MEDIENSPIEGEL 17.2.11
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)

Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Programm (Tojo, FR, DS, GH)
- Schützenmatte: Weiterhin Unort
- Clubleben: Wankdorf Ü18; Nix Innenstadt-Security
- Big Brother Sport: YB muss zahlen
- Nachtsperre: Nix da
- Bahnhof-Zukunft: Ausgebaut wird
- Sandwichbar Lorraine: Neues Lokal gesucht
- Unia (be)streikt: Für Basisdemokratie
- RaBe-Info 15.-17.2.11
- Knast BE: Experten-Bericht Strafvollzug
- Repression und Hetze: Le Temps + die Anarch@-Gefahr
- Anti-SVP: 2. Marsch auf Bern
- Big Brother: Biometrie made in CH
- Undercover: Die Spitzel des Eisbergs
- Bahnpolizei: Zugbegleiter ZH abgeschafft
- Sicherheitsfirmen: Lex Aegis
- Nothilfe: Kampagne GR
- Migration Control: Frontex gegen Flüchtlinge
- Ausschaffungen: Migrationspartnerschaft Nigeria
- Sexwork: LU-Sorgen; Minderjährige ZH
- Verdingt: Fonds für Betroffene; Administrative Zwangsmassnahmen
- Squat ZH: Inti mit Hausbesetzerinnen; Räuberhöhle abgerissen
- Clubleben LU: gegen Rassismus
- Raufhandel: Auch am Boden Liegende strafbar
- Taser: Einsatzregeln; 52 Einsätze
- Maxxs Damage: Stalinpakt oder Lagerwechsel?
- Weltsozialforum: Gerechte Impulse
- Anti-Atom: Stromlücke; Tiefenlager; Finanzzuversicht; Mühleberg; Radelfingen; Waadt

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REITSCHULE
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Fr 18.02.11
19.00 Uhr - Grosse Halle - Blinde Insel - Gastküche: eventmakers (Essen pünktlich 19.30 Uhr)
20.30 Uhr - Kino - Baskenland Soliwoche: Lucio Urtubia: Baustelle Revolution - Erinnerungen eines Anarchisten; Aitor Arregi/José Maria Goenaga, Spanien 2007
20.30 Uhr - Tojotheater - Charged. Von Cynthia Gonzalez Dance Theater. HEIMSPIEL extern
20.00 Uhr - Dachstock - Jubilee: ZWEI JAHRE Wild Wild East! THE GYPSY QUEENS & KINGS mit ESMA REDZEPOVA, JONY ILIEV, MAHALA RAI BANDA, KALOOME, FLORENTINA SANDU, AURELIA & TANTZICA. Support: DJ's Bobby Baguette & Toni Peperoni- Gypsy-Madness! Balkan

Sa 19.02.11
19.00 Uhr - Grosse Halle - Blinde Insel - Gastküche: eventmakers (Essen pünktlich 19.30 Uhr)
17.00 Uhr -   - Öffentliche Führung durch die Reitschule Treffpunkt grosses Tor
19.30 Uhr - Kino - Baskenland Soliwoche: Infoveranstaltung über die baskische Jugendbewegung
20.30 Uhr - Tojotheater - Charged. Von Cynthia Gonzalez Dance Theater. HEIMSPIEL extern
23.00 Uhr - Dachstock - Dachstock Darkside: KLUTE (Commercial Suicide Rec/UK), Deejamf (UTB/be), Silent Extent (Full Force/be), Ryck (Rabass) -- Drumnbass

So 20.02.11
20.30 Uhr - Tojotheater - Charged. Von Cynthia Gonzalez Dance Theater. HEIMSPIEL extern

Infos:
http://www.reitschule.ch

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Bund 17.2.11

"Charged"

 Tanz der verborgenen Kräfte

 Um unsichtbare Kräfte geht es der Tänzerin und Choreografin Cynthia Gonzalez in ihrem Stück "Charged"; um jene verborgenen Energien, die unser Leben bestimmen und lenken. Die gebürtige Bolivianerin ist seit 2008 in der Berner Tanzszene präsent; sie zeigt "Charged" in Zusammenarbeit mit dem Tänzer Boris Nahalka, und ihr Vater Johnny Gonzalez tritt am Piano in Aktion.(reg)

Tojo-Theater ReitschuleDo, 17. Feb., bis Sa, 19. Feb., 20.30 Uhr; So, 20. Feb., 19 Uhr.

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kulturagenda.be 17.2.11

Cynthia Gonzales' Dance Theater im Tojo

Das Cynthia Gonzales Dance Theater präsentiert mit "Charged" sein erstes Stück in Bern. Die Tanz-Theater-Produktion der Gruppe rund um die bolivianische Tänzerin Cynthia Gonzales wird live von Johnny Gonzales begleitet. Der renommierte Jazzpianist komponiert und spielt oft die Musik zu den Choreografien seiner Tochter.
Tojo Theater, Bern. Do., 17.2., bis Sa., 19.2., 20.30 Uhr und So., 20.2., 19 Uhr

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BZ 17.2.11

Natasha Walter liest

Frauenraum Wenn sich eine 18-Jährige statt einer Weltreise eine Brustvergrösserung wünscht, scheint etwas falsch gelaufen zu sein mit der Emanzipation. Die britische Publizistin Natasha Walter hat in ihrem Buch "Living Dolls" junge Frauen nach ihrem Selbstverständnis befragt. Die Antworten sind erschreckend. Zwar glauben die meisten Frauen, sie hätten ihr Leben und ihre Sexualität selbstbestimmt im Griff, in Wirklichkeit aber reduzieren sie sich selbst immer mehr auf ihr Äusseres und sehen allein ihre Attraktivität als Schlüssel zum persönlichen Erfolg.   pd

 Heute, 20 Uhr, Frauenraum in der Reitschule, Neubrückstrasse 8, Bern.

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kulturagenda.be 17.2.11

Plädyoer für Sex. Und Brüste

Von Michael Feller

Nackte Leiber kommen immer gut an. Das gilt nicht nur für Boulevardzeitungen und Heftchen, die zwecks Auflagesteigerung Brüste auf die Front drucken. Das gilt auch für die durchaus seriöse Kulturzeitung, die Sie gerade lesen.

Seit letztem September ist unsere neue Internetsite online. Wir haben aus mehreren Gründen Freude daran: Sie ist nicht nur schön und nützlich und findet ihre Leserinnen und Leser. Dank Internet-Statistikprogrammen gibt sie uns auch gewisse Rückschlüsse auf das Leseverhalten. Wir sehen, welche Artikel wie oft angeklickt wurden. Hier unsere Top 5 des ersten halben Jahres:

1. Lust und Laster
2. Silvesterpartys
3. Heavy Metal Christmas
4. Sex in Zeiten der Apokalypse
5. Frau des Teufels

Zur Erläuterung: Bei dem zweitplatzierten Übersichtsartikel zu den Silvesterpartys sind wir dem Bedürfnis der Bernerinnen und Berner nach einem guten Start ins neue Jahr nachgekommen. Bei Platz drei waren wir überrascht. Es handelte sich um einen kleinen Artikel zu einem grossen Metalkonzert auf dem BEAExpo- Gelände, das offenbar viele düster gewandete Internet-Nutzer über die Suchmaschinen auf die Kulturagenda-Site gespült hat.

Und jetzt zu den nackten Tatsachen: Auf den ersten Platz der Rangliste schaffte es der Artikel zur "Lust und Laster"-Ausstellung im Zentrum Paul Klee und im Kunstmuseum Bern, illustriert mit einem Bild von Terry Rodgers. Darauf ist viel nackte Haut und etwas Unterwäsche zu sehen. Viertplatziert das Theater vom Club 111 im Schlachthaus, da stand Sex schon im Titel und es ging auch um nichts anderes. Und beim Titel "Frau des Teufels" (zum doch eher asexuellen Theater an der Effingerstrasse) schwang das ungezügelte Biest auch schon mit.

Das Fazit: Wenn nicht gerade die Fest- und Flüssigtage unser Bedürfnis nach wunderlichen Grossanlässen wecken, gibt es nur ein Thema, das uns alle brennend interessiert. Sie wissen schon. Sex. Wetten, dass dieses Plädoyer (mit dem nicht ganz unbewusst gewählten, leicht irreführenden Titel) in unserer Internetstatistik ganz weit oben erscheinen wird?

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Natasha Walter. Living Dolls. Warum Frauen heute lieber schön als schlau sein wollen.
Frauenraum der Reitschule, Bern Do., 17.2., 20 Uhr

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Bund 17.2.11

Sounds Wild Wild East!

 Fest der Zigeuner-Majestäten

 Die Dachstock-Party-Reihe "Wild Wild East!" hat Anlass zum Feiern. Seit zwei Jahren verspricht das Label ausgelassene Musikzerstreuung osteuropäischer Prägung.

 Es kommt immer wieder vor, dass Spielformen aus der weiten Weltmusik bis auf die Tanzflächen der europäischen Urbanitäten vordringen. Waren es in den Neunzigerjahren die elektronischen Varianten der brasilianischen Musik, so übernahm die Tanzmusik des Balkans in den Nullerjahren ziemlich konkurrenzlos das Rhythmusdiktat.

 Mit dem Balkan-Label "Wild Wild East!" hat die Reitschule diesen Trend fix im Veranstaltungsprogramm verankert, seit zwei Jahren kehrt ebendieser wilde Osten regelmässig in den Dachstock ein und feiert Feste, bei denen kein Tanzbeinchen ungerührt bleibt. Das 2-Jahr-Jubiläum soll nun gebührend gefeiert werden, weshalb man eine besonders zügellose Fest-Kapelle anreisen lässt. Sie nennt sich The Gypsy Queens & Kings und ballt allerhand Rang und Namen der osteuropäischen Musikszene. Da ist zum Beispiel die rumänische Gruppe Mahala Rai Banda, die ihren Gipsy-Pop mit äusserst originellen Bläser-Arrangements befeuert. Da ist die grosse ältere Dame der mazedonischen Musik, Esma Redzepova, welche auch vor raumgreifendem Pathos nicht zurückschreckt. Da sind der mal schmachtende, mal stampfende Bulgare Jony Iliev, die französische Gipsy-Flamenco-Gruppe Kaloome, die den musikalischen Bogen bis nach Nordafrika spannt, und die rassige Florentina Sandu, die heimliche Meisterin des osteuropäischen Kehlkopfschlags. Das ist genug Stoff für eine abendfüllende Revue im Zeichen der Fanfaren und osteuropäischen Party-Rhythmen.(ane)

 Reitschule Dachstock Freitag, 18. Februar, 20 Uhr.

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kulturagenda.be 17.2.11

Königinnen und Könige des Balkans

Die "Wild Wild East"-Jubiläumsparty wartet im Dachstock mit einem besonderen Leckerbissen auf: den Gypsy Queens and Kings. Die Allstarband der Romamusik wird auch Tanzmuffel aus der Reserve locken.

Der Balkanexpress rollte schon eine ganze Weile durch die Clubs im In- und Ausland, als vor zwei Jahren mit "Wild Wild East" auch in Bern eine Konzertund Partyreihe ins Leben gerufen wurde, die sich ganz der Gypsy- und Balkanmusik verschrieb. Es schien, als ob ganz Bern nur darauf gewartet hätte: Innert kürzester Zeit wurde "Wild Wild East" zu einer sehr beliebten Konzertreihe im Dachstock. "Die Reitschule hat sich das Völkerverbindende auf die Fahnen geschrieben. Deshalb ist der Dachstock auch gut geeignet für diese Reihe", sagt Sabine Ruch, Veranstalterin des Dachstocks.
Es ist ein Phänomen, dass die Gypsyund Balkanmusik derzeit beim Publikum so beliebt ist. Ruch erklärt es mit der fröhlichen und ausgelassenen Stimmung, die der Musik innewohnt: "In dieser Musik steckt einfach ein unglaubliches Feuer, das auch den grössten Tanzmuffel aus der Reserve lockt." Gerne erinnert sie sich etwa an das Konzert von Rotfront, bei dem das Publikum bis zur Garderobe zuhinterst im Raum ausgelassen tanzte und hüpfte. Aber auch anderen Bands wie Boban i Marko Markovic´, den Hochgeschwindigkeitsbläsern aus Serbien, ist es gelungen, den Dachstock in kollektive Tanzekstase zu versetzen.

Shantel und andere Prominenz

Die Aufzählung der vergangenen "Wild Wild East"-Gäste liest sich wie ein Who is Who der Balkanszene: Bands wie Koˇcani Orkestar, Gypsy Sound System und Dela Dap gaben sich die Klinke in die Hand. Dazwischen war immer wieder Shantel zu Gast: Nicht weniger als sechs Mal stand der deutsche DJ entweder hinter den Plattentellern oder mit seinem Bukovina Club Orkestar auf der Bühne. Und dem Vernehmen nach soll man auch in diesem Jahr nicht um ihn herumkommen.

Garantie für Ausgelassenheit

Trotz aller Prominenz hat es die Veranstalterin Sabine Ruch geschafft, für die Jubiläumsausgabe nochmals eins draufzusetzen: Mit den Gypsy Queens and Kings steht eine ganz besondere Formation auf der Bühne des Dachstocks. Es handelt sich dabei um eine gut zwanzigköpfige Allstarbesetzung der Romamusik: Die mazedonische Sängerin Esma Redzˇepova ist ebenso dabei wie der Bulgare Jony Iliev und Florentina Sandu, die Enkelin von Nicolae Neacsu, dem Gründer der legendären Band Taraf de Haïdouks. Nicht zu vergessen die Mahala Raï Banda und das Gypsy-Flamenco-Trio Kalomee aus dem südfranzösischen Perpignan.
Eine lange, lange Nacht mit einem ausgelassenen und fröhlichen Fest ist also garantiert.

David Loher

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Dachstock der Reitschule, Bern
Fr., 18.2., 20 Uhr. www.dachstock.ch

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Coop Zeitung 15.2.11

"Blinde Insel" Sinnliche Erfahrung

 Ein kulinarisch-kulturelles Erlebnis gibt es bis 19. März in Bern (Grosse Halle, Reitschule): Völlig im Dunkeln servieren blinde und sehbehinderte Menschen ein 3-Gang-Menü, zubereitet von renommierten Köchen. Dazu gibt es Texte von Autoren wie Franz Hohler oder Pedro Lenz, exklusiv für das Projekt verfasst, aufgenommen und mit Geräuschen versetzt. Infos:

www.grossehalle.ch

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SCHÜTZENMATTE
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20min.ch 17.2.11

Schützenmatte bleibt Unort

Eine der hässlichsten Orte der Stadt Bern bleibt noch lange so: die Schützenmatte

Linksgrüne Politiker fordern schon lange eine Umgestaltung und die Aufhebung der Parkplätze. Der Gemeinderat begrüsst das Ansinnen zwar, vertröstet aber wegen noch unklarer SBB-Pläne auf eine langfristige Strategie. Auch die Möglichkeit der Parkplatz-Aufhebung wird untersucht

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bern.ch 12.1.11

Bericht des Gemeinderats
Postulat Fraktion GB/JA! (Karin Gasser / Nathalie Imboden GB) vom 26. Oktober
2006: Umnutzung und städtebauliche Gestaltung der Schützenmatte
(06.000288)

In der Stadtratssitzung vom 14. Juni 2007 wurde das folgende Postulat erheblich erklärt:

Die Schützenmatte wurde bisher städtebaulich vernachlässigt. Was früher ein Reitgarten war, ist seit dem Bau des Eisenbahnviaduktes Ende der dreissiger Jahre hauptsächlich eine Abstellfläche für Autos. Der Platz wird zwar auf verschiedene Weise genutzt (Carterminal, Vorplatz Reitschule, Chilbi etc.), aber die Parkplatznutzung dominiert den Raum so stark, dass alles andere nebensächlich ist. Der Ort ist seit langem unattraktiv geworden, illegale (Drogen-)Geschäfte finden statt, insbesondere nachts überqueren viele Leute den Platz nicht gerne und meiden deshalb das Kulturzentrum Reitschule. Diese Situation ist unhaltbar und muss dringend verbessert werden, indem die Schützenmatte städtebaulich umgestaltet wird. Nur so wird eine Nutzungsdurchmischung möglich, wie sie für einen zentralen städtischen Platz nötig und sinnvoll ist. Es ist deshalb unabdingbar, die Parkplätze auf der Schützenmatte aufzuheben. Die Parkhäuser in der Innenstadt bieten für den motorisierten Privatverkehr genügend Plätze an zentraler Lage.

Auch uns ist bewusst, dass die Schützenmatte, die durch mehrspurige, stark frequentierte Strassen umgeben ist, nie zu einer grünen Lunge werden wird. Trotzdem sind wir überzeugt, dass eine Umgestaltung in einen angenehmeren, für alle zugänglichen Platz möglich ist. Dabei muss keine teure Luxuslösung angestrebt werden, sondern in erster Linie soll eine übersichtliche Freifläche geschaffen werden. Die Bedürfnisse der Jugendlichen, die in der Reitschule ein- und ausgehen, sollen dabei speziell berücksichtigt werden. Ein parkplatzfreier Raum würde z.B. auch dem Flohmarkt, der zurzeit auf engem Raum zusammengepfercht ist, mehr Platz bieten.

Der Gemeinderat wird gebeten, ein Gestaltungs- und Nutzungskonzept für die Schützenmatte zu erarbeiten, das für diesen zentrumsnahen Raum eine Aufwertung bringt. Zu berücksichtigen sind dabei folgende Punkte:

1. Die Aufhebung der Parkplätze für Pkws auf der Schützenmatte, z.B. im Rahmen der notwendigen Kompensation für den geplanten Ausbau des Park&Ride Neufeld.
2. Sinnvolle Lösung für die Reisecars: Für die Car-Reisenden ist die Schützenmatte aufgrund ihrer Nähe zum Bahnhof ideal, gleichzeitig soll aber die Verkehrsführung so gestaltet werden, dass sich die Car An- und Zufahrten besser verteilen und die angrenzenden Wohnquartiere möglichst wenig belastet werden. Es soll für die Reisenden mindestens ein Dach erstellt werden, das vor Regen schützt.
3. Chilbi, Kundgebungen etc. sollen weiterhin möglich sein.
4. Einbezug der verschiedenen Anspruchsgruppen (Reitschulbetreibende und Reitschulbesucherinnen und -besucher, Geschäftsinhaber am Bollwerk, Car-Unternehmen, SBB, etc.) bei der Erstellung des Konzepts.

Bern, 26. Oktober 2006

Postulat Fraktion GB/JA! (Karin Gasser/Natalie Imboden, GB), Catherine Weber, Hasim Sancar, Daniele Jenni, Myriam Duc, Anne Wegmüller, Stefanie Arnold, Franziska Schnyder, Urs Frieden

Bericht des Gemeinderats

1. Ausgangslage

Der Gemeinderat hat bereits mit Prüfungsbericht vom 1. April 2009 (GRB 0538) sein Vorgehen, den unbefriedigenden Zustand auf der Schützenmatte zu beheben, dargelegt. Dieses Vorgehen sieht verschiedene Massnahmen vor, die im Rahmen einer kurz-, mittel- und langfristigen Strategie unternommen werden. In seinem Fazit hat der Gemeinderat erklärt, dass für ihn momentan die mittelfristige Strategie im Vordergrund steht, die vorwiegend die Realisierung diverser Tiefbauprojekte beinhaltet.

Der Stadtrat lehnte in der Sitzung vom 18. Juni 2009 den Prüfungsbericht ab (SRB 371). Wie aus der Debatte im Stadtrat sowie aus der inzwischen eingereichten Motion Fraktion GB/JA! (Stéphanie Penher/Natalie Imboden, GB): Planungskredit für die Umnutzung und städtebauliche Gestaltung der Schützenmatte vom 7. Mai 2010 (SRB Nr. 586) ersichtlich ist, liegt der Grund für die Ablehnung des Prüfungsberichts nicht in der durch den Gemeinderat vorgeschlagenen Stossrichtung, sondern in der Terminierung der langfristigen Strategie. Der Gemeinderat hat in seinem Prüfungsbericht diese angesichts der aus der Planung Zukunft Bahnhof Bern resultierenden unklaren Rahmenbedingungen erst um 2030 vorgesehen. In der Antwort auf die oben erwähnte Motion (SRB 586) hat der Gemeinderat, aufgrund der neuen Erkenntnisse, die langfristige Strategie in den Vordergrund der Planung gerückt. Diese sollte voraussichtlich bereits ab 2012 initiiert werden.

Gemäss Sachplan Infrastruktur Schiene (Sachplan SIS) ist langfristig die Option für den Ausbau der Zufahrt Ost von heute 4 auf 6 Gleise offen zu halten. In Kombination mit der erst kürzlich von der SBB präsentierten seitlichen Erweiterung der heutigen Perronhalle (Gleise 13 bis 16) könnte ein Ausbau der Ostzufahrt die Schützenmatte tangieren. Aus heutiger Sicht ist der Ausbau der Zufahrtskapazitäten erst nach 2050 erforderlich. Der Gemeinderat hat in seiner Stellungnahme zum Sachplan SIS festgehalten, dass die Schützenmatte und die Reitschule nicht zur Disposition stehen. Wann und wie in diesem Interessenkonflikt entschieden wird ist noch offen.

2. Vorgehen des Gemeinderats

Kurzfristige Strategie
Die im Rahmen der kurzfristigen Strategie vorgesehenen und im Betriebs- und Gestaltungskonzept für den Bereich unter dem Bahnviadukt festgehaltenen Massnahmen, wurden bis auf die Realisierung der Skateranlage bereits erstellt (z.B. neue Beleuchtung, Velo-Parkplätze samt Ständern, Pissoirs, Containerraum). Im Weiteren wurde auch eine provisorische WC-Anlage an der süd-östlichen Ecke der Schützenmatte, bei den Car-Parkplätzen, realisiert.

Mittelfristige Strategie
Die mittelfristige Strategie kann nur teilweise umgesetzt werden. Der wegen des schlechten Zustands nicht aufschiebbare Ersatz der Leitungen von Energie Wasser Bern unter dem Bollwerk wird im Jahr 2012 durchgeführt. Die grundlegende Umgestaltung des Strassenraums selbst ist aufgrund des Ergebnisses der Abstimmung zur Initiative "Für einen autofreien Bahnhofplatz" nicht möglich. Dieses Ergebnis hat zur Folge, dass das Bollwerk in naher Zukunft weiterhin eine wichtige Verkehrsader bleibt, deren Verkehrsaufkommen keine Spurreduktion im Bollwerk zulässt. Seite 3/4 Auf eine umfassende Sanierung des Belags der Schützenmatte wird momentan verzichtet, um die Ergebnisse der langfristigen Planung abzuwarten. Gemäss den Angaben des Tiefbauamts kann bis 2015 die Sicherheit und Gebrauchstauglichkeit des Belags mit punktuellen Unterhaltsmassnahmen gewährleistet werden. Als Option kann die Lebensdauer des Belags mit Dünnschichtbelägen oder Oberflächenbehandlungen (Kostenpunkt ca. Fr. 50 000.00) um weitere acht Jahre verlängert werden.

Langfristige Strategie
Für den Gemeinderat steht für das Gebiet um die Schützenmatte neu die langfristige Strategie im Vordergrund. Der Grund für die deutlich frühere Terminierung der langfristigen Strategie (voraussichtlich bereits ab 2012) liegt in der aufgrund der Gespräche mit den SBB als Grundeigentümerschaft gewonnenen Erkenntnis, dass das im planerischen Kontext der Schützenmatte bedeutende Eilgutareal bis in eine sehr weite Zukunft (weit über 2030) ausschliesslich für bahntechnische Zwecke gebraucht und demzufolge der Planung nicht zur Verfügung stehen wird. Diese neue Erkenntnis bewegte den Gemeinderat dazu, die langfristige Planung nicht mehr an die Verfügbarkeit dieses Areals zu knüpfen. Bis zur Auslösung der langfristigen Planung sollte der Entscheid über den möglichen Ausbau des P+R Neufeld und die damit verbundene Möglichkeit der Aufhebung der Parkplätze auf der Schützenmatte bekannt sein.

Als Vorarbeit für die langfristige Planung hat der Gemeinderat das Gebiet bereits 2008/09 einer grundsätzlichen Untersuchung unterzogen. In diesem Zusammenhang wurde die Arbeitsgemeinschaft "Boulevard" beauftragt, den Perimeter ganzheitlich zu analysieren und ein möglichst differenziertes Bild davon zu zeichnen, welche Faktoren in diesem städtischen Raum eine zentrale, eine fördernde oder auch hemmende Rolle spielen. Das Resultat der Arbeit liegt als Grundlage "Planungsprozess Boulevard - Analyse, Thesen" vor. In dieser Grundlage wurde zunächst die Situation umfassend analysiert. Dabei wurden sowohl der (Planungs-) Geschichte, wie auch der heutigen Nutzung, dem Städtebau, sozialen Aspekten und den Besonderheiten des Raums als Schnittstelle zwischen Altstadt, Bahnhof und den umliegenden Quartieren besondere Beachtung geschenkt. Der untersuchte Perimeter wurde bewusst um das westlich des Eisenbahnviadukts gelegene, sich in SBB-Eigentum befindende Eilgutareal sowie um das Gebiet der nördlichen Oberen Altstadt erweitert. Die als Thesen formulierte Zwischenbilanz der Untersuchungen zeigt, dass es sich hier um einen wichtigen, eigenständigen Stadtraum mit hohem Entwicklungspotenzial handelt. Dieses Potenzial könne nicht ausgeschöpft werden, weil an diesem Ort eine Kollision der Nutzerinteressen stattfinde.

Die Grundlage "Planungsprozess Boulevard - Analyse, Thesen" bildet eine fundierte Basis für die weiteren konzeptionellen Überlegungen, die im Rahmen der langfristigen Planung ab 2012 stattfinden sollten. Zu diesem Zweck hat der Gemeinderat für die Jahre 2012 - 15 Finanzmittel in der Höhe von insgesamt Fr. 800 000.00 in der Investitionsplanung eingestellt.

Im Weiteren nimmt der Gemeinderat wie folgt Stellung zu den einzelnen Punkten des Postulats:

Zu Punkt 1:
Die Möglichkeit der Aufhebung der Parkplätze für PKWs auf der Schützenmatte sowie eine definitive Lösung für die Reisecars wird im Rahmen der langfristigen Planung untersucht. Momentan wird im Auftrag der Betreiberin AWAG eine Wirtschaftlichkeitsanalyse für ein neues Car-Terminal sowie für die Erweiterung der Park&Ride-Anlage im Neufeld erstellt. Die Ergebnisse der Analyse sind voraussichtlich anfangs 2011 zu erwarten. Ab 1. Januar 2011 ist der provisorische Car-Terminal Neufeld Haltepunkte für Linienbusse im grenzüberschreitenden Verkehr und Ein- und Ausladeort für einen grossen Teil des übrigen Reisebusverkehrs.

Zu Punkt 2 und 3:
Die Schützenmatte sollte zu einem attraktiven Ort werden. Die konkreten Fragen betreffend deren Gestaltung und Nutzung sollten im Rahmen der langfristigen Planung geklärt werden.

Zu Punkt 4:
Die betroffenen Anspruchsgruppen werden in geeigneter Weise im Rahmen der langfristigen Planung Schützenmatte miteinbezogen.

Bern, 12. Januar 2011

Der Gemeinderat

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CLUBLEBEN BE
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Blick am Abend 17.2.11

Es "wackelt" im Wankdorf-Club

 NACHTLEBEN

 Neues Image für den Wankdorf-Club. Eintritt gibt es nur noch ab 18 Jahren.

 markus.ehinger@ringier.ch

 Immer wieder kommt es beim Wankdorf-Club zu Schlägereien und Auseinandersetzungen zwischen Gästen. Jetzt will das Lokal aus den negativen Schlagzeilen kommen - mit neuem Programm und neuem Image. In Zukunft gibt es keine RnB- und House-Partys mehr. Die Eintrittskontrollen werden intensiviert. "Wir machen keine Events mehr für Leute unter 18 Jahren", sagt Michael Epprecht, der neue Geschäftsführer des Wankdorf-Clubs. Mit Epprecht übernimmt ein Berner das Lokal unterhalb des Wankdorfstadions. Schon früher organisierte er Partys im Club. "Damit kenne ich das Lokal und die Leute bereits."

 Mit dem neuen Konzept gehts am Samstag los. Aus Mallorca reist Stimmungskanone Peter Wackel nach Bern. Eine Woche später ist Florian Ast als DJ zu Gast. Am 5. März findet die erste "Trash Pop"-Party statt. Die Idee: Gespielt werden die schlimmsten und besten Hits der 80er und 90er. Wer sich entsprechend stylt, bezahlt nur den halben Eintritt. Ende März stehen beim ersten "Stars of the 90ies"-Event Snap! auf der Bühne. Alle sechs Wochen sollen in Zukunft Stars aus den 90er-Jahren Bern beehren.

 "Leute über 28 Jahre haben dann gratis Eintritt", sagt Epprecht. Die Alphütte ist anders als früher nur noch am Freitag offen.

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Bund 17.2.11

Gemeinderat pfeift Nause und Lerch zurück

 Die Berner Stadtregierung legt den geplanten privaten Sicherheitsdienst in der oberen Altstadt auf Eis.

 Christian Brönnimann

 Ausser Spesen nichts gewesen. Anders als Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP) und Regierungsstatthalter Christoph Lerch (SP) will der Gesamtgemeinderat nichts wissen von privaten Sicherheitsleuten, die in Berns Ausgehmeile für Ruhe und Ordnung sorgen (der "Bund" berichtete). In seiner gestrigen Sitzung hat die Stadtregierung entschieden, dass die Arbeiten am Projekt "seitens der Stadtverwaltung" nicht fortgesetzt werden. "Private Ordnungsdienste sind nicht geeignet, um gegen Gewalt und Vandalismus vorzugehen. Die öffentliche Sicherheit ist ein Service public", schreibt der Gemeinderat in einer Mitteilung. Das staatliche Gewaltmonopol sei in jedem Fall zu respektieren.

 Damit stehen Sicherheitsdirektor Nause und Regierungsstatthalter Lerch, welche die Idee zusammen mit der Kantonspolizei lanciert hatten, im Regen. Im Januar hatte Lerch per Brief 33 Wirte und Clubbetreiber im Bereich der Aarbergergasse darüber informiert, dass der Sicherheitsdienst bald eingeführt werden soll und von den Unternehmern selber zu finanzieren sei - mit Beiträgen von bis zu 5400 Franken jährlich. Obwohl daraus nun nichts wird, sieht Lerch das Positive. "Jetzt ist die Haltung der Stadtregierung klar. Somit wissen wir, in welche Richtung wir weiterarbeiten können", sagt er. Denn eins sei klar: Die bekannten Probleme - Vandalismus, Littering, Gewalt - müssten angepackt werden. Immerhin habe die Ankündigung einen Prozess angestossen, sagt Lerch. Das Vorgehen sei aber missverständlich gewesen, gibt er rückblickend zu. "Das Ganze hätte etappenweise und behutsamer aufgegleist werden sollen."

 Nause: "Auf Feld eins zurück"

 Reto Nause sagt, rückblickend betrachtet hätte er den Gesamtgemeinderat zu einem früheren Zeitpunkt über das Projekt informieren sollen. Nach der massiven Kritik an der Idee hätten er und Lerch bereits am Montag beschlossen, dass "der Konzeptentwurf in den Schredder wandert". Nun müsse man "auf Feld eins zurück und den Dialog mit den Wirten und Clubbetreibern suchen". Dass mit dem Vorpreschen zu viel Geschirr zerschlagen worden sei, glaubt Nause nicht. Denn unter dem Strich seien alle Beteiligten an einer Verbesserung der Situation interessiert. Das übergeordnete Ziel einer "gemeinsamen Gassenphilosophie" könne auch auf andere Weise angestrebt werden, beispielsweise mit einer gemeinsamen Hausordnung aller Betriebe, wie sie die Stadt Solothurn bereits kenne, sagt Nause.

 Wirte sind gesprächsbereit

 Gastrobern nehme den Entscheid des Gemeinderates positiv zur Kenntnis, sagt Eveline Neeracher, Präsidentin der Sektion Bern und Umgebung. "Wir sind bereit für Gespräche und schauen vorwärts und nicht zurück. Denn es nützt niemandem etwas, die Faust im Sack zu machen", sagt sie. Auch die IG Aarbergergasse signalisiert Gesprächsbereitschaft. "Wir haben bereits vor einem halben Jahr mit dem Regierungsstatthalter den Dialog gesucht, damals sind wir aber abgeblitzt", sagt IG-Präsident Bernhard Hüsser, der Wirt des Restaurants Moléson, Jetzt freue er sich auf die Gespräche. Bedingung sei aber, dass die Sicherheit auf den Gassen alleinige Sache der Polizei bleibe. Einen Ansatz zur Verbesserung der Situation sieht Hüsser darin, den schwarzen Schafen unter den Clubbetreibern konsequent die Überzeitbewilligung zu entziehen. "Die bestehenden Regeln müssen endlich vollzogen werden."

 Die ursprünglich geplante und im Schreiben angekündigte "Infoveranstaltung" für die Wirte am 4. März wird laut Christoph Lerch nicht durchgeführt. "Wir müssen nun erst einmal die Lage neu analysieren", sagt er.

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BZ 17.2.11

Reto Nause ausgebremst

 Stadt Bern. Der Gemeinderat stoppt das Projekt von Sicherheitsdirektor Reto Nause für einen privaten Sicherheitsdienst in der oberen Altstadt.

 Für die öffentliche Sicherheit sei alleine die Polizei zuständig: Mit dieser Argumentation stoppte der Gemeinderat gestern das Sicherheitskonzept von Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP) für die obere Altstadt. Dieses hätte vorgesehen, dass Wirte und Clubbetreiber einen Ordnungsdienst in den Gassen organisieren und bezahlen müssen. Der Gemeinderat begründet seinen Entscheid auch damit, dass die Polizeipräsenz in der Innenstadt bald sukzessive erhöht werde. Trotzdem glaubt Nause, dass damit nicht alle Probleme gelöst werden. Er will deshalb das Gespräch mit den Betroffenen suchen, um eine einvernehmliche Lösung zu finden.azuSeite 3

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Privater Ordnungsdienst: Gemeinderat stoppt Nause

 Stadt BernKein Rütteln am Gewaltmonopol: Der Gemeinderat zieht die Notbremse und stoppt Reto Nauses Projekt eines privaten Sicherheitsdiensts in der oberen Altstadt. Diesen hätten Wirte und Klubbetreiber bezahlen müssen.

 Zwischen 1800 und 5400 Franken pro Jahr sollen Beizer und Klubbetreiber in der oberen Altstadt für einen Ordnungsdienst in den Gassen zahlen - je nach Grösse ihres Betriebs. Diesen Plan hat Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP) nach Gesprächen mit Regierungsstatthalter Christoph Lerch (SP) ausgeheckt. Lerch offenbarte das ausgetüftelte Konzept den betroffenen Gastronomen im Januar brieflich, was diese zu geharnischten Reaktionen veranlasste (wir berichteten).

 Polizeipräsenz wird ab September 2011 erhöht

 Doch Reto Nause hatte die Rechnung ohne den Gemeinderat gemacht: Bereits vor zwei Wochen reagierten Nauses Regierungskollegen skeptisch, nachdem er sie über seine Pläne informiert hatte. An der gestrigen Gemeinderatssitzung war das Projekt nun offiziell traktandiert - und wurde vom Gremium abgeschossen.

 Unter dem Titel "Kein Rütteln am Gewaltmonopol" teilte die Regierung gestern mit, dass die "Arbeiten am Projektentwurf" nicht mehr fortgesetzt würden. Private Ordnungsdienste taugen in den Augen des Gemeinderats nicht , um gegen Gewalt und Vandalismus vorzugehen. Für die öffentliche Sicherheit - "ein Service Public" - sei alleine die Polizei zuständig. Das staatliche Gewaltmonopol sei "in jedem Fall" zu respektieren.

 Der Gemeinderat weist darauf hin, dass die Polizeipräsenz in der Innenstadt ja sukzessive erhöht werde: Mit dem vom Volk im März 2010 angenommenen Gegenvorschlag zur FDP-Sicherheitsinitiative werden die Fusspatrouillen an "neuralgischen Orten" wie der oberen Altstadt um 20 000 Stunden pro Jahr ausgeweitet. Umgesetzt wird dies ab September 2011.

 Mit dem Stopp des Projekts wird auch das auf den 4. März anberaumte Treffen zwischen den Gastronomen einerseits sowie Nause und Regierungsstatthalter Lerch andererseits obsolet. Dies erklärte Reto Nause gestern auf Anfrage. Der Statthalter, der ja als Kantonsvertreter grundsätzlich keine Befehle vom Gemeinderat zu empfangen habe, trage den Entscheid mit: "Ich habe die Angelegenheit mit dem Regierungsstatthalter besprochen, und wir haben beschlossen, das Projekt zu sistieren", sagt Nause.

 Für den Sicherheitsdirektor ist die ganze Sache aber nicht einfach beerdigt, denn: "Die Probleme bleiben", ist er überzeugt. "Darum gehen wir zurück auf Feld 1 und suchen nun im Gespräch mit Gastro Bern, Bern-City und der IG Aarbergergasse eine Lösung im Konsens."

 Zwischen den Zeilen ist herauszuhören, dass sich Nause noch immer ein bisschen missverstanden fühlt. Mit seiner Idee wollte er nämlich in erster Linie die bereits bestehenden Sicherheitsdienste der einzelnen Klubs vernetzen. Diese sorgen ja bereits heute an den Eingängen der Lokale für Ordnung.

 Das Gewaltmonopol ist längst geritzt

 Und tatsächlich wird das angebliche Gewaltmonopol des Staats bereits seit längerem ausgehöhlt: Seit Jahren patrouillieren im Auftrag der Stadt etwa auf der Bundesterrasse, vor der Reitschule und vor der Drogenanlaufstelle private Sicherheitsdienste wie die Securitas.

 Insgesamt lässt sich die Stadtverwaltung die Sicherheitsaufträge an Private jährlich fast 1,6 Millionen Franken kosten - dies legte der Gemeinderat in einer Antwort auf einen Stadtratsvorstoss letzten Herbst offen. Alleine die Patrouillen rund um die Reitschule kosten fast eine halbe Million Franken.

 Adrian Zurbriggen

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20 Minuten 17.2.11

Kein Rütteln am Gewaltmonopol

 BERN. Der Berner Gemeinderat pfeift den Regierungsstatthalter zurück: Auch künftig werden in der oberen Altstadt keine privaten Ordnungsdienste für die öffentliche Sicherheit sorgen. "Das Gewaltmonopol bleibt bei der Polizei", sagt Sicherheitsdirektor Reto Nause. Der Regierungsstatthalter hatte gefordert, dass sich Clubbetreiber an einem gemeinsam organisierten privaten Ordnungsdienst beteiligen. Private Ordnungsdienste seien jedoch nicht geeignet, um gegen Gewalt und Vandalismus vorzugehen, so Nause. "Die öffentliche Sicherheit ist ein Service Public, der zwingend durch die Polizei zu gewährleisten ist."

 Dank der Ausweitung der Fusspatrouillen soll die Präsenz der uniformierten Polizei im Jahr 2012 um 10 000 Stunden und danach um 20 000 Stunden erhöht werden. Dafür werden jährlich zusätzlich 2,2 Millionen Franken zur Verfügung gestellt.  meo

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bern.ch 16.2.11

Sicherheit in der oberen Altstadt: Kein Rütteln am Gewaltmonopol

In Zusammenhang mit dem geplanten Sicherheitskonzept für die obere Altstadt hat sich der Gemeinderat gegen das Vorhaben ausgesprochen, private Ordnungsdienste mit der Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit zu betrauen. Er unterstreicht, dass für die öffentliche Sicherheit allein die Kantonspolizei zuständig ist, und verweist dabei auf die von den Stimmbe-rechtigten im März 2010 gutgeheissene Aufstockung der Kantonspolizei.

Der Gemeinderat hat an seiner heutigen Sitzung erstmals den Projektentwurf zum Sicherheitskonzept für die obere Altstadt erhalten und diskutiert. Er hat beschlossen, dass die Arbeiten am Projektentwurf seitens der Stadtverwaltung nicht mehr fortgesetzt werden. Er lehnt insbesondere die vorgesehene Einführung eines gemeinsam organisierten privaten Ordnungsdienstes durch die betroffenen Betriebe zur Gewährleistung der Sicherheit im öffentlichen Raum ab. Private Ordnungsdienste sind nach Ansicht des Gemeinderates nicht geeignet, um gegen Gewalt und Vandalismus vorzugehen. Die öffentliche Sicherheit sei ein Service Public, der zwingend durch die Kantonspolizei zu gewährleisten sei. Die Stadtregierung unterstreicht, dass das staatliche Gewaltmonopol in jedem Fall zu respektieren ist.

Rund zwei Millionen Franken für mehr Polizeipräsenz

Die Stadtregierung weist darauf hin, dass die Stimmberechtigten im März 2010 im Rahmen eines gemeinderätlichen Gegenvorschlags der Ausweitung der Fusspatrouillen der Kantonspolizei zugestimmt haben. Demnach soll die Präsenz der uniformierten Polizei im Jahr 2012 um 10'000 Stunden und ab 2012 um 20'000 Stunden erhöht werden. Dafür werden jährlich zusätzlich rund 2,2 Millionen Franken zur Verfügung gestellt. Wie in der Abstimmungsbotschaft festgehalten, sind die zusätzlichen Polizeiressourcen dafür reserviert, die Polizeipräsenz an den neuralgischen Orten zu erhöhen. Dazu zählt insbesondere die obere Altstadt. Oberste Priorität hat für den Gemeinderat, den Volksentscheid ab kommendem Jahr wirksam umzusetzen.

Auflagen für Betriebe

Weiter hält der Gemeinderat fest, dass es im Ermessen und in der Kompetenz des Regierungsstatthalters liegt, die Erteilung von gastgewerblichen Bewilligungen an Auflagen zu knüpfen, die auf die Vermeidung von Littering, Lärm und Verunreinigungen abzielen. Die Stadtregierung begrüsst es, wenn das Regierungsstatthalteramt in diesem Bereich Massnahmen trifft, und unterstützt deren Erarbeitung und Umsetzung im Rahmen ihrer gewerbepolizeilichen Möglichkeiten. Sie erwartet von den Betrieben, dass diese ebenfalls ihre Verantwortung wahrnehmen und ihren Beitrag zur Verbesserung der Situation leisten.

Informationsdienst der Stadt Bern

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Bund 15.2.11

SP distanziert sich vom Schreiben des Parteikollegen

 Stadtberner SP kritisiert Regierungsstatthalter und Gemeinderat für die Idee einer Security-Patrouille.

 Die SP Stadt Bern zeigt sich in einer gestern versandten Pressemitteilung befremdet über das Vorgehen des Gemeinderats und des Regierungsstatthalters in Bezug auf das Sicherheitskonzept Aarbergergasse. Zur Erinnerung: In einem Brief an Wirte und Clubbetreiber hatte der Regierungsstatthalter angekündigt, dass sie sich künftig an einem privaten Sicherheitsdienst beteiligen müssten - mit bis zu 5400 Franken jährlich (der "Bund" berichtete). Das Schreiben, das jüngst publik wurde, sorgte für Empörung bei den Gastronomen und sämtlichen Stadtratsfraktionen, die keine privaten Security-Patrouillen wollen.

 Pikant an der Medienmitteilung der Stadtberner Sozialdemokraten: Die SP kanzelt öffentlich ein eigenes Parteimitglied ab, war es doch Regierungsstatthalter Christoph Lerch, der das Schreiben verfasst hat. "Vom Tonfall in diesem Schreiben sind auch wir befremdet", heisst es in der Mitteilung. Die SP begreife, dass der "Fait-accompli-Stil" bei den Betroffenen heftige Reaktionen ausgelöst habe. Und SP-Stadträtin Corinne Mathieu doppelt auf Anfrage nach: "So kann man mit den Leuten nicht umgehen, wir fordern einen klaren Dialog." Regierungsstatthalter Lerch war gestern telefonisch nicht zu erreichen.

 Die Hauptkritik der SP richte sich in erster Linie aber an den Gemeinderat, betont Stadträtin Mathieu. Der Gemeinderat müsse endlich Verantwortung übernehmen und ein Konzept für das Nachtleben ausarbeiten. Zwei Vorstösse, die ein solches Konzept fordern, sind zurzeit hängig, unter anderem ein Postulat von Mathieu, das letzten Sommer eingereicht wurde.

 Sicherheitskonzept sistieren

 Die SP fordert den Gemeinderat auf, derweil die Umsetzung des Sicherheitskonzeptes zu sistieren. Zuerst müssten die betroffenen Gastronomie-Betriebe Gelegenheit erhalten, ihre Standpunkte einbringen zu können. Am 4. März soll das Treffen zwischen dem Regierungsstatthalter und den Gastronomen stattfinden.

 Der zuständige Gemeinderat Reto Nause (CVP) bedauerte kürzlich im "Bund" den Wortlaut des Schreibens und ruderte zurück: Man befinde sich erst in der Ideenphase, entschieden sei noch nichts, liess der Vorsteher der Direktion für Sicherheit, Umwelt und Energie (SUE) verlauten. Der Gesamtgemeinderat sei zudem nicht in die Sache involviert gewesen. Im Brief ist aber von einem "erarbeiteten Sicherheitskonzept" die Rede. "Auch die Kommunikation der SUE ist gelinde gesagt unglücklich", findet Mathieu. (jäg)

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BIG BROTHER SPORT
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Bund 17.2.11

YB zahlt weiter zwei Franken pro Kopf

 Der BSC Young Boys wird auch in diesem Jahr für jedes internationale Heimspiel einen "Zweifränkler" pro Eintritt an die Sicherheitskosten der Stadt berappen. Diese Vereinbarung wurde im letzten Jahr getroffen und wird weitergeführt, wie die Direktion für Sicherheit, Umwelt und Energie (SUE) gestern mitteilte. Es handelt sich um eine Zusatzvereinbarung zum seit 2009 bestehenden Abkommen der Stadt mit den beiden Berner Sportklubs, das vorsieht, dass YB und SCB jährlich 60 000 Franken an die Sicherheit bezahlen. Dieser Betrag wird länger schon aus verschiedenen politischen Ecken als zu niedrig kritisiert, der Vertrag läuft aber noch drei Jahre.

 Da internationale Spiele durch das ursprüngliche Abkommen nicht abgedeckt waren, hat Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP) die Zusatzvereinbarung mit YB getroffen. Sie gilt auch fürs heutige Europa-League-Spiel gegen Zenit St. Petersburg. Die Debatte um die Beteiligung der Sportklubs an den Sicherheitskosten wird damit nicht enden. Nause hatte im letzten Jahr angekündigt, dass er in diesem Frühling die Entwicklung der aufgewendeten Polizeistunden analysieren und unter Umständen Massnahmen treffen werde.(jäg)

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bern.ch 16.2.11

YB beteiligt sich weiterhin an Kosten bei internationalen Heimspielen

Die Stadt Bern und der BSC YB haben auch für das Jahr 2011 eine Zusatzvereinbarung abgeschlossen, in der die Beteiligung des Klubs an den Sicherheitskosten bei internationalen Heimspielen geregelt ist.

Die Zusatzvereinbarung sieht vor, dass der BSC YB bei internationalen Heimspielen einen pauschalen Beitrag von zwei Franken pro Zuschauer an die Sicherheitskosten der Stadt bezahlt. Ein gleich lautendes Abkommen hatten die Stadt und YB bereits für 2010 abgeschlossen. Die Zusatzvereinbarung tritt per sofort in Kraft und gilt befristet bis Ende Jahr. Sie ergänzt die seit 2009 bestehende Vereinbarung der Stadt mit dem BSC YB über die allgemeine Kostenbeteiligung an den Aufwendungen der Stadt im Zusammenhang mit den Heimspielen des Sportklubs.

Direktion für Sicherheit, Umwelt und Energie

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gr.be.ch 9.2.11

Gesetzliche Grundlage für eine Beteiligung der Veranstalter an den öffentlichen Sicherheitskosten bei kommerziellen Grossveranstaltungen, insbesondere im Sport
http://www.gr.be.ch/etc/designs/gr/media.cdwsbinary.acq/32d9a00a027f448aa3c5f10de4eb56c0-332/2/PDF/2010-9566-Vorstossantwort-D-34874.pdf

Geschäfts-Nr.:      2010-9566
Geschäftstyp:     Motion 169-2010
Eingereicht durch:     SP-JUSO-PSA (Fraktionsvorstoss)
Siegenthaler Peter, SP, Thun
Mitunterzeichner:     16
Federführung:     POM Polizei- und Militärdirektion
Geschäft eröffnet am:     15.09.2010
Behandlung im GR am:     09.02.2011

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NACHTSPERRE
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Bund 17.2.11

SP opponiert gegen Tore beim Bärenpark

 Die SP Stadt Bern will mit ihrer Einsprache eine nächtliche Sperre des Uferwegs beim Bärenpark verhindern.

 Noch vor den ersten milden Frühlingswochen wollten die Berner Stadtbauten (Stabe) an den Zugängen zum Bärenpark-Uferweg Tore errichten. Mit den Toren sollte der Besucherandrang reguliert und bei Bedarf eine nächtliche Sperre des Uferwegs möglich werden. Gegen den Bau der Tore und eines Geländers als Abschrankung zu den Ufertreppen sind nun aber zwei Einsprachen eingegangen, sagt Hans-Martin Schaer vom Statthalteramt Bern-Mittelland auf Anfrage. Die eine stamme von einem Anwohner, die andere von der SP Stadt Bern. Zur Umsetzung einer Nachtsperre braucht es zusätzlich noch eine Änderung der Überbauungsordnung. Die Mitwirkung dazu ist noch im Gang.

 Nause wundert sich über die SP

 Die Einsprache der SP ist insofern erstaunlich, als sie zum Teil einem SP-Postulat vom März 2010 widerspricht. Stadträtin Lea Kusano hatte damals den Gemeinderat aufgefordert, den Zugang zur Aaretreppe mit baulichen Massnahmen (zum Beispiel einer Abschrankung) besser zu schützen. Auf die Ankündigung des Gemeinderates hin, solche Massnahmen in Angriff zu nehmen, hat Kusano ihren Vorstoss schliesslich zurückgezogen. Sie steht aber auch heute nach wie vor hinter dem geplanten Bau eines Geländers. "Die Treppe lädt kleine Kinder zum Runtersteigen ein", sagt Kusano. SP-Sekretärin und Stadträtin Leyla Gül weist darauf hin, dass sich die Einsprache nur in dritter Linie gegen das Geländer richte. In erster Linie gehe es darum, dass vor der Bewilligung eines Baugesuches zuerst die Überbauungsordnung geändert werden müsste. Zudem würden die Tore dem vom Volk genehmigten Konzept des Bärenparkes widersprechen, das frei zugängliche Aareufer vorsehe.

 Laut Gemeinderat Reto Nause (CVP) ist die nächtliche Schliessung keineswegs beschlossene Sache. "Das letzte Wort dazu hat ohnehin der Stadtrat." Der Stadtberner Sicherheitsdirektor zeigt sich erstaunt über die Einsprache der SP. "Schliesslich hat mich ja SP-Stadträtin Lea Kusano ultimativ aufgefordert, für mehr Sicherheit beim Bärenpark zu sorgen", sagt Nause.(bob)

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BAHNHOF-ZUKUNFT
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BZ 15.2.11

Der Ausbau des Berner Bahnhofs ist unbestritten

 Mitwirkung. Der Bau eines zweiten Geleises auf der Bahnlinie Bern-Solothurn und die Vergrösserung des Berner Bahnhofes sind notwendig.

 Die Ergebnisse der öffentlichen Mitwirkung zum Sachplan Verkehr, Teil "Infrastruktur Schiene im Raum Bern", zeigen klar auf: Der grosse Handlungsbedarf zum Ausbau des Berner Bahnhofes ist unbestritten. Ebenfalls unbestritten ist der durchgehende Ausbau der Bahnlinie Bern- Solothurn auf Doppelspur. Die Situation bei den Publikumsanlagen im Bahnhof Bern - insbesondere beim RBS, aber auch bei den SBB - wird als prekär erachtet. Deshalb soll so rasch wie möglich mehr Platz für die Passanten geschaffen werden. Beim Ausbau des Bahnknotens Bern ist es den an der Mitwirkung Teilnehmenden ein Anliegen, dass langfristig und ganzheitlich geplant wird und die Koordination mit den umliegenden Projekten sichergestellt ist. Von grosser Bedeutung ist die städtebauliche Integration des Bahnhofs.
 pd

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SANDWICHBAR
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BZ 16.2.11

Sandwichbar sucht geeigneteres Lokal

 Stadt BernSeit 13 Jahren führen Sonja und Daniel Klingelhöfer den Treff und die Sandwichbar L16 in der Lorraine. Nun suchen sie ein neues Lokal, weil sie Schwierigkeiten mit der Stockwerkeigentümergenossenschaft erhalten haben.

 Sonja Klingelhöfer verteilt den Gästen Antipasti, Sandwichs und Kaffee. "Zu uns kamen an einem Mittag Kinder, die ihren Hausschlüssel verloren hatten und warten mussten, bis ihre Eltern sie abholten", sagt sie. Manchmal veranstalteten sie Malwettbewerbe vor dem Eingang. "Vor ein paar Jahren drehte der Metzgerverband hier bei uns einen Film, um Lehrlinge zu animieren", sagt ihr Mann Daniel und zieht stolz einen Pokal von der Theke. Darauf steht: Best of Suisse Gastro 2007, Kategorie "On the move", Rang 3 und der Name Sandwichbar L16.

 Obwohl ihr Lokal sehr beliebt ist, wollen Sonja und Daniel Klingelhöfer ab diesem Jahr ihre Sandwichbar an einem neuen Ort in der Lorraine weiterführen. "Die Querelen mit den Anwohnern, vor allem mit einer Nachbarin, zwingen uns dazu", sagt Klingelhöfer. Sie schauen sich nach einem Lokal an einem geeigneteren Standort um. Mehr dürfe er aber derzeit noch nicht sagen. "Wir müssen Ende März mit den Anwohnern zu einem Schlichtungsrichter", ergänzt Klingelhöfer

 Eine Nachbarin wehrt sich

 Die angesprochene Nachbarin, welche namentlich nicht erwähnt werden möchte, wehrt sich gegen die Vorwürfe der Betreiber. "Vor 13 Jahren hat sich der Trägerverein L16 zusammen getan und Geld gesammelt, damit im Erdgeschoss ein Jugendtreff entstehen kann", sagt die Nachbarin. Herr Klingelhöfer sei damals Präsident des Trägervereins gewesen, habe das Lokal ersteigert und gepachtet. Sie sei nur eine der sechs Parteien der Stockwerkeigentümergenossenschaft, sagt sie. "Ich bin schon vor 13 Jahren auf Daniel Klingelhöfer zugegangen und habe ihm vorgeschlagen, das Reglement der Eigentümergenossenschaft unter die Lupe zu nehmen", sagt die Nachbarin. Es sei ihm von allem Anfang an klar gewesen, dass sich das Lokal nur für "stilles" Gewerbe eigne, führt sie weiter aus.

 Bauliche Probleme

 Die Liegenschaft an der Lorrainestrasse 16 ist sehr ringhörig. An der Decke der Sandwichbar hängen zur Schallisolierung Hunderte Eierkartonschachteln, welche kreativ und clever dekoriert sind. Daniel Klingelhöfer seufzt: "Das haben wir in Dutzenden von Stunden alles selber an die Decke gemacht", sagt er. Diese Liegenschaft sei nicht für Stockwerkeigentum konzipiert. Es fehlten sogenannte Zweischalenmauern. "Wir haben dann mit Bauschaum versucht, so gut es geht zusätzlich zu isolieren", sagt er und zeigt auf das WC. "Dort ist es am extremsten. Von da sehen wir beinahe schon in die andere Wohnung."

 Expansion am falschen Ort

 Sie hätten einen Anwalt genommen, der das 20-fache ihres Lohnes koste, sagt Daniel Klingelhöfer. "So machts auf die Länge keinen Sinn mehr. Irgendwann gehe ich in meiner Freizeit auch wieder gerne ins Lorrainebad, anstatt ständig Kampfbriefe schreiben zu müssen." Zudem hätten sie ein Baugesuch eingegeben, um die Richtlinien für ein Restaurant einhalten zu können, falls sie eines sein wollten.

 "Klingelhöfers machen mit der Sandwichbar nichts Schlechtes. Aber es ist nicht der richtige Ort dafür", entgegnet die Nachbarin. Zudem seien sie als letzte Partei in dieses Haus gekommen, und "seit sie mit dem Lokal immer mehr expandieren, halten sie sich als einzige Partei auch immer weniger an unser Reglement", so die Nachbarin.

 In der Lorraine bleiben

 "Wir möchten mit unserer Sandwichbar in der Lorraine bleiben, da wir hier unsere Stammkundschaft aufgebaut haben", sagt Sonja Klingelhöfer. Sie bekämen viel Goodwill aus dem Quartier. "Wir betreiben diese Bar aus Liebe, nicht um Geld zu verdienen."

 "Mein Team, meine Familie und viele unserer Stammkunden können nicht verstehen, dass uns die anderen Parteien der Stockwerkeigentümergenossenschaft nach so langer Zeit hier weghaben wollen", findet derweil Daniel Klingelhöfer. Seine Frau Sonja sieht den Hausfrieden in Gefahr und meint beschwichtigend: "Ich wünsche mir, dass wir die letzten Monate hier in Frieden zusammenleben können und die Nachbarn uns einen sauberen Abgang gewähren, ohne dass es böses Blut gibt."

 Norbert Hunziker

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UNIA (BE)STREIKT
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Schweiz Aktuell 17.2.11

Gewerkschafter bestreiken Gewerkschaft

Der Konflikt bei der Gewerkschaft Unia in Bern spitzt sich zu. 40 Mitarbeiter der Unia Bern haben ihre Arbeit niedergelegt und fordern die Wiedereinsetzung des versetzten Regionsleiters Roland Herzog.
http://videoportal.sf.tv/video?id=4a4d9b31-bea9-4db3-b1cc-c70a23e8ca1a

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bernerzeitung.ch 17.2.11

Unia Bern: Personal protestiert für seinen Chef

sda / mau

 Ausgerechnet die Gewerkschaft Unia ist von einem Streik betroffen: Rund 40 Mitarbeiter der Unia-Region Bern protestieren seit Mittwoch mit einer Arbeitsniederlegung gegen einen umstrittenen Führungswechsel.

 Ausgerechnet die Gewerkschaft Unia ist von einem Streik betroffen: 30 bis 40 Mitarbeiter der Unia-Region Bern haben ihre Arbeit niedergelegt und protestieren so gegen einen umstrittenen Führungswechsel.

 Die Regionsleitung solle die Absetzung von Roland Herzog als Chef der Sektion Bern rückgängig machen, fordern die Streikenden aus den Sektionen Bern und Emmental-Oberaargau. Am Nachmittag wollen sie vor die Medien treten.

Unia-Sprecher Nico Lutz sagte der Nachrichtenagentur SDA, die Regionsleitung bedaure die Entwicklung. Der Streik schade nicht zuletzt den Unia-Mitgliedern, wenngleich ein Teil der Dienstleistungen weiterliefen. So wird das Pikett-Telefon weiterhin betrieben.

 Dass bei einer Gewerkschaft gestreikt werde, sei in der Tat ungewöhnlich, räumte Lutz ein. "Aber wir haben ein Streikrecht in diesem Land, das gilt auch für Gewerkschaften."

 "Leitungssituation blockiert"

 Dass ein Teil der Belgschaft loyal zum Ex-Sektionschef stehe, sei nachvollziehbar. "Doch die Leitungssituation in der Region Bern war seit Monaten blockiert, wir mussten handeln."

 Am Mittwoch war es soweit: Der 59-jährige Roland Herzog, der Berner Öffentlichkeit unter anderem als Kämpfer für die Arbeiter in Deisswil bekannt, wurde als Sektionschef per sofort abgesetzt. Die verbleibende Zeit bis zur Pensionierung solle er auf dem Zentralsekretariat verbringen, beschied ihm die Regionsleitung.

 Harte Vorwürfe

 Sie wirft Herzog vor, ihm fehle die Bereitschaft zur konstruktiven Zusammenarbeit. Er habe "Abmachungen nicht eingehalten, Informationen vorenthalten und Beschlüsse nicht umgesetzt", sagte Mediensprecher Lutz.

 Herzog wies die Vorwürfe auf Anfrage der SDA zurück. Zugleich bedankte er sich für die "grosse Solidarität", die er vom Personal und von der Basis der Sektionen Bern und Oberaargau-Emmental erfahren habe.

 wie viel Mitarbeiter genau streiken, ist offen. Lutz spricht von rund 30 der 87 Mitarbeitenden der Unia-Region Bern. Die Streikenden selber machen geltend, es handle sich um 40 Mitarbeiter.

 Die Regionsleitung hat ihnen laut Lutz ein Gesprächsangebot gemacht. Das sei zunächst aber abgelehnt worden.

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derbund.ch 17.2.11

Streik bei der Gewerkschaft

sda / dam

 Gewerkschaftsvertreter der Unia-Sektionen Bern und Emmental-Oberaargau protestieren mit der Niederlegung der Arbeit gegen einen umstrittenen Führungswechsel.

 Die Regionsleitung solle die Absetzung von Roland Herzog als Chef der Sektion Bern rückgängig machen, fordern die Streikenden aus den Sektionen Bern und Emmental-Oberaargau. Am Nachmittag wollen sie vor die Medien treten.

Unia-Sprecher Nico Lutz teilte mit, die Regionsleitung bedaure diese Entwicklung. Der Streik schade nicht zuletzt den Unia-Mitgliedern, wenngleich ein Teil der Dienstleistungen weiterliefen. So wird das Pikett-Telefon weiterhin betrieben.

 Dass bei einer Gewerkschaft gestreikt werde, sei in der Tat ungewöhnlich, räumte Lutz ein. "Aber wir haben ein Streikrecht in diesem Land, das gilt auch für Gewerkschaften."

 "Leitungssituation blockiert"

 Dass ein Teil der Belgschaft loyal zum Ex-Sektionschef stehe, sei nachvollziehbar. "Doch die Leitungssituation in der Region Bern war seit Monaten blockiert, wir mussten handeln."

 Ursache für den Streik ist die Versetzung von Roland Herzog. Der 59-Jährige Herzog - der Berner Öffentlichkeit unter anderem als Kämpfer für die Arbeiter in Deisswil bekannt - wurde am Mittwoch als Sektionschef per sofort abgesetzt. Die verbleibende Zeit bis zur Pensionierung sollte er auf dem Zentralsekretariat beschäftigt werden, beschied ihm die Regionsleitung.

 Harte Vorwürfe

 Die Regionsleitung wirft Herzog vor, ihm fehle die Bereitschaft zur konstruktiven Zusammenarbeit. Er habe "Abmachungen nicht eingehalten, Informationen vorenthalten und Beschlüsse nicht umgesetzt", sagte Mediensprecher Lutz.

 Herzog wies die Vorwürfe auf Anfrage zurück. Zugleich bedankte er sich für die "grosse Solidarität", die er vom Personal und von der Basis der Sektionen Bern und Oberaargau-Emmental erfahren habe.

 Wie viele Mitarbeiter genau in Streik getreten sind, ist nicht bekannt. Lutz spricht von rund 30 der 87 Mitarbeitenden der Unia-Region Bern. Die Streikenden selber machen geltend, es handle sich um 40 Mitarbeiter.

 Die Regionsleitung hat ihnen laut Lutz ein Gesprächsangebot gemacht. Das sei zunächst aber abgelehnt worden.

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Bund 17.2.11

Unia: Berner Sektionsleiter in Zentrale abgeschoben

 Auch eine Gewerkschaft ist nicht gefeit gegen personelle Konflikte. Der Berner Unia-Sektionsleiter Roland Herzog (59) muss von seiner Funktion zurücktreten. Dies haben die nationale Geschäftsleitung der Unia und die Regionsleitung Bern beschlossen. Die Begründung der Gewerkschaft im gestrigen Communiqué ist wenig diplomatisch. Herzog habe die Bereitschaft gefehlt, mit der Regionsleitung "konstruktiv zusammenzuarbeiten".

 Eine Nachfolge ist noch nicht bestimmt. Interimistisch leiten die Berner Sektion Natalie Imboden und Markus Gerber, beide Mitglieder der Geschäftsleitung Region Bern.

 Unia-Sprecher Nico Lutz ergänzte auf Anfrage, Herzog habe "Abmachungen nicht eingehalten, Informationen vorenthalten und die neue Leitung nicht akzeptiert". Die grüne Grossrätin Imboden und Udo Michel waren als Co-Regionsleiter Bern seit 2009 die Vorgesetzten von Herzog.

 Herzog hat kein Verständnis

 Herzog weist die Vorwürfe zurück. Das Vorgehen sei inakzeptabel. Er spüre eine starke Solidarität in der Sektion Bern und der Sektion Oberaargau-Emmental. Zahlreiche Mitarbeitende hätten aus Protest über den vorgezogenen Leitungswechsel die Arbeit niedergelegt.

 Der langjährige Mitarbeiter der Unia soll auf das Zentralsekretariat wechseln. Seine neue Funktion sei jedoch noch unklar, sagte Lutz. Herzog steht kurz vor der Pensionierung. Die ordentliche Pensionierung erfolgt bei Unia-Mitarbeitenden zwar im Alter von 62 Jahren. Der bald 60-Jährige habe aber "erhebliche Zeitguthaben" aufgelistet, erklärte Lutz. Die Vorgesetzten hätten ihn mehrfach aufgefordert, die Überzeit abzubauen. Dazu äusserte sich Herzog auf Anfrage nicht.(nt)

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BZ 17.2.11

Unia-Leiter geht früher

Region Bern. Roland Herzog muss die Leitung der Unia-Sektion Bern noch vor seiner Pensionierung abgeben - wegen Differenzen mit der Regionsleitung.

 Roland Herzog, Leiter der Unia-Sektion Bern, muss seinen Posten früher abgeben als geplant. Er hätte in nächster Zeit an einen Nachfolger übergeben - aufgrund seiner bevorstehenden Pensionierung sowie seiner Ferienguthaben. Die nationale Geschäftsleitung und die Regionsleitung haben nun aber beschlossen, den Wechsel bereits jetzt vorzunehmen, "wegen der fehlenden Bereitschaft von Roland Herzog, mit der Regionsleitung konstruktiv zusammenzuarbeiten", wie die Unia mitteilt. Unia-Sprecher Nico Lutz ergänzte auf Anfrage von Bernerzeitung.ch, Herzog habe "Abmachungen nicht eingehalten, Informationen vorenthalten und Beschlüsse nicht umgesetzt". Herzog wechselt bis zur Pensionierung aufs Zentralsekretariat der Gewerkschaft Unia. pd

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Langenthaler Tagblatt 17.2.11

Feuer im Dach bei der Unia

 Samuel Thomi

 Bern/Oberaargau/Emmental Für einmal steht die Unia selbst im Zentrum eines Arbeitskonflikts: Roland Herzog, Leiter Sektion Bern der Gewerkschaft, ist gestern Vormittag kurz vor der Pensionierung abgesetzt und ins Zentralsekretariat versetzt worden, teilte die Unia am Nachmittag mit. Nach der Personalinfo am Morgen hätten die Mitarbeiter in Bern, Langenthal, Huttwil, Burgdorf und Langnau die Arbeit niedergelegt, so Personalvertreter Jörg Andres zu einer Medienmitteilung der Unia-Personalkommission (Peko) vom Vorabend. "Das Mass ist voll", steht da. Zusammen mit Basismitgliedern seien darauf "rund fünfzig Mitarbeiter" nach Bern gereist, wo zufällig der nationale Zentralvorstand tagte: "Wir haben die sofortige Zurücknahme der Versetzung und die Aufhebung der ebenfalls ausgesprochene Verwarnung des nationalen Peko-Präsidenten Nazmi Jakurti verlangt", so Andres. Ein Angebot zum Gespräch mit der Unia-Leitung am Nachmittag schlugen die Mitarbeiter aber aus, bestätigte Unia-Sprecher Nico Lutz am Abend. Ein weiteres Angebot machte die Geschäftsleitung für Donnerstagmorgen.

 Personal kämpft für Peko-Chef

 Herzog wies die Vorwürfe auf Anfrage der Nachrichtenagentur SDA zurück. Zugleich bedankte er sich für die "grosse Solidarität", die er vom Personal und den Sektionen Bern und Oberaargau-Emmental erfahre.

 "Dass die Emotionen nun etwas hoch gehen", dafür hat Lutz "ein gewisses Verständnis". Allerdings würden die Entscheide von einigen der betroffenen Mitarbeiter auch getragen. Zur Versetzung Herzogs sagte Lutz, wiederholt habe er "Abmachungen nicht eingehalten, Informationen vorenthalten und Beschlüsse nicht umgesetzt". Interimistisch leiten die Sektion nun Natalie Imboden und Markus Gerber. Die grüne Grossrätin war als Co-Leiterin der Unia Region Bern bislang Herzogs Vorgesetzte.

 Jörg Andres hat "überhaupt kein Verständnis" für das Vorgehen. Erst recht nicht bei Jakurti, der seit gut einem Jahr auch den Gewerkschaftsbund Oberaargau (GBO) präsidiert: "Es sind fadenscheinige Argumente. Wir können alles widerlegen." Das Personal verlange, die Verwarnung sei zurückzunehmen und nicht nur vorübergehend zu sistieren. "Man wollte den engagierten Nazmi mundtot machen", sagt Arbeitskollege Andres. Die Mitarbeiter seien sich nun "am Verbünden und Organisieren" und zögen einen eigenen Anwalt bei. Ob sie auf das Gesprächsangebot eingingen, sei noch offen.

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Indymedia 16..2.11

UNIA wird bestreikt! ::

AutorIn : reader         

gefunden unter: http://www.aufbau.org/index.php?option=com_content&task=view&id=994&Itemid=69     
    
Die Unia-Führung zeigt wieder mal, was sie von der Basis und "innergewerkschaftlicher Demokratie" hält. Diesmal verwarnt sie die Personalkomission. Die Sektion Bern und Oberaargau-Emmental ist seit heute im Streik und ruft andere Sekretäre zur Solidarität auf. Hier das entsprechende Mail:

Woche 7, 16. Februar 2011

a.. Vorgezogener Leitungswechsel in der Unia Sektion Bern
b.. Gesprächsangebot der Geschäftsleitung
c.. Gespräch mit Personalkommission angesetzt - Verwarnung bereits gestern sistiert
d.. Arbeitsniederlegung des Gewerkschaftspersonals der Sektionen Bern und Oberaargau-Emmental


Vorgezogener Leitungswechsel in der Unia Sektion Bern

An der gestrigen Sitzung der nationalen Geschäftsleitung mit dem Sektionsleiter der Sektion Bern wurde Roland Herzog (Duke) darüber informiert, dass er ab sofort die Leitung der Sektion Bern abgeben muss. Diese willkürliche Entscheidung der nationalen Leitung akzeptiert weder die Basis noch das Personal der Sektionen Bern und Oberaargau-Emmental! Solche Machtspiele sind einer Gewerkschaft unwürdig und dürfen nicht auf dem Rücken der Mitglieder und des Personals ausgetragen werden.
Die gesamte Auseinandersetzung zwischen den Mitarbeitenden der Sektion Bern / Sektion Oberaargau-Emmental und der regionalen und nationalen Leitung zieht sich bereits über ein Jahr hin. Es gab in verschiedenen Punkten Konflikte, die das Vertrauen zwischen den einzelnen Gremien aus der Basis (Sektionsvorständen, Regio-Vorständen usw.), dem Personal und der Regio-Leitung aufs Massivste gestört haben. Weder die regionale noch die nationale Leitung haben wirklich versucht, dieses Problem zusammen mit uns zu lösen. Es wurden uns immer wieder leere Versprechungen gemacht.

Die Begründungen, die zur Absetzung von Roland Herzog führten, sind fadenscheinig. Das Ziel ist eine Machtkonzentration in der Region bzw. bei der Regio-Leitung. Die Sektionen und die Basis sollen so geschwächt werden. Dies können wir unter keinen Umständen dulden!


Gesprächsangebot der Geschäftsleitung

Heute Morgen war das Personal der Sektionen Bern und Oberaargau-Emmental, mit einigen wenigen Ausnahmen, in der Zentrale, um den tagenden Zentralvorstandsmitgliedern mit einer Protestaktion klar die beiden aufgestellten Forderungen zu kommunizieren (siehe Mailkopie im Anhang).


Gespräch mit der Personalkommission angesetzt - Verwarnung gestern sistiert???

Wir haben uns in den letzten 12 Monaten zu oft in fruchtlose Diskussionen verstricken und uns mit leeren Versprechen abspeisen lassen! Das Mass ist voll!

Die Verwarnung vom Co-Päsidenten der nationalen Personalkommission ist weder für die Gremien der Sektionen noch für das gesamte Personal der beiden Sektion nachvollziehbar. Ausserdem ist für uns sehr fragwürdig, was eine "sistierte" Verwarnung genau bedeutet. Entweder wird eine Verwarnung zurückgezogen, oder nicht! Das ist arbeitsrechtlicher Unsinn!!!


DIE SEKTIONEN BERN UND OBERAARGAU-EMMENTAL HABEN HEUTE MITTAG UM 11:00 UHR DIE ARBEIT AUF UNBESTIMMTE ZEIT NIEDERGELEGT!

DIE GESCHÄFTSLEITUNG WURDE DARÜBER INFORMIERT. DIESE TATSACHE HAT DIE NATIONALE GESCHÄFTSLEITUNG VERSCHWIEGEN. DIES SPRICHT FÜR SICH.

WIR RUFEN SÄMTLICHE MITARBEITENDEN DER GESAMTEN UNIA SCHWEIZ AUF, SICH MIT UNS ZU SOLIDARISIEREN UND UNS ZU UNTERSTÜTZEN!


Kontaktinformationen

Personalkommission der Sektionen Bern und Oberaargau-Emmental

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Nachtrag

Unterschriftensammlung unterschreiben. Als PDF runterladen:
 http://www.aufbau.org/images/stories/flugis/Unterschriften%20Sammlung%2020110216.pdf
http://ch.indymedia.org/media/2011/02//80161.pdf

AutorIn: reader

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derbund.ch 16.2.11

Knatsch bei der Unia Bern: Leiter muss abtreten

sda / bs

 In der Leitung der Unia Sektion Bern kommt es zu einem abrupten Wechsel: Kurz vor seiner Pensionierung muss Roland Herzog den Job als Sektionsleiter niederlegen.

 Roland Herzog wechselt aufs Zentralsekretariat der Gewerkschaft, wie die Unia am Mittwoch mitteilte.

 Sie warf Herzog in einem Communiqué vor, ihm fehle die Bereitschaft zur konstruktiven Zusammenarbeit mit der Regionsleitung. Unia-Sprecher Nico Lutz ergänzte auf Anfrage, Herzog habe "Abmachungen nicht eingehalten, Informationen vorenthalten und Beschlüsse nicht umgesetzt".

 Der Konflikt habe sich zusehends zugespitzt, zumal Herzog auch Mitglied der regionalen Geschäftsleitung sei. Unter diesen Umständen habe man handeln müssen.

 Herzog weist die Vorwürfe zurück

 Wie lange Herzog effektiv noch für die Unia arbeitet, liess Lutz offen. Herzog habe "ein sehr grosses Zeitguthaben" aufgelistet, weshalb er weit vor dem eigentlichen Pensionierungstermin die Arbeit niederlegen dürfte. Ob die Unia dieses Zeitguthaben vollumfänglich akzeptiert, wollte Lutz nicht kommentieren.

 Herzog wies die Vorwürfe auf Anfrage der Nachrichtenagentur SDA zurück. Zugleich bedankte er sich für die "grosse Solidarität", die er vom Personal und von der Basis der Sektionen Bern und Oberaargau- Emmental erfahren habe.

 Die Sektion Bern wird interimistisch von Natalie Imboden und Markus Gerber geleitet. Die grüne Grossrätin Imboden war als Co- Sekretärin der Unia Region Bern bislang die Vorgesetzte von Herzog.

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bernerzeitung.ch 16.2.11

Knatsch bei der Unia Bern - Leiter muss abtreten und weist Vorwürfe zurück

sda / tan

 Bei der Sektion Bern der Gewerkschaft Unia ist Feuer im Dach: Kurz vor seiner Pensionierung muss Roland Herzog den Job als Sektionsleiter niederlegen. Er wechselt aufs Zentralsekretariat der Gewerkschaft, wie die Unia am Mittwoch mitteilte.

 Sie wirft Herzog vor, ihm fehle die Bereitschaft zur konstruktiven Zusammenarbeit mit der Regionsleitung. Unia-Sprecher Nico Lutz ergänzte auf Anfrage, Herzog habe "Abmachungen nicht eingehalten, Informationen vorenthalten und Beschlüsse nicht umgesetzt".

 Der Konflikt habe sich zusehends zugespitzt, zumal Herzog auch Mitglied der regionalen Geschäftsleitung sei. Unter diesen Umständen habe man handeln müssen.

 Wie lange Herzog effektiv noch für die Unia arbeitet, liess Lutz offen. Herzog habe "ein sehr grosses Zeitguthaben" aufgelistet, weshalb er weit vor dem eigentlichen Pensionierungstermin die Arbeit niederlegen dürfte. Ob die Unia dieses Zeitguthaben vollumfänglich akzeptiert, wollte Lutz nicht kommentieren.

 Herzog dankt für "grosse Solidarität"

 Herzog wies die Vorwürfe zurück. Zugleich bedankte er sich für die "grosse Solidarität", die er vom Personal und von der Basis der Sektionen Bern und Oberaargau-Emmental erfahren habe.

 Die Sektion Bern wird interimistisch von Natalie Imboden und Markus Gerber geleitet. Die grüne Grossrätin Imboden war als Co-Sekretärin der Unia Region Bern bislang die Vorgesetzte von Herzog.

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RABE-INFO
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Do. 16. Februar 2011
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_17._Februar_2011.mp3
http://www.rabe.ch/nc/webplayer.html?song_url=uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_17._Februar_2011.mp3&song_title=RaBe-%20Info%2017.%20Februar%202011
- Mit dem Rücken zur Wand: der Thron des italienischen Maximo Leaders Berlusconi wackelt
- In die Knie gezwungen: japanische Walfänger ziehen sich aus der Antarktis zurück
- Religion hinter Gittern: der Umgang mit Reliigions- Vielfalt in Schweizer Gefängnissen

Links:
http://de.seashepherd.org
http://www.snf.ch/d/medien/medienmitteilungen/seiten/2011.aspx

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Mi. 16. Februar 2011
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_16._Februar_2011.mp3
http://www.rabe.ch/nc/webplayer.html?song_url=uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_16._Februar_2011.mp3&song_title=RaBe-%20Info%2016.%20Februar%202011
- Mit dem Pendler-Appell will der VCS den bundesrätlichen Gegenvorschlag zur Initiative "für den öffentlichen Verkehr" bekämpfen
- Mit Fisch, Gemüse und Früchten vom eigenen Dach will Urban Farming die Selbstversorgung ankurbeln
- Mit der zunehmenden Beliebtheit des Chemie-Studiums stösst die Uni Bern an ihre Grenzen

Links:
http://urbanfarmers.ch

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Di. 15. Februar 2011
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_15._Februar_2011.mp3
http://www.rabe.ch/nc/webplayer.html?song_url=uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_15._Februar_2011.mp3&song_title=RaBe-%20Info%2015.%20Februar%202011
- Lastwagenverbot im Gotthard- konkrete Vorschläge der Alpen- Initiative
- 20 Jahre Biobaumwolle- ein Wirtschaftszweig im Aufschwung
- UNO Jahr der Chemie- eine Wissenschaft will Gas geben

Links:
http://www.alpeninitiative.ch/d/Aktuell.asp
http://www.helvetas.ch/wDeutsch/topic_themes/biobaumwolle/Startseite.asp
http://www.chemistry2011.ch

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KNAST BE
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Schweiz Aktuell sf.tv 17.2.11


Keine "Kuscheljustiz"

Ein externer Experten-Bericht entlastet die offenen Strafanstalten des Kantons Berns.
http://videoportal.sf.tv/video?id=b250fce7-c52d-449a-9182-bf1245fb3274

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Blick am Abend 17.2.11

Gefängnis: Gute Noten

 POSITIV

 Die Sicherheit in den Institutionen des Berner Strafvollzugs ist gewährleistet. Dieses Fazit zieht Andreas Werren. Der ehemalige Leiter des Zürcher Justizvollzugs hat im Auftrag von Polizeidirektor Hans-Jürg Käser eine Untersuchung durchgeführt.

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bernerzeitung.ch 17.2.11

"Insassen müssen üben, deliktfrei zu leben"

sda / mau

 Mehr Personal und klarere Kompetenzen bei Vollzugslockerungen: Dies sind die Empfehlungen des Experten, der nach happigen Vorwürfen den bernischen Straf- und Massnahmenvollzug durchleuchtet hat.

 Grundsätzlich stellt der am Donnerstag veröffentlichte Bericht dem Straf- und Massnahmenvollzug im Kanton Bern gute Noten aus. Er attestiere dem Kanton, dass das Personal seine Aufgaben absolut korrekt und auf gutem bis hohem Niveau erfülle, sagte Regierungsrat Hans-Jürg Käser vor den Medien in Bern.

 Der bernische Polizei- und Militärdirektor entnimmt dem Expertenbericht weiter, dass weder in Witzwil noch in St. Johannsen eigentliche Missstände herrschten. Dies freue ihn für das Personal, das ganz offensichtlich "einen guten Job" mache, führte Käser aus.

 Er werde den vorgeschlagenen Personalausbau im Rahmen des ordentlichen Budgetprozesses thematisieren, versprach der oberste politische Verantwortliche. Doch dies dürfte nicht einfach sein. "Im Kantonsparlament wird laut nach Sparen gerufen und der Straf- und Massnahmenvollzug hat keine Lobby", gab Käser zu bedenken.

 Zur Erinnerung: Erst am vergangene Wochenende stimmten die Bernerinnen und Berner einer massiven Senkung der Autosteuern zu, die dem Kanton Steuerausfälle von rund 120 Millionen Franken pro Jahr beschert.

 Vorwurf der "Kuscheljustiz"

 2009 geriet der bernische Straf- und Massnahmenvollzug nach mehreren Vorfällen in die Kritik. Die Vorwürfe waren happig: entwichene Insassen, Drogenhandel, unkontrollierte Besuche und freier Zugang zum Internet. Der Begriff "Kuscheljustiz" machte die Runde.

 Polizeidirektor Käser liess daraufhin den Straf- und Massnahmenvollzug von einem unabhängigen Experten in der Person von Andreas Werren, dem ehemaligen Leiter des Amtes für Justizvollzug des Kantons Zürich, durchleuchten.

 Fünf Fälle wiegen schwer

 Werren knöpfte sich zunächst die statistische Seite vor: In den Jahren 2000 bis 2009 begingen, soweit dies erfasst war, insgesamt 62 Gefangene neue Delikte. 25 davon innerhalb der Institutionen, 37 ausserhalb. Dies sei statistisch gesehen eine sehr geringe Quote, kommt Werren zum Schluss.

 Allerdings seien fünf Fälle mit schweren Delikten bekannt. Diese trübten die sonst positive Bilanz. Es brauche beispielsweise auch eine Überprüfung und Klärung der Kompetenzen bei der Gewährung von Vollzugslockerungen im Massnahmenvollzug.

 Hier sieht Werren Handlungsbedarf vor allem im Massnahmenzentrum St. Johannsen. Dort sind schwerere Fälle als sonst üblich in offenen Anstalten untergebracht. Die Entscheide für Vollzugslockerungen würden indessen analog offener Anstalten gehandhabt.

Käser bricht Lanze für offenen Vollzug

Käser stellte sich am Donnerstag dezidiert hinter die Form des offenen Strafvollzugs. Seit 2009 wurde namentlich im bürgerlichen Lager Kritik an dieser Vollzugsform laut.

 Das Abwägen, ob ein Gefangener für den offenen Vollzug in Frage komme, sei hochsensibel. Fehleinschätzungen könnten indessen nie völlig ausgeschlossen werden, betonte der Regierungsrat.

 Bestehe der Verdacht, dass ein Gefangener fliehe oder weitere Straftaten begehe, werde er nicht in den offenen Vollzug aufgenommen, erzählte Franz Walter vom Massnahmenzentrum St. Johannsen aus der Praxis.

 Werde diese Praxis verschärft, gelangten mehr Straftäter in den geschlossenen Vollzug und später einmal untherapiert wieder in die Freiheit, gab Walter zu bedenken.

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nzz.ch 17.2.11

Reaktion auf "Kuscheljustiz"-Vorwürfe

 Experte empfiehlt mehr Personal im Strafvollzug des Kantons Bern

 Mehr Personal und klarere Kompetenzen bei Vollzugslockerungen: Dies sind die Empfehlungen des Experten, der nach happigen Vorwürfen den bernischen Straf- und Massnahmenvollzug durchleuchtet hat.

 Grundsätzlich stellt der am Donnerstag veröffentlichte Bericht dem Straf- und Massnahmenvollzug im Kanton Bern gute Noten aus. Er attestiere dem Kanton, dass das Personal seine Aufgaben absolut korrekt und auf guten bis hohem Niveau erfülle, sagte Regierungsrat Hans-Jürg Käser vor den Medien in Bern.

 Der Bericht zeige zudem auf, dass auftretende Schwachstellen laufend analysiert und Massnahmen umgesetzt würden. Er werde den vorgeschlagenen Personalausbau im Rahmen des ordentlichen Budgetprozesses thematisieren, führte Käser aus.

 Happige Vorwürfe

 2009 geriet der bernische Straf- und Massnahmenvollzug nach mehreren Vorfällen in die Kritik. Die Vorwürfe waren happig: entwichene Insassen, Drogenhandel, unkontrollierte Besuche und freier Zugang zum Internet. Der Begriff "Kuscheljustiz" machte die Runde.

 Der oberste politische Verantwortliche, Polizeidirektor Käser, liess daraufhin den Straf- und Massnahmenvollzug von einem unabhängigen Experten in der Person von Andreas Werren, dem ehemaligen Leiter des Amtes für Justizvollzug des Kantons Zürich, durchleuchten.

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bielertagblatt.ch 17.2.11

Regierungsrat

Gute Noten für bernischen Straf- und Massnahmenvollzug

Die Sicherheit in den Institutionen des bernischen Straf- und
Massnahmenvollzugs ist grundsätzlich in einem hohen Masse gewährleistet.
Auftretende Schwachstellen werden laufend analysiert, Massnahmen
entwickelt und umgesetzt.

 (mt) Dieses Fazit zieht Andreas Werren. Der ehemalige Leiter des Amtes für Justizvollzug im Kanton Zürich hat im Auftrag von Regierungsrat Hans-Jürg Käser, Polizei- und Militärdirektor des Kantons Bern, eine Untersuchung im Amt für Freiheitsentzug und Betreuung durchgeführt. Um das stets bestehende Restrisiko bei der Sicherheit weiter zu minieren, empfiehlt der externe Experte unter anderem zusätzliches Fachpersonal.

Im Jahre 2009 geriet der bernische Straf- und Massnahmenvollzug in die Schlagzeilen der Medien. Die Entweichung eines Insassen vom Massnahmenzentrum St. Johannsen und angeblicher Drogenenhandel sowie unkontrollierte Besuche und freier Zugang der Insassen zum Internet in den Anstalten Witzwil fanden hohe Medienbeachtung und führten zu Vorstössen im Grossen Rat. Regierungsrat Hans-Jürg Käser, Polizei- und Militärdirektor des Kantons Bern, ordnete in der Folge eine externe Untersuchung im Amt für Freiheitsentzug und Betreuung an. Er beauftragte den ehemaligen Leiter des Amtes für Justizvollzug des Kantons Zürichs Andreas Werren, der heute in einer Beratergruppe in Winterthur tätige ist, mit dieser Aufgabe. Der externe Experte hat die Untersuchungen abgeschlossen und seinen Bericht mit Empfehlungen dem Polizei- und Militärdirektor eingereicht. Der Regierungsrat hat den Bericht zur Kenntnis genommen. Dieser Bericht geht nun ebenfalls zur Kenntnisnahme an den Grossen Rat.

Regierungsrat Hans-Jürg Käser zeigte sich bei der Präsentation des Untersuchungsberichts anlässlich einer Medienkonferenz von heute Donnerstag (17. Feb.2011) erfreut über das Er-gebnis: "Der externe Experte attestiert, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Straf- und Massnahmenvollzug des Kantons Bern ihre Aufgaben absolut korrekt und auf gutem bis hohen Niveau erfüllen." Die markanten Entwicklungsschritte, die das Amt für Freiheitsentzug und Betreuung zusammen mit den Institutionen des Straf- und Massnahmenvollzugs in den letzten Jahren umgesetzt habe, machten sich nun bezahlt. Zudem zeige der Bericht auf, dass die Verantwortlichen auftretende Schwachstellen laufend analysieren und Massnahmen umsetzen würden. "Die Sicherheit im Straf- und Massnahmenvollzug im Kanton Bern ist auf einem hohen bis sehr hohen Niveau." Um das stets vorhandene Restrisiko bei der Sicherheit jedoch weiter zu optimieren, nehme er aber auch die Empfehlungen des externen Experten ernst. Den vorgeschlagenen Ausbau des Personalbestandes werde er im Rahmen des ordentlichen Budgetprozesses thematisieren.

Der externe Experte stellt in seinem Untersuchungsbericht fest, dass die Ressourcen im Straf- und Massnahmenvollzug des Kantons Bern am richtigen Ort eingesetzt werden. Allerdings seien sie nicht überall ausreichend. Daher schlägt er eine personelle Verstärkung der Sicherheitsdienste in den Anstalten und teilweise auch in den Regionalgefängnissen vor, damit jeweils rund um die Uhr eine für allfällige Interventionen ausreichende Besetzung vor Ort möglich sei. Zudem empfiehlt er, für das Fehlermanagement bei problematischen Einzelfällen (zum Beispiel Fehlverhalten bei Vollzugslockerungen oder erneute Delinquenz) eine amtsweit übergreifende Struktur aufzubauen, um gemeinsam analysieren und daraus Lehren ziehen zu können. Im weiteren schlägt der Experte vor, die Kompetenzordnung bei Vollzugslockerungen zu überprüfen und zu klären. Er regt auch an, in absehbarer Zeit im Führungsbereich der Amtsleitung und der Abteilung Einweisungs- und Vollzugbehörde die Strukturen zu überprüfen.

Den beiden im Jahre 2009 in die Schlagzeilen der Medien geratenen Vollzugsanstalten stellt der Experte grundsätzlich ebenfalls ein gutes Zeugnis aus. Insbesondere die durch den neuen Direktor zielstrebig umgesetzte Organisations- und Kulturentwicklung in den Anstalten Witzwil habe der Sicherheit den erforderlichen Stellwert gegeben. Die neuen Konzepte in den Bereichen Sicherheit und Gebäudestrategie sowie die neuen Strukturen im Sicherheitsdienst seien nun zentrale Elemente, die nach einer Phase der Konsolidierung jedoch einmal zu evaluieren seinen. Dem Massnahmenzentrum St. Johannsen attestiert der Experte eine sehr hohe fachliche Kompetenz und Professionalität. Entsprechend taxiert er die Fehlerquote bei der Verhaltensbeurteilung von Insassen als sehr gering. Allerdings beurteilt er die Autonomie des Massnahmenzentrums bei Entscheidungen für Vollzugslockerungen angesichts der betreuten Insassen als problematisch. Er ist der Ansicht, dass eine verstärkte Kooperation mit der Einweisungsbehörde als angezeigt und für die sichere Fallbeurteilung förderlich sei.

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be.ch 17.2.11

Medienmitteilung des Kantons Bern

Untersuchung im Amt für Freiheitsentzug und Betreuung - Gute Noten für bernischen Straf- und Massnahmenvollzug (17.02.2011)

Die Sicherheit in den Institutionen des bernischen Straf- und Massnahmenvollzugs ist grundsätzlich in einem hohen Masse gewährleistet. Auftretende Schwachstellen werden laufend analysiert, Massnahmen entwickelt und umgesetzt. Dieses Fazit zieht Andreas Werren. Der ehemalige Leiter des Amtes für Justizvollzug im Kanton Zürich hat im Auftrag von Regierungsrat Hans-Jürg Käser, Polizei- und Militärdirektor des Kantons Bern, eine Untersuchung im Amt für Freiheitsentzug und Betreuung durchgeführt. Um das stets bestehende Restrisiko bei der Sicherheit weiter zu minieren, empfiehlt der externe Experte unter anderem zusätzliches Fachpersonal.

Im Jahre 2009 geriet der bernische Straf- und Massnahmenvollzug in die Schlagzeilen der Medien. Die Entweichung eines Insassen vom Massnahmenzentrum St. Johannsen und angeblicher Drogenenhandel sowie unkontrollierte Besuche und freier Zugang der Insassen zum Internet in den Anstalten Witzwil fanden hohe Medienbeachtung und führten zu Vorstössen im Grossen Rat. Regierungsrat Hans-Jürg Käser, Polizei- und Militärdirektor des Kantons Bern, ordnete in der Folge eine externe Untersuchung im Amt für Freiheitsentzug und Betreuung an. Er beauftragte den ehemaligen Leiter des Amtes für Justizvollzug des Kantons Zürichs Andreas Werren, der heute in einer Beratergruppe in Winterthur tätige ist, mit dieser Aufgabe. Der externe Experte hat die Untersuchungen abgeschlossen und seinen Bericht mit Empfehlungen dem Polizei- und Militärdirektor eingereicht. Der Regierungsrat hat den Bericht zur Kenntnis genommen. Dieser Bericht geht nun ebenfalls zur Kenntnisnahme an den Grossen Rat.

Regierungsrat Hans-Jürg Käser zeigte sich bei der Präsentation des Untersuchungsberichts anlässlich einer Medienkonferenz von heute Donnerstag (17. Feb.2011) erfreut über das Er-gebnis: "Der externe Experte attestiert, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Straf- und Massnahmenvollzug des Kantons Bern ihre Aufgaben absolut korrekt und auf gutem bis hohen Niveau erfüllen." Die markanten Entwicklungsschritte, die das Amt für Freiheitsentzug und Betreuung zusammen mit den Institutionen des Straf- und Massnahmenvollzugs in den letzten Jahren umgesetzt habe, machten sich nun bezahlt. Zudem zeige der Bericht auf, dass die Verantwortlichen auftretende Schwachstellen laufend analysieren und Massnahmen umsetzen würden. "Die Sicherheit im Straf- und Massnahmenvollzug im Kanton Bern ist auf einem hohen bis sehr hohen Niveau." Um das stets vorhandene Restrisiko bei der Sicherheit jedoch weiter zu optimieren, nehme er aber auch die Empfehlungen des externen Experten ernst. Den vorgeschlagenen Ausbau des Personalbestandes werde er im Rahmen des ordentlichen Budgetprozesses thematisieren.

Der externe Experte stellt in seinem Untersuchungsbericht fest, dass die Ressourcen im Straf- und Massnahmenvollzug des Kantons Bern am richtigen Ort eingesetzt werden. Allerdings seien sie nicht überall ausreichend. Daher schlägt er eine personelle Verstärkung der Sicherheitsdienste in den Anstalten und teilweise auch in den Regionalgefängnissen vor, damit jeweils rund um die Uhr eine für allfällige Interventionen ausreichende Besetzung vor Ort möglich sei. Zudem empfiehlt er, für das Fehlermanagement bei problematischen Einzelfällen (zum Beispiel Fehlverhalten bei Vollzugslockerungen oder erneute Delinquenz) eine amtsweit übergreifende Struktur aufzubauen, um gemeinsam analysieren und daraus Lehren ziehen zu können. Im weiteren schlägt der Experte vor, die Kompetenzordnung bei Vollzugslockerungen zu überprüfen und zu klären. Er regt auch an, in absehbarer Zeit im Führungsbereich der Amtsleitung und der Abteilung Einweisungs- und Vollzugbehörde die Strukturen zu überprüfen.

Den beiden im Jahre 2009 in die Schlagzeilen der Medien geratenen Vollzugsanstalten stellt der Experte grundsätzlich ebenfalls ein gutes Zeugnis aus. Insbesondere die durch den neuen Direktor zielstrebig umgesetzte Organisations- und Kulturentwicklung in den Anstalten Witzwil habe der Sicherheit den erforderlichen Stellwert gegeben. Die neuen Konzepte in den Bereichen Sicherheit und Gebäudestrategie sowie die neuen Strukturen im Sicherheitsdienst seien nun zentrale Elemente, die nach einer Phase der Konsolidierung jedoch einmal zu evaluieren seinen. Dem Massnahmenzentrum St. Johannsen attestiert der Experte eine sehr hohe fachliche Kompetenz und Professionalität. Entsprechend taxiert er die Fehlerquote bei der Verhaltensbeurteilung von Insassen als sehr gering. Allerdings beurteilt er die Autonomie des Massnahmenzentrums bei Entscheidungen für Vollzugslockerungen angesichts der betreuten Insassen als problematisch. Er ist der Ansicht, dass eine verstärkte Kooperation mit der Einweisungsbehörde als angezeigt und für die sichere Fallbeurteilung förderlich sei.
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Dokumentation

* Statements Regierungsrat Hans-Jürg Käser, Direktor der Polizei- und Militärdirektion (PDF, 37 KB)
http://www.portalbackend.be.ch/public/media/DisplayFile.aspx?fileId=5430575794958505&linkId=54168512190631701&linkName=Statements%20Regierungsrat%20Hans-J%FCrg%20K%E4ser,%20Direktor%20der%20Polizei-%20und%20Milit%E4rdirektion
* Referat Andreas Werren, externer Berater (PDF, 86 KB)
   Beratergruppe für Unternehmensentwicklung
http://www.portalbackend.be.ch/public/media/DisplayFile.aspx?fileId=5424456794826804&linkId=54168502190501701&linkName=Referat%20Andreas%20Werren,%20externer%20Berater
* Statement Martin Kraemer, Vorsteher Amt für Freiheitsentzug und Betreuung (PDF, 26 KB)
http://www.portalbackend.be.ch/public/media/DisplayFile.aspx?fileId=5418339794695103&linkId=6515164121903715309&linkName=Statement%20Martin%20Kraemer,%20Vorsteher%20Amt%20f%FCr%20Freiheitsentzug%20und%20Betreuung
* Fakten Anstalten Witzwil (PDF, 28 KB)
http://www.portalbackend.be.ch/public/media/DisplayFile.aspx?fileId=5412224794563402&linkId=6513478421902413608&linkName=Fakten%20Anstalten%20Witzwil
* Fakten Massnahmenzentrum St. Johannsen (PDF, 23 KB)
http://www.portalbackend.be.ch/public/media/DisplayFile.aspx?fileId=446111794431701&linkId=6511792921901111907&linkName=Fakten%20Massnahmenzentrum%20St.%20Johannsen
* Bericht Andreas Werren, Beratergruppe BGU in Winterthur (PDF, 741 KB)
http://www.portalbackend.be.ch/public/media/DisplayFile.aspx?fileId=446121795731701&linkId=6511799921914111907&linkName=Bericht%20Andreas%20Werren,%20Beratergruppe%20BGU%20in%20Winterthur

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REPRESSION & HETZE
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Le Temps 17.2.11

Berne cherche à décrypter la menace anarchiste

 Les actions violentes liées à des groupuscules d'extrême gauche sont en augmentation. Le Service de renseignement de la Confédération les a dans sa ligne de mire. Décryptage du phénomène

Valérie de Graffenried

 Les milieux anarchistes violents inquiètent les autorités fédérales. De récents incidents, comme l'attentat devant l'ambassade de Suisse à Rome, la tentative d'incendier le Tribunal pénal fédéral de Bellinzone ou encore la petite explosion dans un hôtel de Davos, ont démontré une recrudescence d'actes liés à des milieux d'extrême gauche prêts à aller très loin pour défendre leur cause.

 Une scène difficile à cerner, où anarchistes, écoterroristes et extrémistes de la cause animale s'entremêlent. A Berne, des élus fédéraux montent au front pour prôner une attitude plus répressive à leur égard. Et exiger du Conseil fédéral une étude fouillée sur l'extrémisme de gauche. On y trouve les présidents des commissions de politique de sécurité - deux PDC -, mais aussi l'UDC Maximilian Reimann ou le socialiste Daniel Jositsch.

 Dans son rapport de 2009, Fedpol, la police fédérale, souligne que les enquêtes sur les extrémistes de gauche visent en particulier les chefs de file de la Reconstruction révolutionnaire suisse (RAS), dont Andrea Stauffacher, soupçonnés de divers délits. Le Service de renseignement de la Confédération (SRC) évoque aussi ce groupe d'idéologie marxiste-léniniste, le plus important de Suisse, qu'il qualifie de violent. De même que le Secours Rouge International - une organisation de soutien aux "prisonniers révolutionnaires" communistes et anarchistes -, qui dispose d'un secrétariat à Zurich, auprès de la RAS.

 Des membres de la RAS étaient d'ailleurs présents, dit-on, lors de l'agression du conseiller national Hans Fehr (UDC/ZH), alors qu'il se rendait à une réunion de l'Albisgüetli. Et le Ministère public de la Confédération vient d'annoncer, le 2   février dernier, le renvoi en jugement de deux de ses membres, accusés d'avoir commis, entre autres, cinq attentats à l'explosif et un incendie intentionnel entre septembre 2002 et mai 2008. Ces attentats étaient dirigés contre des bâtiments loués aux "représentations d'institutions étatiques ou semi-étatiques" et, dans un cas, contre la voiture d'un fonctionnaire.

 Selon les services de renseignement, la scène d'extrême gauche suisse comprendrait 2000 partisans, "dont mille environ considérés comme violents". Le SRC évoque même, dans son dernier rapport annuel, des liens avec des "groupes terroristes de gauche à l'étranger".

 Et les milieux anarchistes qui recourent à des méthodes crypto-terroristes? L'arrestation, le 15   avril dernier, de deux Italiens et du Tessinois Luca Bernasconi, alias Billy, avec une quantité importante d'explosifs alors qu'ils étaient en passe de commettre un attentat contre un site de nanotechnologies d'IBM à Zurich, a provoqué une série d'"actions de solidarité", souligne le SRC.

 Tous trois, liés à l'organisation anarchiste italienne Il Silvestre, une des plus dynamiques d'Europe, sont toujours incarcérés en Suisse. Ces actes "de solidarité" sont souvent aussi perpétrés en "l'honneur" de Marco Camenisch, grande figure de l'anarchisme qui purge une peine de prison à Bochuz pour avoir commis des attentats à l'explosif contre des pylônes électriques et tué un douanier.

 "Dans les revendications faites suite aux attentats perpétrés à Athènes en novembre 2010, ainsi que celui visant l'ambassade de Suisse à Rome en décembre 2010, il est fait mention des trois personnes incarcérées en Suisse", précise Felix Endrich, porte-parole du SRC. Ces attentats ont été revendiqués par la Fédération anarchiste informelle (FAI), mais l'évocation des trois prisonniers prouve l'existence de ramifications, ou du moins de contacts, entre les milieux européens et suisses. Déjà en octobre, un paquet avec un mécanisme incendiaire avait été trouvé devant l'ambassade de Suisse à Rome, demandant la libération des trois éco-anarchistes arrêtés en avril.

 Le 17   janvier dernier, des anarchistes ont par ailleurs revendiqué la tentative d'incendie - le feu a vite été éteint - contre le bâtiment abritant le Tribunal pénal fédéral (TPF) à Bellinzone. L'inscription "Feu aux tribunaux. Abattons l'Etat" a été sprayée près de la porte d'entrée. Le TPF avait déjà pris des mesures opérationnelles et de sécurité après l'attentat contre l'ambassade de Suisse à Rome. Préoccupée par cette "signature anarchiste", la police tessinoise a précisé avoir constaté la réapparition du symbole anarchiste dans plusieurs endroits du Tessin, avec des slogans de soutien à Marco Camenisch, transféré en automne de sa prison zurichoise à Bochuz.

 Toujours selon le SRC, un "grand potentiel de violence" se trouve aussi chez les "Black Blocks". Ses jeunes membres, autour de la vingtaine, agissent généralement masqués lors de manifestations. Ces casseurs sont liés au RAS.

 Et les activistes qui s'en sont pris à un hôtel de Davos en plein World Economic Forum (WEF), en faisant exploser des engins pyrotechniques, sans vraiment causer de dégâts? L'explosion a été revendiquée par Revolutionnäre Perspektive sur le site indymedia.org. Les activistes y affirment avoir aussi saboté le chauffage en versant du sucre dans la citerne à mazout. Ils avaient réglé le détonateur à retardement pour 6   heures, "pour ne pas mettre les employés de l'hôtel en danger". Mais l'engin a explosé trois heures plus tard. Des amateurs? Les autorités fédérales préfèrent ne pas sous-estimer ce genre d'actions.

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Les frontières entre mouvances s'estompent

 Petite cartographie des chapelles de la gauche radicale

Feriel Mestiri

 Cartographie des chapelles de la gauche radicale

 La "scène d'extrême gauche" suisse est une nébuleuse de groupuscules, associations, organisations, partis politiques, dont les frontières ne sont pas clairement définies. Elles s'entrelacent parfois et se querellent souvent entre différents courants: communistes (marxiste, trotskiste, maoïste…), anarchistes (socialistes libertaires, anarcho-communiste, anarcho-syndicaliste, individualistes, éco-anarchistes…), autonomes…

 "Il y a autant d'anarchismes que d'anarchistes", convient Michel Némitz, l'un des fondateurs d'Espace Noir, la coopérative culturelle libertaire de Saint-Imier. Selon lui, les différents courants sont de moins en moins étanches: "Ce n'est pas une doctrine figée. Moi-même je suis un pluraliste, engagé dans divers mouvements." Et la limite entre les frères ennemis que sont les anarchistes et les communistes devient toujours plus floue: "Depuis la chute du mur de Berlin, beaucoup de gens ont mis du noir dans leur rouge", sourit-il.

 Anne-Vaïa Fouradoulas, doctorante à l'Université de Fribourg, rédige une thèse sur les organisations politiques de la gauche radicale en Suisse. "Aujourd'hui, on ne peut plus délimiter les différents courants de manière catégorique. Les mouvements ont beaucoup évolué." Elle a recensé sept organisations qui apparaissent dans trois cantons au minimum. Parmi elles, la Gauche Anticapitaliste (GA), fondée en 2008, l'Organisation socialiste libertaire (OSL), formée à la fin des années 80, présente essentiellement en Suisse romande; ou encore la Reconstruction révolutionnaire (Revolutionärer Aufbau Schweiz, RAS), organisée au début des années 90. Ce dernier groupe soutient notamment les maoïstes au Népal ou en Inde.

 Selon Anne-Vaïa Fouradoulas, "il y a eu des tentatives d'alliances [entre mouvements d'extrême gauche] pour trouver une unité d'action, mais les stratégies divergentes liées aux différentes idéologies freinent le processus. [Et] dans un pays qui offre la démocratie directe, avec une possibilité de se mobiliser par le référendum et l'initiative, la gauche radicale peut difficilement se faire entendre avec des conceptions prônant une logique de conflictualité sociale".

 David (prénom fictif), 32 ans, est membre de la GA et de plusieurs groupes de pression. Il se dit pacifique, mais reconnaît que "les manifestations ne servent pas à grand-chose". Selon lui, la seule façon qu'ont certains de se faire entendre est parfois de casser. Il s'agit selon lui d'une violence "plus légitime que celle produite par ce système".

 David raconte que lors de l'organisation d'une manifestation, un débat a eu lieu sur l'inclusion d'Action Autonome, équivalent romand du "Black Block", avec le risque de déprédation que cela comprend: "Lorsqu'il y a des violences, cela entrave notre message. Mais ils ont aussi le droit de s'exprimer. C'est pourquoi certains ont choisi de les inclure."

 Pierre Wyrsch, propriétaire de la librairie anarchiste Fahrenheit 451 à Genève, évoque la violence comme moyen de défense: "Pour le moment, c'est l'Etat qui a le monopole de la violence, dit-il. Je suis pacifiste, mais prêt à me défendre s'il le faut." Anne-Vaïa Fouradoulas insiste sur la violence symbolique ressentie par la gauche radicale: "Il y a des lois très dures contre les requérants d'asile, des conditions de travail précaires, des licenciements massifs, des gens discriminés… Ils se veulent représentatifs des plus lésés."

 Au-delà du symbolique, Michel Némitz évoque aussi l'inégalité des forces en présence, notamment lors du 1er mai zurichois, entre manifestants et policiers. Pour Anne-Vaïa Fouradoulas, "c'est évident que les forces armées, policières, sont mieux préparées, avec les moyens nécessaires. Quand on voit des jeunes, mains nues, plaqués au sol avec des menottes en plastique, des lacrymogènes, des grillages pour encercler les périmètres, ce sont des scènes de violence assez crues. Ils ont donc la volonté de dire. "On va combattre, on ne peut pas le faire à armes égales, on va donc le faire avec nos moyens, tant qu'on peut"."

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"Ils se focalisent sur l'UDC"

 Un expert de la police zurichoise, qui veut rester anonyme, analyse l'évolution de la mouvance

Propos recueillis par Anne Fournier, Zurich

 Le Temps: Parleriez-vous d'une recrudescence des manifestations de l'extrême gauche?

 - Nous ne pouvons pas parler d'une recrudescence au niveau des activités ou des attaques, du moins dans le milieu zurichois. Les chiffres illustrent même un recul pour 2010 par rapport à 2008, par exemple. Par   contre, les menaces formulées se précisent et, depuis l'initiative sur le renvoi des étrangers criminels, beaucoup se focalisent sur l'UDC avec des slogans comme "Heute Farben morgen Flammen!" ("Aujourd'hui des couleurs, demain des flammes").

 - Est-il possible d'isoler des groupes clairement définis dans leurs revendications et leurs méthodes?

 - C'est difficile à cataloguer. Longtemps, nous avons pu isoler des tendances communistes, anarchistes. Aujourd'hui, les plus jeunes se mobilisent via Internet pour divers groupements selon les thèmes combattus, que ce soit l'OTAN ou l'UDC. On opère par points forts. Il y a toujours en arrière-fond la lutte contre le capitalisme, mais les idéologies ne sont plus clairement définies. En fait, ce sont surtout quelques figures d'un mouvement - comme l'organisation communiste RAZ (Revolutionärer Aufbau Zurich) - qui restent idéologiquement motivées. Elles font office de missionnaires mais ensuite mobilisent à large échelle.

 - Concrètement, comment se déroule votre mission de surveillance?

 - Nous faisons avant tout un travail d'observation, pour estimer leur force et prévoir des interventions comme aujourd'hui dans le contexte des événements en Egypte. C'est tout ce que je peux vous dire. Entrer en contact est devenu difficile car nous sommes vus comme des "serviteurs de l'Etat". Nous devons aussi rester attentifs aux liens avec les organisations étrangères, notamment celles venues de Belgique, d'Italie ou d'Espagne, connues pour leur recours à la violence.

 - Chaque année, le 1er Mai à Zurich est l'occasion d'une grande mobilisation policière. N'en fait-on pas trop?

 - La répression n'est pas la solution. Il est aussi malvenu de résumer les responsables à la "masse", de criminaliser cette dernière. On l'a souvent fait ces derniers temps et je doute que cela soit une solution. C'est une fausse stratégie. Il est préférable d'infiltrer les groupes, leurs noyaux, et d'intervenir de manière ciblée.

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ANTI-SVP
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WoZ 17.2.11

Zweiter Marsch auf Bern

 Kann die SVP Krawalle nutzen?

 Die SVP will es wieder wissen: Wie vor den letzten Nationalratswahlen will sie auch diesen Herbst erneut in Bern demonstrieren, wie "Tages-Anzeiger" und "Bund" diese Woche meldeten. In einem Kommentar wird an den "Marsch auf Bern" der SVP vom 6. Oktober 2007 erinnert. Der Autor behauptet, die damaligen Ausschreitungen von "zerstörungswütigen Linksautonomen" hätten als "Langzeitfolge" zum SVP-Wahlsieg 2007 geführt.

 Nicht erwähnt wird, dass die vom Politologen Georg Lutz verfasste Nachwahlstudie "Selects" keine Belege für diese vor allem von linken WahlverliererInnen verbreitete Behauptung fand. In der Studie heisst es: "Die Gewinne der SVP sind nicht erst auf die Schlussmobilisierung der letzten Wochen zurückzuführen." Das Fundament des SVP-Wahlerfolgs sei bereits sehr viel früher gelegt worden. "Die SVP ist vor allem bei jenen übervertreten, die schon immer gewusst haben, wem sie ihre Stimme geben werden", so die Studie weiter. dig

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linksunten.indymedia.org 17.2.11

Nach dem Desaster 2007, die Schweizer Rechtspopulisten wollen im Herbst 2011 erneut auf die Strasse.

Verfasst von: Anti-SVP.

Gerade mal vier Jahre ist es her. Am 6. Oktober 2007 wollte die rechtspopulistische Schweizer Volkspartei mit einem "Marsch auf Bern" ihren Wahlkampf auf die Strasse tragen. Ein Wahlkampf, der massgebend dazu beitrug, Rassismus in der Schweiz wieder salonfähig zu machen. Damals stellten sich der Schweizerischen Volkspartei (SVP) tausende Menschen entgegen. Der Umzug der Rechten wurde gestoppt und es kam zu massiven Krawallen, welche auf die Titelseiten der europäischen Presse sowie der New York Times gelangte und in die Geschichte der Schweiz einging. Dieser Tag wurde in der bürgerlichen Presse unter dem Begriff: "Die Schande von Bern" bekannt. Nun will die rechtspopulistische SVP es anscheinend nochmals wissen. Im Herbst 2011 soll erneut ein "Marsch auf Bern" stattfinden. Widerstand ist vorprogrammiert.

Zu den Hintergründen des SVP

Die rechtspopulistische Schweizerische Volkspartei (SVP) ist die stärkste Partei der Schweiz (Wähleranteil ca. 30%). Dabei ist die politische Landschaft im Lande gespalten. Die französische Schweiz und die urbanen Gebiete in der Deutschschweiz (Zürich, Bern, Basel) stimmen gegen die Rechtspopulisten. Die SVP ist vorwiegend in den ländlichen Regionen der Deutschschweiz verankert. Die Partei gibt sich als Partei der kleinen Leute, wird jedoch vom schweizerischen Kapital finanziert und hat somit ein Millionenbudget für ihre Kampagnen zur Verfügung. Diese Kampagnen sind von einem Werte-Kanon dominiert, Zitat: "Schweizer Tradition, freie Marktwirtschaft, gegen Ausländer und Asylsuchende, gegen Sozialhilfeempfänger und Invalide, gegen Linke Schmarotzer, für die abendländische Kultur und gegen die Islamisierung, für ein körperlich wie geistig gesundes Schweizer Volk" bilden die Eckpfeiler. Produkt dessen ist eine reaktionäre Hetze sondergleichen. Insbesondere in Form von rassistischen Plakat-Kampagnen will die SVP ihre Wählerschaft mobilisieren. Zudem setzt sie oftmals Begriffe wie Freiheit und Demokratie ein um diese für sich zu beanspruchen. Jede/r, der /die ihre Kampagnen bekämpft ist somit automatisch Antidemokratisch. Durch diese Demagogie sichert sich die SVP noch heute immer mehr MitgliederInnen und WählerInnen und lenkt von ihrer eigenen Demokratiefeindlichkeit ab. Medien werden von ihnen Aufgekauft oder sind auf der SVP-Linie. Alle anderen, seien sie auch nur ein Quäntchen kritisch, werden bekämpft. Dies führt zu absurden Situationen, dass sie SVP momentan das angeblich linke Schweizer Staatsfernsehen bekämpft. Faktisch ist das Schweizer Staatsfernsehen stock bürgerlich, doch nicht zu 100% auf der Schiene der SVP. Die Partei ist selbst nicht nur in den Medien omnipräsent. Täglich texten sie die Bevölkerung mit ihrer rassistischen Propaganda zu. Alljährlich kommt es zu Abstimmungen über rassistische Initiativen, welche fast immer angenommen werden.

Initiativen der SVP

1997: 18% Initiative. Will die Anzahl MigrantInnen in der Schweiz auf 18% beschränken. Die Initiative wird auch Parteiintern bekämpft, da sie sich indirekt gegen die Interessen des Kapitals wendet, welches auf billige Arbeitskräfte aus dem Ausland angewiesen ist. ABGELEHNT

2006: Initiative für ein neues Ausländer- und Asylgesetz. Die Initiative missachtet Internationales Völkerrecht. Die Einreise von Asylsuchenden in die Schweiz, welche über sichere Drittstaaten erfolgt, führt zur automatischen Ausweisung (Nachbarländer der Schweiz sind: Deutschland, Lichtenstein, Frankreich, Italien, alles sichere Drittstaaten). Zudem wird die Beugehaft für Papierlose legalisiert. ANGENOMMEN

2009: Initiative gegen Minarette. Missachtet ebenfalls Internationales Völkerrecht. Der Bau von Minaretten in der Schweiz soll verboten werden. Somit wird angeblich die sogenannte Verislamisierung der Bevölkerung verhindert. ANGENOMMEN

2010: Ausschaffungsinitiative: Missachtet Internationales Völkerrecht. Mord, Vergewaltigung (wie bisher) und Sozialhilfemissbrach hat die sofortige Ausschaffung zur Folge. Zudem wird der Exekutive (bürgerliche Mehrheit) uneingeschränkte Freiheiten gewährt, weitere Delikte hinzuzufügen, welche ebenfalls die automatische Ausschaffung zur Folge haben. ANGENOMMEN

Dies führt zu einem angespannten politischen Klima, welches sich momentan am polarisieren ist und zunehmend von Hass geprägt ist.

Widerstand

2006: Nach den Abstimmungen zum neuen Ausländer- und Asylgesetz kommt es am Sonntag Abend zu einer regional mobilisierten Spontandemonstration in Zürich. Ca. 1000 Personen nehmen daran teil. Als die Polizei den Umzug blockieren will kommt es zu Ausschreitungen. Nach ca. 15 Minuten beruhigt sich die Lage jedoch wieder. Die Demo führt von der Innenstadt in das Quartier Aussersihl, die Hochburg der Linken.

2007: Die SVP will in der Hauptstadt Bern demonstrieren. Sie nennt dies den "Marsch auf Bern." Diese Parole weckt starke Erinnerungen an den "Marsch auf Rom" von Mussolini. Ca. 10'000 Parteianhänger versammeln sich. Ihnen gegenüber stehen gleich viele Linke. Es kommt zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen. Der Aufmarsch der Rechten wird Blockiert. Die Polizei ist masslos überfordert. Im Zuge der Ausschreitungen gelangt eine Gruppe von Rund 200 linken Demonstranten auf den Bundesplatz (Reichsplatz), wo die Abschlusskundgebung der Rechten hätte stattfinden sollen. Alles wird kurz und klein gehauen. Video der Ereignisse (ohne Kommentar): http://www.youtube.com/watch?v=lLo2VZvVED4

2009: Nach der Abstimmung zur Anti-Minarett-Initiative kommt es in Zürich zu einer Spontandemonstrationen an der sich ca. 1500 Personen beteiligen. Die Demo verläuft militant, jedoch ohne Zwischenfälle. Beim Sekretariat der SVP fliegen Steine in die Scheiben. Zudem werden Farbflaschen geworfen.

2010: Die Situation spitzt sich zu. Bereits vor der Abstimmung zur Ausschaffungsinitaitve gibt es insbesondere im Raum Zürich Farbanschläge auf Häuser der SVP-Politiker. Am Morgen der Abstimmung stürmt eine Gruppe Vermummter Personen ein Wahllokal in einem traditionell reaktionären Wahlkreis in Basel-Land und zündet die Urne mit dem Abstimmungszetteln an. In der Agglomeration von Zürich wird das Bombenkommando der Polizei aufgeboten. Ein (Zitat Polizei) funktionsfähiger Brand-Sprengsatz mit Zeitzünder wurde vor einem Wahllokal eines traditionell reaktionären Wahlkreises gefunden. Am Abend kommt es zu Demonstrationen in der ganzen Schweiz. Die grösste findet wiederum in Zürich statt. Ca. 4000 Personen demonstrieren zunächst militant jedoch ohne Zwischenfälle im linken Stadtkreis Aussersihl. Anschliessend dringen die Demonstranten in die Innenstadt vor. Dort kommt zu massiven Ausschreitungen und Sachschäden. Bilder: http://switzerland.indymedia.org/de/2010/11/78968.shtml ;Video Dialekt: http://www.telezueri.ch/webtv/?&channel_id=71&video_id=173881 In Bern nehmen rund 800-1000 Personen an der Demo teil. Das Parteisekretariat wird mit Steinen und Farbgläsern beworfen. Die Demonstrationen in Basel und Luzern mit je rund 500-800 Personen verlaufen ohne Zwischenfälle.

2011: Am Rande der SVP Parteiversammlung in Zürich kommt es zu Ausschreitungen. Rund 100 Personen wollen die Versammlung mit einer Soundanlage stören, die Polizei greift durch, jedoch konzeptlos. Barrikaden werden errichtet und angezündet. Im Zuge der Krawalle verprügeln einige Personen Hans Fehr, eine Führungsperson der SVP. Von Sozialdemokraten bis zu der Rechtspopulisten sind sich alle einige härter gegen linke Gewalt vorgehen zu müssen: Video (Schriftdeutsch) des "linken Schweizer Staatsfernehens" (Zitat SVP) : http://www.tagesschau.sf.tv/Nachrichten/Archiv/2011/01/24/Schweiz/Gewalt-und-Drohungen-gegen-SVP-nehmen-zu auch ein Auto der Polizei wird demoliert.

Generell: Der Militante Widerstand gegen die SVP nimmt rapide zu. Dies hat auch damit zu tun, dass die parlamentarische Linke keine Perspektive zu bieten hat. Insbesondere die Sozialdemokraten setzen sich an vorderster Front für Gesetzesverschräfungen zur Wahrung der Inneren Sicherheit ein und haben sich längst von der Linken Politik verabschiedet. Davon Profitieren revolutionäre Organisationen, in erster Linie der revolutionäre Aufbau (www.aufbau.org), aber auch die anarchistische Szene.

Erneut eine Demonstration der SVP in Bern geplant

Die SVP hat ein Bewilligunsgesuch für einen "Marsch auf Bern" (Demonstration) eingereicht. Diese wird vorraussichtlich bewilligt und im kommenden Herbst stattfinden. Daran werden wie letztes Jahr auch Neonazis teilnehmen. Die militante Nazi-Szene in der Schweiz ist jedoch marginal, da die SVP vieles am rechten Rand vereinnahmt. Widerstand dagegen, auch militanter, ist vorprogrammiert. Eine Internationale Mobilisierung warscheinlich. Das hat auch die Sozialdemokraten aufgeschreckt. Sie ruft auf die SVP zu ignorieren und verurteilt Zitat: "alle linksextremen Vollidioten die vorhaben zu randalieren." Fakt ist: die SP wurde zu einer Yuppie-Partei, die keinerlei Einfluss mehr auf die Linke besitzt, auch nicht auf die pazifistische. Das einzige was sie frürchten ist eine Polarisierung der politischen Landschaft und die Zunahme des Einflusses ausserparlamentarischer Organisationen, welche real linke Politik betreiben. Es wird an der Linken liegen die SVP in Bern erneut zu stoppen.

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Bund 16.2.11

"Das wäre eine Bankrotterklärung an die Demokratie"

 Reto Nauses Idee, kurz vor den eidgenössischen Wahlen im Herbst keine Demos zuzulassen, stösst auf Kritik.

 Adrian M. Moser

 Der kommende Herbst dürfte zumindest auf dem Berner Bundesplatz turbulent werden. Im Vorfeld der eidgenössischen Wahlen vom 23. Oktober zeichnen sich bereits jetzt Terminschwierigkeiten zwischen verschiedenen Demonstrationen ab. SVP, SP und auch die Unia haben ihre Gesuche bereits eingereicht. Sicherheitsdirektor Reto Nause sagte deshalb, er überlege sich, ob man künftig vor den Wahlen eine Frist setzen solle, nach welcher politische Aktionen auf dem Bundesplatz nicht mehr zugelassen werden würden (siehe "Bund" von gestern). Er denke dabei aber keinesfalls an ein eigentliches Demonstrationsverbot, sagte Nause gestern auf Anfrage. Vielmehr gehe es ihm darum, mit den Demo-Veranstaltern nach geeigneten Lösungen zu suchen. "Wir stellen in den letzten Jahren einen verstärkten Druck auf den öffentlichen Raum fest", sagt er. "Im Hinblick auf die Wahlen sind bereits einige Gesuche eingegangen, von weiteren weiss ich, dass die Absicht besteht, sie einzureichen." Es zeichne sich ab, dass nicht für alle Demos Platz zur Verfügung stehen werde. Mehrere Kundgebungen an einem Tag zu bewilligen, hält Nause für eine schlechte Lösung.

 Ob überhaupt und wie lange vor den Wahlen die demonstrationsfreie Zeit auf dem Bundesplatz begänne, kann er noch nicht sagen. "Ich könnte mir zum Beispiel vorstellen, dass man sich darauf einigen könnte, vier Wochen vor den Wahlen keine Demos mehr zuzulassen."In den Stadtratsfraktionen stösst Reto Nauses Idee auf wenig Gegenliebe. "Das wäre eine Bankrotterklärung an die Demokratie", sagt Bernhard Eicher, Präsident der FDP-Fraktion. "Müssen wir dann vor den nächsten Grossratswahlen auch den Rathausplatz sperren?", fragt er und warnt davor, "gleich in einen Aktivismus zu verfallen", nur weil jetzt zwei Parteien ein Kundgebungsgesuch gestellt hätten.

 "Ich halte von dieser Idee nicht viel", sagt auch SVP-plus-Fraktionspräsident Roland Jakob. Es könne nicht sein, dass im Vorfeld von Wahlen keine Meinungsäusserungen in Form von Kundgebungen mehr möglich sein sollen. Jakob hält es auch für möglich, dass am gleichen Tag eine Kundgebung am Morgen und eine andere am Nachmittag stattfindet. Er kritisiert ausserdem, dass die SP für ihre Aktion gleich zwei Daten provisorisch reservieren liess. "Wer ein Gesuch stellt, soll sich auf ein Datum festlegen", findet er. Kurt Hirsbrunner, Co-Präsident der BDP/CVP-Fraktion, äussert sich ähnlich. "Für mich geht die Meinungsäusserungsfreiheit klar vor", sagt er.

 Kritik auch von links

 Auch von linker Seite erntet Nause Kritik: Sie finde das keine gute Idee, sagt Stéphanie Penher, Co-Präsidentin der GB/JA!-Fraktion. "Wenn die SVP die Meinungsäusserungsfreiheit missbraucht, um Krawalle zu provozieren, muss sie dafür in die Pflicht genommen werden." Sie finde aber nicht, dass deswegen kurz vor den Wahlen keine Demonstrationen mehr stattfinden sollen, sagt Penher.

 "Als Grundidee kann man darüber diskutieren", sagt hingegen GFL-Fraktionspräsident Peter Künzler. Auch er lässt aber Skepsis durchblicken: "Rechtlich wäre das wohl heikel", sagt er. Ausserdem könne er diese Idee nur gutheissen, wenn darüber ein breiter politischer Konsens herrsche. Unentschlossen ist SP/Juso-Fraktionspräsidentin Annette Lehmann: Da gebe es Dafür und Dawider, sagt sie. "Es ist aber klar, dass wir keinen zweiten 6. Oktober wollen."

 Unweigerlich, dass bei dieser Diskussion die Erinnerungen an die Krawalle von ebendiesem 6. Oktober 2007 wieder hochkommen. Nicht zuletzt die umstrittene Gegendemo zum "Marsch auf Bern" der SVP führte damals zu wüsten Ausschreitungen. Ob die SP in diesem Jahr eine allfällige Gegendemo zur SVP-Kundgebung unterstützen würde, kann Lehmann noch nicht sagen. "Das kommt auch darauf an, wie der SVP-Wahlkampf geführt wird", sagt sie. Und weiter: "Die Gegendemo müsste natürlich friedlich verlaufen." Zu diesem Thema nicht äussern will sich hingegen Stéphanie Penher. "Sonst werden wir bereits wieder in den SVP-Strudel hineingezogen", sagt sie.

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BZ 16.2.11

Die Parteien drängen auf den Bundesplatz

 WahlherbstDie Krawalle vom 6. Oktober 2007 schrecken die SVP Schweiz nicht ab: Vor den nationalen Wahlen im kommenden Herbst plant die Partei wieder eine Kundgebung auf dem Bundesplatz - aber nicht nur sie.

 Auf dem Tisch des Berner Sicherheitsdirektors Reto Nause (CVP) liegt ein Gesuch der SVP Schweiz. Die Partei möchte vor den National- und Ständeratswahlen im kommenden Herbst auf dem Bundesplatz eine Wahlveranstaltung durchführen. Nause bestätigt die Meldung, die der "Tages-Anzeiger" und "Der Bund" gestern verbreitet hatten - und die unschöne Erinnerungen an die Krawalle vom Wahlherbst 2007 aufkommen lässt. Doch Nause ist bestrebt, "alles zu unternehmen, dass die Veranstaltung friedlich und geordnet stattfinden kann". Doch noch ist nichts bewilligt. Und noch ist nicht klar, was stattfinden soll. "Der Bund" schrieb von einer "Platzkundgebung mit Option auf einen Umzug". Weder Nause noch die stellvertretende SVP-Generalsekretärin Silvia Bär äusserten sich dazu.

 Nause redet mit

 In den nächsten Tagen will die SVP ihre Bedürfnisse mit jenen des Berner Sicherheitsdirektors in gemeinsamen Gesprächen aufeinander abstimmen. "Wir sind offen, wie der Anlass ablaufen soll", sagt Silvia Bär. Aber: "Uns sitzt immer noch in den Knochen, dass wir vor vier Jahren nicht friedlich durch die Stadt ziehen konnten."

 Run auf den Bundesplatz

 Doch Nause muss nicht nur mit der SVP einen Weg finden. "Der Wahlherbst bringt es offenbar mit sich, dass sämtliche Parteien auf dem symbolträchtigsten Platz der Schweiz Veranstaltungen abhalten wollen", stellt er fest. Während die SVP in ihrem Gesuch kein fixes Datum nennt, hat die SP den Bundesplatz schon länger für eine Wahlveranstaltung entweder am 24. September oder 8. Oktober vorreserviert. Aber auch die Unia möchte hier am 24. September ihre Lohn-Demo abhalten. Bern habe halt in Bezug auf Wahlen mehr Symbolkraft als etwa Zürich, sagt Andrea Sprecher, die Kampagnenleiterin der SP Schweiz. Deshalb habe die SP beschlossen - wie 2003 - auf dem Bundesplatz zum Schlussspurt vor den Wahlen aufzurufen. 2007 fand dieser in Zürich statt. "Dass die SVP jetzt auch mit einem Gesuch kommt, überrascht mich nicht", sagt Andrea Sprecher. Es sei normal, dass die Parteien einen Monat vor dem Wahlwochenende noch einmal mit all ihren Nationalratskandidierenden auftreten würden.

 Und deshalb ortet Reto Nause zunehmend "ein Problem mit der schieren Verfügbarkeit des Bundesplatzes, wenn alle Parteien am zweiten Oktoberwochenende darauf drängen". Schliesslich könne er nicht zwei Veranstaltungen gleichzeitig stattfinden lassen.

 Schonfrist vor den Wahlen?

 Jetzt denkt Nause darüber nach, eine "Karenzfrist" einzuführen. Er könnte sich etwa vorstellen, vier Wochen vor den Wahlen keine politische Veranstaltung mehr zu genehmigen. Wenn er entscheiden müsse, wer kurz vor den Wahlen den Platz zugestanden bekomme, "setze ich mich sofort dem Vorwurf aus, ich begünstige die eine oder die andere Partei", gibt er zu bedenken.

 Die letzte Grosskundgebung der SVP endete am 6. Oktober 2007 in Bern mit einem Bild der Verwüstung, für das Chaoten des Schwarzen Blocks hauptverantwortlich waren. Nauses Vorgänger Stephan Hügli musste danach harsche Kritik einstecken, wurde von seiner Partei fallen gelassen nicht mehr wiedergewählt.

 Trotz den Ausschreitungen vom Oktober 2007 lehnte die Stadtberner Bevölkerung eine Verschärfung des Kundgebungsreglements in der Folge ab. Und das Verwaltungsgericht befand, es sei unverhältnismässig, Kundgebungen auf Plätze zu beschränken und Demonstrationszüge durch die Stadt zu verbieten.

 Susanne Graf/sda

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20 Minuten 16.2.11

SVP kündigt erneut Demo auf dem Bundesplatz an

 BERN. SVP und SP künden auf den Herbst grosse Wahldemos auf dem Bundesplatz an. Droht eine neue "Schande von Bern"?

 Die Vorzeichen stehen auf Stunk: Die SVP Schweiz will im Herbst eine Wahlkundgebung auf dem Bundesplatz durchführen wie 2007, als es zu Krawallen kam. "Das ist die Politik der SVP: Provozieren", so Roland Näf, Präsident der SP Kanton Bern, zum Vorhaben der SVP. "Sie hofft nur, dass möglichst viele linksextreme Idioten zur Demo kommen."

 Als "Schande von Bern" erlangte der Umzug und das dazugehörende Fest traurige Berühmtheit: Linksautonome Demonstranten griffen die SVP-Anhänger an und lieferten sich mit der Polizei Strassenschlachten. Im Zentrum der Kritik: die laut SVP-Grossrat Thomas Fuchs "dilettantisch handelnde" Polizei, die sich von den Chaoten "ausspielen" liess. Fuchs, der selber Schläge kassierte, verlangt deshalb ein massiv grösseres Polizeiaufgebot. Zudem müsse die Reitschule tagsüber geschlossen werden.

 Die Stadt selbst hält sich bedeckt, was die Sicherheitsvorkehrungen angeht. "Wir werden am selben Tag jedenfalls keine zweite Parteiveranstaltung bewilligen", so Sicherheitsdirektor Reto Nause. Laut "Tages-Anzeiger" prüfen die Behörden gar, vor den Wahlen Polit-Aktionen auf dem Bundesplatz ganz zu verbieten.

 Fest steht: "Die SVP muss einen eigenen Sicherheitsdienst aufbieten, wie das bei Veranstaltungen dieser Grösse in der Stadt üblich ist", so Nause. Die SVP wollte gestern keine Details dazu verraten.  

Pedro Codes

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Aargauer Zeitung 16.2.11

SVP will in Bern demonstrieren - drohen neue Krawalle?

 Nach den Krawallen von 2007 plant die SVP vor den Wahlen im Herbst erneut eine Grosskundgebung auf dem Berner Bundesplatz. Dort könnte es aber eng werden - denn auch die SP will auf dem Platz einen Aktionstag abhalten. Die SVP hat bereits ein Gesuch für eine Platzkundgebung mit der Option eines Umzugs eingereicht, wie der Stadtberner Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP) Meldung in den Zeitungen "Tages-Anzeiger" und "Der Bund" bestätigte. Das Gesuch durchlaufe derzeit das reguläre Verfahren, sagte Nause. Auch die SP hat schon zwei Termine reserviert, sagt SP-Kampagnenleiterin Andrea Sprecher.

 "Wir legen grössten Wert auf die Beachtung der Meinungsäusserungsfreiheit", erklärt Nause. Dennoch dürften ihm die vielen Anfragen für den Wahlherbst - auch die Gewerkschaft Unia plant eine Kundgebung - Sorgen machen. Nause überlegt sich nun, ob "wir die Veranstaltungen staffeln wollen".

 Die Stadt Bern hat ungute Erinnerungen an die letzte grosse Vorwahlkundgebung im Jahr 2007 in Bern. Damals lud die SVP ihre Anhängerschaft in die Bundesstadt. Militante SVP-Gegner stiegen prompt auf diese in ihren Augen als Provokation zu verstehende Geste ein und mobilisierten für eine Gegenkundgebung. Die Gegenkundgebung bot Krawallmachern den Vorwand zum Aufmarsch. Prompt kam es zu Auseinandersetzungen und der Tag endete in wüsten Ausschreitungen, denen die Polizei trotz Grossaufgebot nur mit Mühe Herr wurde.

 Nauses Vorgänger, Stephan Hüg- li, musste nach den Vorfällen vom 6. Oktober 2007 harsche Kritik einstecken. Letztlich waren sie mitverantwortlich, dass Hügli nicht mehr wiedergewählt wurde.

 Nach den Krawallen wurden umgehend Rufe nach einer Verschärfung des Kundgebungsreglements laut. Die Stadtberner Bevölkerung lehnte dies jedoch schliesslich ab. Eine Beschränkung von Kundgebungen auf Plätze und damit das Verbot von Demonstrationszügen durch die Stadt befand das Verwaltungsgericht für unverhältnismässig. (bau/sda)

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Le Nouvelliste 16.2.11

VILLE DE BERNE

 L'UDC et le PS en lice pour défiler

 Quatre ans après les émeutes de Berne, l'UDC prévoit à nouveau un grand rassemblement dans la ville fédérale avant les élections d'octobre. Mais le calendrier s'annonce serré, car le PS a aussi agendé une manifestation sur la place fédérale, tout comme les syndicats.

 Le parti agrarien a déjà déposé une demande pour un rassemblement en plein centre de Berne avec l'option d'un cortège, a indiqué le responsable bernois de la Direction de la sécurité, Reto Nause (PDC), confirmant mardi une information de plusieurs médias. La requête suit la procédure habituelle, a-t-il ajouté.

 Le PS a également réservé deux dates pour la place Fédérale, a déclaré Andrea Sprecher, cheffe de campagne des socialistes. Elle n'a cependant pas précisé la forme exacte que prendrait la manifestation ni avec qui, le cas échéant, elle se tiendrait.

 "Nous accordons une grande importance au respect de la liberté d'expression", a souligné M. Nause. Mais l'accumulation des demandes en cet automne d'élections fédérales pourrait lui causer quelques soucis. Reto Nause se demande ainsi s'il ne sera pas judicieux d'échelonner les manifestations.

 Echauffourées de 2007. La ville fédérale garde en effet un mauvais souvenir de la dernière grande manifestation électorale en 2007. L'UDC avait invité ses sympathisants à se rendre à Berne. En réaction, des opposants au parti de droite, qui considéraient ce rassemblement comme une vraie provocation, avaient rapidement mobilisé leurs propres troupes le même jour. La contre-manifestation avait donné lieu a des émeutes et des heurts. Ce 6 octobre s'était achevé dans un chaos que la police avait difficilement pu contenir malgré un gros dispositif mis en place.

 Le prédécesseur de Reto Nause, Stephan Hügli, avait essuyé une pluie de critiques et avait même été lâché par son parti lors des élections municipales suivantes. Après cet épisode houleux, des appels avaient demandé un durcissement du règlement pour les manifestations, une option finalement rejetée par le peuple bernois. ATS

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sf.tv 15.2.11

SVP will wieder durch Bern marschieren

 Die SVP plant vor den Wahlen im Herbst eine Grosskundgebung auf dem Berner Bundesplatz. Der letzte SVP-Aufmarsch dieser Art führte im Oktober 2007 zu Krawallen.

sda/tscj

 Die SVP hat bereits ein Gesuch für eine Platzkundgebung mit der Option eines Umzugs eingereicht, wie der Stadtberner Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP) Meldungen in den Zeitungen "Tages-Anzeiger" und "Der Bund" bestätigt. Das Gesuch durchlaufe derzeit das reguläre Verfahren, so Nause.

 Der Platz auf dem Bundesplatz könnte aber eng werden: Auch die SP will auf dem Platz einen Aktionstag abhalten und die Gewerkschaften planen eine Lohn-Demo. Die SP hat laut Kampagnenleiterin Andrea Sprecher schon zwei Termine reserviert. Was die Partei genau plant und mit wem allenfalls zusammen, lässt Sprecher noch offen.

 Gestaffelte Veranstaltungen?

 "Wir legen grössten Wert auf die Beachtung der Meinungsäusserungsfreiheit", erklärt Nause. Dennoch dürften ihm die vielen Anfragen für den Wahlherbst etwas Sorgen machen. Nause überlegt sich nun, ob "wir die Veranstaltungen staffeln wollen".

 Die Stadt Bern hat ungute Erinnerungen an die letzte grosse Vorwahlkundgebung im Jahr 2007 in Bern. Damals lud die SVP ihre Anhängerschaft in die Bundesstadt. Militante SVP-Gegner stiegen prompt auf diese in ihren Augen als Provokation zu verstehende Geste ein und mobilisierten für eine Gegenkundgebung.

 Dabei kam es zu Auseinandersetzungen und der Tag endete in wüsten Ausschreitungen, denen die Polizei trotz Grossaufgebot nur mit Mühe Herr wurde.

 Nach den Krawallen wurden umgehend Rufe nach einer Verschärfung des Kundgebungsreglements laut. Die Stadtberner Bevölkerung lehnte dies jedoch schliesslich ab. Eine Beschränkung von Kundgebungen auf Plätze und damit das Verbot von Demonstrationszügen durch die Stadt befand das Verwaltungsgericht für unverhältnismässig.

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Bund 15.2.11

SVP ruft trotz den Krawallen von 2007 wieder nach Bern

 Auch die SP plant im Wahlherbst einen Aktionstag auf dem Bundesplatz.

 Daniel Friedli

 Die SVP will es erneut wissen. Wie schon 2007 will sie auch diesen Herbst kurz vor den Wahlen ihre Anhänger in Bern zusammenrufen. Wie Recherchen des "Bund" zeigen, hat die Partei bei der Stadt ein Gesuch für eine Platzkundgebung mit Option auf einen Umzug eingereicht. Die Sicherheitsdirektion von CVP-Gemeinderat Reto Nause will in den nächsten Tagen mit der Partei besprechen, was geplant und was möglich ist.

 Dabei werden unweigerlich auch die Erfahrungen vom 6. Oktober 2007 zur Sprache kommen. Damals verhinderten linke Chaoten den geplanten SVP-Marsch durch die Innenstadt, es kam zu gewalttätigen Ausschreitungen mit mehreren Verletzten und hohem Sachschaden. Deswegen auf eine erneute Kundgebung zu verzichten, kommt für die SVP indes nicht infrage. "Solche Anlässe müssen möglich sein", sagt Vize-Generalsekretärin Silvia Bär. Die Versammlungsfreiheit sei in der Schweiz ein hohes Gut.

 Es wird eng auf dem Bundesplatz

 Diese Meinung teilen die anderen Parteien - trotzdem beobachten sie die SVP-Pläne mit Skepsis. CVP-Generalsekretär Tim Frey warnt davor, den Anlass zur Provokation zu nutzen. "Auch die Partei muss alles daran setzen, dass es nicht zu Gewalt kommt." SP-Chef Christian Levrat vermutet derweil, dass die SVP genau darauf spekuliert. Sie hoffe wohl insgeheim, dass sich ihr wieder einige Dummköpfe in den Weg stellten. Anders als 2007 plant freilich auch die SP dieses Jahr einen nationalen Aktionstag auf dem Bundesplatz, wofür sie sich zwei Termine im Herbst reservieren liess.

 Mit gemischten Gefühlen beobachtet Gemeinderat Nause das Gezerre um den Bundesplatz. Er denkt darüber nach, vor Wahlen - ähnlich der Beschränkung von Wahlumfragen - einen Termin zu setzen, nach dem politische Aktionen vor dem Bundeshaus nicht mehr zugelassen wären.

 Kommentar rechts, Bericht Seite 7

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Berns Strassen werden zur Wahlkampfarena

 Nach den Krawallen von Bern 2007 plant die SVP wieder eine Wahlkundgebung. Weil auch die SP den Bundesplatz beansprucht, denken die Behörden über ein Demo-Moratorium vor den Wahlen nach.

 Daniel Friedli

 Im Herbst 2007 endete es in der "Schande von Bern". Als die SVP zwei Wochen vor der Nationalratswahl zum "Mobilisierungstag" nach Bern rief, erlebte der Wahlkampf seinen dunkelsten Moment: SVP-Bundesrat Christoph Blocher und die Seinen mussten geschützt von Leibwächtern in der unteren Altstadt warten. Und während die überforderte Polizei die Konfrontation von Links- und Rechtsextremen zu verhindern versuchte, schlugen auf dem Bundesplatz Chaoten des Schwarzen Blocks die Feststände nieder.

 Der Aktion der Randalierer folgte die Reaktion an der Urne. Die Krawalle gaben allen Umfragen zufolge der SVP Auftrieb, die SP musste dafür büssen. "Die Hälfte der Verluste sind den Krawallen in Bern vor den Wahlen zu verdanken", analysierte später der damalige SP-Präsident Hans-Jürg Fehr.

 Auch die SP will auf den Platz

 Nun nimmt die SVP einen zweiten Anlauf. Die Partei hat bei der Stadt Bern wieder eine Bewilligung für einen ähnlichen Anlass im Wahlherbst beantragt. Darin ersucht sie um eine Platzkundgebung auf dem Bundesplatz, mit der Option eines Umzugs durch die Stadt, wie der Berner Sicherheitsdirektor Reto Nause bestätigt. "Das Gesuch durchläuft derzeit das reguläre Verfahren", sagt Nause. Darin ist auch vorgesehen, dass die Stadt mit der Partei über die Rahmenbedingungen wie Uhrzeit, Umfang und Ordnungsdienst diskutiert.

 Was sie genau im Schilde führt, will die SVP noch nicht offenlegen. Man führe zuerst die Gespräche mit den Behörden, sagt die stellvertretende Generalsekretärin Silvia Bär. Und noch ist offen, ob für die SVP auch wirklich Platz ist auf dem Bundesplatz. Denn in Nauses Sicherheitsdirektion liegt bereits auch ein Gesuch der Sozialdemokraten. Sie möchten den Platz am 24. September oder am 8. Oktober für sich beanspruchen und haben sich diese Daten darum schon früh provisorisch reservieren lassen. Wofür genau, ist laut SP-Kampagnenleiterin Andrea Sprecher noch offen. Klar ist nur: Es soll ebenfalls ein Wahlanlass werden. Allerdings könnte der SP auch die Gewerkschaft Unia im Weg stehen. Diese hat provisorisch den 24. September eingegeben, um mit ihrer traditionellen Lohn-Demo in die herbstlichen Lohnverhandlungen zu steigen.

 Sicherheitsdirektor Nause stellt sich damit die heikle Frage, unter welchen Auflagen er wann welche Kundgebung bewilligen soll. Im Prinzip möchte er alle Aktionen zulassen. "Wir legen grössten Wert auf die Beachtung der Meinungsäusserungsfreiheit." Die Massierung der Anfragen für den Wahlherbst bereitet Nause trotzdem einige Sorgen. "Wir müssen uns überlegen, ob wir die Veranstaltungen staffeln wollen", sagt er. Dabei denkt er auch an die Belastung der Bevölkerung und der Polizei. Denn die Krawalle von 2007 haben gezeigt, dass auch ein Grossaufgebot von 427 Polizisten im Nachhinein als zu dürftig erachtet werden musste. Und die Scharmützel vor drei Wochen bei der Albisgüetli-Tagung der SVP Zürich lassen kaum den Schluss zu, dass die Kontrolle politischer Kundgebungen dieses Jahr einfacher wird.

 Volk wollte nicht verschärfen

 Nause denkt deshalb auch weiter. Er überlegt sich, ob man künftig vor den Wahlen eine Frist setzen soll, nach welcher politische Aktionen auf dem Bundesplatz nicht mehr zugelassen würden. Schliesslich, so der CVP-Politiker, gebe es auch bei den Wahlumfragen eine ähnliche Beschränkung.

 Mit Abstrichen am Demonstrationsrecht hat Nause indes bisher kein Glück gehabt. Nach den Krawallen von 2007 wollte das Stadtparlament mit seiner Unterstützung Demonstrationen auf die Plätze beschränken und Umzüge durch die engen Berner Gassen verbieten. Das Verwaltungsgericht lehnte dieses Verbot später aber als verfassungswidrig und unverhältnismässig ab. Und wenig später scheiterte an der Urne auch der Versuch, das Kundgebungsreglement mit einem Entfernungsartikel für renitente Demonstranten zu verschärfen.

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Kommentar

 Keine zweite "Schande von Bern"

Fabian Renz

 Zur Kulisse für ein grandioses Wahlkampfspektakel von Blochers Getreuen hätte die Bundeshauptstadt an jenem 6. Oktober 2007 werden sollen. Stattdessen wurde sie zum Tummelplatz zerstörungswütiger Linksautonomer - und in Medien rund um den Globus zum Sinnbild eines ausser Rand und Band geratenen Schweizer Wahlkampfs. Nun, auf den Wahltermin 2011 hin, plant die SVP erneut eine Grosskundgebung in Bern. Und diesmal will es die SP der Konkurrenz gleichtun: Die Genossen haben ihr Demonstrationsgesuch bereits deponiert.

 Für alle Beteiligten hat jetzt als Maxime zu gelten: Die "Schande von Bern" darf sich nicht wiederholen. In der Verantwortung stehen zuallererst die linken Parteien. Bei der SVP-Veranstaltung von 2007 unterstützten sie die unselige "Gegendemonstration", die den Krawallkohorten den Vorwand zum Aufmarsch lieferte. Gegenveranstaltungen am gleichen Tag sind von allen verantwortungsbewussten Kräften diesmal strikte zu boykottieren - die erneute Eskalation, unter der vor allem unbeteiligte Berner Geschäftsinhaber leiden würden, wäre absehbar.

 In der Verantwortung stehen auch die Berner Behörden: Anders als vor vier Jahren müssen sie potenziellen Gewalttouristen klarmachen, ab wann eingeschritten wird. Die Polizei wiederum kann sich keine strategische Unbedarftheit wie 2007 leisten, als vermummte Demonstranten in Berns Gassenlabyrinth mit den Einsatzkräften Räuber und Gendarm spielten.

 Keine Frage: Die in der Verfassung garantierte Versammlungsfreiheit ist diesmal besser zu schützen. Zweifel an der Opportunität von politischen Zirkusnummern, wie sie die SVP und ihre Nachahmer planen, seien dennoch erlaubt. Die Demonstration in einer Hauptstadt ist traditionellerweise ein Mittel der Machtlosen: Man protestiert gegen die Entscheide jener, die an den Schalthebeln sitzen. Wenn aber Regierungsparteien vor ihren eigenen Regierungssitzen "demonstrieren", hat das etwas Groteskes. Auch wenn man das Motiv kennt - spätestens seit mit dem SVP-Wahlsieg von 2007 die Langzeitfolge der Krawalle vom 6. Oktober zutage trat.

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BIG BROTHER
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Handelszeitung 17.2.11

Unternehmen

 Fingerzeig aus Pfäffikon

 TBS - Das Schwyzer Kleinunternehmen will den Sicherheitsmarkt revolutionieren. Und bekommt dabei gar Hilfe aus Washington.

Flavian Cajacob

 Der amerikanische Top-Manager steckt seinen Finger in die kleine Öffnung. Das schwarze Gerät blinkt, piepst und gibt ihm innert einer Sekunde den Zugang zum VIP-Bereich des Hotels Seehof frei. Für die kleine Schwyzer Firma TBS war das diesjährige Weltwirtschaftsforum die Feuertaufe. Im Auftrag der Bündner Polizei regelte sie den Zutritt zum Davoser Fünfsternehotel, in dem die Grössen der Welt während des WEF nächtigten. "Nicht einer oder eine hat sich negativ geäussert oder Einwände bezüglich des Datenschutzes gehabt", freut sich Marketingchef Rolf Aerne.

 Doch TBS hat mit ihren Produkten weit mehr vor, als bloss unerwünschte Gäste von geschlossenen Veranstaltungen fernzuhalten. Das elfköpfige Team hat in Pfäffikon SZ ein berührungsloses System entwickelt, welches momentan bei Zutrittskontrollen und der Zeiterfassung Anwendung findet, inskünftig aber auch den Zahlungsverkehr und die Kriminaltechnik revolutionieren soll.

 Fast wie bei den alten Römern

 Das Touchless Biometric System - kurz eben TBS - könne überall dort eingesetzt werden, wo personifizierte Vorgänge stattfänden, erklärt Aerne. "An der Haustür wie am Bancomaten, in der Forensik genauso wie im Fussballstadion." Das eigentliche Herzstück des Terminals ist ein Kästchen mit Loch. Es erinnert an die "Bocca della Verità", den Mund der Wahrheit aus Römerzeiten. Wer seine Hand in die Öffnung des Reliefs steckt und lügt, dem wird dieselbige gleich abgebissen. Das ist beim TBS-System ähnlich, auch wenn dort kein Blut fliesst.

 "Stecken Sie Ihren Zeigefinger da rein", fordert Aerne den Besucher auf. Kurze Zeit später erscheint auf dem Bildschirm ein dreidimensionales Abbild der Fingerkuppe. "Bei einem zweidimensionalen Scan gilt gemäss Polizeispezialisten eine Person als identifiziert, wenn zwischen 12 und 14 Einzelmerkmale übereinstimmen. Bei unserer 3-D-Abbildung sind mindestens 40 dieser charakteristischen Punkte notwendig, um Zutritt zu einem gesicherten Gebäude zu erlangen."

 Und wenn einer auf die Idee kommt, sich mit List Zugang zu Räumen und Daten zu verschaffen? "Das System funktioniert sozusagen lebenderkennend, auf einen abgetrennten Finger beispielsweise reagiert es nicht", sagt Aerne. Und werde ein anderer Finger als der vorab definierte eingeführt, könne sogar ein stiller Alarm ausgelöst werden. Das Touchless Biometric System sei zudem in sich geschlossen, sämtliche Daten und Bilder seien verschlüsselt und würden auf einen genau definierten Zeitpunkt hin gelöscht, zerstreut er Bedenken zur Datensicherheit gleich vorauseilend (siehe Kasten).

 Millionen investiert

 Das Besondere an TBS: Anders als bei herkömmlichen Biometriesystemen wird hier der Fingerabdruck erfasst, ohne dass ein Kontakt mit einem Trägermedium, beispielsweise einer Scheibe, stattfindet. Deformationen der Hautoberfläche werden so vermieden. Aufwendige Abläufe, wie sie etwa mit der herkömmlichen Anfertigung von Fingerabdrücken oder dem Erfassen von Zutrittsberechtigten verbunden sind, entfallen. "Eine absolute Weltneuheit, in der über sechs Jahre harte Arbeit und einiges an Geld stecken", sagt der Marketingverantwortliche des Schweizer Kleinunternehmens.

 Wie viel konkret in die Entwicklung des 3-D-Terminals investiert worden ist, darüber schweigt man sich bei TBS indes aus. Genauso nennt das kleine Unternehmen auch keinerlei Geschäftszahlen. Bekannt ist bloss, dass sich das amerikanische Jus- tizdepartement einst mit 3,5 Millionen Dollar an der Entwicklung eines Prototyps beteiligt hat. "Wir haben damit in der Fachwelt an Glaubwürdigkeit gewonnen. Und befinden uns in einer günstigen Ausgangslage, was allfällige Folgeaufträge anbelangt", sagt Aerne.

 Das Touchless Biometric System mit seinem berührungslosen Fingerscan ist heute vor allem in Hotels und Banken zur Zutrittsregelung des Personals im Einsatz. Aber auch bei der Arbeitszeiterfassung leistet das System gute Dienste. "Einen Badge können Sie einem Kollegen mitgeben, damit der schon mal eincheckt, während Sie draussen weiter Pause machen. Mit TBS geht das nicht: Entweder der Finger ist da, dann sind Sie es auch, oder er ist eben nicht da ..." Dem Erschwindeln von Arbeitszeit werde so rigoros ein Riegel vorgeschoben. Und dabei sei das System erst noch günstiger als etwa ein Scan der Iris. "Weniger als die Hälfte", sagt Aerne.

 Auch im Innenministerium

 Wie in der gesamten Sicherheitsbranche sind Diskretion und Vertrauen auch bei TBS das A und O guter Geschäftsbeziehungen. Die Systeme des Unternehmens würden in die ganze Welt verkauft. In Deutschland, Grossbritannien, den Niederlanden sowie Dubai, Oman, Saudi-Arabien, Singapur, China und Brasilien werden sie vertrieben. Ein paar Namen lässt Aerne sich dann aber doch entlocken, schliesslich geht es ja auch ums Marketing. Die Hotels von Mövenpick, der deutsche Versicherungskonzern Allianz, die Turkish Petroleum, das Innenministerium von Abu Dhabi und das US-Justizdepartement gehörten zu den Kunden.

 "Was die Einsatzmöglichkeiten anbelangt, besteht ein riesiges Potenzial", ist sich Marketingchef Aerne sicher. Dabei profitiert das Pfäffiker Unternehmen auch von den Gefahrenszenarien, welche mal mehr, mal weniger realistisch ausfallen. Aktuell stehe man in Verhandlung mit den Verantwortlichen für die Kandidatur der Olympischen Winterspiele 2018 in München, verrät Aerne noch und meldet sich dann ab in Richtung Italien.

 Auch der Heilige Stuhl respektive die Schweizergarde zeige eben grosses Interesse am Einsatz der berührungslosen 3-D-Technik. Nur die "Bocca della Verità" kann es noch nicht ersetzen.

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 Datenschutz

 Eine Technik mit Missbrauchspotenzial

 Genauere Erfassung Drei Kameras zeichnen beim Touchless Biometric System ein Abbild der Fingerkuppe von Nagelansatz zu Nagelansatz auf. Aufgrund von genetischen Veränderungen oder Verletzungen fallen bei der herkömmlichen Erfassung von Fingerabdrücken bis zu 5 Prozent der Bevölkerung durchs Raster - ihre Abbildungen sind unbrauchbar. Das berührungslose 3-D-System verspricht eine hundertprozentige Erfassung. Gefertigt werden die Systeme bei Swisstronics in Bronschhofen SG. Einfache Terminals, beispielsweise für die Zutrittskontrolle in Betrieben, kosten ab 2500 Franken.

 Mehr Datenschutz Wie bei allen Systemen, welche persönliche Daten festhalten, müssten auch beim Einsatz des berührungslosen Biometriesystems klare Regeln befolgt werden, sagt Thomas Casanova, Datenschutzbeauftragter des Kantons Graubünden. "Wer seine Mitarbeitenden erfasst, um zum Beispiel den Zutritt zu überwachen, der muss diesen gegenüber klar deklarieren, wofür und für wie lange die Daten gespeichert werden. Verlässt ein Mitarbeiter das Unternehmen, muss zudem gewährleistet sein, dass seine Abdrücke gelöscht werden." Für Casanova ist klar: Es sei immer eine Frage der Handhabe, egal, ob ich Identitäten auf Papier, mit einem Badge oder eben einem gescanten Fingerabdruck abspeichere.

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UNDERCOVER
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Radio Dreyeckland (Freiburg) 16.2.11

Die Spitzel des Eisbergs

Simon Bromma, der Heidelberger Polizeispitzel und sein britischer Kollege sind kürzlich aufgeflogen. Doch das sind wohl nur die Spitzel des Eisbergs. Und nicht nur staatliche Stellen schleusen ihre verdeckten Ermittler in die linke Szene ein - in England flog gerade auf, dass auch private Konzerne das Spitzelwesen benutzen, um ihre KritikerInnen auszuspionieren. So haben offenbar drei Energie-Konzerne die Überwachung von UmweltaktivistInnen in Auftrag gegeben.
Wohl kaum ein Einzelfall.

Skript     

ANMOD
Spricht man von den Revolutionen in Ägypten oder Tunesien, wird häufig erwähnt, das dort ein weit verzweigtes Spitzelwesen die ständige Überwachung politisch unliebsamer Gruppen garantiert hat.
Inzwischen ist es ebenfalls kein Geheimnis mehr, dass nicht nur arabische Diktatoren, sondern auch diverse europäische Polizeistellen verdeckte Ermittler (und wahrscheinlich auch verdeckte Ermittler_innen) einsetzen, um linke Gruppen auszuspionieren.
Noch kein Thema waren bis vor kurzem verdeckte Ermittler_innen, die im Auftrag von Privatunternehmen schnüffeln. Nun haben britische Umweltaktivist_innen dem Guardian Dokumente zugespielt, die belegen, dass mehrere Energiekonzerne verdeckte Ermittler in die Umweltszene eingeschleust hatten - unter anderem der bekannt Energiekonzern E.ON.

Diese privat beauftragten Spitzel bewegten sich wie ihre staatlichen Kumpane unerkannt in der Protestbewegung, überwachten deren Emailverkehr und informierten ihre Auftraggeber über geplante Kampagnen und Aktionen der Umweltaktiven - und wahrscheinlich auch über Namen und Kontakte.

Aufgeflogen ist jetzt die britische Sicherheitsfirma Vericola, die im Auftrag der Energie-Konzerne Scottish Resources Group, Scottish Power und E.ON spitzelte.

Kurios dabei: Die britischen Polizeibehörden hatten die Aufmerksamkeit auf ihre privaten Ermittler-Kollegen gelenkt. Unter politischem Druck verwunderten sie sich öffentlich, warum die viel zahlreicheren privaten Spitzel nicht ebenfalls Stein des medialen Anstoßes seien.

Global vernetzt, wie heute Energieriesen wie auch ihre Kritiker_innen sind, wäre es verwunderlich, wenn sich in Deutschland nicht ähnliches abspielte.

Wir haben bei Greenpeace Deutschland nachgefragt und uns außerdem beim Hamburger Rechtsanwalt Martin Lemke nach den Rechtsgrundlagen privater Ausspähungen erkundigt:

BEITRAG
http://www.freie-radios.net/mp3/20110216-diespitzel-39101.mp3
http://www.freie-radios.net/portal/streaming.php?id=39101

Abmod:
Wir sprachen mit Martin Lemke vom republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein und Patric Salize von Greenpeace

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BAHNPOLIZEI
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Landbote 15.2.11

Abfuhr für die Zugbegleiter
 
Thomas Schraner

 Zürich. Die 250 Zugbegleiter werden wie geplant bis Ende 2012 ersetzt. An ihre Stelle tritt ein Sicherheitsdienst, der mit aggressiven Fahrgästen besser klarkommen soll. Im Kantonsrat scheiterte die Linke mit dem Versuch, die Zugbegleiter zu retten.

 Seit 2004 sind sie jeden Tag ab 21 Uhr in jeder S-Bahn unterwegs, kontrollieren Billette, räumen Zeitungen und Flaschen weg und versuchen, den Passagieren ein Sicherheitsgefühl zu vermitteln. Weil die Zugbegleiter aber den häufiger auftretenden aggressiven Fahrgästen immer weniger Herr wurden, sannen die Verantwortlichen nach neuen Lösungen. Sie beschlossen, auf Anfang 2011 die Zugbegleiter abzuschaffen und einen Sicherheitsdienst einzurichten. Anders als die Zugbegleiter sind die Leute des Sicherheitsdienstes mit Schlagstöcken und Pfeffersprays ausgerüstet. Sie dürfen Personen festhalten und Ausweise kontrollieren.

 Seit die SBB die Umstellung im letzten September publik machten, wehren sich die rund 250 Zugbegleiter mit Protestversammlungen und Flugblättern gegen ihre Abschaffung. Gestern Morgen markierte ein Dutzend von ihnen vor dem Rathaus Präsenz und verteilte nebst Flugblättern Schokolade, um die Kantonsratsmitglieder in letzter Minute umzustimmen. Es half nichts: Mit 99:59 Stimmen beschloss die Mehrheit, den Ersatz der Zugbegleiter wie geplant laufen zu lassen. SP, Grüne, Teile der EVP und die EDU versuchten dies zu verhindern. Ihr Vehikel war ein Minderheitsantrag in den "Grundsätzen über die mittel- und langfristige Entwicklung von Angebot und Tarif im öffentlichen Personenverkehr" (siehe auch Artikel unten).

 Unnötiger Systemwechsel?

 "Mir graut vor diesen martialischen Transportpolizisten", sagte Marcel Burlet (SP, Regensdorf). Die Zugbegleiter hätten ihre Arbeit bestens erledigt und seien nicht mehr wegzudenken. Robert Brunner (Grüne, Steinmaur) meinte, die Verhältnisse in den Zügen seien längst nicht so schlimm wie vom Zürcher Verkehrsverbund (ZVV) geschildert. "Ein kompletter Systemwechsel wäre nicht nötig", folgerte er. Schon die Abschaffung der Kondukteure sei ein grosser Fehler gewesen, fügte Dominique Feuillet (SP, Zürich) an. Mehrfach wurde auch die Befürchtung geäussert, dass schlecht bezahlte Securitas-Leute im Sicherheitsdienst nicht in der Lage seien, den Zugpassagieren auch Fahrplanauskünfte zu erteilen.

 Die bürgerliche Ratsseite liess sich nicht beeindrucken: "Was nützen Zugbegleiter, die sich nicht mehr in die Waggons getrauen?", fragte Willy Germann (CVP, Winterthur) rhetorisch. Den Freunden der Zugbegleiter gehe es nur um Nostalgie. "Sie kultivieren eine Scheinsicherheit", meinte Germann. Benno Scherrer (GLP, Uster) sagte, es brauche nicht in jedem Zug einen Begleiter. Ein flächendeckender Service public, wie ihn die SP fordere, sei da fehl am Platz. Auch Volkswirtschaftsdirektor Ernst Stocker (SVP) versuchte, die Bedenken der Gegner zu zerstreuen. Der Handlungsbedarf beim Sicherheitskonzept sei real. "Meine Spezialisten finden das die beste Lösung", sagte er mit Blick auf das neue Konzept.

 Schwerpunktkontrollen

 Bei den Verkehrsbetrieben der Städte Zürich und Winterthur sowie im Nachtbetrieb der S-Bahnen ändert sich nichts. Das neue Regime umfasst aber den ganzen übrigen Kanton und erstreckt sich auf Züge, Busse und Bahnhöfe. Neu sollen sogenannte Schwerpunktkontrollen stattfinden, wie sie in der Stadt Zürich praktiziert werden. Dabei tritt der Sicherheitsdienst je nach Situation in Gruppen von zwei bis acht Personen auf. Bei Kontrollen können nebst Sicherheitsleuten auch Kontrolleure oder Präventionsleute dabei sein. Gesteuert werden die Einsätze von der Transportpolizei, einer Tochter der SBB.

 Von den 250 Bahnpolizisten haben laut Regierungsrat Stocker 50 eine neue Stelle gefunden. Rund 130 hätten die Möglichkeit, sich zum Zugbegleiter im Fernverkehr weiterzubilden. Die SBB hätten versprochen, auf Entlassungen zu verzichten, sagte Stocker. Das neue Sicherheitskonzept soll nicht mehr kosten als das bisherige: gut 40 Millionen Franken. Der Personalbestand bleibt laut ZVV in etwa gleich gross.

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Tagesanzeiger 15.2.11

Nachts S-Bahn fahren kostet weiterhin extra

 Die bürgerliche Mehrheit im Kantonsrat hält am Nachtzuschlag fest. Die Zugbegleiter fallen dem neuen Sicherheitskonzept des Zürcher Verkehrsverbunds zum Opfer. Die Linke warnt vor Pöbeleien und Vandalismus.
 
Von Stefan Häne

 Zürich - Viel Alkohol, wenig Hemmungen, kein Ticket: In dieser Mischung steckt Eskalationspotenzial, wenn am Wochenende pro Nacht rund 12 000 vornehmlich jüngere Leute eine Nacht-S-Bahn oder einen Nachtbus benützen. Darum haben SP und Grüne gestern im Kantonsrat verlangt, den Nachtzuschlag von fünf Franken abzuschaffen. Diese Forderung platzierten sie im Rahmen der Debatte um die künftige Ausrichtung des Zürcher Verkehrsverbundes (ZVV).

 Der Nachtzuschlag bringt dem ZVV jährlich 6 Millionen Franken ein. Entfiele diese Einnahme, müssten gewöhnliche Einzeltickets in der Folge 10 bis 30 Rappen teurer werden, Abos 5 bis 30 Franken. Für die Linke kein Grund, von ihrer Forderung abzurücken. "Der Nachtzuschlag birgt das grösste Konfliktpotenzial", sagte Matthias Kestenholz (Grüne, Zürich). In der Tat stufen die Zugchefs der S-Bahn und der Schweizerische Eisenbahn- und Verkehrspersonalverband (SEV) den Zuschlag als Sicherheitsrisiko ein. Viele Reisende verstünden nicht, dass sie trotz gültigem Billett den Zuschlag bezahlen müssten. Die Folge: Wortgefechte, Pöbeleien oder gar Schlägereien. Diese Befürchtungen kanzelten die Bürgerlichen als Wahlpropaganda ab. Gabriela Winkler (FDP, Oberglatt) bezeichnete das Nachtangebot als Sonderleistung, die verursachergerecht beglichen gehöre.

 Esther Guyer, Fraktionschefin der Grünen, witterte im Nachtzuschlag eine "Moral- und Straftaxe" der Bürgerlichen, denen die 24-Stunden-Gesellschaft ein Dorn im Auge sei. Süffisant wies Benno Scherrer (GLP, Uster) darauf hin, dass es für die Linke heikel sei, die 24-Stunden-Gesellschaft als Tatsache zu bezeichnen: Liberale Kräfte würden sie bei passender Gelegenheit gerne daran erinnern, etwa bei der Forderung nach längeren Ladenöffnungszeiten. Volkswirtschaftsdirektor Ernst Stocker (SVP) gab zu bedenken, das ZVV-Nachtnetz funktioniere kostendeckend: "Lassen wir es so, wie es ist." Diesem Aufruf folgten die Bürgerlichen. Sie versenkten den Antrag von SP und Grünen mit 112 zu 45 Stimmen.

 Chancenlos war die Linke auch mit dem Versuch, die 210 Zugchefs der S‑Bahn - es sind SBB-Angestellte - zu retten. Die Bürgerlichen schmetterten den Antrag mit 99 zu 59 Stimmen ab.

 Hintergrund des Konflikts ist ein neues, landesweit bislang unerprobtes Sicherheitskonzept. Seit 2004 wurde jede S-Bahn ab 21 Uhr von einer Zweierpatrouille begleitet. Damit ist seit Jahresanfang Schluss: Neu ist nicht mehr jeder einzelne Zug vom Anfang- bis zum Endbahnhof begleitet. Anstelle der Zugchefs übernehmen nun schrittweise Transportpolizisten und ein neuer Sicherheitsdienst, Präventionsassistenten und Kontrolleure die Verantwortung für die Sicherheit. Vollständig begleitet bleibt nur das ZVV-Nachtnetz. Die Patrouillen sind vor allem am Abend und in der Nacht im Einsatz, auch auf den regionalen Buslinien. Die Umsetzung des neuen Konzepts soll bis Ende 2012 abgeschlossen sein. Geplant ist zudem, alle Mitarbeiter mit GPS auszurüsten.

 Die Linke warnte mit der EDU vor einem Sicherheitsverlust. "Mit dieser Strategie wird sich der ZVV eine blutige Nase holen", sagte Robert Brunner (Grüne, Steinmaur). Es hätte ausgereicht, auf den wenigen prekären Linien künftig mehr Zugchefs einzusetzen. Marcel Burlet (SP, Regensdorf) lobte die Zugchefs. Diese hätten bisher einen ausgezeichneten Sicherheits- und Kundendienst geboten und die Züge sauber gehalten. Ihm graue es vor der "martialischen Bahnpolizei". Zudem wies er darauf hin, dass erst ein Drittel der 210 Zugchefs einen neuen Job habe - als Reisezugbegleiter bei den SBB oder als Präventionsassistent. Was er nicht sagte: Die Zugchefs sind durch den SBB-Gesamtarbeitsvertrag vor Entlassungen geschützt. Die Gewerkschaft SEV bezweifelt jedoch, dass sich für alle Lösungen finden lassen.

 "Nostalgische Scheinsicherheit"

 Willy Germann (CVP, Winterthur) warf der Linken vor, eine "nostalgische Scheinsicherheit" zu kultivieren: "Was nützen Zugbegleiter, die sich nicht mehr getrauen, die Tickets zu kontrollieren?" Die Bürgerlichen argumentierten, die Neuerung bringe mehr Sicherheit, Effizienz und Flexibilität - dies bei gleich bleibenden Kosten von rund 40 Millionen Franken pro Jahr.

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SICHERHEITSFIRMEN
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NZZ 17.2.11

Zum Schutz des guten Rufs

 Grundzüge einer Bundesregelung über Sicherheitsfirmen

 Der Bundesrat will eine Regelung für private Sicherheitsfirmen schaffen und damit Reputationsschäden für die Schweiz vermeiden. Er strebt eine zurückhaltende Lösung an, die eine Informations- und keine Bewilligungspflicht vorsieht.

 Katharina Fontana, Bern

 Im letzten Jahr hat sich mit der britischen Aegis Group Holding erstmals eine bedeutende private Sicherheitsfirma in der Schweiz niedergelassen. Aegis bietet ihre Dienstleistungen in verschiedenen Ländern an und ist namentlich auch im Irak tätig. Obschon die Firma das operative Geschäft vom Ausland aus betreibt, hatte die Nachricht von ihrer Geschäftsniederlassung in Basel auf der politischen Ebene für einige Aufregung gesorgt. So überwies der Ständerat eine Motion, die ein Bewilligungs- und Kontrollsystem für in ausländischen Krisen- und Kriegsgebieten tätige Sicherheitsfirmen fordert.

 Kehrtwende des Bundesrates

 Der Bundesrat hatte anfänglich nichts von einer Bundesregelung wissen wollen. Das Risiko von Zwischenfällen, die sich auf die Aussenpolitik oder die Neutralität der Schweiz schädlich auswirken könnten, sei gering. Die Wirksamkeit einer Regelung hänge zudem von griffigen Kontrollen ab, welche bei den Aktivitäten der Sicherheitsfirmen in Konfliktregionen zu aufwendig seien, hiess es noch 2008. Nach dem Zuzug der Aegis hat der Bundesrat die Situation neu beurteilt und sich schliesslich - wohl weniger aus sachlichen und mehr aus politischen Überlegungen - für eine Bundeslösung ausgesprochen. Am Mittwoch hat er die Grundzüge der künftigen Regelung statuiert; bis Mitte Jahr soll das Justizdepartement eine Vernehmlassungsvorlage ausarbeiten.

 Der Bundesrat scheint eine zurückhaltende Lösung anzustreben. Zur Diskussion steht nicht eine Bewilligungspflicht wie von der Ständeratsmotion verlangt. Vielmehr sollen private Sicherheitsfirmen, die von der Schweiz aus im Ausland Dienstleistungen erbringen wollen, den Bund lediglich über ihre geplanten Aktivitäten informieren müssen. Die entsprechende Zuständigkeit könnte dem Staatssekretariat für Wirtschaft übertragen werden, das bereits heute für die Exportkontrolle bei Kriegsmaterial zuständig ist.

 Gesetzliche Verbote

 Das geplante Gesetz soll zudem gewisse Aktivitäten in Konfliktgebieten ganz verbieten. Gemeint sind etwa Beteiligungen an Kampfhandlungen oder an Gewaltakten zum Sturz einer Regierung. Auch die Übernahme von Mandaten, welche die Interessen oder die Sicherheit der Schweiz gefährden könnten, soll untersagt werden dürfen. Hält sich ein Anbieter nicht an die gesetzlichen Vorgaben, drohen verwaltungs- und strafrechtliche Massnahmen.

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Tagesanzeiger 17.2.11

Der Bundesrat legt Söldnerfirmen in Fesseln

 Ein neues Gesetz soll verhindern, dass die Schweiz Schlupfloch für private Militärfirmen wie Aegis wird.

 Von David Vonplon, Bern

 Weil eine staatliche Kontrolle fehlt, ist die Schweiz auf dem Weg, Zufluchtsort für private Söldnerfirmen zu werden. In den letzten Jahren haben sich hierzulande fast unbemerkt rund 20 Unternehmen angesiedelt, die ihr Geld im Krieg verdienen. Erst die Meldung, dass sich die Holding der Söldnerfirma Aegis in Basel niedergelassen hat, schreckte die Öffentlichkeit auf: Das britische Milliardenunternehmen beschäftigt - mehrheitlich im Irak und in Afghanistan - rund 20 000 Söldner und war in der Vergangenheit in verschiedene unrühmliche Kampfhandlungen involviert.

 Im August letzten Jahres versprach Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf, rechtliche Hürden gegen private Sicherheitsfirmen wie Aegis aufzubauen. Gestern nun hat der Bundesrat mitgeteilt, wie die Gesetzesvorlage aussehen soll; bis Mitte Jahr wird das Justizdepartement gestützt auf diese Grundzügen eine Vernehmlassungsvorlage dazu ausarbeiten.

 Vorgesehen ist, dass Sicherheitsfirmen künftig einer Informationspflicht unterstellt werden: Sie müssen einer neuen, voraussichtlich dem Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) angegliederten Behörde Meldung erstatten, bevor sie ihre Söldner zu einem Einsatz ins Ausland schicken. Handelt es sich bei den geplanten Aktivitäten um Kampfhandlungen in bewaffneten Konflikten oder eine Beteiligung an Gewaltakten zum Sturz einer Regierung, untersagt der Bund diese künftig.

 Ein Verbot kann der Bund aber auch verfügen, wenn er etwa unerwünschte Rückwirkungen auf seine Neutralitäts- oder Sicherheitspolitik befürchtet: "Aufgrund eines Einsatzes einer Sicherheitsfirma in einem Krisen- oder Kriegsgebiet kann der Eindruck entstehen, dass die Schweiz die eine oder andere Seite unterstützt", sagt Marc Schinzel vom Bundesamt für Justiz. Dadurch könnte das Terrorrisiko in der Schweiz steigen. Zugleich befürchtet Schinzel, dass die Unterstützung einer Rebellengruppe durch eine Sicherheitsfirma das Verhältnis der Schweiz zu einer Regierung trüben könnte. Halten sich die Firmen nicht an die Informationspflicht oder die Verbote, will der Bund hart durchgreifen und auch strafrechtrechtlich gegen die Firmen vorgehen.

 "Sehr strenges Gesetz"

 Ob die Firma Aegis ihren Holdingsitz in der Schweiz unter diesen Vorzeichen behalten will, ist nicht bekannt. Laut Christoph Richterich, für den Konzern in der Schweiz für die Pressearbeit verantwortlich, hat die Aegis-Konzernzentrale in London bislang noch keine Kenntnis von der Absicht des Bundesrats genommen. Polizeirechtler Markus Mohler von der Universität St. Gallen sagt, es brauche in der Schweiz "ein sehr strenges Gesetz", und das habe der Bundesrat nun vorgeschlagen. Mohler kritisiert allerdings, dass der Bundesrat keine Bewilligungspflicht für die Söldnerfirmen vorsieht: "Der Bund müsste genau prüfen, ob eine Militärfirma über einen guten Ruf verfügt, bevor er eine Bewilligung für einen Sitz in der Schweiz ausspricht."

 Für Militärexperte Albert Stahel geht die Vorlage zu wenig weit: "Firmen wie Aegis gehören in der Schweiz explizit verboten, denn sie untergraben die Schweizer Aussenpolitik." Heisse man die Firmen willkommen, habe dies zudem einen enormen Kontrollaufwand zur Folge.

 SVP für generelles Verbot

 Im Parlament dürfte die Vorlage in dieser Form einen schweren Stand haben: Die SVP tritt vehement für ein Verbot ein, weil sie wegen der Söldnerfirmen die Neutralität in Gefahr sieht."Reglementierungen bringen nichts, denn Kriegshandlungen richten sich nicht danach", sagt Nationalrat Ulrich Schlüer. Zugleich fordern auf linker Seite Josef Lang (Grüne) und Anita Fetz (SP) ein Verbot kriegerischer Dienstleistungen.

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Basler Zeitung 17.2.11

Bundesrat will "Lex Aegis"

 Strenge Informationspflicht für im Ausland tätige Sicherheitsfirmen

 Christian MEnsch, MARKUS PRAZELLER

 Die Gründung der Aegis Group in Basel hat zu einem politischen Umdenken geführt. Selbst Holdings von Sicherheitsfirmen sollen künftig eine Informationspflicht haben.

 International tätige Militär- und Sicherheitsfirmen sollen in der Schweiz regulatorisch erfasst werden und einer grundsätzlichen Informationspflicht über ihre Aktivitäten unterliegen. Bereits Mitte Jahr erwartet der Bundesrat vom Justiz- und Polizeidepartement einen Gesetzesentwurf. Einen entsprechenden Auftrag hat die Landesregierung gestern erteilt.

 Die Stossrichtung der Regulierung ist in einem Bericht nachzulesen, den die Regierung gestern publizierte. Darin wird Abstand genommen von der Idee, alle Aktivitäten einer Bewilligungspflicht zu unterwerfen. Allerdings müssten Sicherheitsfirmen, die im Ausland Dienstleistungen erbringen, vorgängig die zuständige Bundesbehörde informieren. Die Behörde, die voraussichtlich beim Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) angesiedelt wird, kann Verbote verfügen, wenn die geplanten Aktivitäten den Schweizer Interessen widersprechen.

 Mit einer solchen Regulierung würde die Schweiz eines der weltweit strengsten Regimes für Militär- und Sicherheitsfirmen einführen. Ausgangspunkt ist die von der BaZ vergangenen August publik gemachte Gründung der Aegis Group Holdings in Basel, der Dachgesellschaft der britischen Militärfirma Aegis Defence Services. Aegis-Vertreter haben stets betont, hier nicht operativ tätig zu sein. Doch diese Unterscheidung will der Bundesrat in seiner "Lex Aegis" ausdrücklich nicht akzeptieren: Auch Holdings unterlägen der Informationspflicht. > Seite 4

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Schweiz übernimmt die Vorreiterrolle

Der Bundesrat will eine Bewilligungspflicht für Militär- und Sicherheitsfirmen einführen

 Christian Mensch, MARKUS PRAZELLER

 Mit einem breiten politischen Konsens will die Schweiz in Zukunft Militärfirmen strengen Regeln unterziehen. Einsätze in Krisen- und Kriegsgebieten könnten damit verboten werden.

 Tim Spicer, der Gründer der britischen Aegis Defence Services, mag es sich so nicht vorgestellt haben, als er im vergangenen Jahr zusammen mit seinen Kollegen in Basel die Aegis Group Holdings AG gegründet hatte. Denn die Militär- und Sicherheitsfirma untersteht künftig einer strengen Informationspflicht, wenn die Vorschläge, die der Bundesrat gestern grundsätzlich gutgeheissen hat, Gesetzeskraft erlangen: Erteilt das Pentagon künftig der Aegis Defence etwa einen Sicherheitsauftrag im Irak, so wird die Aegis Group Holdings verpflichtet sein, darüber das Staatsekretariat für Wirtschaft zu informieren. Die Bundesbeamten werden dann beurteilen, ob die Aktivität ein Krisen- und Konfliktgebiet betrifft und ob sie verboten oder zulässig ist.

 Erhält eine Sicherheitsfirma nach einer solchen Information innerhalb einer bestimmten Frist keine Post aus Bern, darf sie den Auftrag ausführen. Möglich sind auch ein Verbot oder Auflagen. Hält sich eine Sicherheitsfirma nicht an die Informationspflicht oder verstösst sie gegen Auflagen, so muss sie mit rechtlichen Sanktionen rechnen. Die Firma kann aus dem Handelsregister gelöscht werden, ein Verantwortlicher kann zu einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren und einer Busse bis zu einer Million Franken verurteilt werden.

Von Fall zu Fall

Die interdepartementale Arbeitsgruppe, die unter Federführung des Bundesamtes für Justiz die Vorarbeiten geleistet hat, schlägt ausdrücklich keine allgemeine Bewilligungspflicht für international tätige Sicherheitsfirmen vor. Zum einen, weil nach einer Erhebung derzeit nur gerade gut zwanzig Firmen schweizweit betroffen wären und im internationalen Umfeld kaum solche Bestimmungen bestehen. Zum anderen aber auch, weil Bewilligungen an allgemein gültige, aber schwer definierbare Kriterien gebunden wären. Das System der Informationspflicht habe demgegenüber den Vorteil, dass die Behörde konkret auf jeden einzelnen Auftrag einer Sicherheitsfirma reagieren kann.

 Die Verfügung von Verboten müsse verhältnismässig sein, postuliert der Bericht der Arbeitsgruppe. Es sei in jedem Fall einzeln festzulegen, welche Aktivitäten den internationalen Verpflichtungen oder den aussenpolitischen Grundsätzen der Schweiz zuwiderlaufen würden. Verbote könnten auch erteilt werden, wenn die Sicherheit oder die Reputation der Schweiz gefährdet werden könnte. Ein solches Verfahren von Fall zu Fall hätte auch den Vorteil, dass Ausnahmen erteilt werden können, wenn ein solcher Auftrag etwa im Dienst der Uno oder im Rahmen der schweizerischen Entwicklungszusammenarbeit ausgeführt würde. Ist ein Sicherheitsanbieter mit einer Einschränkung nicht einverstanden, kann er dagegen eine Verwaltungsbeschwerde einreichen.

 Die gesetzlichen Vorschriften, die der Bundesrat bereits in einigen Monaten als Entwurf zur Vernehmlassung vorlegen will, sind von einer breiten politischen Zustimmung getragen. Parlamentarische Einzelvorstösse, einhellige Stellungnahmen der Sicherheitspolitischen und der Aussenpolitischen Kommission der eidgenössischen Räte und zuletzt auch die Standesinitiative von Basel-Stadt zielen allesamt auf eine Regulierung der Sicherheitsfirmen. Der Zuger Nationalrat Jo Lang (Grüne), der etwa ein generelles Verbot von Militärfirmen gefordert hatte, zeigt sich nach der Lektüre des Berichts positiv überrascht, da dieser die Kernanliegen seiner Motion aufnehme. Zwar werde darauf verzichtet, ein allgemeines Verbot von Privatarmeen zu postulieren, im Einzelfall könne ein solches dennoch verfügt werden, sagt Lang. Eine erste politische Aussprache führt der Ständerat in der kommenden Session.

Keine Ausnahme

Die politisch breite Front hatte sich gebildet, nachdem die BaZ publik gemacht hatte, dass sich die Aegis Defence Services eine Basler Holding-Struktur gegeben hat. Aegis hatte in ihren Statements stets betont, Basel sei lediglich administrativer Sitz ohne Aktivitäten und ohne Mitarbeiter. Der vom Bundesrat gutgeheissene Bericht betont nun gerade eine umfassende Regelung, die auch für Tochter- und Muttergesellschaften von Militärfirmen gelten soll. Es sei unbefriedigend, wenn private Sicherheitsfirmen "in gewisser Hinsicht von einer Grauzone" ohne Registrierungs- und Bewilligungspflicht profitieren könnten.

 Bei Holdinggesellschaften könne aus dem Handelsregistereintrag grundsätzlich nicht erschlossen werden, welchen Zweck sie konkret verfolgten. Dies verhindere staatliche Kontrollen und führe zur "paradoxen" Situation, dass Sicherheitsfirmen, die nur in der Schweiz tätig sind, besser kontrolliert seien als Unternehmen, die von der Schweiz aus in Krisen-und Konfliktgebieten tätig werden. Dabei seien Aktitivitäten im Inland grundsätzlich weniger problematisch als die im Ausland erbrachten Dienstleistungen. Die Aegis Group Holdings AG und die Aegis Defence Services AG haben, angefragt von der BaZ, zum Bericht des Bundesrates bisher nicht Stellung genommen.

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admin.ch 16.2.11

Sicherheitsfirmen: Informationspflicht und Verbot gewisser Tätigkeiten; EJPD arbeitet bis Mitte Jahr eine Vernehmlassungsvorlage aus

Bern, 16.02.2011 - Private Sicherheitsfirmen, die von der Schweiz aus im Ausland tätig sind, sollen künftig verpflichtet werden, vorgängig die zuständige Bundesbehörde zu informieren. Zudem sollen gewisse Tätigkeiten in Krisen- und Konfliktgebieten gesetzlich verboten werden. Der Bundesrat hat am Mittwoch das Eidg. Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) beauftragt, bis Mitte Jahr eine entsprechende Vernehmlassungsvorlage auszuarbeiten.

Gestützt auf einen Bericht des Bundesamtes für Justiz (BJ), der mit Unterstützung einer interdepartementalen Arbeitsgruppe und unter Einbezug der Kantone ausgearbeitet worden ist, legte der Bundesrat die Grundzüge der künftigen Regelung fest. Demnach müssen private Sicherheitsfirmen, die von der Schweiz aus Dienstleistungen im Ausland erbringen wollen, vorgängig die zuständige Bundesbehörde informieren. Dem Gesetz unterworfen sind auch in der Schweiz niedergelassene Gesellschaften mit Beteiligungen an privaten Militär- und Sicherheitsfirmen (Holdings).

Gesetzlich verboten sind gewisse Aktivitäten in Krisen- und Konfliktgebieten, die mit den internationalen Verpflichtungen und den aussenpolitischen Grundsätzen der Schweiz unvereinbar sind (z.B. Beteiligung an Kampfhandlungen oder an Gewaltakten zum Sturz einer Regierung). Die zuständige Behörde kann aber auch ein Verbot verfügen, wenn die geplanten Aktivitäten nationalen Interessen widersprechen. Dazu zählen die humanitäre Politik, der Einsatz für das Völkerrecht, die Neutralitätspolitik, aber auch die Sicherheit der Schweiz, die durch bestimmte Mandate gefährdet sein könnte. Die Anbieter erlaubter Aktivitäten müssen gesetzlich festgelegte Verpflichtungen einhalten. Widerhandlungen gegen Verbote und Verpflichtungen werden durch Verwaltungsmassnahmen oder strafrechtliche Sanktionen geahndet.

Entwicklung des Marktes in der Schweiz

Im Jahr 2008 hatte der Bundesrat entschieden, vorerst auf eine Regelung für in der Schweiz ansässige und in ausländischen Krisen- und Konfliktgebieten tätige private Sicherheitsfirmen zu verzichten. Namentlich aufgrund der jüngsten Entwicklung des Marktes in der Schweiz bejaht der Bundesrat mittlerweile einen Regelungsbedarf. Mit der Aegis Group Holdings AG liess sich letztes Jahr erstmals eine Gesellschaft in der Schweiz nieder, die eine der grössten, in Krisen- und Konfliktgebieten tätige Sicherheitsfirma kontrolliert. Zudem sind in acht Kantonen rund zwanzig Sicherheitsfirmen tätig, die solche Dienstleistungen anbieten. Zwei kantonale Konkordate harmonisieren zwar die Regelungen für private Sicherheitsdienstleistungen in der Schweiz, erfassen jedoch nicht die von der Schweiz aus im Ausland erbrachten Dienstleistungen.

Internationales Engagement der Schweiz

Auch das internationale Engagement der Schweiz, die bei der Erarbeitung von zwei Dokumenten eine Schlüsselrolle spielte, spricht für eine innerstaatliche Regelung. Das ,Montreux-Dokument" vom 17. November 2008 listet die völkerrechtlichen Verpflichtungen von privaten Sicherheits- und Militärfirmen auf und enthält Empfehlungen, wie die Staaten ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen nachkommen können. Mit der Unterzeichnung des internationalen Verhaltenskodexes vom 9. November 2010 haben sich rund 60 private Sicherheitsfirmen insbesondere verpflichtet, auf Offensivhandlungen zu verzichten und die Anwendung tödlicher Gewalt auf Fälle der Selbstverteidigung und der Verteidigung des Lebens Dritter zu beschränken.

Adresse für Rückfragen:
Luzius Mader, Bundesamt für Justiz, Tel. +41 31 322 41 02

Herausgeber:
Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement
Internet: http://www.ejpd.admin.ch

Die Dokumente zu dieser Medienmitteilung finden Sie auf der Website des EJPD
http://www.ejpd.admin.ch/content/ejpd/de/home/dokumentation/mi/2011/2011-02-160.html

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Dokumente
* Bericht (142 Kb, pdf)
http://www.ejpd.admin.ch/content/dam/data/sicherheit/gesetzgebung/sicherheitsfirmen/ber-bj-d.pdf
* Anhang 2 (21 Kb, pdf)
http://www.ejpd.admin.ch/content/dam/data/sicherheit/gesetzgebung/sicherheitsfirmen/anhang-2-d.pdf
* Anhang 3 (279 Kb, pdf)
http://www.ejpd.admin.ch/content/dam/data/sicherheit/gesetzgebung/sicherheitsfirmen/anhang-3-d.pdf
* Anhang 4 (1467 Kb, pdf)
http://www.ejpd.admin.ch/content/dam/data/sicherheit/gesetzgebung/sicherheitsfirmen/anhang-4-d.pdf
* Anhang 5 (28 Kb, pdf)
http://www.ejpd.admin.ch/content/dam/data/sicherheit/gesetzgebung/sicherheitsfirmen/anhang-5-d.pdf

Weitere Infos
Dossier
Private Sicherheitsfirmen (BJ, 16.02.2011)
http://www.ejpd.admin.ch/content/ejpd/de/home/themen/sicherheit/ref_gesetzgebung/ref_sicherheitsfirmen.html

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NOTHILFE
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Südostschweiz 15.2.11

Flüchtlingshelfer kämpfen gegen Nothilfe-Regime

 Der Verein Miteinander Valzeina und weitere Organisationen fordern erneut eine bessere Versorgung der abgewiesenen Asylbewerber in Valzeina. Eine Petition an Barbara Janom Steiner soll den Forderungen Nachdruck geben.

 Von Ueli Handschin

 Chur.- Die Schweizerische Flüchtlingshilfe, Amnesty International, die Beobachtungssstelle für Asyl- und Ausländerrecht sowie Solidarité sans frontières starteten Anfang Februar eine Kampagne, um auf die Lage abgewiesener Asylbewerber in der Schweiz aufmerksam zu machen (siehe Kasten). Denn wer nicht aus der Schweiz ausgeschafft werden kann, erhält lediglich Nothilfe, die nicht mehr als das Überleben sichert.

 Diese Nothilfe-Regelung werde in Graubünden härter gehandhabt als in den meisten anderen Kantonen. Das verletze Verfassungsrechte und internationale Konventionen und verstosse gegen die Rechtsprechung des Bundesgerichtes, heisst es in dem öffentlichen Appell an Regierungsrätin Barbara Janom Steiner, welcher den Medien gestern in Chur vorgestellt wurde.

 Amnesty International habe in den letzten drei Jahren wiederholt auf diese Missstände aufmerksam gemacht, sagte deren Vertretern Denise Graf. Doch gebessert habe sich nichts. Graubünden verletze das im Sozialpakt der UNO festgeschriebene Recht auf angemessene Ernährung. Die Nothilfe-Rationen im Wert von höchstens 4.50 Franken pro Person und Tag lägen unter dem vom Bundesgericht festgelegten Standard und führten zu Unterversorgung und Mangelerscheinungen. Von gewissen lebensnotwendigen Nahrungsmitteln gebe es nur die Hälfte des Notwendigen.

 Oft jahrelang

 Auch das Recht auf medizinische Versorgung werde verletzt: Im Flüchtlingsheim Flüeli in Valzeina etwa entscheide der mediznisch ungeschulte Leiter über Arztbesuche. Kritisiert wird auch die lange Aufenthaltsdauer im Flüeli. Sechs der derzeit rund 25 dort lebenden Personen seien schon drei Jahre und fünf seit einem Jahr in Valzeina. Nothilfe über so lange Zeit verstosse gegen das Prinzip der Verhältnismässigkeit. Es sei unhaltbar, den Menschen eine Beschäftigung vorzuenthalten, sie damit zu desozialisieren und krank zu machen. Menschenwürdige Lösungen würden so verhindert.

 Das Nothilfe-Regime müsse auf höchstens ein halbes Jahr begrenzt bleiben, ist deshalb eine der Forderungen an Regierungsrätin Janom Steiner. Ausserdem seien die Betroffenen an einem Ort unterzubringen, an dem sie einen Lebensmittelladen und einen Arzt zu Fuss erreichen können. Frauen, Kinder, Kranke und Jugendliche dürften von ordentlicher Sozialhilfe nicht ausgeschlossen werden. Schliesslich sei für eine angemessene Ernährung zu sorgen. Und Janom Steiner wird gebeten, wöchentliche Arztbesuche im Flüeli zu veranlassen.

 Die Bedürfnisse, vor allem aber auch die Würde der Nothilfempfänger würden nicht respektiert, sagte Gustav Ott vom Komitee SOS Menschlichkeit. "Die alltäglichen, entwürdigenden Schikanen müssen aufhören, der Zugang zu Internet und Telefon ermöglicht werden", forderte er. Zudem sei den Betroffenen das Recht einzuräumen, gegen disziplinarische Massnahmen zu rekurrieren.

 Der Kanton treibe ein "zynisches Doppelspiel", erklärte ihrerseits Vera Bay vom Verein Miteinander Valzeina. Einerseits versuche der Staat erfolglos, beispielsweise mit dem Vorwurf des Hausfriedensbruchs, Menschen zu kriminalisieren, welche die Flüchtlinge unterstützen. Andererseits sei die Hilfe der Zivilgesellschaft aber auch willkommen, weil sie die Kosten senke.

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 Reaktionen von Empörung bis zur Zustimmung

 Im Rahmen der Kampagne zur Verbesserung der Nothilfe sind den Kantonsparlamentariern gestern vor dem Grossen Rat Tüten mit 182 Gramm Hörnli verteilt worden. Das entspricht der Tagesration der Flüchtlinge an Kohlehydraten. Hinter der Aktion stehe die Hoffnung, "dass das politische Wegsehen sein Ende hat", hiess an der Medienorientierung mehrerer Organisationen der Flüchtlingshilfe.

 Die Positionen zur Asylpolitik haben sich aber kaum verändert, wie eine Umfrage der "Südostschweiz" ergab. Die Sozialdemokraten unterstützen das Komitee SOS Menschlichkeit und den Verein Miteinander Valzeina, die Bürgerlichen sehen keinen Handlungsbedarf.

 "Diese Leute sollten endlich aufhören mit ihren ewig gleichen Forderungen", empörte sich gestern etwa der Davoser BDP-Grossrat Rico Stiffler. Die Asylgesuche der Betroffenen seien rechtsgültig abgelehnt worden. Ähnlich sieht es der Churer Vincent Augustin von der CVP. Auch er stellt fest, dass die Betroffenen ja alle gehen dürfen. Augustin betonte, die grossrätliche Kommission für Gesundheit und Soziales (KGS), die er bis Ende der vergangenen Legislaturperiode präsidiert hatte, habe das Flüeli besucht und keine Missstände festgestellt.

 Auch Augustins Nachfolger an der Spitze der KGS, der CVP-Vertreter Martin Candinas aus Rabius, sieht keinen Anlass zum Handeln. Er habe volles Vertrauen in die Regierung, dass sie "angemessen und gesetzeskonform" agiere. BDP-Grossrat Heinz Dudli aus Zizers gab zu bedenken, für die Verpflegung der Soldaten stehe ein Betrag in ähnlicher Höhe wie die Nothilfe zur Verfügung.

 Anders sieht es Nicoletta Noi-Togni aus San Vittore, die als Parteilose der SP-Fraktion angehört. "Wenn solche Klagen erhoben werden, sollte ihnen nachgegangen werden", stellt sie fest und regt an, die KGS solle das Flüeli erneut besuchen. Uneingeschränkte Unterstützung erhalten die Flüchtlingshelfer auch vom Churer Grossrat Jon Pult. Es gebe viele gute Gründe, auf Graubünden stolz zu sein, erklärte der SP-Parteipräsident gestern. Für die kantonale Asylpolitik könne man sich aber "einfach nur schämen". (han)

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MIGRATION CONTROL
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Schweiz Aktuell sf.tv 17.2.11

EU fordert Unterstützung der Schweiz für Frontex

Für die Sicherung der EU-Aussengrenzen gegen die tunesische Flüchtlingswelle soll die Schweiz Grenzwächter stellen. Die Schweiz erwägt, fünf Grenzwächter nach Italien zu entsenden.
http://videoportal.sf.tv/video?id=27ea52ff-2706-41b2-bebf-c890da39952a

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Landbote 17.2.11

Neuer Akt im Flüchtlingsdrama

 Philipp Hufschmid

 Zürich. Nach der Ankunft von Booten aus Ägypten und Tunesien mit mehreren Tausend Flüchtlingen befürchtet Italien eine neue Welle von illegalen Migranten. Seit Jahren wagen Menschen die lebensgefährliche Überfahrt, weil sie auf eine bessere Zukunft in Europa hoffen.

 In den vergangenen Tagen sind mehrere Tausend Bootsflüchtlinge aus Tunesien nach Lampedusa gelangt. Für Adrian Hauser, Sprecher der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, besteht ein "direkter Zusammenhang" zwischen dem plötzlichen Anstieg der Anzahl Bootsflüchtlinge und den politischen Umwälzungen in Tunesien. Auch Michael Glauser vom Bundesamt für Migration hält das für plausibel. Es gelte aber auch zu berücksichtigen, dass das Mittelmeer in den letzten Tagen für diese Jahreszeit ungewöhnlich ruhig war, sodass Überfahrten möglich gewesen seien. Oft verhinderten die Stürme in den Wintermonaten die Bootsfahrten mit Flüchtlingen.

 Sowohl Glauser als auch Hauser haben derzeit noch keine gesicherten Informationen, ob es sich bei den jüngsten Bootsflüchtlingen vorwiegend um Tunesier handelt oder ob auch andere Nationalitäten in Lampedusa angekommen sind. Es sei daher schwierig abzuschätzen, ob die Schlepperbanden, die Flüchtlinge aus Afrika nach Europa schleusen, ihre Verkehrsrouten bereits geändert hätten (siehe Kasten). Laut Glauser reagierten diese Banden jeweils rasch auf Veränderungen im Grenzschutzdispositiv.

 Flüchtlinge ändern Routen

 Tatsächlich sind die Flüchtlingsströme jeweils relativ schnell versiegt, sobald die betroffenen Staaten Gegenmassnahmen ergriffen - um einige Zeit später an anderer Stelle wieder aufzutauchen. So ist die Zahl der Bootsflüchtlinge, die Lampedusa oder Sizilien erreichten, nach dem Abschluss eines Abkommens zwischen Italien und Libyen im Mai 2009 massiv zurückgegangen (siehe Text unten). Das Abkommen sieht vor, dass Flüchtlinge bereits an Land festgenommen oder auf hoher See von gemeinsamen Patrouillen gestoppt werden. Das Auffanglager auf Lampedusa konnte Ende 2009 sogar geschlossen werden. In der Folge verlagerte sich der Flüchtlingsstrom nach Osten. Die Türkei und Griechenland dienten als Transitländer für Flüchtlinge, die von dort aus mit Booten nach Apulien zu gelangen versuchten. EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström erklärte im Oktober 2010, dass mittlerweile fast 90 Prozent der illegalen Einwanderer über Griechenland in die EU kämen. Nachdem die mit dem Schutz der Aussengrenzen beauftragte EU-Agentur Frontex die Überwachung der Meerengen zwischen Griechenland und der Türkei verstärkt hatte, versuchten die Flüchtlinge zunehmend über den Grenzfluss Evros nahe der Stadt Orestiada von der Türkei nach Griechenland zu gelangen.

 Mit der Verstärkung von Grenzzäunen, besserer Überwachung der Küsten und Frontex-Missionen versuchen die besonders betroffenen EU-Staaten die illegale Einwanderung zu bekämpfen. Entscheidend für das wirksame Eindämmen der Flüchtlingsströme aus Afrika nach Europa ist aber die Zusammenarbeit mit den Staaten, die als Transitländer dienen. Neben dem erwähnten Abkommen mit Libyen hat Italien mehrere Vereinbarungen mit Tunesien zur Flüchtlingsabwehr und zahlreiche Abkommen zur Abschiebung von Flüchtlingen geschlossen. Auch Spanien sucht die Kooperation mit afrikanischen Staaten, um Flüchtlinge abzuwehren. Nach dem Ansturm auf die spanischen Exklaven Ceuta und Melilla 2005 und dem massiven Anstieg von Überfahrten über die Strasse von Gibraltar beziehungsweise auf die Kanarischen Inseln hat Marokko seine Kontrollen verschärft. Seither starten die Flüchtlingsboote meist weiter südlich, in der von Marokko besetzten Westsahara, in Mauretanien, im Senegal oder sogar in Gambia und Guinea. Spanien hat deshalb auch mit mehreren westafrikanischen Staaten Rückführungsabkommen geschlossen, um Flüchtlinge wieder in ihre Heimatländer zurückschicken zu können. Im Gegenzug für Finanzhilfe aus Spanien hat sich beispielsweise Guinea dazu verpflichtet, bei der Repatriierung von Flüchtlingen behilflich zu sein und die illegale Migration zu bekämpfen.

 Menschenrechtsorganisationen kritisieren diese Kooperation mit afrikanischen Staaten bei der Flüchtlingsabwehr. Für Adrian Hauser von der Schweizerischen Flüchtlingshilfe ist es erschreckend, dass etwa Italien die Flüchtlinge ohne Abklärungen, ob Anspruch auf Asyl besteht, nach Libyen zurückschickt. "Der Schutz vor Verfolgung muss geltend gemacht werden können", sagt Hauser. Dafür brauche es zwingend eine Einzelfallprüfung. Organisationen wie die deutsche Pro Asyl verurteilen die italienische Praxis, Flüchtlinge ohne Rücksicht auf die Menschenrechtssituation nach Tunesien oder Libyen abzuschieben.

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 Hunderttausende unterwegs
 
phh

 Ein Grossteil der Bootsflüchtlinge, die auf ein besseres Leben in Europa hoffen, stammen aus den Ländern südlich der Sahara. Je nach Herkunft folgen die Flüchtlinge vor allem zwei Überlandrouten, um an die Mittelmeerküste zu gelangen: Somalier, Eritreer und Äthiopier durchqueren den Sudan, um nach Libyen zu gelangen. Flüchtlinge aus Zentral- und Westafrika reisen oft via Agadez in Niger nach Algerien, Libyen oder Marokko. Andere versuchen, an der afrikanischen Atlantikküste ein Boot zu besteigen.

 Über die Anzahl Flüchtlinge, die bereits an den Küsten auf eine Überfahrt nach Europa warten oder noch irgendwo in Afrika unterwegs sind, existieren nur grobe Schätzungen. Es dürften Hunderttausende sein. Oft sind sie monate- oder gar jahrelang unterwegs, weil sie von Sicherheitskräften an der Weiterreise gehindert werden oder ihnen das Geld ausgeht. Die grosse Mehrheit von ihnen nutzt unterwegs die "Dienste" von Schlepperbanden. Im Durchschnitt soll ein Flüchtling 1000 Euro dafür ausgeben, was für afrikanische Verhältnisse eine horrende Summe ist. Entsprechend ist Menschenschmuggel für kriminelle Organisationen ein lukratives Geschäft, das zugleich Tausenden zu einem Einkommen verhilft. (phh)

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Frontex soll Flüchtlinge stoppen

 Ralph Schulze, Madrid

 LAMPEDUSA. Die europäische Grenzschutzagentur Frontex soll den Flüchtlingsstrom aus Tunesien zur italienischen Insel Lampedusa stoppen.

 Die EU-Grenzschützer bereiten sich auf einen Einsatz vor der tunesischen Küste gegen den Flüchtlingsstrom vor, bestätigte Frontex-Chef Ilkka Laitinen. Ein Frontex-Erkundungsteam sei nach Lampedusa geschickt worden. Italien kündigte an, dass es die europäischen Patrouillenboote anfordern werde. Die EU-Küstenwacht soll Flüchtlingsboote in internationalen Gewässern abfangen, zurückschicken und so zur Abschreckung beitragen.

 Frontex-Einsätze erfolgreich

 Hubschrauber, Überwachungsflugzeuge, Schnellboote, Wärmebildkameras - mit diesen Waffen bekämpft die Frontex-Küstenwache bereits seit Jahren im Mittelmeer und im Atlantik vor der westafrikanischen Küste die illegale Einwanderung. Aus polizeilicher Sicht ziemlich erfolgreich: Seit die Patrouillen zwischen Westafrika und den Kanarischen Inseln aufgenommen wurden, ging die Zahl der Bootsflüchtlinge stark zurück: im Jahr 2006 strandeten 32 000 afrikanische Wirtschaftsflüchtlinge auf den Kanaren, 2010 waren es nur noch knapp 200. Rechnet man die an Spaniens Festlandküste aufgefischten Illegalen hinzu, kamen 2010 nur 3600 afrikanische Bootsflüchtlinge an, zehnmal weniger als 2006. Dies ist auch den Rückführungsabkommen zuzuschreiben, die Madrid mit immer mehr Herkunftsländern abschliesst. Spanien sichert zudem seine Küsten mit einer Radarmauer gegen illegale Einwanderer: "99 Prozent jener, die übers Meer kommen, werden entdeckt", sagt Innenminister Alfredo Perez Rubalcaba.

 Auch vor Italien, Malta und Griechenland sorgte die Mischung aus Frontex-Operationen, nationalem Küstenschutz und Zusammenarbeit mit den nordafrikanischen Ländern für ein Abflauen der Bootsmigranten. In Italien sank die Zahl der über den Seeweg kommenden Illegalen im vergangenen Jahr auf 4300 Flüchtlinge, nach Malta kamen nur noch etwa 30 und nach Griechenland etwa 8000 Bootsmigranten. Dafür überrennen nun Zehntausende illegale Einwanderer die Landgrenze von der Türkei Richtung Griechenland.

 Nachlässige Überwachung

 Mit dem Zusammenbruch des Polizeistaates Tunesien ist dort die Überwachung der Küsten plötzlich wieder nachlässig. Nachdem Tunesiens Übergangsregierung italienische Patrouillen in tunesischem Hoheitsgebiet ablehnte, fordert Italien nun den Frontex-Einsatz in internationalen Gewässern, die 12 Seemeilen vor der Küste beginnen. Menschenrechtsgruppen be- klagen derweil, dass beim Frontex-Einsatz auf hoher See oftmals die Grundrechte auf der Strecke blieben.

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Rundschau sf.tv 16.2.11

Flüchtlingsstrom in den Westen

Die Vertreibung von Hosni Mubarak hat das Selbstbewusstsein des aegyptischen Volkes gestärkt. Wie schon vorher in Tunesien mit dem Sturz des Staatschef Ben Ali steht nun auch Aegypten vor einem Demokratisierungsprozess voller Hindernisse. Aber bereits wirft der Aufstand lange Schatten: Tausende junger Männer fliehen nach Europa, um der schwierigen Situation in ihrer Heimat zu entkommen. Wie überwinden die jungen Demokratien die hohen Hürden auf dem Weg zu mehr Gerechtigkeit?
Auf dem Rundschau-Stuhl: Konfliktforscher Kurt R. Spillmann.
http://videoportal.sf.tv/video?id=2e7678ff-6bd4-418b-b7f2-d6141e8137a2

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Stuhl: Kurt R. Spillmann

Emeritierter Professor für Sicherheitspolitik und Konfliktforschung ETHZ
http://videoportal.sf.tv/video?id=73d11f52-f280-413f-9ac0-31833f9f21c9

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sf.tv 16.2.11

Revolutionen im arabischen Raum

 Lampedusa: EU schickt Geld und Grenzschützer nach Italien

 Die EU reagiert auf die Explosion der Flüchtlingszahlen in Italien und gewährt Nothilfe. Geld und Grenzschützer könnten binnen weniger Tage zur Verfügung gestellt werden. Nun sind auch erste Flüchtlinge aus Ägypten eingetroffen.

dpa/sda/tscj/falt

 "Wir wollen Italien finanzielle Hilfe gewähren und bereiten einen Einsatz der EU-Agentur Frontex vor", sagte ein Kommissionssprecher in Brüssel. Wie viel Geld die EU gewähren will, bleibt indes offen.

 In einem formellen Brief hatte Italiens Innenminister Roberto Maroni von der der EU-Kommission 100 Millionen Euro verlangt, um dem Notstand begegnen zu können. In einem ähnlichen Fall vergangenen Herbst hatte die EU Griechenland jedoch nur 9,8 Millionen Euro bewilligt.

 Konkreter wurde die EU-Kommission in Sachen personeller Unterstützung: Die Aufstockung der Grenztruppen könne "sehr rasch" erfolgen, sagte der Sprecher. Die Vorbereitungen für den Einsatz liefen auf Hochtouren. Die Grenzschützer seien innerhalb weniger Tage einsatzbereit und könnten die Lage auf der italienischen Insel Lampedusa überwachen.

 Kein Alkoholausschank an Flüchtlinge

 Bis dahin sollen zunächst 200 zusätzliche italienische Soldaten zur Kontrolle der Auffanglager abkommandiert werden. Seit Mitte Januar sind knapp 5300 tunesische Flüchtlinge auf der Insel Lampedusa angekommen, die selbst nur 4500 Einwohner hat.

 Etwa die Hälfte der Flüchtlinge wurde inzwischen auf andere Lager in Italien verteilt, doch auch das Auffanglager in Lampedusa ist derzeit mit 2000 Flüchtlingen völlig überfüllt - konzipiert wurde es für 800.

 Der Bürgermeister von Lampedusa, Bernardino De Rubeis, verordnete unterdessen, dass den Migranten kein Alkohol verkauft werden darf. "Wir wollen die öffentliche Sicherheit garantieren", sagte er.

 Die Weiterleitung der Flüchtlinge in andere EU-Staaten ist derzeit nicht möglich: Asylbewerber müssen nach Europarecht bis zur Prüfung ihrer Anträge in dem Land bleiben, in dem sie europäischen Boden betreten haben ("Dublin-II-Abkommen").

 Nach Angaben der UNHCR hätten sogenannte "Schlepper" vor allem junge Leute dazu überredet, in Europa ein besseres Leben zu suchen. Die meisten Flüchtlinge seien junge Männer.

 Inzwischen ist der Flüchtlingszustrom praktisch versiegt - möglicherweise eine Folge der stärkeren Kontrolle der Küsten Tunesiens. Die Übergangsregierung in Tunis hatte am Montag damit begonnen, Küstenstreifen abzuriegeln.

 Italien muss mit Tunesien kooperieren

 SF-Korrespondent Philipp Zahn sieht die Lösung des Problems denn auch in der Kooperation Italiens mit Tunesien auf der einen Seite und mit den EU-Staaten auf der anderen. Tunesien müsse durch Italien finanziell unterstützt werden, erklärt Zahn aus Lampedusa. So könne das Land selbst wieder einen effizienten Küstenschutz aufbauen.

 Italien will nun in Tunesien mit dem neuen Ministerpräsidenten Mohamed Ghannuchi über die Lage sprechen. Die tunesische Regierung hat jedoch den Vorschlag zurückgewiesen, angesichts des Stroms tunesischer Bootsflüchtlinge eigene Polizisten in das nordafrikanische Land entsenden zu wollen. "Das ist inakzeptabel", sagte der Sprecher der tunesischen Regierung. Italien bezeichnete er als "rassistisch Rechts".

 Italien fürchtet Flüchtlingsstrom aus Ägypten

 Italiens Innenminister Maroni äusserte die Befürchtung, dass noch Zehntausende Menschen aus Tunesien fliehen wollten, so dass es in einem Jahr hochgerechnet 80'000 Ankömmlinge geben könne. Verschärft werde die Lage durch das "institutionelle Erdbeben" in Ägypten, sagte der Minister der ausländerfeindlichen Lega Nord in Catania.

 Ägyptische Flüchtlinge bereits angekommen

 In der Tat landeten erste Immigranten aus Ägypten auf Sizilien. Laut Medienberichten fing die italienische Küstenwache ein Fischerboot mit 32 Ägyptern vor Ragusa ab. Einem Teil der Insassen sei die Flucht gelungen.

 Eine Sprecherin des UNO-Flüchtlingskommissariats (UNHCR) berichtete von zwei weitern Booten, eines mit etwa 60, das andere mit etwa 30 Passagieren. Sie gaben an, aus Ägypten zu stammen. Dies habe bislang nicht verifiziert werden können, zudem sei die Strecke zwischen Ägypten und Sizilien "sehr lang".

 Allerdings ist die Situation in Ägypten nicht mit der in Tunesien zu vergleichen. Im Gegensatz zu Tunesien hatte Ägypten die Grenzkontrollen laut informierten Kreisen nicht gelockert, sondern sogar verschärft.

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Tagesschau st.tv 15.2.11

Lampedusa: Situation bleibt prekär trotz weniger Ankömmlingen

Die illegale Zuwanderung auf Lampedusa hat merklich nachgelassen. Italien befürchtet aber, dass im Laufe dieses Jahres noch Zehntausende Tunesier nach Lampedusa übersetzen werden.
http://videoportal.sf.tv/video?id=4bd10aa0-864a-4d70-ad75-8d8dc0086c3d

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Mit Frontex gegen Einwanderungsstrom

Um den Flüchltingsstrom aus Tunesien zu bewältigen, bietet die EU die Frontex auf. Die Agentur Frontex unterstützt die Staaten mit EU-Aussengrenzen im Kampf gegen die illegale Einwanderung.
http://videoportal.sf.tv/video?id=5d8bcc99-0bae-465d-9740-391df03ff1c2

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st.tv 15.2.11

Frontex: Auch Schweizer Zöllner auf Lampedusa erwünscht

sf/sda/godc

 Tausende Flüchtlinge aus Tunesien sind in den vergangen Tagen auf der süditalienischen Insel Lampedusa gestrandet. Italien braucht Hilfe. "Wir wollen Italien finanzielle Hilfe gewähren und bereiten einen Einsatz der EU-Agentur Frontex vor", sagte ein Kommissionssprecher in Brüssel. Schickt auch die Schweiz Grenzschützer nach Süditalien?

 Die EU-Grenzschutzagentur Frontex könnte auch die Schweiz um Unterstützung bitten. Denn diese ist im Rahmen des Schengen-Abkommens an die Agentur angegliedert.

 Ein Einsatz von Schweizer Grenzwächtern erfolgt allerdings ausschliesslich auf Gesuch von Frontex. Zur Stunde ist ein solches Gesuch laut dem Sprecher der Eidg. Zollverwaltung, Walter Pavel, noch nicht eingetroffen.

 Natürlich würde man sich über eine Schweizer Teilnahme an einem Frontex-Einsatz freuen, sagte Ilka Laitinen, Chef der EU-Grenzschutzagentur Frontex, in der "Tagesschau".

 "Wir wünschten, wir hätten ein grösseres Angebot an Einsatzkräften als wir tatsächlich haben. Alle Angebote sind natürlich willkommen."

 "Grenzkontrollen alleine können das Problem des Flüchtlingsansturms aus Tunesien nicht lösen", sagte Laitinen weiter. Es sei allerdings ein Teil der Lösung.

 Bundesrat müsste Einsatz zustimmen

 Eine Frontex-Anfrage müsste laut dem Sprecher der Eidg. Zollverwaltung, Walter Pavel, zunächst geprüft werden und könnte in begründeten Fällen abgelehnt werden. Die Chancen für einen positiven Entscheid stehen zurzeit eher schlecht.

 Denn das Grenzwachtkorps verzeichnet einen Unterbestand in Genf. Die Grenzwächter würden derzeit hierzulande gebraucht, um diese Lücke zu füllen, sagte Pavel.

 Bei der letzten Anfrage zur Sicherung der Schengen-Aussengrenzen in Griechenland hatte die Schweiz dem Gesuch beispielsweise nicht stattgegeben.

 Für Einsätze im Ausland sind beim Grenzwachtkorps 30 Grenzwächterinnen und Grenzwächter ausgebildet. Gleichzeitig sollen aber jeweils höchstens fünf Leute entsendet werden. Dabei handelt es sich um Fachleute wie Dokumenten- oder Fahrzeugspezialisten sowie um Experten für die Überwachung aus der Luft. Ein Einsatz ist nur an Landgrenzen oder Flughäfen vorgesehen.

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20 Minuten 15.2.11

Schweiz bereit für Flüchtlingswelle

 BERN. Auf der italienischen Insel Lampedusa sind seit letzter Woche über 5000 Flüchtlinge vor allem aus Tunesien eingetroffen. Der anhaltende Flüchtlingsstrom beschäftigt auch die Behörden in Bern. So hat die Schweiz mit den Vorbereitungen für den Fall eines Flüchtlingsstroms aus Nordafrika begonnen, sagte Bundesrätin Simonetta Sommaruga gestern. Auch sei man auf der Suche nach Unterbringungsmöglichkeiten.

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Aufnahme von Flüchtlingen: Selbst SP ist zurückhaltend

 BERN. Die Schweiz bereitet sich auf einen Flüchtlingsstrom vor. Politiker von links bis rechts wollen diesen so klein wie möglich halten.

 Zu Tausenden strömen seit dem politischen Umbruch Flüchtlinge durch und aus Tunesien in Richtung Europa. Der Strom dürfte auch vor der Schweizer Grenze nicht Halt machen. So hat laut Bundesrätin Simonetta Sommaruga die Schweiz bereits mit den Vorbereitungen dafür begonnen. Sie sucht nach Unterbringungsmöglichkeiten. Das Grenzwachtkorps im Tessin erwartet in einer Woche die ersten Auswirkungen des Flüchtlingsstroms an der Grenze.

 Die FDP aber möchte es am liebsten gar nicht erst so weit kommen lassen: "Die Schweiz muss jetzt Druck auf die EU machen, damit die Migranten rasch aus Italien nach Nordafrika zurückgeführt werden können", sagt Parteipräsident Fulvio Pelli. Erst gestern hat die FDP ein Positionspapier veröffentlicht, in dem gefordert wird, die Einwanderung aus Drittstaaten besser zu regeln. Dies aber gelinge sicher nicht, indem Sommaruga den Flüchtlingen in der Schweiz Infrastruktur zur Verfügung stelle, findet SVP-Nationalrat Hans Fehr. Anstelle dessen müsste die Grenzkontrolle verschärft werden. "Lässt man Wirtschaftsflüchtlinge ins Land, steht plötzlich ganz Nordafrika vor der Türe. Dann haben wir ein Asylchaos im Quadrat."

 Sogar die SP findet, dass die Schweiz gegenüber der Aufnahme tunesischer Flüchtlinge "sehr zurückhaltend" sein sollte: "Die Lebenssituation hat sich nach den Vorkommnissen der letzten Wochen für die Tunesier verbessert", sagt Generalsekretär Thomas Christen. Einzig Moreno Casasola von Solidarité sans frontières ist der Meinung, die Schweiz solle möglichst viele Flüchtlinge aufnehmen: "Flüchtlingsbegriff hin oder her."

Désirée Pomper/Zora schaad

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 Tunesien: Flucht stellt Regierung auf Probe

 TUNIS. Tunesiens junge Übergangsregierung steht mit der Flucht tausender Tunesier nach Italien vor einer grossen Bewährungsprobe. Sie versucht alle möglichen Fluchtwege abzusperren. Einen Einsatz italienischer Polizisten lehnte Tunesien vehement ab. In der Küstenregion Gabès sind bereits alle Fluchtwege blockiert. Mindestens fünf Flüchtlinge kamen beim Fluchtversuch ums Leben. Ihr Boot wurde laut Augenzeugen von der tunesischen Küstenwache angefahren und brach entzwei.

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"Wirtschaftsflüchtlinge müssen zurück"

 ZÜRICH. Die St. Galler Polizeidirektorin Karin Keller-Sutter nimmt Stellung zum Flüchtlingsstrom aus Tunesien.

 Frau Keller-Sutter, Sie fordern, den Druck auf die EU zu erhöhen, damit Schengen eingehalten wird. Warum?

 Karin Keller-Sutter: Es muss der EU klar werden, dass Schengen/ Dublin nur dann funktioniert, wenn es auch tatsächlich umgesetzt wird. Es darf nicht sein, dass Flüchtlinge, die in Italien abgewiesen werden müssten, in die Schweiz gelangen.

 Amnesty International findet, die Schweiz sollte Asylsuchende aus Tunesien aufnehmen.

 Bei den Migranten handelt es sich um Wirtschaftsflüchtlinge, die sofort zurückgeschickt werden müssen. Nur so kann die Schweiz ihre humanitäre Tradition gewissenhaft fortführen.

 Werden die Nordafrikaner nun zu einer neuen Schweizer Ausländerminderheit in der Grösse der Kosovo-Albaner?

 Nein. Diese wurden auf dem Arbeitsmarkt rekrutiert und holten später während des Krieges in ihrer Heimat ihre Familien nach. Tunesier dagegen haben keinen solchen Bezug zur Schweiz.  dp

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BZ 15.2.11

Grosser Flüchtlingsstromnach Italien

 TUNESIEN Der FlüchtlingsstromtausenderMenschen aus Tunesien nach Süditalien reisst nicht ab. Die tunesische Übergangsregierungwill die Lage aber ohne europäische Unterstützung in den Griff bekommen.

 Tunesiens junge Übergangsregierung steht mit der Flucht tausender Tunesier nach Italien vor einer grossen Bewährungsprobe. Sie versucht alle möglichen Fluchtwege abzusperren. Einen Einsatz italienischer Polizisten lehnte Tunesien vehement ab. In der Küstenregion Gabès bei der TouristeninselDjerba seienmittlerweile alle möglichen Fluchtwege blockiert, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur TAP gestern.

 Bereits am Wochenende habe dieArmeemitUnterstützung der Nationalgarde und Fischern mehrere Überfahrten nach Lampedusa verhindert. In den Häfen von Gabès und Zarsis seien Kontrollpunkte installiert worden.

 Mindestens fünf Flüchtlinge kamen beimFluchtversuch in tunesischen Gewässern vor Zarzis ums Leben. Ihr Boot sei von der tunesischen Küstenwache angefahren worden und entzweigebrochen, berichteten Augenzeugen der italienischen Nachrichtenagentur ANSA.

 Grenzschutz vernachlässigt

 In den vergangenen fünf Tagen waren mehr als 5000 Tunesier auf die nur 20 Quadratkilometer grosse italienische Insel Lampedusa geflohen. Hintergrund des Flüchtlingsstroms zum 150 Kilometer entfernten Lampedusa ist der nach demSturz von Präsident Zine alAbidine Abidine Ben Ali vernachlässigte Grenzschutz im Land. Zahlreiche Menschen, vor allemArbeitslose, sehen nun die Chance, in Europa ihr Glück zu suchen.

 Italien sah sich deshalb am Samstag genötigt, den humanitärenNotstandfürLampedusa auszurufen und das Hauptflüchtlingslager wieder zu öffnen. Dieses war nach dem Stopp der Flüchtlingsströme aus Nordafrika im Herbst 2009 geschlossen worden.

 Italiens Regierung wollte den neuerlichen Ansturm am Ausgangspunkt bekämpfen. Der von Rom vorgeschlagene Einsatz italienischerBeamter an der tunesischen Grenze kommt für Tunis aber nicht in Frage. "Tunesien lehnt kategorisch jede Einmischung in seine inneren Angelegenheit ab", zitierte die staatliche Nachrichtenagentur TAP einenSprecherdesAussenministeriums. Zu einer Zusammenarbeit mit befreundeten Staaten, um angemessene Lösungen für das Phänomen der illegalen Migration zu finden, sei Tunesien aber bereit.

 Brüssel prüft Frontex-Einsatz

 Bis vor kurzem hätten die Patrouillen an der nordafrikanischen Küste funktioniert. Die illegaleMigration sei bis vor einem Monat erfolgreich gestoppt worden. Dieser Zustand müsse wiederhergestellt werden, forderte Italiens Aussenminister Franco Frattini.

 Auch dieEU-Aussenbeauftragte Catherine Ashton weilte gestern zu bereits länger geplanten Gesprächen in Tunesien. Sie kündigte Soforthilfe im Umfang von 17 Millionen Euro an. Bis 2013 wolle die EU Tunesien mit 258Millionen Euro unter die Arme greifen, sagte sie weiter. Die EU-Kommission gab bekannt, den Einsatz europäischer Grenzschützer (Frontex) in Italien zu prüfen.

 Italien will 200 zusätzliche Soldaten zur Kontrolle der Auffanglager einsetzen und verlangt deshalbGeld aus Brüssel, umden Flüchtlingsansturm bewältigen zu können. Von der Brüsseler EU-Kommission verlange Italien in einemformellenBrief 100Millionen Euro, um dem Notstand begegnen zu können, sagte Innenminister Roberto Maroni. Seit Mitte Januar seien knapp 5300 tunesische Flüchtlinge in Italien angekommen. Das wieder eröffnete Flüchtlingslager auf Lampedusa mit seinen rund 800 Plätzen war bereits wieder überfüllt. Gestern befanden sich weit über 2000 Bootsflüchtlinge auf Lampedusa, die aufs italienische Festland gebracht werden sollten. sda

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 Schweiz bereitet sich auf Flüchtlingsstrom vor

 Der anhaltende Flüchtlingsstrom aus Tunesien beschäftigt auch die Schweizer Behörden. Die Schweiz habe bereits mit den Vorbereitungen für den Fall eines Flüchtlingsstroms aus Nordafrika begonnen, sagte Bundesrätin Simonetta Sommaruga gestern. In erster Linie seien die Behörden in Kontakt mit Italien, sagte die Justizministerin. Die Schweiz stehe auch mit den Dublin-/Schengen-Staaten in Kontakt. Zudem habe man bereits im Inland mit Vorbereitungen begonnen, sagte Sommaruga und erwähnte dabei die Suche nach Unterbringungsmöglichkeiten.sda

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BZ Kommentar

 Bitteres Echo aus Tunis

 Auch Tunesiens Revolution bringt nicht automatisch Hoffnung auf raschen Wandel und spürbare Reformen mit sich. Daher nutzen derzeit Tausende junger Tunesier den Zusammenbruch des Polizeistaates und den Hauch der hart erkämpften Freiheit, um einfach abzuhauen. Um auf der anderen Seite des Mittelmeeres, im als Paradies geltenden Europa, das lang ersehnte bessere Leben zu suchen. Übel nehmen kann man ihnen dies wohl nicht. Trotzdem muss Europa nun sehr schnell reagieren, um zu verhindern, dass aus ein paar Tausend Wirtschaftsflüchtlingen bald Hunderttausende werden. Denn Armut, Arbeitslosigkeit und das Gefühl, in ihren Unrechtsstaaten keine echten Chancen zu haben, beflügeln in der jungen Generation in ganz Nordafrika den Drang, in Europa ein besseres Auskommen zu finden, um ihren Familien unter die Arme greifen zu können.

 Europas Nordafrika-Politik zeichnet sich vor allem durch Passivität aus: Seit Jahren werden die Wüstendiktatoren mit Brüsseler Millionenhilfe unter dem Etikett "Mittelmeer-Partnerschaft" bei Laune gehalten. Nun geht es vor allem darum, mit bevölkerungsnahen Hilfsprojekten Millionen von verarmten Nordafrikanern Arbeit und Perspektiven zu geben. Nur mit einem klaren Signal, dass Europa auf ihrer Seite steht und sie zu Hause eine Zukunft haben, lassen sich die verzweifelten Menschen von der Migration abhalten.

 Ralph Schulze  ist Korrespondent in Madrid.

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AUSSCHAFFUNGEN
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Bund 15.2.11

Nigerianern Rückkehr versüssen

 Die Schweiz plant eine Migrationspartnerschaft mit Nigeria. Länder wie Äthiopien, Eritrea oder Kenia könnten folgen.

 David Schaffner

 Auffälliger hätte sich die Tonlage seit der Stabsübergabe von Eveline Widmer-Schlumpf an Simonetta Sommaruga im Justizdepartement nicht ändern können: Während Migrationschef Alard du Bois-Reymond vor neun Monaten nigerianische Einwanderer noch als Kriminelle bezeichnet hatte, sprach Simonetta Sommaruga gestern Montag vor allem von den positiven Seiten der Migration. Mit dem nigerianischen Aussenminister Henry Odein Ajumogobia unterzeichnete sie eine Absichtserklärung für eine Migrationspartnerschaft - die erste ihrer Art mit einem afrikanischen Staat.

 Das Abkommen dürfte nicht das einzige bleiben. Zwar gibt es noch keine Verhandlungen mit weiteren afrikanischen Staaten. "Die Schweiz will aber in den nächsten Wochen in einen intensiven Dialog mit Äthiopien, Eritrea, Somalia und Kenia treten", verriet am Rande der Veranstaltung Eduard Gnesa, Sonderbotschafter für internationale Migrationszusammenarbeit. "In Kenia findet im März eine regionale Botschafterkonferenz statt." Dort will die Schweiz den Dialog aufnehmen.

 Noch keine Begleiter

 Der nigerianische Aussenminister machte gestern klar, welche Hoffnungen er mit der Partnerschaft verbindet: "Es soll keine Zwangsausschaffungen von Nigerianern mehr geben." Die Schweiz müsse illegale Einwanderer vermehrt dazu motivieren, freiwillig zurückzukehren. Die Partnerschaft soll dafür positive Anreize schaffen: Die Schweiz verpflichtet sich, Nigerianern bei der Rückkehr mehr Hilfe zu leisten und ihre Reintegration in ihr Heimatland zu unterstützen. Schweizer Firmen in Nigeria sollen Ausbildungsplätze zur Verfügung stellen.

 Sommaruga sprach von Ausbildungsgängen für Nigerianer an Schweizer Universitäten und von landwirtschaftlichen Lehrgängen. "Damit will ich innenpolitisch ein Zeichen setzen, dass Migration auch Chancen bietet", so Sommaruga.

 Ob sich Nigerianer zukünftig tatsächlich vermehrt zu einer Rückkehr bewegen lassen, muss sich noch zeigen: Vorerst plant die Schweiz gemäss Sommaruga weitere Zwangsausschaffungen. Erst im Januar hatte sie nach einer Pause von rund zehn Monaten wieder damit begonnen, Nigerianer gegen ihren Willen zurückzuführen. Noch unklar ist vorerst, welche Instanz die Ausschaffungen künftig überwachen wird. Eigentlich wäre die Schweiz seit Januar dazu verpflichtet, unabhängige Beobachter zu stellen. In einer Übergangszeit sollen Vertreter der Antifolterkommission die Sonderflüge begleiten.

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NZZ 15.2.11

Kooperation mit Nigeria
 
Partnerschaft in Migrationsfragen

 Die Schweiz und Nigeria haben ihre Absicht zu enger Zusammenarbeit in Migrationsfragen erklärt. Es geht um die Bekämpfung illegaler Wanderungen, aber auch um Entwicklungs- und Bildungsmassnahmen.

 C. W. · Ein Besuch von Aussenminister Henry Odein Ajumogobia in Bern hat am Montag eine Reihe von Verhandlungen abgeschlossen, die eine Störung der Beziehungen zwischen Nigeria und der Schweiz beheben sollten. Zwar soll eine Migrationspartnerschaft schon seit dem Besuch von Bundesrätin Micheline Calmy-Rey in Abuja 2009 zur Diskussion gestanden haben. Eine bessere Kooperation, wie sie an sich schon 2003 in einem Rückübernahmeabkommen vereinbart worden war, wurde aber dringlich, als Nigeria im letzten Frühjahr die Aufnahme von polizeilich zurückgeführten Bürgern verweigerte.

 Viele abgelehnte Asylsuchende

 Im März war ein Nigerianer kurz vor der Ausschaffung im Flughafengefängnis gestorben. Die Verstimmung nährte auch ein Satz von Alard du Bois-Reymond, Direktor des Bundesamts für Migration, der pauschal sagte, die nigerianischen Asylbewerber kämen für illegale Geschäfte in die Schweiz. In den letzten zwei Jahren kamen 12 Prozent der Asylsuchenden aus dem bevölkerungsreichen westafrikanischen Land. Fast alle können im Urteil der Asylbehörden keine Verfolgung geltend machen. Um die Wegweisungen durchsetzen zu können, benötigen Bund und Kantone die Möglichkeit der Zwangsanwendung, auch als Druckmittel zur Förderung der selbständigen Ausreise.

 Nach Untersuchung des Todesfalls und mehreren Gesprächen kam es im letzten November zu einer Einigung. Zum einen ging es um die Wiederaufnahme der Rückführungs-Sonderflüge (eine Art Häftlingstransport) unter zusätzlichen Vorkehren. Nigeria half darauf bei der Identifikation weggewiesener Staatsangehöriger, und im Januar konnten erstmals wieder Personen in einem Sonderflug von Wien nach Nigeria gebracht werden. Die Aktion wurde von unabhängigen Beobachtern begleitet, wie es das Schengen-Recht neu verlangt. Zum anderen wurde als Rahmen eine längerfristige Zusammenarbeit vereinbart. Das betreffende Memorandum of Understanding über eine solche Migrationspartnerschaft ist nun von Aussenminister Ajumogobia und Bundesrätin Simonetta Sommaruga unterzeichnet worden.

 Gegenseitige Unterstützung

 Weniger ausführliche Erklärungen über eine umfassende Kooperation in Migrationsfragen hatte die Schweiz 2009/10 mit Bosnien, Serbien und Kosovo unterzeichnet. Im Fall Nigerias reichen die Felder der Zusammenarbeit von der Bekämpfung des Schlepperwesens und des Drogenhandels über die Rückkehrhilfe bis zur regulären Migration. Bei der Letzteren - einem politisch heiklen Gebiet für die Schweiz - werden die Erteilung von Visa und ein "Austausch" in der Aus- und Weiterbildung erwähnt. In diesem Bereich erhofft man sich auch eine Beteiligung in Nigeria tätiger schweizerischer Unternehmen, während Ausgewanderte, die regelmässig Geld an ihre Angehörigen in Nigeria überweisen, in Entwicklungsanstrengungen einbezogen werden könnten.

 Zur Steuerung der Massnahmen wird ein gemeinsamer Fachausschuss eingesetzt, der zweimal jährlich tagen soll. Ein Koordinationsausschuss war ebenfalls schon 2003 vorgesehen.

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NLZ 15.2.11

Nigeria soll Schlepper bremsen

 Migration

Kari Kälin

 Schweizer Firmen wie Nestlé sollen Nigerianer vor Ort ausbilden. Dafür will der afrikanische Staat den Kampf gegen die illegale Migration verstärken.

 Kari Kälin

 kari.kaelin@luzernerzeitung.ch

 Der Migrationsdruck aus Nigeria hält an. 137 Personen ersuchten im Januar dieses Jahres um Asyl. Keinem einzigen Gesuch gab das Bundesamt für Migration im gleichen Monat statt. Damit setzt sich ein langjähriger Trend fort: Trotz zahlreicher Asylgesuche erhält kaum je ein Nigerianer den Flüchtlingsstatus. Zwischen 2001 und 2010 waren es 14 Personen - bei 8881 Gesuchen.

 Nun unternimmt der Bund einen neuen Anlauf, die Flut faktisch chancenloser Asylbegehren aus Nigeria, dem mit knapp 150 Millionen Einwohnern bevölkerungsreichsten Land Afrikas, einzudämmen. Gestern unterzeichneten Justizministerin Simonetta Sommaruga und der nigerianische Aussenminister Henry Odein Ajumogobia eine Absichtserklärung für eine Migrationspartnerschaft. Die Schweiz und Nigeria wollen unter anderem in folgenden Bereichen zusammenarbeiten:

 Bekämpfung der Schlepper, des Menschen- und Drogenhandels.

 Prävention illegaler Migration.

 Rückkehrhilfe für abgewiesene nigerianische Asylbewerber.

 Rückübernahme und Wiedereingliederung von abgewiesenen Asylbewerbern.

 Ausbildung in Schweizer Firmen

 Die Beziehungen zwischen der Schweiz und Nigeria trübten sich letztes Jahr, nachdem im März ein Ausschaffungshäftling - er litt an einer schwer erkennbaren Herzstörung - am Flughafen Zürich gestorben war. Erst im Januar nahm die Schweiz die Zwangsrückschaffungen per Flugzeug wieder auf. Der nigerianische Aussenminister Ajumogobia hofft jetzt, dank der neuen Migrationspartnerschaft könnten Todesfälle vermieden werden. "Es geht künftig darum, abgewiesene Asylbewerber von einer freiwilligen Rückkehr zu überzeugen."

 Nigeria und die Schweiz wollen in Nigeria ansässige Schweizer Firmen für Projekte gewinnen. Im Vordergrund stehen Berufsbildungsprogramme. Ajumogobia nannte den Nahrungsmittelkonzern Nestlé als Beispiel. Entsprechende Gespräche seien im Gang, wie Gottfried Zürcher, Vizedirektor des Bundesamtes für Migration (BFM), auf Anfrage sagte. Denkbar wäre etwa, dass eine Schweizer Firma Nigerianern Stages in der Schweiz ermöglicht.

 Abkommen mit anderen Ländern?

 Bei der Migrationspartnerschaft handelt es sich um das erste Abkommen dieser Art mit einem afrikanischen Staat. "Es ist durchaus denkbar, auch mit anderen afrikanischen Ländern ein entsprechendes Abkommen zu schliessen", sagt Zürcher. Der BFM-Vizedirektor ist zuversichtlich, dass die Migrationspartnerschaft von Erfolg gekrönt sein wird, "wenn auch nicht von heute auf morgen".

 Doch wird Nigeria nun mit einem Abkommen honoriert, weil es nach dem Vorfall mit dem verstorbenen Ausschaffungshäftling den Schutz seiner Landsleute in Frage stellte und Massnahmen verlangte? "Die Absichtserklärung ist keine Belohnung", sagt Zürcher. In der Tat liefen die Verhandlungen zwischen den beiden Ländern bereits seit dem Besuch von Aussenministerin Micheline Calmy-Rey im Jahr 2009.

 Dass es beim Abkommen um Beziehungspflege ging und die Schweiz wieder Vertrauen gewinnen musste, räumt Zürcher aber ein. Wann die Absichtserklärung in konkrete Projekte umgesetzt werden, ist offen. Ein Fachausschuss mit Vertretern beider Länder wurde eingesetzt.

 Rückkehrhilfe bis 6000 Franken

 Abgewiesene nigerianische Asylbewerber, welche die Schweiz freiwillig verlassen, profitieren bereits heute von 1000 Franken Rückkehrhilfe. Der Betrag kann bis auf 6000 Franken erhöht werden, wenn die Rückkehrer ein solides Projekt für den Aufbau eines Geschäfts oder für eine Investition in die Bildung belegen können. Allerdings: Im Vergleich zu den eingegangenen Asylgesuchen nimmt sich die Zahl der Nigerianer, welche sich für ein Rückkehrhilfeprogramm anmelden, bescheiden aus. So kehrten zum Beispiel zwischen dem 1. Juni 2005 und dem 31. Dezember 2008 lediglich 102 Personen dank Rückkehrhilfe in ihre Heimat zurück.

 Für Verstimmung auf nigerianischer Seite hatte im April letzten Jahres BFM-Direktor Alard du Bois-Reymond in einem Interview mit der "NZZ am Sonntag" gesorgt. 99,5 Prozent der Nigerianer stellten ein Asylgesuch ohne die geringste Chance auf Erfolg, sagte er. Und: "Sie kommen nicht als Flüchtlinge hierher, sondern um illegale Geschäfte zu machen."

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Kommentar

 Kein Grund zur Euphorie

Kari Kälin

 Die Beziehungen zwischen der Schweiz und Nigeria bergen Konfliktpotenzial. Tausende Nigerianer haben in den letzten Jahren ohne die minimalsten Erfolgschancen um Asyl gebeten. Dafür sorgen sie als Drogendealer für Negativschlagzeilen. "Sie kommen nicht als Flüchtlinge hierher, sondern um illegale Geschäfte zu machen", sagte letztes Jahr Alard du Bois-Reymond, Direktor des Bundesamtes für Migration.

 Diese Äusserung verstärkte auf nigerianischer Seite den Unmut über die Schweiz. Kurz davor war ein nigerianischer Staatsangehöriger bei einer Zwangsausschaffung gestorben - wegen eines schwer identifizierbaren Herzfehlers. Die Zwangsrückführungen wurden danach bis Anfang Januar gestoppt.

 Nun hat die Schweiz wieder einen Teil des verloren gegangenen Vertrauens zurückgewonnen. Gestern unterzeichneten die beiden Länder eine Absichtserklärung für eine Migrationspartnerschaft. Dank Rückkehrhilfe sollen die Nigerianer zur freiwilligen Heimreise animiert werden. Schweizer Firmen in Nigeria sollen Berufsleute ausbilden. Dafür will Nigeria im Kampf gegen Schlepper, Menschen- und Drogenhändler helfen. Auch wenn es in der Medienmitteilung des Bundesrates nicht steht: Mit dem Abkommen will die Schweiz vor allem die Flut aussichtsloser Asylgesuche stoppen.

 Dieses Ziel macht Sinn. Entpuppt sich die Migrationspartnerschaft mit Nigeria als Erfolg, könnte man es durchaus auf andere Länder ausdehnen. Erfahrungen mit bereits vorhandenen Rückkehrhilfeprogrammen liefern aber keinen Grund zur Euphorie. Denn die Zahl neuer nigerianischer Asylgesuche übersteigt bis jetzt jene der freiwilligen Rückkehrer deutlich.

 Kari Kälin

 kari.kaelin@luzernerzeitung.ch

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SEXWORK
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20 Minuten 16.2.11

Strassenstrich: Stadt will die Situation verbessern

 LUZERN. Die CVP-Fraktion will gegen den Strassenstrich Tribschen vorgehen: Es soll geprüft werden, ob Prostitution in gewissen Zonen verboten werden kann.

 "Es ist stossend, dass die Bewohner der Tribschen- und Unterlachenstrasse Lärm und Littering wegen des Strassenstrichs erdulden müssen", sagt CVP-Fraktionschef Markus Mächler. Darum fordert die Partei in einem Vorstoss, dass geprüft wird, ob Prostitution in Wohnquartieren verboten werden kann. "Wir sind überzeugt, dass dies aus rechtlicher Sicht möglich ist", so Mächler. Ein solches Verbot kennt etwa die Stadt Zürich. Aktuell wird dort die sogenannte Strichzone aus dem Jahr 1991 überarbeitet. "Wir versuchen, die Strichzone aus Wohnquartieren zu verbannen", sagt Reto Casanova, Sprecher des Stadtzürcher Polizeidepartements.

 Viele wollen das auch in Luzern: Neben der CVP wehrt sich auch eine Anwohnerin gegen den Strassenstrich, indem sie Strafanzeige wegen Lärmbelästigung einreichte (20 Minuten berichtete). Weiter hat sich der Quartierverein schriftlich an den Stadtrat gewendet. Zudem ist auch ein Vorstoss von FDP-Grossstadtrat Daniel Wettstein hängig. "Jetzt entsteht Druck auf den Stadtrat", ist dieser überzeugt.

 Stadträtin Ursula Stämmer versprach gestern auf Anfrage Besserung. "In den Antworten auf die politischen Vorstösse werden wir aufzeigen, welche Mass- nahmen wir getroffen haben und noch treffen werden, um die Situation für die Anwohnerschaft zu verbessern."  

Daniela Gigor

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20 Minuten 15.2.11

Tribschen: Anzeige von Anwohnerin wegen Prostitution

 LUZERN. Prostituierte und ihre Freier sorgen im Tribschenquartier für schlaflose Nächte. Jetzt hat eine Anwohnerin Strafanzeige eingereicht.

 "Die Sexarbeiterinnen schreien Worte wie ‹ficken› und ‹blasen› in die Nacht hinein oder streiten lautstark mit den Freiern über Preis und detaillierte Sexleistungen": So beschreibt Anwohnerin M.H., was sich Nacht für Nacht vor ihrer Haustür auf dem Strassenstrich im Tribschenquartier abspielt. Zudem seien die Prostituierten oft zugedröhnt.

 H. hat vom allnächtlichen Treiben jetzt die Nase voll und hat Strafanzeige wegen Lärmbelästigung gegen unbekannt eingereicht. Ausserdem beantragt sie die dauerhafte Wegweisung von Prostituierten - und dass die Tribschen- und Unterlachenstrasse grösstenteils strassenstrichfreie Zone werden.

 Auch der Coiffeurladen Haarkult leidet unter dem Strassenstrich. Laut Geschäftsleiterin Susanne Schmid lassen die Prostituierten und ihre Freier ihren Müll oft vor dem Haus liegen. "Das reicht von Zigarettenstummeln und Getränkeflaschen bis zu gebrauchten Kondomen und Exkrementen." Ihr Personal müsse deshalb jeden Morgen auf Müllpatrouille gehen. "Die Situation ist wirklich mühsam", ärgert sich Schmid. Die Hoffnung auf Hilfe von der Stadt Luzern schwindet: "Die Stadt hat uns bisher immer im Stich gelassen", so Schmid. Eine baldige Lösung des Prostituierten-Problems ist für sie nicht in Sicht.  

Martin Erdmann

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NZZ 15.2.11

Prostitution Minderjähriger verbieten

 Die Stadt Zürich schlägt ein neues Vorgehen vor - die meisten Kantone warten derweil auf den Bund

 Was den Umgang mit der Prostitution betrifft, sind sich alle in einem Punkt einig: Minderjährige sollen sich in diesem Gewerbe nicht betätigen dürfen. Wie ein solches neues Verbot ausgestaltet werden kann, darüber herrscht jedoch Unklarheit.

 Brigitte Hürlimann

 Die Eskapaden des italienischen Ministerpräsidenten sorgen permanent für Schlagzeilen, und unter anderem geht es dabei auch um minderjährige Prostituierte, mit denen Silvio Berlusconi Kontakt gehabt haben soll. Im Gegensatz zu Italien ist es in der Schweiz (ausser im Kanton Genf) bis jetzt nicht verboten, sich ab 16 Jahren zu prostituieren; ebenso wenig ist es verboten, die Dienste einer mindestens 16-jährigen Prostituierten in Anspruch zu nehmen.

 Neue Bewilligungspflicht

 Diese Situation, die einhellig als unbefriedigend taxiert wird, dürfte sich jedoch rasch ändern. Einerseits sind entsprechende Gesetzesarbeiten auf Bundesebene im Gange, und andererseits bemühen sich jene Städte und Kantone, die nicht auf den Bund warten wollen, um eigene Lösungen. Ein Beispiel dafür ist die Stadt Zürich, die mit ihrem Entwurf für eine Prostitutionsgewerbeverordnung neue Wege geht; die Vernehmlassung zur vorgeschlagenen Gesetzesnovelle dauert noch bis Ende März.

 Der Zürcher Stadtrat will den Strassenstrich bewilligungspflichtig machen, mit der Begründung, es handle sich dabei um einen gesteigerten Gemeingebrauch öffentlichen Grund und Bodens, vergleichbar mit dem Taxigewerbe oder mit dem Verkauf an Marktständen (NZZ 20. 1. 11). Eine solche Bewilligung soll nur an volljährige Prostituierte erteilt werden. Eine Minderjährige, so die Auffassung Zürichs, sei wegen ihres Alters gar nicht handlungsfähig und könne deshalb keinen Vertrag über eine sexuelle Dienstleistung abschliessen. Das Gleiche soll neu auch für die Prostitution in bordellartigen Betrieben gelten. Dieses Verbot wird allerdings nicht in der Verordnung geregelt, sondern in den Ausführungsbestimmungen.

 Sexuelle Mündigkeit mit 16

 Das eher gewundene und komplizierte Vorgehen der Zürcher Exekutive zeigt exemplarisch auf, dass es schwierig ist, auf kantonaler oder kommunaler Ebene die Prostitution Minderjähriger zu verbieten. In der Schweiz liegt das sexuelle Mündigkeitsalter nämlich bei 16 Jahren. Ab 16 also dürfen Teenager ihre Sexualität selbstbestimmt ausleben, sei es entgeltlich oder unentgeltlich. Diesen bundesrechtlich geregelten Grundsatz haben die Kantone und Gemeinden zu respektieren. Im gleichen Erlass, im Strafgesetzbuch, ist zudem geregelt, wann sich ein Freier im Umgang mit Prostituierten, volljährigen oder minderjährigen, strafbar macht. Auch hier verfügen die Kantone und Gemeinden über keinen Regelungsspielraum mehr. Die Stadt Zürich löst die Problematik damit, dass sie auf Verwaltungsrecht (und nicht auf Strafrecht) zurückgreift und über eine Bewilligungspflicht die Prostitution von Minderjährigen verbieten will. Der Kanton Genf verlangt seit Jahren für jede Form von Prostitution eine Bewilligung und stellt diese nur an Volljährige aus; die Praxis wurde im neuen Genfer Prostitutionsgesetz festgeschrieben. Im Kanton St. Gallen hingegen hat der Regierungsrat eine entsprechende Motion abgelehnt, mit Hinweis auf die Zuständigkeit des Bundes. Und im Kanton Bern, wo die Vernehmlassung für ein neues Prostitutionsgesetz am Montag zu Ende ging, wird ebenfalls auf den Bund verwiesen.

 Bundesrätin Simonetta Sommaruga hat tatsächlich jüngst verlauten lassen, das Verbot der Prostitution Minderjähriger habe Priorität. Der Bundesrat hat vergangenen Sommer eine Konvention des Europarats unterzeichnet, die von den Unterzeichnerstaaten ein solches Verbot verlangt; in der gleichen Sache sind zudem eine ganze Reihe von Vorstössen eingereicht worden. Noch liegen die Vorschläge des Bundes nicht vor. Es ist damit zu rechnen, dass am Alter der sexuellen Mündigkeit nichts geändert wird, jedoch die Beanspruchung von sexuellen Dienstleistungen Minderjähriger bestraft und damit der Freier in die Pflicht genommen wird.

 Wenige Einzelfälle

 Das Stadtzürcher Polizeidepartement geht davon aus, dass es sich bei der Prostitution Minderjähriger "um wenige Einzelfälle handelt"; eine Einschätzung, die von Milieukennern wie dem Rechtsanwalt Valentin Landmann geteilt wird, der im Übrigen jedem Bordellbetreiber dringend davon abrät, Minderjährige zuzulassen. Bekannt ist allerdings das Phänomen, dass sich junge Mädchen prostituieren, um sich Drogen finanzieren zu können - oder aber sündhaft teure Designerkleider und -accessoires.

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 Ein Gewerbe - aber keine Verträge?
 
 brh. · Der neue Stadtzürcher Erlass, der künftig die Prostitution in geregeltere Bahnen lenken soll, trägt den umständlichen Namen Prostitutionsgewerbeverordnung. Polizeivorstand Daniel Leupi hat den Namen durchgesetzt, in der guten Absicht, die Legalität des Gewerbes zu betonen. Mit dem Gewerbecharakter der Prostitution hat auch die Idee des Stadtrats zu tun, wegen des vermuteten gesteigerten Gemeingebrauchs öffentlichen Bodens eine Bewilligungspflicht für Strassenprostituierte einzuführen. Weniger Kreativität zeigt die Zürcher Exekutive jedoch, was die Verträge betrifft, die Prostituierte (meist mündlich) abschliessen; sei es mit einem Freier oder mit einem Arbeitgeber. In den Erläuterungen zum Verordnungsentwurf wird lediglich darauf hingewiesen, Verträge, die gegen die guten Sitten verstiessen, seien nichtig und nicht einklagbar, was im Bundesrecht abschliessend geregelt sei. Diese Auffassung, die auf älteren Bundesgerichtsentscheiden beruht, wird unter Rechtsgelehrten längst kritisiert. Im Kanton Bern, wo am Montag die Vernehmlassung zum Prostitutionsgesetz zu Ende ging, fordert die FDP-Fraktion eine Abkehr von dieser veralteten Rechtsprechung. In der legal und selbstbestimmt ausgeübten Prostitution entstünden gültige Verträge. Wenn ein Freier nicht bezahle, müsse die Sexarbeiterin die Möglichkeit haben, ihren Lohn vor Gericht einzufordern.

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VERDINGT
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BZ 16.2.11

Verdingkinder: Fonds soll die nötige Hilfe bringen

 Burglauenen. Betroffene in Notlage sollen bei der Bewältigung ihrer Vergangenheit finanziell unterstützt werden. Grossrätin Christine Häsler bringt die Idee eines Fonds auf den Tisch und findet damit bei der Regierung Gehör.

 "Körperlich, seelisch und wirtschaftlich leiden auch heute noch im Kanton Bern Betroffene von früheren administrativen Zwangsmassnahmen", schreibt Christine Häsler (Grüne, Burglauenen) in ihrem im September 2010 eingereichten Postulat. Die sogenannten Verdingkinder hätten viel Leid und Unrecht erfahren müssen, schreibt Häsler weiter und verlangt von der Regierung eine Entschuldigung zuhanden der Verding- und Heimkinder.

 Wiedergutmachung

 Dies sei anlässlich des Gedenkanlasses in Hindelbank erfolgt, schreibt der Regierungsrat in seiner Antwort.

 Zur Erinnerung: Der Bund und die zuständigen kantonalen Fachkonferenzen hatten im September vergangenen Jahres das Anliegen einer Gruppe von ehemaligen administrativ versorgten Frauen aufgenommen und im Schloss-saal der Anstalten Hindelbank einen Gedenkanlass zur moralischen Wiedergutmachung durchgeführt. Bei dieser Gelegenheit hatten sich die Behörden gegenüber den Opfern für die über Jahrzehnte angeordneten Einweisungen entschuldigt und das dadurch verursachte Leid bedauert.

 Damit sei ein wichtiger Beitrag zur Aufarbeitung der Vergangenheit und zur moralischen Wiedergutmachung geleistet worden, schreibt die Regierung weiter.

 Nationaler Fonds als Ziel

 Die Regierung geht im Postulat von Christine Häsler auch auf deren Bitte ein, die Einrichtung eines Fonds zu prüfen, der Betroffenen in Notlage bei der Bewältigung ihrer Vergangenheit und ihres belasteten Lebens Hilfe bietet. Allerdings soll der sogenannte Unterstützungsfonds auf nationaler Ebene eingerichtet werden. Der Regierungsrat erklärt sich bereit, "sich in den entsprechenden Gremien für dieses Anliegen einzusetzen".
 hau

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20 Minuten 15.2.11

Verdingkinder leiden bis heute

 ZÜRICH. Eine psychologische Studie der Universität Zürich untersucht die Situation ehemaliger Verding- und Heimkinder in der Schweiz. Verdingungen fanden in der Schweiz bis in die 60er-Jahre hinein statt. Unter den Auswirkungen der Fremdplatzierung, die häufig mit emotionalem, körperlichem und sexuellem Missbrauch verbunden war, leiden die Betroffenen zum Teil bis heute. Noch immer sind Studienteilnehmer gesucht. Ehemalige Verdingkinder über 70 Jahre können sich unter 044 635 74 57 oder 044 635 73 08 informieren oder anmelden.

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gr.be.ch 9.2.11

Administrative Zwangsmassnahmen mit negativen Folgen - Betroffene nicht vergessen
http://www.gr.be.ch/etc/designs/gr/media.cdwsbinary.acq/bf7372d1d7834bbf9d7d99aecc71e654-332/3/PDF/2010-9456-Vorstossantwort-D-34938.pdf
Geschäfts-Nr.:     2010-9456
Geschäftstyp:     Postulat 126-2010
Eingereicht durch:     Häsler Christine, Grüne, Burglauenen
Federführung:     JGK Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion
Geschäft eröffnet am:     02.09.2010

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SQUAT ZH
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WoZ 17.2.11

Ein Gespräch mit vier Hausbesetzerinnen

 "Alles ist extrem viereckig. Genormt. Geformt."

 Nicht nur Wohnungsnot und unbezahlbare Mieten lassen junge Leute Häuser besetzen. Auf einer Tour durch die besetzten Häuser in der Stadt Zürich hat die WOZ vier Frauen getroffen, die über ihre Philosophie und ihre Lebensform sprechen.

 Aufgezeichnet von Daniel Ryser

 Draussen ist Ausländer-raus-Stimmung, Kapitalismus, Aufschwung, Finanzkrise, Papst, Milliardengewinne, Milliardenverluste, Hans Fehr, Prügel, Panik, Schweinegrippe, Aufwertung, Verdrängung, Standortmarketing, Ökoterror, "Erlaubt ist, was nicht stört", Sitzverbot, Musikverbot, Rauchverbot, Allmachtsanspruch: Wer nicht Blocher wählt, ist kein Schweizer. Und irgendwo dazwischen war in den letzten Wochen rechten Medien zu entnehmen, besetzte Häuser seien ein Hort der Kriminalität.

 Drinnen sitzen vier Hausbesetzerinnen und legen ihre Sicht dar: ein Blick auf eine Welt, in der nicht mit Boden spekuliert wird, in der Zäune nicht das Denken einschränken und die Architektur nicht den öffentlichen Raum entmenschlicht und sich das Leben nicht in einem Hamsterrad abstrampelt. Aber ist solch eine andere Schweiz wirklich möglich? Gesellschaftskritik im O-Ton und die Forderung, nach einer Utopie zu streben.

 WOZ: Wie besetzt man eigentlich ein Haus?

 Bernadette: Ich möchte lieber nicht über das Wie reden. Das Besetzen an sich ist ja nur ein Werkzeug, ein Mittel zum Zweck. Das sieht jedes Mal anders aus. Wie geht man vor? Kann man mit dem Besitzer reden?

 Peta: Ich würde lieber über das Wieso reden. Für mich gibt es verschiedene Gründe, in einem besetzten Haus zu wohnen. Am Anfang fand ich es einfach ziemlich cool, befreiend. Mittlerweile finde ich es in erster Linie wichtig. Es braucht den physischen Raum, um Utopien zu leben. Gibt es keine solchen Häuser, fehlt der Anstoss, dies überhaupt zu tun. Selbstbestimmt zu leben, mit vielen Leuten undefiniert zusammenleben in einem Raum, der nicht klar verplant ist. Schon in einer WG wird das schwierig, weil du Räume hast, die du vermieten musst, weil du Miete bezahlen musst.

 Karen: Leute, die nicht besetzen, kommen schnell mit dem Vorbehalt: Du zahlst ja keine Miete. Das soll irgendwas Negatives unterstellen. Es stimmt: Würde ich nicht besetzen, müsste ich mehr arbeiten, um meine Miete bezahlen zu können. Da ich besetze, muss ich keine Miete bezahlen, also habe ich Zeit, mein Daheim zu gestalten, viel Energie ins Gemeinschaftliche zu investieren, zu versuchen, nicht nach Regeln und Gesetzen zu funktionieren, sondern zu diskutieren, Dinge anzustossen, neu zu diskutieren, machen zu lassen, zu intervenieren und sich zu kümmern.

 Bernadette: Der Unterschied zu einer Mietwohnung zeigt sich schon auf praktischer Ebene. Wenn etwas kaputt ist, muss ich es selber reparieren.

 Peta: Wir nutzen etwas und zahlen nicht dafür: In dieser Logik stimmt die Kritik voll und ganz. Aber dann muss man vielleicht die Logik anders deuten und nicht immer mit Geld aufwiegen. Was du tust, mag nützlich sein oder auch nicht, aber du beteiligst dich an etwas. Es geht nicht bloss um die gesparte Miete. Es ist eine Lebenseinstellung. Unabhängig sein, Sachen selbst angehen.

 Karen: Es ist so, dass man sich einem gewissen Druck entzieht. Man kommt mit weniger Geld aus. Der undefinierte Raum bietet Möglichkeiten, die sonst fehlen. Zum Beispiel, ein Inter esse und eine Leidenschaft auszuleben.

 Katja: Es ist sicher ein Punkt, dass man keine Miete bezahlen muss. Aber es geht nicht um reine Bequemlichkeit. Es geht darum, dass man sich aus dem Markt nimmt, dem Hamsterrad, dem Umstand also, dass man schaffen muss, um überhaupt irgendwo wohnen zu können. Ich finde es überhaupt nicht schlimm, hinzustehen und zu sagen: Ich zahle keine Miete. Ich muss ja irgendwo wohnen. Ich finde es eher fragwürdig, dass der grosse Teil der Bevölkerung Miete bezahlen muss.

 Karen: Dass Boden überhaupt jemandem gehört, finde ich fragwürdig. Aber so wie die Situation ist, ist es gut, wenn gewisse Gruppen Boden erwerben und dort etwas machen, was Gemeinschaft fördert. Es geht ja nicht nur ums Besetzen. Ich finde es gut, wenn man Hausgenossenschaften gründet und selbstverwalteteten Raum schafft.

 Bernadette: Ein grosser Teil der Leute nimmt die heutigen Verhältnisse als gegeben hin. Man muss mitmachen, andere Möglichkeiten gibt es gar nicht. Das hängt für mich auch damit zusammen, dass Freiräume fehlen. Das schlägt sich nicht nur im Wohnen nieder. Man müsste die Verhältnisse hinterfragen. Das Besetzen ist eine der Möglichkeiten. Man versucht, sich Raum zu schaffen, um Alternativen zu entwickeln. Dabei bewegt man sich natürlich auch permanent in Widersprüchen.

 Katja: Das permanente Aushandeln der Leitplanken, wie wir in diesem Freiraum mitein ander leben wollen, ist manchmal anstrengend. Und auf ein Grosses gedacht, wäre das sicher unvorstellbar anstrengend. Aber es kann ja nicht sein, dass man sich mit dem Jetzt abfindet, bloss weil es bequemer ist.

 Peta: Den Leuten ist es ja eigentlich auch nicht egal. Die regen sich permanent auf. Am Znünitisch etwa: Alle regen sich auf. Alle regen sich über alle auf. Immer nur ein Gemotze. Über den Chef, die Autofahrer, über die Zeitung. Es motzen alle permanent. Nur für eine wirkliche Veränderung einsetzen wollen sich wenige.

 Katja: Freiräume haben auch mit Denken zu tun. Und mit dem freien Denken wird es immer schwerer. Wir werden von klein auf zubombardiert, wie es sein soll. Wie wir sein wollen. Wir können zwar wählen zwischen a, b und c, aber die Richtung ist vorgegeben. Die Wahl ist nur in Ordnung, solange sie der kapitalistischen Logik entspricht.

 Peta: Auch im öffentlichen Raum gibt es klare Vorgaben, wie man sich zu verhalten hat. Entweder du benutzt ihn zur Fortbewegung zu deinem Arbeitsplatz, oder du benutzt ihn zum Konsumieren, zum Einkaufengehen. Und dann gibt es zwar einen Park, und da kannst du sitzen. Aber mach das ja nicht auf der Bahnhofstreppe, sonst wirst du weggewiesen. Alles ist extrem viereckig. Genormt. Geformt.

 Bernadette: Es werden etwa Räume geschaffen, die als öffentliche Räume deklariert werden, dem aber nicht entsprechen. Wie etwa das Mega-Einkaufszentrum Sihl City in Zürich: Das wird verkauft als Stadt in der Stadt. Dabei ist der Raum privatisiert.

 Peta: Wie wird gebaut und wofür? Die Art, wie heute gebaut wird, lässt keinen Platz mehr für Unbestimmtes, jeder Winkel ist verplant. Es wird so gebaut, dass sich alles perfekt abgrenzen lässt und man noch einen Zaun darum herumbauen kann. Es gibt keine Nischen, nichts Dunkles, alles kann notfalls überwacht werden. In diesem Bild stört fast alles. Das ist das Stadtbild, das aufkommt. Und Lebensraum wird nun mal definiert durch die Bauart. Wenn du einen Park hast mit wuchernden Bäumen, kannst du unter einem Baum Sex haben. Oder was auch immer. Wenn du einen Park hast mit einem einzigen Baum mittendrin und einer Bank umgeben von Riesenflächen und nebenan angrenzend vier eckige Häuser, hast du nicht einmal mehr Lust, dort zu knutschen. Die Architektur sorgt dann mitunter dafür, dass ja nicht gehockt und Fussball gespielt und gebadet wird, wo es offenbar nicht sein sollte.

 Karen: Ob privat oder öffentlich - überall sind diese Sachzwänge. Es ist, wie es ist. Man will zwar nicht unbedingt, aber wir müssen das jetzt so machen. Wer zahlt denn die Hypozinsen? Wir müssen halt die Wohnung teurer verkaufen, weil der Eigentümer ja Rendite rausschlagen will. Oder der Boden wird halt immer teurer. Man kann gar nicht mehr billiger bauen. Man muss halt. Als wäre es ein Naturgesetz. Das ist ja nicht nur bei Immobilien so. Diese Sachzwang argumentation. Die Leute sagen: Wenn ich es nicht mache, macht es ein anderer.

 Peta: Das höre ich dauernd. Bei der Arbeit. Bei der Ausbildung. Die Logik ist meistens: Es muss rentieren, zeitlich, materiell, inhaltlich, finanziell. Immer. Das geht bis ins Persönliche: Es muss rentieren.

 Katja: Wenn ich es nicht mache, dann macht es jemand anders - man gibt die Verantwortung ab an ein Ganzes. Man steht nicht mal mehr hin und sagt: Das ist mein Entscheid. Man muss halt so. Man ergibt sich dem System.

 Peta: Natürlich kann ich nicht aus meinem kleinen Rahmen heraus ein System kreieren, wo ich mir sicher wäre, so würde es funktionieren, so wäre die Welt dann gerecht. Aber ich nutze die Freiräume, in diesem Fall das besetzte Haus, um das Herrschende, das ich ankreide, mit anderen Inhalten zu füllen. Und ich sehe auch den öffentlichen Raum als meinen Lebensraum an. So lebe ich ein Stück meiner Utopie. Aber wie wollen wir sagen, wie die Welt funktionieren soll? Das ist zu viel verlangt.

 Bernadette: Ein System auf alle anzuwenden, das widerspricht meinem Anspruch, selbst zu denken und gemeinsam Alternativen zu schaffen. Deshalb fände ich es komisch, zu sagen, was wir tun, ist die Lösung. Die Lösung liegt im Prozess, in der Entwicklung. Die kapitalistische Logik wirkt einer Gemeinschaft stark entgegen. Jeder muss hamstern. Das verdirbt Kooperation, Solidarität.

 Katja: Es gibt zudem wahnsinnig viele Leute, die durch dieses System überhaupt kein bequemes Leben haben. Ich profitiere ja selbst auch von den Verlierern. Wenn wir einen fairen Preis für alles zahlten, wäre es für uns hierzulande auch nicht mehr so bequem: einen fairen Preis für Kleider, Kaffe, Tee, meinen Computer. Es gibt Menschen, die leben unter unerträglichen Zuständen, damit wir es bequem haben. Krasse Lohnunterschiede, Ausbeutung. Sie sind gezwungen, zu arbeiten, damit wir konsumieren können. In der Schule habe ich gelernt, während der Industrialisierung sei alles so schlimm gewesen in unseren Fabriken. Jetzt seien wir so viel besser, hätten die Ungleichheit überwunden. Dabei haben wir die Probleme einfach ans andere Ende der Welt verfrachtet.

 Peta: Wenn du komplett konsequent wärst, müsstest du ja aussteigen, deine Waldhütte aufbauen am Üetliberg.

 Karen: Das will ich aber nicht. Ich finde auch nicht, dass die Technologie ein Problem ist, dass etwa keine Handys gebaut werden sollten. Ich möchte nicht in einer Höhle leben mit einem Feuer und im Wald die Kleider waschen. Ich mag das Leben angenehm. Das Problem ist die ungerechte Verteilung.

 Peta: Das sehe ich auch so. Ich wohne in einem besetzten Haus, weil ich trotz aller Widersprüche in dieser Stadt leben will.

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 Vier Besetzerinnen

 In Zürich gibt es zurzeit rund fünfzehn besetzte Häuser. Bernadette (31), Peta (28), Karen (36) und Katja (37) leben seit Jahren in besetzten Häusern in Zürich. Weil Hausbesetzungen sich in einem rechtlichen Graubereich bewegen, haben wir ihre Namen geändert. Die geänderten Namen sind den Bandmitgliedern von "Die Braut haut ins Auge" entlehnt, mögliche Ähnlichkeiten rein zufällig.

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Tagesanzeiger 17.2.11

Die Räuberhöhle ist nur noch Schutt

 Zürich - Das Haus an der Neufrankengasse 18, in dem sich bis 1995 die Räuberhöhle und seither das Restaurant Tessinerkeller befand, ist nicht mehr. Bagger haben das 146-jährige Gebäude in den letzten zwei Tagen niedergerissen. Während der nächsten beiden Jahre werden die SBB das Grundstück als Baustellenzufahrt für ihre Überbauung Urban Home direkt an den Bahngleisen nutzen. Danach will Architektin Vera Gloor im Auftrag der Grundeigentümer ein Mehrfamilienhaus mit "Clusterwohnungen" und "moderaten Mieten" darauf erstellen. Quartierbewohner und die AL hatten bis zuletzt gegen den "Abbruch auf Vorrat" und die Vertreibung der bisherigen Mieter protestiert. Linke Aktivisten hielten zudem für kurze Zeit die benachbarte Bombay Bar besetzt, die ebenfalls abgebrochen wird.(bat)

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20 Minuten 16.2.11

Mit Cüpli gegen den Abriss

 ZÜRICH. Anwohner haben gestern friedlich gegen den begonnenen Abriss des Restaurants Tessinerkeller im Kreis 4 protestiert. Und dies erst noch festlich gewandet und mit Cüpli in der Hand. "Wir verabschieden uns auf ironische Weise, denn eigentlich ist es traurig", so Reto Plattner vom Anwohnerverein Neufrankenschneise Nein. "Wir wehren uns auch künftig mit Aktionen gegen die vermeintliche Quartier-Aufwertung durch die Stadt."

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tagesanzeiger.ch 15.2.11

"Die Räuberhöhle wird zur Baustelle degradiert"

Tina Fassbind, Felix Schindler

 Heute soll das Restaurant Tessinerkeller abgerissen werden. Bewohner des Quartiers protestieren dagegen, dass ihre einstige Heimat planiert wird.

 Heute schlägt das letzte Stündchen der Räuberhöhle - nach 146 Jahren. Das Gebäude muss einem Neubau weichen, in dem bis im kommenden Jahr 28 neue Wohnungen entstehen sollen. Seit Anfang Monat wird das Innere des Lokals ausgeräumt, heute sollen die Mauern des Hauses geschleift werden.

 Mit einem friedlichen Protest äussern rund 20 Quartierbewohner ihren Ärger über den Abbruch. Unter ihnen der AL-Gemeinderat Niklaus Scherr: "Ein historisches Gebäude wird zur Baustelle degradiert. Das ist bitter." Aber es ist nicht nur das Ende des alten Gebäudes, das sie schmerzt: "Der Tessinerkeller war eine Chnelle für Büezer. Sie fühlten sich hier zu Hause. Das macht den Kreis 4 aus - und das wird nun planiert", sagt Scherr weiter.

 SBB benötigt Parzelle

 1995 übernahm Wirt Christian Egger die "Räuberhöhle", wie der Tessinerkeller wegen seiner verruchten Vergangenheit genannt wurde. Egger machte aus der ehemaligen Heimat der Clochards, der Prostituierten und anderer Randexistenzen ein gut frequentiertes Speiserestaurant. Der verruchte Charme des 1865 erbauten Hauses indes blieb auch mit dem neuen Wirt erhalten.

 Die SBB benötigen die Parzelle als Bauplatz für ihr eigenes Projekt an der Neufrankengasse. Direkt an den Gleisen wollen sie bis 2012 ein Gebäude mit 28 Wohnungen errichten.

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CLUBLEBEN LU
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Blick am Abend 15.2.11

LUZERN / ZUG

 SP-Kantonsrat droht Clubs mit versteckter Kamera

 FRUST

 Ausländer müssen draussen bleiben. Damit soll Schluss sein.

 Immer wieder wird Ausländern der Einlass in einen Nachtclub verwehrt - teils aus undurchsichtigen Gründen. Jetzt soll das Problem angegangen werden. Kantonsrats-Mitglied Lathan Suntharalingam (SP) hat einen entsprechenden Vorstoss eingereicht und fordert Massnahmen.

 "Solch eine Erfahrung ist für viele Jugendliche sehr frustrierend." Man bekomme das Gefühl, in den Clubs nur als Tellerwäscher willkommen zu sein - nicht aber als Gast, so Suntharalingam.

 Beim Luzerner Regierungsrat stösst das Anliegen auf offene Ohren. Konkrete Massnahmen sind aber noch nicht geplant. Man wolle zuerst das Resultat einer Studie zu diesem Problem abwarten. Für eine genauere Stellungnahme war der Regierungsrat heute Morgen nicht erreichbar.

 Suntharalingam ist mit der Antwort des Regierungsrats grundsätzlich zufrieden. Aber wenn das Problem auf die lange Bank geschoben wird, will er selber aktiv werden. "Es wäre denkbar, mal mit einer versteckten Kamera gewisse Türsteher zu filmen", sagt er. Eine weitere Massnahme wäre die Gründung einer Anlaufstelle für Jugendliche, die im Ausgang diskriminiert werden. Denn, so Suntharalingam, "das Problem betrifft nicht nur Ausländer, sondern auch Homosexuelle und Männergruppen". dhs

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Zofnger Tagblatt 15.2.11

Ausländer sollen jeden Club besuchen dürfen

 Kanton Wer jemandem den Zutritt zu Partylokalen verweigert, dem drohen Konsequenzen. Welche das sein könnten, soll geprüft werden. Die Regierung sagt, Clubs stehen allen offen.

 Türsteher selektieren ihre Gäste nach äusserlichen Merkmalen wie Hautfarbe oder sonstigem Aussehen. Dies behauptet jedenfalls SP-Kantonsrat Lathan Suntharalingam (Luzern), der dies nicht tolerieren will. Er hat einen entsprechenden Vorstoss eingereicht. Der Regierungsrat antwortete nun, dass die Luzerner Polizei wenig Klagen wegen Zutrittsverweigerungen aus rassistischen Motiven erhalte. Gleichwohl nimmt sie das Anliegen von Suntharalingam ernst und prüft nun Massnahmen.

 Konzept 2013 gibt Richtschnur vor

 In ihrer gestern veröffentlichten Antwort verweist die Regierung auf ein bis 2013 vorliegendes Konzept. Darin will sie den Bedarf zum Schutz vor Diskriminierung eruieren, bewährte Massnahmen in anderen Kantonen auflisten und Optionen für die Umsetzung des Diskriminierungsschutzes formulieren. Danach wolle der Kanton entscheiden, welche Massnahme er ergreifen will.

 Laut Lathan Suntharalingam haben Personen, die keinen Einlass in Clubs erhalten, keine juristischen Mittel zur Verfügung. Ein mögliches Mittel wäre nach ihm, den Betreibern der Clubs ihre Bewilligung zu entziehen. Zutrittsverbote würden zudem bei den Betroffenen Frustrationen oder gar Gewaltbereitschaft bewirken. Der Regierungsrat geht damit einig, dass Gefühle der Ausgrenzung und Frustrationen auftreten können. "Direkte Massnahmen können wir aber keine ergreifen", sagt er. Möglich sei jedoch, die Clubbetreiber zu sensibilisieren und Zutrittsverweigerungen zu reduzieren. Er betont aber: "Zulässig ist die Gästeselektion nur, wenn ein sachlicher Grund dazu vorliegt." (sti)

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RAUFHANDEL
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NZZ 17.2.11

Bundesgericht

 Strafbar ist auch, wer am Boden liegt

 Präzisierung zum Raufhandel

 fel. Lausanne · Wer einen anderen im Streit ins Gesicht schlägt und hierauf von den herbeigeeilten Freunden des Geschlagenen zu Boden geworfen und dort liegend mit Füssen und Fäusten verletzt wird, kann laut einem neuen Urteil des Bundesgerichts wegen Raufhandels bestraft werden.

 Als Raufhandel gilt jede wechselseitige tätliche Auseinandersetzung von mindestens drei Personen, die den Tod oder die Körperverletzung eines Menschen zur Folge hat. Ein Streit zwischen bloss zwei Personen wird erst zum Raufhandel, wenn ein Dritter tätlich eingreift. Strafbar ist, wer aktiv am Raufhandel teilnimmt. Ebenfalls beteiligt, aber nicht strafbar ist, wer ausschliesslich abwehrt oder die Streitenden trennt (Art. 133 Strafgesetzbuch). Sinn dieser gesetzlichen Regelung ist es, die Verantwortlichen auch dann zur Rechenschaft ziehen zu können, wenn nachträglich nicht mehr im Einzelnen geklärt werden kann, wer wann wo zugeschlagen hat.

 Wie verhält es sich nun aber, wenn zunächst nur A und B miteinander verbal streiten, dann aber der A dem B ins Gesicht schlägt, worauf Freunde des B den A zu Boden werfen und dort mit Fäusten und Füssen erheblich verletzen? Das Bundesgericht vertritt - angeblich in Präzisierung seiner Praxis - die Auffassung, dass auch A wegen Raufhandels zu bestrafen ist. Das, obwohl der Streit zwischen den zwei Personen erst zum Raufhandel wurde, als die Freunde von B eingriffen, und A ab diesem Zeitpunkt nur noch passiv am Boden lag. Ausschlaggebend ist laut dem Urteil der Strafrechtlichen Abteilung, dass der Vorgang nicht in zwei separate Phasen aufgeteilt werden kann. Anders verhielte es sich nur, "wenn sich das Tatgeschehen klar in mehrere Handlungseinheiten unterteilen lässt".

 Der Verurteilte hatte in Lausanne vergeblich eingewendet, er habe nicht mit dem Eingreifen der anderen gerechnet und hätte sich nie und nimmer auf eine Auseinandersetzung mit mehreren Gegnern eingelassen. Das höchste Gericht bemüht indes den juristischen Kunstgriff des Eventualvorsatzes. Wer unter solchen Umständen einen anderen schlage, müsse damit rechnen, dass ihm dessen Freunde zu Hilfe eilen. Damit aber hat er die Beteiligung an einem Raufhandel (eventualvorsätzlich) in Kauf genommen.

 Urteil 6B_435/2010 vom 16. 12. 10 - BGE-Publikation.

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TASER
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NZZ 17.2.11

Einsatzregeln für sogenannte Taser
 
Nicht frei von Nebenwirkungen

 met. · Sogenannte Taser, amtssprachlich "Destabilisierungsgeräte" genannt, bergen für Betroffene ein gewisses Risiko, auch wenn bisher keine ernsten Zwischenfälle vorgekommen sind. Laut einem vom Bundesrat veröffentlichten Bericht setzten die Kantonspolizeikorps in den letzten acht Jahren diese Elektroschockgeräte 52-mal ein. In 42 Fällen erlitten Personen einen Stromstoss, in weiteren 10 Fällen ergaben sich Personen nach der Drohung mit dem Gerät. Eingesetzt wurden die Taser von Polizisten ferner in Hunderten von freiwilligen Selbstversuchen.

 Der Taser sei wie ein Arzneimittel nicht frei von Nebenwirkungen, heisst es im Bericht. Die grösste Gefahr sei, dass Betroffene zu Boden stürzen und sich dabei verletzen können; der Stromstoss bewirkt eine Versteifung des Körpers und damit Bewegungsunfähigkeit. Dass es allein wegen des Stromstosses zu einem plötzlichen Herztod kommt, ist gemäss dem Bericht praktisch auszuschliessen. Träten tödliche Herzrhythmusstörungen auf, seien sie durch ein Grundleiden oder durch Stresshormone wie Adrenalin oder konsumierte Drogen bedingt. Gemäss Bericht wurden neun getroffene Personen ärztlich untersucht; drei von ihnen erlitten leichtere Verletzungen.

 Der Bericht enthält 17 Empfehlungen zum Gebrauch der Taser. Zentral ist die Forderung, dass die Geräte verhältnismässig eingesetzt werden. Im Anwendungsfall sei der Einsatz zu dokumentieren und der Schweizerischen Polizeitechnischen Kommission zu melden. Getroffene Personen sollten dem Arzt zugeführt werden.

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La Liberté 17.2.11

Rapport
 
Des restrictions à l'usage du Taser

Michaël Rrodriguez

 Le pistolet à électrochocs n'a pas provoqué d'accident grave en Suisse. Le Conseil fédéral a publié hier un rapport sur l'usage de cette arme, plus connue sous le nom de Taser. Les polices cantonales ont annoncé l'avoir utilisé 42 fois depuis 2003. Dans trois cas, l'intervention a provoqué des "blessures légères".

 Ces chiffres sont à prendre avec prudence. L'obligation d'annoncer toute utilisation du pistolet à électrochocs n'est en vigueur que depuis janvier 2010. Avant cette date, la Commission technique des polices suisses collectait déjà des données, mais il n'est pas certain que tous les cas lui aient été communiqués. "Selon nos informations, les annonces ont été faites de manière régulière et probablement exhaustive", indique Colette Rossat-Favre à l'Office fédéral de la justice.

 D'autre part, seules 9 des 42 personnes touchées ont été soumises à un contrôle médical. Le chiffre de trois personnes ayant eu des séquelles (brûlure au premier degré ou hématome suite à une chute) ne reflète donc pas forcément la réalité. Le Conseil fédéral recommande un contrôle médical systématique. Et rappelle aux policiers qu'ils doivent veiller au respect du principe de la proportionnalité.

 Amnesty International (AI) salue ces recommandations. Denise Graf, juriste à la section suisse d'AI, s'inquiète en revanche d'une "utilisation extrêmement disparate" du pistolet électrique dans les cantons. "Selon nos estimations, 25 à 30 cas pourraient avoir eu lieu dans le seul canton de Zurich. Nous avons le soupçon que l'utilisation du Taser n'est pas toujours proportionnée."

 L'Office fédéral de la justice confirme que Zurich est le canton qui comptabilise le plus grand nombre de cas. Mais "on ne peut en tirer aucune conclusion, car Zurich a été parmi les premiers à acquérir le Taser", souligne Colette Rossat-Favre. A l'heure actuelle, 18 cantons (dont deux romands, Genève et Vaud) sont équipés du pistolet électrique.

 Le rapport juge "pratiquement exclu" que les électrochocs provoquent à eux seuls un arrêt cardiaque. En revanche, il admet un risque pour les personnes qui souffrent d'une maladie cardiovasculaire, sont dans un état de stress intense ou sous l'emprise de drogues. L'usage du Taser est "comparable à la consommation de médicaments: aucun d'entre eux n'est exempt d'effets secondaires", avance le Conseil fédéral. Comparer une arme et un moyen thérapeutique, c'est "inacceptable", réagit Amnesty.

 L'ONG n'est pas opposée par principe au Taser, mais estime que celui-ci devrait être soumis à des conditions aussi restrictives que l'arme à feu.

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20min.ch 16.2.11

Taser: Polizei schoss 42-mal

 Kantonspolizeien haben in den letzten acht Jahren 52-mal Taser gegen Personen eingesetzt - ohne ernste Zwischenfälle. Dies geht aus einem Bericht über die Mannstopp-Waffe hervor.

 Die meisten kantonalen Polizeikorps verwenden seit 2003 Taser, die Stromstösse durch den Körper leiten und so eine Person für kurze Zeit handlungsunfähig machen. In 42 Fällen wurde die Person durch die pistolenähnliche Elektroimpulswaffe getroffen, während sich in zehn Fällen die Person nach der Drohung mit dem Gerät ergab, wie es in dem am Mittwoch publizierten Bericht des Bundesrats heisst.

 Im gleichen Zeitraum führten zudem Polizeibeamte während der Ausbildung Hunderte von freiwilligen Selbstversuchen durch. Auf Bundesebene ist der Einsatz von Tasern erst seit dem Inkrafttreten des Zwangsanwendungsgesetzes am 1. Januar 2009 erlaubt. Seither wurden Taser einzig beim Grenzwachtkorps eingeführt, aber noch nie eingesetzt.

 Keine ernsten Zwischenfälle

 Neun betroffene Personen wurden nach dem Taser-Einsatz ärztlich untersucht; dabei wurden lediglich in drei Fällen leichtere Verletzungen festgestellt. Die grösste Verletzungsgefahr bei einem Taser-Einsatz geht von Stürzen aus, die von der durch den Stromstoss ausgelösten Versteifung und Bewegungsunfähigkeit herrühren.

 Ein plötzlicher Herztod nur aufgrund eines elektrischen Impulses sei praktisch ausgeschlossen; falls tödliche Herzrhythmusstörungen auftreten, seien diese durch ein Grundleiden oder durch Stresshormone wie Adrenalin oder durch Drogenkonsum bedingt. Dennoch sei der Gebrauch nicht ohne Nebenwirkungen: Der Nutzen und das Risiko müssten deshalb immer gegeneinander abgewogen werden.

 Empfehlungen zur Verhinderung von Missbräuchen

 Der Bericht enthält 17 Empfehlungen, um der missbräuchlichen Verwendung vorzubeugen. Nebst der Einhaltung von Gesetzen und Richtlinien soll der Einsatz der Taser lückenlos dokumentiert und gemeldet werden. Unabhängige Experten sollen danach die Einsätze auswerten. Schliesslich empfiehlt der Bericht, die Zielpersonen nach dem Einsatz von einem Paramediziner oder von einem Arzt untersuchen zu lassen. (ast)

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admin.ch 16.2.11

Taser-Einsätze regelmässig auswerten; Bundesrat veröffentlicht Bericht über die Evaluation der Destabilisierungsgeräte

Bern, 16.02.2011 - Kantonspolizeien haben in den letzten acht Jahren 52-mal ohne ernste Zwischenfälle Taser gegen Personen eingesetzt. Dies geht aus dem Bericht über die Evaluation der Destabilisierungsgeräte hervor, den der Bundesrat am Mittwoch veröffentlicht hat. Zur Verhinderung von Missbräuchen empfiehlt der Bericht eine regelmässige Auswertung der Taser-Einsätze und eine strikte Einhaltung der gesetzlichen Grundlagen.

Die meisten kantonalen Polizeikorps verwenden seit 2003 Destabilisierungsgeräte (sog. Taser), die Stromstösse durch den Körper leiten und so eine Person für kurze Zeit handlungsunfähig machen. In 42 Fällen wurde die Person durch die pistolenähnliche Elektroimpulswaffe getroffen, während sich in zehn Fällen die Person infolge der Drohung mit dem Gerät ergab. Im gleichen Zeitraum führten zudem Polizeibeamte während der Ausbildung Hunderte von freiwilligen Selbstversuchen durch. Auf Bundesebene ist der Einsatz von Tasern erst seit dem Inkrafttreten des Zwangsanwendungsgesetzes am 1. Januar 2009 erlaubt. Seither wurden Taser einzig beim Grenzwachtkorps eingeführt, aber noch nie eingesetzt.

Keine ernsten Zwischenfälle
Neun betroffene Personen wurden nach dem Taser-Einsatz ärztlich untersucht; dabei wurden lediglich in drei Fällen leichtere Verletzungen festgestellt. Die grösste Verletzungsgefahr bei einem Taser-Einsatz geht von Stürzen aus, die von der durch den Stromstoss ausgelösten Versteifung und Bewegungsunfähigkeit herrühren. Ein plötzlicher Herztod nur aufgrund eines elektrischen Impulses ist praktisch ausgeschlossen; falls tödliche Herzrhythmusstörungen auftreten, sind sie durch ein Grundleiden oder durch Stresshormone wie Adrenalin oder durch Drogenkonsum bedingt. Der Taser ist wie ein Arzneimittel nicht frei von Nebenwirkungen; die Indikation, der Nutzen und das Risiko müssen deshalb immer gegeneinander abgewogen werden.

Empfehlungen zur Verhinderung von Missbräuchen

Der Bericht enthält 17 Empfehlungen, welche die mit dem Einsatz von Tasern verbundene Missbrauchsgefahr berücksichtigen. Insbesondere sollen die Benutzer die entsprechenden Gesetze, Verordnungen und internen Richtlinien strikte beachten. Zudem müssen sie sich immer vergewissern, dass die Verwendung des Destabilisierungsgerätes verhältnismässig ist. Ferner sollen alle Taser-Einsätze dokumentiert und der Schweizerischen Polizeitechnischen Kommission (SPTK) gemeldet werden, die unter Beizug unabhängiger Experten jeden einzelnen Einsatz auswertet. Schliesslich empfiehlt der Bericht, die Zielpersonen nach dem Einsatz von einem Paramediziner oder von einem Arzt untersuchen zu lassen.

Adresse für Rückfragen:
Colette Rossat-Favre, Bundesamt für Justiz, Tel. +41 31 322 41 66

Herausgeber:
Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement
Internet: http://www.ejpd.admin.ch

Die Dokumente zu dieser Medienmitteilung finden Sie auf der Website des EJPD
http://www.ejpd.admin.ch/content/ejpd/de/home/dokumentation/mi/2011/2011-02-16.html

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Evaluation der Destabilisierunsgeräte
Bericht des Bundesrates
http://www.ejpd.admin.ch/content/dam/data/sicherheit/gesetzgebung/zwangsanwendung/ber-br-d.pdf

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MAKKS DAMAGE
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linksunten.indymedia.org 14.2.11
http://linksunten.indymedia.org/de/node/33894

Makss Damage - das Lager gewechselt?

Verfasst von: Autonome Observateur.

In einem Youtube-Video, das auf einem NPD-nahen Channel bereitgestellt wurde, findet sich seit heute ein Interview mit dem in der linken Szene umstrittenen Rapper Makss Damage. Darin rechnet er mit der linken Szene und lässt seine Fans wissen, dass er von nun an seine Lieder seiner veränderten politischen Einmstellung anpassen will, die laut ihm "national" ist. In dem Interview hetzt er nicht nur gegen Kommunisten und Antifaschisten, sondern greift auch MigrantInnen in üblicher Faschistenmanier an.

Makss Damage war innerhalb linker Strukturen nicht unumstritten, doch dürfte dieses Interview, sollte es authentisch sein, ihn endgültig in Ungnade fallen lassen. Der Großteil der antifaschistischen und linken Gruppen lehnte Makss Damage schon vorher ab, da er in seinen Texten offen die Verbrechen des Stalinismus verteidigte, Gewaltaufrufe gegen Anarchisten und "Antideutsche" aussprach oder offen antisemitische Gewaltphantasien zum Besten gab ("Ich leite Giftgas in jüdische Siedlungen", "Lass den Davidstern brennen").

In dem Interview gibt er unter anderem an, in der Gütersloher Jugendantifa und der örtlichen SDAJ aktiv gewesen zu sein und bestätigt sein Engagement bei der Kommunistischen Initiative (KI) in Düsseldorf. Dieser Werdegang hätte ihm die Wahrheit über die Linke gezeigt. Die Website von Makks Damage ist seit in Überarbeitung. Sollte von Makks Damage in den nächsten Tagen keine Stellungnahme veröffentlich werden, kann man davon ausgehen, dass das Interview echt ist und sich der einstige Skandalrapper offen auf die Seite der Faschisten stellt.

Links:

Teil 1 - [http://www.youtube.com/watch?v=j6jCmbW_420]
Teil 2 - [http://www.youtube.com/watch?v=Wy21aFzRQrA]
Teil 3 - [http://www.youtube.com/watch?v=fyBkZabdtYg]
Teil 4 - [http://www.youtube.com/watch?v=pSdCcfL57PA]

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WELTSOZIALFORUM
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Bund 16.2.11

Meinungen

 Tribüne Leute aus 123 Ländern diskutierten letzte Woche am Weltsozialforum in Dakar.

 Viele Impulse für eine gerechte Welt

Pepo Hofstetter

 Am letzten Freitag ging in der senegalesischen Hauptstadt Dakar das achte Weltsozialforum zu Ende. Während fünf Tagen diskutierten 60 000 Menschen aus 123 Ländern in knapp 1000 Workshops aktuelle Themen und Probleme, tauschten Erfahrungen aus, planten gemeinsame Aktivitäten.

 Es waren die Afrikaner und vor allem die Afrikanerinnen, die den globalen Anlass prägten: visuell mit ihren farbenprächtigen, traditionellen Kleidern. Thematisch mit jenen Anliegen, die in den westafrikanischen Ländern derzeit besonders aktuell und umstritten sind.

 Das wohl am meisten diskutierte Thema war das "Landgrabbing", die Aneignung grosser Landflächen durch reiche Einzelpersonen, Firmen oder Staaten. Seit ein paar Jahren sind viele Länder Afrikas von diesem Problem betroffen, das die prekäre Ernähungslage weiter verschlimmert. Drittstaaten legen Hand auf riesige Anbauflächen, um die Versorgung der eigenen Bevölkerung zu garantieren. Multinationale Konzerne reissen sich fruchtbare Äcker unter den Nagel, um Jatropha und andere Pflanzen für Agrotreibstoffe anzubauen. Die lokalen Regierungen zeigen sich willig: Sie erhoffen sich Investitionen und fördern die Landnahmen nach Strich und Faden.

 Bauern werden vertrieben

 Auf wessen Kosten das geht, zeigten am Weltsozialforum Berichte aus verschiedenen Ländern. Zum Beispiel aus Mali, wo Libyen auf 100 000 Hektaren Reis für die eigene Bevölkerung anbauen will. Die einheimischen Kleinbauern werden vertrieben, Dörfer durch neue Strassen und Kanäle zerstört. Senegalesische Bauernorganisationen berichten vom Plan Saudiarabiens, am Senegalfluss auf 200 000 Hektaren Reis für den Eigenverbrauch anzupflanzen. Die kleinen Bauern und Viehzüchter, die bisher den Boden nutzten, aber nicht über anerkannte Landtitel verfügen, werden vertrieben oder bestenfalls als schlecht entlöhnte Arbeiter angestellt. Auch Betroffene aus Madagaskar, Guinea, Burkina Faso, ja selbst aus Indien und Brasilien ergreifen das Wort, erzählen von ihren Gegenstrategien und Widerstandsaktionen.

 Am letzten Forumstag verabschieden alle den "Appell von Dakar gegen das Landgrabbing". Er fordert von den jeweiligen Regierungen einen Stopp des Landverkaufs und eine Agrarpolitik, die nicht auf die industrielle, sondern die traditionelle Familienlandwirtschaft setzt. In den nächsten Monaten werden in zahlreichen Ländern Aktionen stattfinden, um den Forderungen Nachdruck zu verleihen.

 Gemeinsamer Druck

 Ein zweites heiss diskutiertes Thema war die Migration - auch davon sind Senegal und ganz Westafrika stark betroffen. Viele Menschen versuchen, mit einer gefährlichen Flucht über das Meer oder durch die Wüste der Armut zu entkommen - teils mit, teils ohne Erfolg. Am Weltsozialforum wurden vor allem die Rechte der Migrant(innen) thematisiert, ihr Anrecht auf eine menschenwürdige Behandlung. Anwesende aus verschiedenen Ländern, auch aus der Schweiz, wollen jetzt einen internationalen Aktionstag gegen die Stigmatisierung der Migrant(innen) und für die Legalisierung der Sans-Papiers zu organisieren.

 Drittes Beispiel: die Klimaveränderung und der nachhaltige Umgang mit der Natur. In vielen Ländern Afrikas sind die Folgen des Klimawandels bereits zu spüren, in Senegal etwa in Form einer Versalzung des Grundwassers. Ende 2011 findet in Südafrika die nächste Klimakonferenz statt, 2012 folgt der UNO-Gipfel "Rio + 20", der bilanzieren wird, was in den zwanzig Jahren seit dem Erdgipfel von 1992 unternommen wurde. Beide Konferenzen wurden in Dakar prominent diskutiert. In einer Schlussversammlung beschlossen über 800 Teilnehmende, im Hinblick auf die beiden Konferenzen überall auf der Welt aktiv zu werden. Ziel ist es, gemeinsam Druck auf die Regierungen aufzubauen und sich für ein Entwicklungsmodell einzusetzen, das das Prädikat "nachhaltig" tatsächlich verdient.

 Vor allem Frauen setzen sich ein

 Aus der Schweiz nahmen, koordiniert von Alliance Sud und E-Changer, 55 Personen am Weltsozialforum teil, darunter 6 Mitglieder des Parlaments, Medienschaffende sowie Vertreter(innen) von Hilfswerken, Gewerkschaften und weiteren Organisationen. An einer Schlussdiskussion zogen sie alle eine sehr positive Bilanz. Denn das Weltsozialforum bietet wie kein anderer Anlass Gelegenheit, engagierte Menschen aus aller Welt zu treffen, Erfahrungen und Informationen auszutauschen und gemeinsame Initiativen zu entwickeln. Speziell beeindruckten in Dakar die Energie und die Kraft, das rhetorische Können und die analytische Schärfe, mit der sich viele Menschen und vor allem Frauen in Afrika auch unter schwierigsten Bedingungen für gerechtere Verhältnisse einsetzen. Der Wille, an einer anderen, besseren Welt zu bauen, ist ungebrochen.

 Bauern berichten vom Plan Saudiarabiens, am Senegalfluss Reis für den Eigenverbrauch anzupflanzen.

 Pepo Hofstetter

 Der Autor koordinierte die Schweizer Delegation am Weltsozialforum. Er arbeitet bei Alliance Sud, der entwicklungspolitischen Arbeitsgemeinschaft der Hilfswerke Swissaid, Fastenopfer, Brot für alle, Helvetas, Caritas und Heks.

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ANTI-ATOM
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Aargauer Zeitung 17.2.11

Heiss diskutierte Türme: Die AKW-Debatte

 Energiepolitisch stehen für die Schweiz in nächster Zeit wichtige Weichenstellungen an: Ab 2020 müssen die drei Atomkraftwerke Mühleberg und BeznauI und II ersetzt werden. Müssen sie wirklich? Oder gibt es Alternativen? Wie steht es um die Zukunft der Atomtechnologie in der Schweiz? In einer sechsteiligen Serie geht die az dieser Frage nach. Zum Auftakt die Debatte um die "Stromlücke". Können nur neue AKW den Ausfall der Produktionskapazität kompensieren? Gibt es wirklich eine Lücke? (chb)Seite 3 @file hinzufügen

 ho

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Ab 2018 öffnet sich die "Stromlücke"

AKW-Debatte Nur zwei neue Atomkraftwerke können den Produktionsausfall kompensieren

Christoph Bopp

 Eine sichere Energieversorgung ist für eine Volkswirtschaft von hoher Wichtigkeit. Auch wenn sich ein grösserer Teil der Schweizer Wertschöpfung in den Dienstleistungssektor verschoben hat, wird eine wachsende Wirtschaft immer noch mit einem steigenden Energiebedarf verbunden sein. "Strikte Verbrauchsreduktionsziele, wie sie beispielsweise im Rahmen des Konzepts ‹2000-Watt-Gesellschaft› propagiert werden, stellen daher keine nachhaltige Strategie für die Energieversorgungssicherheit dar - jedenfalls nicht in einer wachsenden Wirtschaft." So die Schlussfolgerung, die Urs Meister in seiner Avenir Suisse-Studie zieht.

 Nicht nur aus Gründen des Klimaschutzes sollte die Schweiz den Verbrauch von fossiler Energie zurückfahren. Das bedeutet, dass die Elektrizität in Zukunft eine grössere Rolle spie- len wird. Ab ca.2020 sinken jedoch die Produktionskapazitäten. Die drei älteren AKW BeznauI (365MW) und BeznauII (365MW) und Mühleberg (373MW) gehen dann vom Netz. Sie produzierten rund 9TWh und machen rund 15Prozent des schweizerischen Kraftwerkparks aus. Dazu fallen die privilegierten Stromimporte aus französischen Atomkraftwerken weg. Damit würde der Schweiz im Winter fast ein Drittel ihrer Stromproduktion fehlen (Grafik unten).

 Ab 2018 zu wenig Strom

 Das Bundesamt für Energie (BFE) hat die Arbeitsgruppe "Energieperspektiven2035" gegründet. Die Experten haben vier Szenarien entwickelt. In SzenarioI - "Weiter wie bisher" - wird sich trotz einem Rückgang des Stromverbrauchswachstums ab 2018 eine "einheimische Versorgungslücke" öffnen. 2035 hätte sie eine Grössenordnung von rund 22,3TWh erreicht (Stromproduktion 2009: rund 64TWh).

 Urs Meister schätzt in seiner Studie das Kompensationspotenzial der neuen erneuerbaren Energien als "zu gering" ein. Mit Ausnahme der Geothermie: Sie "könnte mindestens theoretisch" ausreichen. Die Unsicherheit "über die tatsächliche künftige Relevanz" sei aber zu gross, schreibt er, "nicht zuletzt aufgrund der technischen Herausforderungen". Meister favorisiert deshalb einen Ausbau der Kernkraft, weist aber darauf hin, dass es bei "Reaktoren mit ausserordentlich hoher Leistung" Risiken gebe.

 Zwei AKW als Ersatz

 Auch die Szenarien II - "Verstärkte Zusammenarbeit" (von Wirtschaft und Politik) - und III - "Neue Prioritäten" - der Energieperspektiven 2035 postulieren eine Deckungslücke, die aber kleiner ist als in SzenarioI. Sogar SzenarioIV - "Weg zur 2000-Watt-Gesellschaft" - enthält eine Deckungslücke von 5TWh. Dies, obwohl ein "Kurswechsel" vorgesehen ist mit "Veränderungen im Investitions-, Konsum-, Arbeits- und Mobilitätsverhalten".

 Die Stromkonzerne Axpo, Alpiq und BKW wollen deshalb zwei neue AKW bauen. Dies schlägt auch das BFE-SzenarioI vor. Die zwei Grossanlagen mit einer Leistung von je 1600MW gehen aber frühestens 2031 ans Netz. Bis dahin müsste die Produktionslücke durch Importe oder durch fünf bis sieben Gaskraftwerke geschlossen werden.

 Urs Meister: Energiesicherheit ohne Autarkie. Die Schweiz im globalen Kontext. Zürich 2011. 299S., Fr. 59.90.

 BFE-Studie: http://www.bfe.admin.ch/themen/00526/00538/index.html?lang=de

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"Auch in der Zukunft wird es keine ‹Lücken› geben"

 Herr Buri, die Stromkonzerne reden von einer "Stromlücke". Sie sagen, diese gibt es nicht.

 Jürg Burri: Im Moment produzieren wir in der Schweiz immer noch mehr Strom, als nachgefragt wird. Auch in Zukunft wird es keine "Lücken" geben. Die Drohung mit der Lücke ist blöde Angstmacherei. Die Herausforderung, die wir vor uns haben, ist, dass bis 2020 drei kleine Atomkraftwerke, Beznau I und II und Mühleberg, vom Netz gehen. Das Szenario IV des Bundesamtes für Energie zeigt, dass wir diesen Produktionsausfall mit mehr Effizienz und mit erneuerbaren Energien kompensieren können.

 Nun ist in Zukunft aber eine Steigerung des Stromkonsums zu erwarten. Die Bevölkerung wächst und die Substitution der fossilen Energie wird den Stromverbrauch ebenfalls in die Höhe treiben.

 Das kann sein. Aber auf der anderen Seite haben wir ein Stromsparpotenzial von etwa 30Prozent. Jede dritte Kilowattstunde wird heute verschwendet. Es ist einzig eine Frage des politischen Willens, ob wir diese Potenziale realisieren wollen oder nicht. Wir empfehlen der Politik, diese 30 Prozent zu holen. Denn jede gesparte Kilowattstunde kostet nur die Hälfte einer neu produzierten. Und endliches Erdöl ist nicht mit endlichem Uran zu ersetzen. Wir haben nur eine Zukunft und die liegt bei den Erneuerbaren.

 Wenn wir die "Stromlücken-Kurven" anschauen: Die Produktion sinkt, der Verbrauch steigt - Sie sagen, mit erneuerbaren Energien liesse sich diese Kluft schliessen. Andere Stimmen sagen: Mit erneuerbaren Energien werden wir die Produktion der AKW nie ersetzen können.

 Rund um die Schweiz legen die Erneuerbaren massiv zu. Im letzten Jahr waren in Europa 60 Prozent der neu installierten Kraftwerkleistung erneuerbare Energie. Deutschland hat in 10 Jahren 22 AKW Mühleberg an erneuerbarem Strom hingestellt. Das könnten wir auch. Die Potenziale dafür sind gemäss BFE vorhanden.

 Und woher kriegen wir den Strom, wenn die Sonne nicht scheint oder der Wind nicht weht?

 Es gibt kein anderes Land, das diese "stochastischen" Probleme eleganter lösen könnte als die Schweiz. Nichts passt besser zu Wind und Sonne als unsere flexible Wasserkraft. Wenn die Sonne nicht scheint, können wir in den Alpen einfach den Wasserhahn aufdrehen. Aber wir haben ja auch noch Biomasse und die Erdwärme.

 Erneuerbare Energien seien immer noch zu teuer und würden die Strompreise in die Höhe treiben?

 Die Kosten sind am Sinken. Bis ein neu erstelltes AKW ans Netz kommt, dürften die erneuerbaren Energien billiger sein als neu produzierter AKW-Strom. Kommt hinzu, dass beim Atomstrom nicht alle Kosten eingepreist sind und noch niemand weiss, wie teuer uns und unsere Kindeskinder die radioaktiven Erblasten noch zu stehen kommen. (chb)

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NZZ 17.2.11

Ensi-Bericht zu AKW-Arbeitsunfall

 (sda) · Dem Zwischenfall im Atomkraftwerk Leibstadt im vergangenen August, bei dem ein Taucher an der Hand verstrahlt wurde, gingen Fehler voraus. Zu diesem Schluss kommt der Bericht des Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorates (Ensi). Die Behörde fordert, dass die Arbeiten an einem Monitor dauerhaft überwacht werden sollen. Bemängelt wird, dass nur der engere Arbeitsbereich nach Strahlung ausgemessen wurde. Die Dosimeter des Tauchers waren zwar mit Warnsignalen ausgerüstet. Wegen der Schalldämmung waren diese jedoch nicht wahrnehmbar. Das Ensi fordert, dass diese Alarme auch vom Träger künftig unmittelbar wahrgenommen werden können.

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NZZ 17.2.11

Verschärfung der Tiefenlager-Debatte

 Bund hat Regeln für Partizipationsverfahren festgelegt - Vorschläge für Standorte von Aussenanlagen werden noch in diesem Jahr publik

 Bis Mitte Jahr werden in den Tiefenlager-Regionen Konferenzen für den Einbezug der Bevölkerung gebildet. Der Bund hat jetzt die Regeln dazu festgelegt und erwartet eine Verschärfung der Debatte.

 Davide Scruzzi

 In diesen Tagen veröffentlicht das Bundesamt für Energie (BfE) die Bedingungen für die Partizipationsverfahren in jenen Regionen, welche für die Lagerung radioaktiver Abfälle in Frage kommen. Gemäss dem neuen Kernenergiegesetz fällt der Entscheid über ein Tiefenlager auf Bundesebene. Standortgemeinden und -kantone können ein Projekt im Gegensatz zur früheren Prozedur rund um den Wellenberg nicht verhindern. Im Gegenzug haben die Regionen aber die Möglichkeit, die Erörterung kritischer Fragen zu verlangen und die genaue Ausgestaltung der Projekte zu beeinflussen - dazu gehören auch die von den AKW-Betreibern finanzierten Massnahmen, um die Region attraktiv zu erhalten.

 Teilnehmer gesucht

 Kernstück der Verfahren ist jeweils eine Regionalkonferenz, die rund hundert Mitglieder umfassen und Gegner wie auch Befürworter vereinen soll. Laut dem Bund sollen 30 bis 50 Prozent der Mitglieder aus Behörden der Region bestehen. Vertreter aus "organisierten Interessengruppierungen" sollen in einem ähnlichen Umfang berücksichtigt werden. Dabei geht es nicht nur um Angehörige von "Widerstands-Vereinen", sondern etwa auch um Vertreter von Branchenverbänden. Der Rest, mindestens 10 Prozent, sollen Personen ohne Interessenbindung sein. Insgesamt verlangt der Bund eine ausgewogene Berücksichtigung der sozialen Schichten, Altersgruppen und Nationalitäten. Die Teilnehmer der Sitzungen werden mit rund 80 Franken pro Stunde entschädigt. Das Budget beträgt für jede Region jährlich etwa eine halbe Million Franken. Die Kosten werden weitgehend von den AKW-Betreibern getragen, doch vom Bund beglichen. Dieser schliesst mit den regionalen Gremien Leistungsvereinbarungen ab und wird die Zusammensetzung mit den Regionen festlegen. Zur Eruierung der Interessengruppen liegen Analysen vor.

 Eine grosse Herausforderung bestehe darin, genügend Leute zu finden, die über Jahre hinweg sorgfältig mitarbeiten würden, sagt Stefan Jordi, Fachspezialist beim BfE. Schwierig wird freilich auch die Sicherung der Partizipation prononcierter Gegner. Immerhin verlangt der Bund, dass auch Meinungsdifferenzen transparent veröffentlicht werden. Alle sollen sich auch weiterhin kritisch gegenüber dem Projekt äussern können. Die nationalen Umweltverbände weigern sich derweil, im nationalen Verfahrens-Beirat mitzumachen, weil sie das Lagerkonzept ablehnen; sie sind aber bei einem technischen Forum dabei. Jürg Buri von der Schweizerischen Energie-Stiftung bezeichnet das Partizipationsverfahren als "Weichspülprogramm". Er rechnet damit, dass die Verfahren scheitern. Bei den einzelnen Vereinen in den Regionen ist indes der Wille erkennbar, sich auf die Konferenzen einzulassen.

 Deutsche fordern mehr Sitze

 An den regionalen Gremien können auch grenznahe deutsche Gemeinden teilnehmen - aufgrund von internationalen Abkommen müssen die Nachbarländer bei der Realisierung eines solchen Projekts grundsätzlich angehört werden. Gemäss dem ersten Vorschlag des Bundes bewegt sich die deutsche Beteiligung bei grenznahen Standorten zwischen 6 Prozent bei der Regionalkonferenz Zürich Nordost und 10 Prozent bei der Konferenz Jura Ost (Bözberg). Nach Auskunft des Bundes verlangen aber die deutschen Gemeinden jetzt mehr Sitze in den Gremien.

 Spätestens im Herbst müssen die Organisationen in den sechs Standortregionen funktionsfähig sein. Beim BfE rechnet man Ende Jahr mit einer Verschärfung der Debatte. Im Herbst wird nämlich der Bundesrat entscheiden, ob Regionen schon jetzt aus der Wahl ausscheiden. Am lautesten wird ein Verzicht auf den Wellenberg gefordert. Zum einen wegen der dortigen gescheiterten Projekte und des Widerstands, der sich bei einer Abstimmung in Nidwalden am Wochenende manifestiert hat. Zum anderen sind in den Sicherheitsberichten Minuspunkte zu dieser Region wahrzunehmen, wenngleich die Sicherheitsbehörden alle Standortvorschläge grundsätzlich befürworten. Immerhin ist es dem BfE nun gelungen, auch in Nidwalden eine räumlich angepasste Partizipation aufzugleisen.

 Gegen Ende Jahr wird die Nagra konkrete Vorschläge für die Realisierung der Aussenanlagen präsentieren. Derzeit werden dafür Standortmöglichkeiten geprüft. Gerry Thönen, Geschäftsführer des Partizipations-Start-Teams der Region Jura Ost, geht davon aus, dass diese eigentlichen Bauprojekte im Umfang mittelgrosser Industriebetriebe bei der Bevölkerung das Bewusstsein für das Tiefenlager schärfen werden. Auch Thönen selbst bemerkte in den letzten Monaten überspitzt, dass die Regionen am Schluss wohl nur die Farbe jener Gebäude bestimmen könnten. Nun gelte es aber, die vorhandenen, in Wahrheit grösseren Spielräume für die Regionen zu nutzen, sagt Thönen.

 Bereits im vergangenen Januar wurden die Gemeindebehörden rund um den Bözberg über die Regionalkonferenz informiert. In den nächsten Wochen folgen Anlässe für einzelne Zielgruppen. Im Juni soll sich die Regionalkonferenz Jura Ost konstituieren - vermutlich als eine der ersten.

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 Ein Dorf bietet sich als Standort an

 dsc. · Die Tiefenlager-Projekte stossen in den Regionen auf massive Ablehnung - es gibt aber zumindest eine Ausnahme: Der Gemeindepräsident von Schwaderloch (Aargau) wünscht sich, wie einige Nachbarorte, zum Planungsperimeter der Standortregion Jura Ost zu gehören. Man sei vom Projekt ohnehin tangiert, da wolle man auch am Partizipationsverfahren teilnehmen, sagt Gemeindepräsident Rolf Häusler. Mehr noch: Es gebe im Ort ein Areal, wo die Aussenanlagen des Tiefenlagers optimal errichtet werden könnten, so Häusler. In der Nähe von Schwaderloch stehen die AKW Leibstadt und Beznau, doch erhalte man heute keine Kompensationsleistungen. Durch die Realisierung des Tiefenlagers ergäben sich kurze Transportwege, zudem könnte Schwaderloch endlich von der Kernenergie direkt profitieren, sagt Häusler. Er räumt aber ein, dass in Schwaderloch viele von seiner Idee nicht begeistert seien.

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Handelszeitung 17.2.11

Meinung

 Ersatz von Atomkraftwerken

 Zuversicht nach dem Berner Votum

 Die Bevölkerung des Kantons Bern hat der Mehrheit des Grossen Rats und den kantonalen Wirtschaftsverbänden am 13. Februar 2011 das Vertrauen ausgesprochen und zum Ersatz des Kernkraftwerks Mühleberg Ja gesagt. Die Chancen sind somit intakt, dass im Kanton Bern in wenigen Jahren ein Ersatz-Kernkraftwerk am Standort Mühleberg realisiert werden kann. Die BKW Energie AG dürfte dann mit Investitionen in Milliardenhöhe einen bedeutenden Beitrag zur Stärkung der kantonalen Wirtschaft leisten.

 Gemäss einer von BAK Basel Economics erstellten Studie kann bei Realisierung des Projekts mit einer zusätzlichen Wertschöpfung von 500 Millionen Franken pro Jahr gerechnet werden. Insgesamt werden rund 1300 neue Arbeitsplätze gesichert. Dem Kanton Bern fallen jährlich über 70 Millionen Franken an zusätzlichen Steuereinnahmen zu. Nicht zuletzt steigt auch der Wert der BKW Energie AG, was wiederum dem Kanton als Hauptaktionär zugute kommt. Diese Vorteile könnten beispielsweise mit der Senkung von Steuern und Abgaben weitergereicht werden. Insgesamt ist der Volksentscheid somit ein Lichtblick für die im Kanton Bern tätige Wirtschaft.

 Mit dem Ersatz von bestehenden Kernkraftwerken soll der Strombedarf auch weiterhin mit inländischen Kraftwerken gedeckt werden. Der bewährte Strommix aus inländischer Wasserkraft, Kernenergie und neuen erneuerbaren Energien soll auch in Zukunft die zuverlässige und kostengünstige Versorgung sicherstellen. In den letzten zwei Jahrzehnten konnten in der Schweiz praktisch keine neuen grösseren Kraftwerke mehr erstellt werden. Demgegenüber ist der Stromverbrauch jedes Jahr im Durchschnitt um mehr als 1,5 Prozent gestiegen. Aus dem ehemaligen Stromexporteur Schweiz wurde innerhalb weniger Jahre ein Stromimportland.

 Drohende Versorgungslücke muss rechtzeitig abgewendet werden

 Wenn nur noch ein Minimum an Wasserkraft und anderen erneuerbaren Energien wie Sonne und Biomasse in den kalten Wintermonaten nutzbar ist, hängt die Schweiz mehr und mehr von der Produktion aus europäischen Kern- und Kohlekraftwerken ab. Aus wirtschaftlicher und ökologischer Sicht ist dies keine befriedigende Lösung. Sollten zudem die internationalen Stromübertragungsnetze zum unüberwindbaren Engpass werden, wie dies in der jüngeren Vergangenheit ab und zu der Fall war, wären Versorgungsunterbrüche und wiederholte Blackouts nicht auszuschliessen. Für den Dienstleistungs- und Industriestandort Schweiz wären solche Ereignisse katastrophal. Es ist daher entscheidend, dass die drohende Versorgungslücke rechtzeitig abgewendet werden kann.

 Bis zur Erteilung der Rahmenbewilligungen für die Ersatz-Kernkraftwerke müssen auf Bundesebene noch etliche Vorarbeiten geleistet werden. Als Nächstes wird der Bundesrat die kantonalen Stellungnahmen zu den Projekten Beznau, Gösgen und Mühleberg entgegennehmen. In den meisten Kantonen werden sich die Regierungen oder die Parlamente äussern. Am 15. Mai 2011 sind noch konsultative Volksabstimmungen in den Kantonen Waadt und Jura geplant. Mitte 2012 will der Bundesrat die Rahmenbewilligungen dem Parlament zur Genehmigung unterbreiten. Das Stimmvolk wird voraussichtlich gegen Ende 2013 oder Anfang 2014 in einer nationalen Referendumsabstimmung über die Ersatz-Kernkraftwerke entscheiden. Anschliessend folgen die Bewilligungsverfahren für Bau und Betrieb. Mit der Betriebsaufnahme der modernsten KKW-Generation dürfte im Jahr 2025 zu rechnen sein.

 Die Schweiz muss ihre Stromversorgung in den nächsten 15 Jahren nachhaltig sichern. Eine Versorgung mit Wind aus der Nordsee und Sonne aus dem Mittelmeerraum nach dem Jahr 2040 kann die Stromlücke nicht rechtzeitig decken, bleibt jedoch eine langfristig interessante Option. Weltweit ist der Bedarf an Elektrizität aus erneuerbaren Energien und Energieeffizienz derart bedeutend, dass die Wirtschaft weiterhin intensiv an deren Entwicklung arbeiten wird. In den kommenden Jahren führt daher kein Weg an der vom Bundesrat vorgezeichneten Strategie der Verstärkung der Energieeffizienz, der Nutzung der erneuerbaren Energien und dem Ersatz der Kernkraftwerke vorbei.

 Urs Näf, Economiesuisse, Zürich.

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L'Hebdo 17.2.11

VOTATIONS

 NUCLÉAIRE: LES ROMANDS JOUERONT LES ARBITRES

 MICHEL GUILLAUME

MÜHLEBERG II.

 Après le petit "oui" des Bernois à leur centrale, les pronucléaires mesurent les difficultés d'ici au vote de 2014.

 Y a-t-il eu un vainqueur ce dimanche lors de la votation consultative sur le remplacement de la centrale nucléaire de Mühleberg? Sur le papier, oui. Ses partisans l'ont emporté avec 51,2% des voix. Mais l'écart avec les adversaires de l'atome est si ténu que tout reste possible lorsque, en 2014 probablement, le peuple - suisse cette fois - sera appelé à trancher sur l'avenir du nucléaire.

 A l'issue du scrutin, le président du Conseil d'administration des Forces motrices bernoises (FMB) Urs Gasche n'a pas caché sa satisfaction: "Le résultat est clair. Les Bernois ont dit "oui" au projet de Mühleberg II. J'estime par conséquent que les chances de le voir se réaliser ont augmenté."

 Les doutes d'Yvan Perrin.

 Pourtant, rien n'est moins sûr. De l'avis de tous les observateurs, le vote du 13 février n'est qu'une victoire d'étape. En fait, le débat ne fait que commencer. Et les adversaires de l'atome ont aussi quelques raisons d'espérer. Ils n'ont pas manqué de comparer les résultats entre la votation sur les armes et celle sur le nucléaire, où les mêmes partis avaient arrêté les mêmes consignes. Le centre-droite a gagné les deux fois, mais avec une marge de 8% inférieure concernant Mühleberg. Pas besoin d'être grand clerc pour en conclure que le bloc bourgeois a laissé apparaître des fissures sur la question du nucléaire.

 Il n'en fallait pas plus pour que les adversaires de l'atome s'affichent eux aussi en vainqueurs du scrutin. "Je parie une bonne bouteille de bordeaux que Mühleberg II ne sera jamais construite", s'est même réjoui le conseiller national Vert Alec von Graffenried: "Avec une si forte proportion de "non", la position des FMB sera sensiblement affaiblie dans son alliance avec les deux autres groupes électriques Alpiq et Axpo", a-t-il expliqué.

 Le vice-président de l'UDC Yvan Perrin, bien que souhaitant construire deux nouvelles centrales en Suisse, n'est pas loin de partager cette analyse: "Je suis effectivement très alarmé par cette victoire si étriquée. Si un canton comme Berne est si peu convaincu du nucléaire alors qu'il touche 70 millions de recettes fiscales par année, alors comment va-t-on persuader les cantons voisins, qui n'auront que les désagréments de l'atome?" s'interroge-t-il.

 Son collègue de parti Jean-Pierre Graber (UDC/BE), qui a mené la campagne du "oui" sur le terrain, tente de le rassurer. Selon lui, le "oui" a perdu cinq points en raison de l'opposition du Gouvernement bernois dans la campagne.

 Scrutin en mai. Mais il cite encore deux autres facteurs expliquant les doutes du bloc bourgeois. "J'ai senti des partis chrétiens comme l'UDF ou les évangéliques, qui sont d'habitude très conservateurs sur les questions sociétales, très divisés sur le nucléaire. J'ai aussi rencontré des modernistes, par exemple des ingénieurs, qui croient à fond au progrès technologique et au fort potentiel des énergies renouvelables", raconte le conseiller national.

 Avec un "oui" aussi faible, les Bernois n'ont plus vraiment le sort de Mühleberg entre leurs mains. Celui-ci dépend désormais fortement de l'attitude de la Suisse romande, qui pourrait bien se révéler décisive. Fribourgeois et Valaisans sont favorables au nucléaire, Genève et Neuchâtel opposés. Jurassiens et Vaudois se rendent aux urnes en mai. Ces scrutins pourraient bien se révéler décisifs, du moins pour le site des centrales. En 2003, les Vaudois avaient rejeté l'initiative sur la sortie du nucléaire à une majorité de 63%, mais en 2009 ils avaient balayé (à 64%) la prolongation illimitée pour Mühleberg. Le nucléaire peutêtre, mais pas trop près de la Venoge!

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Bund 16.2.11

"Im Mühleberg-Abstimmungskampf spielte das Überraschungsmoment für die Gegner"

 Das Handicap der AKW-Kritiker sei die Stromversorgung, jenes der Befürworter der Atommüll, sagt der Politologe Claude Longchamp im Interview. Der Gegensatz zwischen Stadt und Land werde auch auf nationaler Ebene bedeutungsvoll bleiben.

 Interview: Simon Thönen

 Die AKW-Gegner feierten am Sonntag ihre knappe Niederlage in der Abstimmung über Mühleberg II als Erfolg - zu Recht?

 Zum Thema Sieg oder Niederlage muss man drei Dinge festhalten: Es war eine konsultative Volksabstimmung, es resultierte ein Ja - und dieses war knapper als erwartet.

 Sie verfolgen den Konflikt um AKW seit langem. Warum haben Sie ein deutlicheres Ja erwartet?

 Wenn man den langfristigen Trend betrachtet, ging man eigentlich davon aus, dass der Konflikt um die Kernenergie im Nachgang zu Tschernobyl auf dem Höhepunkt war und seither an Bedeutung verloren hat. Wer damals jung politisiert wurde, bleibt zwar meist ein Leben lang kritisch. Für die nachfolgende Generation gilt dies aber nicht. Die Klimadebatte verhalf der Kernenergie zudem zu einem neuen Argument. Jetzt zeigt aber das Berner Beispiel, dass bei einem neuen Anlass die politischen Kampagnen und vor allem ihre Verarbeitung durch die Medien eine absolute Eigendynamik annehmen können. Der langfristige, leicht positive Trend für die Kernenergie kann durch eine kurzfristige Politisierung kompensiert oder sogar ins Gegenteil verkehrt werden.

 Dann war die Kampagne des Nein-Lagers also recht erfolgreich?

 Auf jeden Fall hatte sie das Überraschungsmoment auf ihrer Seite. Noch im Dezember war die Strombranche gut aufgestellt, als sie ihren Zwist um die Standorte beilegte und klar kommunizierte, dass sie zwei Kernkraftwerke will - und dass die bernische Abstimmung Einfluss darauf hat, wo diese stehen. Dann begann die lokale Kampagne, die das Thema kritisch zuspitzte. Der Höhepunkt aus gegnerischer Sicht war sicher der Vorwurf, dass das geplante Zwischenlager nicht genügend kommuniziert wurde. Dies war eindeutig eine neue Information, die das Vertrauen in die Kommunikation der Mühleberg-Befürworter erschütterte. In der Schlussphase hat die Stimmung wohl nochmals zugunsten der Befürworter gedreht.

 Für die Befürworter von Mühleberg stand, neben dem Klimaargument, das Thema Versorgungssicherheit völlig im Zentrum. Reicht dies aus?

 Wir wissen alle, dass sehr schnell alles durcheinandergerät, wenn die Energieversorgung nicht funktioniert, wie die zwei Stromausfälle der SBB zeigten. Versorgungssicherheit ist ein zentrales Thema, und es ist nach wie vor von den Energieversorgern besser besetzt als von ihren Kritikern. Wenn die Kritiker der Kernkraft in diesem Punkt weiterkämen, könnten sie das grösste Handicap beseitigen.

 Die kantonale Mühleberg-Abstimmung galt als Test. Was kann man aus dem knappen Ja für die nationale AKW-Abstimmung ableiten?

 Man weiss relativ gut, dass der Kanton Bern gleich stimmt wie die Schweiz - aber man weiss nicht, ob die Schweiz gleich stimmen wird wie Bern. Es gibt Sonderfaktoren: Bern ist Standort eines Kernkraftwerks, dies gibt es insbesondere in der Romandie und dem Tessin nicht. In der nationalen Abstimmung wird es Kantonsregierungen vor allem auf der Ja-Seite geben. Und vor allem: National gesehen dürfte die CVP die entscheidende Rolle spielen, die unter der Führung von Bundesrätin Doris Leuthard und Präsident Christophe Darbellay einen kernkraftfreundlichen Kurs steuern dürfte.

 Das Resultat zeigt einen Stadt-Land-Graben. Wird dies auch das Muster der nationalen Abstimmung sein?

 In erster Linie war es ein Konflikt zwischen links und rechts. In der nationalen Abstimmung werden in der bürgerlichen Mitte die Grünliberalen Kernkraftwerke bekämpfen, während bei der CVP mit dem Gegenteil zu rechnen ist. Der Stadt-Land-Gegensatz wird bleiben, denn er hängt mit unterschiedlichen Sozialstrukturen zusammen, die andere Zukunftsvorstellungen haben. Massgeblich wird da sein, wohin die mittleren und kleineren Städte tendieren. Im Kanton Bern waren die grossen Ballungsräume Bern und Biel kritisch, aber schon in der Region Thun stimmte nur die Stadt knapp gegen Mühleberg. In der Romandie und im Tessin gibt es eine ganz andere Dynamik, die im Kanton Bern keine Rolle spielte.

 Einzelne ländliche bürgerliche Gemeinden stimmten gegen AKW.

 Man kann eine gewisse Aufweichung im bürgerlichen ländlichen Raum feststellen. Seehof oder Münchenwiler wurden als Gemeinden an der Kantonsgrenze wohl nicht richtig vom Abstimmungskampf erfasst. Umgekehrt bröckelt im Moment die Zustimmung im nahen Umfeld von Mühleberg. Da dürften die Entschädigungen massgeblich werden. Und schliesslich gibt es Regionen wie die von Brienz, wo die lokalen Ereignisse und Netzwerke entscheidend dafür sein dürften, wohin das Pendel schlägt.

 Die Romandie dürfte 2013 AKW-kritisch stimmen. Manchmal gewinnt sie gemeinsam mit den Deutschschweizer Städten, manchmal siegt die konservative ländliche Schweiz. Was gibt den Ausschlag?

 Bis zur EWR-Abstimmung gab es nur selten Stadt-Land-Konflikte. Dann brach alles auf. 1992 siegte noch die rurale Schweiz, ab 2000 setzte sich meist die urbane durch. Mit der Minarettabstimmung könnte die Wende zurück eingeleitet worden sein. Zwangsläufig ist aber nichts, denn vieles hängt hier von der Mobilisierung ab. Momentan gelingt dies der SVP am besten.

 Die nationale AKW-Abstimmung ist erst 2013. Welche Hausaufgaben müssen die beiden Lager lösen?

 Zentral ist zunächst, wie sie sich aufstellen und wie geschlossen sie sind. Bei der Strombranche wird es kaum eine Änderung geben. Sie haben sich auf zwei Kernkraftwerke festgelegt. Ihre offensichtlichste Schwachstelle ist die Endlagerfrage, weil man hier schon sehr lange dran ist und bisher keine wirkliche Lösung gefunden hat.

 Und die Hausaufgabe der Gegner?

 Die Gegnerseite muss aufzeigen können, dass es in absehbarer Zeit machbar ist, auf erneuerbare Energien umzusteigen. Wenn die Kernenergiekritiker im Januar, als die BKW ihre Ziele für erneuerbare Energie korrigieren musste, eingehakt hätten und glaubwürdig aufgezeigt hätten, dass dies doch möglich ist - dann wäre dies der entscheidende Moment vor der Abstimmung über Mühleberg geworden.

 Das Resultat war knapp. Stehen wir wie in den 1970er- und 1980er-Jahren vor einem langen, zähen Kampf um AKW, der alles blockiert?

 Ich würde den Kernenergiekritikern abraten, darauf zu setzen. Die Debatte dauert nun schon sehr lange. Wenn man auf Moratorien setzt, ohne ein wirklich neues Element in die Debatte einzubringen, schadet dies der Glaubwürdigkeit. 2003 verloren die Kernenergiekritiker mit ihrer Moratoriumsinitiative 13 Prozent Stimmen gegenüber der Abstimmung von 1990. Ich rate beiden Seiten, sich darauf einzustellen, dass in der Volksabstimmung 2013 der finale Entscheid über die Kernenergie fällt.

 Claude Longchamp Der Politologe Claude Longchamp (54) leitet das Institut GfS Bern und ist Lehrbeauftragter an den Universitäten St. Gallen und Zürich. Er führte am Abstimmungssonntag die Hochrechnung zur Mühleberg-Abstimmung durch.

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Radelfingen

 Nachbarn bleiben kritisch gegen AKW Mühleberg

 66 Prozent betrug die Stimmbeteiligung in der Gemeinde Radelfingen bei der Abstimmung zu einem Ersatz-Kernkraftwerk in der Nachbargemeinde Mühleberg. 43,5 Prozent stimmten vergangenen Sonntag für ein neues Kraftwerk, 56,5 Prozent dagegen. Dieses Resultat widerspiegle deutlich die kritische Haltung in der Gemeinde zum Bau eines neuen AKW, teilt der Radelfinger Gemeinderat mit. Der Gemeinderat, der gegen ein neues Kernkraftwerk ist, wolle deshalb die weiteren Verhandlungen "kritisch hinterfragen" und etwa eine Lagerung von radioaktiven Abfällen in Mühleberg "strikte ablehnen".(pd)

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BZ 16.2.11

Radelfingen weiterhin gegen AKW-Neubau

 AKW MühlebergBestärkt durch die hohe Ablehnung bei der Abstimmung, will der Gemeinderat seine kritische Haltung zu einem neuen AKW Mühleberg fortführen.

 Radelfingen grenzt im Süden an die Aare, wo am gegenüberliegenden Ufer das AKW Mühleberg steht. Bei der Abstimmung vom Sonntag hat sich in Radelfingen die mehrheitlich kritische Haltung gegen ein neues AKW gezeigt. Die Stimmbeteiligung betrug satte 66 Prozent. Das Ergebnis fiel in Radelfingen anders aus als im Kanton Bern: 56,5 Prozent stimmten gegen ein neues AKW, 43,5 Prozent dafür.

 Für den Gemeinderat hat das Resultat Signalwirkung, wie er in einer Medienmitteilung festhält. Denn in seiner Politik gegenüber einem AKW-Neubau sieht er sich bestätigt: "Der Gemeinderat, dessen Haltung deutlich ablehnend ist, sieht das Abstimmungsergebnis als klaren Auftrag für das weitere Vorgehen." In den Verhandlungen für den Ersatz des AKW Mühleberg würden die Behörden eine aktive Rolle übernehmen und Themen wie Kühlturm, Verkehr, Logistik und Stromleitungen kritisch hinterfragen.

 Eine Lagerung von mittel- und hoch radioaktiven Abfällen in Mühleberg lehnt der Gemeinderat "strikte" ab. Ein Thema sind auch die Finanzen: Der Gemeinderat will sich "für eine optimale Lösung einer finanziellen Entschädigung" von Radelfingen einsetzen.
 hrh

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NZZ 16.2.11

Waadtländer Grosser Rat für AKW

 (sda) · Das Waadtländer Kantonsparlament empfiehlt den Stimmbürgern, die Standorte Gösgen und Mühleberg für künftige Atomkraftwerke anzunehmen, Beznau jedoch abzulehnen. Am 15. Mai findet dazu eine kantonale Konsultativabstimmung statt. Nach zahlreichen Wortmeldungen fielen die Entscheide des Grossen Rates in einer ersten Lesung jeweils knapp und inkohärent aus.

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Le Temps 16.2.11

L'atome sème la confusion au parlement vaudois

 Les députés ont voté à géométrie variable les préavis sur les projets de centrales

Marco Danesi

 Le nucléaire a irradié le parlement vaudois. Appelés à formuler les préavis pour la votation cantonale consultative du 15 mai, exigée par la Constitution, sur les demandes d'autorisation pour les projets de centrales à Beznau (AG), Mühleberg (BE) et Gösgen (SO), les députés ont dit non à la première et oui aux deux autres. Les élus se sont ensuite prononcés contre les études de "dépôt en couches géologiques profondes" des déchets radioactifs. La consultation fédérale à laquelle répond le canton sert de préambule à une probable votation nationale en 2013 sur la construction d'une ou plusieurs centrales en Suisse.

 "C'est du n'importe quoi", s'est exclamée, à la fin des débats, Béatrice Métraux, cheffe de groupe des Verts. D'autant que la commission parlementaire chargée d'examiner la question avait désavoué à 6 contre 5 tous les préavis gouvernementaux favorables aux autorisations.

 Lors de ce premier débat, le bras de fer entre la gauche, hostile au nucléaire, et la droite, a été arbitré par l'Alliance du centre, divisée, et quelques dissidents apparus chez l'UDC et les socialistes. A une reprise, il a fallu la voix de la présidente du Grand Conseil, la libérale Claudine Wyssa, pour départager les belligérants.

 Deux jours après le feu vert bernois à une nouvelle Mühleberg, les Vaudois ont pu ressasser tout l'argumentaire pour et contre l'atome. Comme en 2009, quand ils avaient refusé le prolongement de l'exploitation du site par 64,3% des voix. Chaque camp s'est prétendu réaliste face à l'irresponsabilité des autres.

 Les partisans de l'uranium ont cependant nuancé leur soutien, autrefois plus enthousiaste. Le nucléaire est devenu un mal nécessaire. Impossible, pour l'heure, de s'en passer, ont répétés libéraux, radicaux, UDC et PDC. Les énergies renouvelables et la réduction de la consommation ne suffiront pas à combler les besoins d'une démographie galopante et l'appétit énergétique d'entreprises de plus en plus nombreuses, a indiqué le libéral Guy-Philippe Bolay, rapporteur de minorité de la commission.

 Il s'agit, a expliqué la conseillère d'Etat radicale Jacqueline de Quattro, d'assurer la transition vers un autre régime d'approvisionnement. Selon la magistrate, le salut se niche dans la complémentarité, en suivant la politique des quatre piliers de la Confédération: renouvelable, économies, collaboration internationale et centrales nucléaires ou à gaz. Bref, ne fermons pas la porte, a plaidé Frédéric Borloz, président de la députation radicale. Car on ne construira pas trois centrales, mais probablement une seule, a insisté le syndic d'Aigle.

 De son côté, Raphaël Mahaim, rapporteur pour la majorité de la commission, a évoqué les coûts exagérés du nucléaire aux dépens des énergies propres. L'élu vert a également attaqué les clichés colportés par les défenseurs de l'atome: autonomie énergétique, absence d'émissions de CO2 et risque d'un retour à la bougie. Il a aussi déploré les conditions "catastrophiques" d'extraction de l'uranium. Les adversaires du nucléaire ont également contesté le caractère temporaire des nouvelles installations. Vu les temps de réalisation et leur durée de vie, a bondi le socialiste Michel Renaud, elles vont tourner pendant 50 ans, voire un siècle. Enfin, ils ont agité le casse-tête des déchets, véritables bombes à retardement.

 A défaut de dégager des majorités claires et stables, le jeu des présents et des absents risque de décider de l'issue du deuxième débat prévu pour mardi prochain.

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24 Heures 16.2.11

Grand Conseil

Les députés se retrouvent en pleine crise nucléaire

Mehdi-Stéphane Prin

 Le législatif soutient les projets bernois et soleurois de nouvelles centrales, mais pas celui de Beznau en Argovie

 Mehdi-Stéphane Prin

 Le retour de la question nucléaire devant le Grand Conseil s'annonçait explosif. Le résultat du premier débat n'a pas déçu les espérances. Après plus de trois heures de discussions électriques, les députés ont donné, pour l'instant, des mots d'ordre contradictoires aux électeurs.

 S'ils suivent le 15   mai prochain ce premier avis du législatif, les Vaudois doivent glisser un oui aux projets de nouvelles centrales à Niederamt (SO) et Mühleberg (BE). En revanche, ils sont priés de dire non à celui de Beznau (AG), tout comme à l'enterrement des déchets en profondeur. Des votes particulièrement serrés, se jouant à deux voix près au maximum.

 Les électeurs décideront

 Autant dire que le deuxième débat la semaine prochaine risque de transformer les oui en non, ou l'inverse. Son résultat se jouera certainement sur le nombre d'absents dans deux camps à couteaux tirés. Pour l'occasion, la gauche s'est alliée aux Vert'libéraux, à quelques centristes et à l'UDC Fabienne Despot pour dire non au nucléaire. Le reste de la droite a fait bloc, mais a cependant perdu deux préavis sur quatre. Inutile de chercher une véritable logique dans ce résultat. Le Grand Conseil n'a pas examiné les trois centrales séparément. "Honnêtement, le moins mauvais projet était celui de Beznau, et c'est pourtant celui qui a été refusé", s'étonnait, après le résultat, le socialiste Michel Renaud, antinucléaire de la première heure.

 Formellement, le Grand Conseil se contente de donner une recommandation aux électeurs vaudois. Ceux-ci décideront le 15   mai prochain si les préavis du canton sur des consultations fédérales concernant les nouvelles centrales sont négatifs ou positifs. Un enjeu avant tout symbolique. Ce qui n'a pas empêché le Grand Conseil de faire un débat digne des Chambres fédérales sur la question du nucléaire.

 Le Vert Raphaël Mahaim a violemment attaqué les trois projets de nouvelles centrales. "Ce sont des mesures d'acharnement thérapeutiques pour des technologies dépassées. " En face, le libéral Guy-Philippe Bolay a tenté de jouer la corde du pragmatisme. "Ce n'est pas un combat pour ou contre le nucléaire, il s'agit d'une question d'approvisionnement en énergie du pays et de son économie. "

 De nombreux élus de droite se sont succédé pour dire leur crainte du nucléaire, tout en défendant la construction d'une nouvelle centrale "pour une période transitoire". De quoi mettre en pétard pendant plusieurs minutes Michel Renaud. "Ce qui me choque le plus, c'est la légèreté avec laquelle on traite la question des déchets. "

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Le Nouvelliste 16.2.11

Le Valais ne joue pas le gaz contre l'atome

 ÉNERGIE Le Gouvernement valaisan se prononcera le mois prochain sur le renouvellement du parc nucléaire. A titre personnel, le conseiller d'Etat Jean-Michel Cina soutient à la fois le gaz et l'atome.

 De Berne

 Le Gouvernement neuchâtelois a suscité la surprise, lundi, en se prononçant contre la construction de nouvelles centrales nucléaires destinées à renouveler le parc nucléaire vieillissant de la Suisse. Il estime que la construction de centrales à gaz permettra de combler le trou énergétique qui se profile à l'horizon 2020. Neuchâtel envisage justement un projet de ce type à Cornaux. Le Valais n'est pas en reste avec le projet de centrale à gaz de Chavalon. Il est cependant peu probable que le Conseil d'Etat s'aligne sur la position du Gouvernement neuchâtelois. A titre personnel, le chef du Département de l'économie, énergie et territoire Jean-Michel Cina estime que la Suisse ne pourra pas faire l'économie d'au moins une nouvelle centrale nucléaire.

 Le Conseil d'Etat adoptera une position officielle le mois prochain. Elle sera soumise au Grand Conseil qui l'examinera lors de la session de juin.

 Deux projets

 Rappelons que les fournisseurs d'électricité Axpo, Alpiq et FMB souhaitent construire deux nouvelles centrales atomiques. Ils n'ont pas encore fait leur choix entre les sites de Beznau (AG), Gösgen (SO) et Mühleberg (BE) mais ils ont déjà déposé une demande d'autorisation sur laquelle le Conseil fédéral se prononcera l'an prochain. D'ici là, les cantons sont invités à donner leur avis. Celui de Neuchâtel a étonné car son gouvernement est à majorité bourgeoise. Il table sur les centrales à gaz comme solution intermédiaire avant que les énergies renouvelables n'aient développé tout leur potentiel. Contrairement au nucléaire, ces centrales présentent l'avantage de pouvoir être démantelées sans danger pour le site et sans produire de déchets dangereux, si ce n'est des émissions de CO2 qui doivent être intégralement compensées. Le conseiller d'Etat neuchâtelois Claude Nicati ne cache pas que les intérêts économiques du canton ont joué un rôle dans le choix du gaz. Qu'en est-il en Valais? "Le projet de Chavalon est un des éléments qui alimentera notre réflexion, tout comme le potentiel de développement de l'énergie hydraulique, répond Jean-Michel Cina. J'estime néanmoins que l'on ne peut pas se contenter de défendre des intérêts cantonaux dans ce dossier. L'approvisionnement en énergie concerne toute la Suisse. A mon avis nous aurons besoin à la fois de centrales à gaz et d'une ou deux nouvelles centrales nucléaires. Je ne suis pas en mesure d'en préciser le nombre pour l'instant."

 Au printemps

 Chavalon sera à l'agenda des Chambres fédérales lors de la session de printemps. Le 7 mars, les sénateurs doivent se pencher sur une motion du libéral radical zurichois Felix Gutzwiller qui s'oppose à l'octroi d'un traitement de faveur au site valaisan. Explication: alors que le Parlement n'a pas voulu d'une "lex Chavalon" autorisant un rendement minimum inférieur pour les centrales construites sur un site préexistant, le Conseil fédéral a malgré tout autorisé une solution différenciée dans son ordonnance. Elle exige un rendement minimum de 62%, mais Chavalon pourra se contenter de 58,5%. Pour le Zurichois, cette différence de traitement est inacceptable. Il exige que le gouvernement modifie son ordonnance. Le cas échéant, cela compromettrait la viabilité du site valaisan et renforcerait l'option nucléaire.

CHRISTIANE IMSAND

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Finanz und Wirtschaft 16.2.11

"Kernkraft auch künftig nötig"

 Gerold Bührer Präsident Economiesuisse

Peter Morf

 n Herr Bührer, die Stimmbürger des Kantons Bern haben am vergangenen Wochenende knapp Ja gesagt zu einem allfälligen Ersatz des Kernkraftwerks Mühleberg am selben Ort. Haben Sie diesen Ausgang erwartet?

 Ja, ich habe mit einer knappen Zustimmung gerechnet. Angesichts des deutlichen Engagements der Berner Regierung, besonders von Baudirektorin Barbara Egger, gegen die Vorlage können wir mit dem Resultat zufrieden sein.

 n Die Linke und die Grünen interpretieren die Abstimmungsniederlage um zu einem Erfolg. Was ist von derartigen Klimmzügen zu halten?

 Das gehört anscheinend einmal mehr zur Abstimmungsrhetorik schlechter Verlierer. Es ist nicht wegzudiskutieren, dass die Mehrheit kernenergiefreundlich entschieden hat.

 n Welche energiepolitische Bedeutung hat die Abstimmung, die ja keinen bindenden Charakter hatte?

 Sie setzt selbstverständlich ein positives Signal zugunsten des wahrscheinlich Ende 2013 stattfindenden Referendums über die Rahmenbewilligung der zwei Ersatz-Kernkraftwerke. Sie macht deutlich, dass die Mehrheit der Bevölkerung der Auffassung ist, dass es neben allen anderen Anstrengungen die Kernenergie auch zukünftig braucht.

 n In der Energiepolitik dreht sich die Debatte seit Jahren mehrheitlich um die Frage Kernenergie oder erneuerbare Energien. Sollte dieses Entweder-oder nicht durch ein offeneres Sowohl-als-auch ersetzt werden?

 Ja, diese Fragestellung ist längst überholt. Die Förderung der erneuerbaren Energien einerseits und der Einsatz für die modernste Technologie in der Kernenergie andrerseits sind keine Gegensätze. Wir sollten hier endlich die "Betonkopfmentalität" an den Nagel hängen und im Interesse einer klimafreundlichen Gewährleistung der Stromsicherheit auf beiden Schienen aktiv bleiben. Das ist seit langem die feste Überzeugung von Economiesuisse.

 n Wie soll sich der Staat gegenüber diesen Technologien verhalten?

 Dem Staat kommt hier, wie bei anderen neuen Technologien auch, besonders auf zwei Ebenen eine Aufgabe zu. Erstens geht es in Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft um die Forschung und Entwicklung. Zweitens müssen die Rahmenbedingungen so gesetzt werden, dass die Anwendung neuer Technologien positiv begleitet und nicht gebremst wird.

 n Sehen Sie aus dem Ergebnis im Kanton Bern direkte Konsequenzen für eine gesamtschweizerische, verbindliche Abstimmung über neue Kernkraftwerke, die in ungefähr zwei bis drei Jahren folgen dürfte?

 Das Ergebnis des Kantons Bern ist ein gutes Zeichen für die gesamtschweizerische Abstimmung. Ein wichtiges vertrauensbildendes Signal sehe ich auch darin, dass in der Standortgemeinde Mühleberg selbst eine überdurchschnittlich hohe Zustimmung der Bevölkerung resultierte.

 n Wie beurteilen Sie die Chancen der Kernenergie in der bevorstehenden Ausmarchung an der Urne?

 Selbstverständlich bleiben wir gefordert, weiterhin Überzeugungsarbeit zu leisten. Hierbei muss es vor allem darum gehen, dass die modernste und sicherste Reaktortechnologie zum Zug kommt. Gleichzeitig müssen wir gerade auch vonseiten der Wirtschaft darüber hinaus den Tatbeweis erbringen, dass uns die Effizienzsteigerung und der Einsatz alternativer Energien am Herzen liegen.

 n Was wären die Konsequenzen eines Nein?

 Die sichere und klimafreundliche Stromversorgung wäre gefährdet. Zusätzlich zum Wegfall zweier Kernkraftwerke werden ab 2018 auch die langfristigen Stromlieferverträge mit Frankreich auslaufen. Nimmt man dazu noch die ökologisch zu begrüssende Substitution der fossilen Brennstoffe durch Strom, wird deutlich, dass die Auslandabhängigkeit und somit die Unsicherheit massiv zunehmen würden. Zusammen mit dem dadurch zu erwartenden deutlichen Anstieg der Energiepreise hätte dies erhebliche negative Auswirkungen auf unsere gesamte Volkswirtschaft und auf die Arbeitsplätze zur Folge.

 Interview: Peter Morf

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Bund 15.2.11

Mühleberg-Abstimmungskampf war viel teurer als vorgesehen

 AKW-Befürworter haben fast doppelt so viel Geld ausgegeben als geplant. Von einem Kampf zwischen Goliath und David könne trotzdem keine Rede sein, sagt ein Experte.

 Bis entschieden ist, ob in der Schweiz neue Atomkraftwerke gebaut werden, stehe uns einer der teuersten Abstimmungskämpfe überhaupt bevor, schrieb die "NZZ am Sonntag" kürzlich. Klar ist bereits, dass die wichtige Vorentscheidung, welche am Sonntag im Kanton Bern gefallen ist, mehr gekostet hat als geplant. Um sicherzustellen, dass das Berner Stimmvolk Ja sagt zu einem zweiten AKW in Mühleberg, hat das offizielle Komitee der Befürworter laut eigenen Angaben 350 000 Franken ausgegeben - vorgesehen waren ursprünglich 200 000. Auch die Aktion für eine vernünftige Energiepolitik (Aves) hat gemäss ihrem Präsidenten, FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen, tiefer in die Tasche gegriffen. Im Dezember war Wasserfallen noch von 150 000 Franken ausgegangen, geworden sind es nun über 200 000. Der Energiekonzern BKW sagte gestern gegenüber dem "Bund", dass 130 000 Franken in eine "Informationszeitung" investiert worden seien, die an 400 000 Haushalte verschickt worden ist.

 Hinzu kämen 210 000 Franken für die von der BKW organisierten Tage der offenen Tür an verschiedenen Orten, die mit Atomenergie zu tun haben. In der Waadt hatte die BKW vor zwei Jahren für die Kampagne vor der konsultativen Abstimmung zu Mühleberg allerdings 500 000 Franken ausgegeben.

 Gegner gaben nicht alles Geld aus

 Das offizielle Gegner-Komitee gibt hingegen an, sein Budget von 200 000 Franken nicht ausgeschöpft zu haben. "Wir haben 150 000 bis 180 000 Franken aufgewendet", sagt Jörg Rüetschi von der Umweltschutzorganisation WWF. Wie geplant 150 000 Franken hat die Gruppe Neue Energie Bern - bestehend aus Unternehmern, die von einem Atomausstieg profitieren würden - ausgegeben. Zwischen mehreren Zehntausend und über hunderttausend Franken dürfte Greenpeace im Kampf gegen Mühleberg II aufgebracht haben. Und bereits im November lag den grossen Tageszeitungen eine Werbebeilage für erneuerbare Energien bei, die Basel-Stadt wohl mehrere Hunderttausend Franken kostete.

 Bleiben noch die politischen Parteien: Ihr finanzielles Engagement dürfte sich in beiden Lagern etwa die Waage gehalten haben.

 Überdurchschnittlich für Bern

 "Insgesamt kann man sicher sagen, dass die Ausgaben im Abstimmungskampf für bernische Verhältnisse überdurchschnittlich hoch waren", sagt Kampagnenspezialist Mark Balsiger. Allerdings würden die Budgets oft überschätzt. "Und häufig stellen sich Umweltschutzorganisationen als David dar, die gegen Goliath antreten müssen - in diesem Fall gegen eine finanziell viel besser ausgestattete Nuklearbranche." Dieses Bild stimme aber nicht, in Wirklichkeit seien die Verhältnisse ausgewogener. "Die AKW-Befürworter dürften finanziell allerdings schon einen längeren Atem gehabt haben. Sie haben meiner Meinung nach zwischen 400 000 und 800 000 Franken ausgegeben. Die Gegner haben aber zweifellos auch zwischen 300 000 und 500 000 Franken investiert."(sn)

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Presseschau: Die Landkarte der AKW-Politik

 Das knappe bernische Ja zu Mühleberg II stiess in der Presse auf reges Interesse - und führte zu regional gefärbten Kommentaren.

 Simon Thönen

 Etliche schweizerische Pressestimmen zur bernischen AKW-Abstimmung spiegelten gestern regionale Positionen zur Atomkraft - sie zeigen eine Art Landkarte des AKW-Konflikts. Das "Oltner Tagblatt" etwa ist die Zeitung der Region um das AKW Gösgen. Der Kommentator interessiert sich deshalb vor allem dafür, wie der bernische Entscheid die Chancen eines neuen Atomkraftwerks in Gösgen beeinflusst - nicht positiv, findet er: "Mühleberg hat nun auch eine Trumpfkarte: einen positiven Volksentscheid."

 Nüchterner sieht dies der Sprecher des Stromkonzerns Axpo, der bei allen drei AKW-Projekten den grössten Teil der Investitionen tragen wird - und damit der zentrale nukleare Spieler ist. Die bernische Abstimmung habe keinen Einfluss auf die Standortfrage, wird er im "St. Galler Tagblatt" zitiert - ausser, dass Mühleberg nun im Rennen bleibt.

 Als Stimme des Atomkantons schlechthin macht sich die "Aargauer Zeitung" Gedanken darüber, wie die kommende nationale Volksabstimmung über AKW gewonnen werden könnte. Nicht mit einer Informationspolitik, wie die BKW sie betreibt, findet das Blatt: "Insbesondere vom Leiter Konzern- und Markenkommunikation heisst es, er würde die Öffentlichkeit erst dann über die Vorgänge in Mühleberg informieren, wenn das AKW in die Luft geflogen ist." Die Branche müsse offener kommunizieren, wenn sie glaubwürdig sein wolle, "auch über die heiklen Seiten der Atomenergie". Das Blatt bezeichnet andererseits die bernischen AKW-Gegner als "zwangsoptimistisch", weil sie ihre knappe Niederlage als Erfolg feierten.

 "Atombranche unter Druck"

 Von der Hochburg der AKW-Gegner aus sieht die "Basler Zeitung" im Kommentar die "Atombranche unter Druck". Wenn selbst ein Standortkanton, der über Arbeitsplätze und Steuern direkt von einem AKW profitieren würde, so skeptisch sei, "erwartet die Stromkonzerne bis zum nationalen Volksentscheid 2013 ein harter und kostspieliger Abstimmungskampf". Unter Druck gerate die Nuklearbranche auch wirtschaftlich: "Ohne Staatsgarantien wird in der Schweiz kaum eine Baustelle eröffnet." "Le Temps" aus der ebenfalls AKW-kritischen Westschweiz titelte: "Minimale Unterstützung der Berner für Mühleberg".

 Eine "dünne Ja-Mehrheit zur Atomkraft" registriert auch der "Winterthurer Landbote", die Stimme eines urbanen Subzentrums. Der "Tages-Anzeiger", die Partnerzeitung des "Bund", stellt einen selten "tiefen Graben zwischen Stadt und Land" fest. Nicht nur bei der Waffenschutz-Initiative, sondern auch bei "der Berner AKW-Abstimmung unterliegt die urbane Schweiz" - die Niederlage der "offenen urbanen Schweiz" wird nicht positiv bewertet.

 "Auf Messers Schneide"

 Der Kommentar der ebenfalls in der Grossstadt Zürich erscheinenden "Neuen Zürcher Zeitung" konstatiert dagegen mit einem gewissen Wohlwollen: Es bestehe "ein Misstrauen gegenüber allzu visionären, von einem urbanen Mainstream getragenen Vorstellungen zur Entwicklung erneuerbarer Energien und Energiesparmassnahmen". Fazit: "AKW weiterhin mehrheitsfähig". Allerdings lässt die NZZ offen, wie lange dies so bleiben wird: "Die Energiepolitik bleibt auf Messers Schneide." Einfacher drückt sich der "Blick" aus. "Berner Volk akzeptiert neues AKW", titelte das Boulevardblatt.

 Für den Kommentator in der "Südostschweiz" bleibt nach dem Berner Urnengang alles offen: "Zur Zukunft der Atomenergie in der Schweiz signalisiert das ‹Signal› aus Bern überhaupt nichts. Das Volk spaltet sich weiterhin in zwei nahezu gleich grosse Gruppen. Das‹Rennen› bleibt ein Dauerlauf mit vielen Hürden." In der nationalen AKW-Abstimmung könne "die Stimmung auf die eine oder andere Seite kippen".

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SVP will den angestrebten Atomausstieg des Kantons kippen

 Die Regierung politisiere am Volk vorbei, findet die Volkspartei - und versucht, den Kurs zu "korrigieren".

 Sarah Nowotny

 Mittelfristig steigt der Kanton Bern aus der Atomenergie aus. Auf eine Energiestrategie mit diesem Ziel einigten sich die rot-grüne Regierung und das bürgerliche Parlament vor fünf Jahren nach langem Hickhack. Doch als Folge des knappen Ja zu einem neuen Atomkraftwerk in Mühleberg am Sonntag droht der geplanten Abkehr von AKW das endgültige Aus. Die SVP plant, den angestrebten Ausstieg im Grossen Rat zu Fall zu bringen. "Wir werden einen entsprechenden Vorstoss einreichen", sagt Fraktionschef Peter Brand auf Anfrage. Der Volksentscheid zeige, dass die Berner und Bernerinnen auch mittelfristig Atomstrom wollten. "Es wundert mich deshalb, dass Energiedirektorin Barbara Egger sagt, sie freue sich über das Abstimmungsresultat. Wie lange will die Regierung noch am Volk vorbeipolitisieren?" Mit dieser Ankündigung der SVP gerät ein weiterer wesentlicher Pfeiler der Energiepolitik ins Wanken, mit welcher die Regierung eigene Akzente setzen und den Kanton zu einem schweizweiten Vorreiter machen möchte.

 "Nichts überstürzen"

 Noch am Sonntag hatte SP-Regierungsrätin Egger gesagt, sie akzeptiere das Verdikt des Stimmvolks, sehe aber keinen Anlass für einen Kurswechsel in Sachen Energie. Vielmehr wolle sie weiterhin kritische Fragen zu AKW stellen und so jenen zahlreichen Bernerinnen und Bernern eine Stimme geben, die sich gegen das AKW ausgesprochen hätten. Da wäre es zweifellos hilfreich, sich darauf berufen zu können, dass Bern die Kernkraft ja hinter sich lassen wolle - gerade im Hinblick auf die nationale Abstimmung in zwei Jahren, in deren Rahmen die Schweizer verbindlich entscheiden werden, ob sie neue AKW möchten. Auch diesen Frühling wäre der Verweis auf den geplanten Atomausstieg nützlich für die Regierung und andere AKW-kritische Kreise. Denn das Stimmvolk entscheidet am 15. Mai, ob in Bern eine Förderabgabe auf Strom eingeführt werden soll, dank der Häuser besser isoliert werden könnten - was wiederum den Energiekonsum etwas eindämmen würde und somit AKW aus Sicht der Gegner ein bisschen überflüssiger macht.

 Ob der Kanton tatsächlich bald offiziell absieht vom mittelfristigen Atomausstieg, hängt in erster Linie davon ab, ob die SVP Verbündete für ihr Vorhaben findet. Noch äussern sich die anderen bürgerlichen Parteien vorsichtig bis ablehnend. "Natürlich nehmen wir den Volksentscheid ernst und stellen fest, das er nicht übereinstimmt mit den Zielen der Regierung", sagt BDP-Grossrat Mathias Tromp. Aber die Frage des Atomausstiegs sei von entscheidender Wichtigkeit und die BDP wolle deshalb nichts überstürzen. "Wir suchen jetzt erst einmal das Gespräch mit anderen bürgerlichen Parteien." Hätten 60 Prozent der Stimmbürger für ein neues AKW votiert, wäre die Sache klar gewesen, sagt FDP-Grossrat Peter Flück. "Das knappe Resultat zeigt aber, wie gross die Skepsis gegenüber AKW ist. Deshalb kann man nicht sagen, die Energiepolitik der Regierung sei völlig verfehlt." Im Vordergrund stehe nun die Förderung von Wind-, Wasser- und Solarstrom - "damit AKW eines Tages im Gegensatz zu heute nicht mehr nötig sind".

 Überhaupt keinen Widerspruch zwischen den Ausstiegsgelüsten der Regierung und dem Ja des Volks zu Mühleberg II sieht SP-Präsident Roland Näf. "Ich fände es sogar begrüssenswert, wenn die Regierung angesichts des knappen Resultats erklären würde, dass die Fortsetzung des Mühleberg-Projekts demokratiepolitisch heikel ist - an solchen Konflikten kann die Gesellschaft kaputtgehen".

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 "Abtrünnige" Oberhasler Warum die Brienzer kein AKW wollen

 Aus all den Oberländer Gemeinden, die sich klar für ein neues Atomkraftwerk in Mühleberg ausgesprochen haben, stechen die "Abtrünnigen" am oberen Ende des Brienzersees hervor. Es ist eine der Auffälligkeiten des Abstimmungssonntags, dass Brienz, Schwanden und Brienzwiler Mühleberg II nicht wollen ("Bund" von gestern). Pikant ist das Resultat deshalb, weil sich der prominenteste Brienzer - der kantonale FDP-Präsident und Nationalrat Peter Flück - für ein neues AKW einsetzt. "Die Brienzer wollten sicher nicht Peter Flück abstrafen", sagt Gemeinderatspräsidentin Annelise Zimmermann (FDP). Vielmehr habe sie das Hochwasser von 2005, bei dem in Brienz zwei Menschen starben, nachhaltig beeindruckt. "Wir denken seither immer auch an die Umwelt." Ausserdem sehe man oben am Brienzersee, dass Strom aus Wasser ein grosses Potenzial habe. "Wird eines Tages ein Pumpspeicherwerk gebaut, welches Wasser aus dem See bezieht, schlagen wir zwei Fliegen mit einer Klappe: Wir decken unseren Strombedarf und können hohen Seeständen vorbeugen." Im Gegensatz zu den Gemeinden an der Grimsel, die von der Wasserkraft lebten, seien die Brienzer zudem nicht der AKW-freundlichen Kraftwerke Oberhasli AG verpflichtet. Auch Flück hat kein Problem mit dem Ergebnis in seiner Heimatgemeinde. Er sieht den Grund darin, dass sich Brienz und seine Nachbarn intensiv mit Wasserkraft beschäftigten. "Ich habe mich an meinem Wohnsitz in Energiefragen nie exponiert", sagt er. Auch andere Auffälligkeiten in Berner Gemeinden lassen sich übrigens seit gestern erklären: In Krattigen wurden die Resultate vertauscht, die Kommune sagt wie ihre Nachbarn Ja. Malleray lehnt das AKW dafür ab - anders als zuerst kommuniziert. (sn)

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BZ 15.2.11

Nur ein neues AKW?

 Atomenergie Das knappe Abstimmungsergebnis im Kanton Bern vom Sonntag lanciert die AKW-Debatte in der Schweiz neu. Und es stärkt das Selbstvertrauen der Atomkraftgegner, die nun den Druck auf den Bundesrat erhöhen. Grüne-Nationalrätin Franziska Teuscher verlangt von der Regierung, dass sie aufzeigt, ob der Bau von neuen Atommeilern der Schweiz volkswirtschaftlich wirklich etwas bringt. Die AKW-Gegner glauben die Antwort zu kennen: Ihrer Meinung nach lässt sich ein neues AKW kaum rentabel betreiben.

 Betrachtet man den zunehmenden Druck, so ist es zumindest denkbar, dass die Bundespolitik zurückbuchstabiert und am Ende nicht zwei, sondern maximal ein neues AKW realisieren will.phmSeite 11

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Bern macht der Politik das Leben schwer

 AKW-DebatteNach dem knappen Abstimmungsergebnis im Kanton Bern wittern die AKW-Gegner Morgenluft. Gut möglich, dass sie die Bundespolitik dazu bringen, zurückzubuchstabieren und sich auf den Bau von nur einem AKW zu konzentrieren. Der Poker geht in die nächste Runde.

 Kaiseraugst, 1988: Am 3. März bodigen 26 National- und Ständeräte um den damaligen SVP-Nationalrat Christoph Blocher mit zwei Motionen die Pläne für ein neues Atomkraftwerk in Kaiseraugst. Nicht, dass Blocher und seine Mitunterzeichner gegen die Atomkraft gewesen wären, im Gegenteil. Man habe jedoch erkennen müssen, dass es unverantwortlich wäre, für das AKW Kaiseraugst weitere Kosten auflaufen zu lassen, wenn man wisse, dass es doch nie gebaut werde, sagte Blocher damals.

 Die Bevölkerung hatte diesen Entscheid durch jahrelangen und unerbittlichen Widerstand herbeigeführt.

 Gegner kämpfen weiter

 Dieses Ereignis ist 23 Jahre her - und doch topaktuell. Denn erneut steht in der Schweiz der Bau von neuen Atomkraftwerken zur Debatte. Und weil sich die AKW-Gegner spätestens seit vergangenem Sonntag im Aufwind befinden, als die Berner Stimmbevölkerung dem Neubauprojekt Mühleberg II nur hauchdünn den Rücken stärkten, dürften sie ab sofort noch leidenschaftlicher gegen neue AKW kämpfen.

 Ein ganz so grosses Chaos wie 1988 ist indes nicht zu erwarten. Denn im Vergleich zu damals darf das Stimmvolk diesmal anlässlich einer nationalen Volksabstimmung selber bestimmen, ob und wo es neue Atommeiler will.

 Nur ein neues AKW?

 Nun sind die Bundespolitiker am Zug. Sie werden das Abstimmungsergebnis aus Bern in ihre Überlegungen einfliessen lassen müssen. Denn Beobachter gehen davon aus, dass der Kanton Bern aufgrund seiner Struktur und seinen ländlichen und städtischen Gebieten die Schweiz ziemlich gut abbildet und eine nationale AKW-Abstimmung deshalb ähnlich ausgehen könnte wie jene in Bern.

 Das bedeutet, dass sich der Bundesrat und die eidgenössischen Räte Gedanken darüber machen müssen, ob es bei der hohen Anzahl Nein-Stimmen, wie sie in Bern eingelegt wurden, Sinn macht, dem Stimmvolk den Bau von zwei neuen AKW vorzuschlagen. Oder ob der Bundesrat, der bislang davon ausging, dass zum Strommix auch Atomkraftwerke gehören, gut daran täte, nur ein neues AKW vorzuschlagen.

 Der Bundesrat hat bis im Sommer 2012 Zeit, dem Parlament seine Botschaft zu übermitteln. National- und Ständerat können dann noch nachbessern, bevor das Volk den definitiven Entscheid fällt. Auffallend ist, dass sich heute kaum ein Politiker aus seinem Schützengraben herauswagt. Die allermeisten Parteiexponenten halten an ihrer Position fest. Die politische Linke beharrt auf dem Atomausstieg, für FDP-Hardliner wie den Solothurner Ständerat Rolf Büttiker oder den Berner Nationalrat Christian Wasserfallen führt kein Weg an zwei neuen Atommeilern vorbei.

 Grunder ist kompromissbereit

 Der Einzige, der etwas Boden preisgibt, ist Hans Grunder, BDP-Präsident und -Nationalrat. Als Energiepolitiker und Mitglied der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie bestimmt er mit, wohin die Reise geht. Gestern sagte er auf Anfrage: "Ich bin zwar grundsätzlich auch der Meinung, dass es zwei neue Atomkraftwerke braucht. Unter Umständen könnte ich aber auch damit leben, wenn wir nur ein neues AKW bauen." Dafür müssten aber für Grunder wichtige Bedingungen erfüllt sein: Die Ziele für erneuerbare Energien müssten neu definiert und heraufgesetzt werden. "Zudem müssten wir über die kostendeckende Einspeisevergütung stärkere Anreize bieten."

 Druck auf Bundesrat steigt

 Grüne-Nationalrätin Franziska Teuscher trägt das gestärkte Selbstbewusstsein der Atomgegner ins Bundeshaus und erhöht den Druck auf den Bundesrat: "Er muss der Bevölkerung nun unmissverständlich erklären, was der Schweiz volkswirtschaftlich mehr bringt: der Bau von neuen Atommeilern oder die Investition in erneuerbare Energien." Sie persönlich sei überzeugt davon, dass in der Schweiz nie mehr Atomkraftwerke gebaut werden.

 Philippe Müller

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Hermiswil stimmt anders als die anderen

 RegionAls einzige Gemeinde im Oberaargau ist Hermiswil gegen den Bau eines neuen Atomkraftwerks in Mühleberg.

 Mit 51,2 Prozent Ja hat sich das Berner Stimmvolk am Wochenende für den Bau eines neuen Atomkraftwerks (AKW) in Mühleberg ausgesprochen. Im Verwaltungskreis Oberaargau betrug die Zustimmung gar 56,4 Prozent. Doch nicht in allen 47 Gemeinden gab es ein Ja: Die Stimmberechtigten von Hermiswil sagten mit 57,4 Prozent Nein zu einem neuen AKW. Von den 72 Stimmberechtigten gingen 47 an die Urne; 27 stimmten Nein, ein Ja legten nur 20 ein.

 Knapp fiel die AKW-Abstimmung in Schwarzhäusern aus: mit 103 Ja (50,5 Prozent) gegen 101 Nein (49,5 Prozent). In Inkwil sagten 52 Prozent der Stimmenden Ja, in Langenthal 52,6 Prozent und in Walliswil bei Wangen 52,8 Prozent.

 Hermiswil fällt aber nicht nur bei der AKW-Abstimmung auf: In der 92-Seelen-Gemeinde am Rande des Oberaargaus resultierte auch die mit Abstand tiefste Ablehnung der Waffenschutz-Initiative. Nur 54,2 Prozent der Stimmenden sagten Nein. Es folgen Langenthal und Herzogenbuchsee mit Nein-Anteilen von 61,7 Prozent.

 Der ganze Oberaargau schickte die Initiative mit 71 Prozent bachab. Am grössten war die Abfuhr in Berken mit 93,3 Prozent Nein.

 Und auch bei der dritten Vorlage stimmten die Hermiswiler anders als die Mehrheit: Wie die Stimmenden von Berken unterstützten sie bei den Motorfahrzeugsteuern entgegen der ganz klaren Mehrheit im Oberaargau und der äusserst knappen Mehrheit im Gesamtkanton auch bei der Stichfrage die Ecotax-Vorlage von Regierungsrat und Parlament. In Berken wars mit 15 zu 14 Stimmen knapp, in Hermiswil mit 22 zu 16 deutlicher.

 Auswil demgegenüber, die Wohngemeinde von Garagier und Volksvorschlag-Sieger Hannes Flückiger, lehnte Ecotax ganz klar ab.

 "Offen, nicht verknorzt"

 Dass Hermiswil politisch nicht immer gleich tickt wie andere Gemeinden, zeigt auch die Tatsache, dass dort die Frauen im Gemeinderat in der Mehrheit sind. "Wir sind sehr offen, nicht verknorzt", sagt Gemeindepräsident Hans-Ulrich Werren. In der Gemeinde werde viel diskutiert. Und die Gemeindeversammlungen seien immer gut besucht.

 Ist denn Hermiswil politisch eher links eingestellt? "Nein, das glaube ich nicht", sagt Werren. Er habe bislang nicht wahnsinnig viele Linke festgestellt. "Bei der AKW-Frage ist es wohl eher so, dass viele Bürgerinnen und Bürger alternativen Energien den Vorzug geben."

 Festgestellt hat Werren, dass die Hermiswiler Abstimmungsergebnisse sehr oft mit den gesamtschweizerischen Resultaten korrespondierten. Und es gebe eine gewisse Anzahl von EVP-Wählern.

 Dominic Ramel

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Freiburger Nachrichten 15.2.11

CSP fordert Volksbefragung zu neuem AKW Mühleberg

 Nach dem knappen Ja des Berner Volkes zu einem neuen AKW Mühleberg soll sich laut CSP auch das Freiburger Volk dazu äussern können.

 Freiburg In einer Mitteilung hält die CSP Freiburg fest, dass das Berner Volk am Wochenende mit einer Differenz von bloss 9000 Stimmen Ja zum Ersatz des Kernkraftwerkes Mühleberg gesagt hat. Der Entscheid zu Gunsten eines neuen AKW sei bloss zustande gekommen, weil vor allem wenig betroffene Berner Gemeinden dem Projekt zugestimmt haben. Der Verwaltungskreis Bern-Mittelland, wo sich das KKW Mühleberg befinde, habe es jedoch mit einem Anteil von 53,1 Prozent Nein-Stimmen abgelehnt.

 Für die CSP ist es absurd, dass mehr als 100 000 Freiburgerinnen und Freiburger, die in den 39 Gemeinden der Gefahrenzone 2 wohnen, dazu nichts zu sagen haben, wenn andererseits nicht betroffene Berner Gemeinden ausschlaggebend für das Ja waren. "Jetzt sollten die Freiburger Stimmbürgerinnen und Stimmbürger auch befragt werden", fordert die CSP.

 Laut CSP hat Staatsratspräsident Erwin Jutzet erklärt, dass die Ergebnisse der Berner Abstimmung für den Entscheid des Kantons Freiburg berücksichtigt werde. Aufgrund des knappen Entscheids sollte es für den Staatsrat klar sein, dass jetzt das Volk das Wort hat. az

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Bund 15.2.11

Atomenergie

 Neuenburger Regierung spricht sich gegen AKW aus

 In einem Bericht zuhanden des Kantonsparlaments empfiehlt die Neuenburger Regierung, den Bau von neuen Atomkraftwerken abzulehnen. Dies nur gerade einen Tag nachdem die Berner Stimmbürger Ja zu Mühleberg sagten. Die Neuenburger Exekutive will auf erneuerbare Energien und Gaskraftwerke setzen. Abschliessend über die Haltung des Kantons Neuenburg zum Bau von neuen Atomkraftwerken entscheiden wird das Parlament.(sda)

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NZZ 15.2.11

Für Gaskraftwerke und Ökostrom

AKW-Nein in Neuenburg

 (sda) · In einem Bericht zuhanden des Kantonsparlaments empfiehlt die Neuenburger Regierung, den Bau von neuen Atomkraftwerken abzulehnen. Die Neuenburger Exekutive will auf erneuerbare Energien und Gaskraftwerke setzen. Wie es die Neuenburger Verfassung vorschreibt, entscheidet das Parlament abschliessend über die Position des Kantons zum Bau von neuen Atomkraftwerken. Die Regierung streicht in ihrem Bericht die Vorteile von Gaskraftwerken gegenüber Atomkraftwerken heraus - etwa dass keine gefährlichen Abfälle resultieren. Die Energiekonzerne Axpo, Alpiq und BKW planen als Ersatz für die bisherigen Anlagen neue Atomkraftwerke. Zwei Anlagen werden als nötig angesehen.

 Der Bundesrat wird in seinem für Mitte 2012 vorgesehenen Entscheid über die Rahmenbewilligungsgesuche die kantonalen Stellungnahmen berücksichtigen. Nach der Abstimmung in Bern wird das Volk laut derzeitigem Stand noch im Jura und im Waadtland mitbestimmen können. Diese Urnengänge finden am 15. Mai statt. Möglich wären Abstimmungen in Genf und Neuenburg, falls genügend Unterschriften gegen den Entscheid gesammelt würden, sowie im Wallis, falls das Parlament eine Volksbefragung verlangt. In den restlichen Kantonen entscheiden die Exekutiven. In Solothurn und im Aargau können zusätzlich die Parlamente Stellung nehmen, im Tessin kann der Grosse Rat angefragt werden.

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Aargauer Zeitung 15.2.11

Gemeinde leistet Widerstand

 Lostorf Mit dem Kanton in Sachen Kernkraftwerk unzufrieden

 "Der Kanton muss die sozioökonomische Studie in seiner Stellungnahme an den Bund berücksichtigen." Dies ist, nachdem bereits andere Gemeinden des Niederamts im gleichen Sinn Stellung bezogen haben, auch die Haltung des Gemeinderats von Lostorf.

 Der Gemeinderat habe leider feststellen müssen, dass seine Einwendungen im Rahmen des Richtplanverfahrens für das geplante Neue Kernkraftwerk Niederamt (KKN) nur zum geringen Teil berücksichtigt würden. Die Antworten auf Einwendungen bezüglich Grundwasser, Ausbau Hochspannungsleitungen und weiterer Beeinträchtigungen befriedigten den Gemeinderat nicht. Alle angesprochenen Probleme würden nicht im Richtplan, sondern an anderer Stelle behandelt: Grundwasser im Umweltverträglichkeitsbericht, Hochspannungsleitungen im Sachplan Übertragungsleitungen, Erstellung eines geologischen Tiefenlagers im Sachplan Geologisches Tiefenlager.

 "Studie unter Verschluss"

 Die von der Gemeindepräsidentenkonferenz Niederamt in Auftrag gegebene sozioökonomische Studie lag schon länger vor, wurde der Öffentlichkeit aber erst anlässlich der Pressekonferenz am 27.Januar vorgestellt. Bis zu diesem Datum habe sie nicht weitergegeben oder kopiert werden dürfen. Der Gemeinderat Lostorf ist der Ansicht, dass eine derart wichtige und aussagekräftige Studie nicht unter Verschluss gehalten werden dürfe, bis das Richtplanverfahren praktisch abgeschlossen sei.

 Beschwerde beim Kanton

 In seiner Antwort teilt der Kanton mit, dass die Ergebnisse der sozioökonomischen Studie nicht Gegenstand der Richtplananpassung seien. Diese Aussage ist für den Gemeinderat Lostorf "völlig unverständlich". Ohne die Ergebnisse dieser Studie sei eine Interessenabwägung in den Bereichen Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt in der Region nicht möglich, hält die Gemeindebehörde fest.

 Der Gemeinderat hat einstimmig beschlossen, beim Regierungsrat Beschwerde einzureichen und zu verlangen, dass die Erkenntnisse aus der sozioökonomischen Studie zwingend in die Planung eines neuen Kernkraftwerkes und in die Stellungnahme des Kantons an den Bund einfliessen müssen, auch wenn die einzelnen Themen in anderen Verfahren behandelt werden.

 Der Gemeinderat ist grundsätzlich für den Bau eines neuen Kernkraftwerks im Niederamt, jedoch erst wenn das Ende der Betriebszeit des bestehenden KKW Gösgen konkret feststeht. Der Parallelbetrieb zweier Kernkraftwerke während Jahren und Jahrzehnten wird abgelehnt. (pd/az)

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"Gegen Empfangsanlage und Tiefenlager in der Region"

 Gipf-Oberfrick Gemeinderat will keine Deponie für radioaktive Abfälle

Walter Christen

 Abklärungen für den Bau eines geologischen Tiefenlagers für die Deponierung radioaktiver Abfälle - möglicherweise im Raum Jura Ost - sind seit einiger Zeit ein Dauerthema, mit dem sich die Gemeindebehörden im Standortperimeter befassen, etwa der Gemeinderat Gipf-Oberfrick.

 Gemeinde im Planungsperimeter

 Der Gemeinderat Gipf-Oberfrick weiss: "Neben dem eigentlichen Tiefenlager in 500-900 Metern unter der Erdoberfläche braucht es eine so genannte Empfangsanlage im näheren Einzugsgebiet. Dort werden die Abfälle umgeladen und über einen etwa 5 Kilometer langen Tunnel in das Tiefenlager geführt." Beim Standort Jura Ost befindet sich die Gemeinde Gipf-Oberfrick im Planungsperimeter einer solchen Empfangsanlage, und dazu hat der Gemeinderat im Rahmen des Mitwirkungsverfahrens Stellung bezogen, die er nach wie vor vertritt: "Gipf-Oberfrick als Standort für eine Empfangsanlage wird abgelehnt."

 Wie die az Aargauer Zeitung von Gemeindeammann Andreas Schmid in Erfahrung bringen konnte, wäre es hauptsächlich die erwähnte Empfangsanlage, welche das Gemeindegebiet tangieren würde. "Wir sind der Meinung, dass unser Dorf von der Struktur und der Verkehrslage her für eine solche Empfangsanlage nicht geeignet ist. Es wäre ein Eisenbahn- und ein Autobahnanschluss erforderlich. Denn wir gehen davon aus, dass eine solche Empfangsanlage viel Verkehr, insbesondere Schwerverkehr, zur Folge hätte. Wir lehnen eine Empfangsanlage auf unserem Gemeindegebiet deshalb ab und wollen mit unserem Positionsbezug unmissverständlich unseren Einfluss geltend machen", so Gemeindeammann Andreas Schmid, der weiter festhielt: "Schliesslich konnte verhindert werden, dass Lastwagen für den Materialabbau von und zur Tongrube durch unser Dorf fahren, so wollen wir denn auch keinen Schwerverkehr für eine Empfangsanlage bei uns. Wir denken im Übrigen auch an den Schutz für die ganze Region, bekannt als beliebtes Wohngebiet und wertvolle Naturlandschaft mit dem Jurapark", hielt der Gemeindeammann fest. "Geeignet scheint uns als Standort einer solchen Anlage ein bereits bestehendes Industriegebiet."

 Der Gemeinderat Gipf-Oberfrick ist ferner der Meinung, dass für das eigentliche Tiefenlager die Sicherheit oberste Priorität hat und diesbezüglich noch zu viele offene Fragen bestehen. Deshalb steht er einem möglichen Tiefenlager im Raum Jura Ost ebenfalls ablehnend gegenüber. Um übrigens im Zusammenhang mit der Endlagerdiskussion der geografischen Bezeichnung Bözberg den negativen Touch zu nehmen, heisst die Region inzwischen offiziell Jura Ost.

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Oltner Tagblatt 15.2.11

Studie in KKN-Planung einfliessen lassen

 Lostorf Der Gemeinderat fordert die Mitberücksichtigung der Sozioökonomischen Studie

 Von Markus von Däniken

 Der Lostorfer Gemeinderat hatte sich im letzten Frühjahr mit dem Richtplanverfahren für das geplante "Neue Kernkraftwerk Niederamt" (KKN) befasst und konnte seine Einwendungen bekanntgeben, welche nun leider nur zum geringen Teil berücksichtigt wurden. Die Beantwortung der verschiedenen Eingaben zum Richtplan durch den Kanton betreffend Grundwasser, Ausbau Hochspannungsleitungen und weiterer Beeinträchtigungen befriedigt den Gemeinderat nicht. Alle angesprochenen Probleme werden anderweitig behandelt; das Grundwasser im Umweltverträglichkeitsbericht, die Hochspannungsleitungen im Sachplan Übertragungsleitungen und die Erstellung eines geologischen Tiefenlagers im Sachplan Geologisches Tiefenlager.

 Umfangreiche Studie

 Die von der Gemeindepräsidentenkonferenz Niederamt (GPN) in Auftrag gegebene Sozioökonomische Studie, welche erstellt wurde, um Erkenntnisse in Bezug auf die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Auswirkungen eines Kernkraftwerks Niederamt (KKN) zu erhalten, ist sehr umfangreich ausgefallen. Diese Studie lag schon länger vor, wurde der Öffentlichkeit aber erst anlässlich der Pressekonferenz am 27. Januar vorgestellt (wir berichteten). Bis zu diesem Datum durfte sie nicht weitergegeben oder kopiert werden. Eine derart wichtige und aussagekräftige Studie darf nicht unter Verschluss gehalten werden, bis das Richtplanverfahren praktisch abgeschlossen ist.

 Im Antwortschreiben teilt der Kanton mit, dass die Ergebnisse der Sozioökonomischen Studie nicht Gegenstand der Richtplananpassung seien. Diese Aussage ist völlig unverständlich. Ohne die Ergebnisse dieser Studie ist eine Interessenabwägung in den Bereichen Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt in der Region nicht möglich.

 Beschwerde einreichen

 Der Gemeinderat hat deshalb einstimmig beschlossen, beim Regierungsrat Beschwerde einzureichen und zu verlangen, dass die Erkenntnisse aus der Sozioökonomischen Studie zwingend in die Planung eines neuen Kernkraftwerks und in die Stellungnahme des Kantons an den Bund einfliessen müssen, auch wenn die einzelnen Themen in anderen Verfahren behandelt werden.

 Die Einwendungen zum Richtplan KKN müssen ebenfalls in den Hauptuntersuchungsbericht aufgenommen werden, auch wenn sie in anderen Verfahren behandelt werden. Die Sozioökonomische Studie kann unter folgenden Links heruntergeladen werden: www.ruetter.ch/cs/aktuell/news. html oder www.niedergoesgen.ch.

 Parallelbetrieb wird abgelehnt

 Der Gemeinderat hat sich an seiner letzten Sitzung nochmals mit dem geplanten neuen Kernkraftwerk Niederamt (KKN) befasst. Ursprünglich war der Rat der Meinung, dass mit einem neuen Kernkraftwerk das heutige Kernkraftwerk Gösgen ersetzt werden soll. Diese Auffassung besteht nach wie vor bei einem grossen Teil der Bevölkerung. Die Tatsache sieht aber so aus, dass die Betriebsbewilligung für das jetzige Kernkraftwerk so lange laufen soll, wie die sicherheitstechnischen Anforderungen gewährleistet sind. Heute spricht man von einer Betriebsdauer bis 2039 und bereits auch von einer möglichen Verlängerung um 20 Jahre.

 Das würde bedeuten, dass das Niederamt bei einem Ja zum neuen KKN während Jahren oder Jahrzehnten zwei Kernkraftwerke hätte. In einer Grundsatzdiskussion hat sich der Rat für den Ersatz des heutigen Kernkraftwerkes ausgesprochen, jedoch erst dann, wenn das Ende der Betriebszeit konkreter feststeht. Ein Parallelbetrieb zweier Kernkraftwerke wird abgelehnt.

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NLZ 15.2.11

Berner AKW-Ja lanciert Debatte

 Kernkraft

mm.

 mm. Taugen die Berner in Sachen Kernkraft als Barometer für die Schweiz? Nachdem in Bern die Bevölkerung in einer Konsultativabstimmung äusserst knapp Ja sagte zum Bau eines neuen Kernkraftwerkes in Mühleberg, sehen sich gerade die Gegner im Aufwind. Der grüne Luzerner Nationalrat Louis Schelbert etwa sagt, dass nicht nur in Bern, sondern im ganzen Land die Argumente der Atomgegner breiter auf Anklang stossen als noch vor ein paar Jahren. Auch Befürworter geben sich jedoch nach dem Berner Entscheid siegessicher: "Wir werden die AKW-Abstimmung gewinnen", sagt der Zuger FDP-Ständerat Rolf Schweiger mit Blick auf 2013 oder 2014, wenn das Schweizer Stimmvolk über den Bau neuer AKW entscheidet.

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Das knappe Ja beflügelt die Atomgegner

 Kernenergie

Christoph Reichmuth

 Zwei Jahre vor der Abstimmung über neue Kernkraftwerke endet ein Stimmungstest in Bern mit einem Remis. Vor allem Atomgegner wittern ihre Chance.

 Christoph Reichmuth

 christoph.reichmuth@luzernerzeitung.ch

 51,2 Prozent Ja zu 48,8 Prozent Nein - äusserst knapp endete am Sonntag die schweizweit mit Spannung verfolgte Konsultativabstimmung, bei der sich die Berner Bevölkerung zu einem neuen Kraftwerk im Mühleberg äussern konnte. Es war letztlich aber eben doch ein Ja zu Mühleberg II - und dennoch jubelten am Sonntag die Atomgegner am lautesten. "Mühleberg II wird niemals gebaut", frohlockte etwa Blaise Kropf, Präsident der Grünen im Kanton Bern.

 "Zustimmung ist gesunken"

 Ob Kropfs Optimismus berechtigt ist und inwieweit das Berner Abstimmungsresultat als Schweizer Atom-Stimmungsbarometer taugt, ist für neutrale Beobachter zwei Jahre vor der schweizweiten Abstimmung über zwei neue Atomkraftwerke schwer abzuschätzen. Fakt ist: Die Atomgegner im Kanton Bern haben in den letzten Jahren an Boden gutgemacht. Die Abstimmungen 2003 über die Verlängerung des Kraftwerk-Moratoriums sowie den Kernenergie-Ausstieg wurden in Bern mit rund 59 respektive 67 Prozent noch deutlich verworfen. 2011 ist der Anteil der atomfreundlichen Berner auf 51,2 Prozent gefallen.

 "Die Zustimmung zur Kernenergiepolitik ist gesunken", folgert der Politikwissenschaftler Claude Longchamp in seinem Internet-Blog. Longchamp hat herausgefunden, dass sich vor allem die bürgerliche Zustimmung deutlich verringert hat. Er nennt als Beispiel die Berner Gemeinde Seehof, die zu 94 Prozent von bürgerlichen, atomfreundlichen Parteien repräsentiert wird und wo 2003 das Moratorium wuchtig mit 76 Prozent verworfen wurde. Am Sonntag stimmten in Seehof aber nur noch 28 Prozent für Mühleberg II. "Das Kernenergie-freundliche Lager wurde um 49 Prozent verringert", schreibt Longchamp in seinen Blog.

 Es ging nicht um die Wurst

 Freilich: Bei der Konsultativabstimmung am Sonntag ging es - salopp gesagt - nicht um die Wurst, also um ein real neues Kraftwerk im Mühleberg. Und: Die Berner äusserten sich nicht zu einem hypothetischen Bau irgendeines neuen Kraftwerks, sondern zu einem AKW de facto vor ihrer Haustüre.

 "Wir können gewinnen"

 Dennoch ist der grüne Luzerner Nationalrat Louis Schelbert überzeugt: Die Argumente der Kernenergiegegner stossen breiter auf Anklang als noch vor ein paar Jahren - nicht nur in Bern, sondern landesweit. "Die Bevölkerung erkennt, dass erneuerbare Energien eine Zukunft haben. In diesem Bereich wurden in den letzten Jahren enorme Fortschritte erzielt." Setze die Schweiz gezielter auf erneuerbare Energien, könne darüber hinaus die Industrie dank Schaffung neuer Arbeitsplätze profitieren. Zudem, so Schelbert weiter, verstärke die ungelöste Frage nach einem Endlager für hochradioaktive Abfälle die Grundskepsis innerhalb der Bevölkerung - wie auch das bestehende Risiko eines Reaktorunfalls mit fatalen Folgen. Schelbert folgert: "Die Abstimmung in zwei Jahren wird eng. Aber wenn wir es schaffen, die Menschen zu überzeugen, dass es gar keinen Atomstrom mehr braucht, dann können wir gewinnen." Womit die Atomgegner laut Schelbert zusätzlich punkten können: Ein neues Kraftwerk ginge frühestens 2025 ans Netz. Bis dahin sei die Energieeffizienz höher, der Stromverbrauch tiefer, alternative Energien auf dem Vormarsch.

 Mächtige Atomlobby

 Atomgegnern wie Schelbert wird im Abstimmungskampf die mächtige und millionenschwere Kernkraftlobby gegenüberstehen. Und die Zeitschrift "Beobachter" zeigte unlängst auf, wie die Schweizer Stromwirtschaft auch im Bundeshaus gut vernetzt ist. Rund 100 Parlamentarier gehören der Aktion für eine vernünftige Energiepolitik (Aves) an, die sich für den Bau von Ersatzkraftwerken ins Zeug legt. Präsidiert wird Aves vom Zuger FDP-Ständerat Rolf Schweiger. Dieser warnt beim Verzicht auf neue Kraftwerke vor einer "Stromlücke" und sagt zu Schelberts Argumenten: "Der öffentliche Verkehr wird ausgebaut, die Bahnen immer schneller, auch der Privatverkehr elektrifiziert: Der Verbrauch von Strom wird künftig also zunehmen." Schweiger ist nach dem Signal aus Bern siegesgewisser: "Wir werden die AKW-Abstimmung gewinnen." Decken liesse sich der erhöhte Energiebedarf nicht vollständig mit Alternativenergien, betont Schweiger. Zudem würden auch Länder wie Finnland, Frankreich oder England auf Atomstrom setzen, der in Deutschland beschlossene Atomausstieg habe zu Problemen geführt. Allerdings führt Schelbert genau Deutschland als Erfolgsmodell vor: Dank des von Rot-Grün beschlossenen Ausstiegs hätte der Sektor der erneuerbaren Energien zweistellige Wachstumsraten erzielt.

 Endlager-Frage braucht Lösung

 Schweiger wird in seinen Bemühungen Support von seinem Solothurner Parteikollegen Rolf Büttiker erhalten. Der Ständerat sitzt im Verwaltungsrat des AKW Leibstadt. Zum Berner Resultat meint er lakonisch: "Eine Mehrheit sagt Ja zu Mühleberg II. Punkt." Grosse Bedeutung misst Büttiker der noch ungelösten Frage nach einem Endlager für radioaktive Abfälle zu: "Es muss vor einer Volksabstimmung klar sein, wo die Abfälle entsorgt werden können. Es reicht nicht, wenn wir nur immer predigen, dass die Entsorgung machbar ist." Herrsche in der Bevölkerung darüber Klarheit, so Büttiker, "dann bringen wir eine satte Mehrheit für neue Atomkraftwerke zusammen."

 An dieser Theorie hegt Michael Stauffacher indes seine Zweifel. Der leitende Wissenschaftler am Institut für Umweltentscheidungen an der ETH Zürich sagt: "Die Bevölkerung steht mehrheitlich dahinter, radioaktive Abfälle endzulagern. Diese Diskussion ist für die Grundsatzfrage Atomkraft Ja oder Nein höchstens in den Kantonen, die als Standort eines Endlagers in Frage kommen, mitentscheidend." Das Berner Ergebnis lasse kaum Rückschlüsse auf den Abstimmungsausgang auf nationaler Ebene zu: "Gegner und Befürworter sind im Gleichgewicht."

 Das glaubt auch der Nidwaldner Peter Steiner. Der Präsident des Komitees für die Mitsprache des Nidwaldner Volkes bei Atomanlagen (MNA) meint: "Das Mühleberg-Ergebnis ist ein Zufallsentscheid." Dennoch: Der sowohl urban als auch ländlich geprägte Kanton Bern sei ein Abbild der gesamten Schweiz, so der Wellenberg- und Atomkraftgegner: "Das knappe Ergebnis zeigt, dass wir eine Mehrheit für die Ablehnung neuer Kraftwerke auf nationaler Ebene hinbekommen können." Der Mächtigkeit der AKW-Lobby ist er sich bewusst. "Geld spielt eine Rolle", räumt er ein: "Wir können aber trotzdem gewinnen."

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 Neuenburg lehnt neue AKW ab

 Regierungsräte sda. In einem Bericht zuhanden des Kantonsparlaments empfiehlt die Neuenburger Regierung, den Bau von neuen Atomkraftwerken abzulehnen. Dies nur einen Tag nachdem die Berner Stimmbürger Ja zu Mühleberg sagten. Die Neuenburger Exekutive will auf erneuerbare Energien und Gaskraftwerke setzen. In Neuenburg entscheidet das Parlament abschliessend über die Position des Kantons zum Bau von neuen Atomkraftwerken. Auf erneuerbare Energien und Gaskraftwerke und gegen Atomkraftwerke setzt die Neuenburger Regierung "vor allem im Hinblick auf das grosse Forschungspotenzial bei erneuerbaren Energien". Die Regierung streicht in ihrem Bericht an das Parlament zudem die Vorteile von Gaskraftwerken heraus - etwa keine gefährlichen Abfälle.

 Die Regierungsräte der Kantone haben für ihre Stellungnahmen Zeit bis Ende März 2011. Nach allfälligen Parlamentsdebatten und Abstimmungen sollen dann alle definitiven Stellungnahmen spätestens Anfang nächsten Jahres öffentlich aufgelegt werden.

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L'Express/L'Impartial 15.2.11

Le Conseil d'Etat met les gaz contre de nouvelles centrales nucléaires

 SANTI TEROL

 S'il était aux commandes du pays, le Conseil d'Etat neuchâtelois renoncerait au projet de nouvelles centrales nucléaires et favoriserait, temporairement, les centrales à gaz. Un choix dicté par le déficit énergétique qui serait inévitable à l'horizon 2020. Le Grand Conseil doit se prononcer lors de la session de mars.

 "On sait que ça va fâcher!" En se positionnant contre les demandes d'autorisation générale pour la construction de trois nouvelles centrales nucléaires près de Gösgen (SO), à Beznau (AG) et à Mühleberg (BE), Claude Nicati anticipe sur les réactions de mauvaise humeur que ne va pas manquer de provoquer la prise de position du Conseil d'Etat neuchâtelois dans cette procédure de consultation de la Confédération.

 Le chef du Département de la gestion du territoire (DGT) est à peu près sûr de se mettre à dos les sociétés électriques (Alpiq, Axpo et Forces motrices bernoises) qui veulent remplacer les actuelles centrales nucléaires bientôt en fin de vie, tout comme de nombreux écologistes et les opposants à la centrale électrique à gaz projetée à Cornaux.

 S'il est défavorable au renouvellement des centrales nucléaires - "parce qu'il engagerait le pays au moins jusqu'à la fin du 21e siècle", juge Claude Nicati - le Conseil d'Etat soutient par contre (mordicus, désormais) la production d'électricité via trois ou quatre centrales à gaz (dont le projet "Cornaux II"). Leur capacité de production d'environ 400 mégawatts (MW) chacune équivaudrait à la production d'une des deux ou trois centrales nucléaires projetées (puissance de 1600 MW maximum chacune). "Ce sont ces chiffres qui ont conditionné tout le raisonnement du Conseil d'Etat", avertit le chef du DGT.

 En outre, l'option prônée par l'exécutif cantonal permettrait de remédier au "trou énergétique" d'une dizaine d'années qui se profile à l'horizon 2020, alors que la centrale de Mühleberg sera arrivée en fin de vie (en 2019). La mise en service de nouvelles centrales nucléaires ne pouvant intervenir avant 2025 ou 2027. "Si nous ne favorisons pas les centrales à gaz, le pays sera obligé d'importer de l'électricité. Qui sera d'origine nucléaire ou de charbon", anticipe le responsable du domaine Energie au Service de l'énergie et de l'environnement (Sene). "Et rien n'est moins sûr que les exportations...", met en garde Marc Schaffner.

 "Cette solution permet la promotion des énergies renouvelables, domaine dans lequel le canton de Neuchâtel développe un fort potentiel de recherche", défend Claude Nicati. Dans le schéma soutenu par le chef du DGT, les centrales à gaz à cycle combiné (exploitation de la chaleur pour les réseaux de chauffage à distance), pourraient entrer en service vers 2014. "Leur espérance de vie étant de 20 à 30 ans", calcule Yves Lehmann, chef du Sene, elles pourraient être exploitées jusqu'à l'avènement d'autres énergies renouvelables (géothermie, solaire, etc.), estime Claude Nicati.

 Reste qu'il ne s'agit là que de l'avis du Conseil d'Etat neuchâtelois, lequel ne convaincra peut-être pas le Parlement fédéral. Puis, le décret que doit prendre le canton est de la compétence du Grand Conseil, ce qui promet de belles joutes oratoires à la session de mars. /STE

 Clivage gauche-droite au Grand Conseil?

 Le débat promet d'être chaud au Grand Conseil en mars prochain. Même si leurs groupes de députés n'ont pas encore arrêté de position ferme, le Parti libéral-radical (PLR) et l'Union démocratique du centre vont certainement s'opposer au Conseil d'Etat. Tous deux, sur le plan fédéral, sont favorables au renouvellement des centrales nucléaires. Tout laisse donc penser que le groupe PLR votera en majorité contre un décret proposé par le Conseil d'Etat... à majorité PLR.

 Le son de cloche est tout autre à gauche. "Jeudi dernier le groupe socialiste, lors de sa séance de préparation au Grand Conseil, a salué la volonté du Conseil d'Etat de s'opposer à toute nouvelle centrale nucléaire en Suisse", indique Christian Mermet, député et bientôt ancien chef de groupe au Grand Conseil (réd: élu au Conseil communal de Val-de-Travers, il cède sa place au Chaux-de-Fonnier Théo Huguenin- Elie). Quant au groupe Popvertsol, il abordera la question ce soir. Son chef, le Vert Patrick Erard, tient à saluer, à titre personnel, la position du gouvernement neuchâtelois. Le POP, les Verts et Solidarités devraient, sauf surprise, accepter le décret du Conseil d'Etat.

 Le Grand Conseil pourrait aussi demander qu'un référendum ait lieu. Tant l'UDC que le PLR estiment que la population doit se prononcer. "La question d'un référendum populaire n'a pas été discutée", répond, de son côté, Christian Mermet. /dad

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 Les demandes de renouvellement des centrales nucléaires représentent une très longue procédure

 Les producteurs d'électricité se sont manifesté courant 2008. Les cantons ont jusqu'au 8 avril 2011 pour se prononcer. La décision du Conseil fédéral tombera en 2012 (après les élections fédérales). Courant 2012, voire en 2013, l'Assemblée fédérale rendra son verdict. Une votation populaire (référendum facultatif) pourrait se tenir en 2013. /ste