MEDIENSPIEGEL
19. - 25. März 2012
BZ 23.3.12
Flüchtlinge in der Schweiz
"Das Boot ist voll". Christoph Blocher hatte den Film als das
Dreckigste bezeichnet, was man sich über die Schweiz denken
könne. Dann erschien der Bergier-Bericht (2002) und bewies das
Gegenteil: Mit "Das Boot ist voll" hatte Regisseur Markus Imhoof 1981
die zweifelhafte Flüchtlingspolitik der Schweiz während des
Zweiten Weltkriegs genau getroffen. Mathias Gnädinger, der im Film
nie schuld sein will, wenn etwas passiert, verkörpert den
typischen Durchschnittsschweizer. Mit "Das Boot ist voll" gewann
Regisseur Imhoof an der Berlinale einen Silbernen Bären und
erhielt eine Oscarnomination. Das Kino in der Reitschule zeigt diesen
Schweizer Filmklassiker im Rahmen seiner Monatsreihe "Gegen Rassismus -
Für Menschenrechte".zasHeute Freitag, 21 Uhr, Kino in der
Reitschule Bern
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Tageswoche 23.3.12
In Sachen Clubs geht Basel vor
Tara Hill
Das Thema "Clubsterben" erhitzt Schweizer Kulturveranstalter.
Allerdings nicht in Basel: Hier setzt man auf pragmatische
Lösungen.
Wer kürzlich in Bern weilte, hat sie bereits gesehen: die
omnipräsenten Bierdeckel, Plakate und T-Shirts mit dem Schriftzug
"Figg di Frou Müller", die viele Kulturorte "zieren". Doch was hat
dieser provokante Slogan zu bedeuten? Zumindest eines: Berns
Kulturveranstalter sind sauer. Denn obwohl die Stadtoberen,
insbesondere der Stadtpräsident Alexander Tschäppät
(SP), gerne den Titel "Schweizer Kulturhauptstadt" gebrauchen, machte
in Bern in den letzten Jahren ein Lokal nach dem anderen dicht.
Prominentestes Beispiel: das "Sous Sol", ein traditionsreicher
Ausgehtempel, der von einer zugezogenen Soziologin "weggeklagt" wurde.
Die ominöse Frau Müller fühlte sich von den Bässen
in ihrer neuen Wohnung derart gestört, dass sie den Club solange
gerichtlich bekämpfte, bis ihr der sozialdemokratische Statthalter
in letzter Instanz Recht gab. Ende letzten Jahres schalteten die "Sous
Soul"-Verantwortlichen eine Todesanzeige: "Nach langem Kampf gegen
engstirnige Mitmenschen und subjektive Entscheide von Behörden ist
unser geliebtes Kulturlokal in der Nacht vom 30. Dezember in Würde
von uns gegangen."
Die ominöse "Frou Müller"
Als Reaktion auf "die bedenklichen kulturpolitischen Entwicklungen in
und um die Stadt Bern" bläst das Aktionsnetzwerk "Figg di
Frou Müller", ein loser Zusammenschluss von Künstlern,
Veranstaltern und Konsumenten, seit Februar nun zur Gegenoffensive: mit
Infoveranstaltungen, Partys und einer Facebook-Page, die schon 2500
Mitglieder zählt.
Auch wenn es in der Bundeshauptstadt am lautesten brodelt: Die
Diskussion ums "Clubsterben" ist in den letzten Wochen im ganzen
deutschsprachigen Raum neu entflammt. In Clubmetropolen wie Berlin und
Hamburg fanden Kundgebungen und Demos statt. In Zürich sorgte die
Nachricht, dass die legendäre Ausgehmeile an der Geroldstrasse
(mit weltbekannten Clubs wie "Hive", "Cabaret" und "Supermarket") bald
einem Einkaufszentrum weichen soll, für breite Bestürzung. In
St. Gallen und Luzern laufen Gerichtsverfahren gegen die beliebten
Lokale "Kugl" und "Opera".
Indirekt Opfer ihres eigenen Erfolgs
Im Zentrum des Konflikts stehen dabei immer dieselben "Feindbilder":
Die Clubbetreiber kämpfen mit Nachbarn, die sich ob Dreck und
Lärm gestört fühlen, mit Investoren, welche die
Liegenschaften gewinnbringend weiterverkaufen oder vermieten wollen,
mit Politikern und Behörden, die im Zweifelsfall gegen die Clubs
entscheiden. Die Krux dabei: Oft werden die Clubs indirekt Opfer ihres
eigenen Erfolgs. Sie siedeln sich in vermeintlich "unattraktiven",
sprich günstigen Lagen an, werten diese zum Trendquartier auf und
rufen damit Investoren auf den Plan, welche die betroffenen oder
umliegenden Liegenschaften sanieren, um daraus Wohn- oder
Gewerbeflächen zu machen. Den neuen Mietern sind die Clubs dann
oft nur mehr ein lästiger Dorn im Auge.
"Im Grunde wollen alle Beteiligten dasselbe: eine lebenswerte Stadt",
bringt es Isabelle von Walterskirchen von "Petzi", dem Verband
Schweizer Musikclubs, auf den Punkt: "Nur gehen die Vorstellungen
darüber, was das konkret bedeutet, stark auseinander." Umso
wichtiger sei, dass diese Diskussion nun öffentlich geführt
werde. "Es besteht nämlich grosser Handlungsbedarf." Einerseits
auf regionaler Ebene, wo in mehreren Städten Konflikte
geschlichtet werden müssten. Andererseits sei aber gerade beim
Lärmschutz längerfristig eine nationale Lösung die
einzig sinnvolle Option: "Am Ende ist dies nämlich eine politische
Frage, die die ganze Schweiz betrifft."
Erstmals national vernetzen
Gerade unter Politikern sei zurzeit aber noch eine starke
Zurückhaltung spürbar: "Viele zögern, sich in dieser
Frage zu exponieren." Aus diesem Grund organisiert "Petzi" diesen
Samstag am Zürcher "M4Music"-Festival ein grosses Panel zum Thema
"Clubsterben oder alles nur Schall und Rauch?". Das Panel werde die
Probleme nicht lösen können, sagt von Walterskirchen: Ziel
sei es aber, die verschiedenen regionalen Player erstmals national
zu vernetzen. Neben Geschäftsführern von betroffenen Clubs
wie "Kugl" oder "Bonsoir" wird auch Philippe Bischof, Leiter der
Abteilung Kultur im Basler Präsidialdepartment, an der Diskussion
teilnehmen.
Das Erfreuliche daran: Bischof reist nicht als Buhmann nach
Zürich. Der Kulturabteilungsleiter wird zurzeit sogar oft als
positives Beispiel genannt, wenn es um den Dialog zwischen
Kulturveranstaltern, Politik und Verwaltung geht. Tatsächlich weht
in Basel ein frischer Wind: die ehemals verhärteten Fronten
zwischen der Clubszene und den Behörden scheinen sich
aufzulösen. "Ich kann in Basel derzeit kein Clubsterben
feststellen", meint denn auch Bischof selbst. Im Gegenteil: "Ich habe
den Eindruck, dass wir hier zurzeit tolle kulturelle Initiativen haben,
die in der Stadt einiges bewegen - das Spektrum reicht vom ‹Hinterhof›
auf dem Dreispitz bis zum ‹Schiff› am Rheinhafen."
Als ehemaligem Kulturveranstalter liege ihm die kulturelle
Vielfalt und damit auch die Clubszene sehr am Herzen, sagt
Bischof: "Basel braucht diese Dynamik. Es ist an der Zeit, dass die
Clubkultur als Teil der allgemeinen Kulturlandschaft verstanden wird."
Dies sei auch ins langerwartete neue Kulturleitbild eingeflossen.
Neues "Clubgremium" schaffen
Zusätzlich schwebt Bischof ein "Clubgremium" vor, eine Art runder
Tisch, wo sich Vertreter aus Politik und Verwaltung regelmässig
mit Veranstaltern zur Diskussion und "Chropfleerete" treffen: "Denn
sobald ein enger, persönlicher Kontakt besteht, lassen sich viele
Vorurteile abbauen: aus Mythen werden Fakten." Einen ersten Schritt
hierzu hat Bischof bereits getan: In den letzten Wochen verschickte er
einen Fragebogen an knapp 20 Basler Clubs, auf dem die Betreiber ihre
Probleme und Wünsche vermerken konnten. Das Ergebnis zeigt ein
ähnliches Bild wie im Rest der Schweiz: Vor allem im Lärm-
und Bewilligungswesen herrschen Unsicherheiten.
Deshalb soll in Zukunft ein allgemeiner Leitfaden zum
Bewilligungsverfahren erarbeitet werden. Bischof kann sich - analog zum
Thema "Littering" - ausserdem Info- und Sensibilisierungskampagnen
zum Lärmschutz vorstellen, etwa zur Frage, "was 100 Dezibel
konkret bedeuten".
Dennoch: Einen "Masterplan" zur Clubkultur wird es auch künftig
nicht geben. "Kultur soll und kann nicht von oben herab diktiert
werden", betont Bischof. Genauso wenig liesse sich die Diskussion um
Kulturlärm endgültig lösen: "Sowohl Feiern wie Ruhe sind
menschliche Bedürfnisse. Es braucht Toleranz auf beiden Seiten,
anders geht es nicht."
Wie ältere Fasnächtler
Auch Stadtentwickler Thomas Kessler argumentiert gegen allzu fixe
Regelungen. Angesprochen auf Vorwürfe einer zunehmenden
"Gentrifizierung", die junge Kulturunternehmer zu Zwischennutzern
verdamme, die später jeweils für "gute Steuerzahler"
Platz machen müssten, entgegnet der oberste Stadtplaner: "Basel
hat nicht zu viel, sondern zu wenig Dynamik." Ginge es um
Freiräume, würden die Kreativen oft genauso konservativ
argumentieren wie ältere Fasnächtler. "Man muss wegkommen von
der Idee, dass der Kultur ewige Zonen, am besten noch innerhalb der
alten Stadtmauern, zustehen."
Viel wichtiger als eine "Kultur der Sesshaftigkeit" sei, dass
beständig neue, freie Räume geschaffen würden. Hier
zeige sich ein "typisches Problem des Stadtkantons: Es wird zu klein
gedacht." Also doch eine überregionale, gar nationale Lösung?
Für Kessler ist klar: "Die Kultur darf nicht an den Stadtgrenzen
enden." Geeignete Flächen sehe er im Vergleich zur zugebauten
Basler Innenstadt vielmehr an den Rändern, an der Grenze zu
Deutschland, zum Elsass oder Baselbiet.
Bis dahin bleibt Basel wohl vorerst die "Stadt der Zwischennutzungen",
wie der Zürcher Journalist Alex Flach die Situation auf dem
Nightlife-Portal "Tillate" treffend beschreibt. Hier herrscht wahrlich
kein Mangel - und bald sollen auf dem Dreispitz und im Hafen
weitere dazu kommen. Mit Segen der Abteilung Kultur: "Wir werden die
Entwicklung genau beobachten und stehen neuen Initiativen wohlwollend
gegenüber", verspricht Bischof.
Was vor 15 Jahren als Experiment begann, hat sich mittlerweile zu
einem der grössten Events im Basler Kulturkalender gemausert:
Die 16. Ausgabe der BScene wartet dieses Wochenende mit fast 60
Live-Acts aus der Region auf und erwartet wiederum um die 8000
Besucher. Im Zentrum des Basler Clubfestivals stehen neben Headlinern
wie den Indie-Poppern von We Invented Paris (Freitag, 24 Uhr, Kaserne),
der World-Music-Combo Zisa (Freitag, 22.45 Uhr, Volkshaus), dem
Electro-Projekt LaFayette (Samstag, Volkshaus, 24 Uhr) und den
Rap-Lokalmatadoren Brandhärd (Samstag, 1.30 Uhr nachts, Kaserne)
auch die Lokale selbst: Auf insgesamt zehn Bühnen in acht Clubs
präsentieren jeweils drei bis vier Acts ihr Können. Mit der
"8-Bar" und dem "Sääli" des Restaurants Zum goldenen Fass
sind dieses Jahr auch kleinere Treffpunkte mit von der Partie. Im
letzten Moment ersatzlos aus dem Programm gestrichen werden musste
hingegen die Jägerhalle: Dem Restaurant fehlte die
Konzertbewilligung, wie die TagesWoche gestern berichtete. Ein weiterer
Wermutstropfen: Die BScene findet wieder zur gleichen Zeit statt wie
das M4Music-Festival in Zürich und Lausanne. Ein "ärgerlicher
Zufall", der in Zukunft vermieden werden soll - auf dass die
nächsten Auflagen der BScene mehr als "nur" eine umjubelte "Basler
Nabelschau", nämlich: ein Event mit schweizweiter Ausstrahlung
werden mögen. Trotz dieser beiden Dämpfer im Vorfeld will
sich Festivalpräsident Thom Nagy die Vorfreude nicht nehmen
lassen. Prinzipiell sei die Ausgangslage für die
diesjährige BScene nämlich "hervorragend": "Dem Basler
Nachtleben und insbesondere der Basler Clubszene geht es zurzeit so gut
wie lange nicht mehr." Punkto Qualität könne es Basel
mittlerweile mit allen grossen Städten aufnehmen: "Es hat
eine Entwicklung stattgefunden, die weg vom typischen ‹Sound of Basel›
hin zu mehr Mut zur Individualität führt - was sich positiv
auf die Vielfalt der präsentierten Acts und Stile auswirkt."
BScene, Basler Clubfestival. Fr, 23., und Sa, 24.3., an diversen Orten
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20 Minuten 23.3.12
Juso zieht teure Nightclubs vor den Preisüberwacher
ZÜRICH. 30 Franken Eintritt, 8 Franken für ein Bier: Die
Preise in den Clubs sind in den Augen der Juso Abzocke. Jetzt schalten
sie den Preisüberwacher ein.
Party machen kostet viel Geld. "Die Preise sind gerade in Zürich
komplett überrissen", findet Ursula Näf, Co-Präsidentin
der Jungsozialisten (Juso) des Kantons Zürich. "Die meisten Clubs
verlangen am Wochenende zwischen 20 und 30 Franken Eintritt." Dazu
kämen Garderobe und Getränke: "Ein Bier kostet acht und eine
Cola sieben Franken." Die Juso werfen den Clubs pure Profitmacherei auf
Kosten der ausgehfreudigen Jugend vor. Deshalb fordern sie
Preisüberwacher Stefan Meierhans in einem offenen Brief dazu auf,
die Eintritts- und Getränkepreise in den Clubs zu prüfen.
Dieser konnte sich gestern auf Anfrage nicht dazu äussern. "Wir
hoffen, dass er diese Abzockerei erkennt", so Näf. Die Juso
Schweiz will sich der Beschwerde anschliessen: "Das Problem ist in
allen grossen Städten dasselbe." Jugendliche könnten sich
diesen "Wucherpreisen" kaum entziehen: "Sonst verlieren sie den
Anschluss zu ihrem sozialen Umfeld, das sich auch in diesen Clubs
abspielt." Falls sich bei den Preisen nichts tue, droht die Juso mit
Protestaktionen, bei denen Getränke zum Selbstkostenpreis vor den
Clubs verkauft werden.
Nachtleben-Experte Alex Flach findet die Vorwürfe eine Frechheit:
"Wer sparen will, sollte weniger hartes Zeug trinken." Die Preise in
den Clubs seien angemessen: "Die Juso hat keine Ahnung, wie viel DJs,
Miete, Sicherheit und Personal kosten." Als Clubbesitzer könne man
heute nicht mehr das grosse Geld machen. Maja sommerhalder
-
"Ausgang reisst ein Loch in die Kasse"
Herr Gschwend*, führen die hohen Preise in den Clubs dazu, dass
sich die Jungen verschulden?
Jürg Gschwend: Vor allem von jungen Erwachsenen hören wir
immer wieder, dass sie im Ausgang viel Geld liegen lassen. Besonders in
Städten wie Zürich ist das Realität.
Das muss aber nicht in die Schuldenspirale führen.
Meistens fangen die Probleme mit dem Auszug aus dem Elternhaus an. Wenn
man Miete zahlen muss, reisst der Ausgang plötzlich ein Loch in
die Kasse. Man könnte darauf verzichten, nur ist der Gruppendruck
häufig sehr gross.
Müssten die Clubs also die Preise senken?
Solche Forderungen überlasse ich der Politik. Ich rate aber meinen
Kunden, ein Budget zu erstellen. Wer gerne in den Ausgang geht, sollte
vielleicht auf die eigene Wohnung warten. som * Jürg Gschwend ist
Leiter der Schuldenberatung von Caritas Schweiz
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Bund 22.3.12
"El Rubí"
Ein Kleinod, getanzt
Die Tanzkompanie Flamencos en route ist wieder auf Reisen - und
hält zum Zwischenstopp in Bern. Die Truppe um Brigitta Luisa Merki
kredenzt dem Publikum ein Bijou im wahrsten Sinne des Wortes: "El
Rubí" (zu Deutsch: der Rubin) heisst das Tanzstück,
das bereits auf der letztjährigen Schweiztournee für
ausverkaufte Ränge und ergriffene Feuilletonisten gesorgt hat.
(hjo)
Tojo-Theater Mi, 28. März bis Fr, 30. März, je 20.30 Uhr.
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kulturagenda.be 22.3.12
Flamencos en route: "el rubi" im Tojo
Das Tanzstück der Compagnie Flamencos en route ist wahrlich ein
Schmuckstück. Jede Tänzerin, jeder Tänzer schmiedet eine
eigene
Interpretation des Flamencos. Im Zusammenspiel mit Livemusik und
arabischem Gesang wird so die Vielfalt dieses Tanzes sichtbar. Die
Virtuosität der Truppe macht das zu einem Erlebnis.
Tojo Theater, Bern. Mi., 28., bis Fr., 30.3., 20.30 Uhr
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kulturagenda.be 22.3.12
Klappe für "Das Boot ist voll"
"Das Herz allein ist manchmal zu dumm", sagt der Pfarrer zu Frau
Flückiger (Renate Steiger). Die Szene spielt sich in einem kleinen
Schweizer Dorf in der Nähe der deutschen Grenze ab. Wir schreiben
das Jahr 1942, in den Nachbarländern herrscht Krieg. Frau
Flückiger hat in einem Schuppen sechs Flüchtlinge entdeckt
und möchte vom Pfarrer wissen, was sie tun soll, wenn die Polizei
bei ihr auftaucht. Familien würden leichter aufgenommen, lautet
dessen Rat. "Aber sagen Sie um Himmelswillen nicht, dass sie das von
mir haben", ruft er ihr noch hinterher.
Haltungen wie die des Pfarrers ziehen sich durch den ganzen Film und
stehen symbolisch für die Gesinnung der Dorfbevölkerung. Die
Flüchtlingsgruppe besteht aus einer jungen Frau, Judith (Tina
Engel), deren Mann (Hannes Diehl) in der Schweiz inhaftiert ist, einem
jungen Mann (Martin Walz), einem sechsjährigen Jungen, einem etwa
zehnjährigen Mädchen, einem alten Mann (Curt Bois) und einem
Nazi und Deserteur (Gerd David). Im Dorf wecken die Flüchtlinge
aus ganz unterschiedlichen Gründen sowohl Mitleid als auch
Ablehnung. So möchte die kinderlose Frau Flückiger etwa die
Kinder retten. Ihr Mann, der Wirt Franz Flückiger (Mathias
Gnädinger), findet Gefallen an Judith. Dorfpolizist Bigler
(Michael Gempart) hingegen will unbedingt die Regelungen aus Bern
einhalten.
Auch ohne Bundesgelder zum Welterfolg
Der Film "Das Boot ist voll" von Markus Imhoof aus dem Jahre 1981
befasst sich mit der Frage, wie die Schweiz im Zweiten Weltkrieg mit
politischen Flüchtlingen umgegangen ist. Der Film basiert im
Wesentlichen auf dem gleichnamigen Buch des Schweizer Schriftstellers
Alfred A. Häsler. Als Imhoof den Bund 1980 um Unterstützung
anfragte, wurde die Ablehnung in einem Schreiben folgendermassen
begründet: "Dem Projekt fehlt die historische Distanz und
Würdigung. Es wirkt dramaturgisch veraltet und erinnert an
Volkstheater. Ein Beitrag wird einstimmig abgelehnt."
Imhoof konnte den Film dank privater Unterstützung dennoch
realisieren. Ein Jahr später schrieb die "NZZ": "Imhoof gelingt
Atmosphäre, Glaubwürdigkeit, Spannung, Momente von
Beklemmung, Schmerz und Trauer." Der Film wurde ein Erfolg über
die Landesgrenzen hinaus. Er gewann den Silbernen Bären in Berlin
und wurde als bester fremdsprachiger Film für den Oscar nominiert.
Mit dem Bergier-Bericht und der Diskussion um die nachrichtenlosen
Vermögen Ende der 90er-Jahre erfuhr der Film einen zweiten
Frühling. Nun wurde das von Imhoof gezeichnete Bild auch offiziell
bestätigt. In einer restaurierten Fassung gelangte der Film 2004
wieder zur Aufführung.
Kinoprogramm im Rahmen der "Aktionswoche gegen Rassisums"
"Das Boot ist voll" wird im Kino in der Reitschule im Rahmen der
"Aktionswoche gegen Rassismus" der Stadt Bern gezeigt. Als weitere
Filme in der Reihe werden "La Rafle – Die Kinder von Paris ", "Cry
Freedom", "La notte di San Lorenzo" und "Escape to Paradise"
vorgeführt. Alle diese Filme basieren auf historischen
Überlieferungen und bringen dem Publikum Menschen näher, die
mit unterschiedlichem Erfolg versucht haben, sich gegen Rassismus zu
engagieren.
Im Falle von "Das Boot ist voll" war dieser Kampf erfolglos: "Ich habe
diese Gesetze nicht gemacht, das wird schon einen Grund haben ", meint
der Gefängnisaufseher, als die Gruppe schliesslich an die Grenze
zurück- und damit in den sicheren Tod geschickt wird.
Nelly Jaggi
\ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \
\ \ \ \ \ \ \ \
Kino in der Reitschule, Bern. Fr., 23.3., 21 Uhr
www.reitschule.ch, www.bern.ch/gegenrassisums
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20 Minuten 20.3.12
Nomade in Oberbottigen
BERN. Als "Schlag ins Gesicht und Verschwendung von
Landwirtschaftsboden" empfinden es viele Oberbottiger, dass bei ihnen
eine Zone für experimentelles Wohnen entstehen soll. Morgen
können sie sich ein Bild von ihren potenziellen Nachbarn machen
und ein typisches Exemplar der Wagenburg-Hippies beschnuppern: Im alten
Schulhaus läuft der Film "Zaffaraya 3.0" und ein Mitglied der
Stadtnomaden stellt sich kritischen Fragen. "Probleme entstehen, wenn
sich die Menschen zu wenig miteinander auseinandersetzen", sagt
Gemeinderatskandidat Matthias Stürmer (EVP), der den Anlass
initiiert hat. Zwar sei auch er gegen die Zone für
Wohnexperimente, aber: "Ich will mir eine genaue Meinung bilden und
wissen, was jemanden dazu bewegt, bei minus 15 Grad in einer
Bretterbude zu hausen." Am 3. April findet auch zu diesem Thema ein
Abend mit Stapi Alexander Tschäppät statt. mAr
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kulturstattbern.derbund.ch 19.3.12
Kulturbeutel 12/12
Von Ruth Kofmel am Montag, den 19. März 2012, um 05:45 Uhr
Kofmel empfiehlt:
falls Sie den letzten Film von Aki Kaurismäki, Kino in der
Reitschule gehen und damit auch beim Abschluss des Zyklus "Gegen
Rassismus - für Menschenrechte" mit dabei sein.
(...)
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Bund 19.3.12
Ein Wandbild, das von früher erzählt
Die Berner Reitschule wird in diesem Jahr 25-jährig. Nun soll die
bewegte Geschichte der Kulturinstitution sichtbar werden: Den
Betreibern schwebt ein riesiges Fassadenwandbild vor. An der
Museumsnacht vom Freitag wurden erste Ideen gesammelt.
Katrin Schregenberger
Das Projekt steckt zwar noch in Kinderschuhen, doch langsam, aber
sicher nimmt die Idee Formen an: Ein Wandbild auf der Frontfassade der
Berner Reitschule soll die 25-jährige Geschichte des
Kulturzentrums erzählen. Bis zu 50 Meter breit soll das Bild
werden. Die Initiative kommt von der Trägerschaft der Grossen
Halle der Reitschule. Es soll aber nicht ein einzelner
Künstlerkopf entscheiden, wie das Bild und somit die Geschichte
der Reitschule aussehen wird. Nein, das Bild soll quasi
"basisdemokratisch" entstehen. Der erste Schritt hierfür wurde am
Freitagabend an der Museumsnacht gemacht.
123 Bilder: Aus diesem Panoptikum historischer Blicke auf die
Reitschule konnten Besucher "ihre" Geschichte der Reitschule
auswählen und zu einem Wandbild collagieren. In der Grossen Halle
wurde der Seitenriss, also die Seitenansicht der Reitschule als
geometrischer Plan, projiziert. Auf diese Projektion hefteten die
Besucher "ihre" Historie. "Wir wollen den Besuchern, aber auch den
Leuten, die lange in der Reitschule aktiv waren oder immer noch sind,
die Gelegenheit geben, ihre Sicht auf die Reitschule zu zeigen", sagt
Giorgio Andreoli, Initiant des Projekts.
Von Tschernobyl bis WEF
"Ich komme in die Reitschule, seit ich 17 Jahre alt bin", sagt Tom
Locher, der sich zwischen verschiedenen Bildern zu entscheiden
versucht. Praktisch von Anfang an habe er die Geschichte miterlebt. Das
erste Bild, das er schliesslich auswählt, zeigt Oldtimer an einer
Autoausstellung: "Damals gab es noch keine Eisenbahnbrücke", sagt
er, während er das Bild an die Wand heftet. Erinnerungen kommen
viele hoch, wenn er die Bilder betrachtet: "Der hier hat heute ein
Kind", sagt er und zeigt auf eine schwarz-weisse Fotografie. Sie zeigt
junge Leute, die auf dem Dach der Reitschule herumklettern - die Zeit
der Renovation. "Auch den hier kenne ich, er ist immer noch wild, aber
auf eine andere Weise", sagt Locher und zeigt auf ein Bild, auf dem ein
Mann eine Fahne in die Luft hält: "Gegen Atom", steht da.
"Tschernobyl", sagt Locher. Zur Geschichte der Reitschule gehört
auch die Gegenwart. So hängt in Lochers Version der Geschichte
auch ein Bild eines Polizeiaufgebots - die letzte WEF-Demonstration.
"Wir sind noch in der ersten Phase des Projektes", sagt Andreoli von
der Trägerschaft der Grossen Halle. Am Reitschulfest im Herbst
werde die Projektion noch einmal laufen. Dann erst werde entschieden,
wie die Fassade bemalt werden soll. "Es wäre auch möglich,
die Wand etappenweise zu bemalen." Ebenfalls erst im Herbst soll
über die Finanzierung des Projekts diskutiert werden. Gemalt wird
frühestens in einem Jahr.
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Die Reitschule Eine bewegte Geschichte
Die Architektur verrät es schon: Die Reitschule beim Berner
Bahnhof ist ein Bau aus dem 19. Jahrhundert. 1897 erbaut, diente das
Gebäude - wie der Name sagt - dem Reitunterricht. In den
Nebengebäuden der Reithalle wurden Pferde und Kutschen
untergestellt. Als Pferd und Kutsche dem Auto weichen mussten, wurde
die Halle als Lager genutzt. 1981, während der Jugendunruhen,
besetzten rebellierende Jugendliche die Reithalle zum ersten Mal. Die
Besetzung wurde 1982 durch die Polizei aufgehoben. 1987 folgte dann die
zweite Besetzung: Als nach der Räumung der Zaffaraya-Siedlung im
Marzili grosse Protestdemonstrationen und Schulstreiks folgten, duldete
der damalige Gemeinderat eine kulturelle Nutzung der Reitschule. In den
1990er-Jahren bekamen die ehemaligen Besetzer einen
Gebrauchsleihvertrag. 1999 bis 2004 renovierten die Betreiber zusammen
mit der Stadt Bern die Reitschule. Seit 2004 hat das Kulturzentrum
Reitschule einen Miet- und Leistungsvertrag mit der Stadt. Den zuletzt
vom Stadtrat gekürzten Leistungsvertrag hat die Reitschule nicht
akzeptiert. Das kulturelle Angebot der Reitschule ist breit: Es reicht
von Kino über Konzerte bis zu Film und Theater. (ks)
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BZ 19.3.12
Tschäppät sieht ein Überangebot
Kulturpolitik · Bern müsse über eine Konzentration des
Kulturangebots reden, findet Stadtpräsident und Kulturchef
Alexander Tschäppät.
Wie weiter in der Berner Kulturpolitik? Vertreter der Kulturszene und
Politiker fordern seit längerem eine stärkere Führung.
Die Leiterin der Abteilung Kulturelles aber sieht sich als Verwalterin,
nicht als Gestalterin. Im Interview nimmt nun Berns Stadtpräsident
und Kulturchef Alexander Tschäppät (SP) Stellung. Er spricht
vom Dilemma einer Kulturstrategie, die sich nicht von ihm alleine
umsetzen lasse: "Bei Veränderungsvorschlägen wird ja sofort
dagegen lobbyiert." Zudem sei die Stadt bei den grossen
Kulturhäusern nur "Junior-Partner". Die Entscheide fälle der
Hauptgeldgeber, der Kanton. Persönlich findet Tschäppät,
die Stadt stehe an der Grenze zum kulturellen Überangebot, und
stösst eine Diskussion zur Konzentration an: "Das heutige
Kulturbudget auf Einzelne zu verteilen, wäre wohl der richtige
Weg." Der Stadtpräsident räumt zudem ein, dass es in der
Dampfzentrale zurzeit ein Führungsproblem gibt, will darin aber
keine Krise sehen. Zuversichtlich ist er, dass ein neuer
Leistungsvertrag mit der Reitschule zustande kommt. Dass seitens der
Stadt die Abteilung Kulturelles verhandelt, hält
Tschäppät für einen Fehler. "Aber sonst will ja niemand
dieses politisch heikle Dossier."wrs/lmSeite 2 + 3
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"Ich kann schon eine Kulturstrategie entwerfen - aber nicht allein
durchsetzen"
Kulturpolitik · Die Dampfzentrale ist ohne Führung, der
Vertrag mit der Reitschule steht auf der Kippe, das neue Konzert
Theater Bern muss sich erst beweisen: Berns Stadtpräsident und
Kulturchef Alexander Tschäppät (SP) nimmt Stellung zu
kulturellen Baustellen, zum Überangebot an Veranstaltungen und
erörtert sein Dilemma als kulturpolitischer "Junior-Partner".
Morgen erscheint das Buch "Kulturinfarkt", in dem Pro-Helvetia-Direktor
Pius Knüsel die These vertritt, dass es die Hälfte der
subventionierten Kulturhäuser nicht brauche. Gilt das auch
für Bern, Herr Tschäppät?
Alexander Tschäppät: Zu fordern, die Hälfte muss weg,
ohne zu sagen, welche, ist einfach. Da drückt sich Knüsel,
und da werde auch ich nichts dazu sagen. Aber: Dass er die Frage
aufwirft, wie viel Geld in etablierte Kulturhäuser fliessen soll,
finde ich berechtigt.
Anders gefragt: Hat Bern ein Überangebot an Kultur?
Wir haben bis zu 200 Kulturveranstaltungen pro Woche. Zum Teil graben
diese sich gegenseitig das Publikum ab, Premieren sind nicht
koordiniert. Man kann geteilter Meinung sein, ob das ein
Überangebot ist.
Was meinen Sie?
Ich denke, wir sind an der Grenze zum Überangebot. Wenn wir den
Mut hätten, das heutige Kulturbudget auf einzelne Veranstalter zu
konzentrieren, wäre das wohl der richtige Weg.
Und - bringen Sie den Mut zu dieser Forderung auf?
Ich habe sie ja jetzt gerade geäussert. Aber solche
Veränderungen kann man nicht von oben befehlen. Das sind
Diskussionen, die man gemeinsam mit den Kulturschaffenden anstossen
muss. Wir wollen schliesslich keine Staatskultur.
Als zuständiger Politiker dürfen Sie Forderungen stellen.
Ich sagte ja vor einiger Zeit bereits, wir sollten das Ballett opfern …
…was verwirrte, weil in der Kulturstrategie der Stadt steht, dass Bern
den Tanz fördern will.
Tanz fördern heisst ja nicht unbedingt, dass es am Stadttheater
eine Tanzsparte braucht. Das sind zwei Paar Schuhe.
Das Ballett ist die Hauptschlagader einer Tanzstadt.
Das sehe ich nicht so. Ich habe viel Prügel eingesteckt, weil ich
das Ballett am Stadttheater abschaffen wollte. Solche Inputs
gehören aber zu den Aufgaben eines Stadtpräsidenten. Nur: Der
grösste Subventionsgeber des Stadttheaters ist der Kanton. Und
Regierungsrat Bernhard Pulver hat entschieden, dass es nicht infrage
komme, das Ballett abzuschaffen. Bei den grossen Kulturinstitutionen
ist die Stadt eben nur der Junior-Partner.
Das entspricht sonst nicht Ihrer Art.
Es ist nicht so, dass der Tschäppät einfach sagen kann, was
in Sachen Kultur in Bern läuft.
Aber als Kulturchef sollte er wissen, in welche Richtung es in Sachen
Kultur gehen soll.
Das weiss ich schon. Aber das heisst nicht, dass ich mich damit auch
durchsetzen kann.
Welche sind denn die kulturpolitischen Ziele der Stadt Bern?
Wir wollen die bestehenden Häuser gut führen. Aber auch
für die freie Szene muss Geld übrig bleiben. Dafür
braucht es wohl den erwähnten Mut zur Konzentration. Aber eben:
Wir wollten das Kornhausforum schliessen und dem Kino Kunstmuseum die
Subvention kürzen. Der Stadtrat hat sich dagegen entschieden. Ich
habe kein Problem damit. Ich sage nur: Es ist nicht so, dass ich
einfach diktieren kann.
Vielleicht müsste man Sparmassnahmen anders verkaufen. Etwa mit
dem Fokus auf das Neue, das entstehen kann. Es ist nicht nur das
Verkaufen. Es geht auch um handfeste Interessen. Es gibt viele
engagierte Kulturschaffende in Bern. Sie wollen ihren Kulturbetrieb
natürlich nicht aufgeben. Das ist legitim.
Also lassen sich kulturpolitische Ziele gar nicht durchsetzen?
So würde ich es nicht sagen. Ich sage nur: Es wird einem
vorgeworfen, man setze keine Akzente. Aber kaum will man Akzente
setzen, wird dagegen lobbyiert.
Nochmals: Sie können gar keine Kulturstrategie umsetzen?
Das ist so. Ich kann eine entwerfen, aber ich kann sie nicht allein
durchsetzen. Weil die Demokratie gesunde Kontrollmechanismen hat. Das
letzte Wort hat das Volk, davor bestimmen das Parlament und die
Exekutive.
Gut, sprechen wir über konkrete kulturelle Baustellen.
Was meinen Sie mit Baustellen?
Zuerst zur Dampfzentrale. Diese ist voraussichtlich bis Herbst
führungslos.
Es gibt im Moment ein Führungsproblem. Aber das ist doch keine
Krise. Der Vorstand hatte jemanden für die Leitung, aber die
Person sagte aus familiären Gründen kurzfristig ab.
Es dauerte lange, bis die Stelle überhaupt ausgeschrieben wurde.
Das ist doch nicht entscheidend, und darüber mag ich nicht
diskutieren. Wer jetzt schon sieht, dass in der Dampfzentrale ein
Fiasko entsteht, übt sich im Kaffeesatzlesen.
Das Festival Tanz in. Bern wurde für dieses Jahr abgesagt. Im
Leistungsvertrag steht nicht, dass es jährlich stattfinden muss.
Ich verspreche aber, dass wir Ende Jahr genau hinschauen, was
veranstaltet wurde und was nicht. Ist die Leistung nicht erbracht, wird
Geld zurückfliessen oder zurückgestellt. Das entscheiden wir
aber nicht jetzt. Wo ich Ihnen recht gebe: Die Leute erwarten, dass es
in der Dampfzentrale alljährlich einen grossen Tanzanlass gibt.
Im Vorstand der Dampfzentrale ist die Abteilung Kulturelles der Stadt
vertreten. Die gleiche Abteilung, die die Leistungsverträge
kontrolliert. Ein klarer Interessenkonflikt.
Das sehe ich anders. Es ist nur logisch, dass der grösste
Geldgeber auch im Leitungsorgan vertreten ist. Das ist bei jeder
Aktiengesellschaft so. Ich bin aber je länger, desto mehr davon
überzeugt, dass es nicht Exekutivmitglieder sein sollten. Weil
sonst die Gefahr besteht, dass die Distanz verloren geht. Aber mit
Verwaltungsleuten sehe ich kein Problem.
Nun, wenn man sich nach Problemen im Vorstand erkundigt, hört man
von der Abteilung Kulturelles kaum Kritisches.
Auch das sehe ich anders. Wir schauen hin, und zwar sehr genau. Damit
dies möglich ist, muss die Stadt aber direkt Einsitz nehmen
können. Nur so ist der Informationsfluss vollumfänglich
gewährleistet. Ein Stadtvertreter von ausserhalb der Verwaltung
hingegen kann dies nur bedingt sicherstellen.
Wird die Abteilung Kulturelles auch im Stiftungsrat der neuen
Institution Konzert Theater Bern vertreten sein?
Es sind sechs Personen der bisherigen Institutionen Symphonieorchester
(BSO) und Stadttheater dabei. Stadt und Kanton sind bisher nicht
vertreten, und das soll in der Startphase von Konzert Theater Bern auch
so bleiben. Es ist aber nicht unumstritten, ob die Verwaltung
später Einsitz haben sollte.
Was erwarten Sie vom Stiftungsrat?
Ein Konzert Theater Bern, das unsere Auflagen erfüllt.
Und die wären?
Ein attraktives Programm und eine ausgeglichene Rechnung. Ich
persönlich habe auch die klare Erwartung, dass nicht nur der
Mainstream, das konservative Publikum, bedient wird. Die
künstlerische Leitung soll den Mut haben, provokative Produktionen
zu zeigen, die in Bern für Diskussionen sorgen.
Wäre dies die allseits geforderte Qualitätssteigerung?
Ja, was heisst Qualität? Wenn Sie das Premierenpublikum fragen,
wird es wohl auf eine konventionelle Aufführung der
"Zauberflöte" hinauslaufen. Für andere mag es eine
Inszenierung sein, die aneckt.
Die Qualitätssteigerung war aber neben den Kosten ein wichtiger
Grund für die Fusion von Stadttheater und Symphonieorchester. Wie
wollen Sie das messen?
Das lässt sich nicht exakt messen. Kultur ist nicht Mathematik.
Und es ist auch nicht wie beim Weitsprung, wo Sie mit einem Massband
das Ergebnis bestimmen können.
Diese Zielsetzung ist also nicht konkret umsetzbar?
Das Leben ist halt manchmal etwas unscharf, und damit muss man leben.
Mein Qualitätsbegriff fürs Kulturleben ist, dass es
zwischendurch aufregt und nicht nur zur Berieselung da ist. Aber das
ist in der Schweiz eine schwierige Diskussion. Denken Sie an die
Affäre Hirschhorn. Kaum provoziert einer, kürzt die Politik
die Subventionen.
Themawechsel: Wer verhandelt zurzeit den neuen Leistungsvertrag mit der
Reitschule?
Die Abteilung Kulturelles zusammen mit meinem Generalsekretär.
Ist die Abteilung Kulturelles die richtige Stadtvertretung bei einem
solch politischen Thema?
Es gibt in der Reitschule erstens den Gastwirtschaftsbetrieb, da ist
der Statthalter zuständig. Es gibt zweitens den Sicherheitsaspekt,
da ist die Kantonspolizei zuständig. Das dritte Element ist der
Leistungsvertrag, der sich auf die Subvention für Miete und
Nebenkosten beschränkt. Dieser Vertrag ist bei uns angesiedelt,
was mit der Gründungsgeschichte der Reitschule zu tun hat. Diese
Zuordnung ist meiner Meinung nach allerdings falsch. Mietzins hat
nichts mit Kultur zu tun.
Dennoch führt die Abteilung Kulturelles die Verhandlungen.
Ja, weil das politisch heikle Reitschule-Dossier sonst niemand will.
Dann müssten Sie sich dieser heiklen Verhandlungen vielleicht
persönlich annehmen.
Das scheint mir nicht stufengerecht. Ich soll verhandeln, wie laut die
Reitschüler den Lautsprecher in der Cafete aufdrehen dürfen?
Ich übernehme aber die Verantwortung - auch wenn der Vertrag nicht
zustande kommt.
Wie gross ist Ihre Angst, dass die Stadt Ende Jahr ohne Vertrag mit der
Reitschule dasteht?
Ich gehe davon aus, dass die Reitschüler wissen, was man von Ihnen
erwartet.
Die Reitschüler haben unmissverständlich andere Signale
ausgesandt.
Das ist einige Zeit her. Wir verhandeln jetzt und spekulieren nicht.
Der Stadtrat hat der Reitschule eine klare Vorgabe gemacht:
Auflagenerfüllung gegen Geld. Gibt es darüber keine Einigung,
gehe ich davon aus, dass der Stadtrat den Subventionskredit ab 2013
nicht mehr gewährt.
Die Stadt würde das einzige Instrument verlieren, mit dem sie
etwas Einfluss ausüben kann.
Ich sage es nochmals: Ich gehe davon aus, dass auch die
Reitschüler begriffen haben, dass wir bis Ende Jahr eine
Lösung brauchen.
Immerhin ist die Stadt Besitzerin der Infrastruktur. Sie könnte
schon jetzt etwa die Grosse Halle mehr nutzen.
Nur zu! Wenn etwa der neue Theaterdirektor hier inszenieren
möchte, noch so gerne.
Sie haben gesagt, dass Sie selber nur begrenzt lenken könnten. Sie
haben aber durchaus eine Machtposition. In der direkten
Kulturförderung gehen mehr als 50 Prozent der Gesuche über
Ihren Tisch.
Sie landen erst bei mir, wenn sie von einer Kulturkommission und der
Kulturabteilung geprüft wurden. Wenn diese dann Geld beantragen,
ist es nicht am Stadtpräsidenten, sich querzustellen. Bei
einzelnen Positionen kann man durchaus die Frage aufwerfen, ob sie
förderungswürdig sind. Aber grundsätzlich vertraue ich
auf die Fachkompetenz der Kommissionsmitglieder. Auch wenn nicht alles
meinen persönlichen Kulturgeschmack trifft.
Wenn Sie drei Wünsche frei hätten, wie sollte die Kultur in
Bern sein?
Sie sollte den Bernerinnen und Bernern ein Kulturprogramm bieten, auf
das sie stolz sind, das sie zwischendurch aufregt, und ein
Kulturprogramm, das auch die jüngeren Kulturinteressierten abholt.
Und damit wären wir wieder bei Pius Knüsel und der Frage, ob
wir künftig nicht mehr in die neuen Kulturmedien investieren
sollten statt in die traditionellen Kulturbetriebe.
Interview: Lucie Machac · Wolf Röcken
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20 Minuten 19.3.12
Marsimoto: Harte Beats, samtiges Grün
BERN. Im gut besuchten Dachstock der Berner Reitschule konnte man am
Samstag für einmal sein grünes Wunder erleben: Der
Elektro-Rapper Marsimoto sorgte für eine ausgelassene Partynacht.
Grün in Grün: Als am Samstag der Rapper Marsimoto im
Dachstock der Berner Reitschule auf der Bühne stand, hätte
man meinen können, der St. Patrick’s Day werde nun auch in der
Schweiz gefeiert. Dieser Eindruck hatte jedoch nichts mit der
Trinkfreudigkeit der rund 650 Gäste in der Reitschule zu tun,
sondern vor allem mit der Lieblingsfarbe des Alter Egos von Marteria.
Kurz nach Mitternacht stürmte der Rostocker Rapper maskiert und
ganz in Grün gekleidet in bester Koboldmanier die Bühne.
Begleitet von einer ganzen Palette an Klangfarben in Form von
brachialen Bässen und euphorisierenden Synths schmetterte das
grüne Phänomen den Zuschauern eineinhalb Stunden lang
Wortspiele entgegen, dass es nur so krachte. Dass seinem kürzlich
erschienenen Album "Grüner Samt" ein eigentlicher Hit fehlt,
störte das begeisterte Publikum dabei keine Sekunde, und so
tanzten, rappten und schrien sie munter mit, bis sich der selbst
ernannte "Sänger von Björk" mit einem letzten Synthiegewitter
verabschiedete.
Dass Marsimoto die Berner zu Beginn nicht erst aufwecken musste,
verdankte er übrigens seinem grandiosen Support Act Kid Simius,
der, mit einem immensen Arsenal verschiedenster Instrumente bewaffnet,
eine Elektro-Einmannshow der Sonderklasse lieferte.
Lorenz Häberli