MEDIENSPIEGEL
15. - 21. AUGUST 2011
Bund 20.8.11
Skateplatz vor Reitschule will nicht anrollen
Obwohl der Berner Gemeinderat die Initianten bei der Planung
unterstützt, ist ein baldiger Baubeginn nicht absehbar.
Ein Park für Skateboarder, Inlineskater und BMX-Fahrer unter
dem Eisenbahnviadukt vor der Reitschule in der Stadt Bern: Lange war es
still um das ambitionierte Projekt, welches anno 2005 zwei Berner
Skater initiierten. Pablo Cherpillod und Madhu Sridharan gründeten
damals den Förderverein "Sk8.be", machten sich auf
eigene Faust auf Sponsorensuche für ein Bauprojekt und begannen
Verhandlungen mit den SBB, denen der Platz gehört. Reto Nause
(CVP), damals Stadtrat, und Susanne Elsener (GFL) erreichten mittels
Motion im Jahr 2009, dass der Gemeinderat den Verein bei den
Verhandlungen unterstützt und dafür 28 000 Franken à
fonds perdu einschiesst. Im Stadtrat stiess das Vorhaben auf breite
Zustimmung - die Parlamentarier sahen darin die Möglichkeit, die
Schützenmatte zu beleben und damit den zweifelhaften Ruf des Orts
aufzubessern. Sie wünschten, dass das Projekt rasch verwirklicht
werde. Das ist aber auch nach fünf Jahren nicht absehbar.
In einem kürzlich veröffentlichten Bericht zur Motion
zeichnet der Gemeinderat ein eher pessimistisches Bild von der
Projektarbeit. Demnach haben zwar die SBB, die Stadtbauten Bern und der
Gemeinderat eine Vereinbarung abgeschlossen, welche das Bauen eines
Skateparks auf dem Grundstück möglich macht, notabene ohne
finanzielle Entschädigung der SBB. Die
Baubewilligungsverhandlungen sind aber nicht zum Ziel gekommen. Diesen
Umstand erklären die Stadtverwaltung und die Initianten
unterschiedlich.
Beide Seiten fordern Bewegung
Laut Cherpillod, Präsident von Sk8.be, soll der Bau 250 000
Franken kosten. Die Hälfte des Geldes hätten Gönner
bereits zugesichert. Er erklärt die Schwierigkeiten bei der
Realisierung mit einer Sackgasse zwischen den Erfordernissen der
Sponsoren und der Finanzierung. Die Sponsoren beteiligten sich kaum,
wenn keine Baubewilligung vorliege. Für die Bewilligung müsse
aber die Finanzierung sichergestellt sein. "Eine Lösung muss
her", sagt Cherpillod.
Die Zusammenarbeit mit dem Verein sei zum Teil schwierig,
schreibt dagegen der Gemeinderat in seinem Bericht. Jener sei den
Nachweis schuldig geblieben, dass er für die Baukosten aufkommen
könne. "Damit wir vorwärtsmachen können,
müssen wir jetzt mehr Engagement vom Verein spüren",
sagt Jürg Häberli, der Leiter des Jugendamts, auf Anfrage. Er
sei sich bewusst, wie schwierig es sei, für einen Standort wie den
Reitschulvorplatz Sponsoren zu gewinnen. Die Bearbeitung eines
Baugesuchs machten die Stadtbauten Bern aber nicht davon abhängig,
dass die Finanzierung des Bauprojekt schon vollständig gesichert
sei, so Häberli. Somit stünde dem Verein ein Weg offen, um
das Projekt fortzuführen. Sk8.be sammelt via Internet weiter Geld.
Dort lässt sich für zehn Franken ein Anteil von zehn mal zehn
Zentimetern am Skateplatz "kaufen". (mra)
---
Blick am Abend 19.8.11
"Gemeinderat soll reagieren"
CLUBSTERBEN
Parteien von links bis rechts fordern ein Bekenntnis zum Berner
Nachtleben.
Wasserwerk, SousSoul, Silo und National. Die vier bekannten und
traditionsreichen Berner Partylokale stehen kurz vor dem Aus. Die Clubs
müssen schliessen, weil sie die Lautstärke an
Discoanlässen und bei Konzerten auf ein Minimum herunterfahren
müssen.
In den letzten 12 Monaten wurden mehreren Clubs in der Stadt Bern
maximale Schalldruckgrenzen von zwischen 80 und 93 Dezibel auferlegt
respektive stehen in Verfahren, welche diese Schallpegel mittels
Verfügung durch das Regierungsstatthalteramt androhen.
GfL-Stadtrat Manuel C. Widmer, selber als DJ MCW regelmässig
im Nachtleben unterwegs, kann darob nur den Kopf schütteln. "Wer
das in einer Disco mal gehört hat, statt solche
Richtlinien vom Schreibtisch aus zu verordnen, der wird verstehen, dass
eine Disco bei 90 Dezibel niemandem Spass machen kann." Eine Band
mit 86 Dezibel auftreten zu lassen sei schlicht unmöglich, "ein
unverstärktes Schlagzeug ist schon lauter."
Zusammen mit Stadträten von GB, SP, GLP, BDP, FDP und SVP
fordert er in einer gestern eingereichten dringlichen Interpellation
vom Gemeinderat ein Bekenntnis zum Berner Nachtleben. "Der
Gemeinderat muss reagieren. Er muss das Heft in die Hand nehmen und
sich für ein attraktives Nachtleben in der Hauptstadt
einsetzen." ehi
---
BZ 19.8.11
Viel Gerede um Belangloses
Reitschule · Das Stück "Talking Heads" des
englischen Autors Alan Benett ist für die Theatergruppe Klappsitz
ein gefundenes Fressen, um mit abgründigem Humor das Gefangensein
im eigenen Leben zu thematisieren.
Ein Freak mit Wollkappe und Heiland-Sandalen betritt die
Bühne. Sein weiss geschminktes Gesicht leuchtet geisterhaft in der
Dunkelheit auf, seine Bewegungen sind spastisch und unsicher. Bernd
Rumpf, der in dieser Produktion gleichzeitig Regie führte, spielt
Graham, selbst schon ein älterer Mann, der noch bei seiner Mutter
lebt. Rumpf gelingt es, diesen tragikomischen Psychotiker mit allen
seinen Widersprüchen darzustellen. Mal ängstlich, mal
tyrannisch klammert sich Graham an seine Mutter. Seine aus Gewissheiten
konstruierte Welt droht zu zerbrechen: Nach einem Sturz hat seine
Mutter einen Jugendfreund getroffen, sich verliebt und möchte nun
ihr eigenes Leben haben.
Pfarrersfrau und Putzteufel
Das Hinfallen ist im Stück des 1934 in Leeds geborenen Alan
Benett ein sinnbildliches Leitmotiv, das drei Figuren lose miteinander
verbindet. Die mittelalterliche Pfarrersfrau Susan (Silke Geertz) ist
schwer alkoholisiert von der Kanzel gestürzt, nachdem sie mit
einer anderen Provinzlerin über die Blumendekoration gestritten
hat. Die betagte und sauberkeitsfanatische Doris (Roswitha Dost) ist
beim ihr verbotenen Putzen gestolpert, kann nicht mehr aufstehen und
sitzt nun in ihrer eigenen Wohnung gefangen. Das ist alles ganz
schön tragisch - doch zum Glück fehlt es dem Text nicht an
typisch englischem schwarzem Humor. Es ist der Sarkasmus der Figuren,
der sie nie zu reinen Opfern verkommen lässt. "Meine Figur,
meine Frisur und mein verhärmter Gesichtsausdruck - wie geschaffen
für Gott", kommentiert die Pfarrersfrau zynisch, die sich
schliesslich mit einem indischen Lebensmittelhändler in ein
amouröses Abenteuer stürzt.
Schweizer Erstaufführung
Der Titel "Talking Heads" (Ein Sprung in der Tasse)
ist eine herablassende Bezeichnung für eine Fernseh- oder
Filmproduktion, in der nichts passiert, ausser dass die Personen reden.
Genau so ist es auch in diesem Stück. Graham, Susan und Doris
stehen isoliert auf einer Art Podium, ohne einander gegenseitig
wahrzunehmen. Projektionen evozieren mal eine Kirche, mal ein
Hamburgerrestaurant. Requisiten gibt es kaum, und am Ende führen
die Erzählstränge ins Ungewisse. Das seit mehr als 25 Jahren
bestehende Theater Klappsitz aus Zürich, bekannt für seine
gesellschaftskritischen Stücke, zeigt "Talking Heads"
in einer Schweizer Erstaufführung. Manche Themen sind spezifisch
englisch, doch das meiste, das hier passiert, könnte sich in jeder
beliebigen Kleinstadt abspielen. Benett selbst meinte über seine
Erzählung: "Wer in der Provinz aufgewachsen ist, hat
früh die wertvolle Lektion gelernt, dass Leben in der Regel etwas
ist, was woanders geschieht."
Helen Lagger
Weitere Vorstellungen: Fr, 19. 8., Sa, 20. 8, Fr, 26. 8, Sa, 27. 8.,
20.30 Uhr, Grosse Halle, Reitschule Bern.
---
Bund 19.8.11
Kurz & kritisch
"Talking Heads" in der Reithalle
Im Gefängnis der Biografien
Da stecken sie also fest, im Sumpf ihrer Biografien. Ein Sturz
hat sie alle drei dorthin katapultiert. Die alkoholsüchtige
Pfarrersfrau ist auf der Treppe zum Altar gestolpert, die schrullige
Alte verdrehte ihr Bein beim Putzen, und der ältliche Sohn hat
nicht aufgepasst, als er mit Mutter die Strasse überquerte. Direkt
vor den Füssen ihrer Jugendliebe landete diese, und nun stochert
der flotte Frankie im moderigen Idyll der beiden herum. Sie alle winden
sich, sie reden sich um Kopf und Kragen und geraten doch immer tiefer
in den Schlick der Lebenslügen, obwohl sich der eine und andere
Fluchtweg abzeichnet.
Ein klaustrophobischer Ort ist das Gefängnis Biografie, das
der britische Autor Alan Bennett in den Monologen "Talking
Heads" auskundschaftet und mit tiefschwarzem Humor tapeziert. Mit
einem Witz, für den Roswitha Dost, Silke Geertz und Bernd Rumpf
vom Theater Klappsitz eine sehr passende unterkühlt dramatische
Tonlage gefunden haben. Als Schweizer Erstaufführung bringen die
drei Bennetts Monologe auf die Bühne. Zahlreich sind die
CH-Premieren, die das Theater Klappsitz in seiner über
25-jährigen Geschichte realisiert und dabei für die
Stücke bekannter Autoren wie Dario Fo oder Harald Pinter einen
kompakten kantigen Inszenierungsstil entwickelt hat.
Auch bei der jüngsten Produktion, die im Rahmen der
britischen Woche in der Reitschule gezeigt wird, überzeugt Rumpfs
Regie der klaren Konturen und knappen Bewegungen. Nicht einzeln werden
die drei Monologe gehalten, die drei Schicksale werden vielmehr
verschränkt. Als Zaungäste agieren so die Protagonisten
zwischendurch, beobachten mal argwöhnisch, mal staunend, wie sich
der andere in seinem Unglück einrichtet. Fasziniert verfolgt der
psychisch kranke Sohn die Eskapaden der Pfarrersfrau mit Gott und einem
Inder mit Filmstarbeinen. Um dann dankbar die Türe hinter sich zu
schliessen, hinter der die fette Symbiose mit der Mutter wieder
blüht. "Es ist eh vorbei", da sind sich die drei
einig. Die Hölle, das sind nicht die andern. (bnb)
Weitere Aufführungen bis 27. August.
---
WoZ 18.8.11
Talking Heads
Das Theater Klappsitz bringt mit dem Stück "Talking
Heads" des britischen Dramaturgen Alan Bennett eine Schweizer
Erstaufführung auf die Bühne der Grossen Halle in der Berner
Reitschule. In "Talking Heads" geht es um die eher
tragischen Lebensläufe dreier Menschen, die für kurze Zeit
aus ihrem gewohnten Leben gerissen werden, ehe alles wieder erstarrt.
Nach den Aufführungen in Bern tourt das Theater Klappsitz mit
ihrem Stück in der gesamten Deutschschweiz. jj
"Talking Heads" in: Bern Reitschule, Grosse Halle,
Fr/Sa, 19./20. August, sowie Fr/Sa, 26./27. August, jeweils 20.30 Uhr.
---
kulturagenda.be 18.8.11
"Das Deodorant einer Nutte": Lesung in der Grossen Halle
Ein sentimentaler Geschäftsmann und der Deoroller einer
drogenabhängigen Prostituierten - der Beginn einer
Liebesgeschichte? Das Theater Klappsitz (im Bild: Bernd Rumpf), das
momentan mit "Talking Heads" in der Grossen Halle gastiert,
gönnt sich eine Lesepause und trägt "Ich leckte das
Deodorant einer Nutte" des englischen Autors Jim Cartwright vor.
Grosse Halle Reitschule, Bern. Di., 23.8., 20.30 Uhr
---
kulturagenda.be 18.8.11
"Looking for Eric" läuft in der Reitschule
Im Rahmen der Englischen Woche in der Reitschule läuft auch
"Looking for Eric" des Regisseurs Ken Loach. Der so
umstrittene wie umjubelte Fussballer Eric Cantona erscheint im Traum
seinem Fan Eric. Dieser leidet unter Panikattacken, Depressionen und
einem verkachelten Leben, das er mit Hilfe seines Mentors
aufzuräumen beginnt.
Grosse Halle der Reitschule, Bern. Do., 18.8., 20.30 Uhr
---
Bund 17.8.11
Fixerstübli war ein Pionierprojekt
Seit 25 Jahren gibt es das Fixerstübli in Bern. Damals war
die Anlaufstelle für Drogenabhängige ein Pionierprojekt mit
internationaler Ausstrahlung. Rückblick auf eine bewegte
Geschichte.
Rahel Bucher
25 Jahre ist es her, seit in Bern das erste Fixerstübli
eröffnet wurde. Damals befand sich die offene Drogenszene auf der
Münsterplattform, und die Politik sowie die Fachwelt standen der
grossen Szene fast ohnmächtig gegenüber, wie sich Jakob
Huber, Geschäftsleiter Stiftung Contact-Netz Bern, erinnert. Hinzu
kam die hohe HIV-Problematik. Um die Situation zu entschärfen,
eröffnete das Contact Bern in der Münstergasse einen
Aufenthaltsraum mit Cafeteria für Drogenabhängige. Dem
Problem des Fixens in der Toilette oder auf der Gasse begegnete das
Contact damit, dass es den Drogenkonsum unter ärztlicher Aufsicht
im Hinterzimmer zuliess. Die Reaktionen darauf waren heftig.
Abstinenz und Repression
Mitte der 1980er-Jahre gab es in der Drogenpolitik nur zwei
Rezepte: Abstinenz oder Repression. Gerade deshalb wurde die Kontakt-
und Anlaufstelle (K + A) zu einem Pionierprojekt, das internationale
Beachtung fand. Es war das erste Mal, dass drogenabhängige
Menschen einen Ort hatten, wo sie akzeptiert wurden, gleichzeitig aber
auch medizinische und soziale Betreuung erhielten. Mittlerweile gebe es
weltweit über 70 Fixerräume nach dem Vorbild des Berner
Fixerstüblis, sagt Huber. "Dessen Schaffung war sozusagen
die Geburtsstunde der Schadensminderung." Heute ist die
Schadensminderung - neben Prävention, Therapie und Repression -
als vierte Säule der Drogenpolitik breit akzeptiert.
Auch die Kontakt- und Anlaufstelle, die seit 2001 an der
Hodlerstrasse einquartiert ist, erfreut sich mittlerweile breiter
Akzeptanz. "Sie fördert die Gesundheit und soziale
Integration drogenabhängiger Menschen und entlastet den
öffentlichen Raum", beschreibt Huber ihren Nutzen.
Allerdings musste sich die Anlaufstelle stets neuen Entwicklungen
anpassen: dem Konsumverhalten, der Anzahl Klienten oder Problemen im
öffentlichen Raum. In den letzten Jahren etwa lasse sich eine
Zunahme inhalierender Drogenabhängiger feststellen, sagt Ines
Bürge, Leiterin der Kontakt- und Anlaufstelle. Also stieg der
Bedarf an Inhalationsplätzen. Derzeit gibt es einen einzigen Raum,
in dem geraucht werden darf, der Platz ist knapp.
Wer Hilfe braucht, bekommt sie
Für Konfliktpotenzial vor der Anlaufstelle sorgten lange
Warteschlangen und Menschenansammlungen. Mit
Einlassbeschränkungen, Verlängerungen der Öffnungszeiten
am Abend, mehr Personal und internen Beratungsmöglichkeiten und
der Zusammenarbeit mit der Polizei versuchte man den Problemen zu
begegnen. Seit einem Jahr können nur noch Abhängige in die
Anlaufstelle, die sich halbjährlich registrieren lassen. "Dadurch
können wir die Leute besser betreuen und mehr
Verbindlichkeit schaffen", so Bürge. Von November 2010 bis
Juni 2011 waren 900 Leute registriert - die Hälfte davon
Stadtberner. Das Durchschnittalter liegt bei über 35 Jahren.
Schon beim Eingang wird jeder Klient von einem Securitas-Mann
überprüft, ob er einlassberechtigt ist. Die
Drogensüchtigen müssen ihren Stoff selber mitbringen. Erlaubt
sei lediglich der Konsum in den dafür bestimmten Räumen. Der
Ameisendeal im Innenhof wird toleriert, in den Räumen herrsche
punkto Deal jedoch Nulltoleranz, betont Bürge.
Zeitlich beschränktes Angebot
Die Drogenanlaufstelle sei ein zeitlich beschränktes und
niederschwelliges Überlebenshilfeangebot. Ein zentrales Ziel
bleibe es, die Drogenabhängigen aus der Anlaufstelle
herauszubringen - entweder in ein Substitutionsprogramm oder in einen
Entzug, wie Huber sagt. Eine der grössten Herausforderungen
für die Zukunft sieht er bei den jungen Drogenabhängigen. Bei
vielen chronifizierten und älteren Abhängigen stelle sich die
Frage, wie sie einen würdigen Lebensabend verbringen könnten.
Auch müsse man schnell und flexibel auf neue Entwicklungen
reagieren können. Insgesamt bezeichnet er das bestehende Angebot
im Suchthilfebereich aber als gut. "Wer heutzutage Hilfe sucht,
der bekommt auch Hilfe." Vor 25 Jahren konnte davon noch keine
Rede sein.Am Freitag, 19. August, findet in der K + A der Tag der
offenen Tür statt. Von 15 bis 22 Uhr an der Hodlerstrasse 22 in
Bern. Internet: www.contactnetz.ch
-
Case-Management Neue städtische Fachstelle im Suchtbereich
Anfang November starten Stadt und Kanton Bern ein gemeinsames
Pilotprojekt für Case-Management im Suchtbereich. Dabei geht es
darum, die verschiedenen Hilfsangebote individuell auf den Bedarf der
jeweiligen Klienten abzustimmen. Der Case-Manager ist ein Bindeglied
zwischen Klient, Umfeld, professionellen Angeboten, Kostenträgern
und Gemeinwesen. Er funktioniert über professionelle und
institutionelle Grenzen hinweg und soll für eine angemessene
Verwendung der Ressourcen sorgen.
Mit dem gemeinsamen Pilotprojekt wollen Stadt und Kanton Bern
herausfinden, ob durch Case-Management die Wirksamkeit und die
Wirtschaftlichkeit der Suchthilfe verbessert werden kann. Angesiedelt
ist das Projekt bei der Stadtberner Suchthilfe.
Die neue städtische Fachstelle wird mit zwei Personen
besetzt, die insgesamt über 160 Stellenprozente verfügen, wie
die städtische Direktion für Bildung, Soziales und Sport
(BSS) mitteilt. Rahel Fürst ist diplomierte Pflegefachfrau und
verfügt über eine Fachhochschulausbildung in Case-Management.
Reto Schori ist diplomierter Sozialarbeiter und aktuell
Abteilungsleiter Case-Management in der Suchthilfe Olten. (sda)
---
BZ 16.8.11
Besuch im Fixerstübli
Stadt Bern. Diesen Freitag öffnet die Drogenanlaufstelle an
der Hodlerstrasse in Bern ihre Türen für Besucher.
"Über das Fixerstübli wird viel gesprochen, aber
die wenigsten wissen, was dort genau passiert." Das sagt die
Leiterin der Berner Drogenanlaufstelle Ines Bürge. Sie organisiert
deshalb mit ihrem Team einen Tag der offenen Tür zum 25.
Geburtstag der Anlaufstelle. Das Berner Fixerstübli war bei seiner
Eröffnung 1986 schweizweit eine Premiere. Heute ist das Angebot
etabliert und akzeptiert. Nach wie vor ein Thema ist die Aufteilung des
bestehenden Angebots auf zwei Standorte, wie Ines Bürge im
Interview sagt.mmSeite 2
-
"Die wenigsten wissen, was in der Drogenanlaufstelle
passiert"
Stadt Bern. Als das Berner Fixerstübli vor 25 Jahren
eröffnete, war es das erste solche Angebot in der Schweiz. Am
Freitag kann die Drogenanlaufstelle am Bollwerk besichtigt werden.
Leiterin Ines Bürge will damit Vorurteilen und Ängsten
entgegenwirken.
Ines Bürge, diesen Freitag öffnet die
Drogenanlaufstelle an der Hodlerstrasse ihre Türen für
Besucher. Weshalb?
Ines Bürge: In erster Linie deshalb, weil in den Köpfen
vieler Menschen immer noch falsche Vorstellungen umhergeistern. Weil
Ängste da sind. Es wird viel über "das
Fixerstübli" gesprochen, aber die wenigsten wissen, wie
unser Angebot aussieht.
Mit welchen Vorurteilen sind Sie konfrontiert?
Es gibt Leute, die glauben, dass wir hier einen rechtsfreien Raum
hätten. Viele meinen auch, dass wir Drogen abgeben würden.
Das tun wir aber nicht. Leider wird das Angebot hier an der
Hodlerstrasse auch immer wieder auf den Drogenkonsum im
Fixerstübli reduziert.
Was werden Sie den Besucherinnen und Besuchern zeigen?
Sie können sehen, wie ein Besuch in der Anlaufstelle
abläuft. Unsere Klienten konsumieren hier nicht nur ihre
mitgebrachten Drogen, sie erhalten auch Hilfe. Sei dies medizinisch
oder in sozialen Belangen. Sie können hier auch etwas essen oder
einfach einen Moment Ruhe haben. Am Tag der offenen Tür wird man
sehen, dass der Besuch einem klaren Ablauf folgt, dass wir strikte
Regeln haben und wie wichtig die Hygiene hier ist. Die meisten Leute,
die eine Führung mitgemacht haben, sind überrascht: Die
Anlaufstelle ist keine dunkle Höhle, in der ein Gemauschel abgeht,
sondern ein strukturierter Betrieb.
Wie regeln Sie den Betrieb an diesem Tag?
Es ist nicht möglich, die Räume für die
Öffentlichkeit zugänglich zu machen und gleichzeitig den
Normalbetrieb aufrechtzuerhalten. Wir wollen ja unsere Klienten nicht
ausstellen. Nur der Spritzenaustausch wird möglich sein.
Wohin gehen denn die Abhängigen an diesem Tag?
Für diesen einen Tag müssen sie sich anderweitig
organisieren. So wie das jeweils am 1. Januar auch der Fall ist - dem
einzigen Tag im Jahr, an dem die Anlaufstelle geschlossen bleibt.
Vor 25 Jahren wurde in Bern das erste Fixerstübli der
Schweiz eröffnet. Es gab Widerstand. Heute scheint die
Anlaufstelle von der Bevölkerung akzeptiert zu sein. Wie erleben
Sie das?
Es ist natürlich kein Vergleich zur Situation vor 25 Jahren.
Unser Angebot ist heute politisch und fachlich abgestützt. Dank
solcher Anlaufstellen gibt es keine offene Drogenszene mehr. Inzwischen
hat man Daten, die zeigen, dass sich die Abhängigen dank solcher
Angebote weniger mit Krankheiten wie HIV und Hepatitis anstecken.
Aufgrund dieser positiven Aspekte und der klaren Regelungen ist die
Akzeptanz viel grösser.
Trotzdem hört man - vor allem aus der direkten Nachbar-
schaft -, es sei schwierig, neben der Anlaufstelle ein Geschäft zu
führen. Ist das so?
Grundsätzlich erlebe ich die Nachbarschaft als offen und
tolerant. Wir treffen uns auch zweimal pro Jahr mit ihnen. Wichtig ist,
dass man sofort reagiert, wenn sich zum Beispiel irgendwo
Abhängige treffen oder konsumieren, wo sie nicht sollten. Aber es
ist klar, dass die Abhängigen zu sehen sind und dass es Konflikte
geben kann. Wichtig finde ich, dass die Nachbarn wissen, dass sie mit
uns, aber auch mit unseren Klienten jederzeit reden können.
Ängste kamen in Bern auch hoch, als 2009 über die
Eröffnung einer zweiten Anlaufstelle diskutiert wurde. Ist dieses
Thema vom Tisch?
Nein. Für uns ist es nach wie vor ein Thema, unser Angebot
auf zwei Standorte aufzuteilen. Der Druck ist aber nicht mehr so gross
wie in den Vorjahren. Damals platzte die Anlaufstelle an der
Hodlerstrasse aus allen Nähten. Inzwischen konnten wir hier
zusätzliche Konsumplätze schaffen, und in Thun wurden die
Angebote ausgebaut. All das hat zur Entspannung beigetragen.
Zwei Standorte sind also gar nicht mehr nötig.
Das kann man so nicht sagen. Würde sich die Situation wieder
verschärfen, müsste man das Thema erneut diskutieren. Mit
einem zweiten Standort würden wir sicherstellen, dass sich die
Belastung - zum Beispiel für benachbarte Betriebe - nicht bloss
auf ein Gebiet konzentriert.
Als zweiter Standort war 2009 die Murtenstrasse im Gespräch.
Wäre das aus Ihrer Sicht sinnvoll gewesen?
Ja. Eine Anlaufstelle muss zentral sein. Und sie darf nicht in
einem Wohngebiet liegen. Es ist in der Stadt Bern schwierig, einen
solchen Ort zu finden, weil alles recht kompakt beieinanderliegt. Aber
im Moment wird kein konkretes Projekt verfolgt.
Es gelten seit Ende 2010 neue Regeln für den Eintritt in die
Anlaufstelle: keine Personen unter 18 Jahren mehr, und die
Süchtigen müssen ihre Personalien angeben. Wie haben sich
diese Verschärfungen bewährt?
Am Anfang mussten wir Überzeugungsarbeit leisten. Aber nun
haben die meisten Klienten den Sinn dieser Registrierung verstanden und
machen mit. Es geht uns nicht darum, Datenbanken anzulegen, sondern
darum, zu wissen, wer zu uns kommt. Mit dieser Massnahme werden auch
Doppelspurigkeiten in der Betreuung vermieden.
Die Stadt Bern hat vor 25 Jahren mit dem Fixerstübli eine
Vorreiterrolle übernommen. Wo steht Bern heute?
Wir stehen auf einem guten Level. Heute ist auch die
Zusammenarbeit, zum Beispiel mit der Polizei, viel besser als in den
Anfangszeiten. Und mit der Registrierung unserer Klientinnen und
Klienten sind wir wieder neue Wege gegangen. Weiterhin festhalten
möchten wir am Ziel, unsere Klienten mit anderen Angeboten zu
vernetzen.
Interview: Mirjam Messerli
-
Das erste Fixerstübli gabs in der Altstadt
Stiftung Contact. Seit 25 Jahren betreibt die Stiftung Contact im
Auftrag des Kantons die Kontakt- und Anlaufstelle für
Drogenabhängige. Das erste Fixerstübli wurde 1986 in der
Münstergasse eröffnet.
Soll der Einblick ins Fixerstübli mit Rollos
verunmöglicht werden oder eben gerade nicht? Solche Fragen wurden
diskutiert, als die Stiftung Contact Netz die Einrichtung einer Berner
Anlaufstelle an die Hand nahm. Das schweizweit erste Fixerstübli
wurde schliesslich im Jahr 1986 in der Münstergasse 12
eröffnet. Man einigte sich auf eine Pflanze als Sichtschutz am
Fenster.
Seit 2001 befindet sich das Fixerstübli - korrekt Kontakt-
und Anlaufstelle - nun an der Hodlerstrasse 22 am Bollwerk. Hier werden
keine Drogen abgegeben, wie fälschlicherweise oft angenommen wird.
Die Abhängigen bringen die Substanzen selber mit. Innerhalb des
Hofs toleriert ist der sogenannte Ameisendeal, das heisst der
Kleinhandel mit Drogen für den Eigenbedarf. Kein Deal geduldet
wird im Inneren der Anlaufstelle. Drogen konsumieren dürfen die
Süchtigen nur in den eigens dafür eingerichteten Zimmern.
Höchstens 120 Drogenabhängige können sich gleichzeitig
im Hof und in den Räumen aufhalten. Rund 220 Personen gehen
täglich ein und aus. Rund ein Viertel der Klienten sind Frauen.
Der Besuch folgt klaren Regeln: Nach einer Eintrittskontrolle durch die
Securitas müssen die Klienten an der Theke eine Nummer beziehen.
"Das System funktioniert ähnlich wie auf der Post",
erklärt Stellenleiterin Ines Bürge (siehe auch Interview).
Wird ein Platz zum Fixen, Rauchen oder Sniffen frei, darf der Klient
den Raum betreten. Für den Konsum hat er rund eine halbe Stunde
Zeit. Grosser Wert wird auf Hygiene gelegt. Es liegen Watte,
Desinfektionsmittel und Einwegspritzen bereit. mm
Am Tag der offenen Tür diesen Freitag ab 15 Uhr haben
Besucher die Möglichkeit, die Kontakt- und Anlaufstelle kennen zu
lernen. Mehr Infos auf www.contactnetz.ch.
---
20 Minuten 16.8.11
Club Sous Soul: Nun hilft nur noch Beten
BERN. Der Könizer PfarrerAndré Urwyler bleibt
weiterhin von seinem Amt freigestellt. Wird er definitiv abberufen,
bedeutet dies das Ende des Berner Sous-Soul-Clubs.
Der Könizer Seelsorger André Urwyler darf vorerst
nicht auf die Kanzel zurück: In seiner Kirchgemeinde soll eine
"möglichst ungestörte Atmosphäre herrschen",
mit ihm sei aber ein geordneter Betrieb kaum möglich,
begründete das bernische Verwaltungsgericht gestern den Entscheid.
"Das ist für mich nicht überraschend", so der
beurlaubte Pfarrer. Er fiebere mehr der definitiven Entscheidung um das
noch hängige Gesuch zu seiner Abberufung entgegen.
Mit dem umstrittenen Gottesmann bangen auch Berns
Nachtschwärmer. Denn das Haus an der Junkerngasse 1, in dem das
Sous Soul liegt, gehört Urwyler. "Wenn ich freigestellt
werde, muss ich aus dem Pfarrhaus ausziehen, darum habe ich dem Sous
Soul vorsorglich gekündigt." Die Kündigung betreffe nur
das Fumoir - er wolle es als Büro nutzen. Wenn er aber in
Köniz weiter predigen könne, dürfe der Klub das
Raucherzimmer weiter benützen.
"Wenn wir auf unser Fumoir verzichten müssen und das
Regierungsstatthalteramt wie angedroht die Lärmgrenzwerte senkt,
sehen wir keine Zukunft mehr für das Sous Soul", sagt
Betreiber Fire Widmer. Darum wird das Lokal voraussichtlich Ende April
schliessen. Die Betreiber sehen sich bereits nach einem neuen Lokal
um.
Sophie Reinhardt