Medienspiegel 25.-31. Juli 2011

kulturagenda.be 28.7.11

"Unsere Musik kommt aus den Eingeweiden"

Die kalifornische Band Neurosis ist berühmt für gewaltiges Dröhnen und spirituelle Texte. Für ihr einziges Schweizer Konzert des Jahres kommen die Ikonen des Sludge Metal in den Dachstock.

Neurosis baut beklemmende Geräuschwände auf, die sich vor den Zuhörern zu gewaltigen Klangmonumenten auftürmen. Die kalifornische Band liebt das Extreme, seien es die übersteuerten Gitarrenklänge oder der wütende Gesang. Ansonsten ist es nicht einfach, die Musik von Neurosis zu beschreiben, denn sie bedient sich ganz unterschiedlicher Elemente aus Genres wie Hardcore Punk, Ambient, Metal und dessen Spielarten Doom und Sludge. Für die Band selbst ist klar, dass man ihre Musik nicht in Worte fassen kann. Denn sie entfalte sich mit einer Kraft, ähnlich wie es Werke von Richard Wagner täten. Sie sei eine spirituelle Erfahrung mit erschütternder Wirkung. So steht es auf der Website der Band, die in aktueller Besetzung aus den beiden Sängern und Gitarristen Steve von Till und Scott Kelly, Schlagzeuger Jason Roeder, Bassist Dave Edwardson und Keyboarder Noah Landis besteht.

Treue Fangemeinde und eigenes Label

Neurosis’ Selbstbeschreibung mag anmassend klingen. Doch der Erfolg der 1985 in Oakland gegründeten Band spricht für sich. Sie beeinflusste viele andere Bands der Metal-Szene stark. Amerikanische Post-Metal-Bands wie Isis oder Mastodon, aber auch Cult of Luna aus Schweden oder die deutsche Death-Metal-Gruppe Disbelief fanden in Neurosis eine grosse Inspiration. Zudem hat die Band über die Jahre eine beachtliche Fangemeinde um sich geschart, die ihre Weiterentwicklung immer treu mitgetragen hat.

Langsamere Tempi, stärkeres Dröhnen

Entgegen ihren Wurzeln, dem Hardcore- Punk, verlangsamte Neurosis Anfang der 90er-Jahre das Tempo, was das gewaltige Dröhnen erst ermöglichte. Die Band bewies aber auch immer wieder Experimentierfreude. Sei es mit dem Einbezug von klassischen Instrumenten ("Souls of Zero", 1992), dem Einspielen von einem Track mit neun Schlagzeugern ("Cleanse", 1993) oder mit der Zusammenarbeit mit Indierockerin Jarboe (Neurosis & Jarboe, 2003). 2004 überraschte Neurosis mit "The Eye of Every Storm", einem ruhigen Album, das jedoch nicht weniger bedrückend klingt. 2007 erschien auf dem hauseigenen Label Neurot Recordings ihr jüngstes Album, "Given to the Rising ", wieder in alter Härte. Trotz der immer wieder neuen musikalischen Ansätze ist Neurosis ihrem Konzept treu geblieben und war in den letzen 26 Jahren nie Teil eines kurzfristigen Trends: Die spannungsgeladenen Klangwände und die spirituellen Texte sind seit der Anfangszeit Markenzeichen der Band. Auch das Suhlen im Schmerz über die schlechte Welt hat schon immer dazugehört. Das zeigt sich etwa in der Bezugnahme auf den grossen Country-Sänger Hank Williams, der an seiner Alkoholsucht qualvoll zugrunde ging, oder den amerikanischen Science-Ficton-Autor Philip K. Dick, der an Paranoia litt.

Salz in den Wunden dieser Welt

Als Konzept beschreiben würde Neurosis dies sicherlich nicht. Im Interview mit einem deutschen Musikmagazin machte Steve von Till klar: "Unsere Musik kommt nicht aus dem Kopf, sondern aus den Eingeweiden." Weltschmerzwunden müssen geleckt werden. Doch Neurosis reicht das nicht. Ihre Musik klingt nach Salz-Hineinstreuen. Und gerade das mögen die Fans.

Regine Gerber

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Dachstock in der Reitschule, Bern
Do., 28.7., 20 Uhr
www.dachstock.ch

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Bund 28.7.11

 Sounds Neurosis

 Die Wüste bebt

 Immer diese Begriffe. Sludge, Drone, Doom, Post, Post-Post. Und überall hängt noch ein "Core" dran. Soll noch einer verstehen. Dabei ist es doch ganz einfach: Neurosis machen Musik zum Fürchten und zum Gruseln - schwer, hart, duster, verzweifelt.

 Und das schon seit geraumer Zeit: Zusammengetan haben sich die sechs Männer aus Oakland, Kalifornien, im Jahr 1985. Ziel war es damals, gemeinsam einen Weg aus dem Dilemma namens Punk zu finden. Der war da schon mehrfach gestorben. Als einzige adäquate Option für Leute mit grundlegenden Vorbehalten gegenüber der Gesellschaft und dem sogenannten System galt damals der Hardcore. Doch hatte sich ausgerechnet hier schon eine gute Handvoll Leute breitgemacht, die von Musikern nicht viel mehr erwarteten, als dass sie ihre musikalischen Vorstellungen höchst trefflich bestätigen und - Gott bewahre - niemals in Zweifel ziehen. Kurzum: Neurosis wurde es bald mal ungemütlich in der Szenesuppe, weswegen sie sich für eine emeritenhafte Existenz im Nomansland zwischen Hardcore und Metal entschieden.

 Lärm und Traum

 Die nihilistischen Soundeskapaden und die brutalistischen Lärmmonumente, die in den Neunzigerjahren Sein und Schaffen von Neurosis bestimmen, müssen in diesem Kontext gesehen werden. Das gilt übrigens auch für die zunehmend spiritualistischen und apokalyptischen Motive, welche die Sänger Scott Kelly und Steve Von Till in diese Werke einarbeiten. Neurosis haben sich in die Wüste begeben, ohne Kompass, und dokumentieren nun den Verlust von Halt, Orientierung und geistiger Gesundheit. Die Wüste bebt.

 Als Wendepunkt in der Bandgeschichte muss "The Eye of Every Storm" gelten - ein Werk, das kaum weniger beklemmend, jedoch sehr viel subtiler komponiert ist. Der Lärm ist stark runtergedimmt, stattdessen dominieren gespenstische Ambient-Träumereien in Überlänge. Beweglich wie selten zuvor erweisen sich Neurosis nun auf dem jüngsten Werk "Given to the Rising". Was sie in Stücken wie "To the Wind" oder "Water is not Enough" freilegen, ist die pure Schönheit der Dunkelheit. (len)

Dachstock Donnerstag, 28. Juli, 20 Uhr.

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BZ 28.7.11

 Beklemmende Klangwelten

 Konzert · Die Band Neurosis begann mit einer Mischung aus Hardcore und Punk. Vom schnellen Tempo wechselte sie zu langsam gespieltem Hardcore mit düsteren Elementen. Neurosis schafft angstvolle und beklemmende Klangwelten, die vom Drone-Sound und dem gesanglichen Wechsel zwischen Steve von Till und Scott Kelly leben. Heute spielt die Band progressiven Sludge und Ambient.   pd

 Heute Donnerstag, ab 20 Uhr, Dachstock Reitschule Bern.

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kulturagenda.be 28.7.11

3 Kulturtipps

von Jan Galega Brönimann

Der Musiker und Komponist Jan Galega Brönnimann ist Bandleader der Electronica-Jazz Band Brink Man Ship. Auf der kleinen Schanze tritt er gemeinsam mit der Berner Sängerin Nadja Stoller auf. (Musikpavillon Kleine Schanze, Bern. Fr., 29.7., 19 Uhr)

1. Nodog Extended an den Langnauer Jazz Nights (Do., 28.7., 21 Uhr)
"New York, New York" im Emmental und zum Glück auch ein wenig hiesiges Schaffen!

2. Open-Grill auf dem Vorplatz der Reitschule (So., 31.7., 18 Uhr)
Eine Alternative für Leute, die sich nicht mit der Idee anfreunden können, dass der öffentliche Raum zunehmend durch Summerbeach-Bars privatisiert wird.

3. Traktorkestar am BeJazz-Sommer auf dem Rathausplatz (Di., 2.8., 20.30 Uhr)
Da werden Erinnerungen an den legendären Berner Altstadtsommer wach. Be-Jazz bringt den Jazz zu den Leuten.

Meine Nachbarin, die nicht auf Jazz steht, würde ich zu einem Besuch am BeJazz-Sommer überreden, …
… weil sie den Balkanbeats und Bläserfanfaren von Traktorkestar unmöglich widerstehen kann.