MEDIENSPIEGEL 02. - 08. JANUAR 2012

Bund 7.1.12

Polizeidirektor Käser: Ombudsstelle ist kein Tabu

Police Bern sorgt für Sicherheit - zuletzt aber auch für politischen Zündstoff: Nach fragwürdigen Polizeieinsätzen fordern Stadtberner Politiker Mitspracherechte und Aufsichtsmöglichkeiten. Der Regierungsrat verschliesst sich jedoch dieser Forderung. Als Ausweg aus dem Dilemma könnte sich nun die für 2012 anberaumte Evaluation von Police Bern erweisen. Durch Einbindung von Gemeindevertretern will Polizeidirektor Hans-Jürg Käser (FDP) die Spannungen zwischen Gemeinden und Kanton reduzieren. Auch ist er bereit, die Schaffung einer Ombudsstelle oder einer unabhängigen Aufsicht über die Polizei zu prüfen. Indes: Beim umstrittenen Polizeieinsatz vom September in der Reitschule gibt sich der Polizeidirektor weiter zugeknöpft. (len) - Seite 25

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Polizeidirektor Käser: "Es gibt genug Aufsichtsorgane"

Hans-Jürg Käser schweigt zum Polizeieinsatz in der Reitschule. Die Schaffung einer Ombudsstelle will er aber prüfen und sich künftig enger mit den Gemeinden austauschen.

Interview: Christoph Lenz

Dieses Jahr wird Police Bern einer gross angelegten Evaluation unterzogen. Was wird genau untersucht?

Vor vier Jahren wurden die Stadt- und die Kantonspolizei zusammengeführt. Nun wollen wir anschauen, ob die gesteckten Ziele erreicht wurden. Dazu wird ein neunköpfiges Projektteam in den nächsten Monaten aktuelle Schwachpunkte ermitteln, Probleme analysieren und Verbesserungsvorschläge ausarbeiten, die ab Sommer umgesetzt werden.

Wer führt diese Evaluation durch?

Die Leitung liegt bei Otmar Wigger, einem externen Berater, der bereits die Zusammenführung der Polizeikorps begleitete. Daneben setzt sich das Projektteam aus Vertretern der Gemeinden, des Kantons und der Polizei zusammen.

Vier von neun Mitgliedern des Teams unterstehen direkt oder indirekt der Polizeidirektion. Ist da die notwendige Unabhängigkeit gewährleistet?

Nein, Unabhängigkeit ist aber auch nicht die erste Pflicht. Im Zentrum stehen einerseits die Sachkenntnisse der Polizeiführung, andererseits die Bedürfnisse der Städte und Gemeinden, die ja unsere Auftraggeber und Partner sind.

Seitens der Gemeinden scheint ein starkes Bedürfnis nach Mitsprache und Aufsichtsmöglichkeit bei Polizeiangelegenheiten zu herrschen. Ist das der Grund für die aktuellen Konflikte?

Ja, diese Spannungen sind quasi systemimmanent. Die Verantwortung für die Sicherheit liegt ja weiterhin bei den Gemeinden. Die Mittel und Kompetenzen sind aber beim Kanton zusammengefasst. Dieses Konstrukt führt automatisch zu Spannungen. Mittels der Evaluation wollen wir sie aber reduzieren.

Der Berner Gemeinderat richtete im Oktober den Wunsch an Sie, eine unabhängige Untersuchung zu einem Polizeieinsatz in der Reitschule anzuordnen. Warum weigerten Sie sich?

Wegen eines laufenden Strafverfahrens kann ich diese Gründe nicht nennen. Sie könnten das Verfahren beeinflussen.

Gemeinsam mit dem Regierungsstatthalter und dem Berner Gemeinderat diskutieren Sie derzeit Sicherheitsfragen rund um die Reitschule. Wie lautet ihr vorläufiges Fazit?

Die Reitschule ist ein Brennpunkt. Wir wissen auch weshalb: Im Bereich Gastronomie besteht etwa eine unklare Bewilligungspraxis. Das ist eine der Ursachen für die Probleme rund um den Vorplatz. Wir arbeiten an einer Lösung. Zum wiederholten Mal wurde der Ruf laut nach einer Ombudsstelle oder einem unabhängigen Aufsichtsorgan über die Polizei. Wie stehen Sie dazu? Das werden wir sicher anschauen. Meine persönliche Ansicht ist aber, dass es in unserem Kanton schon genug Aufsichtsorgane gibt, etwa die Oberaufsichtskommission des Grossen Rates.

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Bund 6.1.12

Polizeiaktion wird nicht untersucht

Der Regierungsrat will die umstrittene Polizeiaktion von Ende September in der Berner Reitschule nicht untersuchen. Dies wäre "nicht das geeignetste Mittel zur Zielerreichung", hält die Kantonsregierung in einem Schreiben an den Gemeinderat fest. "Mit einem simplen Verzichtsbrief ist das Thema nicht erledigt", sagt Grossrätin Flavia Wasserfallen (SP). Sie will diverse Polizeieinsätze untersuchen lassen. (bob) - Seite 17

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Kritik an Polizeieinsätzen nimmt zu

Der Regierungsrat will keine Untersuchung einer umstrittenen Polizeiaktion in der Reitschule. Rot-Grün fordert mehr Transparenz. Auf Kantonsebene könnte bald die Oberaufsichtskommission aktiv werden.

Timo Kollbrunner, Bernhard Ott

Im rot-grünen Lager herrscht Konsternation: "Es ist inakzeptabel, dass die umstrittene Polizeiaktion vom 22. September nicht untersucht wird", sagt Stadtrat Hasim Sancar (GB). In der Stadt Bern gebe es eine "zunehmende Unzufriedenheit" mit dem intransparenten Verhalten der Kantonspolizei nach umstrittenen Polizeiaktionen. Am Abend des 22. September ist es in der Reitschule anlässlich der Verhaftung eines mutmasslichen Dealers zu Rangeleien zwischen Reitschulbesuchern und Zivilpolizisten gekommen. Die Polizei berichtete damals, sie sei "von 30 bis 40 Personen massiv bedrängt" worden. Von den Reitschulbetreibern gezeigte Videoaufnahmen zeigten jedoch keine Tätlichkeiten gegen Polizisten, wohl aber ein brutales Vorgehen einzelner Beamter. SP, GB und GFL haben daraufhin eine unabhängige Untersuchung gefordert. Wie die "Berner Zeitung" gestern berichtete, hat sich der Gemeinderat im Oktober mit diesem Anliegen an den Regierungsrat gewandt. Die Kantonsregierung hält aber nichts von dieser Idee, wie aus ihrem Antwortbrief vom 21. Dezember hervorgeht. Eine unabhängige Untersuchung wäre "nicht das geeignete Mittel, insbesondere im Hinblick auf ein hängiges Strafverfahren", schreibt der Regierungsrat.

"Kaum vertrauensbildend"

Wer von einem Strafverfahren konkret betroffen ist, ist unklar. Klar ist, dass der Mann, dessen Verhaftung die Personen in der Reitschule verhindern wollten, unter anderem wegen versuchter Körperverletzung und Gewalt gegen Beamte verzeigt wurde. Laut der Medienstelle der Reitschule sind vor Gericht auch Anzeigen gegen die beteiligten Polizisten hängig. Die Kantonspolizei hat gestern die Frage nicht beantwortet, ob gegen am Einsatz beteiligte Polizisten Anzeige eingereicht wurde. Der kantonale Polizeidirektor Hans-Jürg Käser (FDP) wollte gestern keine Stellung nehmen.

Seit der Fusion von Stadt- und Kantonspolizei sind die Einflussmöglichkeiten des Stadtparlaments auf die Kantonspolizei beschränkt. "Es macht wenig Sinn, im Stadtrat erneut die Schaffung einer kantonalen Ombudsstelle zu fordern", sagt Sancar. Stadtrat Manuel Widmer (GFL) sieht einen Ansatz bei den regelmässigen Verhandlungen zwischen der Stadt und der Kantonspolizei über den Leistungsvertrag. "Der Gemeinderat müsste in der nächsten Verhandlungsrunde die Schaffung eines Beirates als Kontaktstelle für Stadt- und Kantonsbehörden, aber auch als Ombudsstelle für Bürger fordern", sagt Widmer. Für ihn sei der Verzicht auf eine Untersuchung des umstrittenen Polizeieinsatzes in der Reitschule unerklärlich. "Dieser Entscheid ist kaum vertrauensbildend", sagt Widmer. Die Mediengruppe der Reitschule zeigt sich "nicht überrascht, dass die Polizeidirektion den Polizeieinsatz vom 22. September nicht untersuchen will". Die Antwort des Polizeidirektors auf ihre Aufsichtsbeschwerde lasse darauf schliessen, "dass die Polizeiführung kein Interesse an einer genauen Untersuchung und den daraus folgenden politischen und polizeiinternen Konsequenzen" habe, hält die Mediengruppe fest.

Käser wird antworten müssen

Im Grossen Rat ist zurzeit eine Motion von Flavia Wasserfallen (SP) hängig, worin eine Untersuchung von vier Polizeieinsätzen gefordert wird. Nebst der Polizeiaktion in der Reitschule von Ende September sollen auch die Räumung des Anti-AKW-Camps und das Vorgehen der Polizei gegen Unterschriften sammelnde GSoA-Aktivsten am Buskersfestival sowie die Verhaftungsaktionen am Rande des SVP-Wahlfestes untersucht werden. "Mit einem Verzichtsbrief an den Gemeinderat ist das nicht erledigt", sagt Wasserfallen. Letztlich liege es im Interesse der Kantonspolizei selber, keine Zweifel an der Glaubwürdigkeit aufkommen zu lassen. Sie halte auf jeden Fall auch im Fall Reitschule an ihrer Forderung nach einer unabhängigen Untersuchung fest, sagt Wasserfallen.

"Das Verhalten der Sicherheitsorgane hat in jüngster Zeit verschiedentlich für Irritationen gesorgt", sagt Grossrat Blaise Kropf (Grüne). Er plädiert für die Schaffung eines "unabhängigen Untersuchungsorgans". Es gehe nicht um ein mögliches Fehlverhalten der Polizei, sondern um ein Fehlverhalten sämtlicher involvierter Behörden, sagt Kropf.

Aufgrund einer Eingabe befasst sich zurzeit die Oberaufsichtskommission des Grossen Rates mit dem Vorgehen der Polizei gegen zwei Unterschriften sammelnde Aktivisten der GSoA am letztjährigen Buskersfestival. Eine Ausweitung der Untersuchung auf weitere Polizeieinsätze schliesst Kommissionspräsident Andreas Blaser (SP) nicht aus. "Für uns wird das ein Thema, wenn es Hinweise auf systemische Mängel gibt." Dabei könnte es unter anderem darum gehen, ob der Regierungsrat seine Aufsichtsfunktion in ausreichendem Masse wahrnehme, sagt Blaser.

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Flaschenwürfe an Neujahr

Am Neujahrstag wurden gemäss der "Berner Zeitung" um die Mittagszeit fünf Autos aus der Reitschule mit Flaschen beworfen. Ein Passant soll von einer Flasche getroffen und verletzt worden sein. Die Polizei bestätigt lediglich, dass es am 1. Januar "zu mehreren Flaschenwürfen in der Region Schützenmatte" gekommen sei, bei denen Autos beschädigt wurden. Beim Eintreffen der Polizei sei es zu weiteren Flaschenwürfen gekommen. Gemäss Polizei stehen jedoch die Verletzungen eines Mannes, den die Sanität ins Spital bringen musste, nicht im Zusammenhang mit den Flaschenwürfen. Der Mann sei bei einer Auseinandersetzung vor einem anderen Lokal verletzt worden. Die Mediengruppe der Reitschule schreibt, gemäss ihrer Informationen solle sich der Vorfall vor der Cafeteria abgespielt haben. Die restliche Reitschule sei zu diesem Zeitpunkt geschlossen gewesen. Die Reitschule lehne Flaschenwürfe auf Auto- und Velofahrende ab. Die städtische SVP fordert in einer Medienmitteilung, geltendes Recht müsse "auch vor und in der Reitschule wieder durchgesetzt" werden. Wenn die Gemeinderäte nicht in der Lage seien, den Schutz der Bevölkerung zu gewährleisten, dann hätten sie "ihre Ämter niederzulegen, damit neue Kräfte für Recht und Ordnung sorgen können". (tik)

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"Das Vorgehen der Polizei beurteile ich heute als angemessen"

Der Kanton lehnt eine Untersuchung zum eskalierten Polizeieinsatz ab. Für Reto Nause ist die Angelegenheit damit abgeschlossen.

Interview: Hanna Jordi

Die Handgreiflichkeiten zwischen Polizisten und Reitschülern im Herbst in der Reithalle gaben zu reden: Beide Seiten bezichtigten sich gegenseitig der Übergriffe. Was hat den Gemeinderat letztendlich dazu bewogen, bei der Kantonsregierung eine Untersuchung des Vorfalls zu beantragen?

Zum einen lagen Vorstösse von Sozialdemokraten und dem Grünen Bündnis im Stadtparlament vor, die eine externe Untersuchung des Zwischenfalls verlangten. Zum anderen waren über die Geschichte zwei verschiedene Versionen im Umlauf - eine der Polizei, eine der Reitschule. Wir hielten es deshalb für angebracht, das Verhalten der Reitschüler sowie die Verhältnismässigkeit des Polizeieinsatzes von einer unabhängigen Instanz überprüfen zu lassen.

In der Antwort des Regierungsrates ist jedoch zu lesen, dass eine solche externe Untersuchung nicht "zielführend" sei. Ist diese Absage für Sie einleuchtend?

Nachdem wir unser Begehren platziert hatten, fanden Gespräche zwischen einer Delegation des Gemeinderates und Polizeidirektor Hans-Jürg Käser statt. Im Rahmen dieser Gespräche konnten offene Fragen geklärt werden, sodass ich heute der Meinung bin, dass die Angelegenheit - zumindest politisch betrachtet - abgeschlossen ist. Aus heutiger Sicht beurteile ich das Vorgehen der Polizei als angemessen, wobei ich hier nur für mich sprechen kann.

Welche Hintergrundinformationen haben Sie zum Umdenken bewogen?

Darüber kann ich nicht sprechen. Das ist Gegenstand eines laufenden Verfahrens gegen einen der beteiligten Reitschulgäste.

Für die Öffentlichkeit haben sich die Unstimmigkeiten indes nicht aufgelöst: Für besondere Verwirrung sorgt die Kluft zwischen den Videoaufzeichnungen eines Reitschulgastes und der Medienmitteilung der Polizei, die diametral auseinandergehen. Wie beurteilen Sie diese Dissonanz in der Kommunikation?

Vorneweg: Für mich war das Video nie ein Beweis für polizeiliche Gewalt. Was ich darin sehe, ist ein Beweis dafür, dass Beamte bei ihrer Arbeit behindert werden. Ich sehe die Aufzeichnung natürlich durch die Brille des Sicherheitsdirektors. Und was die Kommunikation anbelangt, so kann ich sagen, dass in der Vergangenheit sicher beiden Seiten Fehler unterlaufen sind. Näher möchte ich die Kommunikation der beiden Parteien aber nicht kommentieren.

Die Bemühungen der Stadtparlamentarier, mit einer Untersuchung Licht in die Angelegenheit zu bringen, sind gescheitert. Hat die Stadt Bern aus Ihrer Sicht überhaupt taugliche Mittel zur Hand, um Rechenschaft über polizeiliche Einsätze zu erhalten?

Seit Police Bern existiert und die Schirmherrschaft dem Kanton übertragen worden ist, hat die Stadt Bern nur noch operatives Mitspracherecht in Bezug auf die Polizeiarbeit: Wir melden an, wo wir wann wie viele Beamte benötigen. Wenn sich jemand bei einem konkreten Einsatz schlecht behandelt fühlt, kann er eine Aufsichtsbeschwerde einreichen. Und auf Kantonsebene steht es den Mitgliedern des Grossen Rats offen, einen entsprechenden Vorstoss einzureichen.

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Kommentar

Die Polizei riskiert ihre Glaubwürdigkeit

Timo Kollbrunner

Einsätze der Kantonspolizei sorgten im letzten Jahr für viel Kritik: Im August soll ein Aktivist auf dem Polizeiposten gezwungen worden sein, sich auszuziehen. Anfang September machte die Polizei die Stadt zur Festung, als die SVP ihr Wahlfest durchführte. 55 Personen wurden verhaftet, und selbst Alt-Statthalterin Regula Mader, die den Einsatz im Auftrag der Polizei beobachtete, kam zum Schluss, dass viele von ihnen nicht gewusst hätten, warum sie festgenommen worden waren.

Doch vor allem der Vorfall in der Reitschule vom 22. September rückte die Polizei in ein schiefes Licht. Polizisten seien angegriffen und festgehalten worden, teilte die Kantonspolizei damals mit. Das Video eines Reitschulgastes, der die Aktion von der Verhaftung an filmte, zeigt ein anderes Bild. Zu sehen ist sehr wohl die Verhinderung des Polizeieinsatzes. Gewalt gegen Polizisten aber ist nicht auszumachen - die einzigen Handgreiflichkeiten gehen von Polizisten aus.

Dass die Polizei auf der eigenen Darstellung der Ereignisse beharrte, nachdem die Reitschule das Video den Medien gezeigt hatte, zeugte von mangelnder Einsicht. Und dass der Regierungsrat - wie nun bekannt wurde - auch eine unabhängige Untersuchung des Einsatzes für nicht nötig hält, verstärkt den Eindruck, dass die Polizei und die kantonalen Behörden nicht bereit sind, Hand zu bieten für eine kritische Reflexion des ordnungspolitischen Tuns. Der Berner Sicherheitsdirektor Reto Nause hält den Reitschule-Vorfall nach der Unterredung mit dem Regierungsrat für geklärt. Doch den Nachweis, in der Reitschule oder rund um das SVP-Fest verhältnismässig gehandelt zu haben, bleibt die Polizei schuldig. Die steten Beteuerungen, man arbeite die Einsätze intern auf, taugen nicht dazu, Vertrauen zu schaffen.

Regierungsrat Hans-Jürg Käser äussert sich nicht zu den Vorwürfen - im Wissen darum, dass er kaum verpflichtet werden kann, das Handeln der Polizei ausleuchten zu lassen. Denn die städtischen Parlamentarier haben dazu keine Möglichkeit, und im bürgerlichen Kantonsparlament gibt es dafür keine Mehrheit. Das ist schade, denn an etwas mehr Transparenz müsste auch die Polizei interessiert sein. Bleibt sie eine Dunkelkammer, sinkt ihre Glaubwürdigkeit weiter.

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BZ 6.1.12

Täter kaum zu finden

Reitschule · Die Personen, die am Neujahrstag volle Flaschen auf Autos warfen, kommen wohl ungeschoren davon. Die Polizei ging für die Tätersuche nicht ins Innere des Gebäudes - es dürfte nun sehr schwierig sein, die Verantwortlichen ausfindig zu machen. Die SVP bezeichnet das Auftreten der Polizei und ihre Infopolitik in dieser Angelegenheit als "äusserst fragwürdig" und fragt, ob es Tote geben müsse, bis der Gemeinderat die Sicherheit wieder durchsetze.wrs · Seite 2

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Polizei ging nicht in die Reitschule

Stadt Bern. Ob die Flaschenwerfer aus der Reitschule gefunden werden, ist unsicher. Die Polizei jedenfalls ging nicht ins Gebäudeinnere, um die Täter ausfindig zu machen.

Neujahrstag um die Mittagszeit: Aus der Reitschule werfen dunkel gekleidete Personen volle Bierflaschen auf vorbeifahrende Autos. Mindestens fünf Fahrzeuge werden beschädigt. Beim BMW eines 49-jährigen Berner Lehrers geht die Frontscheibe in die Brüche. Der Schaden bei seinem Auto beträgt über 2000 Franken (siehe gestrige Ausgabe).

Den Schaden wird er wahrscheinlich selber zahlen müssen. Wer die Flaschen geworfen hat, steht nicht fest - ob es jemals herausgefunden wird, auch nicht. Die Polizisten hätten ihren Einsatz ausserhalb des Reitschule-Gebäudes geleistet und seien nicht ins Innere gegangen, sagt Michael Fichter, Sprecher der Kantonspolizei. Dies habe, wie bei jedem anderen Einsatz, die Patrouille vor Ort so entschieden. Bei einer Person habe die Polizei Personalien aufgenommen. Die Suche nach der Täterschaft laufe. Die Polizei habe bisher Kenntnis von einer Anzeige. Ein Augenzeuge berichtete von einer Person, die mit blutüberströmtem Gesicht von Sanitätern betreut wurde. Die Verletzung steht laut Polizeisprecher Fichter aber nicht im Zusammenhang mit den Flaschenwürfen. Der Mann sei bei einer Auseinandersetzung vor einem anderen Lokal verletzt worden und habe sich danach in Richtung Reitschule begeben. Um diesen Vorfall habe sich eine weitere Polizeipatrouille gekümmert.

Körperverletzung, Tätlichkeit

Sollten die Täter doch erwischt werden, könnte die Anzeige gegen sie auf eventualvorsätzliche Körperverletzung lauten - wenn die Täter in Kauf nehmen, dass der Wurfgegenstand jemanden verletzt. Wenn die Wahrscheinlichkeit einer Verletzung klein ist, handelt es sich eher um bedingt fahrlässige Körperverletzung. Liegt beim Getroffenen keine Verletzung vor, kann immer noch der Tatbestand der Tätlichkeit erfüllt sein.

Behörden diskutieren …

Der kantonale Polizeidirektor Hans-Jürg Käser (FDP) will sich in den Medien zurzeit nicht zur Situation rund um die Reitschule äussern. Der Grund liegt in den laufenden Gesprächen: Rund um Probleme mit Einsätzen bei der Reitschule hat sich eine Arbeitsgruppe mit Vertretern von Stadt, Regierungsstatthalteramt und Polizei gebildet. Ziel ist laut Statthalter Christoph Lerch "ein koordiniertes Vorgehen der Behörden". Was die Gruppe inhaltlich diskutiert, sagt er nicht. Lerch kündigt aber an, dass die Gruppe bis im Frühling Resultate vorlegen will.

Wolf Röcken

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Untersuchung

Die Oberaufsichtskommission des Grossen Rats untersucht die Arbeit der Kantonspolizei bei verschiedenen Einsätzen, unter anderem solchen bei der Reitschule. Dies bestätigt Kommissionspräsident Andreas Blaser (SP). Das Augenmerk soll auf der Frage liegen, ob es bei den Einsätzen grundsätzlich Probleme gibt und wie allenfalls der Regierungsrat damit umgeht. Im Februar werde sich ein Ausschuss mit dem Thema beschäftigen. Dann werde klar, wie die Kommission über die Untersuchung berichte. Auslöser der Untersuchung war ein umstrittener Einsatz im August am Buskers-Festival. Damals sammelten Aktivisten von GSoA, Jungen Grünen und der Jungen Alternativen Unterschriften. Dabei wurde ein GSoA-Aktivist von der Polizei abgeführt. Die Demokratischen Juristinnen und Juristen forderten die Oberaufsichtskommission daraufhin per Eingabe auf, die Polizeiarbeit zu untersuchen.

Bereits im November hatte SP-Grossrätin Flavia Wasserfallen eine Motion eingereicht, in der sie fordert, dass vier Polizeieinsätze von unabhängiger Stelle untersucht werden. Es geht um die Einsätze beim Anti-AKW-Camp, am Buskers, am SVP-Wahlfest und in der Reitschule am 22. September.wrs

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20 Minuten 6.1.12

Reitschule-Einsatz: Keine Untersuchung

BERN. "So kann man sich nicht aus der Verantwortung ziehen", kommentierte gestern SP-Grossrätin Flavia Wasserfallen einen Entscheid des Regierungsrats: Dieser will keine unabhängige Untersuchung des Kapo-Einsatzes in der Reitschule von letztem September. Wie die "Berner Zeitung" schreibt hatte der Stadtberner Gemeinderat selbst vom Kanton in einem Brief die Aufklärung der Ereignisse gefordert. In einem Antwortschreiben lehnt der Regierungsrat dies jedoch ab: Eine unabhängige Untersuchung sei "nicht das geeignete Mittel zur Zielerreichung". Linke Politiker geben sich damit nicht zufrieden: "Wir wollen eine unabhängige Untersuchung", so Wasserfallen. Dies sei wichtig, damit die Kapo in der Bevölkerung weiterhin Vertrauen geniesse. Bei dem umstrittenen Polizeieinsatz war es zu Handgreiflichkeiten zwischen Fahndern und Anwesenden gekommen. NJ

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svp-stadt-bern.ch 5.1.11

Medienmitteilung

Linksanarchisten attackieren fahrende Autos von der Reitschule aus!

Die Deeskalationspolitik der Kantonspolizei nimmt neue Formen an. Am Sonntag wurden fahrende Autos aus der Reitschule mit Flaschen beworfen und die Polizei verweigerte daraufhin den gegen Leib und Leben angegriffenen ihre volle Unterstützung! Das Auftreten der Polizei und ihre Informationspolitik ist äusserst Fragwürdig! Gilt nun die Devise, nicht Handeln ist besser als Reagieren und Informieren?

Müssen zuerst Personen ihr Leben lassen, bis der Gemeinderat (Tschäppät und Nause) seine Aufgaben wahrnehmen und die Sicherheit in der ganzen Stadt Bern durch die Kantonspolizei wieder durchsetzen lässt? Die SVPplus Fraktion verlangt, dass geltendes Recht und der Schutz der Bevölkerung durch die Polizei auch vor und in der Reitschule wieder durchgesetzt werden. Die Deeskalationspolitik ist nach diversen Angriffen auf Personen in den letzten Monaten durch die Reitschulanarchisten klar gescheitert! Wenn die zuständigen Gemeinderäte nicht in der Lage sind, den Schutz der Bevölkerung in der Stadt Bern weit möglichst zu gewährleisten, haben Sie ihre Ämtern niederzulegen, damit neue Kräfte in der Stadt Bern für Recht und Ordnung sorgen können!

Für Fragen steht Ihnen Roland Jakob Stadtrat & Fraktionspräsident SVPplus Fraktion gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüssen

Roland Jakob

Stadtrat & Fraktionspräsident

SVPplus Fraktion

079 244 40 20

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derbund.ch 5.1.12

"Das Vorgehen der Polizei beurteile ich heute als angemessen"

Interview: Hanna Jordi.

Ein eskalierter Polizeieinsatz in der Reitschule - und keine Folgeuntersuchung. Der Berner Sicherheitsdirektor Reto Nause nimmt Stellung.

Die Handgreiflichkeiten zwischen Polizisten und Reitschülern im Herbst in der Reithalle gaben zu reden: Beide Seiten bezichtigten sich gegenseitig der Übergriffe. Was den Gemeinderat letztendlich dazu bewogen, bei der Kantonsregierung eine Untersuchung des Vorfalls zu beantragen?

Zum einen lagen Vorstösse von Sozialdemokraten und dem grünen Bündnis im Stadtparlament vor, die eine externe Untersuchung des Zwischenfalls verlangten. Zum anderen waren über die Geschichte zwei verschiedene Versionen im Umlauf - eine der Polizei, eine der Reitschule. Wir hielten es deshalb für angebracht, das Verhalten der Reitschüler sowie die Verhältnismässigkeit des Polizeieinsatzes von einer unabhängigen Instanz überprüfen zu lassen.

In der Antwort des Regierungsrates ist jedoch zu lesen, dass eine solche externe Untersuchung nicht "zielführend" sei. Ist diese Absage für Sie einleuchtend?

Nachdem wir unser Begehren platziert hatten, fanden Gespräche zwischen einer Delegation des Gemeinderates und Polizeidirektor Hans-Jürg Käser statt. Im Rahmen dieser Gespräche konnten offene Fragen geklärt werden, so dass ich heute der Meinung bin, dass die Angelegenheit - zumindest politisch betrachtet - abgeschlossen ist. Aus heutiger Sicht beurteile ich das Vorgehen der Polizei als angemessen, wobei ich hier nur für mich sprechen kann.

Welche Hintergrundinformationen haben Sie zum Umdenken bewogen?

Darüber kann ich nicht sprechen. Das ist Gegenstand eines laufenden Verfahrens gegen einen der beteiligten Reitschulgäste.

Für die Öffentlichkeit haben sich die Unstimmigkeiten indes nicht aufgelöst: Für besondere Verwirrung sorgt die Kluft zwischen den Videoaufzeichnungen eines Reitschulgastes und der Medienmitteilung der Polizei, die diametral auseinandergehen. Wie beurteilen Sie diese Dissonanz in der Kommunikation?

Vorneweg: Für mich war das Video nie ein Beweis für polizeiliche Gewalt. Was ich darin sehe, ist ein Beweis dafür, dass Beamte bei ihrer Arbeit behindert werden. Ich sehe die Aufzeichnung natürlich durch die Brille des Sicherheitsdirektors. Und was die Kommunikation anbelangt, so kann ich sagen, dass in der Vergangenheit sicher beiden Seiten Fehler unterlaufen sind. Näher möchte ich die Kommunikation der beiden Parteien aber nicht kommentieren.

Die Bemühungen der Stadtparlamentarier, mit einer Untersuchung Licht in die Angelegenheit zu bringen, sind gescheitert. Hat die Stadt Bern aus Ihrer Sicht überhaupt taugliche Mittel zur Hand, um Rechenschaft über polizeiliche Einsätze zu erhalten?

Seit Police Bern existiert und die Schirmherrschaft dem Kanton übertragen wurde, hat die Stadt Bern nur noch operatives Mitspracherecht in Bezug auf die Polizeiarbeit: Wir melden an, wo wir wann wie viele Beamte benötigen. Wenn sich jemand bei einem konkreten Einsatz schlecht behandelt fühlt, kann er eine Aufsichtsbeschwerde einreichen. Und auf Kantonsebene steht es den Mitgliedern des grossen Rats offen, einen entsprechenden Vorstoss einzureichen.

(DerBund.ch/Newsnet)

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derbund.ch 5.1.12

Eskalierter Polizeieinsatz bei der Reitschule wird nicht untersucht

Im September kam es im Innenhof der Reitschule zu einer Auseinandersetzung zwischen Reitschülern und Polizeifahndern. Entgegen dem Begehren des Berner Gemeinderats will die Kantonsregierung den Vorfall aber nicht untersuchen.

Der Vorfall in der Reitschule gab im Herbst zu reden: Polizeifahnder und Reitschüler gerieten in eine handgreifliche Auseinandersetzung. Laut einem Bericht der "Berner Zeitung" von heute Donnerstag will der Regierungsrat das Vorgehen der Polizei aber nicht untersuchen.

Der Gemeinderat hatte im Oktober eine entsprechende unabhängige Untersuchung eingefordert. Im Antwortbrief lässt der Regierungsrat verlauten, eine solche Untersuchung sei "nicht das geeignete Mittel zur Zielerreichung".

Zwei unterschiedliche Versionen

Zu den Handgreiflichkeiten war es im Nachklang einer Personenkontrolle auf dem Vorplatz der Reitschule gekommen. Der kontrollierte Mann flüchtete in die Reitschule, die Fahnder auf den Fersen. Laut der am gleichen Abend verschickten Polizeimeldung hätten daraufhin "30 bis 40" Personen die Beamten zum Teil handgreiflich bei ihrer Arbeit gehindert. Auf den Videoaufzeichnungen, die ein Reitschüler vom Vorfall gemacht hatte, war von einem solchen massiven Personenauflauf indes nichts zu sehen. Laut Reitschule waren die Aggressionen vornehmlich von den Beamten ausgegangen, die im Laufe des Vorfalls die Reitschule den Rückzug antraten.

Der Berner Gemeinderat gibt sich mit der abschlägigen Antwort des Regierungsrats zufrieden. Reto Nause geht nun von einem "verhältnismässigen" Einsatz aus. hjo

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BZ 5.1.12

Eine Untersuchung der Polizeiaktion bleibt aus

Reitschule · Der Regierungsrat lehnt eine unabhängige Untersuchung des umstrittenen Polizeieinsatzes vom vergangenen Herbst ab.

In einem geheimen Schreiben an den Regierungsrat forderte der Berner Gemeinderat eine unabhängige Untersuchung des umstrittenen Polizeieinsatzes in der Reitschule vom 22. September 2011. Damals wollten Zivilfahnder im Innern der Reitschule einen Mann verhaften. Dabei seien die Beamten unverhältnismässig aggressiv vorgegangen und hätten Besucher der Reitschule attackiert. Diese Kritik äusserten die Reitschule-Betreiber an einer Medienkonferenz und veröffentlichten Handyaufnahmen eines Gastes. Laut Recherchen dieser Zeitung schlägt die Kantonsregierung diese Forderung in den Wind. Eine unabhängige Untersuchung sei "nicht das geeignete Mittel", steht im Antwortschreiben an den Gemeinderat.

Rund um die Reithalle ereignete sich am Neujahrstag ein weiterer Vorfall: Reithalle-Besucher warfen aus den Fenstern volle Bierflaschen auf vorbeifahrende Autos. Die Polizei rückte mit einem Grossaufgebot aus.tob/jsp Seite 2

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Stadt Bern - Gewalt rund um die Reitschule

Umstrittene Polizeiaktion wird nicht untersucht

Im Herbst gerieten Polizisten und Reitschule-Gäste im Innenhof der Berner Reitschule aneinander. Nach der Veröffentlichung von Videoaufnahmen forderte die Berner Stadtregierung eine unabhängige Untersuchung des umstrittenen Vorfalls. Doch die kantonale Polizeidirektion lehnt diese Untersuchung ab.

Es war ein ruhiger Donnerstagabend im vergangenen September, als Zivilfahnder der Kantonspolizei Bern auf dem Vorplatz der Reitschule einen Mann kontrollierten. Dieser flüchtete in die Reitschule, und die Gesetzeshüter folgten ihm. Für den Fortgang der Geschichte gibt es zwei Versionen: Die eine stammt von der Medienmitteilung, welche die Polizei am 23. September 2011 verschickte. Demnach wurden die Einsatzkräfte in der Reitschule festgehalten, angespuckt und geschubst, von 30 bis 40 Personen massiv bedrängt und schliesslich mit Fusstritten und Fäusten in die Flucht geschlagen. Ganz anders verlief der Abend aus Sicht der Reitschule-Betreiber: In dieser Version ging die Aggression von den Zivilfahndern aus. Ein Mann wurde von den Polizisten zu Boden gedrückt und gewürgt. Eine Frau wurde geohrfeigt und weitere Personen an den Haaren gerissen, zu Boden geworfen, an die Wand geschubst oder mit Pfefferspray bedroht. Ein Reitschule-Gast nahm Teile des Einsatzes mit dem Handy auf. Die Filmsequenzen wurden an einer Medienkonferenz in der Reitschule veröffentlicht (wir berichteten).

"Wir wollten Fakten"

Gemäss Recherchen dieser Zeitung verlangte der Berner Gemeinderat am 19. Oktober 2011 in einen geheim gehaltenen Brief an die Kantonsregierung eine Untersuchung der umstrittenen Vorfälle durch eine unabhängige Instanz. "Es gab damals zwei unterschiedliche Versionen, und wir wollten wissen, wie die Fakten lauten", sagt der Stadtberner Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP) auf Anfrage.

Doch der Regierungsrat steigt nicht auf diese Forderung ein. Eine unabhängige Untersuchung sei "nicht das geeignete Mittel zur Zielerreichung", steht im Antwortbrief vom 21. Dezember 2011. Der Polizeieinsatz vom 22. September 2011 sei Gegenstand eines hängigen Strafverfahrens gegen die damals verhaftete Person. Weiter steht im Brief: "Der Kantonspolizei muss es möglich sein, innerhalb der Reitschule ihrer Arbeit unbehelligt nachzugehen. Sollten Betroffene dabei den Eindruck erhalten, sie würden dadurch ihrerseits in strafrechtlich relevanter Weise betroffen, steht ihnen der Rechtsweg offen." Der kantonale Polizeidirektor Hans-Jürg Käser (FDP) will sich auf Anfrage nicht zu diesem Thema äussern.

Aussprache hat stattgefunden

"Wir haben uns mit dem Regierungsrat ausgesprochen, und die Angelegenheit ist politisch kein Thema mehr", sagt Reto Nause. Auf die Frage, ob er mittlerweile die Fakten kenne, antwortet er: "Meiner Meinung nach verlief dieser Polizeieinsatz verhältnismässig ab." Tobias Habegger

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rr.be.ch 21.12.11

Regierungssitzung vom 21. Dezember 2011
Vorfälle in der Reitschule vom 22. September 2011. Schreiben des Gemeinderates Stadt Bern vom 19. Oktober 2011. Antwortschreiben des Regierungsrates
http://www.rr.be.ch/etc/designs/gr/media.cdwsbinary.RRDOKUMENTE.acq/8b5db0296b4d4b119e90471ae53c8ee4-332/1/PDF/2011.1823-RRB_gescannt-DF-49605.pdf
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BZ 5.1.12

Vorfall am Neujahrstag

Fünf Autos wurden am Sonntag aus der Reitschule mit Flaschen beworfen. Auch ein Passant wurde getroffen und verletzt.

Um die Mittagszeit am Neujahrstag fuhr ein 49-jähriger Lehrer * mit seinem BMW auf der Neubrückstrasse an der Reitschule vorbei. "Plötzlich flogen Flaschen aus dem Gebäude", erzählt er. Er wollte nach rechts auf die Busspur ausweichen. "Doch das ging nicht, weil ich sonst Velofahrer umgefahren hätte", sagt er. Ihm blieb nichts anderes übrig als abzubremsen und auf der linken Spur weiterzufahren. "Sekunden später schlug eine volle Bierflasche auf der Frontscheibe auf." Weil er wegen der milchigen, gespaltenen Frontscheibe nicht mehr weiterfahren konnte, hielt er an und telefonierte der Polizei.

Dann warfen dunkel gekleidete Personen erneut Flaschen aus der Reitschule. Eine volle Bierflasche traf den Jeep eines Autofahrers * aus Küsnacht ZH. "Zehn Minuten später trafen Polizisten mit umgehängten Gewehren ein", erzählt der BMW-Fahrer. Dann seien die Dutzend Polizisten in die Reithalle eingedrungen. Der Lehrer will auch gesehen haben, wie ein Passant von einer Flasche getroffen wurde. Der Mann mit Blut überströmten Gesicht sei von Sanitätern betreut worden", erzählt er. "Wir wissen nichts von einem Verletzten", sagt hingegen Kantonspolizeisprecherin Daniela Sigrist.

Gemäss ihren Angaben hat die Polizei bisher Kenntnis von einer Anzeige. Der Jeep- und BMW-Fahrer sind überzeugt: "Innert weniger Minuten wurden fünf Autos von Flaschen getroffen." Die Polizei habe dann allen betroffenen Autofahrern geraten, auf die Schützenmatte zu fahren und dort für einen Rapport zu warten, berichtet der BMW-Fahrer. "Doch die Polizei erschien auch nach einem Anruf von uns Wartenden nicht", sagt der Jeep-Fahrer. Er habe am Dienstag an seinem Wohnort Küsnacht Anzeige erstattet. "Es wäre schwierig gewesen, in der Nähe der Reitschule die Rapporte aufzunehmen. Priorität hatten die Sofortmassnahmen zur Sicherheit aller Beteiligten", sagt Polizeisprecherin Sigrist. "Der Polizei tut es leid, wenn sich die Autofahrer nicht gut betreut fühlten", führt sie aus. Die Schäden an den Autos der beiden belaufen sich auf je über 2000 Franken. "Weil keine Versicherung Vandalenakte und höhere Gewalt abdeckt, müssen wir den Schaden wohl selber bezahlen", fürchten sie. Beide sind entsetzt über die "Machenschaften" in der Reitschule: "Es darf doch nicht sein, dass ich bei einem Freundesbesuch in Bern mit Flaschen beworfen werde", sagt der Jeep-Fahrer aus Küsnacht. Der BMW-Fahrer aus Bern doppelt nach: "In der Nähe der Reitschule ist es lebensgefährlich." Die Kantonspolizei Bern hat über die Flaschenwürfe vom Neujahrstag nicht informiert. "Im Zuge der Gleichbehandlung haben wir nicht informiert", erklärt Kapo-Sprecherin Sigrist. Es habe über Neujahr mehrere gleichwertige Sachbeschädigungen im Kanton Bern gegeben.Jürg Spori

* Namen der Redaktion bekannt

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Bund 5.1.12

"Westöstlicher Diwan"

Ein Jude, ein Moslem und ein Diwan

Man nehme einen jüdischen und einen muslimischen Gottesgelehrten, sperre sie in eine Zelle und sehe, was passiert. Das hat Friedrich Dürrenmatt in der Erzählung "Abu Chanifa und Anan ben David" getan, und das tut auch die Gruppe Thersites im Stück "Auf dem westöstlichen Diwan", das sich auf diese Vorlage bezieht und sie vor dem Hintergrund des Nahostkonflikts ins Theatralische dreht. (reg)

Tojo-Theater Reitschule Fr, 6., und Sa, 7. Januar, 20.30 Uhr. So, 8. Januar, 19 Uhr.

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BZ 5.1.12

Theater

Skurriler Dürrenmatt

Die Gruppe Thersites zeigt im Berner Tojo-Theater "Auf dem westöstlichen Diwan", frei nach Friedrich Dürrenmatts Erzählung "Abu Chanifa und Anan ben David" (1975) - eine skurrile Geschichte, die den interreligiösen Dialog zwischen den monotheistischen Religionen vor dem Hintergrund des Nahostkonflikts thematisiert.pd

Aufführungen: Fr, 6.1., und Sa, 7.1., jeweils 20.30 Uhr. So, 8.1., 19 Uhr. www.tojo.ch

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Bund 5.1.12

Fünf Fragen an

Sandra Forrer

Die 31-Jährige wurde in Schaffhausen geboren, lebt und arbeitet aber seit zehn Jahren in Bern. Beim Studium der Theaterwissenschaften lernte sie Sibylle Heiniger kennen, seither bringt das Gespann Heiniger/Forrer gern elementarthematische Stücke auf die Bühne: etwa "Anrufung des Herrn. Szenen zum Abschied" oder "Let’s Apocalypse Now, My Friend". Am Mittwoch, 11. Januar, feiert die neue Produktion "Passing You" im Tojo-Theater Premiere - die "Theaterinstallation über das Älterwerden" öffnet die Tore um 17, 18 und 19 Uhr, Reservation von Vorteil.

Frau Forrer, in Ihrer neusten Produktion "Passing You" sprechen Sie mit Ihren Grosseltern über das Älterwerden. Inwiefern ist Ihr eigenes Alter für Sie ein Thema?

Ich erlebe das Altern als sehr angenehm: Ich bin jetzt 31 und habe das Gefühl, dass es von Jahr zu Jahr besser wird. In meinem Alter kann man höchstens vom Älterwerden sprechen. Dagegen dreht sich mit 80 das Leben um das Altsein an sich. "Passing You" ist daher eher eine Auseinandersetzung mit dem Altwerden älterer Menschen, nicht mit dem Älterwerden an sich.

Sie haben Ihre Grosseltern interviewt und aufgenommen. Nun spielen Sie die Aufzeichnung in einem eigens gebauten Wohnzimmer für zehn bis fünfzehn Zuschauer ab. Wie kamen Sie zu dieser speziellen Anlage des Stücks?

Kann man das Gefühl, bei den Grosseltern zu Besuch zu sein, in einer Installation vermitteln? Das war mein Ansatz. Zum Gelingen dieser Mission trägt der Kontext bei: Der Zuschauer sitzt in einem Wohnzimmer mit vier Wänden auf einer Couch oder einem Sessel und erlebt, was im Zimmer passiert, was die "Gastgeber", die als Stimmen und Videoaufzeichnung präsent sind, erzählen.

Und was können die "Besucher" aus diesen Erzählungen lernen?

Die Zuschauer erfahren viel über das Leben älterer Menschen. Das sind Einblicke, an sich Banalitäten, die sehr wertvoll sind. Das körperlose Älterwerden erhält Gestalt durch Aussagen wie: "Morgens tun mir mindestens eine Stunde lang alle Knochen im Körper weh, bis ich wieder warmgelaufen bin." Das ist eindrücklich und anschaulich in seiner Einfachheit. Und wertvoll für Menschen, die vielleicht selbst keinen Kontakt zu Grosseltern mehr haben: Sie erhalten eine Vorstellung davon, wie es sein könnte, alt zu sein.

Hat das Projekt die Beziehung zu Ihren Grosseltern verändert?

Wir hatten von jeher eine gute Beziehung. Intensiviert hat sie sich, wie ich die 20 überschritt. Vorher ist man ja noch fast Kind und recht ichbezogen. Heute habe ich das Gefühl, dass ich meinen Grosseltern auf Augenhöhe begegne. Die Arbeit am Projekt hat das gegenseitige Verständnis gefördert: Ich erhielt einen Einblick in ihr Leben - und sie handkehrum in meine Arbeit als Dramaturgin. Sie schätzten es ausserdem, dass ihr Erfahrungsschatz, den sie sich aufgebaut haben, die Hauptrolle spielen durfte, ihr Alltag erhielt eine Plattform. Diese Auseinandersetzung mit dem Alter sollte an sich je länger, je mehr Platz haben: Die einzelnen Mitglieder der Gesellschaft und die Gesellschaft als Ganzes werden ja immer älter.

Bereits Ihre letzten beiden Produktionen drehten sich um Vergänglichkeit, um Endzeit und Abschiednehmen. Werden Sie sich im neuen Jahr anderen Themen zuwenden?

Diese thematische Ballung war eigentlich Zufall. Natürlich - der Endpunkt der Dinge fasziniert, immerhin streben wir alle unweigerlich darauf zu. Für zukünftige Projekte fasziniert mich die Idee einer abgeschlossenen Erlebnisbox nach dem Vorbild des Wohnzimmers. Beim nächsten Projekt soll sie noch exklusiver, noch intimer sein: ein gestalteter Raum, der einer oder zwei Personen vorbehalten ist. Inhaltlich spiele ich mit dem Gedanken einer Reisemaschine: Der Zuschauer soll eine Reise erleben, ohne sie physisch zu unternehmen. Das wäre dann eine geografische Bewegung, weniger eine in der Zeit oder Lebensdauer wie bisher. (hjo)

"Mit unter 20 ist man ja noch fast Kind und recht ichbezogen."

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Zueritipp 5.1.12

Ausweitung der Spielzone

Zueritipp / Corina Freudiger

400asa ist eine der innovativsten Theatergruppen des Landes. Nun macht sie an der Langstrasse ihr eigenes Stadttheater auf - und erfindet das urbane Reality Game.

Jammern ist anders. "Anstatt Trübsal zu blasen, rufen wir lieber freudig in die Welt hinaus: Es lebe die Beschränkung der künstlerischen Mittel! Es lebe der Asketismus!" So steht es im Manifest von 400asa, einer der interessantesten freien Theatergruppen der Schweiz. 1999 machte sie mit diesen Sätzen aus der Not eine Tugend, als für eine Produktion nicht genug Geld zusammenkam. Seither sorgt 400asa mit ihrem kritischen, politischen Schaffen für Aufsehen: an der Expo.02 etwa mit die Nationalhymne singenden Affen, später mit einem Tell in der Gestalt des Zuger Attentäters Leibacher; und in den kommenden Wochen wohl wieder. Denn gerade eben hat 400asa an der Zürcher Langstrasse ihr eigenes Stadttheater ins Leben gerufen und versucht sich dort in einer gänzlich neuen Theaterform: einem Computerspiel mit echten Menschen auf den Strassen des Chräis Chäib.

Das passt bestens zur Handschrift der Gruppe. Statt mit teuren Kulissen die Welt im Theater nachzubauen, hat sich 400asa nämlich bereits mehrmals die Welt zur Kulisse gemacht und wortwörtlich offstage inszeniert. In einem Reisebus zum Beispiel oder im eindunkelnden Wald. Das Theaterbillett wurde so gleichsam zur Eintrittskarte in eine unheimlich verfremdete Realität. Zudem stand der Name 400asa auch immer schon für einen Mix der Mittel: Theater, Hörspiel oder Dokumentarfilm, da sieht und zieht die Gruppe keine Grenzen. Im Sommer kommt "Mary & Johnny" in die Kinos, der erste 400asa-Spielfilm. Er wurde aus Geldnot in nur neun Nächten gedreht. Kulisse: das Züri-Fäscht 2010.

Ein begabter Provokateur

Mit ideenreicher Hartnäckigkeit Ziele zu erreichen, die nicht umsetzbar scheinen, ist eine der Kernkompetenzen von 400asa. Der Kopf, in dem viele dieser Ideen entstehen, gehört Samuel Schwarz: Gründungsmitglied, Regisseur und Aushängeschild. Als Chef will sich Schwarz nicht verstanden wissen: "Wir sind ein Kollektiv mit verschiedenen Talenten, lauteren und leiseren", sagt er diplomatisch. Doch er ist halt ein guter Redner und ein brillanter Kopf, ein begabter Provokateur und ein leidenschaftlicher Sich-aus-dem-Fenster-Lehner, dieser Samuel Schwarz. Einer, der von seinem Emmentaler Dialekt sofort ins druckreife Hochdeutsch wechseln kann. Der bereits während des Gymnasiums die Berner Reitschule entdeckte und dort seine ersten Theaterstücke produzierte: spirituelle Weihnachtsmärchen mit Punks. Heute ist Schwarz darum nicht nur ein erfolgreicher Regisseur, sondern auch eine laute Stimme der hiesigen freien Szene. So regte er letztes Jahr eine radikale Umstrukturierung der Stadttheater an: Anstelle von teuren Intendanten und Dramaturgen sollen die freien Gruppen sich selbst verwalten. 400asa bewarb sich selbst mehrmals mit einem solchen Konzept für die Leitung eines Hauses. Bisher blitzte die Gruppe ab.

Doch eben. Jammern ist anders, und darum gründet 400asa nun mit der Plattform Stadttheater.tv ihr eigenes virtuelles Haus - und quartiert sich ganz real für einen Monat in der Galerie Perla-Mode ein. Zum Auftakt gibts eine teuflische Installation, zum Abschluss ein Musical (siehe unten). Dazwischen vergrössert 400asa ihr und unser Theater-Universum um die Ebene des Computerspiels.

Wird es funktionieren?

Das geht so: In einer achttägigen Testphase entwickelt die Gruppe den "Polder", ein urbanes Reality Game. Darin werden Zuschauer zu Spielern, Schauspieler zu Figuren, Langstrassenbewohner zu Informanten, Hinterhöfe zu Spielorten. Experten aus der Gamebranche werden zu Gast sein und zusammen mit 400asa diese neue Erzählform erfinden. "Das wird interessant", freut sich Schwarz, "den Computerfreaks fehlen Stimmen und Körper, uns fehlen die Methoden und Erzähltechniken der Gamebranche" Die Perla-Mode soll dabei ein transparenter Treffpunkt werden, für Eingeweihte und Neugierige: "Hier kann uns jeder besuchen kommen und über das Projekt sprechen." Oder man probiert an einem Walk draussen im Kreis 4 selber aus, wie theatrales Gamen funktioniert. Wird es denn funktionieren? "Bestimmt. Wie, wird sich zeigen. Man muss sich ja auch selbst überraschen. Sonst machen wir Zeichentrickfilme, wo wir von Anfang an wissen, wies ausgeht, und malen dann zwei Jahre lang Frames aus", sagt Samuel Schwarz und fügt an: "Wenn man mit Leuten arbeitet, muss man offen sein dafür, was passiert. Sonst soll man etwas anderes machen."

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kulturstattbern.derbund.ch 4.1.12

"Itz eifach nid düredräie!"

Von Grazia Pergoletti am Mittwoch, den 4. Januar 2012, um 01:50 Uhr

So die Worte von Soulmate Flo Eichenberger am heutigen Abdankungsfest des Sous Souls, des Clubs mit der grössten Seele, des Untergrundlokals für Tanzfüdli mit Tiefgang, Seelenverwandte auf Besuch und Unterirdische in Feierlaune. Okay. Hören wir auf, wenns am schönsten ist.

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Von der Reitschule her kam ein angemessen gekleideter Trauerzug die Altstadt runter geschritten und hat bei dieser Gelegenheit auch gleich die Kulturpolitik zu Grabe getragen.

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Hier sieht man die Seele vom Sous Soul, wie sie entweicht:

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Wir glauben aber an Reinkarnation und lassen uns deshalb nicht unterkriegen.

Apropos Abschied: Wie Sie vielleicht bemerkt haben, trete ich nur noch selten als Autorin in Erscheinung. Tatsächlich löse auch ich mich hier auf dem Blog langsam in Luft auf. Und bleibe aber ab und an als Gast mit kleinen Beiträgen erhalten. Ganz nach Flo Eichenberger: Hören wir auf, wenns am schönsten ist!