militanten Solidarität belegt.
Ich denke es ist ein optimales Einschätzungsmass zur Qualität
und eingeschlagenen Richtungen des Kampfes. Und auch für das
Verständnis der Dynamik, die dem Herrschaftssystem innewohnt, und
vor allem beweist es, dass wir gelernt haben mit der Repression zu
leben: als einzige Art um Räume der Freiheit aufrecht zu erhalten
und immer Neue zu schaffen.
Ohne sich in eine einfach defensive Aktivität zurückzuziehen,
die auf die Länge zum Verlust von erobertem kostbaren Terrain
führen würde, sondern indem vorangeschritten wird. Das
repressive Moment bringt immer Zerstörung und Verlust für die
betroffenen Situationen, aber es verläuft im Sand der Bedeutung,
die wir ihm zu geben fähig sind, und in unserer Stärke: neue
Hindernisse zu bilden, die das Räderwerk dieser Todesmaschine
wieder zum Stillstand bringen werden.
Ich möchte auf zwei solidarische Momente näher eingehen, die
gerade in diesen Wochen Form annehmen und denen ich meine völlige
Unterstützung und Solidarität ausdrücken möchte. Es
handelt sich um die Kampagne zur Befreiung der Langzeitgefangenen und
der internationalen Kampagne zur Befreiung von Marco Camenisch,
Grünanarchist und seit mehr als zwanzig Jahren in Italien und der
Schweiz gefangen.
Diese beiden Kampagnen haben dasselbe Wesen. Nicht nur weil die
Regierungen, und im Fall von Marco auch die Atommafia (die sich seit
kurzem in der Schweiz wieder lauthals bemerkbar macht), die
Gefangenschaft jener, die ihre Welt der Ausbeutung in Frage gestellt
haben, nie beenden möchten.
Diese revolutionären Gefangenen, ob Anarchisten wie Marco,
Antiimperialisten wie die Gefangenen von Action Directe, ob aus der
baskischen Befreiungsbewegung, KomunistInnen der GRAPO und des 17.
November oder auch die UmweltschützerInnen von MOVE oder ELF in
den USA und noch viele viele andere haben grundlegende gemeinsame
Aspekte. Sie haben die verschiedenen Fratzen des Systems kennengelernt,
die mit den Lügen der Herrschaft aufrecht erhalten werden: des
Faschismus, je nach dem die autoritäre oder demokratische oder
alle miteinander.
Sie haben jahrelang des immer härtesten Knastes erlebt oder leiden
immer noch darunter: Isolierung, Folter, Differenzierung, Entzug,
Verschwindenlassen und physische Eliminierung. Manchmal ist das System
auch "gnädig" mit diesen sehr lang gefangenen Leuten, wie als sie
nach langen Jahren die Militante von Action Directe Nathalie Menigon
gerade noch rechtzeitig rausliessen um bei ihren Lieben an einem Leiden
zu sterben, das durch den Knast verschlimmert wurde und innerhalb der
Mauern unmöglich behandelt werden konnte.
Die enorme Verbissenheit der Bullen und der Justiz gehört nicht
einem besonderen territorialen Kontext oder dem x-tem "Notstand" an.
Sondern ist das Ergebnis einer geplanten Strategie, die allerorts, in
Europa wie in den USA und andern Ländern auch, sich immer mehr
gleicht. Eine repressive Strategie auf dem maximalen Niveau an
Vernichtung, gleich welche Ebene von Opposition auf dem Terrain
aufgestellt ist. Wo die Wirtschaft des Todes ihre Werk auf die eigene
Art strickt und alles plündert und raubt, was dem Aufbau einer
anderen Macht günstig oder Beitrag wäre, ist todsicher dass
Widerstand nicht toleriert wird. Der für diese RebellInnen
vorgesehene Knast stellt für das System das letzte Glied dar zur
Beendigung der konterrevolutionären, reaktionären,
befriedenden Offensive und zur Wiederherstellung des Status quo, was
logischerweise mit ihrer "Rehabilitierung und Entleerung" enden muss,
oder dann mit ihrer Vernichtung durch endlose Haft.
Eben, denn hier beginnt der wichtigste Aspekt, der überall in der
Welt viele revolutionäre Gefangene charakterisiert.
Der Kampf gegen das System ist nicht zu Ende! Diese Gefangene sind
nicht dazu bereit, sich in leere Puppen und zahme Ex-Militante
verwandelt zu lassen ... sie bekennen sich weiter klipp und klar zu
ihrer Identität und ihrem Empfinden und lehnen Bereuung und
Distanzierungen von den Kampfprojekten ab, denen sie angehörten
und angehören: indem sie ihre Stimme erheben und oft zur Aktion
schreiten wie gerade stattgefundenen Hungerstreiks der Mapuche und
Baskischen Gefangenen.
Letztere sind beispielhaft für die Art und Weise, wie ein Staat,
in diesem Fall der spanische, mit seinem inneren Gegner abrechnen will;
er erlässt neue Gesetze die nachträglich auf Gefangene
angewendet werden, die ihre sehr lange Strafe schon abgesessen haben
und oft auch wegen der erlittenen Folter schwer krank sind.
Diese grausame Verbissenheit gegen politische Gefangene seitens des
Systems gipfelt auch in der Rechtfertigung oft nur präventiver
drakonischer Repression. In Amerika bezahlen viele UmweltaktivistInnen
der ELF mit drakonischen Strafen, weil sie ihre GenossInnen nicht
verraten haben und sich nicht von ihren Aktionen distanzieren wollten.
Und diesen einen präzisen Sinn verleihten und enthüllten, wer
in dieser Ausbeutungs- und Vernichtungsgesellschaft die wirklichen
Ökoterroristen sind. Und dass die Rettung des Planeten nicht
"Freiwilligenarbeit" sein kann, sondern eine unabdingbare Notwendigkeit
zu handeln ist, nicht um das industrielle System zu reformieren oder es
besser zu verwalten, sondern um es völlig zu vernichten.
Bezeichnend ist der Fall der Ökomilitanten Marie Mason, die
für verschiedene Angriffe auf ökozide Strukturen zu 22 Jahren
verurteilt wurde, unter anderem wegen der Sabotage eines
Biotechforschungszentrums, alles mit ELF unterzeichnete Aktionen. Schon
seit einigen Jahren hat die Regierung der USA auf starken Druck der
Industrie- und Forschungslobby die ELF zum Feind Nummer Eins
erklärt, und danach war der Schritt zu langen Urteilen und
schwersten Sondermassnahmen klein.
Die Angriffe auf die weitergehenden Kampfsituationen und auch auf die
Gefangenen haben das Ziel, das Widerstandspotential zu zertrümmern
und zu spalten: und zielen auf die Repression derjenigen ab, welche die
Herrschaftslogik mit ihrer grauenhaften "Normalität" des Elends
und der Zerstörung ablehnen.
In diesem Kontext erhält die Solidarität mit den
revolutionären Gefangenen eine neue Bedeutung, die nicht ignoriert
und vor allem nicht vernachlässigt werden darf. Sie sind
organischer Teil der breiten Widerstandsbewegung, denn die Behauptung
der Solidarität hängt unmittelbar mit der Entwicklung und den
Erfolgen der Bewegung zusammen, aber auch umgekehrt, denn die
Solidarität stärkt die Erfahrung und die Radikalisierung
eines grossen Teils der Bewegung grundlegend.
Nur mit dem Aufbau einer starken und vielseitigen
Solidaritätsfront, wovon die zwei genannten Kampagnen ein
optimaler Ausruck sind und ich hoffe sie seien nur der Anfang, wird
eine Umkehrung der Lage möglich sein, in der viele Gefangene
stecken; eine anscheinend unveränderliche Lage und das System
will, dass sie so bleibt. Erfahrungen vergangener Jahre haben gezeigt,
dass internationale Mobilisierungen diesen Prozess stoppen oder es ihm
wenigstens nicht leicht machen können. Viele GenossInnen konnten
wieder frei werden oder ihre Strafe wurde gesenkt, in anderen
Fällen wie bei Mumia Abu Jamal, Militanter der "MOVE", wurde die
Hand des Henkers aufgehalten, aber nur nach einer enormen
internationalen Mobilisierung.
Wenn wir überzeugt sind, dass die revolutionären Gefangenen
Teil unserer Bewegung sind, dann glaube ich sind wir ebenfalls
überzeugt, dass keine Bewegung hoffen kann eine radikale Kritik
des Bestehenden auszudrücken oder etwas zu erreichen, wenn die
eigenen Kämpfe nicht auch über die Forderung ihrer Befreiung
laufen. Sicher ist, dass nicht die Institutionen, die
Menschenrechtskonventionen oder humanitäre Vereine einen
Unterschied machen werden. Denn gerade mit der Legitimierung solcher
Institutionen und oft in ihrem Namen hat das System die
verbrecherischten Gewalttaten und Zerstörungen gegen die
Ausgeschlossenen und die Natur begangen.
Und das solange, wie die indische ökologische Schriftstellerin
Arundhati Roy, die gegen die grosse Staudämme Indiens kämpft,
schreibt: "auch Krieg Frieden genannt wird".
Verwandeln wir "diesen glühenden Zorn eines sterbenden Planeten"
(ELF)
in ein Donnern der Revolte.
- Freiheit für Mumia Abu Jamal, Jaime Simon Quintela, Marco
Camenisch, Georges Ibrahim Abdullah und alle politischen Gefangenen mit
ausserordentlich langen Strafen, die im Gefängnis bleiben, weil
sie sich weigern, ihre revolutionäre Identität zu verleugnen.
- Unterstützen wir die Kampagne zur Befreiung von Marco Camenisch
- Freiheit für die Ökoanarchisten Leonardo Landi, Silvia
Guerini, Luca Bernasconi
- Freiheit für die politischen Mapuchegefangenen im Hungerstreik
- Und überall und jedenfalls alle Käfige für alle
öffnen
Costantino Ragusa - Gefängnis Bern Oktober 2010
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Tagesanzeiger 12.2.11
Mutmasslicher Brandstifter bleibt in Untersuchungshaft
Hohler Stefan
Zürich - Der 33-jährige Mann, der beschuldigt wird,
eine Baustelle auf der Hardbrücke angezündet zu haben, bleibt
in Haft. Das Obergericht hat gestern seinen Antrag auf Entlassung
abgelehnt, wie der zuständige Staatsanwalt sagt. Das bedeutet,
dass der dringende Tatverdacht weiter besteht.
Beim Brand vom 18. September entstand ein Schaden von über
einer halben Million Franken. Die Kantonspolizei verhaftete den
Schweizer Mitte Dezember. Er macht keine Aussagen und ist nicht
geständig. Der Mann ist der Polizei aus der Hausbesetzerszene
bekannt. Nach dem Brand wurde auf der linksautonomen Onlineplattform
Indymedia ein Bekennerschreiben veröffentlicht, das ebenfalls in
diese Richtung weist. Am letzten Samstag haben rund 50 Personen vor dem
Bezirksgefängnis beim Helvetiaplatz für den Verhafteten
demonstriert und Flyers mit dem Aufruf "Freiheit für Steven!"
verteilt. Laut dem Staatsanwalt hat man keine Hinweise, dass der
Verhaftete Verbindungen zu den drei Personen hat, die im letzten April
einen Anschlag auf das IBM-Forschungszentrum in Rüschlikon geplant
hatten.
Die Polizei kam dem 33-Jährigen anhand von DNA-Spuren auf
die Schliche. Er hatte einen Baustellentank aufgebrochen, mit einem
Schlauch Dieselöl auf die Strasse auslaufen lassen und das Öl
angezündet. Offenbar hinterliess er Speichelspuren. Da der
Verhaftete der Polizei von früheren Vorfällen bekannt ist,
war er bereits in der DNA-Datenbank registriert. (hoh)
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ANTI-SVP
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Tagesanzeiger 12.2.11
Verhaftung nach Attacke auf Fehr
Die Stadtpolizei hat einen Mann verhaftet, der beim Angriff auf
SVP-Nationalrat Hans Fehr beim Albisgüetli beteiligt gewesen sein
soll.
Von Stefan Hohler
Zürich - Beim Mann handelt es sich um einen 32-jährigen
Schweizer, wie die Staatsanwaltschaft Zürich gestern mitteilte. Er
wurde am Mittwoch aufgrund eines dringenden Tatverdachts verhaftet und
sitzt nun wegen Verdunkelungsgefahr in Untersuchungshaft. Staatsanwalt
Markus Imholz sagte auf Anfrage, dass nach weiteren Tätern gesucht
werde. Ob sich der Mann schon in der Vergangenheit in den Kreisen von
Linksautonomen bewegt hatte und polizeilich bekannt ist, wollte Imholz
nicht sagen. Auch nicht, ob er geständig ist. Bei der Ermittlung
habe man sich auf Zeugen und Beweismittel abgestützt, welche
Imholz aus ermittlungstaktischen Gründen nicht näher
kommentieren wollte.
Gegen den Mann läuft nun ein Verfahren wegen Angriffs und
einfacher Körperverletzung. Die Maximalstrafe für einen
Angriff beträgt fünf Jahre. "Früher oder später
wird Herr Fehr direkt in das Verfahren eintreten. Dann ist auch eine
direkte Gegenüberstellung möglich", sagt Imholz. Als Opfer
aber habe er auch Anspruch auf eine Gegenüberstellung per Video.
Fehr hofft auf strenges Urteil
Hans Fehr wurde am 21. Januar an der SVP-Tagung beim
Albisgüetli von Chaoten angegriffen und verprügelt. Die
Medien berichteten danach von mehreren Angreifern. Der Nationalrat
erlitt Schrammen im Gesicht und angeknackste Rippen. Fehr, der nach der
Attacke eine Strafanzeige gegen unbekannt gemacht hatte, zeigte sich
gestern erfreut über die Verhaftung. "Eine positive Meldung, die
Polizei hat gut gearbeitet". Er hofft, dass der Täter, falls sich
dessen Schuld erweise, streng bestraft werde und das Gericht den
Strafrahmen auch ausnutze. Gesundheitlich gehe es ihm wieder besser,
aber er habe immer noch Augenflimmern.
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Landbote 12.2.11
Mutmasslicher Angreifer Hans Fehrs verhaftet
Tes Sandra Hohendahl Tesch
Zürich. Nach dem Angriff auf SVP-Nationalrat Fehr ist ein
32-Jähriger verhaftet worden. Er könnte für maximal
fünf Jahre hinter Gitter kommen.
Knapp drei Wochen ist es her, dass Nationalrat Hans Fehr vor der
Albisgüetli-Tagung der SVP Kanton Zürich von linksautonomen
Demonstranten angegriffen und dabei leicht verletzt wurde. Nun hat die
Polizei einen Mann festgenommen, der die Attacke verübt haben
soll. Es handelt sich um einen 32-jährigen Schweizer, sagte der
zuständige Staatsanwalt Markus Imholz auf Anfrage. Der
Beschuldigte sei nach "intensiven Ermittlungen und Hinweisen von
Zeugen" festgenommen worden. Da die Chaoten in der Regel vermummt
auftreten, habe es eine gewisse Ermittlungszeit gebraucht. Gegen den
mutmasslichen Täter hat die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl
nun ein Verfahren wegen Angriffs und einfacher Körperverletzung
eröffnet. Dem Mann drohen bis zu fünf Jahre Haft - die
Maximalstrafe für ein derartiges Verbrechen.
Fehr fordert harte Bestrafung
Die Untersuchungshaft wurde angeordnet, "weil ein dringender
Tatverdacht und Verdunkelungsgefahr bestehen", sagt Staatsanwalt
Imholz. Die Ermittlungen im Fall laufen derzeit auf Hochtouren weiter.
Man gehe davon aus, dass mehrere Personen an der Tat beteiligt waren.
Für das Opfer wird es laut Imholz früher oder später zu
einer direkten Gegenüberstellung mit den mutmasslichen Tätern
kommen. Fehr, der momentan im Ausland weilt, findet auf Anfrage
deutliche Worte: Sollte sich herausstellen, dass der Verhaftete einer
der Angreifer ist, erwarte er eine "strenge Bestrafung". Denn aus
diesem Grund habe er damals auch Strafanzeige eingereicht.
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Blick 12.2.11
Endlich Verhaftung nach Attacke auf Fehr
Der erste Albisgüetli-Chaot sitzt im Knast: Die Polizei
verhaftete einen Schweizer (32), der Hans Fehr verprügelt haben
soll.
Die Vermummung nützte ihm nichts: Einer der radikalen
Links-Autonomen, die SVP-Nationalrat Hans Fehr (64) brutal
verprügelten (BLICK berichtete), sitzt seit gestern in
Untersuchungshaft. Staatsanwalt Markus Imholz spricht von einem
"dringenden Verdacht", wonach der Schweizer (32, ohne
Migrationshintergrund) am Angriff auf Fehr am Rande der SVP-Tagung im
Zürcher Albisgüetli am 21. Januar beteiligt war.
Die Stadtpolizei verhaftete den mutmasslichen Prügler
bereits am Mittwoch. Gestern kam der Antrag auf Untersuchungshaft der
Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl durch - wegen Verdunkelungsgefahr.
Ob der U-Häftling wegen ähnlicher Delikte den
Behörden bereits bekannt war, wollte Markus Imholz gestern nicht
sagen. Die Staatsanwaltschaft führt ein Verfahren wegen Angriffs
und einfacher Körperverletzung.
Opfer Hans Fehr begrüsste gestern die Verhaftung. "Eine
positive Nachricht! Die Polizei und die Staatsanwaltschaft haben gute
Arbeit geleistet", so Fehr zu BLICK. "Ich habe die Anzeige eingereicht,
damit dieser Schläger erwischt wird. Ich hoffe, dass er jetzt auch
streng bestraft wird."
---
BZ 12.2.11
Verdächtiger verhaftet
Hans FehrEin 32-jähriger Schweizer ist am Mittwoch wegen des
dringenden Verdachts der Beteiligung am Angriff auf SVP-Nationalrat
Hans Fehr verhaftet worden.
Aufgrund polizeilicher Ermittlungen habe sich der dringende
Tatverdacht ergeben, der Verhaftete sei am 21. Januar anlässlich
der SVP-Tagung beim Albisgüetli in Zürich an den
Übergriffen auf Hans Fehr beteiligt gewe-sen, schreiben
Stadtpolizei und Staatsanwaltschaft in einer gemeinsamen Mitteilung von
gestern.
Keine Details bekannt
Das Zwangsmassnahmengericht ordnete am Freitag auf Antrag der
Staatsanwaltschaft Untersuchungshaft an, wie es weiter heisst.
Ob der Verhaftete wegen ähnlicher Delikte bekannt ist,
woll-te der zuständige Staatsanwalt, Markus Imholz, auf Anfrage
der Nachrichtenagentur SDA aus ermittlungstaktischen Gründen nicht
sagen.
Auch zum mutmasslichen Tatablauf sowie zum Ort und zu den
näheren Umständen der Verhaftung gab er nichts bekannt. Klar
ist laut Imholz, dass mehrere Personen am Angriff beteiligt waren.
Vor der Albisgüetlitagung der SVP Kanton Zürich war es
zu Ausschreitungen von Linksautonomen gekommen. Der Zürcher SVP-
Nationalrat Hans Fehr wurde dabei auf offener Strasse tätlich
angegriffen und verletzt. Er erstattete Anzeige gegen unbekannt.
Die Attacke wurde von Exponenten aller politischen Parteien
scharf verurteilt.
sda
---
Schweiz Aktuell 11.2.11
ZH: Mutmasslicher Angreifer auf Nationalrat Hans Fehr verhaftet
http://videoportal.sf.tv/video?id=ff03b154-fb19-46c1-872e-252342d9960d
---
stadt-zuerich.ch/pd/de/index/stadtpolizei_zuerich 11.2.11
Medienmitteilung der Staatsanwaltschaft Zürich
Verhaftung im Zusammenhang mit den Übergriffen auf Hans Fehr vor
der Albisgüetli-Tagung
Ein 32-jähriger Schweizer wurde am 9. Februar 2011 wegen des
drin-genden Verdachts der Beteiligung am tätlichen Angriff auf
Hans Fehr verhaftet.
Aufgrund polizeilicher Ermittlungen ergab sich der dringende
Tatverdacht, der verhaftete Schweizer sei am 21. Januar 2011
anlässlich der SVP-Tagung beim Albisgüetli an den
Übergriffen auf Nationalrat Hans Fehr beteiligt gewesen. Der
Beschuldigte wurde am 9. Februar 2011 von der Stadtpolizei Zürich
festgenommen. Die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl führt gegen
ihn ein Verfahren wegen Angriffs und einfacher Körperverletzung.
Das Zwangsmassnahmengericht ordnete am 11. Februar 2011 auf Antrag der
Staatsanwaltschaft Untersuchungshaft an.
Ergänzende Auskunft erteilt:
Staatsanwalt Markus Imholz am 11. Februar 2011 von 13.30 Uhr bis 17.00
Uhr unter Telefon 044 248 23 96
---
20 Minuten 9.2.11
Fehr teilte Ohrfeigen aus
ZÜRICH. Der Revolutionäre Aufbau verschickt im Nachgang
zur Attacke auf SVP-Nationalrat Hans Fehr einen Link mit einer
Filmsequenz aus einem alten SF-Dok-Film. Im Clip äussert sich der
Politiker und ehemalige Reallehrer Fehr über Erziehungsmethoden in
der Schule: "Eine Ohrfeige zur rechten Zeit wirkt wahrscheinlich mehr
als fünf Psychologen." Der Revolutionäre Aufbau nimmt dies
als Beweis, dass vor allem die reaktionäre Politik der SVP die
alltägliche Gewalt verschärfe.
---
aufbau.org 8.2.11
Ohrfeigen für Hans Fehr
Tuesday, 8. February 2011
am 8.2.2011 auf indymedia.ch gefunden:
Ein Video, gefunden auf http://vimeo.com/19668916
Die Gewaltdiskussion der Bürgerlichen ist heuchlerisch. Vor
allem die reaktionäre Politik der SVP ist es, die die
alltägliche Gewalt verschärft. Sei es durch rassistische
Kampagnen gegen Ausländer, Hetzen gegen vermeintliche
"Sozialbetrüger" oder nationalistische
"Schweizer-wählen-SVP"-Parolen. Dies führt zur
Verschärfung der strukturellen Gewalt im Kapitalismus.
Beispielsweise die ökonomische Situation: Die Konkurrenz wird
immer schärfer, die Arbeitsbedingungen werden mieser und
Sozialleistungen werden abgebaut. Oder bei dem zur Sicherung des
Kapitalismus notwendigen Repressionsapparat von Polizei & Justiz,
welcher immer weiter ausgebaut werden soll. Während sie
revolutionäre Militanz scharf verurteilen, fordern sie im gleichen
Atemzug ein härteres Vorgehen gegen Ausländer oder den
politischen Widerstand auf der Strasse: Gewalt in Form von Gummischrot,
Knast oder Ausschaffungen.
Die Medien übernehmen diese heuchlerische Gewaltdiskussion
und treiben sie voran. Berichte vom "Krankenbett" Hans Fehrs, welche
einer Seifenoper ähneln, die geschürte Hysterie vor "linken
Chaoten" und das Entpolitisieren von revolutionärer Militanz. Denn
letztendlich ist die Frage der Militanz immer, wer sie gegen wen mit
welchen Zielen einsetzt. Und einem rechten Hetzer auf's Maul zu geben,
weil er ein Vertreter einer reaktionären Politik ist, ist
berechtigt.
WER REAKTIONÄREN WIND SÄT, WIRD REVOLUTIONÄREN
STURM ERNTEN. VON UNTEN LINKS GEGEN OBEN RECHTS - KLASSE GEGEN KLASSE!
Das Original-Video von Hans Fehr (inkl. Beschreibung, wie er als
Lehrer Ohrfeigen verteilte): http://youtube.com/watch?v=oQuaa1rCtyk
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URNENKLAU
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Basler Zeitung 10.2.11
Verbrannte Stimmzettel haben das Ergebnis nicht beeinflusst
Zum Überfall von Vermummten auf das Allschwiler
Wahlbüro liegen laut Regierungsrat keine neuen Erkenntnisse vor
Laura Ferrari
Fast drei Monate nach dem Diebstahl einer Wahlurne sind die
Täter noch nicht gefasst worden.
Am Samstag, dem 27. November 2010, drangen sechs oder sieben
vermummte Personen in das Allschwiler Wahlbüro ein und stahlen die
Urne mit den Abstimmungszetteln zur Ausschaffungsinitiative. Sie
entwendeten die Urne mit 20 Stimmzetteln und verbrannten die
Stimmzettel vor dem Gebäude. Laut Polizei soll es sich um eine
politische Tat gehandelt haben. Es war einer von mehreren
Vorfällen dieser Art. Dem Diebstahl der Wahlurne folgte ein Tag
später ein vereitelter Brandanschlag auf das Wahlbüro in
Schlieren im Kanton Zürich.
Nach Meinung von SVP-Landrat Karl Willimann brauche es keine
grosse Fantasie, um sich vorzustellen, mit welchen politischen
Gruppierungen die Täter sympathisieren. Er reichte am 8. Dezember
2010 eine Interpellation an den Regierungsrat ein und stellte Fragen zu
dem Überfall auf das Wahlbüro. Diese sind nun beantwortet
worden.
Der Vorfall habe keine Auswirkungen auf das Abstimmungsresultat
gehabt, so die Antwort des Regierungsrats. Gemäss
Abstimmungsprotokoll des Wahlbüros der Gemeinde Allschwil sei das
Abstimmungsresultat so klar, dass ein Fehlen von 20 Stimmzetteln keinen
Einfluss auf das Ergebnis haben konnte.
Die Täter hätten das Wahllokal zu gewöhnlichen
Öffnungszeiten betreten. Die anwesenden Personen im Wahllokal
seien sich der Situation erst bewusst geworden, als die Täter mit
der Urne das Lokal verlassen hatten. Ein Stimmbürger sei ihnen
gefolgt und habe die Polizei alarmiert. Verletzt wurde niemand.
politisch motiviert. Auf die Frage, wie die Polizei ihre Aussage,
dass es sich um eine politisch motivierte Tat handle, begründet,
weist der Regierungsrat auf den Tathergang sowie auf die Aussagen der
anwesenden Personen hin. Die Medienmitteilung sei nach Absprache mit
den Verantwortlichen des Wahlbüros Allschwil sowie mit der
Landeskanzlei verfasst worden.
Die Täter seien bis anhin nicht gefasst worden. Es
lägen auch weder Bekennerschreiben noch Hinweise auf die
unbekannten Täter vor. Da sie von Kopf bis Fuss in Schwarz
gekleidet waren und vermummte Gesichter hatten, gebe es keine
brauchbaren Signalemente. Die Ermittlungen erwiesen sich schon eine
Woche nach dem Vorfall als schwierig. Allgemein würden eigentlich
noch keine neuen Erkenntnisse vorliegen.
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KIFF AARAU
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Aargauer Zeitung 14.2.11
"Ein Kontrapunkt zum kleinbürgerlichen Aarau"
KiFF Christian Kälin gehörte zur zweiten Generation des
KiFF in Aarau. Im Interview blickt er zurück auf dessen Entwicklung
Stefan Künzli
Christian Kälin, das KiFF bezeichnete sich vor 20 Jahren als
Alternativzentrum. Was heisst das?
Christian Kälin: Das KiFF ist ein typisches Kind der
80er-Bewegung. Dabei ging es darum, sich eigenen Raum für eigene
kulturelle Bedürfnisse und Aktivitäten zu schaffen. Im KiFF
waren das die Ateliers der Künstler und die Konzerte der damaligen
alternativen Musikszene. Zentral ist die Freiwilligenarbeit von
Jugendlichen. Sie erhielten die Gelegenheit, in einem sinnvollen
Freizeitengagement etwas aufzubauen und zu kreieren.
Und auf der politischen Ebene?
Die Anfänge habe ich nicht aktiv erlebt. Aber es war sicher
so, dass vor allem bürgerliche Vertreter im KiFF damals ein
Zentrum von links-alternativen und kreativ-kritischen Gestalten gesehen
haben, in dem auch Jugendliche politisch indoktriniert wurden. Das KiFF
war ein Kontrapunkt zum kleinbürgerlichen Aarau, und es hat
aufmüpfige Aktivisten gegeben. Aber eigentlich war das KiFF immer
erstaunlich unpolitisch. Die Energie der Jugendlichen wurde kanalisiert
in die Arbeit im KiFF.
Wie standen die Parteien zu euch?
Die SP und die Grünen haben uns immer unterstützt.
Kritisch waren dagegen SVP und Teile der FDP. Die CVP spielte das
Zünglein an der Waage. Namentlich der CVP-Stadtrat Carlo Mettauer
spielte in der Stadt und im Kuratorium eine wichtige Rolle. Aber auch
der FDP-Stadtrat Nik. Brändli hat immer die Bedeutung des KiFF
unterstrichen. Sie haben in Aarau Mehrheitsentscheide zu unseren
Gunsten ermöglicht.
Das KiFF ist heute, nach 20 Jahren, ein Leuchtturm der Aargauer
Kultur. Wann, wie und weshalb ist der Gesinnungswandel in Aarau erfolgt?
Wir haben uns die Anerkennung durch Qualität erarbeitet.
Organisatorisch und durch das Programm. Das KiFF ist zum Inbegriff
für gute Musik geworden. Interessant ist, wie sich der Fokus in
der Zeitung verschoben hat. Früher, im Aargauer Tagblatt, wurde
das KiFF nur negativ erwähnt. Zum Beispiel, wenn Nachbarn wegen
Lärmimmissionen reklamierten. Nach der Fusion zur Aargauer Zeitung
1996 wurde plötzlich die Jugendarbeit, der gesellschaftliche und
kulturelle Wert hervorgestrichen.
Auch im Stadtrat?
Ja, es hat eine Öffnung stattgefunden und Aarau wollte sich
neu positionieren als Veranstaltungsort mit einem breiten kulturellen
Angebot mit Ausstrahlung. Das KiFF mit seiner Ausrichtung in der jungen
und aktuellen Kultur spielte in diesen Überlegungen eine zentrale
Rolle.
Plötzlich war das Alternativzentrum eine etablierte
Kulturinstitution. Haben alle diesen Wandel im KiFF begrüsst?
Es gab schon auch skeptische Stimmen. Wir mussten Umsätze
bringen, Budget einhalten und wurden von der Stadt eine Zeit lang an
der kurzen Leine gehalten. Das passte nicht allen. Tatsächlich hat
die Abhängigkeit zugenommen und ein Stück Freiraum wurde
verschenkt. Andere monierten, dass das KiFF zu gross und das Risiko zu
gross sei.
Hat sich denn eine Anti-KiFF-Szene entwickelt?
So würde ich sie nicht nennen. Aber es gibt schon
Jugendliche, die sich im KiFF nicht wohl fühlen, weil es für
sie schon zu strukturiert und zu professionell ist. Oder Szenen, die
sich ihre Freiräume an anderen Orten schaffen. Zum Beispiel im
Wenk. Mit der Besetzerszene haben wir auch nichts zu tun.
Gibt es heute auf der politischen Ebene noch entschiedene
KiFF-Gegner?
Das ist auch davon abhängig, wie gearbeitet wird. Das
Beispiel des verstorbenen SVP-Einwohnerrats Fortunat Schuler ist
erhellend. Er war ein scharfer Kritiker des KiFF. Dann wurde er in die
KiFF-Kommission berufen. Das KiFF hat Gespräche geführt und
er konnte hinter die Kulissen schauen. Plötzlich hat er begonnen,
konstruktiv mitzuarbeiten. Mitunter hat er sich sogar auch positiv
über das KiFF geäussert. Rückblickend müssen wir
eingestehen: Wir haben uns zu lange gescheut, diese Leute einzuladen
und alles zu erklären und zu zeigen. Wir haben uns zu lange in
diesem rot-grünen Zirkel bewegt.
Ist die Bezeichnung "alternatives Kulturzentrum" für das
KiFF heute noch richtig?
Ja, denn nach wie vor wird das KiFF von freiwillig arbeitenden
jungen Leuten geprägt und betrieben. Es gibt zwar eine
professionelle Führung, aber die rund 100 Aktivisten halten das
KiFF am Leben. Das ist aber meine Meinung. Der jetzige Vorstand, der
Verein und das Team müssen sich aber selber definieren. Nicht
zuletzt deshalb findet das Podium statt, mit dem das KiFF diese
Diskussion anstossen will.
20 Jahre KiFF: Podiumsdiskussion
Ende der Revolution: Oder was ist aus den Alternativen
Kulturhäusern geworden? 17. Februar, 20.15 Uhr. Teilnehmende:
Jean-Pierre Hoby (ehem. Direktor Abteilung Kultur Stadt Zürich),
Gustav (Musiker), Irene Näf-Kuhn (Aargauer Kuratorium), Etrit
Hasler (Rote Fabrik Zürich), Christian Kälin, Moderation:
Sabine Altorfer.
--
Christian Kälin
Der 43-Jährige ist Ökonom und arbeitet beim Kanton im
Bildungsdepartement. Er war von 1997 bis 2009 im KiFF-Vorstand. Heute
ist er für die SP in der Aarauer Schulpflege. Er vertritt heute
nicht mehr die offizielle Position des KiFF. HO
---
NZZ 12.2.11
Eine ganze Fabrik nur für Sounds
Wie Alternativkultur fernab von Zürich, Bern und Basel
funktionieren kann - zum Beispiel in Aarau
Internationale Bands setzen zwar lieber Zürich auf ihren
Tourneeplan. Trotzdem schaffen es Musikklubs ausserhalb des
grossstädtischen Zentrums, ein ansprechendes Programm anzubieten.
Seit zwei Jahrzehnten tut dies das KiFF in Aarau.
Lorenz Frischknecht
Mitten zwischen ausgedienten Fabrikgebäuden im Aarauer
Telli-Quartier steht das KiFF. Es war selber einmal eine Fabrik,
nämlich eine Verarbeitungsstätte für Tierfutter, die dem
Musikklub auch den Namen geben sollte: "Kultur in der Futterfabrik".
Mittlerweile läuft die zwanzigste Saison des Lokals, in dem
Konzerte, Theater oder Lesungen angeboten werden. An einem Freitag
steht die Band Gustav auf der Affiche, und kurz nach 14 Uhr trudeln die
Musiker aus Freiburg ein. Sie laden selber ihre Gitarren und Trompeten,
die Verstärker und die schweren Boxen aus dem Kleinbus aus.
150 Freiwillige
Der grosse Konzertsaal ist in der zweiten Etage. Kaum kommt das
Material mit dem Lift an, wird es auf der Bühne an den rechten
Platz gelegt. An der Bartheke befestigt derweil Morena Massimiano den
Zeitplan des Abends. Die 29-Jährige ist heute
Programmverantwortliche und in dieser Funktion eine von rund 150
Freiwilligen, die sich 15 000 Stunden pro Jahr unentgeltlich
engagieren. Müsste der Klub diese Einsätze bezahlen,
wäre der Konzertbetrieb nicht durchführbar. Bis zu drei
Abende im Monat gestaltet Morena Massimiano. "Ich bin nicht bloss eine,
die den Saal putzt", hält sie fest. Den Freiwilligen wird
Verantwortung gegeben. Von der Verpflegung der Musiker über die
Einhaltung des Zeitplans bis zur Zahlung der Gage sind sie für den
gesamten Ablauf zuständig.
Eine Etage tiefer sitzen Oliver Dredge und Simon Kaufmann in
einem engen Grossraumbüro. Die beiden 34-jährigen
Geschäftsführer sind gerade um die Lösung eines
unerwartet aufgetretenen Problems besorgt. Soeben hat eine
amerikanische Hip-Hop-Band ihr Konzert vom folgenden Tag abgesagt, ein
Ersatzprogramm ist gefragt. "Flexibilität gehört zu unserem
Business", sagt Dredge, der für das künstlerische Programm
zuständig ist.
Das Team zählt neun Angestellte mit je höchstens einem
80-Prozent-Pensum. Sie kümmern sich um die Finanzen, die
Medienarbeit, die Technik oder die Bar. Nicht alle haben einen eigenen
Arbeitsplatz im Büro. Am meisten Platz in Anspruch nimmt das
Ressort Finanzen von Simon Kaufmann. Hinter seinem Bürotisch steht
ein riesiges Gestell mit 120 Ordnern, in denen die Buchhaltung der
letzten vier Jahre aufbewahrt wird.
Wende nach einem Krisenjahr
Der enorme Umfang all der Abrechnungen illustriert den Wandel,
den das KiFF in diesen vier Jahren durchgemacht hat. Vorher befand sich
der Betrieb in einer tiefroten finanziellen Krise. Er stand vor einem
riesigen Schuldenberg, der von einem grossen Umbau des Lokals
herrührte. Als nach einem Krisenjahr Kaufmann und Dredge ins Team
eintraten, leiteten sie eine enorme Professionalisierung ein. Sie
erhöhten zunächst die Anzahl der Veranstaltungen pro Jahr,
von 188 im Jahr 2006 auf heute rund 240. Damit schnellte die
Besucherzahl von rund 23 000 auf 37 000 in die Höhe.
Noch wichtiger war, dass der durchschnittliche Ticketverkauf pro
Veranstaltung von 124 auf 155 stieg. Der Umsatz seinerseits verdoppelte
sich fast von 1,2 Millionen auf 2,3 Millionen Franken. "Es war ein
Wagnis", bilanziert Dredge. Doch es habe sich gelohnt: Die Kosten
für die Instandhaltung des Gebäudes nicht eingerechnet,
schreibe der eigentliche Veranstaltungsbetrieb mittlerweile schwarze
Zahlen.
Sich von andern abheben
Im Saal, der 550 Zuschauern Platz bietet, kümmern sich
derweil die Tontechniker um die Dekoration. Sie wollen chinesische
Lampions an der Decke anbringen. Für jedes Konzert denken sie sich
etwas Neues aus. "Das macht uns einzigartig", sagt der Techniker und
erklärt: "Man muss sich von anderen Klubs abheben." Die Szene habe
sich nämlich in letzter Zeit stark verändert. "Indie-Bands
füllten früher kaum einen kleinen Saal in der Provinz, und
heute spielen sie im Zürcher Hallenstadion", sagt auch
Geschäftsführer Dredge. Bands, die früher zu den
Stammkünstlern dunkler Musikklubs in abgelegenen Industriearealen
fernab der Städte gehörten, hätten sich längst
etabliert. "Die Klubs müssen sich inhaltlich neu definieren, um
ihr Publikum zu halten."
Alternative Szene im Wandel
Statt von Alternativkultur spricht Dredge von
"Populärmusik-Kultur". Das KiFF wolle und müsse Bands auf die
Bühne bringen, die künstlerische und nicht bloss kommerzielle
Absichten hätten. Denn auch auf der organisatorischen Ebene steht
die Szene im Wandel. In grösseren Städten gibt es
professionelle Veranstalter, die sich bei den Lokalen bloss noch
einmieten. Ihre Anlässe sind deshalb oft rentabel, weil wenige
Fixkosten anfallen.
Auf der anderen Seite setzen sich die Klubbetreiber nicht dem
Risiko aus, dass eine Band zu wenig Besucher anlockt. Kommerziell
gesehen, ist das eine "Win-win"-Situation - künstlerisch dagegen
nicht, wie Dredge festhält. Das KiFF verfüge über ein
kuratiertes Programm, und der Besucher vertraue darauf, dass hier gute
Musik zu hören sei.
Sorge bereiten dem Programmmacher manchmal die internationalen
Bands, die statt Aarau lieber Zürich auf ihren Tourneeplan setzen.
Das liegt weniger an der Grösse des Konzertsaals als daran, dass
die Musiker in den Städten eine grössere Medienpräsenz
erzielen können. Dredge betont darum in seinen Offerten an die
Bands, Aarau liege "only thirty minutes from Basel and Zurich".
Hohe Eigenfinanzierung
Im Saal geht der Soundcheck seinem Ende zu. Die
Programmverantwortliche Morena Massimiano hat inzwischen eine
Kopfwehtablette für einen Musiker organisiert und ist in letzter
Minute Plektren kaufen gegangen, mit denen Gustav Gitarre spielen wird.
Nun gibt sie im Erdgeschoss, wo die "Foyer-Bar" eingerichtet ist, das
Essen aus. Die Musiker und alle Helfer, von den Technikern bis zum
Barkeeper, setzen sich zueinander an die Tische. Mit bekannten Musikern
unter sich sein und Sprüche klopfen - auch deshalb engagiere sie
sich hier, sagt Massimiano. Im Hintergrund wird das "Foyer"
hergerichtet, denn parallel zum Konzert im oberen Stock findet hier
eine Party statt. Auch die "Silo-Bar" im Keller ist geöffnet. Zum
Gebäudekomplex gehören ferner mehrere Künstlerateliers.
Der Betrieb dieser verschiedenartigen Räume kostet Geld. Das
KiFF hat einen Eigenfinanzierungsgrad von rund 80 Prozent. Die
restlichen Einnahmen stammen von der Stadt Aarau und dem Kanton Aargau.
Die meisten anderen Kulturinstitutionen leben viel stärker von der
öffentlichen Hand, wie Geschäftsleiter Simon Kaufmann
ausführt. Das KiFF schaffe es kaum, Reserven anzuhäufen. Der
Unterhalt des Gebäudes beispielsweise gehe voll zulasten des
Betriebes. Drohe in der Künstlergarderobe der Boden einer Dusche
durchzubrechen, müsse das Budget auf einen Schlag erhebliche
Sonderausgaben verkraften. Im Vergleich dazu befänden sich andere
Kulturstätten, deren Gebäude im Besitz des Kantons oder der
Stadt seien, in einer komfortablen Lage, sagt Kaufmann.
Zum Leuchtturm ernannt
Deshalb hat sich das KiFF vorgenommen, auf politischer Ebene
höhere Subventionen zu erwirken. Im Herbst vor einem Jahr
entbrannte im Einwohnerrat, dem Parlament der Stadt Aarau, eine hitzige
Debatte, als das KiFF zusätzlich zum jährlichen
Betriebsbeitrag von 240 000 Franken eine Summe von 195 000 Franken
beantragte. Damit wollte man die dringendsten Infrastrukturprobleme im
alten Gebäude lösen. Gesprochen wurden für die folgenden
zwei Jahre je 55 000 Franken.
Kritische Stimmen im Parlament bemängelten, der Musikklub
stelle jeweils Geldforderungen in letzter Minute vor dem
endgültigen Aus. Tatsächlich sei dies früher so
geschehen, räumt die heutige Präsidentin des Vereins KiFF,
Gisela Roth, ein. Allerdings kritisiert sie ihrerseits die Politik der
Stadt: "Man hat uns zwar nicht sterben, aber auch nicht recht
überleben lassen." Inzwischen hat der Stadtrat einen Beirat
eingesetzt, in dem das KiFF, die Politik und die Verwaltung vertreten
sind.
Der Beirat soll Nachhaltigkeit anstreben. Darunter versteht das
KiFF auch eine langfristig höhere Unterstützung. Es erhofft
sich vom Kanton, der bisher via seine Förderstelle, das
Kuratorium, jährlich 230 000 Franken beisteuerte, eine erhebliche
Erhöhung des Beitrages.
Ein wichtiger Schritt ist auf Anfang 2011 denn auch erfolgt. Der
Kanton hat das KiFF zu einem "Leuchtturm" ernannt. Mit diesem Projekt
will die Aargauer Regierung ausgewählte Kulturinstitutionen
gesondert subventionieren. Das KiFF erhält bis 2013
zusätzlich 200 000 Franken pro Jahr. Mit dem Geld kann der Betrieb
Schulden vom Umbau vor zehn Jahren abzahlen, weitere Löcher
stopfen, die sich daraus ergeben hatten, und die Pensen einiger
Angestellten einigermassen deren Arbeitsleistung anpassen. Zudem habe
die "Leuchtturm"-Ernennung auch symbolischen Charakter: Es sei ein
Zeichen dafür, dass das KiFF und seine Populärkultur
anerkannt würden, sagt Co-Geschäftsführer Simon Kaufmann.
Die Betreiber verweisen dabei auch gerne auf die Ergebnisse einer
Umfrage des kantonalen Departements Bildung, Kultur und Sport vom
vergangenen April. In dieser nannten nämlich die befragten
Personen das KiFF als meistbesuchte Kulturinstitution des Kantons. Auch
eigene Erhebungen belegen eine breite Ausstrahlung: Ein Drittel der
Besucher wohnt ausserhalb des Kanton Aargaus.
Wohin in ein paar Jahren?
Die noch grössere Herausforderung als die Finanzen ist der
künftige Standort. 2015 wird der Mietvertrag mit dem Besitzer der
Futterfabrik auslaufen. Was dann geschieht, weiss niemand; die
Betreiber loten zurzeit mehrere Möglichkeiten aus. An die Zukunft
denkt am Gustav-Konzert aber niemand.
Um 21 Uhr 15 betreten die Musiker die Bühne. Morena
Massimiano öffnet den schwarzen Vorhang vor der Bühne, die
Band legt los. Der grosse Teil ihrer Arbeit ist getan. Doch der Abend
dauert noch ein paar Stunden. Für die Freiwilligen endet er erst,
wenn die Verstärker weggeräumt sind, die
Getränkeflaschen im Kühlschrank stehen und der Boden gewischt
ist. Dann erst ist wieder alles bereit, wenn am nächsten Tag die
nächste Band, ein Theater oder eine Lesung auf dem Programm steht.
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WoZ 10.2.11
20 Jahre KiFF
Vor etwas mehr als zwei Jahrzehnten wurde in der sogenannten
Futterfabrik im Osten von Aarau noch Mischfutter für die
Tierhaltung hergestellt. Heute ist die ehemalige Fabrikhalle unter dem
Namen KiFF (Kultur in der Futterfabrik) weit herum bekannt als
Veranstaltungsort für zeitgenössische Konzerte und Partys
sowie für Theater-, Kleinkunst- und Literaturveranstaltungen. Das
Rückgrat des Non-Profit-Vereins IG KiFF bilden die rund 150
freiwilligen HelferInnen.
Anlässlich des Zwanzig-Jahr-Jubiläums des Aarauer
Kulturhauses findet am kommenden Donnerstag, 17. Februar, eine
Podiumsdiskussion im KiFF über Vergangenheit, Gegenwart und
Zukunft alternativer Kulturhäuser statt. Unter der Moderation der
Kulturjournalistin Sabine Altorfer diskutieren Jean-Pierre Hoby, der
ehemalige Direktor der Abteilung Kultur Stadt Zürich, der
Freiburger Musiker Gustav, Irene Näf-Kuhn, die Präsidentin
des Aargauer Kuratoriums, WOZ-Kolumnist Etrit Hasler von der
Betriebsgruppe Rote Fabrik Zürich und Christian Kälin,
ehemaliger Präsident des KiFF. Im Vorfeld der Diskussion gibt
Gustav ein kleines Solokonzert. jj
"20 Jahre KiFF - Ende der Revolution: Oder was ist aus den
alternativen Kulturhäusern geworden?" in: Aarau KiFF, Tellistrasse
18, Do, 17. Februar, 19.45 Uhr. www.kiff.ch
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ANTIFA
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Indymedia 13.2.11
Antifaschistischer Bus von Konstanz nach Dresden
AutorIn : Konstanzer Vorbereitungsbündnis:
http://protestvomsee.blogsport.de/
Von Konstanz fährt am 19.02.2011 ein antifaschistischer Bus zur
Blockade des europaweit mobilisierten Naziaufmarsches in Dres den. Auch
für Schweizer GenossInnen ist noch Platz!
Seit Jahren nehmen tausende Neofaschisten aus ganz Europa die allierten
Bombardements auf Dresden zum Anlass, dort Mitte Februar
aufzumarschieren und ihr revisionistisches Geschichtsbild sowie ihre
menschenverachtende Politik öffentlich darzustellen.
Neonaziaufmärsche sind kein Mittel der demokratischen
Meinungsäußerung, sondern Aufrufe zu rassistischer Gewalt
und Ausgrenzung. Sie sind eine Beleidigung aller überlebenden
Opfer des Naziregimes und aller Opfer neonazistischer Gewalt. In
Dresden haben sich seit einigen Jahren breite Proteste gegen den
Naziaufmarsch herausgebildet, die sich den Nazis entgegenstellen.
Im letzten Jahr konnte aufgrund massenhafter Mobilisierung in ganz
Deutschland der Aufmarsch der Nazis in Dresden verhindert werden. Sie
marschierten keinen Meter und blieben unverrichteter Dinge den ganzen
Tag in einem Kessel beim Bahnhof stehen. Derweil harrten ca. 10.000
GegendemonstrantInnen an den gut organisierten Blockadepunkten aus.
Dieser große Erfolg für alle AntifaschistInnen soll dieses
Jahr wiederholt werden.
2011 planen die Nazis an zwei Wochenenden Aufmärsche: am 13.2. und
am 19.2. Dem Fackelmarsch am 13.2. werden sich regionale
antifaschistische Mobilisierungen entgegen stellen. Der 19.2. ist der
Tag der Massenblockaden zu denen bundesweit mobilisiert wird.
Bus ab Konstanz:
Der Bus wird am Freitag, den 18.02.2011 am späten Abend in
Konstanz losfahren und Samstag früh in Dresden ankommen. Am selben
Tag, nach Ende der Demonstrationen (ca. 18 Uhr), fährt der Bus
wieder zurück.
Achtung: Im Bus sind noch ne Menge Plätze frei, d.h. wir
müssen alle noch mehr Werbung machen. Auch Schweizer GenossInnen
sind gerne gesehen :-)
Tickets:
Busse sind teuer und ein gewisses finanzielles Risiko für die
OrganisatorInnen. Wir haben uns folgendes Preismodell überlegt:
* GeringverdienerInnen: 20 Euro
* NormalverdienerInnen: 30 Euro
* Solipreis: 30 Euro + X
30 Euro sind in etwa kostendeckend, das X beim Solipreis ist eine
Bezuschussung der Tickets für GeringverdienerInnen. Die
Einschätzung ob Ihr GeringverdienerInnen seid oder nicht, muss
jede/r für sich selbst vornehmen.
Anmeldung:
Wenn Ihr mitfahren wollt, meldet Euch bitte so früh wie
möglich verbindlich an mit einer E-Mail an protest-vom-see
[ät] web.de oder über das Kontaktformular.
In die ser Mail brau chen wir :
* Einen Buchungsnamen
* Anzahl der Plätze und deren Preisstaffelung
Sobald ihr die Bestätigung eines für euch reservierten
Platzes habt, überweist bitte das Geld an das hier angegebene
Konto. Falls der Bus aus irgendeinem Grund storniert werden muss (was
mittlerweile sehr unwahrscheinlich ist) würde das eingezahlte Geld
wieder zurücküberwiesen.
Zur Anmeldung: http://protestvomsee.blogsport.de/anmeldung-bus/
Konto:
Hier können Spenden eingezahlt und Tickets für die Busfahrt
nach Dresden bezahlt werden:
Nadine Herm
Konto-Nr.: 0294710
BLZ: 69070024
Deutsche Bank PGK Konstanz
Werbung für den Bus und Spendenaufruf:
Bitte helft nach Kräften mit, für diesen Bus zu werben! Auch,
die, die leider nicht mitfahren können, das Anliegen aber für
wichtig halten, können für den Bus werben, Spenden sammeln
oder zum Spenden aufrufen.
Was kann ich tun?
* Mundpropaganda
* Mails weiterleiten an Eure FreundInnen / politische Verteiler
* Auf die Website http://protestvomsee.blogsport.de/
verweisen
bzw. sie in Eurem Blog verlinken
* Unsere Banners nutzen
(http://protestvomsee.blogsport.de/materialien/)
* Flyer ausdrucken und verteilen
(http://protestvomsee.blogsport.de/materialien/)
* An Infoständen mitmachen
* Infoveranstaltungen organisieren
Blockadetraining
Für die kommende Woche ist ein Blockadetraining an der Uni
Konstanz geplant. Der Termin steht noch nicht fest. Schaut daher
regelmäßig auf http://protestvomsee.blogsport.de/
nach!
No pasarán!
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PETER-PAUL ZAHL
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WoZ 10.2.11
Peter-Paul Zahl (1944-2011)
Der Anarchist auf der Insel
Am 24. Januar ist auf Jamaika der Untergrundpionier, Krimiautor
und Jamaikakenner Peter-Paul Zahl gestorben.
Von Pius Frey
Peter-Paul Zahl ging auf die Leute zu, mischte sich ein, stellte
Fragen. Das war sicher auch ein Grund, warum Jamaika seine zweite
Heimat wurde. 1985 liess er sich dort auf Rose Hill nieder, hoch
über dem wunderbaren Strand von Long Bay. Hier hatte er seinen
Platz gefunden, nachdem er sich drei Jahre lang zwischen den
Seychellen, Grenada und Nicaragua bewegt hatte. Die Jahre davor war er
im Gefängnis: 1972 war er bewaffnet in eine Polizeikontrolle
geraten; es kam zu einem Schusswechsel, bei dem ein Polizist schwer
verletzt wurde; 1976 wurde Peter-Paul Zahl "wegen versuchten Mords in
zwei Fällen" zu fünfzehn Jahren Haft verurteilt.
Peter, wie er in Jamaika genannt wurde, war in den frühen
siebziger Jahren Drucker und Mitherausgeber der Berliner Wochenzeitung
"Agit 883", eines Sammelsuriums von militanten Erklärungen,
engagierter Lyrik, Interviews mit Rockstars und heissen Diskussionen.
Die Zeitung war aber auch Pionierin der Kleininserate, die später
in den boomenden Stadtmagazinen zum Hauptbestandteil wurden.
Politisch war Zahl zeitlebens ein Freigeist. Ein Anarchist, der
sich keiner reinen Ideologie verpflichtet fühlte. Das zeigte sich
auch in seiner Kritik an den SandinistInnen in Nicaragua, die sich
nicht gerade ruhmhaft mit den indianischen und schwarzen Minderheiten
an der Atlantikküste auseinandersetzten.
Als Autor bekannt wurde Zahl mit dem
Berlin-Kreuzberg-Schelmenroman und Szene beststeller "Die
Glücklichen": ein Buch voller Freiheitsdrang, Witz und
Lebensentwürfe, das er im Gefängnis schrieb. 1980 bekam er
dafür den Literaturförderpreis der Stadt Bremen.
Der jamaikanische Citoyen
Wenn man Peter-Paul Zahl auf Jamaika besuchte, fielen einem
zuerst die vielen Schreibmaschinen auf. Denn Computer haben es nicht
leicht im salzig-nassen Klima von Long Bay. Und dann die grosse
Bibliothek. Hier reihten sich Klassiker des Anarchismus, politische
Literatur, bewegte Romane der sechziger und siebziger Jahre,
Bücher karibischer AutorInnen, Sachbücher zu Jamaika und das
Gesamtwerk seines Zürcher Freundes Paul Parin, den er bei seinen
Besuchen in der Schweiz immer aufsuchte.
Zahls Bibliothek hatte bis zu ihrem festen Standort im tropischen
Long Bay viele Reisen hinter sich. Als der fürchterliche Hurrikan
Gilbert 1988 über die Insel fegte, wurde auch sie arg
beschädigt, viele Bücher konnten gerade noch gerettet werden.
Zahl gründete in Jamaika eine Familie und sorgte sich
liebevoll um seine vielen Kinder. Er gab alles für ihre gute
Ausbildung und ein selbstbewusstes Leben. Als jamaikanischer
Bürger mischte er sich voll in den Alltag der Insel ein, schrieb
aktuelle Artikel, machte Volkstheater und wurde Friedensrichter.
Seine Jamaikakriminalromane - sechs Bände - sind beste
Beschreibungen der Insel, mit ihrer Schönheit wie auch ihren
Problemen. Jeder Roman widmet sich einem auf der Insel virulenten
Thema: Sport, Sextourismus, Hahnenkämpfe, Drogen, Justiz,
Sektentum, Religion. Zu jedem Kapitel gibt es das treffende Zitat aus
einem Reggaesong - und manchmal aus der Bibel. Es war interessant, mit
Peter zu erleben, wie er für seinen letzten erschienenen Roman "Im
Todestrakt" (1995) auf der Insel recherchierte. Denn Jamaika ist nicht
nur Reggaeparadies, sondern auch das Land mit den meis ten Kirchen pro
Quadratmeile. Für den Roman, in dem die Kirchen das Thema
bildeten, bereiste er die ganze Insel, sprach mit unzähligen
Sektenpredigern, religiösen AgitatorInnen und Leuten vom
Morddezernat. Seine Neugierde und seine Menschenfreundlichkeit machten
ihn zu einem anerkannten Erzähler und Chronisten der Insel.
Angewandte Länderkunde
Eigentlich wollte Zahl vierzehn Jamaika krimis schreiben -
für jeden der jamaikanischen Bezirke einen. Dazu kam es nicht
mehr. Die Romane erschienen bei verschiedenen Verlagen und sind
praktisch nicht mehr greifbar. Sie sollten auch im jamaikanischen
Patois erscheinen. Das gelang nur mit der Märchensammlung "Ananzi
ist schuld". Spärlich flossen in den letzten Jahren noch Tantiemen
für ein Jamaika länderkundebuch und für sein Stück
über den Hitler-Attentäter Johann Georg Elser. Peter lebte
hauptsächlich von der Vermietung seines Ferienhauses. Erst
kürzlich noch beklagte er sich bei mir, dass er von einem
jamaikanischen Verlag aufs Übelste beschissen wurde.
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WELTSOZIALFORUM
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NZZ 12.2.11
Suche nach einer gerechteren Welt in Dakar
Eindrücke vom zehnten Weltsozialforum in der senegalesischen
Hauptstadt
Das zehnte Weltsozialforum in Dakar hat sich neben Fragen des
Welthandels vor allem mit dem Klimawandel und den Problemen von
Migration und Landraub beschäftigt. Die Organisation des Treffens
liess zu wünschen übrig.
Klaus Rieth, Dakar
"Lasst uns studieren, lasst uns in unsere Räume!" stand auf
selbstgemalten Plakaten, die Studierende der Universität von Dakar
auf dem Gelände zeigten, auf dem das zehnte Weltsozialforum
stattfand. Der Universitätsbetrieb lief parallel zu den
Veranstaltungen des Forums, einer Basisbewegung von
Nichtregierungsorganisationen, Menschenrechtsgruppen und
Umweltverbänden.
Organisatorische Mängel
Organisationsmässig funktionierte wenig in Dakar. Für
die mehr als 1000 angekündigten Veranstaltungen standen keine
entsprechenden Räumlichkeiten zur Verfügung, so dass die
Mehrheit der Teilnehmer tagelang hilflos auf dem Campus der
Universität umherirrte und Hörsäle suchte, in denen die
vorgesehenen Vorträge und Diskussionen hätten stattfinden
sollen. Es hiess, der Rektor der Universität habe sich geweigert,
Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen. Wie viele Teilnehmer
das Treffen aufwies, vermochte niemand mit Sicherheit anzugeben. Die
Schätzungen bewegten sich zwischen 6000 und 60 000 Personen.
Ein wichtiges Thema in Dakar war Landraub. Bauern aus Westafrika
berichteten davon, wie ihnen gute Äcker abgenommen und durch
minderwertigere ersetzt oder wie sie ganz von ihren Dörfern
vertrieben und umgesiedelt werden. Ausländische Investoren kaufen
seit ein paar Jahren vermehrt Land auf oder eignen es sich
widerrechtlich an. Das Eigentum von Kleinbauern ist in vielen
Fällen nicht verbrieft, was skrupellosen Investoren ihr Vorgehen
erleichtert.
Der Weltkirchenrat veranstaltete eine Podiumsdiskussion zum Thema
"Befreiung vom Kapitalismus, einem System der Gier". Andere
"klassische" Themen waren die Verbreitung von Handfeuerwaffen, Fragen
des Handels zwischen Afrika und der Europäischen Union oder die
gewaltsame Ausschaffung von Migranten. Wegen des Veranstaltungsortes
Dakar wurde am Weltsozialforum schwerpunktmässig über die
Situation der senegalesischen Emigranten diskutiert, die auf ihrem
gefährlichen Weg per Boot nach Europa oft elendiglich umkommen,
wenn dieses überfüllt oder die Gier der Schlepper zu gross
ist.
"Afrika ernährt Europa"
Ebenfalls aufgrund des Veranstaltungsortes wurde die Situation
der einheimischen Fischer genauer in den Blick genommen. Wenn
westafrikanische Fischer gemeinsam mit Investoren aus Europa und Asien
Fischereiunternehmen aufbauen, bleiben die Netze der Kleinfischer vor
Ort leer. Dies geht aus einer Studie hervor, die der deutsche
Evangelische Entwicklungsdienst (EED) am Weltsozialforum in Dakar
vorstellte. Francisco Marí vom EED kündigte an, seine
Organisation werde auf der Basis dieser Studie gemeinsam mit den
westafrikanischen Kleinfischer-Verbänden mehr Transparenz bei
Investitionen einfordern. Es müsse verhindert werden, dass
Schein-Gemeinschaftsunternehmen die Plünderung der
westafrikanischen Gewässer für europäische
Fischmärkte fortsetzten. "Afrika ernährt mittlerweile
Europa", brachte ein Fischer das Problem auf den Punkt.
So schwach die organisatorische Bewältigung in Dakar auch
war, so scheint doch das Weltsozialforum als Gelegenheit zu Begegnungen
und zum Austausch unersetzlich zu sein. "Ich treffe hier so viele
Partner wie sonst nirgends. Das erspart mir jede Menge Auslandsreisen",
sagte ein Mitarbeiter einer grossen Entwicklungshilfe-Organisation.
Auch der Zentralsekretär von "Brot für alle", Beat Dietschy,
gab sich beeindruckt von der Hartnäckigkeit und dem langen Atem
der in Dakar versammelten Gruppierungen. Persönlich bewertet
Dietschy das Treffen als Erfolg. "Ich erlebe das Weltsozialforum als
Schule des Ungehorsams. Und zwar eines Ungehorsams gegen den
Mainstream, gegen die herrschenden Paradigmen, welche die Belastbarkeit
des Planeten nicht berücksichtigen." Für die Länder des
Nordens zieht Dietschy die folgende Konsequenz: "Als zu viel
Konsumierende müssen wir uns in Zukunft auf Entwöhnung
einstellen."
---
Südostschweiz 12.2.11
90 000 Menschen am Weltsozialforum
Das Weltsozialforum in der senegalesischen Hauptstadt Dakar ist
gestern als Erfolgsgeschichte zu Ende gegangen. Rund 90 000 Menschen
aus der ganzen Welt nahmen daran teil.
Dakar. - "Wir sind positiv überrascht von der Mobilisierung
der Leute", sagte Taoufik Ben Abdallah, Koordinator des Forums in
Senegal, vor den Medien. Es seien doppelt so viele Menschen gekommen
wie erwartet. Einen starken Eindruck hinterliess Afrika: Teilnehmer aus
über 45 Ländern des Kontinents waren an die
Gegenveranstaltung zum World Economic Forum in Davos angereist.
"Ein Ziel war, dass Afrika über die Missstände des
Kontinents sprechen kann", hielt Demba Moussa Dembele fest. Das sei
gelungen, sagte der Senegalese, der zum Organisationskomitee des Forums
gehört. "Dakar ist eine wichtige Etappe für die Entwicklung
der sozialen Bewegungen in Afrika", erklärte er. Bis diese so
stark seien wie etwa in Südamerika, brauche es aber noch Zeit. Als
"Glücksfall" für das Weltsozialforum bezeichneten die
Organisatoren die Revolten in Tunesien und Ägypten. Die
Geschehnisse in Nordafrika hätten den Leuten etwas Grundlegendes
gezeigt, sagte der Tunesier Ben Abdallah: "Wenn die Menschen ihr
Schicksal selbst in die Hand nehmen wollen, dann sind sie auch
fähig dazu." (sda)
---
Bund 11.2.11
Der Schweizer Finanzplatz trägt zum Kapitalabfluss aus Afrika bei
Afrikanische Organisationen fordern am Weltsozialforum gerechtere
Handelsbeziehungen.
Anja Burri (SDA)
Die Vertreter afrikanischer Organisationen haben am
Weltsozialforum in Dakar, welches heute zu Ende geht, eine radikale
Änderung der Entwicklungszusammenarbeit gefordert. Das Geld
müsse in Menschen investiert werden und nicht in wirtschaftliche
Tätigkeiten, die bloss den Industrieländern Gewinn
einbrächten.
"Das meiste Geld der Entwicklungshilfe kommt bei den Menschen,
die dieses brauchen, nie an", sagte Pemba Mbow, Professorin an der
Universität Dakar, ehemalige senegalesische Ministerin und
Präsidentin der Organisation Mouvement social. Im Gegenteil: Das
Geld fliesse in die Taschen korrupter Eliten und von da zurück in
die Steuerparadiese.
Schwarzgeld in der Schweiz
Zu diesen Steuerparadiesen zähle auch die Schweiz, sagte
Bruno Gurtner, Präsident der internationalen Organisation Tax
Justice Network, im Verlauf des Weltsozialforums der Nachrichtenagentur
SDA. So lägen auf Schweizer Banken unversteuerte
Privatvermögen aus Entwicklungsländern in Höhe von 360
Milliarden Franken. Den Ländern entgingen dadurch jedes Jahr
geschätzte 6 Milliarden Franken Steuergelder.
"Der jährliche Steuerverlust der Entwicklungsländer
durch den Finanzplatz Schweiz ist rund dreimal grösser als das
Schweizer Budget für Entwicklungshilfe", stellte Peter Niggli,
Geschäftsleiter von Alliance Sud, fest.
Neben den Profiten des Schweizer Finanzsystems schadeten auch die
ungleichen Handelsbeziehungen und der Rohstoffabbau den
Entwicklungsländern. "In Norwegen kostet es sehr viel, Erdöl
zu fördern, im Tschad ist es fast gratis", sagte Niggli. Ein Grund
sei, dass die afrikanischen Regierungen von den Ölkonzernen fast
keine Konzessionsgelder für die Ölförderung forderten.
Bisher sei der Rohstoffabbau in Entwicklungsländern in der
Schweiz kaum ein Thema gewesen, sagte Niggli. Das ändere sich nun:
"Immer mehr Firmen, die im Rohstoffabbau tätig sind, verlegen
ihren Sitz in die Schweiz", erklärte er. Beispiele seien das
Bergbauunternehmen Xstrata oder die Ölplattform-Betreiberin
Transocean.
Auch die Handelsbeziehungen zwischen Entwicklungsländern und
Industrieländern seien oft sehr ungleich, sagte Niggli. Ein
extremes Beispiel sei der Fall USA-Philippinen: Nach dem Sturz der
Marcos-Diktatur 1986 leisteten die USA einen Hilfskredit in
Milliardenhöhe. Weil aber gleichzeitig das US-Handelsministerium
unabhängig davon die Importquote für Textilien aus den
Philippinen verkleinerte, hatte das südostasiatische Land am Ende
weniger Geld als vorher.
Aussenpolitik beeinflussen
Um solche widersprüchlichen Massnahmen zu verhindern,
engagiert sich Alliance Sud, die Arbeitsgemeinschaft von sechs
Schweizer Hilfswerken, in der Schweizer Aussenpolitik. "Seit die
WTO-Verhandlungen blockiert sind, versuchen alle Staaten, bilaterale
Freihandelsabkommen abzuschliessen", sagte Niggli. Da setze Alliance
Sud an: Die Organisation versucht, Parlamentarier, die die
Freihandelsverträge bewilligen müssen, für die
ungleichen Handelsbeziehungen zu sensibilisieren. "Erst wenn sich im
Parlament Widerstand regt, werden die Freihandelsabkommen in der
Öffentlichkeit zum Thema", erklärte der
Alliance-Sud-Geschäftsleiter die Strategie.
Ein weiteres wichtiges Anliegen von Alliance Sud ist die
Erhöhung des Schweizer Entwicklungshilfebudgets. Allerdings
nütze auch ein Milliardenbudget nichts, wenn das Geld falsch
investiert werde, sind sich Alliance Sud und die afrikanischen
Entwicklungshilfeorganisationen einig.
Eigene Interessen durchsetzen
"Ihr müsst in die Bildung der Menschen und die Stärkung
der Zivilgesellschaft investieren", forderte Pemba Mbow. Nur dann seien
die Afrikaner auch in der Lage, sich selbst gegen korrupte Regimes im
Innern und ungleiche Handelsbeziehungen mit dem Ausland zu wehren.
"Wir müssen uns klar werden, welches unsere wirtschaftlichen
und sozialen Interessen sind", erklärte Joséphine
Ouedraogo, Generalsekretärin der Nichtregierungsorganisation Enda
Tiers-Monde und ehemalige Aussenministerin Burkina Fasos. Afrika
müsse lernen, seine Interessen selber durchzusetzen.
---
BZ 11.2.11
Hilfe muss die Menschen erreichen
Weltsozialforum Die Länder Afrikas rufen zu einem radikalen
Umdenken in der Entwicklungszusammenarbeit auf. Im Zentrum sollen die
Menschen stehen.
Die Vertreter afrikanischer Organisationen haben am
Weltsozialforum in Dakar eine radikale Änderung der
Entwicklungszusammenarbeit gefordert. Das Geld müsse in Menschen
investiert werden und nicht in wirtschaftliche Tätigkeiten, die
bloss den Industrieländern Gewinn einbrächten. "Das meiste
Geld der Entwicklungshilfe kommt bei den Menschen, die dieses brauchen,
nie an", sagte Pemba Mbow, Professorin an der Universität Dakar,
ehemalige senegalesische Ministerin und Präsidentin der
Organisation "Mouvement social". Im Gegenteil: Das Geld fliesse in die
Taschen korrupter Eliten und von da zurück in die Steuerparadiese.
Schwarzgeld in der Schweiz
Zu diesen Steuerparadiesen zähle auch die Schweiz, sagte
Bruno Gurtner, Präsident der internationalen Organisation Tax
Justice Network, im Verlauf des Weltsozialforums der Nachrichtenagentur
SDA, das heute zu Ende geht. So lägen auf Schweizer Banken
unversteuerte Privatvermögen aus Entwicklungsländern in
Höhe von 360 Milliarden Franken. Den Ländern entgingen
dadurch jedes Jahr geschätzte 6 Milliarden Franken Steuergelder.
"Der jährliche Steuerverlust der Entwicklungsländer durch den
Finanzplatz Schweiz ist rund dreimal grösser als das Schweizer
Budget für Entwicklungshilfe", stellte Peter Niggli,
Geschäftsleiter von Alliance Sud, fest. Neben den Profiten des
Schweizer Finanzsystems schadeten auch die ungleichen
Handelsbeziehungen und der Rohstoffabbau den Entwicklungsländern.
"In Norwegen kostet es sehr viel, Erdöl zu fördern, im Tschad
ist es fast gratis", sagte Niggli. Ein Grund sei, dass die
afrikanischen Regierungen von den Ölkonzernen fast keine
Konzessionsgelder für die Ölförderung forderten.
Bisher sei der Rohstoffabbau in Entwicklungsländern in der
Schweiz kaum ein Thema gewesen, sagte Niggli. Das ändere sich nun:
"Immer mehr Firmen, die im Rohstoffabbau tätig sind, verlegen
ihren Sitz in die Schweiz", erklärte er. Beispiele seien das
Bergbauunternehmen Xstrata oder die Ölplattform-Betreiberin
Transocean. Auch die Handelsbeziehungen zwischen
Entwicklungsländern und Industrieländern seien oft sehr
ungleich, sagte Niggli. Ein extremes Beispiel sei der Fall
USA-Philippinen: Nach dem Sturz der Marcos-Diktatur 1986 leisteten die
USA einen Hilfskredit in Milliardenhöhe. Weil aber gleichzeitig
das US-Handelsministerium unabhängig davon die Importquote
für Textilien aus den Philippinen verkleinerte, hatte das
südostasiatische Land am Ende weniger Geld als vorher. Um solche
widersprüchlichen Massnahmen zu verhindern, engagiert sich
Alliance Sud, die Arbeitsgemeinschaft von sechs Schweizer Hilfswerken,
in der Schweizer Aussenpolitik. "Seit die WTO-Verhandlungen blockiert
sind, versuchen alle Staaten, bilaterale Freihandelsabkommen
abzuschliessen", sagte Niggli.
Da setze Alliance Sud an: Die Organisation versucht,
Parlamentarier, die die Freihandelsverträge bewilligen
müssen, für die ungleichen Handelsbeziehungen zu
sensibilisieren. "Erst wenn sich im Parlament Widerstand regt, werden
die Freihandelsabkommen in der Öffentlichkeit zum Thema",
erklärte der Alliance Sud-Geschäftsleiter die Strategie. Ein
weiteres wichtiges Anliegen von Alliance Sud ist die Erhöhung des
Schweizer Entwicklungsbudgets.
Ohne Bildung geht nichts
Allerdings nütze auch ein Milliardenbudget nichts, wenn das
Geld falsch investiert werde, sind sich Alliance Sud und die
afrikanischen Entwicklungsorganisationen einig. "Ihr müsst in die
Bildung der Menschen und die Stärkung der Zivilgesellschaft
investieren", forderte Pemba Mbow. Nur dann seien die Afrikaner auch in
der Lage, sich selbst gegen korrupte Regimes im eigenen Land und
ungleiche Handelsbeziehungen mit dem Ausland zu wehren. "Wir
müssen uns klar werden, welches unsere wirtschaftlichen und
sozialen Interessen sind", erklärte Joséphine Ouedraogo,
Generalsekretärin der Nichtregierungsorganisation Enda-Tiers Monde
und ehemalige Aussenministerin Burkina Fasos. Afrika müsse lernen,
seine Interessen selber durchzusetzen.
Anja Burri , sda
---
Südostschweiz 10.2.11
Weltsozialforum fordert Ende der Ausbeutung Afrikas
Afrika den Afrikanern: Am Weltsozialforum in der senegalesischen
Hauptstadt Dakar steht die Dominanz der Industrieländer auf dem
Schwarzen Kontinent in der Kritik.
Von Kristin Palitza
Dakar. - Der Kampf für die gerechtere Verteilung von
Ressourcen ist der Kern der Debatte des 11. Weltsozialforums, das
derzeit in Senegal stattfindet. Debatiert werden noch bis morgen
Möglichkeiten, die wirtschaftliche Dominanz von
Industrieländern in Afrika zurückzubinden. Das
Weltsozialforum - die soziale Antwort auf das World Economic Forum
(WEF) in Davos - ist inzwischen zu einem Treffpunkt der globalen
Bürgergesellschaft geworden, das jedes Jahr auf einem anderen
Kontinent stattfindet.
Brasilien als Vorbild
Afrikanische Länder sollen Brasiliens Beispiel folgen und
eine "grüne Revolution" anstiften, um sich vor steigenden
Nahrungsmittelpreisen zu schützen, sagte der ehemalige
brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva zu mehr
als 50 000 Teilnehmern aus 123 Ländern. Der Begriff "grüne
Revolution" bezeichnet gemeinhin die Einführung neuer Technologien
in der Landwirtschaft in Entwicklungsländern. "Ohne
Nahrungsmittel-Souveränität kann es gar keine
Souveränität geben", so Lula weiter. "Ich bin überzeugt,
dass Afrika alle Vorraussetzungen hat, um Brasiliens Weg zu folgen."
Lulas Rede bezog sich auf die jüngste Lebensmittelkrise. Die
Preise von wichtigen Grundnahrungsmitteln sind in den letzten Wochen
massiv in die Höhe geklettert. Bereits vor zwei Jahre hatte eine
Lebensmittelkrise für Unruhe gesorgt. Lula ermutigte Afrikas
Länder, sich politisch zu verbünden und Beziehungen mit
Entwicklungsländern anderer Kontinente aufzubauen, um sich vom
Einfluss der Industriemächte zu distanzieren. "Diejenigen, die uns
Lektionen über die Lenkung unsere eigenen Wirtschaften erteilen,
waren nicht in der Lage, die Krise, die die gesamte Menschheit
betrifft, in ihren eigenen Ländern abzuwenden", sagte er.
Form von Neokolonialismus
Das Weltsozialforum sprach sich ausserdem vehement gegen
Bodenspekulationen in Afrika durch ausländische Gruppen aus. Dies
sei eine Form des Neokolonialismus, hiess es, und besonders mit
Hinblick auf die globale Nahrungsmittelkrise verwerflich. Denn die
Investoren des Nordens seien hauptsächlich an finanziellen
Spekulationen interessiert, statt in die Landwirtschaft zu investieren.
Es handle sich um einen zweiten "Wettlauf um Afrika", der dem
Landerwerb europäischer Kolonialmächte im 19. Jahrhundert
ähnle. Zwischen August 2008 und Oktober 2009 seien laut Angaben
der Weltbank bereits 42 Millionen Hektar Land in
Entwicklungsländern aufgekauft worden.
Delegierte von Gewerkschaften kritisierten, dass der Kampf um die
Ressourcen des afrikanischen Kontinents zum Nachteil von dessen 680
Millionen Einwohnern sei. "Die Gehälter bleiben niedrig, da
Globalisierung keine soziale Dimension hat. Es geht vor allem um den
Wettbewerb zwischen und innerhalb von Ländern, multinationales und
ausländisches Investment anzuziehen", sagte Kwasi Adu-Amankwah,
Generalsekretär des afrikanischen Zweigs der Konföderation
Internationaler Gewerkschaften. "Es ist mehr als dringend, das
derzeitige Model der Globalisierung zu ändern und dem
Neoliberalismus ein Ende zu setzen, der Millionen Afrikanern in
unterfinanzierte Bildungssysteme, schlechte Gesundheitsversorgung und
praktisch menschenunwürdige Arbeitsbedingungen gezwungen hat",
fügte er hinzu.
Morales: Kapitalismus stirbt
Die Unruhen in Ägypten und Tunesien seien klare Anzeichen
einer Krise des Kapitalismus, sagte Boliviens Präsident Evo
Morales bei seinem Auftritt. Kapitalismus "ist aufgrund von
rebellierenden Völkern am Sterben", meinte er. Morales bezeichnete
Neoliberalismus und Neokolonialismus als menschenfeindlich, da diese
entworfen wurden, um die Bodenschätze von Entwicklungsländern
zu stehlen.
Bei der Eröffnung des Forums am Sonntag hatte der aus
Tunesien stammende Taoufik Ben Abdallah gesagt, Afrika sei nicht als
"Schlachtfeld einflussreicher Nationen" gedacht. "Afrika kann ein
reicher Kontinent sein, wenn ihm erlaubt ist, seine eigenen politischen
und entwicklungspolitischen Richtlinien festzusetzen."
--------------------
ANTI-ATOM
-------------------
Bund 14.2.11
AKW-Ja dank Land-Gemeinden
Das bernische Stimmvolk sagt in der kantonalen
Konsultativabstimmung mit 51,2 Prozentknapp Ja zu einem neuen
Atomkraftwerk in Mühleberg. Die Stadt Bern sagt mit 65,3 Prozent
deutlich Nein.
Simon Thönen
Der Abstimmungskampf war heftig, das Resultat knapp: Die
Befürworter eines neuen Atomkraftwerks in Mühleberg lagen
gestern mit 51,2 Prozent Ja-Stimmen vorne. Mühleberg bleibt damit
als möglicher Standort für ein neues AKW im Rennen. Weitere
mögliche Standorte sind Beznau (AG) und Gösgen (SO). Bis 2012
wollen sich die drei Stromkonzerne Axpo, Alpiq und BKW auf zwei
Standorte für neue AKW einigen.
Das Ergebnis zeigt einen klaren Stadt-Land-Graben. Für das
neue Atomkraftwerk haben vor allem die ländlichen Gebiete votiert.
Die Städte Bern, Biel und Thun lehnten ab - Bern als grösste
Nachbargemeinde von Mühleberg sogar mit einer
Zweidrittel-Mehrheit. Die Stimmbeteiligung war mit 51,7 Prozent hoch.
Die Abstimmung war konsultativ, also rechtlich nicht bindend.
Eigentlich ging es nur um die Stellungnahme, die der Kanton dem Bund
zum Projekt eines neuen AKW in Mühleberg übermittelt. Die
mehrheitlich rot-grüne Kantonsregierung muss nun - gegen ihren
Willen - dem Bund eine positive Stellungnahme weiterleiten.
Energiedirektorin Barbara Egger-Jenzer (SP) betonte gestern, dass sie
dies tun und den Volksentscheid akzeptieren wird. Gleichzeitig verwies
sie jedoch auf den hohen Anteil der Nein-Stimmen. "Mich freut das
Ergebnis", sagte sie.
Alle sehen sich als Sieger
BKW-Verwaltungsratspräsident Urs Gasche bezeichnete das
Resultat im Interview mit dem "Bund" trotz seiner Knappheit als klar:
"Bern als Standortkanton hat Ja gesagt zu einem Ersatzkernkraftwerk."
Das Komitee "Ja zu Mühleberg" zeigte sich "erfreut" und wertete
das Resultat als "positives Signal" für die schweizerische
Volksabstimmung über neue AKW, die wahrscheinlich 2013 oder 2014
stattfinden wird. In diesem Urnengang wird das Schweizer Volk
verbindlich entscheiden, ob neue AKW gebaut werden.
Wegen des hohen Anteils der Nein-Stimmen gab sich aber auch das
Komitee "Nein zum neuen AKW in Mühleberg" zuversichtlich: "In der
Bevölkerung schwindet die Akzeptanz für neue Atomkraftwerke."
Bis zur nationalen Abstimmung werde "der Wind in der Atomfrage
definitiv drehen".
Der Bund kommentierte das Abstimmungsresultat gestern nicht, er
liess lediglich verlauten, es werde zur Kenntnis genommen.
Die bernische Abstimmung hatte als Testlauf für den
kommenden nationalen Abstimmungskampf gegolten - doch nun endete die
bernische Vorrunde ohne echten Sieger. Das knappe Ja könnte
möglicherweise bewirken, dass Bundesrat und Parlament dem
Schweizer Volk 2013 oder 2014 nur ein statt zwei neue AKW zur
Genehmigung vorlegen, um die Chance für ein Ja zu verbessern.
--
Kommentar
Lediglich ein Etappensieg für die BKW
Hans Galli
Die Mehrheit der Bernerinnen und Berner will, dass auch in
Zukunft genügend Strom aus der Steckdose fliesst, und zwar sowohl
im Sommer als auch im Winter. Atomkraftwerke liefern seit vier
Jahrzehnten zuverlässig Strom, während Solarzellen und
Windturbinen erst einen kleinen Beitrag an die Energieversorgung
leisten. Das knappe Resultat zeigt aber auch, dass ein grosser Teil der
Bevölkerung der Atomenergie skeptisch gegenübersteht. Das
Restrisiko eines nuklearen Unfalls sowie die ungelöste Entsorgung
der atomaren Abfälle wecken Ängste.
Aus dem knappen Ausgang schöpfen sowohl die Befürworter
als auch die Gegner der Atomenergie Hoffnungen. Die Gegner sind
zuversichtlich, dass sich die Stimmung bis zum nationalen Urnengang in
zweieinhalb Jahren zu ihren Gunsten wenden wird. Und die
Befürworter sehen sich durch das Ja in ihrem Bestreben
bestätigt, die alten Atomkraftwerke durch neue zu ersetzen.
In den kommenden Monaten spielen die Bundesbehörden eine
wichtige Rolle. Sie prüfen die Gesuche um die Rahmenbewilligungen
für die Standorte Beznau, Mühleberg und Gösgen auf ihre
Tauglichkeit. Im Vordergrund steht die Sicherheit. Das
Nuklearsicherheitsinspektorat hat im November bereits zusätzliche
Unterlagen angefordert: Beim Standort Beznau muss die
Überflutungsgefahr analysiert werden, und die BKW muss in
Mühleberg die Gefährdung durch Felssturz, Steinschlag und
Rutschungen untersuchen.
Trotz des gestrigen Ja bleibt unsicher, ob in Mühleberg
dereinst ein neues Atomkraftwerk gebaut wird. Die Berner Regierung muss
zwar gegen ihren Willen eine positive Stellungnahme zum
Rahmenbewilligungsgesuch einreichen. Aber der Bund wird
berücksichtigen, dass das Resultat knapp ausgefallen ist und dass
die Stadt Bern mit zwei Dritteln der Stimmen wuchtig Nein gesagt hat.
Falls sich die Standorte Beznau und Gösgen in technischer,
wirtschaftlicher und politischer Hinsicht als deutlich besser erweisen
sollten, müsste Mühleberg zurückstehen. Da auch in der
gesamtschweizerischen Volksabstimmung mit einem knappen Ausgang zu
rechnen ist, wird die Strombranche im eigenen Interesse nur die besten
Projekte weiterverfolgen.
Offene Fragen wirft auch die Finanzierung auf. Vieles deutet
darauf hin, dass nur schon die Kapitalbeschaffung für ein neues
Atomkraftwerk zu einem Kraftakt wird und dass das zweite Projekt am
Geld scheitern könnte.
Die BKW hat zwar in der kantonalen Abstimmung einen Etappensieg
errungen, aber sie ist mit dem Projekt Mühleberg noch weit vom
Ziel entfernt.
--
Mühleberg sagt Ja - Bern und die meisten anderen Nachbargemeinden
sagen Nein
Die Analyse der Abstimmungsresultate in allen Gemeinden des
Kantons Bern zeigt: Der Graben zwischen Stadt und Land ist tief in der
AKW-Frage.
Sarah Nowotny
Wuchtig war das Nein zu einem neuen Atomkraftwerk in
Mühleberg gestern mit 65,3 Prozent in der Stadt Bern. Dass die
Bundesstadt als wichtigste Nachbargemeinde von Mühleberg ein AKW
ablehnt, ist freilich keine Überraschung: Bern hat sich erst vor
zwei Monaten für einen Ausstieg aus der Atomenergie ausgesprochen.
Auch die Berner Agglomeration will kein neues AKW: Köniz sagte mit
54,5 Prozent Nein, Wohlen gar mit 57,8 Prozent. Überhaupt ist der
Verwaltungskreis Bern-Mittelland einer von zweien, in denen
Mühleberg II abgelehnt wurde - und zwar von 53,1 Prozent der
Stimmbürger. Im Kreis Biel sind es 53,3 Prozent. Nein gesagt haben
ferner die grösseren Städte: Biel mit 60,8 Prozent, Thun mit
51,5 Prozent, Burgdorf mit 53,5 Prozent.
Mit 72,4 Prozent war das Nein aber nirgendwo so deutlich wie in
der 58-Seelen-Gemeinde Seehof im Berner Jura. Auf dem zweiten Rang
folgt die Nachbargemeinde Schelten mit 46 Einwohnern und einem
Nein-Stimmen-Anteil von 69,2 Prozent. Eine Erklärung ist, dass
sich dortige Familien im Komitee der Berner Landwirtschaft gegen
Mühleberg II engagiert hatten. Deutlich fiel die Ablehnung auch in
anderen Gemeinden des Berner Juras aus. Das linke Lager ist
traditionell stark in der Region. Das Nein in Krattigen und Hermiswil
könnte sich als Fehler herausstellen: Vielleicht wurden Ja- und
Nein-Stimmen vertauscht. Schwieriger ist die Frage, warum einige
Gemeinden rund um den Brienzersee ein AKW ablehnen. Möglicherweise
versprechen sie sich viel Strom von einem Pumpspeicherwerk, das Wasser
aus dem Brienzersee pumpt.
Besonders deutlich Ja gesagt haben wie erwartet viele Gemeinden
im Emmental und im Oberland, etwa Grindelwald mit 69,7 Prozent oder
Röthenbach i. E. mit 69,1 Prozent. Auch dass in Mühleberg 61
Prozent der Stimmenden Ja sagen würden, entspricht den
Erwartungen, war doch die Standortgemeinde schon immer AKW-freundlich.
Die ländlichen Nachbargemeinden von Mühleberg wollen dagegen
kein neues AKW. Im Gegensatz zur Standortgemeinde profitieren sie nicht
von den Steuern, die der Energiekonzern BKW abliefert.
--
Jetzt geht der Streit um ein neues AKW erst richtig los
Das knappe Ja für ein neues AKW in Mühleberg
dürfte die landesweite Stimmung in der Atomfrage spiegeln. Mit
Blick auf die nationale Atomabstimmung von 2013 ist alles offen. Um die
Chancen der Atomkraft zu erhöhen, bewilligt der Bundesrat am
Schluss möglicherweise nur ein neues AKW statt zwei.
Mühleberg und Gösgen haben die Nase vorne.
Patrick Feuz und Simon Thönen
Wie geht es weiter mit dem Projekt für ein neues AKW in
Mühleberg?
Nach dem Ja des bernischen Volkes bleibt Mühleberg als
Standort für ein neues AKW im Rennen, ist jedoch nicht definitiv
gesetzt. Insider gehen aber davon aus, dass Mühleberg jetzt
zusammen mit Gösgen die besseren Chancen hat als Beznau, da das
dortige AKW-Projekt aus technischer Sicht als schwierig gilt. Ob
tatsächlich neue AKW in der Schweiz gebaut werden, wird das
Schweizer Volk entscheiden.
Wie beeinflusst das Ja zu Mühleberg die kantonale
Energiepolitik?
Der bürgerlich dominierte Grosse Rat ist der Sieger der
Volksabstimmung - und erhält generell Aufwind für seine
Energiepolitik. Im Mai wird das bernische Volk über ein teilweise
grün angehauchtes kantonales Energiegesetz und einen
bürgerlichen Gegenvorschlag abstimmen. Hängig ist die
grüne Volksinitiative "Bern erneuerbar". Deren Chancen sind nach
dem Ja zu Mühleberg II ebenfalls gesunken.
Wie geht es im nationalen Ringen um die Atomkraft weiter?
Die Stromkonzerne Alpiq, Axpo und BKW wollen sich bis 2012
einigen, wo die zwei neuen AKW stehen sollen. Der Bundesrat entscheidet
Mitte 2012 über die verbleibenden Rahmenbewilligungsgesuche,
anschliessend ist das Parlament am Zug. Das letzte Wort hat Ende 2013
oder Anfang 2014 das Schweizer Stimmvolk. Denn SP, Grüne und
Umweltverbände haben bereits angekündigt, dass sie das
Referendum ergreifen werden.
Bewilligt der Bundesrat zwei neue AKW oder nur eines?
Der Bundesrat befürwortet "den Ersatz der bestehenden oder
den Neubau von Kernkraftwerken", wie es in seiner Energiestrategie von
2007 heisst. Daneben setzt er auf Gas-Kombi-Kraftwerke, um die
Stromversorgung sicherzustellen. Das knappe Berner Resultat zeigt, wie
umstritten die Atomkraft bleibt. Deshalb bewilligt der Bundesrat am
Schluss möglicherweise nur ein neues AKW statt zwei - die
Beschränkung könnte in der nationalen Volksabstimmung die
Chancen der Atomkraft erhöhen. Zum Mühleberg-Entscheid liess
Energieministerin Doris Leuthard gestern nur verlauten, der Bund nehme
das Resultat der konsultativen Abstimmung zur Kenntnis. Und: Beim
Entscheid über die Rahmenbewilligung werde der Bundesrat die
Meinungsäusserungen der betroffenen Kantone
selbstverständlich "mitberücksichtigen".
Was bedeutet das Berner Ja für die nationale Abstimmung?
Das Ja zu einem neuen AKW in Mühleberg dürfte relativ
genau die nationale Stimmung in der Atomfrage spiegeln - immerhin hat
sich der Kanton Bern in früheren Atomabstimmungen meistens gleich
wie die Gesamtschweiz positioniert. Direkt wirkt sich das Ja zu
Mühleberg II aber nur auf die Standortfrage aus. Der weitere
Verlauf der nationalen Atomdebatte hängt von anderen Faktoren ab.
Anfang 2012 wird das Bundesamt für Energie die aktualisierten
"Energieperspektiven" vorlegen und darin den künftigen Strombedarf
aufzeigen. Bereits jetzt ist klar: Die Bevölkerung wächst
massiv stärker als bisher prognostiziert. Die tendenziell
steigende Nachfrage nach Strom wird den Befürwortern von
Grosskraftwerken (AKW und leistungsstarke Gaskraftwerke) in die
Hände spielen. Sinkende Kosten der erneuerbaren Energien und
allfällige Bauteuerungen bei AKW dagegen könnten den
Atomgegnern nützen. Vor allem ein grosser AKW-Unfall irgendwo auf
der Welt gäbe dieser Seite Auftrieb.
Wann könnte ein neues AKW Strom liefern?
Ein neues Atomkraftwerk wird frühestens 2025 den Betrieb
aufnehmen. Das Baubewilligungsverfahren mit
Einsprachemöglichkeiten dauert vier bis sechs Jahre -
wahrscheinlich wird die Auseinandersetzung bis vor Bundesgericht
getragen. Der Bau beansprucht weitere fünf bis sechs Jahre. Zudem
kann das Verfahren für die Betriebsbewilligung erst starten, wenn
wesentliche Teile der neuen Anlage gebaut sind; das Verfahren selber
dauert bis zu sechs Jahren. Wegen der langen Zeit bis zur
Inbetriebnahme eines neuen AKW - und weil die nationale Abstimmung auch
ein Nein ergeben könnte - wünscht der Bundesrat
zusätzlich Gas-Kombi-Kraftwerke - diese sind innerhalb von drei
Jahren betriebsbereit.
Was passiert mit dem Atommüll?
Mit der gestrigen Wellenberg-Abstimmung im Kanton Nidwalden hat
die Suche nach einem Endlager erneut einen Rückschlag erlitten.
Zwar ist der Bund rechtlich nicht verpflichtet, dieses Resultat zu
akzeptieren. Gegner eines Lagers werden nun aber auch an den anderen
fünf möglichen Standorten Aufwind erhalten. Die offizielle
Planung sieht vor: Bis etwa 2020 soll weiter untersucht werden. Danach
will sich der Bundesrat auf je einen Standort für hoch- und
mittelradioaktiven Müll festlegen.
--
Gösgen II
Anders als für Beznau (Überflutungsgefahr) und
Mühleberg (Hangrutsche) hatte die Nuklearaufsicht für den
Standort Gösgen keine spezifischen Zusatzabklärungen
gefordert. Gemäss der Übereinkunft der Stromkonzerne steht
ein neues AKW in Gösgen an letzter Stelle. Technische und
politische Überlegungen könnten dies jedoch ändern.(st)
Beznau III
Beznau I wird als ältestes AKW in der Schweiz
voraussichtlich am frühesten abgestellt werden. Gemäss der
Übereinkunft der Stromkonzerne Axpo, Alpiq und BKW soll deshalb in
Beznau, wo heute auch das alte Werk Beznau II steht, das erste neue AKW
gebaut werden. Die Nuklearaufsicht hat jedoch kritisiert, dass die
Überflutungsgefahr am Standort ungenügend einkalkuliert
sei.(st)
Mühleberg II
Nach dem knappen Ja des bernischen Volkes bleibt Mühleberg
als Standort für ein neues AKW im Rennen. Der Reaktortyp
würde wohl erst nach der schweizerischen Volksabstimmung bestimmt.
Je nachdem wäre das AKW drei- bis viereinhalb Mal so
leistungsstark wie das bestehende AKW (rechts hinten im Bild). Das
Projekt umfasst auch zwei Zwischenlager für Atommüll
(Gebäude vorne im Bild).(st)
--
"Das Resultat ist klar: Bern hat als Standortkanton Ja gesagt"
Mühleberg II hat für BKW-Verwaltungsratspräsident
Urs Gasche gute Chancen.
Interview: Simon Thönen
Das Bernervolk hat nur sehr knapp Ja gesagt. Glauben Sie, dass in
Mühleberg ein neues AKW gebaut wird?
Schon im Vorfeld der Abstimmung habe ich gesagt, dass jedes
Resultat über 51 Prozent für mich deutlich und verpflichtend
ist - ob nun ein Ja oder Nein resultiert. In diesem Sinn ist das
heutige Resultat für mich klar. Den Standortentscheid werden
letztlich die Bundesbehörden treffen. Danach gibt es eine
schweizerische Referendumsabstimmung darüber, ob es überhaupt
neue Kernkraftwerke gibt. Ich gehe aber davon aus, dass die Chancen von
Mühleberg nun gestiegen sind.
Die wichtigste Nachbargemeinde, die Stadt Bern, hat aber mit 65
Prozent deutlich Nein gesagt.
Und die direkte Sitzgemeinde hat Ja gesagt, man darf jetzt nicht
einzelne Gemeinden gegeneinander ausspielen. Es ging um die Gesamtheit
der Kantonsbürger und -bürgerinnen.
Konkurrent Alpiq könnte nun argumentieren, die Akzeptanz
für sein AKW Gösgen sei besser, weil keine benachbarte
Grossstadt es ablehnt.
Ich kann nicht einschätzen, welche Taktik Alpiq fährt.
Für uns gibt es nur einen Fakt: Bern als Standortkanton hat Ja
gesagt zu einem Ersatzkernkraftwerk in Mühleberg.
Gemäss der Reihenfolge, die Axpo, BKW und Alpiq vereinbart
haben, würden die zwei neuen AKW zuerst in Beznau und dann in
Mühleberg gebaut. Gösgen wäre als dritte Priorität
überflüssig. Bleibt dies so?
Die bernische Abstimmung hat diese Reihenfolge sicher gefestigt
beziehungsweise Mühleberg vielleicht sogar einen leichten
Vorsprung verschafft.
Verbindlich wird die schweizerische AKW-Abstimmung sein. Es gibt
Stimmen, die sagen, dass die Bundesbehörden nur mit einem
AKW-Projekt antreten werden, um die Chancen für ein Ja zu
erhöhen.
Das kann ich nicht sagen. Wir haben uns solche Szenarien auch
überlegt: Aus der Sicht einer zuverlässigen Stromversorgung
wäre dies eine politische Konzession, die bedauerlich wäre.
Eine weitere Hürde ist die Finanzierung der AKW. In der
internationalen Debatte wird oft gesagt, diese sei ohne Subventionen
nicht möglich.
Nach unseren Berechnungen ist die Kernenergie weiterhin eine
wirtschaftliche Art der Stromproduktion, die sich auch finanzieren
lässt. Die Erfahrungen beim Bau des Kernkraftwerkes in Finnland
haben wir da bereits einbezogen. Wir haben keine Hinweise, dass eine
Finanzierung über den Kapitalmarkt nicht machbar ist. Ich bin
überzeugt, dass die CO2-freie Stromversorgung, der wir uns
verschrieben haben, auch für Finanzierungsinstitute interessant
ist.
BKW-Chef Kurt Rohrbach hat gesagt, dass man wegen der
Finanzierung die zwei AKW-Projekte um ein paar Jahre staffeln
müsse.
Die drei Unternehmen Axpo, Alpiq und BKW arbeiten bei den zwei
Kernkraftwerken zusammen. Wir werden die Projekte natürlich in
verschiedener Hinsicht optimieren, dazu kann auch eine Staffelung um
wenige Jahre gehören. Grundsätzlich bin ich überzeugt,
dass zwei Werke wirtschaftlich und auch finanzierbar sind.
Würde die BKW das Projekt abbrechen, falls die Finanzierung
ohne Subventionen doch nicht klappt?
Wir gehen von einer privaten Finanzierung aus. Wir haben keine
Indizien, dass dies nicht möglich ist. Wie gesagt, eine Staffelung
um einige Jahre kann bei der Realisierung durchaus möglich sein.
Wann würde Mühleberg II Strom produzieren?
Die bisherige Planung geht von einem Zeitraum ab 2020 aus, ich
persönlich rechne eher mit 2025 bis 2030.
Wann würde das bestehende, ältere AKW in Mühleberg
abgeschaltet?
Es ist geplant, dass dies spätestens bei der Inbetriebnahme
des neuen Kernkraftwerks geschieht. Ich gehe davon aus, dass das
heutige Kernkraftwerk eine unbefristete Betriebsbewilligung erhalten
wird. Das heisst: Es darf so lange laufen, wie der Betrieb als sicher
erachtet wird. Würde die Sicherheit fraglich, würde das
heutige Werk früher abgestellt.
Im Abstimmungskampf hat es hohe Wellen geworfen, dass für
Mühleberg II grosse Zwischenlager geplant werden, die den
Atommüll aus der ganzen Betriebsdauer aufnehmen könnten.
Bleiben diese so gross?
Es ist ein Ausdruck unserer Verantwortung, dass wir genügend
Kapazität für die Zwischenlager einplanen. Wie sich die Frage
der Endlager entwickeln wird, können wir heute nicht
abschätzen.
Die Nidwaldner haben erneut ein Endlager in Wellenberg abgelehnt.
Besteht die Gefahr, dass der Atommüll im Zwischenlager bleibt,
weil niemand ein Endlager will?
Die Wellenberg-Abstimmung ist kein Massstab für andere
Standorte, weil der Wellenberg nicht im Vordergrund steht. Der Nachweis
ist erbracht, dass eine sichere Endlagerung möglich ist. Die
Chancen sind intakt, dass wir im Laufe der Zeit Endlager haben werden.
--
Befürworter und Gegner sehen sich als Sieger
Regierung und Rot-Grün feiern sich als heimliche Gewinner -
Bürgerliche und Wirtschaftslobby triumphieren verhalten.
Energiepolitik wird jetzt noch schwieriger.
Sarah Nowotny
Gut jeder zweite Stimmbürger im Kanton Bern will ein neues
Atomkraftwerk in Mühleberg, fast jeder zweite ist dagegen.
Angesichts dieses knappen Resultats erklärten sich gestern beide
Lager zu Siegern. "Mich freut das Ergebnis", sagte Energiedirektorin
Barbara Egger-Jenzer (SP). Die rot-grüne Regierung hatte im
Abstimmungskampf kein Hehl aus ihrer Anti-AKW-Haltung gemacht - was ihr
von gegnerischer Seite harsche Kritik eintrug. Die Energiestrategie des
Kantons sieht gar einen Ausstieg aus der Atomenergie vor. Als
Misstrauensvotum gegen ihre Politik will Egger das Ja zu Mühleberg
aber nicht verstanden wissen. "Unsere Strategie sieht schliesslich kein
konkretes Datum für den Ausstieg vor." Allerdings kündigten
Bürgerliche bereits Widerstand gegen das Papier an. "Es ist blosse
Makulatur", sagte Adrian Haas, Direktor des Handels- und
Industrievereins Bern (HIV). "Die Strategie ist nicht haltbar", findet
auch BDP-Grossrat Mathias Tromp. Ob er politisch aktiv werden will
gegen die rot-grüne Energiepolitik, liess Tromp indes noch offen.
"Atomenergie hat Auftrieb"
Diese Unentschlossenheit passt zur Gemütslage der
Bürgerlichen und der Wirtschaftsverbände nach der Abstimmung.
Ihre Freude hielt sich in Grenzen und die Überraschung etwa
angesichts des deutlichen Neins in der Stadt Bern war gross. "Eine
Portion Skepsis gegenüber AKW ist gesund. Vielleicht können
die erneuerbaren Energien unseren Bedarf in 20 Jahren decken. Es
wäre aber verheerend gewesen, jetzt schon die Option AKW aus dem
Rennen zu nehmen", sagte Adrian Kneubühler, Chef der FDP-Fraktion
im Grossen Rat. Das knappe Resultat zeige, dass die Akteure nun zum
Beispiel endlich eine politisch durchsetzbare Lösung für ein
Endlager finden müssten. Gelinge dies, habe Mühleberg II gute
Chancen, gebaut zu werden. "Immerhin ist Bern der erste
AKW-Standortkanton mit einem Volksentscheid." Etwas euphorischer war
Haas: "Die Atomenergie hat Auftrieb erhalten, das Volk hat eingesehen,
dass sie für die Versorgungssicherheit unerlässlich ist."
Ganz anders beurteilen SP, Grüne und Umweltschützer die
Lage. Für sie ist klar, dass Mühleberg II nie gebaut wird.
"Das Abstimmungsresultat ist eine Sensation, die Front der
AKW-Befürworter bröckelt - erstmals auch auf dem Land und bei
den Gewerblern", sagte Roland Näf, Präsident der SP Kanton
Bern. Das Lager der AKW-Gegner im Kanton sei deutlich gewachsen,
erklärte Jörg Rüetschi, Geschäftsführer vom
WWF Bern. Tatsächlich nahmen 2003 nur 41,4 Prozent des Stimmvolks
eine Initiative zur Verlängerung des AKW-Baustopps an. "Ohne eine
solide Mehrheit, gegen den Willen jedes zweiten Berners, kann man kein
AKW bauen", sagte Näf. Noch vor einem Jahr sei es vor allem darum
gegangen, die Anti-AKW-Bewegung zu reaktivieren, jetzt habe es beinahe
zum Sieg gereicht, sagte Blaise Kropf, Präsident der kantonalen
Grünen. Die Grünen erwarteten nun, dass die BKWihr Gesuch
für Mühleberg II zurückziehe.
"Preise werden purzeln"
Diese Erwartung beeindruckt die Regierung aber offenbar wenig.
Energiedirektorin Egger machte klar, dass sie den Volksentscheid
akzeptiere und sich nun beim Bund für ein neues AKW in
Mühleberg ausspreche. "Auch wenn der Kanton später noch
einmal Stellung nehmen kann zu Mühleberg, werden wir uns positiv
äussern", sagte Egger. Als Vertreterin des Kantons im
Verwaltungsrat des Energiekonzerns BKW gedenke sie, den Volksentscheid
ebenfalls mitzutragen. "Was nicht heisst, dass ich meine Prinzipien
verraten werde und aufhöre, das Grossprojekt kritisch zu
hinterfragen."
Für kritische Fragen dürfte es noch genug Gelegenheit
geben, denn im Kanton und auf Bundesebene stehen bald weitere wichtige
energiepolitische Weichenstellungen an. Das Schlussbouquet bildet 2013
oder 2014 die verbindliche eidgenössische Volksabstimmung
über neue AKW in der Schweiz. "Bis dahin werden die Preise
für Strom aus Wind, Wasser und Sonne weiter purzeln. Wir werden
die Volksabstimmung gewinnen", glaubt SP-Präsident Näf. Bis
in zwei Jahren werde sich das Problem der Versorgungssicherheit noch
akzentuieren, sagte hingegen FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen.
"Deshalb wird auch das Schweizer Volk Ja zu AKW sagen - wie knapp es
wird, ist unwichtig."
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Kraftwerkbetreiber
"Die besten Standorte für die Ersatzkraftwerke vorschlagen"
Die Betreiber der anderen Kernkraftwerke bleiben
zurückhaltend und sprechen von einem "positiven Signal".
Die konsultative Abstimmung über Mühleberg wurde nicht
nur bei der BKW Energie AG aufmerksam verfolgt, sondern auch bei den
Betreibern der andern Kernkraftwerke. "Das Resultat ist ein positives
Signal aus einem Standortkanton", sagte Daniela Biedermann,
Mediensprecherin der Axpo-Gruppe in Baden, welche die Werke in Beznau
betreibt. Nicht näher äussern wollte sie sich dazu, dass die
Zustimmung sehr knapp ausgefallen ist. "Ein knapper Ausgang hat sich
abgezeichnet, aber das Ja ist ein positives Signal", sagte sie.
Von einem positiven Ergebnis sprach auch Martin Bahnmüller,
Kommunikationschef der Alpiq-Gruppe in Olten. Es zeige, dass die
Mehrheit der Berner Bevölkerung die Kernenergie befürworte.
Alpiq sei deshalb zuversichtlich im Hinblick auf die
gesamtschweizerische Abstimmung im Jahr 2013.
Dem Volk werden voraussichtlich zwei Projekte unterbreitet, mit
Beznau, Gösgen und Mühleberg sind aber jetzt noch drei
Standorte im Rennen. "Das Ziel von Alpiq, Axpo und BKW ist es, dem Volk
die besten Standorte für die Ersatzkraftwerke vorzuschlagen",
sagte Bahnmüller. Die Rahmenbewilligungsgesuche würden von
den Bundesbehörden geprüft. Die Prioritäten für die
Standorte würden gestützt auf die Prüfergebnisse
festgelegt. Falls sich keine nennenswerten Unterschiede zeigen sollten,
werde die Reihenfolge gemäss dem Zeitpunkt für die
Stilllegung der alten Werke bestimmt.
Bund hält sich zurück
Der Bund kommentiert den Ausgang der Mühleberg-Abstimmung im
Kanton Bern nicht. Das zuständige Energie- und Umweltdepartement
(Uvek) teilte mit, es nehme das Resultat der konsultativen Abstimmung
zur Kenntnis.
Beim bevorstehenden Entscheid über die Rahmenbewilligung
würden selbstverständlich auch die Meinungsäusserungen
der Bevölkerung aus betroffenen Kantonen "mitberücksichtigt",
schreibt das Uvek.(-ll-/sda)
---
BZ 14.2.11
Knappes Ja zu neuem AKW
KANTON BERNDie Stimmberechtigten des Kantons Bern haben sich
für den Bau eines neuen Atomkraftwerks in Mühleberg
ausgesprochen. Das Resultat fiel mit 51,2 Prozent Ja-Stimmen knapp aus.
188 193 Ja-Stimmen standen am Schluss 179 279 Nein-Stimmen
gegenüber. Damit muss der rot-grüne bernische Regierungsrat
gegen seinen entschiedenen Willen dem Bund mitteilen, der Berner
Souverän sei für den Ersatz des AKW Mühleberg.
Bei der Konsultativabstimmung ging es eigentlich nur darum, der
Bevölkerung den Puls zu fühlen. Rein rechtlich wäre sie
nicht einmal verbindlich. Die Kantonsregierung hatte aber bereits im
Vorfeld signalisiert, sie werde das Ergebnis akzeptieren. Dies
bekräftigte die zuständige SP-Regierungsrätin Barbara
Egger-Jenzer gestern vor den Medien erneut.sda Seite 2 + 3
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BZ Standpunkt
Das Kalkül der Regierung ist nicht aufgegangen
AKW-Abstimmung Michael Hug Chefredaktor
Eine knappe Mehrheit der Bernerinnen und Berner will, dass
Mühleberg als Standort für ein neues Atomkraftwerk im Rennen
bleibt. Das ist ein ziemlich erstaunliches Abstimmungsresultat.
Ähnlich wie die Nidwaldner mit dem Endlager hätten sie die
Gunst der Stunde nutzen und sich unbesehen von den übergeordneten
Fragen der Energiepolitik das unangenehme Thema Atomkraftwerk nach dem
Sankt-Florians-Prinzip vom Hals schaffen können.
Genau dies war das Kalkül der rot-grünen Mehrheit in
der Berner Regierung, die diesen Urnengang in der durchaus
realistischen Hoffnung aufgleiste, eine Allianz von Atomkraft- und
Standortgegnern verschaffe ihr die nötige Mehrheit für eine
kantonale Energiewende. Unschön war, dass sie für dieses
politische Pokerspielchen die Interessen des Kantons an
Arbeitsplätzen und vor allem den Wert des Unternehmens BKW ohne
jede Not aufs Spiel setzte.
Die Stimmberechtigten liessen sich von den Schalmeienklängen
aus dem Rathaus nicht in die politische Sackgasse locken. Sie
verabschieden sich nicht vorzeitig aus der Diskussion über die
Schweizer Energiepolitik und gehen nicht mit ihrer Regierung den Berner
Sonderweg. Sie warten klugerweise ab, bis eine eidgenössische
Abstimmung die Weichen stellt. Das ist schon fast eine verkehrte Welt:
Die Regierung prescht mit ideologischen Versprechungen vor, und das
Volk entscheidet so nüchtern und pragmatisch, wie man es
eigentlich von einer verantwortungsvollen Regierung erwarten würde.
Das Gute an dieser Abstimmung ist, dass die Fronten jetzt
geklärt sind. Nun müssen die regelmässigen
Scharmützel zwischen der Regierung und der BKW-Spitze ein Ende
haben. Regierungsrätin Barbara Egger-Jenzer wird akzeptieren
müssen, dass sie ihre Energiepolitik nicht gegen den Grossen Rat,
die BKW und das bernische Stimmvolk durchstieren kann.
michael.hug@bernerzeitung.ch
--
Mühleberg sagt klar Ja zum neuen AKW
In seiner Standortgemeinde geniesst das AKW grosse
Unterstützung. Die Nachbargemeinden hingegen zeigen sich kritisch.
Mühleberg steht zu seinem AKW. Mit 61 Prozent Ja-Stimmen
stellten sich die Einwohnerinnen und Einwohner der Gemeinde in der
AKW-Abstimmung deutlich hinter ihr Kraftwerk. Ähnlich wie bei
vergangenen Abstimmungen liegen sie damit weit über dem kantonalen
Schnitt von 51,2 Prozent.
Traditionell grosser Rückhalt
Für Gemeindepräsident Kurt Herren sind beide Zahlen
wenig überraschend: Mit dem knappen Entscheid des Kantons habe er
ebenso gerechnet wie mit der klaren Unterstützung seiner Gemeinde.
"Das AKW hatte in Mühleberg schon immer einen grossen
Rückhalt. Daran wird sich nichts ändern." Die
Stimmbeteiligung von mehr als 67 Prozent zeugt zudem von einem grossen
Interesse in der Gemeinde. Der Rückhalt in der Bevölkerung
käme laut Herren vor allem daher, dass viele Arbeiter in der
Gemeinde wohnten und so für ein vertrauensvolles Klima sorgten. Er
sei nun aber froh, dass sich der mediale Fokus nach der Abstimmung
endlich wieder von Mühleberg abwende: "Das Interesse war enorm,
jetzt dürfte es wieder etwas ruhiger werden." Zumindest so lange,
bis die nächste Atomenergie-Abstimmung in der Schweiz
anstünde.
Nachbarn sagen Nein
Sehr unterschiedlich haben sich die weiteren umliegenden
Gemeinden zum AKW geäussert: Während Wileroltigen (61,7
Prozent Ja-Stimmen) und Golaten (61,3) noch deutlicher Ja sagten als
Mühleberg, sprachen sich Laupen (51,5) und Ferenbalm (53,4)
knapper für das Kraftwerk aus. Keine Mehrheit hingegen fand das
AKW in Frauenkappelen (49,8), Radelfingen (43,5) und Wohlen (42,2).
Kurt Herren erklärt die deutlichen Unterschiede mit der Nähe
zur Stadt sowie den fehlenden finanziellen Vorteilen für die
anderen Gemeinden: "Da ging es bestimmt dem einen oder anderen ums
Geld." Die Steuerteilung der BKW spült Mühleberg
jährlich Beträge in Millionenhöhe in die Kassen - die
anderen gehen leer aus. Dass die Nachbargemeinden für ihre
Standortnachteile kompensiert werden möchten, sei laut Herren aber
verständlich: "Wird ein neues AKW gebaut, braucht es eine
Lösung, die alle zufrieden stellt." Gespräche zwischen
Gemeinden und BKW betreffend die Kompensationszahlungen könnten
nun weitergeführt werden.
Christian Zeier
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AKW-Abstimmung: ● Ja zu Mühleberg II
Knapper Etappensieg für die BKW - doch die Atomgegner sind
in Lauerstellung
Die BKW bleibt mit ihren Plänen für ein
Ersatz-Atomkraftwerk in Mühleberg im Rennen. Allerdings zeigt das
knappe Abstimmungsergebnis: Die AKW-Gegner haben im Kanton Bern in den
letzten Jahren viel Boden gutgemacht.
Wer hat nun wirklich gewonnen? Sowohl der Berner Energiekonzern
BKW wie auch die Gegner eines neuen Atomkraftwerks in Mühleberg
sahen sich nach der gestrigen Abstimmung als Sieger. Fakt ist: Die
Atomlobby hat im schweizweit mit Spannung erwarteten Stimmungstest 51,2
Prozent der Stimmen geholt und somit mehr als die AKW-Gegner. Die
absolute Differenz lag bei 8914 Stimmen. Der rot-grüne Berner
Regierungsrat muss sich damit beim Bund wider seinen Willen positiv zum
geplanten Ersatzkraftwerk in Mühleberg äussern, womit das
Projekt Mühleberg II vorerst im Rennen bleibt.
Fakt ist aber auch: Die Atomkraftgegner gewinnen im traditionell
AKW-freundlichen Kanton Bern stetig an Boden. Das verdeutlicht ein
Blick in die Vergangenheit. 2003 wurde in der Schweiz zum bisher
letzten Mal über die Zukunft der Atomenergie abgestimmt. Die
Volksinitiative "Strom ohne Atom" forderte damals die Energiewende und
die schrittweise Stilllegung der Schweizer AKW. Die Initiative
scheiterte, im Kanton Bern wurde sie mit 67,5 Prozent Nein-Anteil gar
überdurchschnittlich deutlich verworfen.
Gestern nun kamen die AKW-Gegner sehr nahe an die
Befürworter heran. Auch wenn die beiden Abstimmungen nicht eins zu
eins miteinander verglichen werden können, ist ein klarer Trend
ablesbar.
"In zwei Jahren reicht es"
Entsprechend aufgeräumt war die Stimmung gestern kurz nach
17 Uhr im Restaurant Lötschberg in Bern, wo sich das Komitee "Nein
zum neuen AKW Mühleberg" versammelt hatte. Kurz nach der
Verkündigung des Endergebnisses wurde freudig mit Weisswein
angestossen. "Das ist grossartig", sagte Jürg Buri,
Geschäftsleiter der Schweizerischen Energiestiftung. "In zwei
Jahren reicht es. Bis zur nationalen Abstimmung holen wir den
Rückstand auf." Ähnlich sah es Grüne-Nationalrätin
Franziska Teuscher: "Die Zeit arbeitet ganz klar für uns." Und
für den Präsidenten der Grünen Kanton Bern, Blaise
Kropf, ist klar: "Mühleberg II wird niemals gebaut."
Anders sah es freilich die BKW-Spitze. Per Medienmitteilung
verbreitete sie, das Abstimmungsergebnis stärke den Standort
Mühleberg. BKW-Präsident Urs Gasche sagt im Interview (siehe
Seite 3): "Ich erwarte, dass die Berner Regierung den Entscheid
akzeptiert. Und ich weiss, dass sie gemäss diesem Volksentscheid
handeln wird."
Ein Stadt-Land-Graben
Acht der zehn Verwaltungskreise haben sich positiv zu
Mühleberg II geäussert. Einzig die beiden städtisch
geprägten Kreise Bern-Mittelland und Biel haben Nein gesagt, und
zwar mit 53,1 respektive 53,3 Prozent. Am deutlichsten zugestimmt hat
der Verwaltungskreis Obersimmental mit 61 Prozent Ja (siehe Grafik
rechts). Das zeigt, dass die Zustimmung für ein AKW auf dem Land
tendenziell grösser ist.
Noch deutlicher widerspiegelt sich der Stadt-Land-Graben bei
einem Blick auf das Ergebnis in den Städten: In der Stadt Bern
beispielsweise lag der Nein-Anteil bei hohen 65,3 Prozent. Die
ländlichen Gemeinden sorgten dafür, dass die Ablehnung im
Kreis Bern-Mittelland am Schluss nicht ganz so deutlich ausfiel. Auch
in Thun mit 51,5 Prozent Nein-Stimmen und Burgdorf (53,5 Prozent) sagte
die Stadtbevölkerung Nein zu Mühleberg II, während sich
der Rest der beiden Verwaltungsbezirke mehrheitlich für das neue
AKW starkmachte. Die Stimmbeteiligung lag gesamtkantonal bei 51,7
Prozent
Niederlage für die Regierung
Nach der gestrigen Abstimmung dürften sich auch die
Spannungen zwischen Regierung und BKW wieder etwas legen, zumindest
vorläufig. Der Konflikt hatte im Abstimmungskampf einen neuen
Höhepunkt erreicht. Zuerst hatte die Regierung der BKW faktisch
einen Maulkorb verpasst, indem sie ihr die Einmischung in den
Abstimmungskampf untersagte. Dann waren sich die beiden Seiten uneinig
in der Frage, wie es nach einem allfälligen Volks-Nein weitergehen
würde. Regierungsrätin Barbara Egger war der Ansicht, die BKW
würde das Projekt beerdigen, die BKW-Geschäftsleitung
ihrerseits wollte auch bei einem Nein weiterplanen.
Die rot-grüne Regierungsmehrheit musste mit dem gestrigen Ja
eine Niederlage einstecken. Egger trugs mit Fassung (siehe Interview
rechts): "Ich habe kein Problem, diesen Volksentscheid zu akzeptieren
und umzusetzen."
Philippe Müller
AKW-Abstimmung Alles zum gestrigen Urnengang auf
www.urnengang.bernerzeitung.ch.
--
Neue AKW: So gehts weiter
Komplexes Verfahren Die Stromkonzerne Axpo, Alpiq und BKW wollen
in der Schweiz neue Atomkraftwerke bauen. Allerdings konnten sie sich
bisher nicht auf zwei Standorte einigen. Obwohl sie wissen, dass
maximal zwei neue AKW realisierbar sind, haben sie insgesamt drei
Rahmenbewilligungsgesuche eingereicht. Aus heutiger Sicht ist aber
klar, dass Axpo und BKW mit Beznau und Mühleberg in der
Favoritenrolle sind, weil dort die alten Reaktoren zuerst abgeschaltet
werden.
Nach der gestrigen Konsultativabstimmung im Kanton Bern sehen die
nächsten Schritte wie folgt aus: Die drei in Frage kommenden
Standortkantone neuer AKW - Aargau, Bern und Solothurn - müssen
demnächst zuhanden des Bundes Stellung zu einem neuen AKW auf
ihrem Kantonsgebiet beziehen. Neben Bern werden sich wohl auch die
Aargauer und die Solothurner Regierung positiv äussern.
Wo und ob überhaupt neue Atomkraftwerke gebaut werden, wird
das Stimmvolk anlässlich einer nationalen Volksabstimmung
entscheiden. Diese findet voraussichtlich in drei Jahren statt. Der
Bund rechnet mit einer Bauzeit von rund zehn Jahren, sodass das erste
neue AKW zwischen 2023 und 2025 ans Netz gehen könnte. Das heutige
AKW Mühleberg muss ungefähr 2022 abgeschaltet werden.phm
--
"Ich trage den Volksentscheid mit"
Die Energiedirektorin Barbara Egger akzeptiert den gestern
gefällten Entscheid zu Mühleberg II. Auch im Verwaltungsrat
der BKW werde sie für den Volkswillen einstehen.
Frau Egger, das Resultat zur AKW-Abstimmung ist mit einem
Ja-Anteil von 51,2 Prozent knapp ausgefallen. Wie stark schmerzt Sie
diese Niederlage?
Barbara Egger: Ich habe immer vermutet, dass es sehr knapp wird.
Insofern bin ich vom Abstimmungsresultat nicht überrascht. Es
freut mich, dass fast die Hälfte der Bernerinnen und Berner in der
AKW-Frage so denkt wie ich. Aber ich habe nun auch kein Problem damit,
diesen Volksentscheid zu akzeptieren und umzusetzen. Der Regierungsrat
wird jetzt beim Bund eine positive Stellungnahme zu Mühleberg II
einreichen.
Ist dieser Entscheid ein Misstrauensvotum gegenüber Ihrer
Energiepolitik?
Nein, das deute ich nicht so. Immerhin haben knapp 49 Prozent die
Meinung des Regierungsrates bei der AKW-Frage unterstützt.
In der Energiestrategie des Kantons Bern haben Sie den Ausstieg
aus der Atomenergie als Ziel formuliert. Muss der Regierungsrat die
Energiestrategie nach dem Ja zu Mühleberg nun überarbeiten?
Bei dieser Abstimmung ging es nur um die Stellungnahme, die der
Kanton beim Bund zu Mühleberg II einreichen wird, und nicht um die
kantonale Energiestrategie. Deshalb sehe ich jetzt auch keinen Grund
dafür, die Energiestrategie zu ändern.
Warum hat es aus Ihrer Sicht schliesslich nicht zu einem Nein
gereicht?
Bei diesem äusserst knappen Resultat ist dies schwer zu
sagen. Was mir aber auffällt, ist, dass auch in ländlichen
Gebieten die Skepsis gegenüber Atomstrom sehr gross ist. Dass der
Nein-Anteil in diesen Gebieten so hoch war, hat mich als AKW-Gegnerin
gefreut.
Wird der Regierungsrat bei der nationalen Abstimmung über
neue Atomkraftwerke auch wieder eine Nein-Parole herausgeben?
Ganz sicher nicht. Die kantonale Abstimmung kam ja nur zustande,
weil ich beim Grossen Rat einen Antrag gestellt habe. Wenn dieser nicht
angenommen worden wäre, hätte sich jetzt das Berner Stimmvolk
nicht zu dieser Frage äussern können. Das Volk hat sich nun
entschieden, und deshalb werden wir in zwei Jahren nicht wieder von
vorne beginnen. In den Jahren, in denen ich noch als Energiedirektorin
im Amt bin, werde ich diesen Volksentscheid vertreten.
Auch im Verwaltungsrat der BKW?
Ja, denn ich vertrete im Verwaltungsrat der BKW nicht mich
persönlich, sondern die Interessen des Kantons Bern. Deshalb werde
ich den Volkswillen jetzt auch in diesem Gremium vertreten. Da ich
meine persönliche Meinung aber nicht ändern werde, werde ich
es auch künftig nicht unterlassen, beim Thema AKW kritische Fragen
zu stellen. Das muss ich abgesehen davon auch, denn immerhin haben fast
49 Prozent der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger Nein zu
Mühleberg II gesagt.
Kritiker monieren, das Ja-Komitee habe für ihre Pro-Kampagne
deutlich mehr Geld zur Verfügung gehabt als die Gegner. Wie
beurteilen Sie die Ja-Kampagne?
Mir ist auch aufgefallen, dass das Ja-Lager gerade in den letzten
Wochen sehr grosse Inserate geschaltet hat. Welchen Einfluss dies aber
auf das Abstimmungsergebnis gehabt hat, kann ich nicht beurteilen.
Welche Rolle hat der Kanton Bern jetzt bezüglich
Mühleberg II noch? Ist das Thema für den Kanton Bern nach der
Eingabe der Stellungnahme beim Bund abgehakt?
Nein, diese Stellungnahme ist nur ein erster Schritt. Der Kanton
muss sich später noch einmal offiziell zum Thema Mühleberg II
äussern. Für mich ist klar, dass sich der Kanton auch dann
auf
den Volksentscheid beziehen wird.
Interview: Niklaus Bernhard
--
"Gegner hatten es einfacher als wir"
BKW-Präsident Urs Gasche ist nach dem Ja zu Mühleberg
II erleichtert, aber "nicht euphorisch". Die Ablehnung in den
Städten erachtet er als Tatsache, die es zu akzeptieren gilt.
Wird die BKW-Spitze das Abstimmungsergebnis zu Mühleberg II
mit einem Fest feiern?
Urs Gasche: Ich werde an keinem Fest teilnehmen, dafür bin
ich zu lange in der Politik. Ich bin weder bei einem Sieg euphorisch
noch in der Niederlage allzu niedergeschlagen. Aber natürlich bin
ich erleichtert, dass das Ergebnis so herausgekommen ist.
Erleichtert ist wohl eine Untertreibung: Für die BKW ging es
um eine Schicksalsfrage.
Ein Nein hätte erhebliche Konsequenzen für den Kanton
Bern und die BKW als Unternehmung gehabt. Es hätte bedeutet, dass
die BKW beim Bau und Betrieb von künftigen Kernkraftwerken zum
Juniorpartner geworden wäre. Er war zwar keine Schicksalsfrage,
bei der es um die Existenz der BKW ging, aber es war eine sehr wichtige
Entscheidung.
Welche Gründe haben aus Ihrer Sicht dazu geführt, dass
der Nein-Stimmen-Anteil so hoch ausfiel?
Die AKW-Gegner hatten es einfacher als wir mit unseren sachlichen
Argumenten. Sie haben beispielsweise das Thema des Zwischenlagers
skandalisiert - zu Unrecht. Wir haben die Unterlagen auf unsere Website
geladen, und da waren sie für jedermann einsehbar.
In den grösseren Städten wie Bern und Biel gab es ein
klares Nein. Wie gross ist Ihre Ernüchterung darüber?
Selbstverständlich hätte ich es lieber gehabt, wenn die
Zustimmung flächendeckend gewesen wäre. Aber es gilt, die
Gegebenheiten zu akzeptieren. Offensichtlich ist diese Frage auf das
Rechts-links-Schema reduziert worden, was mir unerklärlich ist.
Demzufolge stimmt eine linke Stadt eher gegen AKW.
Wie interpretieren Sie das Ergebnis im Hinblick auf den
eidgenössischen Urnengang, der in zwei bis drei Jahren stattfinden
wird?
Das Ergebnis ist sicher kein Hinweis darauf, dass der Bau neuer
Kernkraftwerke in einer nationalen Volksabstimmung chancenlos ist. Mehr
kann ich dazu nicht sagen.
Die BKW durfte keine eigentliche Kampagne organisieren. Wie stark
hat sich dies ausgewirkt?
Mich persönlich hat es gestört, dass uns in der
Information die Hände gebunden waren. Zudem hat es mich verletzt,
dass uns vorgeworfen wurde, dass wir die Tatsache verschwiegen
hätten, dass auch ein Zwischenlager geplant sei. Dem ist wie
erwähnt nicht so: Aus unseren Gesuchsunterlagen war klar
ersichtlich, dass wir in Mühleberg ein Zwischenlager planen.
Was erwarten Sie nun von der Berner Regierung, die sich bislang
negativ zu Mühleberg II geäussert hat?
Ich erwarte, dass sie den Entscheid zum Ersatzkernkraftwerk
akzeptiert. Und ich weiss, dass sie gemäss diesem Volksentscheid
handeln wird.
Erwarten Sie, dass sich das angespannte Verhältnis zwischen
der BKW-Spitze und der Berner Regierung verbessern wird?
Das Verhältnis ist nicht angespannt. Wir hatten in einer
Sachfrage eine unterschiedliche Meinung.
Dies führt meistens zu Spannungen.
Nein, bei Profis ist dies nicht der Fall. Beide Partner haben
respektiert, dass hier unterschiedliche Haltungen vorliegen. Sie haben
aber auch anerkannt, dass die Kompetenzbereiche unterschiedlich sind.
Wie hoch beurteilen Sie das Risiko, dass das nationale Parlament
entscheidet, dem Volk den Bau von nur einem AKW vorzuschlagen, was
Mühleberg aus dem Rennen werfen würde?
Diesbezüglich kann ich nichts ausschliessen. Aber ich
fände es sehr schade, wenn dies das Ergebnis der Beratungen des
eidgenössischen Parlaments wäre. Denn der Bedarf für
zwei neue AKW ist seriös berechnet worden.
Interview: Stefan Schnyder
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Bund 14.2.11
Vier von fünf Nidwaldnern lehnen Atomendlager ab
Nidwalden will keine Atomabfälle im Wellenberg, hat aber
nichts gegen Atomstrom.
Erwin Haas, Luzern
Zum fünften Mal in gut 20 Jahren hat sich das Nidwaldner
Stimmvolk gestern dagegen ausgesprochen, dass der Bund im Wellenberg im
Engelberger Tal ein Endlager für radioaktive Abfälle baut.
Und die Zahl jener, die dagegen sind, hat sich kontinuierlich
erhöht. Sogar die Standortgemeinde Wolfenschiessen, die sich das
Tiefenlager wegen verlockender Einnahmen lange Zeit wünschte, ist
jetzt dagegen.
Gestern Sonntag erhielt die Nidwaldner Regierung, die vom
Bundesrat den endgültigen Verzicht auf den möglichen
Tiefenlagerstandort im Wellenberg verlangt, die Unterstützung von
11 602 der Stimmenden oder 80 Prozent. Die Stimmbeteiligung betrug 51
Prozent. Bei den Abstimmungen über die Tiefenlagerkonzession 1995
sowie über die Bewilligung für Probebohrungen 2002 hatte der
Nein-Stimmen-Anteil noch 52 respektive 58 Prozent betragen. Danach
hatten sich auch die bürgerlichen Parteien und die Regierung gegen
die Pläne des Bundes gewandt.
Die Regierung argumentiert in ihrer Stellungnahme zuhanden des
Bundes damit, dass der Wellenberg zahlreiche geologische Bruchzonen
aufweise. Dessen Eignung für ein Endlager sei wegen der
fortwährenden Alpenfaltung unsicher. Wenn der Bundesrat Nidwalden
nicht von der Standortliste streiche, verstosse er zudem gegen Treu und
Glauben. Denn der damalige Umweltminister, Moritz Leuenberger, hatte
2003 in einer Interpellationsantwort im Nationalrat gesagt, im
Wellenberg werde es kein Tiefenlager geben.
Beim Wellenberg-Nein 1995 hatte derselbe Leuenberger von einem
Sankt-Florians-Entscheid gesprochen. Die Nidwaldner Regierung teilt
diese Ansicht nicht, auch wenn sich das Stimmvolk auf kantonaler und
nationaler Ebene schon mehrmals für den Atomstrom ausgesprochen
hat - letztmals im September 2010. Die Absicht des Bundes,
Atomabfälle bis 2030 im Inland zu lagern, werde auch von Nidwalden
unterstützt, sagt Baudirektor Hans Wicki - "aber am
sicherstmöglichen Ort, und das ist nicht der Wellenberg".
Der Bundesrat will bis im Herbst entscheiden, welche der sechs
möglichen Gebiete zur engeren Prüfung auf der Standortliste
bleiben. Für ein Lager für schwach- und mittelradioaktive
Abfälle sind gemäss den Expertisen des Bundes
grundsätzlich alle geeignet. Das Inspektorat sowie die
Kommissionen für nukleare Sicherheit sagen aber selber, dass es
geeignetere Standorte gebe als den Wellenberg.
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BZ 14.2.11
Wellenberg
Gegen ein Lager
Die Stimmberechtigten Nidwaldens lehnen ein Lager für
radioaktive Abfälle im Wellenberg weiter ab. Sie haben sich
gestern mit 11 602 zu 2948 Stimmen klar gegen ein mögliches
Tiefenlager im eigenen Kanton ausgesprochen. Die Stimmbeteiligung
betrug 50,76 Prozent.
Formal hiessen die Stimmberechtigten die Stellungnahme des
Regierungsrates an den Bund gut, der zurzeit einen Lagerstandort sucht.
Der Wellenberg sei aus der Liste der möglichen Standorte zu
streichen, verlangt die Kantonsregierung. Dass das Volk dasselbe
fordert, ist nicht überraschend. Es hatte 1995 und 2002 der
Nationalen Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver
Abfälle (Nagra) Konzessionen für Bohrungen verweigert. Zuvor
hatte es sich Mitspracherechte gesichert, weshalb es gestern Stellung
zur Haltung der Kantonsregierung beziehen konnte.
Nidwalden ruft dem Bundesrat in Erinnerung, dass er zugesichert
habe, dass es im Wellenberg kein Tiefenlager geben werde. Zudem seien
andere Standorte geologisch besser geeignet.
Zurzeit stehen sechs Standorte für ein Lager zur Diskussion.
Neben dem Wellenberg sind dies die Regionen Bözberg (AG),
Jura-Südfuss (SO/AG), Nördlich Lägeren (AG und ZH),
Südranden (SH) und Zürcher Weinland (ZH und TG). Der
Bundesrat wird dieses Jahr entscheiden, welche Gebiete im
Auswahlverfahren bleiben.
Die Kriterien für ein Lager für schwach- und
mittelradioaktive Abfälle werden von allen Standorten erfüllt.
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NLZ 14.2.11
Nidwaldens starkes Signal nach Bern
mu/sda.
Wellenberg Das Stimmvolk stärkt der Nidwaldner Regierung den
Rücken. Mit fast 80 Prozent Ja-Stimmen unterstützt es die
Stellungnahme zu den geologischen Tiefenlagern.
mu/sda. "Die Nidwaldner haben dem Antrag der Regierung auf
eindrückliche Art Folge geleistet", sagte ein erfreuter
Baudirektor Hans Wicki gestern im Regierungsgebäude in Stans. Mit
11 602 zu 2948 Stimmen haben sich die Nidwaldner gegen ein
mögliches Tiefenlager im eigenen Kanton ausgesprochen. Die
Stimmbeteiligung betrug 50,76 Prozent. "Der Regierungsrat fühlt
sich in seiner Politik bestätigt, die er beim Verfahren für
die geologischen Tiefenlager verfolgt." Dies sei nun bereits die vierte
Volksabstimmung gewesen, die sich gegen ein Tiefenlager wehrt. "Wir
hoffen, dass das auch ein klares Zeichen gegenüber dem Bundesrat
ist." Es sei wichtig, in der jetzt laufenden ersten Phase des
Verfahrens auszuscheiden. Ansonsten bleibe der Wellenberg, egal wie
geeignet oder ungeeignet er sei, bis ganz zum Schluss auf der Liste.
Die Präsidenten von SVP, CVP, FDP und Grünen waren sich
einig, dass das Resultat ein klares Verdikt sei, das es zu respektieren
gelte. Den im Vergleich zu den meisten anderen Gemeinden hohen
Nein-Anteil von fast 30 Prozent in der Wellenberg-Gemeinde
Wolfenschiessen interpretierte SVP-Präsident Peter R. Wyss
dahingehend, dass das Rennen offengehalten werden soll. Wenn der Bund
Wort halte, dass nur das Gelände ausgewählt werde, das am
geeignetsten ist, sollte man von Seiten der Regierung gar nicht
eingreifen müssen. Auch diese kritischen Stimmen müsse man
ernst nehmen.
Zuversicht bei den Grünen
Norbert Furrer, Präsident der Grünen Nidwalden, hielt
fest, dass zum ersten Mal in einer Abstimmung alle Nidwaldner Gemeinden
ganz klar sagten, dass sie das Endlager nicht wollten. Die Grünen
seien froh und auch dankbar, dass die ungeklärten Fragen zur
Tektonik untersucht worden seien. "Wenn wir nicht zunächst gegen
den Druck der andern Parteien gegen das Endlager gewehrt hätten,
dann wären wir jetzt nicht so weit, dieses Zeichen zu setzen. Dann
würde man heute am Wellenberg lochen, und der Sondierstollen
wäre im Bau." Furrer ist zuversichtlich, dass der Wellenberg von
der Liste möglicher Endlager gestrichen wird.
Uvek nimmts "zur Kenntnis"
Der Bund kommentiert das Nein des Kantons Nidwalden nicht. Das
zuständige Departement teilte am Sonntag mit, es habe den
Entscheid "zur Kenntnis genommen". Bei der definitiven Standortwahl
würden die Meinungsäusserungen der Bevölkerung aus
betroffenen Kantonen "selbstverständlich mit berücksichtigt",
schreibt das Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und
Kommunikation (Uvek) in einer Mitteilung.
--
Die Antwort der Regierung
Vernehmlassung
mu. Der Nidwaldner Regierungsrat will, dass der Bund den
Wellenberg als möglichen Standort für ein Endlager streicht.
Das schreibt er in der Vernehmlassung zum Sachplanverfahren geologische
Tiefenlager, über die die Nidwaldner gestern abgestimmt haben.
Abgestimmt wurde, weil die Nidwaldner Kantonsverfassung die Mitsprache
des Volkes zu Belangen von Atomanlagen auf dem Gebiet des Kantons
vorschreibt.
Ungünstige Geologie
Massive Bedenken äussert der Regierungsrat in Bezug auf die
Geologie und die Tektonik. Dabei stützt sich die Regierung auch
auf ein Gutachten des Tektonikers Jon Mosar von der Universität
Freiburg. Mosar stuft das Standortgebiet Wellenberg als ungünstig
ein. Der Untergrund weise einen geologisch komplexen Aufbau auf. Es
gebe noch immer beträchtliche Ungewissheiten darüber, wie es
im Inneren des Wellenbergs aussieht. Auch ein Sondierstollen
könnte nicht ausschliessen, dass beim Bau eines Tiefenlagers
unerwartete Strukturen gefunden würden, schrieb die Regierung in
den Abstimmungsunterlagen.
Schon dreimal Nein
Der Nidwaldner Regierungsrat bringt in seiner Stellungnahme auch
demokratierechtliche Gründe ins Spiel. Die Nidwaldner
Bevölkerung habe in drei Abstimmungen seit 1988 deutlich gegen den
Wellenberg Stellung genommen. Zwar seien bei der Revision des
Kernenergiegesetzes die bisherigen formellen Mitspracherechte der
Kantone und Gemeinden eliminiert und auf ein nationales Referendum
reduziert worden. Das dürfe jedoch nicht dazu führen, dass
die vor den Gesetzesänderungen geäusserten Meinungen einfach
übergangen würden.
Die Vernehmlassungsantwort finden Sie auf
http://www.nw.ch/dl.php/de/4d0b2aefa32eb/2010-12-17_vernehmlassung_wellenberg.pdf
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sf.tv 13.2.11
Nein zum Wellenberg-Tiefenlager: Bund nimmt Votum zur Kenntnis
Der Bund kommentiert das Nein des Kantons Nidwalden zu einem
Lager für radioaktive Abfälle im Wellenberg nicht. Das
zuständige Departement teilte mit, es habe den Entscheid "zur
Kenntnis genommen".
sda
Bei der definitiven Standortwahl würden die
Meinungsäusserungen der Bevölkerung aus betroffenen Kantonen
"selbstverständlich mitberücksichtigt", schreibt das
Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK)
in einer Mitteilung.
Das UVEK ruft in Erinnerung, dass die Standortsuche in drei
Etappen durchgeführt wird, die innert zehn bis zwölf Jahren
zu einem Resultat führen sollen. Derzeit würden die
Stellungnahmen aus der öffentlichen Anhörung zur ersten
Etappe ausgewertet.
Das letzte Wort hat der Souverän
Der Bundesrat werde voraussichtlich im Herbst entscheiden, welche
Standortgebiete im weiteren Auswahlverfahren verbleiben würden. In
der zweiten Etappe würden die Standortgebiete sicherheitstechnisch
vertieft untersucht. In der dritten Etappe erfolge dann die definitive
Standortwahl, und das Rahmenbewilligungsverfahren werde eingeleitet.
Der Bundesrat wird seinen Entscheid dem Parlament unterbreiten.
Der Entscheid des Parlaments wiederum unterliegt dem fakultativen
Referendum. Das letzte Wort wird also das Schweizer Stimmvolk haben.
Eine Referendumsabstimmung zu den Rahmenbewilligungsgesuchen
könnte um das Jahr 2020 stattfinden, schreibt das UVEK. Ziel sei
es, im Jahr 2030 ein Lager für die schwach- und mittelradioaktiven
Abfälle und 2040 ein Lager für die hochradioaktiven
Abfälle in Betrieb zu nehmen.
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sf.tv 13.2.11
AKW-Abstimmung: SP und Grüne betonen hohen Nein-Anteil
sf/sda/schj/hues
Das Berner Stimmvolk stehten einem neuen AKW positiv
gegenüber. Bei der Konsultativabstimmung zu Mühleberg II
sagten 51,2 Prozent Ja. In ersten Reaktionen sahen sich SP und
Grüne dennoch gestärkt im Kampf gegen die Atomkraft. Für
die bürgerlichen Parteien bedeutet das Ja ein Bekenntnis zum
Standort Mühleberg.
Die Niederlage für das links-grüne Lager hatte sich
schon bei ersten Hochrechnungen abgezeichnet. "Es wird eindeutig
knapp", sagte Roland Näf, Präsident der bernischen SP am
Nachmittag.
Dennoch würde er bei einer knappen Niederlage zufrieden
sein, zumal bei der Berner Bevölkerung, die in der Vergangenheit
stets kernkraftfreundlich gewesen sei, eine Entwicklung auszumachen
sei. So kam es denn auch.
"Selbst wenn wir verlieren, können wir zufrieden sein, denn
die Unterstützung für die Atomkraft bröckelt", sagte
Näf weiter. Bei einer weiteren Abstimmung würden sich die
Atomkraftgegner wohl durchsetzen können, sagte er.
"Solide Basis"
Auch der Berner GFL-Nationalrat Alec von Graffenried sagte, der
hohe Nein-Stimmen-Anteil sei eine "solide Basis" für den weiteren
Kampf gegen neue Atomkraftwerke. Dass fast jeder zweite Berner gegen
Mühleberg gestimmt habe, sei angesichts der massiven Kampagne der
AKW-Befürworter sehr erfreulich.
Die Mittel im Abstimmungskampf seien doch sehr ungleich verteilt
gewesen, hielt von Graffenried weiter fest. Dazu komme, dass sich
manche Stimmbürger in der Energiefrage offenbar alle Optionen
offen halten wollten - ein Nein in der Konsultativabstimmung wäre
schon jetzt das "definitive Aus" für Atomkraftwerke gewesen.
So oder so glaubt von Graffenried nicht, dass in der Schweiz noch
jemals ein AKW gebaut wird. Diese veraltete Technologie habe keine
Zukunft und sei mit vielen Problemen behaftet.
Bekenntnis zum Standort
Anders sieht dies FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen. Mit der
Ja-Mehrheit für ein neues AKW sei dies ein Bekenntnis der Berner
Bevölkerung zum Standort Mühleberg.
Das sei deshalb hervorzuheben, weil die bernische
Kantonsregierung mit einer Angstkampagne gegen ein neues AKW
gekämpft habe, aber auch weil die Presse mehr über die Gegner
geschrieben habe, sagte Wasserfallen. Er sei froh, dass sich die Berner
Bevölkerung scheinbar doch für die Versorgungssicherheit und
den Standort im Kanton Bern ausgesprochen habe.
"Berner Volk hat Kurs der Regierung korrigiert"
Der Präsident der kantonalbernischen SVP, Rudolf Joder, hat
erfreut auf das sich Ja zu Mühleberg II reagiert. Das Volk habe
damit den atomfeindlichen Kurs des rotgrünen Regierungsrats
korrigiert, sagte Joder im Schweizer Fernsehen.
Die Regierung sei bekanntlich "dem Grossen Rat in den Rücken
gefallen", indem sie Mühleberg II gegen den Willen des Parlaments
bekämpft habe, sagte Joder. Diesen Vorgang werde man politisch
noch aufarbeiten müssen.
Der Souverän habe sich davon aber nicht beeindrucken lassen.
Die Mehrheit der Stimmenden habe erkannt, dass ohne Atomenergie eine
Stromlücke drohe, sagte Joder.
Entscheid für sichere Energieversorgung
In der Parteipräsidenten-Runde im Schweizer Fernsehen
zeigten sich vor allem die bürgerlichen Vertreter zufrieden mit
dem Resultat der Konsultativabstimmung. Das Berner Stimmvolk habe die
Realität erkannt, dass die alternativen Energien die AKW nicht
ersetzen könnten, sagte beispielsweise FDP-Präsident Fulvio
Pelli. Auch CVP-Präsident Christophe Darbellay stellte fest, eine
sichere Energieversorgung sei mit erneuerbaren Energie heute noch nicht
möglich.
Für SVP-Präsident Toni Brunner ist das Berner Verdikt
nur ein Vorentscheid. "Das Schweizer Volk wird sowieso das letzte Wort
haben. Das Referendum ist so sicher wie das Amen in der Kirche." Man
müsse sich entscheiden: "Wollen wir einheimische Stromproduktion
als Ergänzung zu den erneuerbaren Energien und zur Wasserkraft
oder will man abhängig werden vom Ausland und damit auch
höhere Preise in Kauf nehmen."
Grünen-Präsident Ueli Leuenberger hält rund 48 %
Nein-Stimmen für ein gutes Resultat. Insbesondere in einem Kanton,
der wie der Kanton Aargau, traditionell Pro AKW sei. Die wirkliche
Debatte über den Atomstrom habe aber noch nicht begonnen.
Auch für SP-Präsident Christian Levrat fängt die
Diskussion erst an. Sollten dereinst AKW gebaut werden, dürfe man
keinesfalls die Investitionen in die erneuerbaren Energien vergessen.
Hier müssten auch die Energiekonzerne in die Pflicht genommen
werden.
Konsultativabstimmung
Die Bernerinnen und Berner konnten sich konkret zu einer
Stellungnahme des Kantons Bern gegenüber dem Bund für den
Ersatz des Kernkraftwerks Mühleberg äussern. Die Abstimmung
hat lediglich konsultativen Charakter, gilt aber als wichtiges Signal
für kommende AKW-Abstimmungen auf nationaler Ebene.
Der Bund kommentierte den Ausgang der Mühleberg-Abstimmung
im Kanton Bern nicht. Das zuständige Departement teilte mit, es
nehme das Resultat der konsultativen Abstimmung zur Kenntnis.
Standortwahl bleibt offen
Anders die Energiekonzerne Alpiy und Axpo: Zwar habe die
Volksabstimmung keinen direkten Einfluss auf die Standortauswahl, wie
eine Axpo-Sprecherin sagte. Alle drei Standorte (Mühleberg,
Gösgen und Beznau) für neue Atomkraftwerke bleiben nach dem
knappen Ja der Stimmberechtigten des Kantons Bern zu einem neuen AKW
Mühleberg in der Diskussion.
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presseportal.ch 13.2.11
BKW FMB Energie AG/ Konsultativabstimmung Ersatzkernkraftwerk
Mühleberg: Standort Mühleberg gestärkt
Bern (ots) - Die BKW FMB Energie AG (BKW) nimmt mit Befriedigung
zur Kenntnis, dass die Berner Stimmberechtigten mehrheitlich der
positiven Stellungnahme des Kantons Bern zum Ersatzkernkraftwerk
Mühleberg zugestimmt haben. Diese Zustimmung stärkt den
für die Versorgungssicherheit der ganzen West- und Nordwestschweiz
wichtigen Standort Mühleberg. Der definitive Entscheid über
das Ersatzkernkraftwerkprojekt wird auf nationaler Ebene gefällt
werden.
Dass die Mehrheit der Stimmberechtigten des Kantons Bern dem
Projekt für die Realisierung eines Ersatzkernkraftwerks am
Standort Mühleberg zustimmt, hat Signalwirkung. Diese Zustimmung
stärkt sowohl den Standort Mühleberg als auch die BKW, die
auf einen technologisch diversifizierten, nahezu CO2-freien
Produktionspark und einen hohen Versorgungsstandard setzt. Sie
trägt der Tatsache Rechnung, dass der Standort Mühleberg eine
wichtige Rolle für die Stromversorgung des Grossraums Bern, der
Nordwest- und der Westschweiz spielt. Eine Realisierung des Projekts
stärkt den Kanton Bern und schafft wertvolle Arbeitsplätze.
Die BKW sieht sich nach diesem positiven Resultat darin
bestärkt, das Projekt im Kontakt und Dialog mit der Gemeinde
Mühleberg und den angrenzenden Gemeinden sowie weiteren
Interessierten zu vertiefen.
Kontakt: BKW FMB Energie AG Media Communications Tel. 031 330 51
07
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swissinfo.ch 13.2.11
Kernkraft dominiert kantonale Abstimmungen
swissinfo
In den Kantonen Bern und Nidwalden wurde über
richtungsweisende Vorlagen für die Kernkraft abgestimmt. Das
Nidwaldner Stimmvolk lehnt ein Lager für radioaktive Abfälle
ab. Die Stimmenden im Kanton Bern sprechen sich knapp für ein
neues Kernkraftwerk aus.
Die Abstimmung im Kanton Bern hatte zwar lediglich konsultativen
Charakter, gilt aber als wichtiges Signal für kommende
Abstimmungen über Kernkraftwerke (KKW) auf nationaler
Ebene. Die Bernerinnen und Berner konnten sich zu einer
Stellungnahme des Kantons Bern gegenüber dem Bund für den
Ersatz des Kernkraftwerks Mühleberg äussern. 51,2
Prozent der Stimmenden sprachen sich für ein neues KKW aus. Damit
muss der rot-grüne Regierungsrat nun dem Bund mitteilen, dass der
Berner Souverän für den Ersatz des KKW Mühleberg sei.
Der Weg zu einem neuen Kernkraftwerk ist allerdings noch
weit. Neubauprojekte gibt es auch in Beznau AG und
Gösgen SO. Bern ist aber der einzige Standortkanton, der das Volk
befragte. Der Bundesrat dürfte nächstes Jahr über die
Gesuche entscheiden. Das letzte Wort haben voraussichtlich 2013 die
Schweizer Stimmberechtigten. Im Kanton Bern haben sich
Befürworter und Gegner der Atomkraft in den letzten Wochen einen
erbitterten Abstimmungskampf geliefert. Die Befürworter,
angeführt vom bürgerlichen Lager und unterstützt vom
Energiekonzern BKW, machten geltend, ohne Atomkraft drohe eine
Stromlücke. Die Gegner - vorab aus dem rot-grünen
Lager - verwiesen auf die Sicherheitsrisiken von Atomkraftwerken und
forderten, das Geld stattdessen in erneuerbare Energien zu investieren.
Kein Tiefenlager im Wellenberg
Formal hiessen die Stimmenden im Kanton Nidwalden die
Stellungnahme des Regierungsrates an den Bund gut, der zur Zeit einen
Lagerstandort für ein Tiefenlager sucht. Der
Wellenberg sei aus der Liste der möglichen Standorte zu streichen,
verlangt die Kantonsregierung. Dass das Volk dasselbe
fordert, ist nicht überraschend. Es hatte 1995 und 2002 der
Nationalen Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver
Abfälle (Nagra) Konzessionen für Bohrungen
verweigert. Nidwalden ruft dem Bundesrat in Erinnerung,
dass er nach der letzten Wellenberg-Abstimmung zugesichert habe, dass
es im Wellenberg kein Tiefenlager geben werde. Zudem seien andere
Standorte geologisch besser geeignet als der Wellenberg.
Zur Zeit stehen sechs Standorte für ein Tiefenlager zur
Diskussion. Neben dem Wellenberg sind dies die Regionen Bözberg
(AG), Jura-Südfuss (SO/AG), Nördlich Lägeren (AG und
ZH), Südranden (SH) und Zürcher Weinland (ZH und
TG). Der Bundesrat wird dieses Jahr entscheiden, welche Gebiete im
Auswahlverfahren bleiben. Die Kriterien für ein Lager
für schwach- und mittelradioaktive Abfälle werden von allen
Standorten erfüllt. Das Nuklear-Sicherheitsinspektorat sowie die
Kommissionen für nukleare Sicherheit und für nukleare
Entsorgung kamen aber zum Schluss, dass es besser geeignete Standorte
gebe als der Wellenberg.
Keine Gnade für Steuersünder
Das Genfer Stimmvolk hat die geplante Steueramnestie
bachab geschickt. Diese wäre wesentlich grosszügiger
ausgestaltet gewesen als jene des Bundes.
Steuersünder, die sich bis Ende 2011 selbst angezeigt hätten,
hätten auf die Nachsteuer einen 70-Prozent-Rabatt
erhalten. Die Bürgerlichen wollten mit diesem
grosszügigen Angebot möglichst viele Steuersünder zu
einer Selbstanzeige animieren, um so die Staatskasse zu
füllen. Für die Linke verletzte die Vorlage das
Recht auf Gleichbehandlung und den Grundsatz der Besteuerung
gemäss wirtschaftlicher Fähigkeit. Deshalb hatten sie beim
Bundesgericht gegen die Steueramnestie Beschwerde eingereicht. Der
Entscheid der Bundesrichter in Lausanne steht noch aus.
Nein zur freien Schulwahl
Auch im Kanton St. Gallen wird es keine freie Schulwahl
geben: Die Initiative "Freie Schulwahl auf der Oberstufe" der
Eltern-Lobby und der Jungfreisinnigen wurde deutlich
abgelehnt. In den Kantonen Thurgau und Basel-Landschaft
hatte das Volk ähnlichen Initiativen jeweils eine deutliche Abfuhr
erteilt. Im Kanton Zürich ist ein ähnliches Begehren
hängig. Im Kanton Solothurn zog die Eltern-Lobby
Schweiz eine solche Initiative zurück, nachdem das Begehren im
Parlament keine Chance hatte.
Velofahrer ausgebremst
Die Luzerner Regierung muss fürs Velo fahren nicht
stärker in die Pedale treten. Die Stimmenden haben eine
Initiative, die eine verstärkte Förderung des Fahrradverkehrs
forderte deutlich abgelehnt. Die Volksinitiative "Mehr
fürs Velo" verlangte, dass der Anteil des Veloverkehrs an den
Wegetappen innerhalb von zehn Jahren verdoppelt wird. Heute werden im
Kanton Luzern 7,4 Prozent aller Wegetappen mit dem Fahrrad
zurückgelegt. Der Schweizer Schnitt liegt bei 5,3 Prozent.
Landesmuseum wird erweitert
Dem geplanten Erweiterungsbau des Landesmuseums in
Zürich steht nichts mehr im Weg: Die Stimmenden des Kantons
Zürich haben deutlich Ja gesagt zum Kantonsbeitrag von 20
Millionen Franken. Das Geld wird dem Lotteriefonds entnommen.
swissinfo.ch und agenturen
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Freiburger Nachrichten 12.2.11
Berner sagen ihre Meinung zu Mühleberg
Freiburg Das Atomkraftwerk Mühleberg liegt in unmittelbarer
Nähe zu zahlreichen Freiburger Gemeinden. An diesem Wochenende
können aber nur die Bernerinnen und Berner in einer
Konsultativabstimmung sagen, was sie von der Idee eines neuen
Atomkraftwerks in Mühleberg halten. In den Freiburger
Nachbargemeinden ist die Abstimmung kein Thema. "Die Leute wissen, dass
sie nichts sagen können", sagt Louis Casali, Ammann von
Bösingen. Politikerinnen und Politiker hingegen möchten sehr
wohl mitreden. njb
Bericht Seite 2
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Das Atomkraftwerk vor Freiburgs Tür
Die Bernerinnen und Berner können an der Urne sagen, was sie
vom Atomkraftwerk Mühleberg halten. Einwohner von Kerzers oder
Bösingen, die nahe am Kraftwerk wohnen, haben jedoch nichts zu
sagen. Das scheint sie nicht zu stören. Grossräte aber
fordern eine Mitsprache.
Nicole Jegerlehner
An diesem Wochenende stimmt die Bevölkerung im Kanton Bern
über ein umstrittenes Thema ab: Soll der Kanton Bern zuhanden des
Bundes eine positive Stellungnahme zum geplanten Neubau eines
Atomkraftwerks in Mühleberg abgeben? Die kantonale Abstimmung ist
konsultativer Natur, rechtlich also nicht bindend. Trotzdem schaut die
ganze Schweiz auf Bern - denn die Frage des Atomstroms ist wieder
aktuell. Und bald schon stehen nationale Referenden an (siehe Kasten
links).
Jodtabletten im Schrank
Freiburgerinnen und Freiburger schauen erst recht auf die Berner
Abstimmung. Denn sie wohnen teilweise sehr nahe am Atomkraftwerk (AKW)
Mühleberg. Wer in Alterswil, Düdingen, Freiburg, Gurmels,
Heitenried, Schmitten, Wünnewil-Flamatt oder 32 weiteren
Freiburger Dörfern wohnt, lebt in der sogenannten Zone 2: Diese
Gemeinden befinden sich in einem Umkreis von rund zwanzig Kilometern
des Atomkraftwerks. Ihre Einwohner haben zu Hause Jodtabletten - um sie
bei einem Unfall im Atomkraftwerk sofort schlucken zu können. Das
Kaliumiodid soll vor Schilddrüsenkrebs schützen.
"Kein Thema"
In den Freiburger Dörfern rund um Mühleberg ist die
Konsultativabstimmung kein Thema. So sagt Susanne Schwander-Gerber,
Gemeindepräsidentin von Kerzers: "Wir sind gewöhnt daran, mit
dem Atomkraftwerk vor dem Haus zu leben." Sie wisse, dass in Bern eine
grosse Polemik um die Abstimmung entstanden sei. "Bei uns aber ist das
kein Thema." So auch in Bösingen: "Bei uns hört man nichts
von dieser Abstimmung", sagt Ammann Louis Casali. "Die Leute wissen,
dass sie nichts sagen können - die Abstimmung findet ja im Kanton
Bern statt und ist erst noch nur konsultativ." Der Gemeinderat von
Bösingen habe auch vor zwei Jahren, als es um die
Verlängerung der Betriebsbewilligung für das AKW
Mühleberg gegangen sei, keine Stellungnahme abgegeben. "Das war
Aufgabe des Kantons."
Parlament wird debattieren
Damals sprach sich der Staatsrat gegen eine unbefristete
Bewilligung aus - der Bund erteilte sie trotzdem. Zurzeit läuft
eine neue Vernehmlassung; diesmal geht es um die
Rahmenbewilligungsgesuche für neue Atomkraftwerke (siehe Kasten
links). "Wir werden die Frage vor den Grossen Rat bringen", sagt Erwin
Jutzet, Staatsratspräsident und Sicherheitsdirektor. Und auch der
Ausgang der Konsultativabstimmung im Kanton Bern werde die Antwort des
Staatsrats beeinflussen. Die Regierung selber habe die Frage lange
diskutiert, sagt Jutzet - ohne aber verraten zu wollen, wie der
Staatsrat sich zum Thema stellt.
Das Volk befragen?
Auf eine Anfrage der SP antwortete der Staatsrat, dass "die Frage
der Elektrizitätsversorgung nicht allein auf die Debatte um die
Kernenergie reduziert werden darf". Die SP hatte auch gefragt, ob das
Stimmvolk sich nicht bereits jetzt zu den neuen Atomkraftwerken
äussern sollte. Dies lehnt der Staatsrat ab. Eine Motion, welche
die Christlich-Soziale Partei Freiburgs anfangs Woche lanciert hat,
geht jedoch genau in diese Richtung (FN vom Dienstag).
Der grüne Stadtfreiburger und Generalrat Rainer Weibel
meint: "Es ist schon fragwürdig, dass wir - die näher am
Atomkraftwerk wohnen als ein Berner Oberländer - nichts zu
Mühleberg sagen können." Bei Fragen rund um Atomkraftwerke
seien "Kantonsgrenzen nicht mehr sachgerecht."
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Neue AKW: Berner könnten den Standortentscheid vorspuren
Das Berner Stimmvolk sagt in einer Konsultativabstimmung, was es
von Strom aus Atomkraftwerken hält (siehe Haupttext). Einen
verbindlichen Entscheid über eine Rahmenbewilligung für neue
AKW wird das Schweizer Stimmvolk voraussichtlich 2013 oder 2014
fällen. Denn die Schweizer Energiekonzerne Axpo, Alpiq und BKW
werden Gesuche für neue AKW einreichen. Stimmt der Bundesrat zu,
wird das eidgenössische Parlament und letztlich das Schweizer Volk
entscheiden, ob neue Kraftwerke gebaut werden.
Axpo, Alpiq und BKW haben sich auf eine gemeinsame Strategie mit
zwei neuen AKW geeinigt. Bisher sind Projekte für drei Neubauten
hängig. Axpo und BKW möchten im aargauischen Beznau und im
bernischen Mühleberg je ein neues Werk bauen, Alpiq eines in
Gösgen im Kanton Solothurn.
Die Berner Konsultativabstimmung gilt als Stimmungstest in der
Atomfrage, aber auch als Vorentscheid in der Standortfrage: Sagt das
Volk Nein zu Mühleberg, dürfte das Projekt aus dem nationalen
Rennen sein. njb
Altes AKW: Einsprache gegen die unbefristete Betriebsbewilligung
Der Bund hat dem Atomkraftwerk (AKW) Mühleberg im Dezember
2009 die unbefristete Betriebsbewilligung erteilt. Dagegen haben 108
Anwohner Einsprache erhoben; sie verlangten Einblick in die
Sicherheitsunterlagen, um belegen zu können, dass der Reaktor des
fast vierzigjährigen Kraftwerks nicht mehr genügend sicher
sei. Die Einsprecher kritisieren unter anderem die altersbedingten
Risse im Kernmantel und die Zugankerkonstruktion, mit welcher der
Kernmantel instand gehalten wird.
Das Bundesverwaltungsgericht fällte im vergangenen Dezember
einen Zwischenentscheid: Die Einsprecher erhielten Einsicht -
allerdings nur in einen Teil der Akten. "Dank dieser Einsicht haben wir
mehr Material für unsere Beschwerde gewonnen", sagt Rainer Weibel,
Freiburger und Anwalt der Einsprecher. Allerdings hätte er sich
eine grössere Einsicht gewünscht.
Gewinnen die Beschwerdeführer, läuft die
Betriebsbewilligung Ende 2012 aus; das AKW Mühleberg müsste
auf diesen Zeitpunkt hin abgeschaltet werden. njb
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Südostschweiz 11.2.11
Berner AKW-Abstimmung strahlt national aus
Am Sonntag stimmt der Kanton Bern über ein neues AKW in
Mühleberg ab. Rechtlich ist der Entscheid nicht bindend, aber
politisch ist er wenige Jahre vor der nationalen AKW-Abstimmung
schweizweit bedeutend.
Von Barbara Spycher
Bern. - Wenn am Sonntag die Berner Stimmzettel ausgezählt
werden, schaut die ganze Schweiz hin. Denn die knapp eine Million
Einwohnerinnen und Einwohner des zweitgrössten Kantons stimmen
darüber ab, ob sie im bernischen Mühleberg ein neues AKW
wollen oder nicht. Mühleberg II wäre viermal
leistungsfähiger als der bestehende bald 40-jährige Reaktor,
der zwölf Kilometer westlich der Stadt Bern steht und in
voraussichtlich zehn Jahren vom Netz gehen soll.
Der Berner Urnengang ist der erste und letzte - und zudem
konsultative - Stimmungstest, bevor voraussichtlich 2013 oder 2014 die
Stimmbürger der Schweiz darüber entscheiden, ob zwei neue AKW
- zur Auswahl stehen Beznau im Aargau, Gösgen im Kanton Solothurn
und Mühleberg - gebaut werden.
Die Bernerinnen und Berner werden schon jetzt an die Urne
gerufen, weil Regierung und Parlament die Stellungnahme des
Standortkantons Bern zu Mühleberg II dem Volk unterbreiten
wollten. Die rot-grüne Regierung ist gegen ein neues AKW, das
bürgerlich dominierte Parlament dafür.
Alle Register werden gezogen
Sollten die Berner ein neues AKW ablehnen, dürften die
Chancen für einen Neubau auf Berner Boden aber markant sinken,
auch wenn der Energiekonzern BKW als Betreiber betont, sein Gesuch
selbst dann nicht zurückziehen zu wollen. Doch dann hätten
Gösgen und Beznau die deutlich besseren Karten. Im Berner
Abstimmungskampf werden sämtliche Re- gister gezogen, und die
Emotionen gehen hoch. Viel kritisiert wurde etwa der Rückzieher
beim "grünen Strom", den die BKW wenige Wochen vor dem Urnengang
angekündigt hatte: Wegen des zunehmenden Widerstands gegen
Windparks und Kleinwasserkraftwerke sei es unmöglich, bei den
erneuerbaren Energien die Ziele des Bundes zu erreichen. Die BKW werde
ihre Ausbauprojekte in der Schweiz bis ins Jahr 2030 um 40 Prozent
reduzieren. Die implizite Botschaft "ohne AKW geht es nicht" wirkte
etwas gar durchsichtig. Doch auch die rot-grüne Berner Regierung
musste Schelte einstecken: An einer Medienkonferenz hatte sie
dargelegt, wieso sie sich gegen Mühleberg II ausspricht. Das war
den Bürgerlichen der "Information" zu viel.
Radioaktiver Müll inklusive
Der grösste Aufreger aber entstand um zwei Zwischenlager
für radioaktive Abfälle, welche das neue AKW beinhalten
würde. Zwar stehen diese im Gesuch der BKW, doch der Konzern
selber verschwieg sie vornehm. Auch Politiker thematisierten sie nicht
und selbst im Abstimmungsbüchlein steht nichts dazu. Der Grund
hierfür: Die Kantonsparlamentarier hatten das Gesuch nicht richtig
studiert. Erst durch Medienberichte wurde publik, dass diese
Zwischenlager für hochradioaktive und mittelaktive Abfälle
geplant seien und nicht nur Platz für die Brennstäbe aus dem
neuen und dem alten AKW Mühleberg, sondern auch für Abfall
aus anderen Schweizer AKW hätten.
Wie sehr diese Enthüllungen den AKW-Gegnern in die
Hände spielen, wird sich weisen. Ebenso, wovor die
Bevölkerung mehr Angst hat: Vor einer vermeintlichen
Stromlücke oder vor der radioaktiven Strahlung bei einem Unfall
wie in Tschernobyl. Auf diese Emotionen wird der Abstimmungskampf auf
den Berner Plakatwänden von Befürwortern und Gegnern
reduziert.
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Finanz und Wirtschaft 12.2.11
Kernenergie vor Lackmustest
Berner Abstimmung zum BKW-Standort Mühleberg hat Signalwirkung
Christoph Gisiger
Dieses Wochenende stimmt der Kanton Bern über den Ersatz des
BKW-Kernkraftwerks Mühleberg ab. Rechtlich hat das Resultat zwar
keinen bindenden Charakter, für die Debatte um die Kernenergie
wird es jedoch Richtungsweisend sein. Als Standortkanton ist der Kanton
Bern im Rahmen des Kernenergiegesetzes zur Stellungnahme zum geplanten
Neubau eingeladen. Der Grosse Rat, die Legislative, hat den Ersatz des
bestehenden Kernkraftwerks am gleichen Standort deutlich gutgeheissen.
Er hat seinen Beschluss dem obligatorischen Referendum unterstellt,
nicht zuletzt auch, weil sich der Regierungsrat explizit gegen das
Bauvorhaben ausspricht.
Eine Prognose über den Ausgang der Abstimmung fällt
schwer. Die Meinungen im Kanton sind geteilt, und auch in der
Strombranche selbst wird mit einem knappen Ergebnis gerechnet.
Auf das Tagesgeschäft der BKW hat der Entscheid keine
direkten Folgen. In letzter Minute hat sich der Berner Versorger mit
Axpo und Alpiq auf ein gemeinsames Vorgehen zum Bau neuer
Kernkraftwerke geeinigt. Auch hat der Konzern mit der Beteiligung an
einem bald fertig gestellten Kohlekraftwerk in Deutschland seine
Produktion zu einem wichtigen Teil abgesichert, wenn der alte Reaktor
in Mühleberg zwischen 2020 und 2025 vom Netz geht. Nach einem Nein
des Kantons Bern wird es auch für die alternativen Standorte
Beznau und Gösgen ungemütlich. Der politische Gegenwind macht
einen nationalen Abstimmungserfolg schwerer.PM/CG
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Tagesanzeiger 11.2.11
In Mühleberg hat das lange Brüten bald ein Ende
Wie das Dorf Mühleberg den Abstimmungskampf um das neue AKW
bewältigte. Und warum man froh ist, dass nun abgestimmt wird.
Von Jean-Martin Büttner, Mühleberg
Das Atomkraftwerk strahlt in die Nacht hinaus, die Aare gleitet
im Dunkeln vorbei, es ist niemand zu sehen, obwohl der Ort genau
bewacht wird. Hinter dem Hügel, in einer weiten Landschaft im
Westen von Bern, liegt Mühleberg, Hauptort einer Gemeinde mit 13
Dörfern.
Von dort aus ist das Werk so wenig zu sehen wie die
Reststrahlung, die ihm seit 1972 entweicht. Diese habe noch niemandem
geschadet, beschwichtigen die einen. Sie erhöhe die Krebsgefahr,
behaupten die anderen. Beweisen lässt sich keines von beiden, weil
die Schweiz kein nationales Krebsregister führt.
Die Häuser drängen sich entlang der Hauptstrasse,
ducken sich unter dem Hügel mit der Kirche drauf. Durch die
Fenster leuchtet der Strom in die Nacht, ohne den nichts mehr geht.
Dass der auch aus Atomkraftwerken kommt, stört hier nur wenige. Im
ganzen Kanton hängen Abstimmungsplakate zur Abstimmung über
Mühleberg II (siehe Artikel rechts), hier hängen keine. Das
ganze Land schaut auf das Dorf, doch hier gibt es nichts zu sehen.
Bitte nicht diese Gefühle
Und schon gar nichts zu reden; Mühleberg ist zur atomfreien
Zone geworden. Die Einwohner haben keine Lust mehr, auf der Strasse
oder in der Beiz ihre Meinung zum geplanten Kraftwerk abzugeben. Als
die Bernischen Kraftwerke unlängst in Lyss aus ihrer Sicht
informieren wollten und ihre Einladung in grossen Inseraten
ankündigten, kamen keine fünfzig Leute. Die Argumente sind
ausgetauscht, die Differenzen markiert, die Meinungen gemacht. Die
Gemeinde hat schon bei früheren Abstimmungen zur Atomenergie Ja
gesagt, dagegen waren jeweils nur 20 Prozent.
Das Kraftwerk bringt Mühleberg bis zu 1,5 Millionen
Steuerfranken pro Jahr, entsprechend niedrig bleiben die Steuern. Es
gehe aber nicht nur ums Geld, es gehe auch um eine Überzeugung.
Das sagt einer, der noch immer über das Thema reden muss:
Gemeindepräsident Kurt Herren von der SVP, der als Swissair-Pilot
während dreissig Jahren die Welt beflog. Als Pilot habe er
wesentlich mehr Strahlung abbekommen als hier auf dem Boden, sagt er.
Der Politiker empfängt im Sitzungszimmer des Gemeinderates,
das so aussieht, wie er selber argumentiert: übersichtlich und
sachlich, demonstrativ nüchtern, geradezu schmucklos. Für
Kurt Herren braucht es halt beides, die Atomenergie und die
Alternativen dazu. "Ich mag das Extreme nicht", sagt er einmal,
übrigens auch nicht in seiner eigenen Partei. Das Enge mag er auch
nicht. Dafür war er zu weit weg gewesen.
Das Extreme und das Enge stören ihn am meisten an den
Einwänden seiner Gegner: Sie weckten extreme Ängste und
begnügten sich mit engen Argumenten. Am meisten zu reden gebe hier
auch nicht das Atomkraftwerk, sondern die zehnjährigen Bauarbeiten
mit den 1500 Bauarbeitern. Man habe aber, nach mehreren Aussprachen,
einen Kompromiss gefunden. Sogar ein Tunnel würde für die
Zufahrt gebaut.
Bitte mehr Informationen
Auf der anderen Seite des Flusses, nur wenige Kilometer weit
entfernt, sitzt Kurt Herrens heftigster Kontrahent an seinem
Küchentisch. Der Biobauer Walter Ramseier kämpft zusammen mit
seiner Frau seit bald vierzig Jahren gegen das alte AKW. Jetzt
möchte er das neue verhindern helfen. Herren und Ramseier sind
beide 67 Jahre alt, haben sonst aber nichts miteinander gemeinsam. Sie
sind einander auch nicht begegnet.
Auf dem Bauernhof läuft mehr als im Gemeindehaus. Das Essen
dampft auf dem Tisch, ein Enkel kräht am Boden, Katzen rennen, ein
Hund bellt. Auf der Anrichte, neben dem Faxgerät, stapeln sich
Ordner mit den Einsprachen, Briefen und Aktionen.
Der Bauer redet auch ganz anders als der Politiker. Nämlich
gefühlvoll, ausschweifend und aufgebracht. "Wir wurden immer
wieder belogen oder unvollständig informiert", sagt er, zuletzt
wegen des grossen Zwischenlagers, das hier entstehen soll. Davon
hätten die Bernischen Kraftwerke bei ihrer ersten Orientierung
nichts gesagt. Und das habe die Leute aufgebracht; "ich habe noch nie
eine Abstimmung erlebt, die so vielen so nahe ging wie diese."
Dabei mussten die Älteren recht lange auf die Hilfe der
Jungen warten. Das ist Iris Balmer aufgefallen, 26-jährige Mutter
und Tochter einer langjährigen AKW-Gegnerin aus der Gegend. Erst
in der letzten Zeit habe sich ihre Generation für das Thema zu
interessieren begonnen, sagt sie. "Umso grösser ist dafür das
Engagement."
Und wie geht die Abstimmung aus? Beide Seiten rechnen mit einem
relativ knappen Entscheid. Am Sonntag werden beide wissen, wem die
Berner eher glauben: denen, die sich falsch verstanden fühlen -
oder denen, die sich falsch informiert finden.
--
Abstimmung mit Strahlkraft
Ein neues AKW in Mühleberg?
Zwar werden die Bernerinnen und Berner nur konsultativ befragt,
doch das Resultat der Abstimmung hat eine grosse Signalwirkung. Sagt
der Kanton am Wochenende Ja zum Neubau eines neuen Kraftwerkes in
Mühleberg, könnte sich das günstig auf die landesweite
Abstimmung auswirken, die voraussichtlich 2013 stattfindet. Ein Nein
lieferte den Gegnern der Atomenergie ein starkes Argument. Entsprechend
intensiv führten beide Seiten den Abstimmungskampf, zumal die
rot-grüne Kantonsregierung gegen ein neues AKW votierte und das
bürgerlich dominierte Parlament dafür.
Die Abstimmung wurde nötig, weil Mühleberg I
spätestens 2025 vom Netz muss und dann - teuer und lange -
abgebaut wird. Das neue Werk würde in der Nähe errichtet,
soll einiges grösser ausfallen und ungefähr die vierfache
Leistung erbringen. Besonders umstritten ist das atomare Zwischenlager
von Mühleberg; es soll die hochradioaktiven Abfälle
aufnehmen, die das neue Werk produzieren würde. Das sei weitaus
sicherer, als die Abfälle zu transportieren, sagen die
Befürworter. Die Gegner kritisieren, man habe sie zu wenig klar
über das Lager und dessen Grösse informiert. Bereits zeichnet
sich eine sehr hohe Stimmbeteiligung ab, zumal Bern in einer Ersatzwahl
einen neuen Ständerat bestimmt.(jmb.)
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Landbote 11.2.11
Ausstieg aus Atomenergie aufgleisen
Anna Wepfer
Zürich. Ein überparteiliches Komitee wird Ende Monat
eine Initiative für die Förderung erneuerbarer Energien
lancieren. Aus der Atomenergie soll der Kanton ganz aussteigen.
76 Prozent macht die Kernenergie im Stommix aus, den die
Elektrizitätswerke des Kantons Zürich (EKZ) ihren Kunden
liefern. Abgesehen von der Wasserkraft sind erneuerbare Energien nur zu
verschwindend kleinen Teilen im Mix vertreten (siehe Kasten). Damit
schneiden die EKZ deutlich um ein Mehrfaches schlechter ab als die
Elektrizitätswerke der grossen Schweizer Städte.
Eine unhaltbare Situation, findet ein Komitee, das sich aus
Vertretern aller grossen Parteien von links-grün bis freisinnig
zusammensetzt. Mit der Initiative "Strom für morn" wollen sie den
Kanton zu einer energiepolitischen Kehrtwende zwingen: Spätestens
im Jahr 2035 soll im Netz des Kantons nur noch Strom aus erneuerbaren
Energien fliessen.
Dazu bräuchte es eine Änderung im Energiegesetz. Dort
wollen die Initianten dem Kanton, den EKZ sowie anderen Netzbetreibern
im Kanton künftig verbieten, neue Beteiligungen an Kernkraftwerken
zu erwerben. Laufende Beteiligungen müssen nicht gekündigt
werden, sie dürfen aber auch nicht mehr ersetzt werden.
Der Zeithorizont ist so gesetzt, dass bis dahin die meisten der
betroffenen Verträge ohnehin nicht mehr gültig sind. "Wir
wollen ein gemächliches Auslaufen", sagt Mitinitiant Bernhard
Piller, der für die Grünen im Zürcher Gemeinderat sitzt.
Nach 2035 dürften die Netzbetreiber im Kanton Atomstrom nur noch
bei Engpässen an der europäischen Strombörse kaufen.
Das würde für die EKZ und den Kanton bedeuten, dass sie
ihre Zusammenarbeit mit der Energielieferantin Axpo neu aufgleisen
müssten. Entweder müssten sie die Axpo überzeugen, sehr
viel stärker auf erneuerbare Energien zu setzen und dem Kanton
Zürich nur noch sauberen Strom zu liefern. Oder Kanton und EKZ
müssten ihre Beteiligung an der Axpo aufgeben und auf eigene Faust
erneuerbare Energiequellen anzapfen. Eine Beteiligung an neuen AKW
wäre auf jeden Fall nicht mehr zulässig.
Als Ersatz für den Atomstrom sehen die Initianten vor allem
Solar-, Wasser- und Windenergie. Das Potenzial der Schweiz und des
Kantons Zürich in Sachen saubere Energie sei enorm, sagte das
Komitee gestern vor den Medien. Bis 2035 sei die Technik so weit, dass
sich der Energiebedarf problemlos decken liesse. Die
Unterschriftensammlung startet am 25. Februar. Nötig sind 6000
Unterschriften.
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Diesen Strommix liefern die EKZ
Anna Wepfer
Der Strom, den die Elektrizitätswerke des Kantons
Zürich (EKZ) im Jahr 2009 auslieferte, setzte sich zusammen aus 74
Prozent Kern- und knapp 26 Prozent Wasserenergie. Die Energie aus
Solar- und Biogasanlagen machte 0,08 Prozent aus. Den grössten
Teil des Stroms - 96 Prozent - beziehen die EKZ von der Axpo. EKZ und
Kanton Zürich sind mit je 18,41 Prozent am Schweizer
Stromversorger beteiligt. Die Axpo wiederum bezieht den Strom
hauptsächlich aus den von ihr (mit)betriebenen Kernkraftwerken
Beznau, Gösgen und Leibstadt. Zudem besitzt sie Bezugsrechte an
Französischen Kernkraftwerken. Rund zwei Drittel des Axpostroms
ist Atomstrom, der Rest beruht auf erneuerbaren Energien. (awe)
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BeobachterNatur 11.2.11
Felslabor Mont Terri
Forschen für die Ewigkeit
Paul Bossart ist verantwortlich für das Stollensystem im
Mont Terri bei St-Ursanne. Darin prüfen Geologen das Gestein
Opalinuston auf seine Fähigkeit, radioaktiven Abfall für
Jahrtausende sicher abzuschliessen.
Stefan Stöcklin (Text) und Rolf Siegenthaler (Fotos)
Manche Experimente dauern Jahre, andere gar Jahrzehnte.
"Nachfolgende Geologen werden beenden, was wir angefangen haben", sagt
Paul Bossart. Der Direktor des Mont-Terri-Felslabors rückt den
weissen Helm zurecht, der im Stollen getragen werden muss. Die lange
Dauer der Versuche stört ihn nicht. Wer sich mit der Endlagerung
von radioaktivem Abfall befasst, ist es gewohnt, in grossen
Zeiträumen zu denken.
Mehrere hunderttausend Jahre müssen vergehen, bis
hochradioaktiver Abfall nur noch schwach strahlt und für die
Umwelt harmlos ist. Weil Schichten von Opalinuston für Endlager
geeignet sein könnten, wird im Felslabor eine solche Formation
erforscht. Das relativ weiche, schieferähnliche Gestein ist bei
St-Ursanne JU gut zugänglich, der Autobahn sei Dank. Beim Bau der
Transjurane zwischen Biel und Pruntrut wurde parallel zum
Strassentunnel ein Sicherheitsstollen gebaut und von diesem aus das
Felslabor ausgebrochen. Entsorgungsfirmen führen im rund 500 Meter
langen Stollensystem ihre Versuche durch. Seit 1996 arbeiten hier
Geologen aus Ländern wie Deutschland, Japan oder Kanada und
prüfen das Gestein. Ausgebrannte Brennstäbe aus
Atomkraftwerken lagern hier nicht, das Felslabor ist lediglich
Untersuchungsstätte und Modell für die Regionen Bözberg,
Nördlich Lägern und Zürcher Weinland, deren Eignung als
Stätten für ein Endlager - offiziell spricht man von
Tiefenlager - für hochradioaktive Abfälle derzeit evaluiert
wird (siehe "Endlager", Seite 52).
180 Millionen Jahre alt
Wir stehen in einer Kaverne vor einer Betonwand, hinter der ein
Stahlbehälter von vier Metern Länge und einem Meter
Durchmesser liegt. Der tonnenschwere Zylinder simuliert abgepackte
Brennstäbe. Umhüllt ist er mit einer meterdicken Schicht von
Tonmineralien, sogenanntem Bentonit. Das quellfähige Material
trennt die Stahlkapsel vom Opalinuston. Der Versuch soll zeigen, wie
gut Bentonit den Container einschliesst. "Das Experiment läuft
seit zehn Jahren, 2012 wird es beendet", sagt Paul Bossart. "Ein
ähnlicher Versuch, bei dem die Auswirkungen einer erwärmten
Stahlkapsel auf den Opalinuston geklärt werden, soll einige
Jahrzehnte dauern." In dieser Zeit wird dokumentiert, wie sich die
Wärme über den Behälter und den Bentonit ausbreitet, und
bestehende Modelle der Erwärmung werden geprüft.
Paul Bossart ist ein begeisterter Geologe, der packend zu
erzählen weiss. Er hebt einen Brocken Opalinuston vom Boden auf.
"Dieser Ton ist 180 Millionen Jahre alt", sagt er und sucht darin nach
Versteinerungen, zum Beispiel eines Kopffüssers (Ammoniten), der
in grauer Vorzeit im Jura heimisch war. Damals befand sich an dieser
Stelle ein Meer. Schlammteilchen und tote Tiere setzten sich am Boden
ab und bildeten in Jahrtausenden eine Tonschicht. Darüber lagerten
sich Gesteinsschichten und pressten einen Teil des Wassers aus dem
darunterliegenden Ton. Dieser ist mit einem Wassergehalt von 150 Litern
pro Kubikmeter vergleichsweise trocken.
"Noch heute findet sich in den Poren das uralte Meerwasser. Es
blieb über Jahrmillionen stabil im Ton", sagt Paul Bossart
über das Stück, das er in Händen hält. Dichte und
Stabilität sind wichtige Punkte und machen Opalinuston aus Sicht
der Geologen zum Topkandidaten für die Endlagerung.
Die Jurafaltung vor sechs Millionen Jahren hob die einst plan im
Untergrund liegende Tonschicht senkrecht in die Höhe. Darum ist
sie bei St-Ursanne so gut zugänglich wie nirgendwo sonst: ein
geologischer Zufall, der das Städtchen zum Mekka der
Endlagerforschung gemacht hat.
Vom Informationszentrum beim Bahnhof gelangt der Besucher mit dem
Auto in wenigen Minuten in die Versuchsstollen. Und erhält dabei
gleich eine sinnliche Lektion in Geologie. Auf den ersten 100 Metern im
Fels tropft Wasser von Decke und Wänden, überall fliessen
kleine Rinnsale. Hier dominiert poröser Karst, das typische
Juragestein. Danach wirds knochentrocken: Der Besucher legt die ersten
Meter im Opalinuston zurück. In diesem Gestein zirkuliert kein
Wasser, die Tonschichten nehmen die Feuchtigkeit auf und schliessen sie
ein. Obwohl der Stollen unter dem Grundwasserspiegel liegt, bleibt er
trocken.
Wichtigste Akteurin ist die Zeit
Auch die Nationale Genossenschaft für die Lagerung
radioaktiver Abfälle (Nagra) forscht im Mont Terri. Letztes Jahr
hat sie dem Bund sechs mögliche Standorte für ein Endlager
vorgeschlagen, davon drei für hochradioaktiven Abfall. Gemäss
dem "Sachplan geologische Tiefenlager" werden diese Regionen in den
nächsten Jahren weiter geprüft, und bis 2020 soll klar sein,
wo strahlendes Material entsorgt werden kann (siehe "Chronologie").
"Wir sind unabhängig von der Nagra", betont Heinz Hauser,
der die Besucher im Felslabor betreut. Dieses steht unter der Leitung
des Bundesamts für Landestopographie, das vor allem für seine
Landkarten bekannt ist. Der promovierte Geologe Bossart koordiniert und
überwacht die Aktivitäten im Auftrag des Bundes. Das
Felslabor wird von in- und ausländischen Firmen und
Forschungsinstituten genutzt. 50 Universitäten und Organisationen
sowie 50 Firmen arbeiten im Mont Terri. Oft kommen die Forscher nur
für kurze Zeit, installieren ihre Messgeräte und
überlassen die Versuche dem Gang der Zeit. Bossart und seine
Kollegen überwachen den Verlauf und sichern die Daten. In den
Stollen arbeiten nur wenige Menschen; zum Zeitpunkt unseres Besuchs
brechen einige Arbeiter Nischen für neue Experimente aus.
Plutonium bleibt unten, Jod nicht
Knapp 60 Millionen Franken wurden zwischen 1996 und 2011 in die
Projekte investiert. 32 Prozent davon stammen von der Nagra. Die
Forschungsergebnisse sind öffentlich und werden in umfangreichen
Berichten publiziert. Trotz der Flut bereits erzielter Resultate gibt
es noch einige offene Fragen zu den Eigenschaften von Opalinuston. Sind
strahlende Atomkerne während mehrerer hunderttausend Jahre
Hunderte von Metern tief im Ton eingeschlossen, können sie leichte
Veränderungen im Gestein hervorrufen. Diese müssen
möglichst genau prognostiziert werden - eine gewaltige
Herausforderung für die Geologen.
Paul Bossart nennt vier Problembereiche: die Verwitterung der
Behälter, die Wanderung radioaktiver Teilchen durch die
Tonschichten (Diffusion), Störzonen in der Gesteinsformation und
die Erwärmung durch die Brennstäbe.
Im Ton eingelagertes Wasser, chemische Stoffe und Bakterien
zersetzen mit der Zeit die 15 Zentimeter starken Stahlwände der
Behälter. Dabei entstehen Gase wie etwa Wasserstoff, die im
Gestein Druck aufbauen. Dieser könnte zu Rissen führen.
Deshalb werden als Alternative Behälter mit einem weniger
reaktionsfreudigen Kupfermantel geprüft, die weniger Gase
entwickeln. Sie bleiben länger dicht und verringern somit auch ein
anderes Problem: den Austritt radioaktiver Stoffe aus lecken
Gefässen. Tritt dieser Fall ein, diffundieren strahlende Teilchen
langsam, aber stetig durch die Tonschicht nach oben, abhängig von
ihren chemischen Eigenschaften. "Plutonium ist trotz der langen
Strahldauer diesbezüglich harmlos", sagt Paul Bossart. Denn
Plutoniumteilchen bleiben an den Tonmineralien hängen. "Jod-129
hingegen kommt irgendwann an die Oberfläche", so Bossart.
Ein Tiefenlager muss deshalb so konstruiert werden, dass
entweichendes Jod erst dann an die Oberfläche gelangt, wenn es
praktisch nicht mehr strahlt. Ausserdem muss gewährleistet sein,
dass die Abfälle in gleichmässigen Tonschichten gelagert
werden, durch die keine Störzonen wie etwa geologische
Verwerfungen führen.
Gegen Erdbebenschäden gefeit
Heikel ist auch die Hitze, die von Atommüll ausgehen kann.
Der dichte Opalinuston leitet Wärme schlecht ab und heizt sich
auf, was zu Austrocknung und zu Rissen führen könnte. "Die
von den Brennstäben abgestrahlte Wärme darf den Ton nicht
über 100 Grad erhitzen", sagt Bossart. In Opalinuston werden
deshalb nur Brennstäbe gelagert werden, die im Zwischenlager
während Jahrzehnten abkühlen konnten und "nur" noch zwischen
150 und 250 Grad heiss sind. Der Bentonitmantel wirkt weiter
kühlend, so dass der Ton nicht über 100 Grad warm werden
sollte.
Den Laien beschleicht bei solchen Überlegungen ein mulmiges
Gefühl. Der Geologe Bossart gibt sich unbeeindruckt. Selbst die
Möglichkeit von Erdbeben und Meteoriteneinschlägen lässt
ihn kalt. Solche Naturkatastrophen könnten die Sicherheit von tief
im Untergrund verankerten Tiefenlagern nicht beeinträchtigen.
Der Mensch ist ein Risikofaktor
Während das Wärmeverhalten und die Reaktion auf
Gasdruck negativ zu Buche schlagen, sind seine Verformbarkeit und seine
Fähigkeit zur Abdichtung Pluspunkte des Opalinustons. Bohrt man
ein kleines Loch in das Material, schliesst es sich von selbst wieder.
Man erwartet, dass Opalinuston dank dieser Eigenschaft auch
tonnenschwere Behälter hermetisch abschliessen kann.
"Bis dahin ist es ein weiter Weg, viele Fragen harren noch der
Antworten", sagt der Geologe Marcos Buser. Er ist Präsident der
jurassischen Begleitkommission (Commission de suivi du Projet Mont
Terri) und verfolgt die Arbeiten im Felslabor im Auftrag des Kantons.
Der kritische Beobachter attestiert dem Felslabor unter Paul Bossarts
Leitung einen guten Job: "Bossart gewährt unabhängige
Forschung." Eine glaubwürdige Beurteilung des Opalinustons ist
wichtig, denn nur damit wird sich die breite Öffentlichkeit
vielleicht davon überzeugen lassen, radioaktiven Abfall in solchen
Formationen zu versenken. Das Felslabor hat auch in dieser Hinsicht
eine wichtige Aufgabe. Im Besucherzentrum in St-Ursanne können
sich Interessierte eine Meinung bilden. Die Ausstellung in der alten
Kalkfabrik beim Bahnhof wird ausgebaut, mit zunehmendem Interesse wird
gerechnet.
Kaum hat der Besucher den Stollen verlassen, schweift sein Blick
über die sanften Jurahöhen und das enge Doubstal. "Die Natur
und die Geologie machen mir keine Sorgen", sagt Paul Bossart, "aber die
Menschen. Was passiert, wenn in Tausenden von Jahren Menschen auf ein
Lager stossen und radioaktive Stoffe ausgraben?" Er zuckt mit den
Schultern. Wie vor der Gefahr gewarnt werden soll, ist noch unklar.
--
Endlager: Sechs Regionen im Auswahlverfahren
Sechs Regionen werden derzeit auf ihre Eignung für die
Lagerung radioaktiver Abfälle geprüft. Bis 2020 soll
definitiv feststehen, wo schwach- und mittelaktive und wo hochaktive
Abfälle in der Schweiz gelagert werden. Die Auswahl findet in
Etappen gemäss dem "Sachplan geologische Tiefenlager" statt.
Opalinuston eignet sich laut der Nagra und den Gutachtern des
Bundes grundsätzlich für die Lagerung hochradioaktiven
Abfalls. Solche Tonschichten finden sich im Untergrund des
Bözbergs AG, der Region Nördlich Lägern ZH/AG und des
Zürcher Weinlands. Für schwach- und mittelaktive Abfälle
werden auch andere Gesteinsschichten evaluiert.
Chronologie: Lange Suche nach einem Endlager für
radioaktiven Abfall
1972: Der Bund und die Betreiber der Atomkraftwerke gründen
die Nationale Genossenschaft für die Lagerung radio-aktiver
Abfälle (Nagra). Sie soll eine Lösung für die Entsorgung
radioaktiver Abfälle erarbeiten. Bis 2050 wird mit 99 015
Kubikmetern gerechnet, davon 7325 Kubikmeter hochradioaktiver Abfall.
1988: Der Bundesrat entscheidet, gestützt auf Untersuchungen
der Nagra, dass schwach- und mittelradioaktive Abfälle in der
Schweiz entsorgt werden können. Für ein Lager für
hochradioaktive Abfälle fehlt der Standortnachweis.
1993 und 1994: Nach Sondierbohrungen schlägt die Nagra ein
Tiefenlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle im
Mergel des Wellenbergs NW vor. Der Opalinuston bei Benken im
Zürcher Weinland eignet sich laut Nagra zur Lagerung
hochradioaktiver Abfälle.
1995 und 2002: Das Nidwaldner Stimmvolk spricht sich zweimal
gegen ein Endlager im Wellenberg aus.
2006: Der Bundesrat hält die Lagerung von hochradioaktiven
Abfällen im Zürcher Weinland für möglich, verlangt
aber die Ausweitung der Standortsuche.
2008: Der Bundesrat genehmigt den "Sachplan geologische
Tiefenlager" mit sechs möglichen Standorten.
2010 und 2011: Das Eidgenössische
Nuklearsicherheitsinspektorat (Ensi) heisst die Auswahl der Nagra gut.
Der Bundesrat wird im Sommer 2011 entscheiden, welche Regionen im
Sachplan verbleiben.
2011 bis 2016: Die Nagra soll je zwei Standorte für die
Endlagerung von Abfall der Kategorien "schwach- und mittelaktiv" sowie
"hochaktiv" vorschlagen.
2016 bis 2020: In der dritten Etappe des Sachplans werden die
Standorte vertieft untersucht. Bis 2020 soll der Bundesrat über
eine Rahmenbewilligung entscheiden. Die Schweizer Bevölkerung wird
anschliessend abstimmen können.
2030 bis 2050: Bau und Inbetriebnahme zweier Tiefenlager oder
eines Kombilagers für schwach- bis hochaktive Abfälle.
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Bund 10.2.11
Müssen Hausbesitzer neue AKW fürchten?
Nuklearanlagen beeinflussen das Preisniveau des Immobilienmarktes
erheblich - vor allem in Regionen mit leistungsstarken Anlagen. So
lautet der Schluss einer Studie der Universität
Bern.Atomenergie-Befürworter sprechen von einer Propaganda-Aktion.
David Vonplon
Wenige Tage vor dem Urnengang über die Zukunft des
Atomkraftwerks Mühleberg hat die Fieberkurve im Abstimmungskampf
ihren Höhepunkt erreicht. Just zu diesem Zeitpunkt
veröffentlicht Professor Donato Scognamiglio vom Institut für
Finanzmanagement der Universität Bern eine Masterarbeit, welche
die Auswirkungen von Nuklearanlagen auf die Schweizer Immobilienpreise
behandelt und auf einem Datensatz von 37 000 Handänderungen von
Liegenschaften beruht: Die Studie kommt zum Schluss, dass die
Häuserpreise in der Nähe der Atomkraftwerke Leibstadt,
Gösgen, Beznau und Mühleberg zwischen 5 und 10 Prozent tiefer
liegen im Vergleich zu identischen Objekten mit einer Entfernung von 15
bis 20 Kilometern zum Atomkraftwerk. Am stärksten wirkt sich
dieser Effekt indes nicht direkt neben der Anlage aus, sondern in den
etwas weiter entfernten Gemeinden. "Wo die Anlage präsent ist,
erhalten die Gemeinden Entschädigungszahlungen, die sie dann an
die Bevölkerung weitergeben", erklärt Scognamiglio. Das
steigere die Standortattraktivität.
Sieben Milliarden Wertverlust
Merkliche Unterschiede bei den Immobilienpreisen stellt die
Studie in einem Umkreis von 15 Kilometer um die vier AKW-Standorte fest
- einem Gebiet, in dem über 770 000 Menschen leben. Geht man dort
von einem durchschnittlichen Preisabschlag von 5 Prozent aus, entziehen
die Atomkraftwerke dem Immobilienmarkt einen Wert von annähernd 7
Milliarden Franken.
Politisch brisant an der Studie ist die These, dass der
Preisabschlag auf Liegenschaften umso grösser ausfällt, je
höher die Energieleistung des nahe gelegenen Atomkraftwerks ist.
So liegt etwa der Preis für eine Liegenschaft in 5 Kilometern
Entfernung zum AKW Leibstadt 6 Prozent tiefer als jener in 20
Kilometern Entfernung, während für den gleichen Fall in
Mühleberg bloss ein Abschlag von 3 Prozent festzustellen ist.
Scognamiglio leitet daraus ab, dass die Leistungsfähigkeit eines
Kernkraftwerks den Wertverlust von Immobilien zusätzlich
beeinflusst: "Offenbar hat die Bevölkerung mehr Respekt vor einem
grossen AKW als vor einem kleinen." Deshalb sei davon auszugehen, dass
der Ersatz einer Anlage gemessen an den Immobilienpreisen nicht neutral
sei. Müssen Hausbesitzer im Grossraum Bern also befürchten,
dass ihre Liegenschaft an Wert verliert, wenn das neue Kernkraftwerk in
Mühleberg gebaut wird?
"Reichlich weit hergeholt"
Während Immobilienexperte Scognamiglio genau dies behauptet,
wird aus dem Umfeld des Schweizer Nuklearforums Skepsis an der
Stichhaltigkeit der Studie laut. Offiziell mochte die Lobbyorganisation
zwar ebenso wenig zur Studie Stellung nehmen wie die
Atomindustrie-Organisation Swissnuclear und der Berner Energiekonzern
BKW. Hinter vorgehaltener Hand jedoch heisst es, dass man die
Studienergebnisse für "reichlich weit hergeholt" hält. Das
versteckt an der Aare gelegene Atomkraftwerk Mühleberg und die auf
offenem Feld, mit einem von weitem ersichtlichen Kühlturm
versehene Nuklearanlage Leibstadt würden sich völlig
unterschiedlich ins Landschaftsbild eingliedern. Da sei es durchaus
nachvollziehbar, dass diese die Immobilienpreise im Umfeld
unterschiedlich beeinflussten. Ein Zusammenhang mit der
Leistungsfähigkeit der AKW bestehe deshalb nicht.
FPD-Ständerat Rolf Schweiger, zugleich Präsident der
atomfreundlichen Aktion für vernünftige Energiepolitik
(Aves), spricht von einer Propaganda-Aktion eines einzelnen Professors
der Universität Bern: "Es spricht für sich und gegen die
Wissenschaftlichkeit der Studie, dass die Ergebnisse drei Tage vor der
Abstimmung präsentiert werden."
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BZ 10.2.11
Atomkraftwerke vermindern den Wert der Immobilien
StudieEine neue wissenschaftliche Studie zeigt, dass die
Nähe eines Einfamilienhauses zu einem Atomkraftwerk dessen Wert
erheblich beeinflusst.
Atomkraftwerke erhitzen die Gemüter. Bisher wurde aber noch
nie anhand von realen Transaktionspreisen untersucht, ob AKW auch einen
Einfluss auf die umliegenden Immobilien haben. Das hat das Institut
für Finanzmanagement der Universität Bern nun nachgeholt.
Die gestern publizierte Studie kommt zum Schluss, dass Atommeiler
das Preisniveau von Schweizer Immobilien in erheblichem Mass
beeinflussen. In Regionen mit leistungsstarken Anlagen, wie
beispielsweise Leibstadt, wirkt sich der Effekt sogar stärker aus.
Bei Häusern, die sich innerhalb einer Distanz von 2,5 bis 3
Kilometern zu einem AKW befinden, beläuft sich der Wertverlust auf
9 Prozent. Laut der Studie hat der Hauseigentümer bei einem Objekt
von 750 000 Franken mit einem Abschlag von bis zu 67 500 Franken zu
rechnen. Die Resultate zeigen weiter, dass ein Haus mit einer
Entfernung von 10 Kilometern zum AKW einen Wertverlust von 1,1 Prozent
gegenüber einem in jeder Beziehung identischen Objekt in 15
Kilometer Entfernung aufweist. Ein Haus, das eine Entfernung von 5
Kilometern aufweist, erleidet einen Wertverlust von 3,1 Prozent.
Die Studie zeigt aber auch, dass der Wert von Liegenschaften im
unmittelbaren Umfeld eines Atomkraftwerkes, das heisst in einer
Entfernung von bis zu 2,5 Kilometern, wieder stark zunimmt. Im
Vergleich zu einem Haus in 15 Kilometern Entfernung beträgt der
Wertverlust nur 2,5 Prozent, während die gleiche Immobilie
innerhalb einer Distanz von 2,5 bis 3 Kilometern zum AKW mit einem
Abschlag von bis zu 9 Prozent belegt wird.
Die Abnahme der Werteinbussen innerhalb einer Distanz von 2,5
Kilometern zum AKW erkläre sich durch die erhöhte Nachfrage
durch AKW-Personal und/oder generelles Vertrauen von Käufern in
die Technologie, heisst es in der Studie. Zudem hätten auch
Entschädigungszahlungen, die Gemeinden mit einem AKW erhalten,
einen positiven Einfluss auf die Häuserpreise. Denn diese Gelder
würden zum Teil über Steuervergünstigungen an die
Bevölkerung weitergegeben.
nb
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NZZ 10.2.11
AKW dämpfen Preise nicht linear
Studie zum Wert von Immobilien
dsc. · Die Nähe zu Atomkraftwerken habe einen
negativen Einfluss auf die Immobilienpreise, so eine Untersuchung des
Instituts für Finanzmanagement der Universität Bern - nach
eigenen Angaben die erste Erhebung dieser Art. Dabei wurden
Transaktionspreise für Einfamilienhäuser mit gleicher
Ausstattung verglichen, ausgehend von 37 000 Handänderungs-Daten.
Bei einer Nähe von 10 Kilometern beträgt der Preisunterschied
gegenüber einem Haus in 15 Kilometern Entfernung 1,1 Prozent. In
einem Umkreis von 5 Kilometern wurde eine Abnahme von 3,1 Prozent
errechnet. Auffallend ist, dass in unmittelbarer Nähe zu AKW (bis
2,5 Kilometer) der Unterschied 2,5 Prozent beträgt, während
bei einer Distanz von knapp 3 Kilometern um etwa 9 Prozent tiefere
Preise resultieren.
Gründe für diese nichtlineare Entwicklung seien die
AKW-Arbeitsplätze und die Tatsache, dass in den Standortgemeinden
dank Kompensationsleistungen tiefere Steuersätze beständen,
so Donato Scognamiglio, Professor an der Universität Bern.
Bei neueren Werken mit hohen Kühltürmen ist die Wirkung
auf die Preise grösser als bei den älteren, unscheinbaren
AKW, an die sich die Bevölkerung im Analysezeitraum 1981 bis 2007
wohl eher gewöhnt hat. Andere Standortfaktoren, wie die
unterschiedliche Erreichbarkeit, seien in der Studie, die auf Daten des
Beratungsunternehmens Iazi basiert, berücksichtigt.
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20 Minuten 10.2.11
Kernkraftwerke fressen Preise auf
ZÜRICH. Nicht nur Flugverkehr schadet Immobilienbesitzern.
Auch Häuser in der Nähe eines Kernkraftwerks verlieren an
Wert.
Kernkraftwerke (KKW) sorgen in der Bevölkerung und bei
Politikern immer wieder für rote Köpfe. Besonders ärgern
dürfte die Diskussion um den Bau neuer KKWs aber die Hausbesitzer.
Neue Munition liefert ihnen nun eine Studie der Universität Bern
und der Immobilienberatung IAZI. Sie belegt wissenschaftlich, dass die
Immobilienpreise massiv sinken, wenn ein Haus in der Nähe eines
KKWs steht. Besonders vom Preissturz betroffen sind Häuser in 2,5
bis 3 Kilometer Entfernung zu einem Atommeiler. Sie sind laut Studie 9
Prozent weniger wert als ein identisches Haus in 15 Kilometer Distanz
zum KKW. Bei 5 Kilometern Entfernung beträgt der Wertverlust 3,1
Prozent, bei 10 Kilometern 1,1 Prozent.
Noch härter trifft es Hausbesitzer, deren Bijou im Umfeld
eines leistungsstarken KKWs wie Leibstadt liegt. Eine Immobilie in 5
Kilometer Entfernung ist dann 6 Prozent weniger wert als ein Haus in 20
Kilometer Entfernung. Zum Vergleich: Der Preis eines Hauses in der
Nähe des KKWs Mühleberg sinkt im gleichen Fall nur um 3
Prozent. Mühleberg hat ein Drittel der Kapazität des KKWs
Leibstadt. Kurios: Liegt ein Haus ganz nah an einem KKW, nimmt der Wert
wieder zu. Die Autoren begründen das durch die Nachfrage von
Kraftwerk-Personal nach Wohnfläche. Auch würden von einem
KKW-Bau betroffene Gemeinden Entschädigungszahlungen in Form von
Steuervergünstigungen leisten. Basis der Untersuchung waren 37 000
Handänderungen zwischen 1981 und 2007. VB
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La Liberté 10.2.11
La nouvelle centrale de Mühleberg en Votation.
Un test pour l'avenir du nucléaire
Les citoyens du canton de Berne sont consultés dimanche
sur le remplacement de la centrale atomique de Mühleberg. Des
patrons de PME se sont joints aux antinucléaires pour
dénoncer un "suicide économique".
Pascal Fleury
Les citoyens du canton de Berne sont appelés à se
prononcer dimanche sur le remplacement de la vieille centrale de
Mühleberg par une nouvelle centrale nucléaire quatre fois
plus puissante, sur le même site des bords de l'Aar. Ce scrutin,
s'il n'est que consultatif, n'en donnera pas moins un signal populaire
fort concernant l'avenir de l'atome en Suisse. Le projet est
recommandé par le Grand Conseil bernois, mais rejeté par
le gouvernement bernois, pour qui la technologie nucléaire est
"obsolète, dangereuse, chère et inutile".
Pour les Forces motrices bernoises (FMB), qui ont
déposé leur projet auprès de l'Office
fédéral de l'énergie en novembre 2008, en
même temps que les projets d'Axpo à Beznau (AG) et d'Alpiq
près de Gösgen (SO), la construction de Mühleberg II
s'impose. "Les premiers problèmes d'approvisionnement sont
attendus au plus tard à partir de 2020", avertissent les FMB.
Leurs prévisions reposent sur trois facteurs
conjugués: la fermeture pour raison d'âge des trois
centrales de Mühleberg et Beznau I et II à partir de 2020,
l'arrivée à échéance des contrats
d'importation de courant français dès 2017, et
l'augmentation de la consommation d'électricité de 0,5%
à 2% jusqu'en 2050, liée en particulier au remplacement
des combustibles fossiles par l'électricité. Selon
l'Association des entreprises électriques suisses, d'ici 2035,
entre 10 000 et 20 000 GWh d'électricité pourraient
manquer lors d'un semestre hivernal moyen. Deux nouvelles centrales de
troisième génération, de 1450 mégawatts
chacune, pourraient produire plus de 20 000 GWh
d'électricité par an.
Selon Gilles Seuret, porte-parole des FMB, la position
géographique de Mühleberg est un atout pour la
sécurité d'approvisionnement de la Suisse romande. "Sans
Mühleberg, lors de la tempête Lothar de 1999, ce ne sont pas
300 000 personnes qui auraient été plongées dans
le noir dans les cantons de Berne, Neuchâtel, Fribourg et Jura,
mais 700 000 personnes", explique-t-il.
Les FMB tablent sur un investissement de 7 à 9 milliards
de francs pour la réalisation de Mühleberg II. Ce montant
inclut des réserves pour les imprévus. Le projet pourrait
générer 1300 emplois et d'importantes retombées
fiscales. L'option retenue par les FMB, qui s'engagent aussi dans les
énergies vertes (Mont-Soleil, Stade de Suisse, etc.), veut
répondre à la politique des "quatre piliers" du Conseil
fédéral: efficacité énergétique,
énergies renouvelables, grandes centrales et politique
énergétique étrangère. Un mix
énergétique qualifié d'"idéal" par le Forum
nucléaire suisse, "parce qu'il garantit la
sécurité d'approvisionnement jour et nuit,
été comme hiver", précise son porte-parole Michael
Schorer.
Pour les opposants au nucléaire, en revanche, la
construction de nouvelles centrales serait un mauvais investissement.
"Depuis les années 1970, on a suffisamment parlé des
dégâts du nucléaire. On n'a toujours pas
trouvé de solution pour les déchets radioactifs et les
risques de catastrophes n'ont pas pu être écartés
avec les nouvelles centrales", affirme Philippe de Rougemont. Le
président de l'association Sortir du nucléaire compte
principalement sur l'efficacité énergétique, le
solaire et la géothermie pour remplacer les vieilles centrales.
Et sur le développement de "réseaux intelligents" (smart
grid) pour lisser les pics de consommation.
Cleantechs en danger
Ce qui préoccupe le plus le militant, c'est que la
construction de nouvelles centrales nucléaires en Suisse
"tuerait" tout projet de technologie environnementale (cleantech): "Ce
serait un suicide économique. Les milliards investis dans le
nucléaire seront autant d'argent perdu pour le
développement des technologies propres. La Suisse resterait
alors spectatrice des évolutions technologiques, tandis que
l'Allemagne compte déjà 14 fois plus de panneaux solaires
par habitant que notre pays. Alors que la Suisse exporte de la
technologie photovoltaïque jusqu'en Chine, et y ouvre des
entreprises, ne serait-elle pas capable de s'équiper
elle-même?"
Cinquante PME aussi opposées
Cet argument économique est partagé par l'alliance
"Non au nucléaire", qui comptent plus de quarante organisations
soucieuses de l'environnement. Mais aussi par une cinquantaine
d'entreprises, à l'enseigne d'"Energie Nouvelle Berne". Elles
assurent que le développement des énergies renouvelables
et de l'efficience énergétique permettra la
création de 60% de plus d'emplois que la construction d'une
nouvelle centrale nucléaire, qui devrait faire appel à
des fournisseurs étrangers. Selon elle, la valeur ajoutée
sera près de deux fois plus importante.
La votation "test" de dimanche sera suivie d'autres scrutins
consultatifs sur les nouvelles centrales, dans le canton de Vaud le 15
mai, et dans le Jura. D'autres cantons, comme Neuchâtel,
pourraient recourir au référendum facultatif. La
décision définitive de construire une ou deux centrales
de remplacement sera prise en 2012 par le Conseil
fédéral. Elle sera soumise au Parlement
fédéral puis au référendum facultatif, fin
2013. Le peuple suisse aura alors le dernier mot. I
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Campagne électrique
Le vote des Bernois est consultatif, mais considéré
comme déterminant pour l'avenir du site de Mühleberg. La
campagne a donc été intensive, les deux camps s'accusant
de minimiser l'ampleur de leurs moyens financiers. Le comité
"Oui à Mühleberg", qui regroupe la plupart des partis de
droite et des organisations économiques, annonce des
dépenses de 300 000 francs. "Je n'y crois pas une minute",
rétorque Blaise Kropf, président des Verts bernois, se
basant sur les campagnes d'annonces dans la presse locale. L'Action
pour une politique de l'énergie raisonnable en Suisse
mène aussi campagne pour Mühleberg II, mais n'a pu
être jointe.
Le comité "Non à la nouvelle centrale", qui
réunit la gauche, les vert'libéraux, les organisations
écologistes et les syndicats, avance un budget de 180 000
francs. Le groupe "Energie nouvelle Berne", fort d'une cinquantaine
d'entrepreneurs de la région, a investi quant à lui 150
000 francs dans la campagne du "non". "Les opposants ont au moins
autant de moyens que nous!", assure Adrian Haas, porte-parole du
comité "Oui à Mühleberg".
Les Forces motrices bernoises (FMB), qui exploitent la centrale
de Mühleberg, n'ont pas financé la campagne. Elles
s'étaient fait remettre à l'ordre par le canton de Berne,
leur actionnaire majoritaire (52%), après avoir investi en 2009
des centaines de milliers de francs dans une campagne similaire sur
Vaud. Les FMB se sont toutefois fendues d'un tout-ménage de huit
pages sur l'approvisionnement en électricité. Ce journal
suscite l'ire de Blaise Kropf. Le président des Verts bernois
les accuse de faire de la "propagande" et non de l'information. "Sinon,
pourquoi n'ont-elles pas mentionné l'entreposage de
déchets hautement radioactifs lié au projet de nouvelle
centrale?" MR
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Canton et Confédération ont un pied dans le lobby
nucléaire
Michaël Rodriguez
Le débat sur l'atome met-il l'exécutif cantonal
bernois dans une position de grand écart? D'un
côté, le gouvernement s'engage fermement contre la
construction d'une nouvelle centrale nucléaire à
Mühleberg. De l'autre, l'administration qui dépend de ce
même gouvernement a un pied dans le lobby nucléaire.
L'Office cantonal bernois de la coordination environnementale et
de l'énergie est en effet membre du Forum nucléaire
suisse. Cette plateforme, qui regroupe les principaux
intérêts liés à l'atome, n'intervient certes
pas directement dans la campagne de Mühleberg. Mais elle
dépense plus de 3 millions de francs par année pour
"promouvoir l'utilisation pacifique de l'énergie
nucléaire et la poursuite de son développement en Suisse".
La quasi-totalité de cette manne provient des cotisations
des membres du Forum nucléaire suisse, parmi lesquels les
exploitants des centrales nucléaires font figures de poids
lourds. Par le biais des factures d'électricité, les
consommateurs alimentent à leur insu une véritable
"caisse noire", selon l'expression d'Andreas Hofmann,
député socialiste au Grand Conseil bernois. Une
enquête publiée en septembre dernier dans le magazine
"Beobachter" évaluait à plus de deux millions de francs
par année les ponctions faites sur les ménages suisses.
Le secrétariat du Forum nucléaire est assumé par
Burson-Marsteller, l'une des plus grandes agences de relations
publiques au monde.
Les administrations qui ont adhéré au Forum
nucléaire suisse se comptent sur les doigts d'une main. Parmi
les offices cantonaux de l'énergie, on compte ceux de Berne et
de Zurich. Troisième et dernier sur la liste: l'Office
fédéral de l'énergie (Ofen), dont le socialiste
Moritz Leuenberger a été le ministre de tutelle jusqu'en
octobre. Doris Leuthard, qui lui a succédé à la
tête du département concerné, était
jusqu'à l'automne dernier membre d'honneur du Forum
nucléaire suisse. La cotisation annuelle de l'office
fédéral au Forum nucléaire se monte à 3600
francs.
Matthieu Buchs, porte-parole à l'Ofen, juge que la
participation à la plate-forme pronucléaire n'est pas
problématique. Car l'office est aussi membre de plusieurs
organisations qui militent pour les énergies renouvelables,
comme la Fondation suisse énergie, membre du comité
opposé à Mühleberg II. La conseillère
nationale Adèle Thorens (Verts/VD) relève toutefois que
les deux camps ne bataillent pas à armes égales. "Le
lobby nucléaire est extrêmement puissant, et très
fortement représenté au niveau du parlement." Une
centaine de députés des deux Chambres sont en effet
membres de l'Action pour une politique de l'énergie raisonnable
en Suisse, une organisation pronucléaire.
Du côté du canton de Berne, on justifie
l'adhésion au Forum nucléaire par la
nécessité de connaître les arguments des partisans
de l'atome. La cotisation est nettement plus basse que celle de
l'administration fédérale: 380 francs par année.
L'Office cantonal de l'énergie est également membre de la
Fondation Suisse Energie.
Président des Verts bernois, Blaise Kropf estime que
l'adhésion au Forum nucléaire est "problématique
et contradictoire avec les objectifs politiques du canton". Dans sa
"stratégie énergétique" adoptée en
début de législature, l'exécutif vise en effet un
abandon de l'atome à moyen terme.
Plusieurs institutions de formation et de recherche sont aussi
membres du Forum nucléaire suisse. C'est notamment le cas de
l'Ecole polytechnique fédérale de Lausanne, de la Haute
école du paysage, d'ingénierie et d'architecture de
Genève et du Département de physique nucléaire et
corpusculaire de l'Université de Genève. Le Courrier
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Landbote 9.2.11
AKW-Abstimmung strahlt national aus
Barbara Spycher
BERN. Am 13. Februar stimmt der Kanton Bern über ein neues
AKW in Mühleberg ab. Zwar ist der Entscheid rechtlich nicht
bindend, aber politisch ist er schweizweit von Bedeutung.
Wenn am 13. Februar die Berner Stimmzettel ausgezählt
werden, dann schaut die ganze Schweiz hin. Denn die knapp eine Million
Einwohnerinnen und Einwohner des zweitgrössten Kantons stimmen
darüber ab, ob sie im bernischen Mühleberg ein neues AKW
befürworten oder ablehnen. Mühleberg II wäre viermal
leistungsfähiger als der bestehende bald 40-jährige Reaktor,
der zwölf Kilometer westlich der Stadt Bern steht und in
voraussichtlich zehn Jahren vom Netz gehen soll. Der Berner Urnengang
ist der erste und letzte Stimmungstest, bevor voraussichtlich 2013 oder
2014 die Stimmbürger der ganzen Schweiz darüber entscheiden,
ob zwei neue AKWs gebaut werden. Die Betreiber von Beznau (AG),
Gösgen (SO) und Mühleberg (BE) konnten sich noch nicht auf
zwei Standorte einigen, haben aber Gesuche um Rahmenbewilligungen
für neue Atommeiler eingereicht. Nun folgen Stellungnahmen der
Standortkantone, dann die Entscheide von Bundesrat und Parlament, und
letztlich wird das Volk in einer Referendumsabstimmung über die
Schweizer Energiezukunft bestimmen.
Die Bernerinnen und Berner werden schon jetzt an die Urne
gerufen, weil Regierung und Parlament die Stellungnahme des
Standortkantons Bern zu Mühleberg II dem Volk unterbreiten
wollten. Die rot-grüne Regierung ist gegen ein neues AKW, das
bürgerlich dominierte Parlament dafür. Die anderen
Standortkantone befragen das Volk nicht. Allerdings hat jüngst
eine Studie bei Gemeinden um Gösgen gezeigt, dass es unter den
Anwohnern mehr Gegner als Befürworter gibt. In Bern ist die
Standortgemeinde Mühleberg atomfreundlich eingestellt, die Stadt
Bern atomkritisch. Der Gesamtkanton aber stimmte in früheren
Atomvorlagen meistens wie der Schweizer Durchschnitt oder sogar etwas
atomfreundlicher.
Radioaktiver Müll inklusive
Die jetzige Abstimmung ist zwar nur eine Konsultativabstimmung.
Sollten die Berner ein neues AKW ablehnen, dürften die Chancen
für einen Neubau auf Berner Boden aber sinken, auch wenn der
Energiekonzern BKW als Betreiber betont, sein Gesuch so oder so nicht
zurückziehen zu wollen. Doch Gösgen und Beznau hätten
dann wohl bessere Karten.
Der grösste Aufreger im emotionalen Abstimmungskampf
entstand um die zwei Zwischenlager für radioaktive Abfälle,
welche das neue AKW beinhaltet. Zwar steht das im Gesuch der BKW, doch
der Konzern selber schwieg vornehm. Auch Politiker thematisierten es
nicht und selbst im Abstimmungsbüchlein steht nichts dazu. Der
Grund: Die Kantonsparlamentarier hatten das Gesuch der BKW nicht
richtig studiert. Erst durch Medienberichte wurde publik, dass
Mühleberg II auch zwei Zwischenlager für Atommüll
beinhalten würde. Diese böten nicht nur Platz für die
Brennstäbe aus Mühleberg, sondern auch für Abfall aus
anderen Schweizer AKWs.
Wie sehr diese Enthüllungen den AKW-Gegnern in die
Hände spielen, wird sich weisen. Ebenso, wovor die
Bevölkerung mehr Angst hat: Vor einer "Stromlücke" oder vor
der radioaktiven Strahlung bei einem Unfall wie in Tschernobyl. Denn
auf diese Frage wird der Abstimmungskampf auf den Plakatwänden
reduziert.
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Schweizer Bauer 9.2.11
Pro & Kontra
Ist ein Ersatzkraftwerk in Mühleberg BE ein Fluch oder ein
Segen? Auch die Landwirtschaft ist vom Entscheid betroffen. Die
Diskussion darüber wird hart und meistens fair geführt. Eine
Umfrage auf www.schweizerbauer.ch zeigt, dass die Abstimmung wohl knapp
ausfallen wird. Deshalb sollten möglichst viele Stimmberechtigte
an die Urne. Die wichtigsten Argumente für und gegen einen
AKW-Ersatz zeigen abschliessend Lobag-Präsident Walter Balmer
(Pro) und Biobäuerin Kathy Hänni (Kontra) auf. rh
PRO
"Ersatzkernkraftwerk ist notwendig"
Mühleberg und die Förderung erneuerbarer Energie sind
kein Widerspruch! Ich unterstütze deshalb das Ersatzkernkraftwerk
Mühleberg als Übergangslösung, bis alternative Energien
wie Windenergie, Fotovoltaik oder Biomasse-Energie ausreichend
verfügbar sind. Die erneuerbaren Energien decken zurzeit rund 2%
des Schweizer Strombedarfs. Der Stromverbrauch steigt weiter von Jahr
zu Jahr an. Wenn wir die Produktion des Ersatzkraftwerks Mühleberg
mit alternativen Energien ersetzen wollten, bräuchte es 9800
landwirtschaftliche Biogasanlagen oder 2900 Windturbinen - das ist
unrealistisch. Eine lückenlose sichere Stromversorgung ist
für die Landwirtschaftsbetriebe existenziell. Kernenergie ist nach
wie vor preislich am konkurrenzfähigsten, was in der
wirtschaftlich schwierigen Situation ein wesentlicher Faktor ist. Wir
haben in der Lobag die Energieproduktion durch Landwirte intensiv
gefördert und unterstützt. Die Lobag war 2007 Initiator und
Gründungsmitglied der bernischen Taskforce für
landwirtschaftliche Vergärungsanlagen, welche in ein kantonales
Förderprogramm mündete. Die Lobag ist Mitglied des Vereins
gasgeben.ch, welcher die Förderung erneuerbarer Energien,
insbesondere landwirtschaftlicher Biogasanlagen, bezweckt. Wir haben
von 2007 bis 2009 eine Beratungsstelle betrieben und den Aufbau einer
solchen am Inforama unterstützt. Leider sind die Resultate aller
Anstrengungen bzw. der daraus resultierende Stromertrag viel zu
bescheiden, um der Landwirtschaft mittelfristig genügend Strom
liefern zu können. Diese Erkenntnisse machen ein
Ersatzkernkraftwerk Mühleberg notwendig, hindern mich aber nicht
daran, persönlich und mit der Lobag für erneuerbare Energien
einzustehen.
Walter Balmer, Lobag-Präsident
KONTRA
"AKW verbaut uns einen Erwerbszweig"
Biobäuerin Kathy Hänni, Grüne
Ein neues Atomkraftwerk (AKW) schadet der Berner Landwirtschaft.
Mühleberg 2 verbaut uns Bäuerinnen und Bauern einen
zukünftigen Erwerbszweig (Sonne, Wind, Holz, Biomasse) und
gefährdet mit seinen Abfällen unsere Böden, unsere
Pflanzen und unsere Tiere, ja uns alle.
Schon bei einem jederzeit möglichen Störfall mit
nuklearem Austritt werden die Grenzwerte zu hoch sein. Niemand will
dann unsere Produkte kaufen. Wir Bauern werden den Schaden ganz alleine
tragen müssen.
Es ist unverantwortlich und rücksichtslos, mit dem heutigen
Wissen über ungefährliche Energiequellen sich über diese
Tatsachen hinwegzusetzen. Windenergie ist schon heute
kostengünstiger als Atomstrom. Die AKW-Technologie hat ausgedient.
Die BKW betreibt aktiv eine Energiepolitik, die sich auf grosse Anlagen
beschränkt und dezentrale, kleinere Projekte als unwirtschaftlich
abtut. Das Gegenteil ist sinnvoll: Die grossen, nach Süden
geneigten Dachflächen unserer Bauernhäuser und Scheunen
eignen sich sehr gut zur Stromproduktion, ohne giftige Abfälle zu
hinterlassen.
Das ist zeitgemäss und bringt Fortschritt.
Die BKW verbaut aktiv die Möglichkeiten für uns Bauern
zur Beteiligung an einer sicheren, sauberen, einheimischen
Stromversorgung. Atomstrom ist und bleibt importierter Strom, auch
dann, wenn das Werk in der Schweiz steht. Für mich zählt
neben Ernährungssouveränität eben auch
Energiesouveränität. Die Angstmacherei mit der
Stromlücke ist unbegründet. Das AKW Mühleberg schadet
dem guten Ruf der Schweizer Landwirtschaft. Mit einem
Atommülllager in unmittelbarer Nähe zum Gemüsebau
Seeland und zu den Alpweiden lässt sich keine Werbung machen.