MEDIENSPIEGEL 02. -  08. APRIL 2012

kulturagenda.be 5.4.12

Realität und Fiktion werden eins

Im Tojo zeigt die Kompanie Grenzgänger ihr experimentelles Stück "Nico's Love on Stage". In einer verwirrenden Mischung aus Theater und Film verwischt sie die Grenzen zwischen Realität und Fiktion.

In "Nico's Love" verkauft der Regisseur Julian skrupellos die Biografie von Schauspieler Nico. Auf der Bühne treten der Regisseur Julian M. Grünthal und Schauspieler Nikolai Bosshardt sowohl in Bühnenrollen als auch als angebliche Privatpersonen auf. Eine solche Ausgangssituation hat es schon per se darauf angelegt, den Zuschauer mit der Frage nach Realität und Fiktion in die Irre zu führen. Und als wäre diese nicht schon kompliziert genug, mischen die Macher des Stücks, die Kompanie Grenzgänger, auch noch filmische Mittel ins Schauspiel: auf der Bühne wird gefilmt, und auf der Leinwand erscheinen Sequenzen aus früheren Drehs.

Zwei Bühnenformate und ein Film

Zwar hat die Luzerner Gruppe "Nico's Love" als eigenständiges Theaterstück konzipiert, gleichzeitig ist die Produktion aber auch Teil eines experimentellen Filmprojektes. Regisseur Julian M. Grünthal will nämlich aus dem Stoff und den Erfahrungen auf der Bühne bis 2015 den gleichnamigen Film realisieren. Im Sinne dieses Schaffensprozesses arbeitet die Kompanie mit zwei Bühnenformaten von "Nico's Love", die sich bei jeder Aufführung aufeinander beziehen. Das 25-stündige Stück, "Nico's Love Instant Movie", wird vor Publikum gespielt und das Geschehen zugleich gefilmt, während die abendfüllende Version des Stücks, "Nico's Love on Stage", mit traditionell theatralen Mitteln arbeitet. Nach einem turbulenten Start mit dem 25-Stünder im Kleintheater Luzern letzten Oktober zeigt Grenzgänger nun seine 90-Minuten-Version im Tojo. Eine weitere 25-stündige Episode von "Nico's Love Instant Movie" ist nächsten Juni in der Roten Fabrik in Zürich vorgesehen.

Spiel mit dem Zuschauer

An der besagten Aufführung in Luzern wurde zunächst während zwei Stunden auf der Bühne und vor Publikum eine Albtraumszene gedreht. Danach verwandelte sich das Kleintheater in einen Club, wodurch die klassische Theatersituation aufgelöst und der Zuschauer zu einem Teil des Geschehens wurde. Es wurde immer unklarer, was nun gespielt und was echt war. Beispielsweise war nicht genau auszumachen, ob der Regisseur nun wirklich zu viel getrunken, sich deshalb nackt ausgezogen und einen Schauspieler tätlich angegriffen hatte oder ob alles einfach nur inszeniert war. Regisseur Grünthal meint dazu bewusst vage: "Die Grenze zwischen Realität und Fiktion wird in ‹Nico's Love› immer wieder offengelassen› ".

 Grenzgänger im wahrsten Sinne des Wortes

Etwas genauer hat sich die Jury des renommierten Nachwuchspreises für Tanz und Theater, "Premio", ausgedrückt, wo Grenzgänger vor einem Jahr den ersten Preis gewonnen haben: "‹Nico's Love› ist ein kluges Spiel aus und mit der konkreten Situation des Theaters. Mit einfachsten Mitteln betreibt Grenzgänger ein virtuoses und letztlich beunruhigendes Spiel mit den Erwartungshaltungen des Publikums." Was nun genau während der 90 Minuten in Bern zu sehen sein wird, ist noch nicht ganz klar. Die abendfüllende Bühnenversion soll jedenfalls keine Zusammenfassung der 25-Stunden- Fassung sein. In "Nico's Love on Stage" wird aber Bezug auf das Geschehen in Luzern genommen. Verraten hat Julian M. Grünthal nur, dass sich im Tojo ein Team auf der Bühne wiederfinde, das sich fragt, wie man nach dem Eklat in Luzern weitermachen könne. Welche Rolle in Bern dem Zuschauer zuteil wird, erfährt man nur, indem man selber hingeht und sich überraschen lässt.

Christine A. Bloch
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Tojo Theater in der Reitschule, Bern
Di., 10., bis Sa., 14.4., 20.30 Uhr
Weitere Infos unter www.tojo.ch

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Bund 5.4.12

"Nico's Love"

Dahin gehen, wo es wehtut

Was ist echt? Was gespielt? Was Absicht? Was Zufall? Die freie Theatergruppe Grenzgänger lockt ihr Publikum in einen reizvollen Strudel der Irritation.

Theater ist ein eigenartiges Konstrukt. Man sitzt im Zuschauerraum und geht mit jenen, die auf der Bühne stehen, einen unausgesprochenen Pakt ein: Du spielst etwas, und ich halte es für wahr, obwohl ich weiss, dass es nur fiktiv ist. Diesen Pakt verschiebt die Schweizer Theatergruppe Grenzgänger mit "Nico's Love" um eine Nuance. In ihrem Projekt nämlich begibt sich das Publikum in eine Grauzone: Ich weiss nie genau, was echt ist und was nicht, und darauf lasse ich mich ein.

Denn "Nico's Love" von Regisseur Julian M. Grünthal und Co-Regisseur Nikolai Bosshardt ist eine vertrackte Angelegenheit, die einem sozusagen den doppelten Boden unter den Füssen wegzieht; ist gleichzeitig Film und Theater. Das Filmprojekt "Nico's Love" soll bis spätestens 2015 realisiert werden. In diesem Film soll es um einen Regisseur mit Borderline-Syndrom gehen, der einen Film drehen will und dafür die reale Geschichte eines Schauspielers ausbeutet. Das Figurenpersonal und die Konflikte des Films sind nun die Basis für verschiedene Bühnenarbeiten der Gruppe Grenzgänger. In Luzern ging vergangenen Oktober "Nico's Love Instant Movie" über die Bühne, eine 25-stündige Aufführung samt Party, Übernachtung und Katerfrühstück, in der eine echte Filmszene gedreht wurde und Regisseur Julian M. Grünthal am Ende auf offener Bühne kollabierte. Wo die Fiktion aufhörte und wo die Realität anfing, das musste jeder für sich entscheiden - und genau darum geht es der Gruppe: das Publikum in einen Strudel der Irritation zu locken und es gleichzeitig dorthin zu bringen, wo die normale Neugier in Voyeurismus umschlägt. Seither entwickelt sich "Nico's Love" weiter. Vergangenen November hätte in Bern die 90-minütige Fassung "Nico's Love on Stage" gezeigt werden sollen, in der das Figurenpersonal, das in Luzern an seine Grenzen kam, sich wieder zu finden versucht. Zwei Tage vor Probenbeginn riss sich Grünthal die Achillessehne, und die Aufführungen wurden abgesagt. Nun folgt also der zweite Anlauf.

Rein in die Gefahrenzone

In der fiktiven Geschichte strebt die Gruppe nach absoluter Authentizität - gedreht wird nur, was man selbst erlebt hat. Denn darum dreht sich das Ganze auch: um die penetrante Forderung nach Echtheit, die schnell einmal ungesund werden kann. "Authentizität ist ja nur eine Vereinbarung", sagt Grünthal, "und im Moment eine angesagte Strömung. Allerdings eine gefährliche - wenn man etwa an all die Castingshows denkt. Menschen werden von der Unterhaltungsindustrie ausgesogen, und sie durchschauen es nicht."

Damit zielt "Nico's Love" auch auf eine Grundproblematik des Schauspiels: Wie viel bin ich als Künstler bereit, von mir zu geben, und gehe ich dafür dorthin, wos wehtut? "In diese Gefahrenzone möchten wir uns begeben", so Grünthal. Es ist ein reizvolles Unterfangen, der Gruppe als Zuschauer dorthin zu folgen. Und dafür alle herkömmlichen Pakte zu vergessen. (reg)

Tojo-Theater Reitschule Di, 10., Do, 12., Fr, 13., Sa, 14. April, jeweils 20.30 Uhr.

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BZ 5.4.12

Ein Härtetest zwischen Realität und Fiktion

Theater · Die Gruppe Grenzgänger spielt stundenlang bis zur Erschöpfung. Nach einem Bühnenkollaps in Luzern führt sie nun mit "Nico's Love on Stage" ein kürzeres Folgestück im Berner Tojo auf.

Porno, Party und Drogen: Die voyeuristischen Erwartungen des Publikums wurden letztes Jahr in Luzern bei der Premiere von "Nico's Love" mehr als erfüllt. Die seit 2008 bestehende Luzerner Theatergruppe Grenzgänger spielte ganze 25 Stunden lang, bis Regisseur Julian Grünthal, der zuvor im Publikum nach Drogen gesucht hatte, kollabierte. Ob das alles gespielt war oder ob die Produktion tatsächlich aus den Fugen geriet, lässt die Gruppe, die aus der Vermischung von Realität und Fiktion "bewusstseinsveränderndes Manipulationstheater" schafft, offen.

Alles begann mit einem Film

Tatsache ist: Das ausufernde Work in Progress begann mit einem von Regisseur Grünthal geschriebenen Drehbuch zum Film "Nico's Love". Darin geht es um einen jungen Mann (Nikolai Bosshardt), der als Altenpfleger arbeitet. Zu einer pflegebedürftigen Dame hat er ein besonders enges Verhältnis. Als er mit deren Tochter (Hagar Admoni-Schipper) zusammentrifft, beginnt er mit ihr eine Affäre. Viel zu spät merkt er, dass die geheimnisvolle Frau ihn missbraucht, um den Missbrauch, den sie einst selbst erlebte, zu verarbeiten und damit der Mutter die Augen zu öffnen. "Auch bei einem so ernsten Thema geht es letztlich um ein Produkt, das man einem Publikum verkauft", sagt Julian Grünthal im Gespräch. Das sei per se kein unproblematisches Verhältnis, das man mit dem Publikum, den Medien und den Geldgebern eingehe. Im 25-stündigen Theatermarathon in Luzern hat sich die Crew deshalb mit der "totalen Selbstvermarktung" auseinandergesetzt und dabei das Publikum bis zur eigenen Erschöpfung mit einer gehörigen Portion Sex, Drugs und Rock 'n' Roll gefüttert.

Die Kamera ist wieder dabei

Wie es der Gruppe nach dem Kollaps ergangen ist, wird nun im Tojo in dem 90-minütigen Stück "Nico's Love on Stage" erzählt. Natürlich ist auch hier die Kamera wieder dabei, denn letztlich geht es - zumindest wird es so verkauft - um die Arbeit am Film. Diesmal sucht die Gruppe nach der totalen Authentizität. Im Fokus steht dabei Schauspielerin Hagar Admoni-Schipper, die ihre Rolle als Missbrauchsopfer ein wenig zu ernst nimmt. Sie kommt in Teufels Küche, als sie in ihrem eigenen Leben nach Anknüpfungspunkten sucht, um die Rolle so echt wie möglich zu verkörpern. Die Stärke der Gruppe Grenzgänger, die für ihr Projekt letztes Jahr den mit 27 000 Franken dotierten Nachwuchspreis für Theater und Tanz erhielt, liegt im bewussten Spiel mit falscher Empathie und Authentizität. So wird zunehmend unklarer, wer hier eigentlich wen missbraucht: So wie Nico im Film mit seiner Angebeteten ein Sadomasospiel treibt, so treiben es die Grenzgänger mit dem Publikum. Mal bedienen sie dessen Sensationslust, mal werden die Erwartungen torpediert. Verwirrung garantiert.
Helen Lagger

Premiere: Di, 10.4, 20.30 Uhr im Tojo Theater, Reithalle Bern. Weitere Vorstellungen bis 14. April. www.tojo.ch.

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kulturagenda.be 5.4.12

Endzeitballaden von Crippled Black Phoenix im Dachstock

Eine stilistische Einordnung der Musik von Crippled Black Phoenix ist schwierig. Einige nennen es Progressive Rock, andere Folk oder sogar Doom, dritte vergleichen die Band mit der frühen Pink Floyd. Die Engländer bezeichnen ihre Songs selbst als "Endzeitballaden". Entstanden ist die Band aus Musikern der Formationen Portishead und Mogwai. Mit dem neuen Album "(Mankind) The Crafty Ape" sind die Engländer nun zurück in Bern.
Dachstock, Bern. Sa., 7.4., 21 Uhr

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Bund 5.4.12

DJ Shadow.

Nach fünf Jahren intensiven Grabens in Platteneldorados und Schräubeln im Studio hat die kalifornische DJ-Legende DJ Shadow 2011 sein neues Album "The Less You Know, the Better" präsentiert. Offenbar wollte er diesmal nichts dem Zufall überlassen - hatten eingefleischte Fans dem Vorgängeralbum "The Outsider" doch - Achtung, Fehdehandschuh - "Kommerz" vorgeworfen. Das Ergebnis klingt nach Hip-Hop, der an den Grenzen apartig ausfranst, mal in Richtung Britpop, mal in Richtung Afrobeat oder französische Chansonkunst. Operation gelungen, der Kritiker tanzt. (hjo)

Dachstock Donnerstag, 5. April, 21 Uhr.

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kulturagenda.be 5.4.12

Grosse Ammonit-Sause in der Grossen Halle

Zwischen Gründonnerstag und Ostersamstag wird nicht nur rumgeeiert: In der Grossen Halle steigt das grosse Springtime Festival von Ammonit. Während dreier Tage sind Electround Techno-Künstler wie Seth Troxler (Bild), Trentemøller und Magda zu bestaunen und zu betanzen. Am Freitag gibt es gar einen Live-Auftritt von Kosheen. Ganzes Programm:
www.ammonit.ch. Grosse Halle in der Reitschule, Bern. Do., 5., bis Sa., 7.4.

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blick.ch 5.4.12
http://www.blick.ch/news/schweiz/bern/im-kornhaus-hat-sichs-vorerst-ausgetanzt-id1836364.html

Party in Bern

Im Kornhaus hat sichs vorerst ausgetanzt

BERN - Genug vom ewigen Hin und Her: Ammonit plant bis auf weiteres keine Events mehr im Kornhausforum.

Über zehn Jahre veranstaltete die Berner Eventfirma Ammonit im Kornhausforum Partys. Bis im Januar bekannt wurde, dass es keine Tanzevents mehr geben soll. Grund für das abrupte Ende: Im Kornhausforum gibts kein Fumoir und so rauchten die Party-Besucher auf der Strasse und verursachten Lärm. Ammonit richtete zwar ein temporäres Fumoir ein. Dieses ist jetzt aber verboten.

Das hat Auswirkungen auf das "Electroscope Springtime Festival" am Oster-Wochenende: Das Festival findet nicht wie früher im Kornhausforum, sondern in der Grossen Halle der Reitschule statt. "Aufgrund der unklaren Situation im Kornhausforum waren wir gezwungen, in eine andere Lokalität zu wechseln", begründet Ammonit-Produktionsleiter Fabian Wyssbrod die Züglete.

"Wir wollen nicht der Sündenbock für andere sein"

Seit Anfang März erlauben die Liegenschaftsverwaltung und die Gewerbepolizei wieder Partys ohne Fumoir. "Das ist einerseits gut. Anderseits heisst das, dass Leute draussen rauchen. Es ist praktisch unmöglich, absolute Ruhe zu garantieren. Notabene hats noch viele weitere Lokale rund ums Kornhaus, die auch Lärm verursachen", sagt Wyssbrod. "Wir wollen nicht der Sündenbock für andere Lärmverursacher sein. Immerhin hatten wir dank des Fumoirs, das jetzt leider nicht mehr erlaubt ist, seit zwei Jahren keine Lärmklagen mehr zu verzeichnen." Ammonit hat vorläufig genug vom ewigen Hin und Her. "Events zu veranstalten ist mit immer mehr Aufwand und Hürden verbunden. Es darf einem nicht überraschen, dass es immer weniger Kultur gibt, wenn Klubbesitzer oder Veranstalter nicht wissen, woran sie sind."

Es besteht noch Hoffnung

Für Anlässe brauche Ammonit ein halbes Jahr Planungszeit. "Wenn wir keine Sicherheit zur Durchführung haben, müssen wir eben in andere Lokalitäten ausweichen." Die Eventfirma plant deshalb in nächster Zeit keine Partys mehr im Kornhausforum. Ganz resignieren will Ammonit aber nicht: "Wir sind interessiert, wieder Anlässe zu veranstalten. Dafür braucht es aber ein klares Bekenntnis aller Beteiligten." Geplant sind demnächst Gespräche an einem Runden Tisch mit allen involvierten Parteien.

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Bund 5.4.12

Electroscope

Bis die Balken knirschen

Ein Frühlingsfest für die Freunde der strombetriebenen Musik steht an.

Es ist ein beachtliches Aufgebot an Elektronik-Kompetenz, das an diesem Wochenende im Rahmen des Electroscope-Festivals für die Beschallung der Grossen Halle der Reitschule besorgt sein wird. Zu den nominell gewichtigsten Stargästen gehören die Bio-Trance-Frickler Trentemoller, die im Gegensatz zu ihrem beachtlichen Auftritt am letztjährigen Gurtenfestival allerdings nur ein DJ-Set aufführen werden. Ganz anders die englischen Trip' n' Bass-Ikonen von Kosheen, die ihr bestens betanzbares Elektro-Soul-Konglomerat live darbringen werden. Vorfreude ist auch im Hinblick auf die Auftritte der beiden Berner Hoheiten der strombetriebenen Musik, Fiji und Filewile angebracht. Erstere werden Kostproben ihres bald erscheinenden neuen Albums geben, Zweitere stellen erstmals in Bern ihr neues Soundsystem vor. (ane)

Grosse Halle Reitschule Do, 5. 4.: Seth Troxler, Magda, Tiefschwarz u. a. Fr, 6. 4.: Kosheen, Fiji, Filewile Soundsystem u. a. Sa, 7. 4.: Trentemoller, Lexy & K-Paul, Whomadewho, Round Table Knights u. a.

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BZ 5.4.12

"Wir im Westen sind der Ghüderchübu der Stadt"

Überraschende Allianzen und eine Stimmung wie in einem Hexenkessel: An einem Infoanlass über die geplante Zone für Wohnexperimente in Riedbach stellten sich Anwohner und Stadtnomaden geschlossen gegen Stadtpräsident Alexander Tschäppät.

Dienstagabend, im Saal des Restaurants Bahnhof in Riedbach. Über 100 Leute quetschen sich an die Tische, um mit Stadtpräsident Alexander Tschäppät über die geplante Zone für Wohnexperimente in Riedbach zu diskutieren. Eine Frau mit grauer Föhnfrisur und ein Mann mit blonden Rastas sitzen im Publikum und strecken die Köpfe zusammen. "Wissen Sie, Sie müssen keine Angst vor uns haben", sagt der junge Stadtnomade. "Das habe ich auch nicht", antwortet sie. "Darum geht es nicht. Es geht darum, ob Sie hierhin passen. Wissen Sie, hier denken viele Leute bürgerlich. Doch Sie haben da andere Ansichten." Der Mann nickt. "Ich weiss." Sie lächeln sich zu.

Vorne sitzt Stadtpräsident Tschäppät, als einziger mit Krawatte. Der Leist Oberbottigen hat ihn im Anschluss an die Hauptversammlung eingeladen, "sozusagen für den gemütlichen Teil", wie Leistpräsident Heinz Brönnimann sagt. Aus dem Nebenzimmer erklingt der Gesang eines Jodlerchors, doch Tschäppät hat eine Vorahnung: "Wahrscheinlich wird es für Sie gemütlicher als für mich." Dann erklärt er, weshalb Gruppierungen wie die Stadtnomaden oder die Stadttauben in Riedbach angesiedelt werden sollen (siehe Kasten). Nach dem Vortrag schnellen die Hände in die Höhe. "Herr Tschäppät, ist es Zufall, dass sich drei der vier geprüften Areale im Westen Berns befinden?", fragt ein Anwohner. "Alles, was man in der Stadt nicht will, bringt man bei uns unter. Wir sind der Ghüderchübu der Stadt!" Tschäppät widerspricht: "Das seid ihr nicht. Auch andere Quartiere haben Probleme. Bern-Ost hat die Autobahn, die Länggasse die KVA."

Die Fragen prasseln auf den Stadtpräsidenten ein. Wer gehört werden will, muss laut sprechen. Den Jodlerchor von nebenan hört man längst nicht mehr. Eine Stadtnomadin fragt, welche Gruppierungen denn in Riedbach untergebracht werden sollen. "Alle, die dorthin wollen und die Nutzungsvereinbarung mit der Stadt unterzeichnen", antwortet Tschäppät. "Und wenn uns die anderen nicht passen, dann müssen wir trotzdem bleiben?", fragt sie. Dabei sei nie mit ihnen über diese Lösung diskutiert worden. "Ihr schafft ein Ghetto für uns", konstatiert ein Stadtnomade.

"Nein, es geht darum, diese Wohnform zu legalisieren", sagt Tschäppät. Auch ein Hochhaus dürfe nur dort gebaut werden, wo ein Zonenplan dies vorsehe. Und auch in einer Einfamilienhaussiedlung kämen manchmal nicht alle Nachbarn gut miteinander aus. Für ihn ist klar: Wenn die Stimmberechtigten diese Zone annehmen, so dulden sie diese Wohnform auf Stadtboden. "Aber nur in dieser Zone, sonst nirgends. Wenn ihr dann nicht dorthin ziehen wollt, könnt ihr gerne in eine andere Gemeinde gehen." Bei einem Nein werde die Wohnform vom Volk nicht akzeptiert. Es gehe nicht darum, eine Lösung für eine einzelne Gruppe zu finden, sondern einen Ort, wo legal so gewohnt werden dürfe.

Die Frau mit Föhnfrisur wispert dem Mann mit den Rastas zu: "Verstehen Sie sich denn mit den anderen Gruppierungen, die auch auf dieses Land ziehen sollen?" Er zuckt mit den Schultern, spricht leise mit der Frau. "Herr Tschäppät", ruft sie kurz darauf, "Sie wollen diese Leute dorthin stecken, obschon die gar nicht miteinander auskommen." Ein Anwohner stimmt ein: "Ihr plant an den Bedürfnissen vorbei." Und ein Stadtnomade findet: "Ich verstehe, dass sich die Leute hier verarscht fühlen. Was passiert denn, wenn die Zone voll ist? Dann haben wir wieder dasselbe Problem."

Sandra Rutschi

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Die Pläne in Riedbach

Wohnexperimente. Auf einer Fläche von 6000 Quadratmetern sollen künftig Gruppierungen wie die Stadtnomaden oder die Stadttauben in einer "Zone für Wohnexperimente" leben können. Das Land gehört der Stadt Bern und wird zurzeit landwirtschaftlich genutzt. Heute müssen die Gruppierungen nach drei Monaten den Standort wechseln. "Diese Lösung hat sich bewährt, die Gruppierungen hielten sich an die Abmachungen", sagt Tschäppät. Standorte waren etwa das Weyerli, das Viererfeld, Wankdorf-City oder das Schermenareal. "Das Problem ist, dass einige dieser Areale wegfallen, weil sie überbaut werden", so Tschäppät. So könne dieses Rotationsprinzip auf Dauer nicht mehr funktionieren. Die Stadt suchte deshalb gemeinsam mit anderen betroffenen Landbesitzern wie etwa der Burgergemeinde nach einem festen Standort für die Gruppierungen. Geprüft wurden Fussacker, Riedbach, Hasli und Neubrück. Die Wahl fiel auf Riedbach, weil das Areal durch das benachbarte Ausbildungs- und frühere Zivilschutzzentrum einfach und günstig mit Strom-, Wasser- und Abwasserleitungen erschlossen werden kann. Mit den Gruppierungen, die dort hinziehen wollen, soll eine Nutzungsvereinbarung abgeschlossen werden. Läuft alles nach Plan, stimmen die Berner im März 2013 an der Urne über die Umzonung des Landes ab. Bis spätestens Ende 2014 soll das Neubrück-Areal als Zwischenlösung genutzt werden.sar

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bern.ch 4.4.12

Arrondierung beim Bundeshaus

Gemeinderat will Bundesterrasse dem Bund abtreten

Die Eidgenossenschaft hat in den Jahren 2006 bis 2008 das Bundeshaus renoviert. Als nächster Schritt soll die Umgebung des Bundeshauses aufgewertet werden. Bund und Stadt Bern sind übereingekommen, bei dieser Gelegenheit auch die Eigentumsverhältnisse rund ums Bundeshaus zu bereinigen. Der Gemeinderat beantragt daher dem Stadtrat, den westlichen Teil der Bundesterrasse, der aus historischen Gründen im städtischen Eigentum steht, an die Eidgenossenschaft abzutreten.

Das Bundehaus und der Bundeshauskomplex sind im Grundeigentum der Eidgenossenschaft. Nur die Parzelle Nr. 1383, welche den westlichen Teil der Bundesterrasse samt der dazu gehörenden Parkanlage sowie den Raum zwischen dem Bernerhof und dem Bundeshaus West umfasst, gehört der Stadt Bern. Die enge Zusammenarbeit zwischen Bund und Stadt Bern hat dazu geführt, dass die geplante Aufwertung der Bundeshausumgebung mit einer Bereinigung der Eigentumsverhältnisse einhergehen soll. Die Parzelle Nr. 1383 inkl. Stützmauer soll an den Bund abgetreten werden. Damit kann die ganze Bundeshausumgebung in Zukunft aus einer Hand bewirtschaftet werden.

Durchgangsrecht garantiert

Mit dem Geschäft soll den Bedürfnissen des Bundeshauses wie jenen der Öffentlichkeit gleichermassen Rechnung getragen werden. Voraussetzung für die Abtretung der Parzelle ist deshalb, dass der Bund der Stadt Bern vertraglich die nötigen Dienstbarkeiten einräumt: öffentliches Wegrecht, ober- und unterirdisches Überbaurecht für die Bergstation der Marzilibahn, Parkplatzbenutzungsrecht für Autos, Motorräder und Velos, Fahrwegrecht und Durchleitungsrechte für Werkleitungen.

Neue Regelungen für drei Brunnen

Gleichzeitig einigten sich Bund und Stadt auf neue Regelungen für drei Brunnen. Zurzeit besorgt der Bund den Unterhalt des Welttelegrafenbrunnens auf dem Helvetiaplatz und des Weltpostbrunnens auf der Kleinen Schanze - beide Brunnen stehen indessen auf Grundeigentum der Stadt Bern. Umgekehrt besorgt die Stadt bis heute den Unterhalt des Bernabrunnens, der aber im Innenhof vor dem Bundeshaus West auf Boden des Bundes steht. Die beiden Parteien haben sich darauf geeinigt, dass die Stadt den Bernabrunnen ebenfalls an den Bund abtritt.

Da es sich bei der Bundesterrasse nicht um ein marktfähiges Objekt handelt und nur ein Käufer - die Eidgenossenschaft - in Frage kommt, konnte deren Verkehrswert nur geschätzt werden. Er wurde aufgrund von Landwerten, die in letzter Zeit zum Beispiel für die Arrondierung von Parkanlagen oder für Trottoir- und Strassenverbreiterungen angewandt wurden, auf 400 Franken pro Quadratmeter festgelegt. Daraus ergab sich für die rund 6000 Quadratmeter messende Parzelle ein Preis von 2,4 Millionen Franken. Damit verrechnet werden die Kosten für alle anstehenden Sanierungs- und Bauarbeiten, welche die Stadt Bern in nächster Zukunft für die Bundesterrasse und den Bernabrunnen zu leisten hätte. Daraus resultiert für die Stadt Bern ein Nettoertrag von 65‘000 Franken.

Stadtrat ist zuständig

Die Bundesterrasse gehört heute zum Verwaltungsvermögen der Stadt Bern. Damit sie an den Bund veräussert werden kann, muss sie zuerst ins Finanzvermögen übertragen werden. Diese sogenannte Entwidmung und die anschliessende Übertragung der Bundesterrasse an die Eidgenossenschaft fallen in die Zuständigkeit des Stadtrats, wobei die Vorlage dem fakultativen Referendum unterliegt.

 
Direktion für Tiefbau, Verkehr und Stadtgrün
   
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20 Minuten 3.4.12


500.- Franken Finderlohn: Skrupelloser Einbruch in Berner Club

Die Club-Verantwortlichen sind empört, die Party-Gänger fühlen mit: Im Berner Dachstock (Reitschule) wurde in der Nacht auf Sonntag Gegenstände im Wert von ca. CHF 2'500.- geklaut.

Auch Clubs sind vor Diebstahl nicht gefeit: So wurde in der Nacht auf Sonntag, 1. April, aus dem Dachstock-Büro, das versteckt hinter dem Backstage liegt, ein Macbook Pro, eine Digitalkamera und ein Portemonnaie mit CHF 350.- Inhalt und Karten entwendet. "Die Diebe müssen richtig skrupellos gewesen sein", berichtet Baldy Minder, Chlyklass-Manager und Dachstock-Partyveranstalter, gegenüber tilllate.com. Dies vor allem, weil der Club an der Neubrückstrasse zur Tatzeit - zwischen 4:00 und 6:00 Uhr - bereits geschlossen hatte. Es sei ausserdem das erste Mal, dass etwas aus dem Büro gestohlen wurde.

Der Diebstahl tut besonders weh: Auf der Digitalkamera sind Aufnahmen der Boys-on-Pills-Plattentaufe gespeichert, die für den Dieb wertlos sind - allerdings nicht so für die Bandmitglieder (wie Rapper Baze). "Sowas ist einfach nur mühsam", beschwert sich Baldy Minder sichtlich entnervt. Auch das Macbook Pro der Bookerin des Dachstocks hat mehrere Dokumente gespeichert und beinhaltete unzählige Stunden Arbeit.

500.- Franken Finderlohn

Die Dachstock-Verantwortlichen wollen das gestohlene Gut so schnell wie möglich zurück haben. Dafür haben sie einen Finderlohn von CHF 500.- ausgesetzt. Alle Hinweise können an dachstock@reitschule.ch geschickt werden. (rgl)