MEDIENSPIEGEL
06. - 12. FEBRUAR 2012
bernerzeitung.ch 10.2.12
http://www.bernerzeitung.ch/schweiz/standard/Der-CVPBiermann-der-Berner-Autonomen/story/12114528
Der CVP-Biermann der Berner Autonomen
Hubert Mooser, Bern
Das autonome Kulturzentrum Reithalle ist für den Berner
Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP) ein Dauerärgernis. Das Bier
kommt aus der Brauerei des neuen CVP-Nationalrats Alois Gmür (SZ).
Der Einsiedler Nationalrat Alois Gmür (CVP) war 14 Jahre
Bezirksrat, vier Jahre Bezirksammann von Einsiedeln, und seit 2004
Kantonsrat in Schwyz. Seit dem 23. Oktober 2011 gehört er neu auch
dem Nationalrat an. Er kommt für Reto Wehrli, der auf Ende der
Legislatur zurück trat. Gmür gilt als gradlinig und als
einer, der sich in Bern durchsetzen könne. Es ist aber weniger
sein politischer Leistungsausweis, der ihn zu einem Original macht.
Sondern es ist erstens sein Job als Bierbrauer aus Einsiedeln. Und
zweitens seine für einen CVP-Politiker eher ungewöhnliche
Kundschaft.
Der grösste Kunde von Gmürs Bierbrauerei ist die Reithalle in
Bern, ein alternatives und autonomes Kulturzentrum, welches sich in den
achtziger Jahren aus einer Hausbesetzung entwickelte. Die Reithalle ist
jedoch besonders für Politiker von der FDP, der SVP und auch
für Gmürs CVP seit Jahren ein Ärgernis. Es ist nicht der
Kulturbetrieb selber, sondern das Drumherum, das regelmässig
für hochrote Köpfe im Stadtparlament von Bern sorgt. Und
Gmürs Parteikollege, der Stadtberner Sicherheitsdirektor Reto
Nause musste sich wiederholt mit Vorgängen in und um die Reithalle
auseinandersetzen.
Im September des letzten Jahres lieferte zum Beispiel eine umstrittene
Polizeiaktion in der Reithalle für politischen Zündstoff. Der
Einsatz endete mit einer heftigen Auseinandersetzung und verletzten
Polizisten. Die Polizei sprach in ihrer Mitteilung von einem
Übergriff auf einen Polizisten. Die Reithalle-Betreiber und
Augenzeugen sprachen dagegen von einem unverhältnismässigen
Aktion und einer völlig übertriebenen Darstellung des
Sachverhaltes durch die Polizei. Auch im Stadtparlament gab der Vorfall
Anlass zu heftigen politischen Auseinandersetzungen.
Gmür ist gegen Konzentrationsprozess in der Wirtschaft
Mächtig auf den Putz haute hinterher auch die CVP. In einer
Mitteilung forderte sie sogar die partielle Schliessung des
Restaurants. Bei weiteren "Übergriffen" gegen die
Sicherheitsorgane solle dem Gastrobetrieb in der Reithalle die
Betriebsbewilligung ganz entzogen werden. Das würde vor allem
einen empfindlich treffen: CVP-Nationalrat Alois Gmür. Trotzdem
findet der Schwyzer, Reto Nause mache es viel besser als seine
Vorgänger, was die Reithalle anbelangt. Nause sieht es auch nicht
so eng wie seine Partei. "Mit 99 Prozent der Besucher haben wir kein
Problem", sagt der Berner Sicherheitsdirektor. "Und das eine Prozent,
das uns Kummer bereitet, hat wahrscheinlich nicht Alois' Bier
getrunken, sondern die Getränke selber mitgebracht."
Das freut Gmür. Der Schwyzer gibt zu, er habe ein bisschen Angst
gehabt, als er in den 1990er Jahren zum ersten Mal Bier in die
Reithalle nach Bern ausfuhr. "Vor der Halle standen ein paar
merkwürdige und gfürchige Gestalten", erinnert er sich.
Inzwischen kenne man ihn dort. Wie ein konservativer CVP-Politiker aus
dem Kanton Schwyz dazu komme, Bierlieferant der Linksautonomen in Bern
zu werden, hat er vor Jahren einmal der Weltwoche geschildert: Er
selber sei gegen den Konzentrationsprozess in der Wirtschaft. Und die
in der Reithalle würden sich auch dagegen stemmen. Als Nationalrat
hat Gmür jetzt während den Sessionen Gelegenheit, seine
Klientel in Bern speziell zu pflegen - und mit Sicherheitsdirektor Reto
Nause in der Reithalle ein Bier zu stemmen.
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WoZ 9.2.12
Syrien
Die Lage in Syrien verschlimmert sich täglich, das Land ist in
Aufruhr. Doch die Bilder, die wir über die Medien erhalten, sind
meistens dieselben. Blicke hinter die Kulisse ermöglicht ein Abend
mit dem syrischen Schriftsteller Freedom Ezabel. Er ist Autor
zahlreicher Novellen, Theaterstücke, Gedichte und Streitschriften
und setzt sich intensiv und kritisch mit den Auswirkungen des
islamischen Rechtssystems auseinander. Ein Abend mit Information aus
erster Hand und arabischer Poesie.
Bern Infoladen Reitschule, Mi, 15. Februar, 20 Uhr.
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Bund 9.2.12
Henry Rollins
"Henry will do a very long Show!"
Dieser Mann hält nichts davon, einen Gang runter zu schalten.
Zwischen seinem 51. Geburtstag im Februar und dem kommenden Juni gibt
der einstige Frontsänger der Punkband Black Flag über 60
Shows von A wie Austria bis Z wie Zealand, New. Sein exklusiver
Schweizer Auftritt führt ihn nach Bern, wo er der
Spoken-Word-Kunst frönen wird. Und das ausgiebig: "Henry will do a
very long Show!" warnt der Pressetext vorab. (hjo)
Dachstock Dienstag, 14. 2., 19 Uhr.
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kulturagenda.be 9.2.12
Spoken Word mit Henry Rollins im Dachstock
Als vielbeschäftigten Künstler aller Sparten könnte man
Henry Rollins aus Washington bezeichnen. Er ist Sänger seiner
Rockgruppe Rollins Band, Filmschauspieler (z.B. David
Lynchs "Lost Highway"), Talkmaster und Autor. Im Dachstock absolviert
Rollins einen seiner humorvollen Spoken-Word-Auftritte, den einzigen in
der Schweiz.
Dachstock der Reitschule, Bern. Di., 14.2., 20 Uhr
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BZ 9.2.12
Heisse Energie im eisigen Winter
Spoken Word. Einst schwitzte Henry Rollins zum Hardcoresound seiner
Band in der eisigen Berner Reithalle. Jetzt kehrt er zurück in den
Dachstock - mit einem Spoken-Word-Programm.
Wenn Henry Rollins nach Bern kommt, pflegt es kalt zu sein. Man
erinnert sich an ein Konzert in der Reithalle, 22 Jahre ist es her: In
jener Novembernacht 1989 herrschten eisige Temperaturen, doch
Gewichtheber Rollins zeigte - lediglich mit einer Turnhose bekleidet -
seinen gestählten, von Tattoos bedeckten Oberkörper. Der
Sänger schnaubte und schwitzte - er war schon immer ein
Bühnenschwerarbeiter.
Gestartet ist der Hüne aus Washington DC als Sänger der
US-Punk-Band Black Flag, für die er einen Job als Filialleiter bei
Häagen-Dazs aufgab - vielleicht hält er es darum bis heute
mit den eisigen Temperaturen. Nach der Auflösung von Black Flag
gab der hyperaktive Frontmann, den man in seiner Kindheit mit Ritalin
hatte ruhigstellen wollen und der ein Leben ohne Alkohol, Nikotin und
andere Drogen führt, erst recht Gas. Er gründete seine eigene
Rollins Band, mit der er 10 Jahre lang auf Achse war. Die krachende
Hardcorecombo galt als unschlagbarer Liveact, die Hingabe ihres Leaders
war legendär.
Mehr als ein Rockstar
Doch Henry Rollins begnügte sich nie mit dem Status eines
Rockstars. Schon 1984 gründete er seinen eigenen Verlag, in dem er
neben den eigenen Büchern und Spoken-Word-Alben bald auch die
Werke von Musikerkollegen wie Nick Cave, Iggy Pop oder Jeffrey Lee
Pierce veröffentlichte. Daneben arbeitete er als Radiojockey,
Fernsehpräsentator und spielte in rund 20 Filmen mit - zum
Beispiel in David Lynchs Klassiker "Lost Highway".
Im Dachstock der Reitschule wird Rollins diesmal solo mit seinem
Spoken-Word-Programm auftreten - einen Tag nach seinem 51. Geburtstag.
Die Energie, die seine Rockshow ausmachte, prägt auch die
Präsentation seiner nichtmusikalischen Auftritte, die vor Witz und
politischer Unkorrektheit sprühen und den kraftstrotzenden Mann,
der einst als Verkörperung des wütenden Rock ’n’ Rollers
galt, schon fast in die Nähe eines Stand-up-Comedians rücken.
Ironie der Geschichte
Eine kleine Ironie der Geschichte: 1989 musste sich der Plakatgestalter
Dirk Bonsma vor der Reithallen-Vollversammlung noch rechtfertigen, weil
auf seinem Hochglanzposter für das Berner Konzert der Rollins Band
ein paar Gummientchen gegen den Strom schwaderten. Das fanden einige
Aktivisten damals doch ein bisschen zu lustig. Aber eben: Wer zuletzt
lacht, lacht am besten.
Samuel Mumenthaler
Auftritt: Dienstag, 14.2., 20 Uhr, Dachstock der Reitschule, Bern.
www.petzitickets.ch.
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kulturagenda.be 9.2.12
Eine Momentaufnahme vom Menschsein im Tojo
Das Bühnenstück "car will come" beleuchtet wartende Menschen.
Sechs Protagonisten mit unterschiedlichen Lebensgeschichten kommen sich
in diesem zeitlichen Vakuum näher. Die Regisseurinnen Kathrin
Yvonne Bigler und Anna Heinimann verbinden Musik, Tanz, Bewegungsund
Sprechtheater. Als Vorprogramm wird das Tanzstück "vierte
Übertragung" gezeigt.
Tojo Theater, Bern. Do., 9., bis Sa., 11.2., 20.30 Uhr
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kulturagenda.be 9.2.12
Gute Nacht? - Teil 3 mit Christian Reutlinger
Wie steht es um das Berner Nachtleben? Den ersten beiden
Interviewpartnern unserer Serie war dieses vertraut: Fabian Wyssbrod
vom Partyveranstalter Ammonit und Christian Pauli, Präsident der
Veranstalter-Dachorganisation Bekult. Der Dritte in der Serie hat eine
andere Sicht auf das Thema. Christian Reutlinger ist Sozialgeograf und
Erziehungswissenschaftler. Er leitet das Kompetenzzentrum Soziale
Räume an der Fachhochschule St. Gallen.
Herr Reutlinger, Sie erforschen den öffentlichen Raum. Welches
sind die Konflikte?
Nutzungskonflikte im öffentlichen Raum trifft man landauf, landab
an. Es gibt eine ganze Bandbreite an Phänomenen wie Lärm,
Littering und ganz allgemein: unangebrachtem Verhalten. Dörfer und
Städte suchen nach Lösungen.
Wie sehen diese aus?
Wir haben gemerkt, dass Gemeinden fast beliebig reagieren. Man kann in
der Zeitung verfolgen, dass ein regelrechter Wettbewerb der
verschärften Massnahmen entstanden ist. Diese reichen von
Respektkampagnen über zusätzliche Polizisten und
zusätzliche Überwachungskameras bis hin zu
Wegweisungsartikeln.
Wer verursacht die Probleme?
Meistens sind Jugendliche im Blickfeld, die sich treffen und Alkohol
konsumieren. Sie nennen das "vorglühen": Sie trinken
günstigen Alkohol, bevor sie in den Club gehen.
Junge wollen Spass haben. In Bern gibt es für viele Jugendliche
gar kein Angebot.
Freitag- und Samstagabend zieht die Jugend in die Stadt mit der
Erwartung, Spass zu haben. Sie ist ein Teil der Spassgesellschaft, und
die ist eine Zeiterscheinung. Aber weil sich die Jugendlichen den Spass
in Clubs nicht leisten können oder weil sie nicht eingelassen
werden, verbringen sie die Zeit auf öffentlichen
Plätzen.
Müsste die Stadt für Jugendliche neue Angebote schaffen? Ist
das ihre Aufgabe?
Für mich ist das zu einfach. Es wäre sinnvoll, Junge etwas
aufbauen zu lassen. Um das zu ermöglichen, muss eine Gemeinde auch
Fachleute anstellen und offen sein für Anliegen junger
Menschen.
In Bern musste in der Altstadt ein Club wegen Lärmklagen einer
Anwohnerin schliessen. Wie viel Lärm muss an zentraler Lage
möglich sein?
Man sieht solche Beispiele in verschiedenen Städten, auch in St.
Gallen. Wenn die Ruhe des Einzelnen das höchste Gut ist, steht
dahinter eine Vorstellung von Normalität, die man anschauen
müsste: Warum sind hier die Gruppeninteressen nicht
berücksichtigt? Wenn die Stadt nur nach der Logik von
Einzelinteressen und dem Ziel der Förderung von Privatheit
funktioniert, ist dies problematisch.
Nach welcher Logik soll sie denn dann funktionieren?
Man könnte auch sagen: Wenn ich in der Stadt wohnen will, muss ich
mit Lärmbelastungen umgehen können. Wird ein Stück
Öffentlichkeit verbannt und privatisiert? Das wäre eine
Gefahr für unsere Gemeinschaft. Die Frage stellt sich: Wo kann
etwas stattfinden? Gibt es auch die Orte dazu?
Was halten Sie von Partyzonen?
Zum Zusammenleben gehören Konflikte, mit denen man leben lernen
muss. Mit Partymeilenlösungen verschiebt man ein Problem in eine
Zone, anstatt es anzupacken. Für jedes einzelne Bedürfnis
Inseln zu erstellen, bedeutet einen Verlust von Vielfalt der
Gesellschaft.
Es gibt heute Protestformen wie Guerilla- Gardening, Guerilla-Yoga und
Guerilla-Partys. Ist das bloss ein Hype?
Seit der Geschichte des öffentlichen Raums werden öffentlich
Bedürfnisse sichtbar gemacht. Man denke an die Arbeiterproteste
oder an die 70er-Jahre.
Rechnen Sie mit einer Rückeroberung des öffentlichen
Raums?
Rückeroberungen des öffentlichen Raums wird es immer geben.
Schliesslich hängt die Vitalität einer Gesellschaft auch von
den Möglichkeiten der öffentlichen Auseinandersetzung ab.
Gerade unter den aktuellen wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungen
läge die Chance darin, sichtbare Proteste nicht mehr nur in die
Ecke sogenannter Chaoten zu stellen, sondern auch zuzulassen. Geschieht
dies nicht, besteht die Gefahr, dass der Protest gewalttägig und
destruktiv über die Bühne geht.
Interview: Michael Feller
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kulturstattbern.derbund.ch 6.2.12
Kulturbeutel 6/12
Von Benedikt Sartorius am Montag, den 6. Februar 2012, um 06:11 Uhr
Herr Sartorius empfiehlt:
Den Donnerstagabend im Rössli mit den Gitarrenwellen der
Fribourger
Hubeskyla
und den Rowboat-Klängen von
Pat V and The Pat V's.
Zuvor aber natürlich noch ins Runde-Leder-Kino in der
Cinématte, wo um 21:00 Uhr "The Other Final" präsentiert
wird. Auch gilt es die erste Schau des neuen Kunsthalle-Direktors
Fabrice Stroun zu besuchen - wie natürlich auch andere Gast-,
Konzert- und Lichtspielhäuser Ihrer Wahl.
(...)
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Bund 6.2.12
Problemlose Anti-WEF-Kundgebung
Alles ist anders als vor zwei Wochen: Die Polizei hält sich im
Hintergrund, hundert Anti-WEF-Aktivisten marschieren durch die
Innenstadt, und bloss eine Person wird verhaftet.
Philipp Schori
Die Geschichte der zweiten Anti-WEF-Kundgebung in Bern ist rasch
erzählt: Am Samstag, pünktlich um 15 Uhr, erreicht eine Schar
von fünfzig Demonstrierenden die Heiliggeistkirche. Sie kommen von
der Reitschule her, ihre Fahnen und ihre Kleidung sind schwarz - mit
einigen roten Tupfern. Die Mehrheit ist vermummt, das gibt warm. Zu
ihnen gesellen sich bei der Heiliggeistkirche, dem Besammlungsort,
weitere mehrheitlich junge Protestierende, womit schliesslich gut
hundert Personen durch die Berner Innenstadt marschieren: durch Spital-
und Marktgasse zum Zytglogge und von dort via Amthausgasse und
über den Bundesplatz zurück zum Bahnhof.
Ein linksautonomer Demonstrant erklärt bei einer Rede während
der Kundgebung, dass sie sich durch "Repression" nicht vom
Demonstrieren abhalten liessen. Er spricht auf die Kundgebung vom 21.
Januar an, die von der Polizei im Keim erstickt wurde. Weiter
kritisieren die Aktivisten die "grossmäulige
Schaumschlägerei" am Weltwirtschaftsforum in Davos und vergleichen
das herrschende Wirtschaftssystem mit Fäkalien.
Nach 45 Minuten ist der Spuk vorbei: keine Sachbeschädigungen,
kaum Verkehrsbehinderungen und eine kaum sichtbare Polizei. Das wars.
Anonymes E-Mail
Im Vergleich zur Anti-WEF-Kundgebung vor zwei Wochen war damit fast
alles anders: Die Polizei agierte nun defensiv und brachte bloss eine
Person für eine nähere Kontrolle auf die Wache. Vor zwei
Wochen wurden über 170 Personen verhaftet; und die eigentliche
Demonstration fand damals gar nicht erst statt, da die Aktivisten
bereits beim Bollwerk eingekesselt wurden.
Aufgrund "anderer Vorzeichen" habe die Polizei die unbewilligte
Demonstration dieses Mal durch die Innenstadt ziehen lassen, sagt der
Berner Sicherheitsdirektor Reto Nause auf Anfrage (vgl. Interview
rechts). Die Organisatoren - der Revolutionäre Aufbau und das
Berner Anti-WEF-Bündnis - hätten in einem anonymen E-Mail
einen friedlichen Umzug in Aussicht gestellt.
-
Reto Nause (CVP), Sicherheitsdirektor der Stadt Bern
"Vor zwei Wochen waren sie total vermummt"
Herr Nause, die zweite Anti-WEF-Kundgebung ist friedlich verlaufen.
Hätte man nicht auch die erste vor zwei Wochen laufen lassen
können?
Nein, die Vorzeichen waren anders: Vor zwei Wochen wurde im Vorfeld
explizit zu Gewalt aufgerufen, zudem wurden von Beginn weg Petarden
gezündet. Darum war es richtig, den Demonstrationszug vor zwei
Wochen zu stoppen.
War die Lage wirklich derart anders? Auch dieses Mal marschierten viele
Vermummte mit, und wiederum fehlte eine Bewilligung.
Vor zwei Wochen waren die Demonstrierenden total vermummt: mit Helm,
Schutzbrillen und allem, was dazu gehört. Zudem begleitete sie
damals ein kleiner Bus, in dem einschlägiges Material gefunden
wurde. Dieses Mal war es bloss ein "Post-Wägeli". Und diesmal
hatten wir vorher auch Kontakt mit den Organisatoren: Per E-Mail wurde
die Route bekannt gegeben.Wer hat das letzte Wort, wenn es um die
Grösse des Polizeiaufgebots und um das taktische Vorgehen geht?Das
ist eine gemeinsame Beurteilung von Kantonspolizei und städtischer
Sicherheitsdirektion, also mir. Die Kantonspolizei nimmt eine rein
polizeiliche Lageeinschätzung vor: Wer kommt an die Kundgebung?
Wie gross muss demnach das Polizeiaufgebot sein? Ich als
städtischer Sicherheitsdirektor beurteile die Lage politisch und
kann beispielsweise fordern, dass jede unbewilligte Kundgebung
aufgelöst wird.
Birgt diese geteilte Verantwortung nicht Probleme?
Bis heute kamen Polizei und ich stets zur selben Lagebeurteilung: Wie
beispielsweise auch dieses Wochenende, wo wir uns beide für ein
defensives polizeiliches Vorgehen entschieden. Aber klar: Es kann zu
Problemen kommen, sobald polizeiliche und politische Einschätzung
nicht übereinstimmen. (phi)
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BZ 6.2.12
Friedliche Wiederholung der Anti-WEF-Demonstration
Stadt Bern. Die unbewilligte zweite Anti-WEF-Kundgebung vom Samstag in
Bern verlief friedlich. Die Demonstranten hielten sich an die
Versprechen, die sie vorgängig den Behörden gegeben hatten.
Bei Eiseskälte besammelten sich am Samstag um 15 Uhr etwa 100 zum
Teil vermummte Personen bei der Berner Heiliggeistkirche, um gegen das
vor Wochenfrist beendete Weltwirtschaftsforum zu demonstrieren. Dann
marschierten sie durch die Spital- und Marktgasse zum Zytglogge. An der
Hotelgasse blockierte die Gruppe kurz Trams und Busse. Anschliessend
zogen die Aktivisten die Amthausgasse hinauf über den Bundesplatz
zurück zum Bahnhof. Die Kundgebung endete bei der Reithalle. Laut
Auskunft der Kantonspolizei dauerte die Demo rund 45 Minuten und blieb
friedlich. Es kam zu keinen Sachbeschädigungen.
Die Demonstranten haben damit das vorgängig gegenüber den
Behörden gemachte Versprechen eingelöst (siehe Ausgabe vom
Samstag). Im Gegensatz zur ersten Anti-WEF-Kundgebung vor zwei Wochen,
an der die Polizei die Aktivisten bereits am Bollwerk eingekesselt
hatte, wurde am Samstag der Umzug toleriert. Dies, obschon kein
offizielles Gesuch eingereicht worden war. Anders als vor der ersten
Auflage gab es jedoch dieses Mal im Vorfeld keine Aufrufe zur Gewalt
vonseiten von Aktivisten. Die Polizei hielt sich am Samstag im
Hintergrund. Es seien einzelne Personen kontrolliert worden, teilte sie
gestern mit. Ein Mann wurde für eine nähere Abklärung
auf die Wache gebracht. Er konnte diese noch am selben Nachmittag
wieder verlassen. Jürg Spori
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BZ Kommentar
Augenmass bewiesen
Mirjam Messerli
Der Berner Gemeinderat als Auftraggeber und die Kantonspolizei als
ausführende Kraft haben Augenmass bewiesen. 100 Personen durften
durch die Stadt ziehen und eine Woche nach dem WEF ihren Unmut dagegen
kundtun. Die Wiederholungsdemo wurde toleriert, obschon nicht einmal
ein Gesuch dafür eingereicht worden war. Das zeigt: Um die
Grundrechte muss in Bern keiner fürchten. Hier darf man für
seine Anliegen auf die Strasse gehen. Als Voraussetzung genügt,
dass man sich einigermassen anständig verhält oder dies
verspricht zu tun: In einem Mail kündigten die Organisatoren
friedliche Absichten an. Zudem informierten sie über die
Demo-Route - was offensichtlich mit viel gutem Willen als
Beinahe-gesuch gewertet wurde.
Mail: mirjam.messerli@bernerzeitung.ch
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20 Minuten 6.2.12
Anti-Wef-Demo diesmal friedlich
BERN. Absolut friedlich verlief am Samstagnachmittag die Wiederholung
der Anti-Wef-Demo in Bern. Nachdem die Polizei die Kundgebung im ersten
Anlauf vor zwei Wochen verhindert hatte, hielt sie sich nun zurück
und kontrollierte einzelne Personen rund um die Demo. Ein Mann wurde
vorübergehend auf die Wache gebracht. Die übrigen 100 bis 150
teils vermummten Demonstranten absolvierten ihren Protestumzug von der
Heiliggeistkirche durch die Innenstadt in nur 45 Minuten. Dafür
hatten sie zwar kein Bewilligungsgesuch eingereicht, der Polizei aber
die Route mitgeteilt.
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Langenthaler Tagblatt 6.2.12
Bern · Unbewilligte Demo verlief ohne Probleme
· Am Samstagnachmittag sind rund 100 Personen im Rahmen einer
unbewilligten Demonstration durch die Innenstadt von Bern gezogen. Der
Demonstrationszug, zu dem bereits im Vorfeld aufgerufen worden war,
startete um etwa 15 Uhr von der Heiliggeistkirche, zog durch die
Innenstadt und endete um zirka 15.45 Uhr bei der Reithalle. Es kam
dabei weder zu Sachbeschädigungen noch zu grösseren
Verkehrsbehinderungen. Die Kantonspolizei Bern hat einzelne Personen
kontrolliert. Ein Mann wurde dabei für eine nähere Kontrolle
auf die Wache gebracht. Er konnte diese noch am selben Nachmittag
wieder verlassen. (pkb)