Medienspiegel
11. - 17. Juli 2011
Bund 14.7.11
Ein Hafen für Gurtenmüde
Die Organisatoren des Garten- und des Hafenstadt-Festivals
grenzen sich deutlich vom Gurtenfestival ab. Hinter ihren
Veranstaltungen stecke aber mehr als blosse Antihaltung, sagen sie.
Rahel Bucher
Das Gurtenfestival hat in Bern Tradition. Es kann mit grossen
Acts auftrumpfen, und unbestritten ist auch die schöne Aussicht
auf die Stadt. Trotzdem rennen am kommenden Wochenende nicht alle
Berner auf den Hausberg. Denn lange Warteschlangen, Menschenmassen,
Sicherheitskontrollen und viel Werbung sind ebenso charakteristisch
für das Gurtenfestival, das sich über die Jahre zu einem sehr
kommerziellen Anlass entwickelt hat. Wem das nicht passt, hat mitten in
der Stadt zwei kleine, aber feine Alternativen: das Gartenfestival beim
Café Kairo und die Hafenstadt auf dem Vorplatz der Reitschule
(siehe auch Seite 32).
Aus Antistadt wird Hafenstadt
Da wird in diesen Tagen auch schon fleissig vorbereitet. Rund 20
Menschen vom Kollektiv Festmacher stellen Gerüste auf, sägen
Holzpfähle und Bretter, malen, dekorieren und schwitzen in der
Sonne und im Regen. Bis Freitag verzaubern sie den Vorplatz in eine
Hafenstadt. Ganz bewusst haben sie für das Festival einen Ort
gewählt, der zwar immer wieder Brennpunkt für Drogen- und
Gewaltprobleme ist, gleichzeitig aber auch mitten in der Innenstadt
steht. "Wir sind schon eine Art Gegenbewegung zu den grossen
Festivals wie dem Gurten, die komplett durchkommerzialisiert
sind", sagt Diego von den Festmachern. Trotzdem war es nicht die
ursprüngliche Idee, eine Anti-Veranstaltung zum Gurten zu machen.
Als die Festmacher 2007 erstmals während des
Gurtenwochenendes eine Antistadt-Party vor der Reitschule
organisierten, ging es mehr darum, den umstrittenen Vorplatz in ein
anderes Licht zu rücken sowie auf die Drogenpolitik der Stadt
aufmerksam zu machen, wie Diego erzählt.
Doch mit dem Begriff "Anti" im Namen seien sie nicht
mehr zufrieden gewesen. "Schliesslich ist das Fest für und
nicht gegen etwas", wie Diego sagt. Für die Schaffung von
mehr nicht kommerziellen Freiräumen in der Innenstadt und
dafür, dass alltägliche Plätze einmal ganz anders erlebt
werden können. So wurde aus Antistadt nun Hafenstadt. Neben dem
Namen hat sich auch das Musikprogramm etwas gewandelt. Während
letztes Jahr ausschliesslich Techno auf dem Programm stand, gibt es
dieses Jahr auch Psychedelic, Rock ’n’ Roll, House und Dub zu
hören. 150 freiwillige Helfer sind an der Hafenstadt beteiligt -
darunter auch die Sicherheitsmannschaft der Reitschule. Um den Anlass
finanzieren zu können, wird es am Festival eine Kollekte geben,
auf Sponsoring wurde komplett verzichtet.
Die aufwendigen und liebevollen Dekorationen der Festmacher haben
immer auch einen symbolischen Wert. Letztes Jahr war es das trojanische
Pferd, mit dem ein Stück Freiraum in die Stadt zurückgetragen
wurde. Dieses Jahr ist es die Hafenstadt mit einem grossen
Frachtschlepperschiff, in dem die DJs und Musiker spielen. Hafen steht
einerseits für Offenheit und Freiheit. Andererseits sei die
Reitschule auch eine Art Hafen, an dem verschiedene Schiffe anlegen,
sagt Diego.
Perlen am Gartenfestival
Nicht im Hafen, sondern im Garten findet dieses Wochenende im
Café Kairo zum dreizehnten Mal das Gartenfestival statt. Auch
das Gartenfestival ist nicht als Anti-Reaktion auf den Gurten
entstanden, wie Trine Pauli, Mitbegründerin des Festivals,
bestätigt. Zwar wurde mit dem Gartenfestival erstmals das Tabu
gebrochen, dass am Wochenende des Gurtenfestivals keine anderen
Veranstaltungen in Bern durchgeführt werden. Pauli: "Uns ist
es wichtig, für all jene, die nicht auf den Gurten gehen, eine
Alternative zu schaffen."
Angefangen wurde ganz klein: Mit "Cocktails, Koteletts und
Cha-Cha-Cha", so hiess das Festival im ersten Jahr. Daraus
entwickelte sich das Gartenfestival, das heute eine Art grösseres
und sehr gemütliches Quartierfest ist. Dank dem familiären
Rahmen und der Übersichtlichkeit - zwischen 300 und 600 zahlende
Besucher waren es in den letzten Jahren - braucht es im Kairo kein
Sicherheitspersonal. Und beim Musikprogramm setzt das Gartenfestival
bewusst auf eher noch unbekannte Bands. "Dafür gibt es immer
wieder Perlen, die man entdecken kann", sagt Pauli. "Wir
sind eines von den kleinen Festivals, die gar nicht gross sein
wollen."
Sowohl Pauli als auch Diego sind überzeugt, dass es neben
den kommerziellen Festivals auch alternative und kleinere Festivals
braucht, die nicht primär auf Konsum ausgerichtet sind. So sehen
sie sich auch nicht als Konkurrenz. "Wir ziehen am gleichen
Strick", sagt Diego und macht sich auf den Weg zum Schiff. Dieses
wird ab Freitag vor der Reitschule ankern und ist auch eine Art
Rettungsboot für all jene, die eine andere Festivalkultur leben
wollen.
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Bund 14.7.11
Sounds Hafenstadt-Festival
Der Blues steht ihm bis zum Kinn
Gross wird nur, wer einen ernst zu nehmenden Rivalen hat. Bei
Batman war es Joker, beim WEF in Davos ist es das Weltsozialforum und
beim Gurtenfestival ist es das Gartenfestival im Kairo. Zumindest war
das bisher so. Jetzt erwächst der Fete auf dem Berg eine zweite
Konkurrenz: Das Veranstalterkollektiv Festmacher will auf dem Vorplatz
der Reitschule ein Festival steigen lassen, just an dem Wochenende, an
dem auf dem Hügel oben die Bude wackelt (Hintergrundartikel siehe
Seite 31).
Und eines muss man den Organisatoren lassen: Ein gutes
Händchen haben sie. Das Line-up vereint jedenfalls Künstler
von aussergewöhnlicher Charakterhaftigkeit. Am Samstag, der
Electronica-Soiree, sind dies etwa Benfay, seines Zeichens
Baze-Produzent, Round-Table-Knights-Mitglied und Beatprofessor. Und
Tastatur, ein hiesiges Duo, das Minimal, Techno, Dub und House auf
recht hinreissende Weise zu verdrahten versteht.
Er ging nach Indien
Das grösste Versprechen des Hafenstadt-Festivals ist jedoch
Sänger, Songwriter und Berufs-Choleriker Fai Baba. Hinter dem
Pseudonym verbirgt sich der 26-jährige Zürcher Fabian
Sigmund, und wie dieser zur Musik gekommen ist, will man vielleicht gar
nicht so genau wissen. Es hat mit einer Indien-Reise zu tun, die
wahrscheinlich recht anders herausgekommen ist, als es sein Umfeld
erwartet hatte. Wichtiger ist, dass dieses Album, das der Mann
kürzlich unter dem Titel "Love Sikk" rausgeknallt hat,
so endlos hinüber, so randvoll aufgefüllt mit Schmerz und
Kaputtheit ist, dass man es eigentlich beim Grunge oder beim Punk
verorten müsste. Aber da gehört es nicht hin. "Love
Sikk" operiert zwar mit verzerrten Gitarren, mit donnernden
Akkorden und mit der Kraft blinder Wut. Doch hinter dieser
prächtigen Kulisse steht Fai Baba der sumpfige Blues bis zum Kinn.
(len)
Vorplatz Reitschule Freitag, 15. Juli, ab 18 Uhr. Samstag, 16.
Juli, ab 15 Uhr.
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20 Minuten 13.7.11
Die Festmacher zimmern eine Hafenstadt
BERN. Auf dem Vorplatz der Berner Reitschule wird gehämmert
und gesägt. Es entsteht eine hölzerne Hafenstadt mit einem
riesigen Schiff. Die Festmacher sind am Werk - die gleiche
Veranstaltungsgruppe, die letztes Jahr mit einem grossen Holzpferd
für Aufsehen gesorgt hat. In der frisch gezimmerten Location
steigt am Wochenende eine Party - als "unkommerzielle Alternative
zum Gurtenfestival". Foto: mar