MEDIENSPIEGEL 12. - 18. NOVEMBER 2012

kulturstattbern.derbund.ch 18.11.12
http://newsnetz-blog.ch/kulturstattbern/blog/2012/11/18/mehr-als-musik/

 

Mehr als Musik

 

Von Benedikt Sartorius am Sonntag, den 18. November 2012, um 08:49 Uhr

 

Berner Konzertbesucher sind sichs gewohnt zu reisen - nach Zürich, nach Lausanne, nach St. Gallen und Düdingen, und alle Jubelmonate auch ins Ausland zu Bands, die einen weiten Bogen um das Land machen. Eher ungewohnt ist es aber, wenn Konzertbesucher aus aller Welt - aus Frankreich, Italien, Serbien, Japan, Kanada, St. Gallen, Deutschland - in die Stadt für Konzerte anreisen.

 

Dies ist dieses Wochenende der Fall - denn der 15. Geburtstag von Constellation Records, der in Bern so schön und ausgiebig gefeiert wird, ist eine weltumspannende Angelegenheit. Die Tickets seien vor allem im Ausland verkauft worden, betont Ian Ilavsky, Mitgründer des Labels, immer wieder. So auch gestern Nachmittag am Ende eines Round-Table-Gesprächs, das im Wörkshophus stattgefunden hat.

 

Ein Besuch im Haus am Rosenweg 37 ist höchst empfehlenswert, ist doch dort die Ausstellung "Ce Côté en Haut: The Fragile World of Constellation" zu Gast. Eingerichtet von zwei Fans des Labels aus Belgrad, präsentiert die kleine Schau liebevoll Plattencovers, Konzertplakate, Fanfotos, und eine Plattenspielerecke, die den Raum zart beschallt.

 

 

Zum Schluss des Ausstellungsamstags spielte die Saxofonistin Matana Roberts im Haus kurz auf: Klagende und feierliche Miniaturen auf der Basis ihres Albums "Coin Coin" sowie das Lied "Libation For Mr. Brown: Bid em In", in dem die Anwesenden zum summenden Chor wurden. Ja, das war schon magisch, ehe es für den Grossteil im Dachstock weiterging.

Die Ausstellung ist heute Nachmittag nochmals geöffnet. Für den Schlussabend im Dachstock mit Eric Chenaux, Sandro Perri, Colin Stetson und Do

Make Say Think gibt es noch Tickets.


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kulturstattbern.derbund.ch 17.11.12

http://newsnetz-blog.ch/kulturstattbern/blog/2012/11/17/reisende-krieger/

 

Reisende Krieger

 

Von Benedikt Sartorius am Samstag, den 17. November 2012, um 10:14 Uhr

 

Ganz zum Schluss brennt es auf der Leinwand: Mit alten Filmprojektoren projizierte Flammen, wilde, unkontrollierbare Flammen einer Ölraffinerie, die sich zu einem Weltenbrand ausweiten könnten. Es ist der Schluss eines monumentalen, zweistündigen Konzertes, das die reisenden Krieger Godspeed You! Black Emperor im Dachstock gaben. Ein Konzert, das Grenzen sprengte: Grenzen des Songs, der Wahrnehmung und der Rockmusik.

 

Ja, man konnte dieses Konzert ganz vorne im dichtgedrängten Publikum verfolgen: Man hörte, wie der Drone anhob, man sah, wie die MusikerInnen einzeln ihre Plätze einnahmen und den Drone ergänzten, sah das Wort "Hope" auf der Leinwand aufflackern, das bald schon der Angst Platz machte. Man reiste auf verlassenen Strassen, auf verlassenen Gleisen, vorbei an Bunkern, an Trabantenstädten, und man hörte geheime Töne, die nur dieses kanadische Kollektiv aufspüren kann.

 

 

Man konnte auch schlafen unter den Balken des Dachstocks, so wie das einige Besucher taten, den Kopf senken, man konnte beten, die Fäuste gen Himmel strecken, den Raum durchwandern, an der Bar trinken, den tollen Operateur mit seinen Filmstreifen beobachten, und auf die im Titel der neuen GY!BE-Platte "’Allelujah! Don’t Bend, Ascend" geforderte Erlösung hoffen, bis die Flammen auf der Leinwand alles in Brand setzen und man aufwachte, und das Unfassbare zu fassen versuchte.

 

 

Das Constellation Records Anniversary Festival geht heute in die zweite Runde - mit einem Round-Table-Gespräch mit den Labelgründern und einem Konzert von Matana Roberts (17h) im Wörkshophus am Rosenweg, wo auch die sehr lohnenswerte Ausstellung "Ce Côté en Haut: The Fragile World of Constellation" zu sehen ist. Die Konzerte im Dachstock beginnen um 20:30 (u.a. Carla Bozulich und The Silver Mount Zion Memorial Orchestra

 

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Bund 17.11.12

http://www.derbund.ch/bern/stadt/Weder-Soundcheck-noch-Traenengas/story/22579499

Held der Arbeit. Das Magazin "Megafon" verstärkt die Stimme der Reitschule. Patrick Kuhn ist einer von fünf Redaktionsmitwirkenden, die dafür sorgen, dass sie auch Gehör findet.


Von Milena Krstic

Weder Soundcheck noch Tränengas

 


Hauptberuflich ist er in einem Thuner Grafikatelier tätig, beim "Megafon" ist Patrick Kuhn als "Bildmensch" für Layout und Illustrationen zuständig.
Bild: Adrian Moser


Bald schon, am 26. November, wird das Reitschule-Magazin "Megafon" seinen 25. Geburtstag feiern. Es dürfte, ganz im Gegensatz zum Entstehungstag, ein vergleichsweise unspektakuläres Ereignis werden. Denn 1987 war das Jahr, in dem die Hüttendorfsiedlung Zaffaraya geräumt und die Reitschule neu besetzt wurde. Die Stimmen von Tausenden von Menschen, die für autonome Freiräume gekämpft hatten, forderten Verstärkung: Das "Megaphon" musste her. Von nun an informierte die Zeitung wöchentlich.

 

Heute schreibt sich das Megafon modern mit einem "f", erscheint monatlich und konzentriert sich nebst fixen Rubriken und dem kompletten Reitschule-Programm auf ein Schwerpunktthema. Es ist der Reitschule als Sprachrohr treu geblieben, inklusive geregelten Arbeitsverhältnisses: Die Reitschule zahlt für den Abdruck des Programms, das "Megafon" finanziert die Büroräumlichkeiten und den Zeitungsdruck. Damit es überhaupt etwas zu drucken gibt, ist Patrick Kuhn mitverantwortlich. Der Berner ist einer von fünf ehrenamtlich Wirkenden und seit 2006 Teil der Redaktion. Monat für Monat ist er im Einsatz, damit die 700 und Abonnenten ihr "Megafon" im Briefkasten vorfinden. Wers nicht geliefert bekommt, kann es für CHF 6.- kaufen.

 

Im Hinterhof, gleich vis-à-vis dem Reitschule-Kino, ist die Türe, die zum Redaktionsbüro führt. Die Treppen hinauf bis in den dritten Stock, dann rechts. Immer schön dem Zigarettenrauch nach. Patrick Kuhn zündet sich eine an. Heute findet die Redaktionssitzung statt - zu dritt. "Wir sind ganz klar unterbesetzt", sagt Kuhn und rückt seine schwarz geränderte Brille zurecht. Den gestalterischen Vorkurs hat er gemacht, um Grafiker zu werden. "Bildmensch" sei er für das "Megafon", gestaltet Layout und Illustrationen, erledigt aber auch redaktionelle Arbeit. Hauptberuflich ist er in einem Thuner Grafikatelier tätig. Dass er dort einen Chef hat, fällt für den Berner nicht ins Gewicht, auch dank dem ungezwungenen Arbeitsklima. Ob beim kollektiv geführten "Megafon" oder im Grafikatelier in der Privatwirtschaft, so gross sei der Unterschied nun auch wieder nicht. Altbewährt und hartnäckig erscheint das "Megafon" in Zeitungsform. Auf Facebook sei man zwar vertreten, aber das Profil leide unter schlechter Bewirtschaftung infolge Personalmangels. "Das ‹Megafon› kann schon online gehen, aber dann eher ohne mich", meint Patrick Kuhn, der sich gerne die nötige Zeit nimmt für seine Arbeiten. Man nimmt es ihm nicht ganz ab, dass er, würde der Gang ins weltweite Netz gewagt, der "Megafon"-Redaktion den Rücken kehren würde. Zu viel Enthusiasmus steckt in seinen Worten, wenn er von seinem "Megafon"-Werdegang erzählt. Ein persönliches Highlight? Das gebe es jeden Monat aufs Neue: dann, wenn das Magazin nach getaner Arbeit da auf dem Tisch liege, frisch aus der Druckmaschine und nach feuchter Farbe riechend. Dieses Szenario erinnere ihn immer wieder daran, weshalb er das mache, das Gratis-Schaffen.

 

Eben auf dieses unentgeltliche Arbeiten sei die Lust kleiner geworden, meint Kuhn. Die latente Unterbesetzung macht dem kleinen Redaktionsteam zu schaffen. Dabei sei das "Megafon" aufgrund der fehlenden Hierarchiestrukturen gerade ideal, um in den Journalismus einzusteigen, sich auszuprobieren und Ideen umzusetzen. Eine amüsante Herausforderung aber, die sei immer noch das Arbeitsumfeld. Einerseits diene es sicher als Inspirationsquelle, andererseits haftet dem Reitschule-Areal die Aura des Unberechenbaren an. Da sind die Soundchecks der Bands, die drüben im Dachstock stattfinden und zuweilen sehr laut sein können, noch am ehesten kalkulierbar. Aber einmal, es müsse im Jahr 2007 oder 2008 gewesen sein, fand vor der Reithalle eine Strassenschlacht statt. Es war schon Ende Monat, und während die Layouterinnen und Layouter die letzten Texte in das Computerprogramm hämmerten, stieg vor dem Fenster Tränengas-Rauch auf. Das Heft, es erschien pünktlich. Ganz normal halt.

 

Die nächste Ausgabe befindet sich im Endspurt. Sie widmet sich dem Thema Tierrecht. Es könnte ein Thema sein, das die Gemüter erregen wird. Überhaupt sind Reaktionen das, was sich die "Megafon"-Machenden schon lange wünschen. "Etwa vier Leserbriefe haben wir bekommen während meiner Zeit", meint Patrick Kuhn und lacht etwas bitter. Es stelle sich dann schon die Frage: "Hallo, ist da draussen jemand?" Reaktionen der Leserschaft, sie wären dann wohl das spektakulärste Geburtstagsgeschenk für das "Megafon".

 

25 Jahre Reitschule

www.reitschule.derbund.ch

 

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Bund 17.11.12

http://www.derbund.ch/bern/stadt/Traenen-Steine-Zucker/story/17443376

25 Jahre Zaffaraya-Räumung

 

Tränen, Steine, Zucker


Von Christoph Lenz

Heute vor 25 Jahren räumte die Berner Polizei das Hüttendorf Zaffaraya. Die Spuren reichen bis in die Gegenwart. Vier Zeitzeugen erinnern sich.

Vor 25 Jahren griff die Politik beim Hüttendorf Zaffaray durch - mit Gewalt und gegen erbitterten Widerstand. Bild: Keystone

Sie kamen im Morgengrauen und zogen kurz nach Mittag wieder ab. Dazwischen veränderten einige Hundert Polizeigrenadiere den Lauf der Stadtberner Geschichte. Sie trampelten ein Dorf nieder und schützten den Rechtsstaat, sie zerstörten Existenzen und stellten die gute Ordnung wieder her, sie griffen Unschuldige an und legten Terroristen das Handwerk, sie gingen vor mit beispielloser Brutalität und handelten - endlich, endlich - konsequent. Kurz: Sie versetzten die eine Hälfte der Stadt in Aufruhr und besänftigten die andere. Eine toxische Mischung. Auch wenn die Ereignisse 25 Jahre zurückliegen, diese im "Berner Beben" entstandene Bruchlinie prägt die lokale Politik noch heute - und mit ihr das Leben in der Stadt.

 

Geschichte ist mitunter launisch. Jahrelang herrscht Windstille. Dann gerät die Welt zwischen Znüni und Zmittag aus den Fugen.

Rauch, Gas und Gaffer

 

Was sich am 17. November 1987 beim Gaswerkareal abspielte, ist bekannt. Nachdem der bürgerlich dominierte Gemeinderat den Bewohnern des illegal errichteten Hüttendorfs Zaffaraya vier Ultimaten gewährt hatte, um die Siedlung zu verlassen, nahm er das Heft selbst in die Hand. Auf Befehl von Polizeidirektor Marco Albisetti und Stadtpräsident Werner Bircher - und gegen den Willen von Gemeinderätin Gret Haller - räumten Polizeigrenadiere das Gelände. Zaffaraya-Bewohner und Sympathisanten leisteten Widerstand.

 

Rauchsäulen stiegen in den Himmel, Pflastersteine flogen, Gummigeschosse zischten, Tränengasschwaden zogen übers Marzili - alles begleitet vom Applaus der Gaffer, die sich auf der Monbijoubrücke eingefunden hatten. Die Räumung war ein Fanal für Demos, Kundgebungen und Jugendunruhen, die erst abebbten, als der Gemeinderat den Aufsässigen "Zucker gab", wie das Nachrichtenmagazin "Spiegel" später schrieb. Konkret: die Reitschule. Nicht wenige Berner verbinden mit dem 17. November 1987 zudem eine gesellschaftliche Gezeitenwende. Den Niedergang der bürgerlich-moralischen Vorherrschaft und ihrer Institutionen (auch des "Bund"), den Anfang einer sozialliberalen Ära.

 

Manches mag Verklärung sein, unbestritten ist jedoch, dass die Zaffaraya-Räumung ein Fixpunkt in der Erinnerungslandschaft vieler Zeitzeugen bildet. Kaum ein Stadtberner über Vierzig, der sich nicht haargenau daran erinnern kann, wo und wann er von der Räumung erfuhr. Der 17. November ist ein lokaler Verwandter des 11. September.

 

So vielfältig die Fluchtlinien jenes Tages in unsere Gegenwart hineinragen, so wenig ist bekannt darüber, welche Spuren er bei den Protagonisten hinterliess und wie sie sich der Ereignisse heute erinnern. Der "Bund" hat vier Akteure besucht, jeweils mit einer Fotografie als Gedächtnisstütze. "Was sehen Sie auf diesem Bild?", lautete unsere Frage. Die Antworten schweiften weit aus. In die Wälder Nicaraguas und die Ruinen Bosnien-Herzegowinas, in verrauchte Fraktionssitzungen und staubige Gerichtssäle, in die ferne Vergangenheit und in die Zukunft.

 

Alle Texte aufgezeichnet von Christoph Lenz.

 

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http://www.derbund.ch/bern/stadt/Die-wilden-Blumen-von-Bern/story/27992100


"Die wilden Blumen von Bern"

Jorge Cornejo. Der Zaffaraya-Gründer versuchte vor 25 Jahren vergeblich, einen Waffenstillstand auszuhandeln. Sein Kampf dauerte an - bis heute.

 

Hat ein neues Plätzchen gefunden: Jorge Cornejo. (Bild: Valérie Chételat)


"Sehen Sie die weisse Vitrine? Sie steht noch heute bei mir zu Hause. Ich will sie bald nach Lateinamerika schicken. Sie ist dort besser aufgehoben als hier.

 

Das war unsere Küche. Hier haben wir diskutiert und gestritten, gelacht und geweint, gesungen, gedichtet und Märchen erzählt. Wir haben unser ganzes Dorf aus Abfällen des Systems erbaut. Aus Materialien, die wir in Schuttmulden fanden. Draussen pflanzten wir Kartoffeln, Rüebli und Salat, wir hielten Hühner, Ziegen und Schweine, wir hatten eine Theatergruppe, eine Musikgruppe, ein Kinderprogramm. Mitten in Bern lebten wir zwei Jahre lang im Einklang mit der Natur, so wie die Völker in Nicaragua, Ecuador und Guatemala. Diese etwa 25 Menschen, die im Zaffaraya lebten, waren für mich die schönsten wilden Blumen von Bern.

 

Wir waren sehr reinlich. Das war notwendig: Ohne fliessendes Wasser muss man sauber sein, sonst breiten sich Krankheiten aus. Wir hatten auch keine Heizung. Wichtiger war die menschliche Wärme, und davon gab es immer genug. Bis zum letzten Tag, als die Polizei kam mit Stacheldraht, Gas, Gummischrot und Schlagstöcken.

 

Ich war bereit für den Widerstand. Wir hatten so viel Liebe ins Zaffaraya gesteckt. Wir konnten den Platz nicht kampflos verlassen. Umso weniger, weil es der Gemeinderat war, der den Dialog abgebrochen hatte. So beschlossen wir, zu kämpfen. Und so kämpften wir am 17. November 1987. 25 Menschen gegen eine Übermacht von Polizeigrenadieren.

 

Ich kannte Gret Haller bereits von früheren Gesprächen. Aber so wie an diesem Tag hatte ich sie noch nie erlebt. Sie wirkte wie eine Mutter im Kriegszustand. Gret Haller rief den Gemeinderat und uns zu einer dringlichen Sitzung in den Gaskessel. Auch Leni Robert war da, aber die Stimmung im Raum war vergiftet. Haller meinte, der Dialog müsse fortgesetzt werden, um Schlimmeres zu verhindern. Doch während ich und meine Genossin im Gaskessel waren, knallten draussen die Granaten. Ich trat auf Polizeidirektor Albisetti zu: "Herr Albisetti, respektieren Sie wenigstens das Gesetz des Krieges. Wir stehen in Diskussion, Sie müssen das Feuer stoppen", sagte ich. Albisetti blickte nicht auf. Er rief: "Nein! Vorwärts! Zugriff!" Zwei Stunden später war Zaffaraya zerstört. In einem Trümmerhaufen fand ich meine Gitarre - zerstört durch unzählige Messerstiche. Die Polizisten und Politiker - armselige, gespaltene Seelen!

 

Noch am selben Abend trafen wir uns in der Reitschule. Unser Kampf hat bis heute nicht aufgehört. Kürzlich mussten wir unser besetztes Haus an der Sulgenbachstrasse verlassen, nach 22 Jahren. Jetzt haben wir ein neues Plätzchen gefunden. Die Stadt wird schon bald von uns hören. Die wilden Blumen werden wieder erblühen."

 

Jorge Cornejo lebt seit 34 Jahren in Bern.

 

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http://www.derbund.ch/bern/stadt/Massiv-unter-Druck-gesetzt/story/23401034


"Massiv unter Druck gesetzt"

Hans Rudolf Thomet. Der Alt-Stadtrat ist überzeugt, dass die Räumung richtig war. Vielleicht hätten die Bürgerlichen damals aber die Folgen unterschätzt.



Hardliner: Alt-Stadtrat Hans Rudolf Thomet. (Bild: Danielle Liniger)

"Ich war nicht selber vor Ort, aber ich habe natürlich mitbekommen, was sich dort unten abspielte. Und ich war empört. Das Recht auf Eigentum ist eines der höchsten Güter in unserem Staat. Es muss überall durchgesetzt werden, auch beim Zaffaraya. Der folgende Jugendaufstand war skandalös, und das Verhalten der linken Gemeinderätin und Schuldirektorin Gret Haller, die sich mit den Aufständischen solidarisierte, unentschuldbar. Ich stehe noch heute voll und ganz zur Räumung. Die Frage ist vielleicht, ob es solche harte Einsätze, wie sie auf dem Bild zu sehen sind, wirklich brauchte. Es gibt für die Polizei nichts Unangenehmeres, als Menschen zu räumen.

 

Ich zählte zu den Hardlinern der FDP-Fraktion. Natürlich hatten wir unsere zwei Gemeinderäte, Stadtpräsident Bircher und Polizeidirektor Albisetti, zuvor permanent massiv unter Druck gesetzt. An jeder Fraktionssitzung war ihre zu nachgiebige Haltung ein Thema. Zudem waren beide sehr sensible Persönlichkeiten. Sie haben unheimlich gelitten. Aber wir fürchteten, dass der mehrheitlich bürgerliche Gemeinderat mit seinem Zögern seine Glaubwürdigkeit endgültig verspielen würde. Und wir hatten auch die Gemeindewahlen von 1988 im Blick, die wir dann ja auch gewonnen haben.

 

Vielleicht haben wir die langfristigen Auswirkungen damals unterschätzt. Es ist zumindest denkbar, dass es die Reitschule ohne Zaffaraya-Räumung nie gegeben hätte. Es war die Geburtsstunde einer neuen Bewegung. Und die Reitschule ist für mich mit Zaffaraya sehr vergleichbar: Es wird immer die Kultur vorgeschoben, aber im Hintergrund wird Gewaltbereitschaft toleriert und Rechtsbrechern Unterschlupf gewährt."

 

Hans Rudolf Thomet, 69, Malermeister, politisierte von 1981 bis 1992 für die FDP im Berner Stadtrat. 1991 war er Stadtratspräsident.

 

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http://www.derbund.ch/bern/stadt/Inszenierung-von-Macht-und-Gewalt/story/11587659



"Inszenierung von Macht und Gewalt"


Walter Däpp. Der Journalist war so nahe am Geschehen, dass er selbst zur Zielscheibe wurde.

 

 

"Der 17. November 1987 war für mich ein gespenstischer Tag. Wenn ich dieses Bild betrachte, kommt alles wieder hoch. Ich sehe die Polizeigrenadiere, die ausbaden müssen, was andere ihnen eingebrockt haben. Ich sehe, dass es brennt in Bern - nicht nur auf dem Zaffaraya-Areal, sondern in der ganzen Stadt. Das ist mir sehr nahegegangen, auch persönlich: Kurz darauf sollte ich selber zur Zielscheibe werden.

 

Der Tag begann für mich mitten in der Nacht. Ich wurde durch einen Anruf geweckt - es war, glaube ich, ein Tipp aus dem Umfeld des Zaffaraya. Was ich dann erlebte, war schlimm. Diese Inszenierung von Macht und Gewalt, dieses überharte Einschreiten, diese Ausgrenzung von Presse und kritischen Politikern durch die Polizei - das traf mich tief. Und viele andere auch: Zehntausend Bernerinnen und Berner solidarisierten sich später an einer Kundgebung mit dem Zaffaraya.

 

Ich glaube, mich auch damals als Journalist um Objektivität bemüht zu haben. In Kommentaren wies ich immer auf die Illegalität des Hüttendorfs hin. Die Befürworter der Räumung hatten das Recht auf ihrer Seite. Andererseits war ich überzeugt, dass man das Problem anders hätte lösen können - im Dialog. Die Zaffarayaner waren keine Chaoten, sondern junge Leute, die ‹andere› Wertvorstellungen hatten und eine ‹andere› Lebensweise ausprobieren wollten. Das billigte ich ihnen zu. Als Lokaljournalist ist man naturgemäss nahe am Geschehen. Ich war wiederholt im Zaffaraya - und traf dort etwa zwei Dutzend junge Leute, die in ihrem Zelt oder ‹Hüttli› hausten, die Hühner hielten und auch eine Sau. Und die abends ums Lagerfeuer sassen und trommelten. Natürlich mag das Anwohner gestört haben. Aber in meinen Augen war es unverhältnismässig, alles so brutal niederzureissen, wie es auch auf diesem Bild ersichtlich wird.

 

Andere sahen es damals anders. Viele "Bund"-Leserinnen und Leser kritisierten unsere Berichterstattung, die Chefredaktion beantwortete ungezählte Briefe. Gravierender für mich war aber, dass ein Polizist mich beschuldigte, ich hätte ihn während der Zaffaraya-Räumung mit einem üblen Schimpfwort tituliert, das nun, 25 Jahre später, nicht erneut genannt sein soll. Diese Klage, die darauf abzielte, meine Glaubwürdigkeit als Journalist zu erschüttern, war erstunken und erlogen. Für mich war es aber fatal. Das Prozessgeschehen dauerte ewig, erst 1991 wies das Obergericht die Klage des Polizisten ab, verteilte die Gerichtskosten aber auf beide Parteien.

 

Wenn ich dieses Bild betrachte, glaube ich, dass die Zaffaraya-Räumung und die ungerechtfertigte persönliche Anschuldigung meine spätere Arbeit stark beeinflusst haben. Seither habe ich wohl noch ausgeprägter versucht, jenen Gehör zu verschaffen, die ins Unrecht versetzt wurden. Und allgemein glaube ich, dass auch Berns Bevölkerung aus den Geschehnissen von 1987 gelernt hat: Das beweist sie mit ihrem Festhalten an der Reitschule - allen Schwierigkeiten, Unzulänglichkeiten und Widersprüchen zum Trotz."

 

Walter Däpp, 66, ist seit 1983 Lokalredaktor beim "Bund".

 

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http://www.derbund.ch/bern/stadt/Ich-habe-in-der-Tiefe-der-Seele-verstanden-was-Gewalt-ist/story/12638325


"Ich habe in der Tiefe der Seele verstanden, was Gewalt ist"

Gret Haller. "Das ist Krieg", sagte die SP-Gemeinderätin nach der Zaffaraya-Räumung. Sie steht noch heute zu ihrer Aussage, sogar mehr denn je.

 

 

"Ich erinnere mich. Dieses Bild entstand kurz vor der Räumung. Im Grunde genommen war die Eskalation da schon besiegelt. Der Polizeidirektor hatte den Räumungsbefehl erteilt, die Sicherheitskräfte waren bereits auf dem Gelände, die Aktivisten sammelten sich für den Kampf. Warum ich trotzdem noch versuchte, zu vermitteln? Ich musste das einfach und fragte diesen jungen Mann, ob die Zaffarayaner nicht doch abziehen könnten. Natürlich sagte er Nein! Der Polizeidirektor wollte ein Exempel statuieren, ein Zeichen setzen für Ruhe und Ordnung. Den Aktivisten blieb da bloss, diese Inszenierung möglichst medienwirksam zu stören. Das ist ihnen gelungen.

 

Nein, ich war nicht in offizieller Funktion unterwegs. Wir wussten ja nicht, dass die Polizei an diesem Morgen einschreiten würde. Der Tag hatte für mich ganz normal begonnen. Wie immer traf ich gegen 9 Uhr im Büro ein. Einige meiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sagten, wir müssten sofort zum Gaswerk gehen. Also gingen wir hin. Warum? Man musste der Öffentlichkeit zeigen, dass ein Teil des Gemeinderates dieses Vorgehen nicht unterstützte. Ich fühlte mich dazu verpflichtet. Auch wenn es dann Konsequenzen hatte. Viele sagen, mein Einsatz bei der Zaffaraya-Räumung habe mich 1988 die Wiederwahl gekostet. Vielleicht haben sie recht. Der 17. November 1987 hat mein Leben verändert. Aber nicht unbedingt so, wie die Leute glauben.

 

Ich muss gestehen, dass ich blind in diese Geschichte hineingeschlittert bin. Wir waren uns im Gemeinderat immer einig gewesen, dass wir etwas unternehmen mussten. Die Hüttensiedlung war illegal. Das hätte man mit einer Umzonung regeln können, oder mit einer Verlegung des Dorfes im Einvernehmen mit den Bewohnern. Der eigentliche Konflikt im Gemeinderat betraf die Räumung. Damit waren wir von der SP nicht einverstanden, wir waren für weitere Verhandlungen.

 

Wenige Minuten nach diesem Gespräch bin ich erstmals mit Tränengas in Berührung gekommen. Noch am gleichen Tag wurde ich krank. Vielleicht wegen des Gases, vielleicht auch wegen der Situation im Gemeinderat, die ich nicht mehr ertrug. Mein Körper ist da sehr zuverlässig. Wenn es nicht mehr geht, steigt er aus.

 

An diesem Tag habe ich erstmals begriffen, was Gewaltanwendung bedeutet. Die Theorie kannte ich bereits aus der Frauenbewegung. Ich hatte ja vor meiner Wahl in den Gemeinderat schon viel über Feminismus, Ökologie und Gewalt geschrieben. Aber eingefahren, wirklich eingefahren, ist es mir bei der Zaffaraya-Räumung. Hier habe ich in der Tiefe der Seele verstanden, was Gewalt ist. Bis heute hat mich dieses Gefühl nicht mehr losgelassen, auch wenn es nicht mehr mit der Zaffaraya-Räumung verbunden ist.

 

Die Bilder haben mich neun Jahre später wieder eingeholt. Ich nahm 1996 in Sarajevo meine Arbeit als Ombudsfrau für Menschenrechte auf. Nun war ich mit einer ganz anderen Intensität von Gewaltanwendung konfrontiert. Die ethnischen Säuberungen in Bosnien darf man niemals mit der Zaffaraya-Räumung vergleichen. Gewaltakte oder Menschenrechtsverletzungen darf man ohnehin nie miteinander vergleichen. Aber in Sarajewo habe ich in meiner Seele auf etwas zurückgegriffen, das es ohne die Situation auf diesem Bild nicht gegeben hätte.

 

Nach der Räumung habe ich in einem Fernsehinterview gesagt: ‹Das ist Krieg.› Es war eine spontane Äusserung. Sie hat massivste Reaktionen ausgelöst. Im Nachhinein zweifelte ich natürlich, ob ich das sagen durfte, ob es zutraf. Erst in Bosnien wurde mir bewusst, dass ich damals recht hatte. Es war Krieg - zumindest für die Schweiz, die keinen Kriegsbegriff hat, weil sie - glücklicherweise! - zwei Weltkriege nicht hat mitmachen müssen. Das ist übrigens ein wichtiger Grund, warum die Schweiz noch nicht in der EU ist.

 

Wenn ich mich heute umsehe in Europa, dann glaube ich, dass wir der Gewalt viel näher sind, als wir glauben. Es gibt einige Länder, in denen sich zwischen der Frage des sozialen Friedens und der Gewaltanwendung wieder ein Faden zu spinnen beginnt. Das ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt das Wichtigste, was mir in den Sinn kommt, wenn ich diese Fotografie betrachte."

 

Gret Haller, Juristin, war von 1985 bis zu ihrer Abwahl 1988 für die SP im Berner Gemeinderat. Zwischen 1987 und 1994 sass sie im Nationalrat, den sie 1994 auch präsidierte. 1996 übernahm sie für fünf Jahre das OSZE-Mandat als Ombudsfrau für Menschenrechte in Bosnien-Herzegovina. Gret Haller hat diverse Bücher veröffentlicht. Zuletzt erschienen: "Menschenrechte ohne Demokratie? Der Weg der Versöhnung von Freiheit und Gleichheit", Aufbau-Verlag, Berlin 2012.

 

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Thuner Tagblatt 17.11.12

 

Franz Schori, Stadtrat und Präsident SP Thun

 

Lärmschutz-Taliban abschaffen!

 

Seit vielen Jahren bin ich gelegentlich als DJ tätig. Seitdem es den Lärmschutzjägern im Verbund mit dem Landvogt gelungen ist, den Kulturbetrieb "The Rock" in die Knie zu zwingen, fürchtet sich jeder Wirt um seine Betriebsbewilligung und drückt den DJs ein Dezibelmessgerät in die Hand. War zuvor die Gesundheit von irgendwem gefährdet? Gab es Reklamationen? Sind die Partys jetzt lustiger? Die Einzigen, die es jetzt wohl lustiger finden, sind die Lärmschutz-Taliban des Kantons und deren radikalisierte mächtige Anhängerschaft in den Landvogteien. Ernsthafte Gefahr für unsere Ohren entsteht durch Knallgeräusche und durch längere Beschallung ab etwa 120 Dezibel, aber sicher nicht in Discos mit einer Lautstärke um die 100 Dezibel.

 

Findige Anwohnerinnen und Anwohner in Thun-Süd haben herausgefunden, dass sie die Stadionverantwortlichen einklagen können, weil aus dem Stadion mehr als 50 Dezibel "Lärm" dringt. 50 Dezibel entspricht einer ruhigen Ecke in einer normalen Wohnung. Grabesruhe aus einem Stadion? Flüsternd seinen Club anfeuern? Hallo, gesunder Menschenverstand? Auch in diesem Fall werden sich die Lärmschutz-Taliban wohl in den Bart lachen. Und sich auf Kosten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler glückselig zuprosten.

 

In den letzten Jahren sind Politik und Verwaltung allzu oft nörgelnden Nachbarn auf den Leim gekrochen. Das führt zunehmend zu Szenen wie beim "Zauberlehrling": "Die ich rief, die Geister, werd’ ich nun nicht los." Zwei Beispiele: Die Seespiele müssen ihre Musicals um 22 Uhr beenden und dürfen nur eine begrenzte Anzahl Aufführungen vornehmen. Nachbarn sei Dank, behördlich verfügt. Mokka-Chef Pädu Anliker muss den Bands am Festival "Am Schluss" jeweils um 22 Uhr den Stecker ziehen. Nachbarn sei Dank, behördlich verfügt. Bislang unbehelligt geblieben sind die Fulehung-Umzüge und die Fasnacht. Wetten, dass die Lärmschutz-Taliban bereits einen Anschlag planen? Nachbarn sei Dank, behördlich verfügt? Schluss damit! Schaffen wir den unsinnigen Lärmschutz im Zusammenhang mit öffentlich zelebrierter, gemeinschaftlicher Lebensfreude ab. Und damit auch gleich seine wuchernde Behörde, die Probleme erfindet, die keine sind, um ihre schikanöse und unsinnige Arbeit zu rechtfertigen. Damit sparen wir nicht nur ein paar Steuermillionen, sondern auch das Kopfschütteln wegen dieser unsinnigen Vorschriften.

 

Gefragt ist mehr Toleranz. Toleranz ist aber gepaart mit Respekt. Und da haben wir halt auch ein Problem. Jungen Männern wird in der Rekrutenschule das Brüllen beigebracht. Erstaunt es da jemanden, dass sich junge Männer im Ausgang manchmal wie Waldmenschen verhalten? Vielleicht sollten die Rekrutenschulen künftig ihren Zöglingen nicht nur das Brüllen, Schiessen und Kriechen durch den Schlamm beibringen, sondern auch Respekt. Denn würden sich im Nachtleben alle respektvoll verhalten, käme es Selbstläufern in der Verwaltung auch weniger in den Sinn, unsinnige Regeln zu erfinden.

 

Es werden sich wohl nie ganz alle respektvoll verhalten. Vor, während und nach Fussballspielen wird auch in Zukunft in Gärten geschifft, an Busse geboxt und wenig Freude verbreitet mit Leuchtpetarden - der Silvesterrakete des Gemeingefährlichen. Das gleiche Bild bietet sich bei der Intoleranz: Es werden nie alle damit leben können, dass andere leben - und dass Leben Lärm macht. Die Politik sollte sich aber an den Mehrheiten ausrichten. An den Respektvollen und an den Toleranten. Das führt zu Lösungen für alle statt für wenige.

 

PS Der gestrige erfreuliche Stadionentscheid des Regierungsstatthalters war beim Verfassen meiner Kolumne nicht absehbar. Für einmal also werden sich die Lärmschutz-Taliban nicht in den Bart lachen, sondern sich die Haare raufen…

 

Mail: franz.schori@syndicom.ch redaktion-tt@bom.ch

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rabe.ch 16.11.12

 

Viel Lärm um Nichts? - Leistungsvertrag mit der Reitschule wird im dritten Anlauf durchgewinkt (Ab 04:26)

Webplayer: http://www.rabe.ch/nc/webplayer.html?song_url=uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_16._November_2012.mp3&song_title=RaBe-%20Info%2016.%20November%202012

Download:

http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_16._November_2012.mp3


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DRS 1 Regionaljournal Bern 16.11.12
http://www.drs1.ch/www/de/ drs1/sendungen/ regionaljournal-bern-freiburg-w allis/90293.sh10248799.html

Leistungsvertrag mit der Reitschule steht

 

Der Leistungsvertrag mit dem Kulturzentrum Reitschule ist im dritten Anlauf zustande gekommen. Das Berner Stadtparlament genehmigte die mehrjährige Subventionierung. 

 

Das autonome Kultur- und Begegnungszentrum erhält somit in den Jahren 2013 bis 2015 eine jährliche Unterstützung durch die Stadt von 380'000 Franken. So hatte es die Stadtregierung dem Parlament beantragt. Mit seinem Ja stellte sich der Stadtrat nach zweistündiger Debatte im dritten Anlauf hinter den Leistungsvertrag. Frühere Varianten des Vertrags hatte das Parlament 2011 zuerst zurückgewiesen und später lediglich für das Jahr 2012 bewilligt. (delp, sda)

 

Hören


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Bund 16.11.12

http://www.derbund.ch/bern/stadt/Reitschule-MittelinksAllianz-bewilligt-Leistungsvertrag/story/13734117

 

Reitschule: Stadtrat heisst Vertrag gut

 

Der vertragslose Zustand zwischen der Stadt Bern und der Berner Reitschule dürfte bald beendet sein. Mit deutlicher Mehrheit bewilligte eine Mitte-links-Allianz gestern im Stadtrat den neuen, dreijährigen Leistungsvertrag zwischen der Gemeinde und dem Kulturzentrum. Darin ist festgehalten, welche Gegenleistungen die Stadt Bern erhält für die 380 000 Franken, mit welchen sie die Reitschule jährlich subventioniert.

 

Umstritten waren insbesondere die in einer Sondervereinbarung festgelegten Sicherheitsfragen. Bürgerliche Politiker warfen dem Gemeinderat vor, er habe schlecht verhandelt. Zudem seien die 2008 definierten Kernforderungen des Stadtrates nicht ausreichend berücksichtigt worden. Die Rückweisungsanträge von CVP, BDP, FDP und SVP scheiterten aber alle an der soliden Mehrheit von RGM. Aufmerksamkeit zog gestern vorab die GFL auf sich: 2011 hatte sie wegen offener Sicherheitsfragen nur einem einjährigen Vertrag zugestimmt. Gestern stellte sich die Partei geschlossen hinter die Reitschule. (len) - Seite 21

 

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Reitschule: Mitte-links-Allianz bewilligt Leistungsvertrag

 

Klares Resultat: Stadt Bern soll Reitschule subventionieren - trotz Gewalt.

 

Christoph Lenz

 

Die Vorzeichen versprachen einen heissen Tanz: Zehn Tage vor den städtischen Wahlen befasste sich der Berner Stadtrat gestern Abend mit dem vielleicht einzigen Thema, das im Wahlkampf die Gemüter halbwegs zu erwärmen vermochte. Mit der Reitschule. Genauer: mit dem Leistungsvertrag, der für die nächsten drei Jahre regelt, welche Subventionen die Stadt Bern an die Reitschule ausschüttet (380 000 Franken jährlich) und welche Gegenleistungen sie dafür erhält. Natürlich waren die Meinungen gemacht, die Positionen bekannt und die Mehrheiten absehbar, aber der Berner Stadtrat hat doch schon oft genug bewiesen, dass eine klare Ausgangslage ihn nicht davon abhält, ausgedehnt und engagiert zu debattieren.

 

Das war gestern nicht anders. GFL-Sprecher Lukas Gutzwiller machte zwar früh klar, dass seine Partei dem Vertrag im Gegensatz zur letzten Abstimmung 2011 diesmal die notwendige Mehrheit verschaffen wird. "Eine Ablehnung würde nur die radikalen Kräfte in der Reitschule stärken", so Gutzwiller. Entsprechend deutlich bewilligte eine um die GLP erweiterte Mitte-links-Allianz den Leistungsvertrag mit 47 Ja- zu 31 Nein-Stimmen. Dies aber erst nach gut zweistündiger Debatte.

 

Eine Frage der Sicherheit

 

Vorher wollte insbesondere die bürgerliche Ratsseite noch die Frage behandeln, ob die in einer Sondervereinbarung festgehaltenen Sicherheitsbestimmungen ausreichend und die drei seit 2008 gültigen Kernforderungen des Stadtrats (siehe "Bund" von gestern) erfüllt seien. Erstens, die Schliessung des grossen Tors bei Demonstrationen. Zweitens, die Einführung verbindlicher Strukturen in der Reitschule. Drittens, der Aufbau eines Sicherheitskonzepts und eines professionellen Sicherheitsdienstes.

 

Rechts der Mitte war der Tenor einhellig: Die Sicherheitsvereinbarung ist unzureichend - zu unkonkret, zu moderat. "Die jüngst rund um den Vorplatz verzeichneten Flaschenwürfe, Mordaufrufe und gewalttätigen Übergriffe auf Polizisten und Sanitäter haben gezeigt, dass der Vertrag ad absurdum geführt wird", erklärte BDP/CVP-Sprecher Martin Schneider. Auch Roland Jakob (SVP) konnte der Vereinbarung wenig abgewinnen: "Die Reitschule muss sich in der Sicherheitsfrage bewegen. Sonst wird es Zeit, Recht und Ordnung mit Gewalt durchzusetzen." FDP-Fraktionspräsident Bernhard Eicher wiederum fand, der Gemeinderat habe schlecht verhandelt, er hätte der Reitschule mehr Zugeständnisse abringen sollen.

 

Unter dem Stichwort "Nachbessern" forderten die in einem bürgerlichen Schulterschluss vereinten Parteien schliesslich, das Geschäft an den Absender zurückzuschicken. Der Rückweisungsantrag wurde aber von der Stadtratsmehrheit ebenso abgelehnt wie jener für einen nur einjährigen Leistungsvertrag.

 

"Reitschule wird missbraucht"

 

Anders interpretierte die Ratslinke die Sicherheitsvereinbarung. "Mehr als zufrieden mit dem Vertrag", zeigte sich Lea Bill (JA). Nun seien die Voraussetzungen geschaffen, dass sich die Reitschüler nach den langen Verhandlungen mit der Stadt endlich wieder ihrem Tagesgeschäft widmen können, nämlich der Kultur. Annette Lehmann (SP) beschuldigte die bürgerlichen Parteien, die Reitschule für "politische Spiele zu missbrauchen". Die Betreiber des Kulturzentrums dürften nicht dafür bestraft werden, dass sich auf dem Vorplatz viele verschiedene Gruppierungen sammelten. "Wir würden es allerdings begrüssen, wenn sich die Reitschule klarer von Gewalt distanzieren würde", fügte Lehmann bei.

 

Auch Alexander Tschäppät verurteilte die Gewalt auf dem Vorplatz. "Das ist eine Herausforderung für den Rechtsstaat", so der Stadtpräsident. Er wandte aber ein, dass ein Leistungsvertrag nicht das richtige Mittel sei, um die Reitschule zu disziplinieren - welches Mittel dazu geeigneter wäre, liess der Stadtpräsident indes offen.

 

Mit dem gestrigen Entscheid hat der Stadtrat den seit Anfang Jahr vertragslosen Zustand zwischen Stadt und Reitschule beendet. Endgültig unter Dach und Fach ist der Leistungsvertrag aber erst, wenn ihn auch die Reitschule bewilligt hat. Dies dürfte in den kommenden Wochen stattfinden.

 

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Kommentar

 

Ein Neustart, der hoffen lässt

 

Christoph Lenz

 

Die Sicherheitsprobleme rund um die Reitschule sind nicht gelöst. Trotzdem hat der Stadtrat entschieden, dass das Kulturzentrum weiterhin Subventionen von der Stadt Bern erhalten soll. Ein Affront? Nein. Weder die Reitschule selbst noch ihr Kulturangebot sind Ursache der Flaschenwürfe, der Attacken auf Sanitäter und der Drogenkriminalität. Vielmehr befindet sich die Reitschule in einem räumlich-sozialen Spannungsfeld, das Gewalt und Kriminalität befeuert. Bahnhof, Notschlafstelle, Verkehrsachsen, Drogenanlaufstelle und abweisende urbane Brachen rahmen das Kulturzentrum ein. In diesem Bermudadreieck entsteht viel Gutes, aber es zieht auch Menschen mit zweifelhaften Absichten an. Das wird sich so schnell nicht ändern - Leistungsvertrag hin oder her. Gewalt und Kriminalität dürften erst dann nachlassen, wenn die Ballung von Problemfaktoren rund um die Reitschule entschärft wird. Das ist politisch aber kaum opportun. Welches Quartier übernimmt schon gerne eine Drogenanlaufstelle?

 

Der Stadtrat hat nach langem Hin und Her endlich Ja gesagt zur Kultur in der Reitschule, die Betreiber aber auch an ihre Verantwortung erinnert. Dieser Neustart in den Beziehungen zwischen Stadt und Reitschule lässt hoffen.

 

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BZ 16.11.12

http://www.bernerzeitung.ch/region/bern/Stadtrat-macht-Reitschule-Geschenk-zum--25-Geburtstag/story/15261573

 

Stadtrat sagt deutlich Ja zu Vertrag mit Reitschule

 

Bern · Die Stadt schliesst mit der Reitschule einen Leistungsvertrag inklusive Sicherheitsvereinbarung über drei Jahre ab. Der Stadtrat bewilligte den Vertrag mit 47 Ja bei 31 Nein.

 

Im Vorfeld gingen die Emotionen hoch. Bemerkenswert sachlich aber debattierte der Berner Stadtrat gestern Abend über den neuen Leistungsvertrag zwischen der Stadt und der Reitschule-Betreiberin Ikur. Mit 47 Ja- und 31-Nein-Stimmen bewilligte er den Vertrag, der über drei Jahre dauert, jährliche Zahlungen von 380 000 Franken vorsieht und erstmals eine Vereinbarung zum Thema Sicherheit enthält. Für den Leistungsvertrag stimmten wie erwartet die RGM-Parteien inklusive GFL sowie zusätzlich die GLP, die bei den Wahlen auf der Mitteliste antritt. Sämtliche Rückweisungsanträge waren zuvor gescheitert. "Pro Kultur, gegen Gewalt" war der Tenor bei vielen Rednern. Vertreter der Bürgerlichen und der Mitte kritisierten, dass der Vertrag schwammig und einseitig zugunsten der Reitschule verfasst sei. Man müsse und könne die Reitschüler bezüglich Sicherheit stärker in die Verantwortung nehmen. So dürften sie gewaltbereiten und straffälligen Personen keinen Unterschlupf gewähren und die Polizei nicht an ihrer Arbeit hindern. Stadtpräsident Alexander Tschäppät (SP) gab in seinem kurzen Votum zu bedenken, dass man die Reitschule nicht über einen Leistungsvertrag disziplinieren sollte.wrs Seite 2 + 3

 

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Leistungsvertrag mit der Reitschule

 

Stadtrat macht Reitschule "Geschenk" zum   25. Geburtstag

 

Mitte-rechts plädierte gestern erfolglos für ein erneutes Nachbessern des Leistungsvertrags mit der Reitschule. Die Sicherheitsfragen seien nach wie vor ungenügend geregelt. Die RGM-Parteien segneten den Vertrag aber mithilfe der GLP ab.

 


25 Jahre Reitschule auf der Tribüne, die x-te Grundsatzdebatte im Saal des Berner Stadtrats. Das Parlament stimmte gestern dem Leistungsvertrag mit dem Kulturzentrum Reitschule für die kommenden drei Jahre deutlich zu. Bild: Stefan Anderegg

 

Am Ende der über zweistündigen Debatte war das Ergebnis deutlich: Die Parteien des Rot-Grün-Mitte-Bündnisses (RGM) winkten gemeinsam mit den Grünliberalen den Leistungsvertrag mit dem Kulturzentrum Reitschule für die nächsten drei Jahre durch. Dieses Mal scherte die GFL nicht aus ihrem Wahlbündnis aus (siehe Kasten). Mit 47 zu 31 Stimmen befürwortet es der Stadtrat, der Reitschule die Liegenschaft bis 2015 weiterhin zur Verfügung zu stellen. Trotz Endspurt im Wahlkampf und zahlreichen Gästen auf der Tribüne gaben sich die Stadträtinnen und Stadträte sichtlich Mühe, sachlich zu diskutieren. Was bis auf wenige Ausreisser auch gelang.

 

Kultur ja, Gewalt nein

 

Unbestritten war über alle Parteigrenzen hinweg der grosse Wert, den die Reitschule als Kulturbetrieb hat. Bei gewissen Anlässen und Konzerten habe die Reitschule nationale oder gar internationale Ausstrahlung, betonte Michael Köpfli (GLP).

 

Kern der Debatte war einmal mehr das Thema Sicherheit und wie viel die Reitschule-Betreiber dazu beitragen müssen. Während die Ratslinke mehrheitlich fand, die Reitschüler würden ihre Verantwortung in diesem Bereich ausreichend wahrnehmen, plädierten Mitte- und bürgerliche Parteien dafür, die Reitschüler stärker in die Plicht zu nehmen. "In ihrem Manifest spricht sich die Reitschule gegen jegliche Gewalt aus. Aber an und vor der eigenen Hütte wird zu Gewalt gegen die Polizei aufgerufen." Martin Schneider (BDP) bezeichnete diese Haltung als "unehrlich". Die vom Gemeinderat nachgebesserte Vereinbarung sei im Bereich Sicherheit "ungenügend". Die zentralen Punkte des vom Parlament erteilten Auftrags seien nicht erfüllt, kritisierte Schneider. Er stellte im Namen der BDP/ CVP-Fraktion einen Rückweisungsantrag. Die SVP-Fraktion sowie der parteilose Peter Wasserfallen beantragten das Gleiche. Alle Rückweisungsanträge wurden jedoch klar verworfen.

 

Nicht Falsche bestrafen

 

"Habt ihr das Gefühl, eine Rückweisung würde auch nur eines der Probleme lösen?", fragte Annette Lehmann (SP). Die Reitschule leiste "Unvergleichliches" für die Stadt. Zum 25. Geburtstag habe sich die Reitschule das "Geschenk" Leistungsvertrag verdient. Mit einer Ablehnung bestrafe man die Falschen, sagte auch Lukas Gutzwiller (GFL/ EVP). Ohne gültigen Leistungsvertrag erhalte die kleine Gruppe von Radikalen in der Reitschule gar Auftrieb. FDP-Fraktionschef Bernhard Eicher konnte nicht nachvollziehen, weshalb die GFL mit der Motion von Alt-Stadtrat Erik Mosza "den perfekten Lösungsansatz" für die Sicherheitsprobleme vorlegte, "aber nun bei der Umsetzung abspringt". Die Reitschule dürfe sicher nicht allein verantwortlich gemacht werden für die Sicherheit. Aber: "Es ist nicht zu viel verlangt, dass sie straffälligen Personen keinen Unterschlupf bietet", sagte Eicher. Stadtpräsident Alexander Tschäppät (SP) rief die Reitschüler auf der Tribüne dazu auf, sich künftig klarer von Chaoten zu distanzieren. Er warnte aber davor, die Reitschüler über den Leistungsvertrag disziplinieren zu wollen. Davon sah der Stadtrat denn auch ab. Mirjam Messerli

 

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So haben sie abgestimmt

 

Für den Leistungsvertrag und damit auch für den Antrag des Gemeinderats stimmten gestern die Stadtratsmitglieder der Parteien GPB, PdA, JA, SP, GB, GFL, EVP und GLP. Gegen den Vertrag votierten in der Schlussabstimmung die Vertreter von SD, SVP, FDP, EDU, BDP und CVP. Im Dezember 2011 ging es darum, ob der Vertrag für vier Jahre oder nur für ein Jahr bewilligt werden soll. 38 Stadträte sprachen sich für ein Jahr aus, 31 für vier Jahre. Im Unterschied zu gestern stellte sich die GFL damals gegen den Gemeinderatsantrag und verhalf dem einjährigen Vertrag zum Ja.wrs

 

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O Ton

 

"Bei der Reitschule sehen alle nur, was sie sehen wollen."

…und blenden Probleme aus, fand Martin Schneider (Fraktion BDP/CVP).

 

"Die Reitschule hat das Gefühl, sie habe immer recht. Und alle anderen liegen immer falsch."

Dies wertete Roland Jakob (SVP) als reine Ideologie, von der man sich lösen müsse.

 

"Die Bevölkerung hat genug. Sowohl von den Übergriffen auf der Schützenmatte als auch vom politischen Hickhack rund um die Reitschule."

Deshalb plädierte Lukas Gutzwiller (GFL/EVP) dafür, den Vertrag jetzt zu unterstützen.

 

"Es geht darum, Gewalt und Drogenhandel auf dem Vorplatz einzudämmen - nicht darum, Jugendlichen einen begehrten Ausgangsort wegzunehmen."

Nicht alle trennten dies so klar wie Bernhard Eicher (FDP).

 

"Eine erneute Ablehnung wäre eine Missachtung des Volkswillens und ein Affront gegenüber engagierten Reitschülern. Wir würden es aber auch begrüssen, wenn sich die Reitschule vermehrt von Gewalt distanzieren würde."

Annette Lehmann (SP/Juso) an die Adresse der Reitschüler.

 

"Der Sicherheitsdienst ist kein Larifarigrüppli. Er ist professionell organisiert und arbeitet mit der Polizei zusammen."

Damit sei das Vorgehen klar geregelt, fand Lea Bill (JA).

 

"Wenn wir den Vertrag ablehnen, schwächen wir das Kulturzentrum, aber mit der Sicherheit wirds nicht besser."

Sagte Michael Köpfli (GLP) und appellierte an die Reitschule, Sicherheitsfragen aktiv anzugehen.

 

"Man sollte die Reitschule nicht über den Leistungsvertrag disziplinieren."

Stadtpräsident Alexander Tschäppät (SP), der auf einzelne Punkte nicht einging, weil "alle Argumente und Polemiken" bekannt seien.

 

"Kompliment an die Juristen der Reitschule, die die Stadt über den Tisch zogen."

Jurist Alexander Feuz (FDP) über die Verhandlungen.

 

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20 Minuten 16.11.12

http://www.20min.ch/schweiz/bern/story/Stadt-Bern-unterstuetzt-die-Reithalle-weiterhin-15089141

 

Stadtrat winkt neuen Reitschul-Vertrag durch

 

BERN. Überraschend ruhig verlief die Debatte zum Leistungsvertrag mit der Reitschule. Mit 47 zu 31 Stimmen kam er durch.

 

Richtig emotional wurde es gestern im Stadtrat nicht. Die rot-grüne Mehrheit inklusive Grüne Freie Liste stellte sich hinter die Reitschule, während sich die Bürgerlichen und die Mitteparteien gegen den neuen Leistungsvertrag wehrten. Mit 47 gegen 31 Stimmen wurde der Vertrag angenommen. Die Stadt unterstützt die Reitschule somit in den nächsten vier Jahren finanziell (siehe Box). Dafür muss die Reitschule einen Sicherheitsdienst stellen und mit der Polizei kooperieren - ohne in heiklen Situationen das grosse Tor schliessen zu müssen. Kritische Stimmen gab es aber auch von der SP. "Wir würden es begrüssen, wenn sich die Reitschule expliziter von Gewalt distanzieren würde", sagte SP-Fraktionschefin Annette Lehmann.

 

Die Bürgerlichen forderten strengere Vorgaben - vor allem bei der Sicherheit. "Die Reitschule soll nicht mehr als Fluchtort für Drogendealer und Gewalttätige dienen", sagte Bernhard Eicher (FDP).

 

Eine Brandrede hielt der parteilose Peter Wasserfallen. Er bezeichnete die Reitschüler als "Terroristen-Rattenpack" und davon, dass man die Reitschule sprengen sollte. Prompt gabs einen Verweis von Ratspräsidentin Ursula Marti (SP).

 

Stapi Alexander Tschäppät stellte sich hinter die Reitschule: "Aber die gravierenden Probleme rund um die Reitschule sind inakzeptabel."

 

Adrian Müller/Markus Ehinger

 

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Reitschule: Was bisher geschah

 

BERN. Mit dem Ja des Stadtrats zum neuen Leistungsvertrag, in dem die Aspekte Kultur und Sicherheit explizit getrennt sind, nimmt ein jahrelanges Polittheater (vorerst) ein Ende: Im März 2011 wies der Stadtrat mit Unterstützung der GFL einen Leistungsvertrag zurück, im November 2011 genehmigte er einen einjährigen Vertrag, den wiederum die Reitschule nicht unterzeichnete. Seit Januar 2012 herrschte zwischen der Stadt und der Reitschule ein vertragsloser Zustand. Nun übernimmt die Stadt für weitere vier Jahre die Miete in der Höhe von 1,1 Millionen Franken. AM

 

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Bund 16.11.12

 

"Es herrscht nicht mehr dieselbe Paranoia"

 

Morgen jährt sich die Zaffaraya-Räumung zum 25. Mal. Mit dabei war Andreas Berger, der seit drei Dekaden die linke autonome Szene mit der Kamera begleitet. Nun arbeitet er an einem Film über die Reitschule - und schneidet dabei auch heikle Themen an.

 

Interview: Regula Fuchs

 

Seit 30 Jahren dokumentieren Sie das bewegte Bern. Sind Sie sozusagen der eingebettete Journalist der linken Autonomen?

 

Könnte man sagen. Ich verstehe mich als Teil der Bewegung. Mit einem langen Unterbruch zwar, denn es gab Jahre, in denen ich mehr mit meinen Kindern auf dem Spielplatz anzutreffen war als in der Reitschule. Und 1996 hatte ich das Gefühl, ich sei zu alt für Demonstrationen, als ich mir im Gasnebel den Fuss verstauchte. Aber ich kehrte im richtigen Moment zurück. Die erste Demonstration, an der ich wieder filmte, war der SVP-Umzug am 6. Oktober 2007. Da wurde mir warm ums Herz, es war so wie früher.

 

Was hat Sie zum Neustart bewogen - Jahre nach "Berner beben"?

 

Es war zwar ein Neustart, aber gleichzeitig konnte ich an früher anknüpfen, als das Zaffaraya 20 Jahre nach der ersten Räumung umziehen musste - unter völlig anderen Vorzeichen natürlich: ohne Barrikaden und Gasnebel, sondern ganz geregelt mit Platzübergabe und Vertrag. Diese Entwicklung interessierte mich.

 

Die Jugendunruhen, Zaffaraya, das "AKW ade"-Camp - Ihre Filme sind auch Bilder einer Jugendbewegung. Wie hat sich diese verändert?

 

In gewissen Momenten erstaunlich wenig. Manch eine Reitschule-Vollversammlung bescherte mir Déjà-vus: Schon 1982 wurde diskutiert, ob man Journalisten an die Vollversammlung lassen soll. Eine Jugendbewegung - das sind gestern wie heute verschiedene Gruppierungen, die es besser oder schlechter miteinander können. Und es ist auch immer noch so, dass, sobald Druck von aussen kommt - etwa eine Anti-Reitschule-Initiative -, interne Differenzen wieder begraben werden.

 

Ihre Filme erzählen auch von einer gewachsenen Diskussionskultur zwischen Aktivisten und Polizei. Wer hat sich da mehr bewegt?

 

Alle haben sich bewegt. In der autonomen Szene gibt es zwar immer noch Fundis, die nicht mit den Behörden sprechen oder wählen gehen, aber auch ganz pragmatische Menschen. Sicher hat sich die Polizei verändert. Natürlich hat sie nicht immer Freude, wenn ich filme, aber heute hält mir niemand mehr die Hand vor die Kamera. Dennoch ist das Klima auf der Strasse mittlerweile wieder härter geworden als zu der Zeit, als ich "Zaffaraya 3.0" drehte. Damals war viel von Deeskalation die Rede.

 

Ein Merkmal Ihrer Filme ist, dass Sie im richtigen Moment am richtigen Ort sind. Wie machen Sie das?

 

Ich habe Leute, die mir sagen, wann wo was los ist. Und Grossereignisse wie "Tanz dich frei" werden ja vorher angekündigt. Mir sind allerdings die kleinen Aktionen fast lieber, wie letzthin die Pussy-Riot-Solidaritätsaktion vor dem Münster. Da bin ich näher am Geschehen, an den Beteiligten. Das ist der Unterschied zu früher, zu "Berner beben". Ich kann einzelne Leute an Demonstrationen und Aktionen zeigen.

 

Hat sich denn die Szene verändert?

 

Die ist mittlerweile offener. In den Achtzigern war vieles illegal. De jure war natürlich auch das AKW-Camp illegal, aber das hatte eine so breite Akzeptanz, dass sich die Aktivisten bereitwillig filmen liessen. Es herrscht nicht mehr dieselbe Paranoia wie einst.

 

Drehen Sie ohne Drehbuch?

 

Ja. Statt ein Drehbuch habe ich ein Oberthema, und dann suche ich einzelne Menschen, die mich durch die Geschichte führen. Manchmal ist es auch der Zufall, der mir Szenen zuspielt. Letzthin wollte ich nur rasch filmen, wie die Reitschule-Zeitung gefaltet wird - da sass ein alter Aktivist, der ins Erzählen kam, und ich drehte eine Stunde lang. Verglichen mit dem Super-8-Zeitalter, als man sich jeden Meter Film genau überlegte, kann ich die Kamera heute laufen lassen, und es kostet nichts. So lassen sich wunderbare Momente einfangen. Wie jener, als im AKW-Camp eine Aktivistin mitten in einer Aktion mit ihrem Vater telefoniert und sagt: "Ich bin an vorderster Front, aber es passiert schon nichts."

 

Dafür häufen sich Materialberge. Zeugt das umfangreiche Bonusmaterial auf den DVDs davon?

 

Bei "Zaffaraya 3.0" hatte ich viel zu viel Material, denn es war mein erster Film, den ich digital drehte. So fielen Protagonisten oder Geschichten für die Filmfassung weg, die ich nun unbedingt integrieren wollte. Mittlerweile habe ich mehr Übung darin, viel Material auf die wichtigsten Motive herunterzuschneiden.

 

Stichwort Zaffaraya: Da werden heute Kinder gross, die Bewohner gehen einer geregelten Arbeit nach, jeder baut sich sein Häuschen. Ist das ein Prozess der Verbürgerlichung?

 

Es geht, wie auch bei mir selber, schon ein bisschen in diese Richtung. Das ist der Unterschied zu den Menschen in der Reitschule: Die wollen nicht nur eine Nische für sich selber, sondern haben Ansprüche, die weit über das Gebäude hinausgehen.

 

In Ihren Filmen gibt es kaum einordnende Kommentare. Warum formulieren Sie Ihre Haltung zum Gezeigten so diskret?

 

Ich will Leute und Bilder für sich sprechen lassen. Meine Haltung zeigt sich darin, dass ich bestimmte Menschen in bestimmten Situationen auf bestimmte Art zeige. Das sollte genügen. Aber auch die Gegenseite kommt zu Wort - zum Teil aus purer Neugier. Ich werde demnächst Bürgerliche zur Reitschule interviewen. Da interessiert mich weniger ihre offizielle Haltung, sondern wie sie sich als Jugendliche ausgetobt haben.

 

Worum wird es in "Welcome to Hell" genau gehen, dem Reitschule-Film?

 

Die Reitschule kam in jedem meiner Filme vor; ich fand, es sei jetzt Zeit, sie ins Zentrum zu rücken, um auch die heiklen, vorher tabuisierten Themen anzuschneiden - Gewalt, Dealen, Flaschenwürfe oder wie es um die Basisdemokratie steht. So hat man diesen Sommer auf dem Dach Vorrichtungen angebracht, um die Tauben loszuwerden. Da war lange nicht klar, ob das nun wirklich basisdemokratisch beschlossen worden war oder nicht. Die Veganer waren natürlich dagegen, aber bis jetzt hat es niemand auf sich genommen, die Dinger abzumontieren.

 

Theorie und Praxis sind auch in der Reitschule nicht eins.

 

Genau. Aber es gibt auch Momente, in denen eine selbstironische Note spürbar wird. Etwa, als die Moderatorin beim Tortenwettbewerb am Sous-le-Pont-Fest die Frage stellte, ob man da auch im Konsens entscheiden müsse. Da kam ein Ruf aus der Menge: "Vollversammlung!" Es heisst ja häufig, die Linken seien dogmatisch und völlig humorlos.

 

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Bewegtes Bern

 

Die Filme dazu

 

Eben sind Andreas Bergers jüngste Filme auf DVD erschienen: In "Zaffaraya 3.0" dokumentiert der ehemalige "Bund"-Filmkritiker alternative Lebensformen in Bern - anlässlich des Umzugs des Zaffaraya an den neuen Standort. Im umfangreichen Bonusmaterial werden unter anderem weitere Protagonisten porträtiert. In "77 Tage sind nicht genug" hält Berger die Geschehnisse rund ums "AKW ade"-Camp 2011 fest. Das Bonusmaterial auf der DVD zeigt, was nach der Camp-Auflösung geschah: wie die Bewegung abflaute und wie sie sich von der Strasse auf die politische Ebene verlagerte. Derzeit arbeitet Berger an "Welcome to Hell", einem Film über die Reitschule, der im März 2013 in die Kinos kommen soll. (reg)

 

25 Jahre Reitschule

www.reitschule.derbund.ch

www.bernerbewegung.ch

 

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Le Temps 16.11.12

 

Constellation illumine le Heartland Festival

 

Le label canadien fête quinze ans de pertinence à Berne, ce week-end. Rencontre avec Ian Ilavsky, cofondateur d’une maison qui fait la nique à la crise de l’industrie du disque

 

Rocco Zacheo

 

C’est une silhouette affinée et interminable, une voix de stentor et une expression sérieuse, qui relève du professoral. Ian Ilavsky est de ceux qui en imposent d’entrée. Son allant olympien s’affirme avec naturel entre les murs d’un espace culturel sis au cœur de Berne. Sur lui, le Canadien porte le jetlag du voyage qui l’a mené de Montréal à la capitale helvétique; entre ses mains, il tient une salade qu’il consommera lentement, durant le long entretien qu’il nous accorde. L’homme incarne une heureuse anomalie, qui fait beaucoup parler d’elle depuis plusieurs années. Celle d’un label, Constellation, qui, depuis quinze ans précisément, brille dans le paysage musical nord-américain et réussit, avec des moyens modestes et beaucoup d’imagination, à exporter son aura ailleurs, jusqu’en Europe.

 

La Suisse est à son tour illuminée par cette entité qui sort du lot. Le festival Heartland a décidé de consacrer sa troisième édition à une sélection relevée d’artistes qui font le catalogue du label. De Silver Mt. Zion Orchestra à Do Make Say Think, d’Eric Chenaux à Godspeed You! Black Emperor, Berne se mue jusqu’à dimanche en terre d’accueil pour le fleuron de la scène indépendante canadienne. L’attente de l’événement est grande: une partie des concerts, qui auront lieu dans la salle boisée du Dachstock, affichent complet depuis plusieurs jours.

 

Pourquoi un tel engouement? L’histoire et la nature du label Constellation expliquent sans doute l’essentiel. Une histoire écrite dès le début, en 1997, par Ian Ilavsky, en compagnie du complice Don Wilkie. Aujourd’hui, quinze ans plus tard, le modèle Constellation s’affirme en toute modestie comme un exemple heureux de résistance à une crise qui frappe toute l’industrie du disque. Ses traits distinctifs? Ils révèlent l’opiniâtreté des fondateurs de la maison: le rapport de confiance avec les artistes se substitue aux contrats formels; la commercialisation de vinyles est plus qu’encouragée et rencontre un succès franc (jusqu’à 50% des ventes pour certains groupes); les concerts et les enregistrements ont lieu dans des locaux cogérés par le label; les revenus sont réinvestis sur la scène montréalaise…

 

Plus qu’une maison de disques, un projet à large échelle, donc. "Je me souviens très bien des débuts, raconte Ian Ilavsky. Durant la première partie des années 1990, Montréal était traversée par de fortes tensions politiques, liées notamment au désir d’indépendance du Québec. Musicalement, si on exclut la scène techno, c’était très problématique. Il n’y avait, en gros, aucune possibilité de trouver des lieux bon marché pour jouer du rock. Les autorités, elles, ne proposaient aucune solution à un vivier pourtant riche et motivé. Constellation est né dans ce contexte, comme une réponse à une urgence à la fois culturelle et sociale."

 

Les premières séances d’enregistrement font appel aux dons de bricolage des mélomanes passionnés du label. Les machines sont d’un autre âge, les moyens pour graver, tout à fait spartiates. Mais les résultats laissent entrevoir des lendemains moins fragiles. Les promesses ne manquent pas. Un nom se détache dès les débuts, celui d’un collectif obscur et à géométrie variable. A l’époque, il fait déjà beaucoup de bruit à Montréal; il est aujourd’hui l’objet d’un culte qui a traversé l’Atlantique: Godspeed You! Black Emperor. "Je me souviens des concerts qu’ils donnaient à l’époque. Les rangs ne cessaient d’enfler, tout comme le son. Parfois, on comptait jusqu’à 16 musiciens sur scène. Entre nous, il y a eu une entente immédiate, sur la musique mais aussi sur les valeurs au centre de notre démarche."

 

D’autres artistes, d’autres groupes ont suivi depuis pour alimenter un catalogue bariolé, où folk, rock et jazz expérimental se côtoient sans complexes. Les ventes sont parfois confidentielles, mais il demeure néanmoins un point dont Ian Ilavsky se dit fier: "Nous pouvons toujours verser des royalties aux artistes, même quand ils écoulent 400 copies. Parce que nous n’avons pas de promotion à large échelle et ne devons pas faire face à ses coûts exorbitants."

 

La signature de Constellation, c’est cela. Elle est accompagnée aussi par un graphisme soigné. Les amateurs de belles lignes le reconnaissent d’ailleurs, chaque nouveauté sortie des presses est un objet qu’on admire des yeux avant de le faire passer à l’épreuve du pavillon auditif. "Nous soignons les apparences, c’est vrai, mais en aucun cas nous voulons fétichiser les disques que nous produisons. Il n’y a pas de séries limitées ou de pénuries organisées chez nous, tout est disponible, tout le temps." Une autre anomalie? Sans doute. Ian Ilavsky n’y voit là que l’envie de partager ses goûts. Il le répétera une fois encore, avant de s’éloigner d’un allant olympien.

 

Heartland Festival, Dachstock, Berne, jusqu’au 18 nov. www.heartland.ch


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derbund.ch 15.11.12 (20:22)

http://www.derbund.ch/bern/stadt/Stadtrat-nimmt-Leistungsvertrag-mit-der-Reitschule-an/story/13734117

 

Stadtrat nimmt Leistungsvertrag mit der Reitschule an

 

Nach über zweistündiger Debatte nimmt der Berner Stadtrat den Leistungsvertrag mit der Reitschule wie erwartet an.

 

 

Der Leistungsvertrag mit dem autonomen Kulturzentrum Reitschule ist im dritten Anlauf unter Dach: Berns Stadtparlament genehmigte am Donnerstag die mehrjährige Subventionierung der Reitschule mit 47 zu 31 Stimmen. Das autonome Kultur- und Begegnungszentrum auf der Schützenmatte erhält somit in den Jahren 2013 bis 2015 eine jährliche Unterstützung durch die Stadt von 380'000 Franken. So hatte es die Stadtregierung dem Parlament beantragt.

 

Mit seinem Ja stellte sich der Stadtrat nach zweistündiger Debatte im dritten Anlauf hinter den Leistungsvertrag. Frühere Varianten des Vertrags hatte das Parlament 2011 zuerst zurückgewiesen und später lediglich für das Jahr 2012 bewilligt.

 

Tschäppät: "Ein Fortschritt"

 

Der Gemeinderat nahm daraufhin Nachverhandlungen mit den Reitschulbetreibern auf. In einer Zusatzvereinbarung zum Leistungsvertrag regelte er Sicherheitsaspekte und die Zusammenarbeit der Reitschule mit den Behörden.

 

Stadtpräsident Alexander Tschäppät (SP) bezeichnete den überarbeiteten Vertrag vor dem Stadtrat als "Fortschritt". Eine erneute Rückweisung wäre "verantwortungslos". Die Stadtbevölkerung stehe hinter der Reitschule, das habe sie nun bereits in fünf Urnengängen gezeigt.

 

Sicherheitsdienst funktioniert

 

Tschäppät fand bei der Stadtratsmehrheit Gehör. Die ausgehandelten Sicherheitsvorkehrungen genügten, so die Sprecherinnen und Sprecher der Ratslinken und der Mitte-Fraktionen. Sie verwiesen unter anderem auf den internen Sicherheitsdienst der Reitschule, der funktioniere.

 

Die Reitschule, wo sich am Wochenende Hunderte bis Tausende meist jugendliche Besucherinnen und Besucher treffen, leiste "Unvergleichliches" für die Stadt, gab namens der SP/Juso-Fraktion Annette Lehmann zu bedenken. Das Zentrum biete Freiräume und nehme seit 25 Jahren auch wichtige soziale Funktionen wahr.

 

"Kultur ja - Gewalt nein"

 

Die bürgerlichen Fraktionen hingegen wollten die Subventionen an strengere Vorgaben knüpfen. Sie verlangten, dass die Reitschule bei Demonstrationen ihr grosses Tor schliessen und ein Sicherheitskonzept für den Vorplatz vorlegen müsse. Nur mit diesen Zusatzanstrengungen wäre eine Motion erfüllt, die der Stadtrat 2008 überwiesen hatte, gaben die Bürgerlichen zu bedenken.

 

Aufrufe zur Gewalt gegen Polizisten und die Behinderung der Polizei, wenn diese bei der Reitschule ihre Arbeit verrichten wolle, seien inakzeptabel, unterstrich Roland Jakob namens der Fraktion SVPplus. "Kultur ja - Gewalt nein", rief auch FDP-Fraktionssprecher Bernhard Eicher in den Ratssaal.

 

Keine Chance für Rückweisungsanträge

 

Ein gemeinsamer Rückweisungsantrag der Fraktionen SVPplus, FDP sowie CVP/BDP scheiterte jedoch mit 48 Nein- zu 30 Ja-Stimmen. Auch alle anderen Rückweisungs- oder Abänderungsanträge fielen durch.

 

Den Ausschlag gab letztlich die Fraktion GFL/EVP, die dem Leistungsvertrag 2011 noch kritisch gegenübergestanden war, der Subventionierung der Reitschule jetzt aber zustimmte. "Wir sprechen den Reitschulbetreibern heute unser Vertrauen aus", sagte Lukas Gutzwiller (GFL).

 

Ungläubige Gesichter auf der Tribüne

 

Wie zu erwarten gingen die Einzelvoten in gegensätzliche Richtungen. Eines stach dabei in seiner Heftigkeit hervor: Die Ausführungen des parteilosen Peter Wasserfallen führten nicht nur auf der Tribüne, wo sich einige Reitschüler eingefunden hatten, für ungläubige Gesichter und Lacher. Wasserfallen nahm kein Blatt vor den Mund und wetterte in teilweise derber Wortwahl gegen die Reitschule: "Die Reitschule ist ein Schandfleck", wiederholte er etwa mehrfach. Wolle man alternative Kultur, könne man auch in die Mühle Hunziken oder ins Mokka nach Thun gehen, dort gehe es ordentlich zu und her. Die Reitschule hingegen sei "gruusig, dräckig". Als "Terroristen, Anarchisten und Rattenpack", beschimpfte Wasserfallen die Reitschüler und enervierte sich über den Schwarzen Block und dessen - in seinen Augen - links-extreme Symbolik. "Würden sich Rechtsextreme so verhalten, wären sie nach kurzer Zeit weg", sagte er. (bs/sda)

 

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bernerzeitung.ch 15.11.12 (20:53)

http://www.bernerzeitung.ch/region/bern/Stadtrat-genehmigt-Leistungsvertrag-mit-Reitschule/story/19878891

 

Stadtrat genehmigt Leistungsvertrag mit Reitschule

 

Nach über zweistündiger Debatte hat der Berner Stadtrat dem neuen Reitschule-Vertrag zugestimmt. Damit kann das Kulturzentrum mit jährlich 380'000 Franken Unterstützung rechnen.

 

Der Leistungsvertrag mit dem autonomen Kulturzentrum Reitschule ist im dritten Anlauf unter Dach: Berns Stadtparlament genehmigte am Donnerstag die mehrjährige Subventionierung der Reitschule mit 47 zu 31 Stimmen. Das autonome Kultur- und Begegnungszentrum auf der Schützenmatte erhält somit in den Jahren 2013 bis 2015 eine jährliche Unterstützung durch die Stadt von 380'000 Franken. So hatte es die Stadtregierung dem Parlament beantragt.

 

Mit seinem Ja stellte sich der Stadtrat nach zweistündiger Debatte im dritten Anlauf hinter den Leistungsvertrag. Frühere Varianten des Vertrags hatte das Parlament 2011 zuerst zurückgewiesen und später lediglich für das Jahr 2012 bewilligt.

 

Tschäppät: "Ein Fortschritt"

 

Der Gemeinderat nahm daraufhin Nachverhandlungen mit den Reitschulbetreibern auf. In einer Zusatzvereinbarung zum Leistungsvertrag regelte er Sicherheitsaspekte und die Zusammenarbeit der Reitschule mit den Behörden.

 

Stadtpräsident Alexander Tschäppät (SP) bezeichnete den überarbeiteten Vertrag vor dem Stadtrat als "Fortschritt". Eine erneute Rückweisung wäre "verantwortungslos". Die Stadtbevölkerung stehe hinter der Reitschule, das habe sie nun bereits in fünf Urnengängen gezeigt.

 

Sicherheitsdienst funktioniert

 

Tschäppät fand bei der Stadtratsmehrheit Gehör. Die ausgehandelten Sicherheitsvorkehrungen genügten, so die Sprecherinnen und Sprecher der Ratslinken und der Mitte-Fraktionen. Sie verwiesen unter anderem auf den internen Sicherheitsdienst der Reitschule, der funktioniere.

 

Die Reitschule, wo sich am Wochenende Hunderte bis Tausende meist jugendliche Besucherinnen und Besucher treffen, leiste "Unvergleichliches" für die Stadt, gab namens der SP/Juso-Fraktion Annette Lehmann zu bedenken. Das Zentrum biete Freiräume und nehme seit 25 Jahren auch wichtige soziale Funktionen wahr.

 

"Kultur ja - Gewalt nein"

 

Die bürgerlichen Fraktionen hingegen wollten die Subventionen an strengere Vorgaben knüpfen. Sie verlangten, dass die Reitschule bei Demonstrationen ihr grosses Tor schliessen und ein Sicherheitskonzept für den Vorplatz vorlegen müsse. Nur mit diesen Zusatzanstrengungen wäre eine Motion erfüllt, die der Stadtrat 2008 überwiesen hatte, gaben die Bürgerlichen zu bedenken.

 

Aufrufe zur Gewalt gegen Polizisten und die Behinderung der Polizei, wenn diese bei der Reitschule ihre Arbeit verrichten wolle, seien inakzeptabel, unterstrich Roland Jakob namens der Fraktion SVPplus. "Kultur ja - Gewalt nein", rief auch FDP-Fraktionssprecher Bernhard Eicher in den Ratssaal.

 

Keine Chance für Rückweisungsanträge

 

Ein gemeinsamer Rückweisungsantrag der Fraktionen SVPplus, FDP sowie CVP/BDP scheiterte jedoch mit 48 Nein- zu 30 Ja-Stimmen. Auch alle anderen Rückweisungs- oder Abänderungsanträge fielen durch.

 

Den Ausschlag gab letztlich die Fraktion GFL/EVP, die dem Leistungsvertrag 2011 noch kritisch gegenübergestanden war, der Subventionierung der Reitschule jetzt aber zustimmte. "Wir sprechen den Reitschulbetreibern heute unser Vertrauen aus", sagte Lukas Gutzwiller (GFL).

 

Die ganze Debatte zum Nachlesen finden Sie im Liveticker von Bernerzeitung.ch/Newsnet. (tag/sda)

 

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bernerzeitung.ch 15.11.12 (20:07)

http://www.bernerzeitung.ch/region/bern/Stadtrat-stimmt-Leistungsvertrag-mit-der-Reitschule-zu/story/23353379

 

Stadtrat stimmt Leistungsvertrag mit der Reitschule zu (Live-Ticker)


Von Peter Jost


Heute hat der Stadtrat über den Leistungsvertrag mit der Reitschule debattiert. Die Opposition wollte den Reitschule-Vertrag zurückweisen, blieb aber erfolglos. Bernerzeitung.ch/Newsnet berichtete live.

 

Schlussabstimmung  

Nun wird über den Hauptantrag des Gemeinderats abgestimmt: 47 Ja bei 31 Nein - der Leistungsvertrag ist genehmigt. Die Ratslinke hat sich mit der Unterstützung von GFL, wie im Vorfeld erwartet, durchgesetzt.

 

Abstimmungen  

Antrag Gemeinderat gegen Änderungsantrag BDP/CVP: 47 zu 30 Stimmen.

 

Abstimmungen  

Rückweisungsantrag SVP plus: Der Antrag ist abgelehnt mit 16 Ja, 60 Nein, 1 Enthaltung.

 

Abstimmungen  

Rückweisungsantrag Peter Wasserfallen: Der Antrag ist mit 7 Ja, 68 Nein bei 1 Enthaltung abgelehnt.

 

Abstimmungen  

Nun wird abgestimmt. Als erstes wird über den interfraktionellen Rückweisungsantrag abgestimmt: Der Antrag ist mit 30 Ja, 48 Nein abgelehnt.

 

Stadtpräsident Alexander Tschäppät  

 

Die Stadt Bern stehe hinter der Reitschule, das hätten fünf Abstimmungen bewiesen. Er weist aber auch darauf hin, dass die gravierenden Probleme rund um die Reitschule inakzeptabel seien. Das Ziel sei, dass die Reitschule weiterbestehen werde. So wolle es der Gemeinderat, so wolle es der Stadtrat und so wolle es das Volk. Es wäre verantwortungslos, wenn der Vertrag abgelehnt würde.

 

Stadtpräsident Alexander Tschäppät (SP)  

Stadtpräsident Alexander Tschäppät will nicht konkret auf die einzelnen Voten eingehen - alle Argumente und Polemiken habe man so oder ähnlich bereits früher gehört. Tschäppät weist darauf hin, dass der Vertrag nicht jeder Direktion zur Vernehmlassung habe vorgelegt werden müssen. Der Gemeinderat beantragt, alle Rückweisungsanträge abzulehnen.

 

Peter Wasserfallen (parteilos)  

Peter Wasserfallen wehrt sich gegen den Vorwurf von links, man betreibe mit der Reitschule nur Wahlkampf - er stehe nicht im Wahlkampf, er betreibe nur bürgerliche Politik.

 

Luzius Theiler (GPB-DA)  

Die Reitschule zeige, dass Selbstverwaltung funktionieren könne, sagt Luzius Theiler. Die Reitschule sei ein Vorbild für ein Stück alternative Welt, dass es realisierbar sei, anders miteinander umzugehen. Das befremde offensichtlich gewisse Leute, die sich seit klein auf Hierarchien gewohnt seien. Die Motion Mosza habe den Kern der Reitschule, die Autonomie, infrage gestellt. Es sei Grund zur Hoffnung, wenn die GFL sich von dieser Motion emanzipiert habe, spät - aber immerhin.

 

Jacqueline Gafner Wasem (FDP)  

Jacqueline Gafner zitiert aus dem Manifest der Reitschule. Wenn sich die Reitschule ihre politischen Ziele finanzieren lassen wolle, solel sie das nicht unter dem Deckmäntelchen der Kultur tun, meint sie. Es erstaune keinen Menschen, dass die Polizei bei solchen Grundsätzen regelmässig Probleme habe, das Gesetz rund um die Reitschule durchzusetzen.

 

Dannie Jost (FDP)  

Dannie Jost wird den Leistungsvertrag ablehnen. Kultur sei ihr zwar wichtig - aber die Bedenken zur Sicherheit würden überwiegen.

 

Robert Meyer (SD)  

Der einzige Schweizer Demokrat im Rat ärgert sich immer wieder über die Reitschule und empfiehlt den Blick in die Berner Zeitungen, die zwar links stünden, aber in der heutigen Ausgabe die Reitschule kritisch hinterfragt hätten. In der Frage der Positionierung der Blätter hat er zwar unrecht - aber die Empfehlung für BZ und Bund kann man sicher unterstützen.

 

Beat Gubser (EDU)  

Kreativer Ansatz: Beat Gubser zitiert aus "Biedermann und die Brandstifter". Für ihn sei klar, dass die Ikur kein verlässlicher Partner für die Stadt Bern sei - die Ikur mache so oder so, was sie wolle. Kultur sei für die Ikur nur ein Vorwand, während dahinter die eigenen politischen Ziele verfolgt würden.

 

Alexander Feuz (FDP)  

Die Motion Mosza sei nicht umgesetzt worden, hält Alexander Feuz fest. Wenn man sehe, wie die Stadt verhandelt habe, sei klar, dass die Reithalle mit den meisten ihren Anliegen durchgekommen sei.

 

Rolf Zbinden (PdA)  

Es würde dem städtischen Parlament gut anstehen, meint PdA-Politiker Rolf Zbinden, wenn man die gelebte Basisdemokratie in der Reitschule honorieren würde. Klar, dass die PdA die Reitschule heute unterstützen wird - da gibts viele gegenseitige Sympathien.

 

Applaus nicht erlaubt  

Das Reitschule-Publikum hat Wasserfallens Redeschluss mit Applaus quittiert - dafür gibts einen Tadel von Ratspräsidentin Ursula Marti.

 

Peter Wasserfallen (parteilos)  

Doch noch etwas Neues: Peter Wasserfallen will die Reitschule sprengen und nennt Unterstützer der Reitschule "Unterstützer von Terroristen". Nun gibts langsam Stimmung im Saal und auf der Tribüne...

 

Blick auf Twitter #2

Peter Wasserfallen redet zwar noch, aber Neues kommt dabei nicht mehr heraus. Wagen wir lieber einen zweiten Blick auf Twitter. Nicola von Greyerz freut sich dort über das Wasserfall'sche Lob zur Dampfzentrale - obwohl es ihr vor den Einzelrednern graut, die noch kommen werden.

 

Peter Wasserfallen (parteilos)  

Nun folgen die Einzelredner, der Erste ist Peter Wasserfallen (parteilos). Der Vertrag sei das Papier nicht wert, auf dem er stehe. Generell sei die Reitschule ein Schandfleck, alternative Kultur sei auch anders, anständiger möglich. Was aus der Reitschule heraus komme, sei ein Terroristen-Rattenpack. Seit 25 Jahren sei es dort unter aller Sau. Damit ist er zu weit gegangen: Das gibt einen Verweis von Ratspräsidentin Ursula Marti. Wasserfallen redet sich nun erst richtig ins Feuer: Der Vertrag bringe null, nichts, nada. Peter Wasserfallen hat heute einen eigenen Rückweisungsantrag eingereicht der verlangt, keinen einzigen städtischen Franken mehr für die Reitschule auszugeben.

 

Michael Köpfli (GLP)  

Die Reitschule sei ein wichtiger Ort für die Kultur in der Stadt Bern. Man dürfe den Vorplatz nicht mit der Reitschule gleichstellen - er sei öffentlicher Raum, in unmittelbarer Nähe der einzigen Drogenabgabestelle. Konflikte seien so vorprogrammiert. Alle Veranwortung dürfe die Reitschule trotzdem nicht abschieben, aber man dürfe nicht zuviel von der Reitschule verlangen. Es brauche Verbesserungen in der Sicherheit; man appelliere an die Betreiber der Reitschule, die Sicherheitsprobleme aktiv anzugehen. Mit einem Nein zum Vertrag werde die Sicherheit aber sicher nicht besser. Alle Rückweisungsanträge werden von der GLP abgelehnt.

 

Blick auf Twitter  

Die Twitterer im Stadtrat sind fleissig am kommunizieren, während sich die Redner am Pult ablösen. Beatrice Wertli (CVP) wähnt sich an der Wiederholungsaufführung eines Theaters, das sie bereits gefühlte 99 Male besucht habe. Und Nicola von Greyerz (SP) hat Erich Hess entdeckt, der stumm auf dem Podium sitze. Hashtag übrigens: #SRBern

 

Lea Bill (Ja!)  

Lea Bill sieht eine Reise ohne Ende - oder ein Schrecken ohne Ende. Die Ikur sei seit mehr als zwei Jahren mit diesem Vertrag beschäftigt, habe aber trotzdem einen kühlen Kopf behalten und immer wieder neu verhandelt. Bill findet es störend, wenn in einem kulturellen Leistungsvertrag Sicherheitsaspekte integriert würden. Der vorliegende Vertrag trage dem Rechnung. Das Vorgehen bei Konflikten sei trotzdem klar geregelt. Der Sicherheitsdienst der Reitschule sei kein Larifari-Grüppli, sondern sei professionell organisiert und arbeite mit der Polizei zusammen. Der Leistungsvertrag müsse angenommen werden, um die Reitschule zu unterstützen.

 

Blick ins Publikum  

Die Zuschauertribüne ist voll wie selten. Mehr als 50 Personen sitzen und lauschen den Voten der Stadträte. Unter anderem sitzen im Publikum: eine vielköpfige Gruppe aus der Reitschule; Thomas Berger, Kämpfer fürs Berner Nachtleben; Beat Schori, SVP-Gemeinderatskandidat.

 

Annette Lehmann (SP)  

Die SP/Juso-Fraktion unterstütze den Leistungsvertrag, sagt Annette Lehmann. Seit 25 Jahren sei die Reitschule eine Erfolgsgeschichte. Solche Orte fehlten in der Stadt Bern. Keine andere Kulturinstitution habe so viele Besucher. Die Reitschule müsse aber auch viele Dinge ausbaden - etwa in Bezug auf den Vorplatz. Die Reitschule werde für politische Spielchen missbraucht. Auch die Polizei mischle da mit. Die SP/Juso würde begrüssen, wenn sich die Reitschule noch konsequenter von Gewalt distanzieren würde. Die Reitschule nehme ihre grosse Verantwortung für die Besucher wahr. Die Verhältnismässigkeit für die Veranwortung müsse aber gewährleistet sein. SP/Juso sprechen sich für den Leistungsvertrag aus. Eine Rückweisung oder Ablehnung wäre ein Affront gegenüber der Verantwortlichen der Reitschule.

 

Bernhard Eicher (Jungliberale)  

Es gehe darum, Gewalt und Drogenhandel auf dem Vorplatz einzudämmen - nicht darum, Jugendlichen einen begehrten Ausgangsort wegzunehmen, meint Bernhard Eicher. Man wolle nicht der Reitschule die volle Verantwortung für die Sicherheit geben - aber sie soll ihren Anteil daran tragen. Die Reitschule solle nicht mehr als Fluchtort dienen für Drogenhändler oder Gewalttätige. Es gäbe ein gemeinsames Ziel: Kultur ja, Gewalt nein.

 

Lukas Gutzwiller (GFL)  

Lukas Gutzwiller spricht für die GFL/EVP-Fraktion. Er sieht wichtige Teile der Motion Mosza erfüllt. Er baut darauf, dass die Reitschule ihren Teil der Erwartungen aus dem Leistungsvertrag erfüllen wird. Die Bevölkerung sei des politischen Hickhacks und des Ärgers um Polizeieinsätze überdrüsssig. Gutzwiller appelliert an die bürgerlichen Kräfte im Rat, nicht auf alten Positionen zu beharren. GFL/EVP wird den Leistungsvertrag unterstützen.

 

Roland Jakob (SVP)  

Die Reitschule habe das Gefühl, immer recht zu haben, sagt Roland Jakob. Doch von dieser ideologischen Sicht müsse man sich lösen. Es gehe nicht an, dass die Sicherheit in und um die Reitschule herum nicht gewährleistet sei und die Polizei ihre Aufgaben nicht wahrnehmen könne. Die SVP wird zum Leistungsvertrag nicht Ja sagen und fordert Unterstützung für dieses Vorgehen - das war zu erwarten.

 

Martin Schneider (BDP/CVP-Fraktion)  

Die BDP/CVP-Fraktion lehne den vorliegenden Leistungsvertrag ab, sagt Martin Schneider. Vor allem Sicherheitsbedenken hätten dazu geführt. Niemand bestreite die wichtige kulturelle Funktion der Reitschule; aber es gehe nicht an, dass man sich in der Reitschule um alles ausserhalb foutiere.

 

Martin Schneider (BDP), Kommissionssprecher  

Sprecher Martin Schneider (BDP) vertritt die Meinung der Kommission. Diese empfiehlt Zustimmung zum Vertrag. 6 Kommissionsmitglieder waren dafür, 2 dagegen - bei einer Enthaltung.

 

Der Leistungsvertrag  

Nun gilt es ernst für die Reitschule-Betreiber. Der Stadtrat entscheidet heute, ob die Stadt Bern für weitere vier Jahre die Miete fürs Kulturzentrum auf der Schützenmatte bezahlt. Dabei geht es um einen Betrag in Höhe von 1,1 Millionen Franken (380'000 Franken pro Jahr). Die Debatte zum Leistungsvertrag zwischen der Stadt und der Interessengemeinschaft Kulturraum Reitschule (Ikur) dürfte emotional werden.

 

Am Mittwoch haben FDP, BDP, CVP und SVP einen interfraktionellen Rückweisungsantrag für den Leistungsvertrag gestellt. Sie fordern einen "permanenten internen Sicherheitsdienst, der eng mit den Behörden zusammenarbeitet". Zudem verlangen sie ein Sicherheitskonzept für den Vorplatz.

 

GFL und GLP das Zünglein an der Waage

 

Während die Linke entschlossen zum Leistungsvertrag steht, dürften GFL und GLP das Zünglein an der Waage spielen. Doch auch da sind die Meinungen pro Reitschule gemacht: "Wenn wir den Leistungsvertrag zurückweisen, bestrafen wir die Falschen", sagt GFL-Stadtrat Lukas Gutzwiler. "Die Ikur kann nicht für alles verantwortlich gemacht werden, was auf dem Vorplatz passiert."

 

Zudem wäre ein vertragsloser Zustand der falsche Weg. "Der neue Vertrag ist besser als der alte." GLP-Stadtrat Michael Köpfli fügt an: "Die neue Sicherheitsvereinbarung ist ein Schritt in die richtige Richtung. Eine Ablehnung dieser Verträge schadet allen konstruktiven Kräften um die Reitschule."

 

Gemeinderat ist für Vertrag

 

Der Gemeinderat, um genau zu sein, die Präsidialdirektion von Alexander Tschäppät (SP), hat den Vertrag mit der Ikur ausgehandelt - und empfiehlt diesen zur Annahme. "Der Gemeinderat ist überzeugt, dass mit diesem Vertrag ein gutes Stück zum friedlichen Betrieb der Reitschule beitragen wird", schreibt der Gemeinderat im Vortrag an den Stadtrat.

 

Der eigentliche Leistungsvertrag beschränkt sich auf das kulturelle Angebot in der Reitschule. Er hat die Vertragsbestimmungen aller anderer Verträge der Stadt Bern mit Kulturinstitutionen übernommen.

 

Mit der Polizei kooperieren

 

Erstmals ist dem Leistungsvertrag eine schriftliche Sicherheitsvereinbarung angehängt. Darin ist geregelt, dass die Reitschule-Betreiber auf dem Vorplatz präsent sein und bei Konflikten vermittelnd eingreifen müssen. Es wird erwartet, dass die Ikur-Mitarbeiter mit der Polizei kooperieren. Polizeiarbeit dürften und müssten die Reitschule-Betreiber indes keine leisten.

 

Nicht erfüllt ist eine Forderung der längst überwiesenen und inzwischen stadtbekannten Motion Mozsa zur Schliessung des grossen Tors auf Anordnung der Polizei. Das Tor bleibt auch künftig während Demonstrationen in der Stadt offen - mit der Möglichkeit, dass sich Chaoten in die Reitschule zurückziehen und Schutz vor Strafverfolgung finden. (tob)

 

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journal-b.ch 15.11.12

http://www.journal-b.ch/de/112012/politik/373/Klares-Ja-zum-Leistungsvertrag.htm

 

Klares Ja zum Leistungsvertrag

 

Mit 47 zu 31 Stimmen heisst der Berner Stadtrat den Leistungsvertrag mit der Reitschule für die Jahre 2012 bis 2015 gut. Die verschiedenen Rückweisungsanträge hatten keine Chance.

 

Kritisch verfolgt der Stadtpräsident den Ausgang der Abstimmung. (Foto: Beat Kohler)

Schon vor der Debatte war alles gesagt, was die einzelnen Parteien zum Thema Reitschule und Leistungsvertrag zu sagen hatten. Das hielt die Parteienvertreter aber nicht davon ab, alles noch einmal zu wiederholen. Auch der Hinweis, dass der Stadtrat eigentlich dringendere Themen wie den Leistungsabbau im öffentlichen Verkehr aufgrund der kantonalen Sparbemühungen zu behandeln hätte, zeigte keine Wirkung. Am Resultat änderte es letztlich nichts. Denn nachdem sich die GFL im Vorfeld für den Vertrag ausgesprochen hatte, waren die Mehrheiten bereits klar: 47 Berner Stadträtinnen und Stadträte hiessen den Leistungsvertrag 2012 bis 2015 gut, 31 lehnten ihn ab. Alle Rückweisungsanträge der bürgerlichen Parteien hatten keine Chance.

 

Kultur ja, Gewalt nein

 

Im Kern ist man sich ja einig. Dieser Satz fällt immer dann bei Debatten, wenn endlos wiederholt werden soll, worüber man sich im Detail nicht einig ist. So auch hier. Dem zahlreich auf der Tribüne erschienenen Publikum sollte etwas geboten werden, schliesslich ist Wahlkampf. Da postulierte die SVP, sie sei auch für die Kultur in der Reitschule. Ihre Parteigänger könnten die Anlässe dort aber nicht besuchen, weil sie um ihr Leben fürchten müssten. Nach dem Motto "Und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt", müsse dieser Zugang zur Kultur für Alle im Notfall auch repressiv durchgesetzt werden. Nötigenfalls brauche es Anträge im kantonalen Parlament um dieser Institution einen Riegel zu schieben, polterte der parteilose Peter Wasserfallen, der in der Reitschule gar eine Keimzelle des Terrorismus sieht und dafür die Lacher von der Tribüne erntete. Vertreter von FDP und BDP äusserten Sicherheitsbedenken. Da im Vertrag keine Sanktionsmöglichkeiten gegenüber der Reitschule vorgesehen seien, sei dieser wertlos.

 

Umschwenken der GFL

 

Lukas Gutzwiller, GFL, erklärte die Umbesinnung seiner Partei auf Zustimmung zum Vertrag damit, dass eine Ablehnung die radikalen Kräfte stärken würde. Es seien zwar noch nicht alle Forderungen der Motion Erik Mozsa erfüllt, der Vertrag weise aber "in die richtige Richtung". Es bringe nichts, auf alte Positionen zu beharren, um die Reitschule als politischen Dauerbrenner am Leben zu erhalten. Ganz klar für den Vertrag setzte sich die gesamte linke Ratshälfte ein. Dies auch, wenn auch aus diesen Reihen die Probleme erkannt werden. So wünschte sich Annette Lehmann, SP, dass sich die Reitschule stärker von Gewaltaktionen distanzieren würde. Lea Bill, Junge Alternative, erklärte, es sei an der Zeit "Ruhe einkehren lassen, damit sich die Reitschule wieder ihrem Tagesgeschäft widmen kann." Bezüglich der Sicherheitsbedenken der Ratsrechten verglich Michael Köpfli die Reitschule mit Sportstadien. Dort gebe es trotz aller Sicherheitsvorkehrungen immer wieder Zwischenfälle, eine absolute Sicherheit gebe es nicht. Die Annahme des Vertrages verbessere die Sicherheit in der Reitschule, auch wenn einzelne Punkte sicher noch nachgebessert werden müssten, so Köpfli.

 

Wahrzeichen von Bern

 

"Die Berner Reitschule gehört zu Bern", machte Stadtpräsident Alexander Tschäppät klar. Es sei nicht der richtige Weg, die Reitschule über einen Kulturvertrag disziplinieren zu wollen. Auch er sei nicht immer über alles erfreut, was bei der Reitschule passiere; die jüngsten Angriffe auf die Polizei seien inakzeptabel. Der Vertrag sei aber ein "Bekenntnis zu den Leistungen der Reitschule", erklärte Tschäppät, der sich ein klares Ja und damit ein deutliches Zeichen des Stadtrates wünschte - und schliesslich auch erhielt.

 

Mieterlass

 

Wenn nicht Reitschule darauf stehen würde, wäre nicht ersichtlich, warum dieser Leistungsvertrag so viel zu diskutieren gibt. Das Papier erklärt, dass die Stadt der Reitschule Miete und Nebenkosten in der Höhe von 380'000 Franken pro Jahr erlässt oder besser gesagt an die Stadtbauten überweist. Im Gegenzug betreibt die Reitschule Dachstock, Frauenraum, Kino, Rössli, Sous le pont, Cafete und Tojo Theater. Eigentlich ein geringer Preis für ein vielfältiges Angebot, wenn man es mit den Kosten bei sportlichen Veranstaltungen oder den Subventionen für den Kulturbetrieb insgesamt vergleicht. Für städtisch subventionierte Institutionen in Kompetenz Stadtrat plant Bern von 2012 bis 2015 gut 6 Millionen Franken auszugeben. Hinzu kommen für denselben Zeitraum rund 20 Millionen Franken an gemeinsam mit Regionsgemeinden, Kanton und Burgergemeinde subventionierte Institutionen. Alleine Konzert Theater Bern erhält von der Stadt 14 Millionen Franken. Dagegen nehmen sich die rund 1,1 Millionen für die Reitschule in demselben Zeitraum bescheiden aus.

 

Beat Kohler

 

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20min.ch 15.11.12 (20:25)

http://www.20min.ch/schweiz/bern/story/Stadt-Bern-unterstuetzt-die-Reithalle-weiterhin-15089141

 

Leistungsvertrag

 

Stadt Bern unterstützt die Reithalle weiterhin

 

von Adrian Müller/Markus Ehinger - Überraschend ruhig verlief die Debatte zum Leistungsvertrag mit der Reitschule. Mit 47 zu 31 Stimmen kam er durch. Dafür soll die Reitschule einen Sicherheitsdienst stellen.

 

Richtig emotional wurde es gestern im Stadtrat nicht. Die rot-grüne Mehrheit inklusive Grüne Freie Liste stellte sich hinter die Reitschule, während sich die Bürgerlichen und die Mitteparteien gegen den neuen Leistungsvertrag wehrten. Mit 47 gegen 31 Stimmen wurde der Vertrag angenommen. Die Stadt unterstützt die Reitschule somit in den nächsten vier Jahren finanziell (siehe Box).

 

Dafür muss die Reitschule einen Sicherheitsdienst stellen und mit der Polizei kooperieren - ohne in heiklen Situationen das grosse Tor schliessen zu müssen. Kritische Stimmen gabs aber auch von der SP. "Wir würden es begrüssen, wenn sich die Reitschule expliziter von Gewalt distanzieren würde", sagte SP-Fraktionschefin Annette Lehmann.

 

Peter Wasserfallen: "Reitschule sprengen"

 

Die Bürgerlichen forderten strengere Vorgaben - vor allem bei der Sicherheit. "Die Reitschule soll nicht mehr als Fluchtort für Drogendealer und Gewalttätige dienen", sagte Bernhard Eicher (FDP).

 

Eine Brandrede hielt der parteilose Peter Wasserfallen. Er bezeichnete die Reitschüler als "Terroristen-Rattenpack" und davon, dass man die Reitschule sprengen sollte. Prompt gabs einen Verweis von Ratspräsidentin Ursula Marti (SP).

 

Stapi Alexander Tschäppät stellte sich hinter die Reitschule: "Aber die gravierenden Probleme rund um die Reitschule sind inakzeptabel. Sie darf keine Angriffe mehr auf Polizisten zulassen."

 

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Reitschule: Was bisher geschah

 

BERN. Mit dem Ja des Stadtrats zum neuen Leistungsvertrag, wo die Aspekte Kultur und Sicherheit explizit getrennt sind, nimmt ein jahrelanges Polit-Theater (vorerst) ein Ende: Im März 2011 wies der Stadtrat mit Unterstützung der GFL einen Leistungsvertrag zurück, im November 2011 genehmigte er einen einjährigen Vertrag, den wiederum die Reitschule nicht unterzeichnete. Seit Januar 2012 herrschte zwischen der Stadt und der Reitschule ein vertragsloser Zustand. Nun übernimmt die Stadt für weitere vier Jahre die Miete in der Höhe von 1,1 Millionen Franken. AM

 

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bernerzeitung.ch 15.11.12

http://www.bernerzeitung.ch/region/bern/Mit-einer-buergerlichen-Mehrheit-wird-das-Problem-geloest/story/25921832

 

"Mit einer bürgerlichen Mehrheit wird das Problem gelöst"

 

Der Kommentar von BZ-Chefredaktor Michael Hug zum Leistungsvertrag mit der Reitschule provozierte zahlreiche Reaktionen von Lesern.

 

Am Donnerstagabend entscheidet der Berner Stadtrat über den neuen Leistungsvertrag mit der Reitschule. BZ-Chefredaktor Michael Hug hat diesen kritisch kommentiert Eine Mehrheit im Online-Forum lehnt den Leistungsvertrag ebenfalls ab.

 

Userin Jacqueline Gafner schreibt etwa: "Der Vertrag ist effektiv nicht das Papier wert, auf dem er steht, das wissen auch diejenigen, die ihm im Stadtrat zustimmen werden, weil sie - 10 Tage vor den Wahlen - nicht über den eigenen ideologischen Schatten springen wollen oder dürfen."

 

Abstimmung als Wahlempfehlung

 

Mit dieser Haltung steht sie nicht alleine. Eine ganze Reihe von Kritikern des Leistungsvertrags, verknüpft diesen mit den Berner Wahlen in zwei Wochen. Von einem Machtwechsel erhoffen sie sich einen Schlussstrich unter die Causa Reitschule.

 

Kurt Habegger gibt eine entsprechend klare Wahlempfehlung ans Berner Stimmvolk ab: "Mit einer bürgerlichen Mehrheit und eventuell noch ein paar Mitläufern aus der Mitte, werden diese Streitgespräche und das Hin und Her mit der Reitschule auf einen Schlag gelöst."

 

Und tatsächlich scheint die heutige Debatte manchen Wahlentscheid zu beeinflussen. So erklärt Paul Rohner, dass kein Kandidat, der heute dem Vertrag zustimmt, den Weg auf seinen Wahlzettel finden werde.

 

Verteidiger des Leistungsvertrags

 

Allerdings melden sich im Forum auch User zu wort, die den Leistungsvertrag verteidigen. Heinz Frei hält die Debatte für Wahlkampfgetöse von Seiten der SVP: "Es spricht für die Ohnmacht der Stadtberner SVP, wenn ein marginales Thema wie die Berner Reitschule von dieser Partei derart aufgebauscht wird." Darüber hinaus verweist Frei darauf, dass das Berner Stimmvolk fünfmal für den Erhalt der Reitschule gestimmt habe.

 

Dass die Reitschule von den Bernerinnen und Bernern akzeptiert sei, findet auch Simon Johner. Zudem will er die Reitschule nicht für die Gewalt einiger Randalierer verantwortlich machen. Diese Chaoten, so Johner, würden auch im Falle einer Schliessung der Reitschule nicht einfach aus Bern verschwinden.

 

Vergleich mit Sportvereinen

 

Petra Brügger wiederum zieht Parallelen zwischen den Ausschreitungen im Umfeld der Reithalle und Krawallen bei Sportanlässen: "Die Reitschule wird bei jedem kleinsten Vorfall, auch wenn er sich ausserhalb abspielt zur Verantwortung gezogen, hingegen können die Fussball- und Eishockey Fans randalieren und alles kurz und klein schlagen, es wird niemand von den Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen", schreibt Brügger.

 

Diesem Vergleich widerspricht Mathias Burkhardt. Die Sportvereine würden im Falle von Ausschreitungen sehr wohl zur Verantwortung gezogen und auch finanziell belangt. Im Gegensatz zur Reitschule: "Die Reitschule macht aber nichts, ja sie bietet Gewaltbereiten schutz in den "eigenen" Räumlichkeiten und ruft, zum Beispiel mit Transparenten an der Liegenschaft, zu Gewalt auf."

 

Bernerzeitung.ch/Newsnet berichtet heute ab 17 Uhr live von der Debatte im Stadtrat.


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Bund 15.11.12

http://www.derbund.ch/kultur/pop-und-jazz/Auf-den-Barrikaden/story/24795509

 

Constellation Records Festival

 

Auf den Barrikaden

 

Die kanadische Label-Alternative Constellation Records feiert den 15. Geburtstag mit elf Konzerten - darunter die Auftritte von Godspeed You! Black Emperor oder Sandro Perri. Das Ereignis der Berner Konzertsaison.

 

Benedikt Sartorius

 

Montreal, Mai, 2012: Die Regionalregierung Québecs schränkt das Demonstrationsrecht ein, erhöht die Studiengebühren und provoziert so Massenproteste, die von repressiven Polizeikräften niedergeknüppelt werden. Doch der Widerstand glimmt weiter, zieht weitere Kreise, und schon bald sind Montreals Strassen von einem schrillen Lärm erfüllt, den die Protestierenden mit Pfannen und Töpfen erzeugen.

 

Dieser Lärm des Widerstandes ertönt auch auf der neuen Platte "’Alleluja Don’t Bend Ascend" des kanadischen Kollektivs Godspeed You! Black Emperor - ganz zum Schluss des zwanzigminütigen Eröffnungsstückes "Mladic". Dieses trägt den Horror in sich, ehe es, beinahe friedlich, doch bestimmt und berührend, auf die Strasse zottelt.

 

Die Musik auf der ersten GY!BE-Platte seit zehn Jahren ist wie immer instrumental mit Gitarren, ausgefransten Streichern, Bläsern und Trommeln inszeniert und wie immer weit und monumental gezeichnet: Heilig und zornig und ausufernd sind die Tracks, liegen nahe am orchestralen Pathos, noch näher aber an der Erlösung vom Bösen. Religiöse Gospel-Symbolik, verbrämt mit dem Vokabular der Revolution und der Befreiung: Das ist die Meisterschaft der Band, die die Brüder und Schwestern auf die Barrikaden bittet. Und die kleinen Fäuste werden wie Antennen zu den Himmeln gehoben.

 

Vertragslos, problemlos

 

Post-Rock? Ja, natürlich, doch ebenso selbstverständlich trifft dies nicht zu. Denn GY!BE sind stur, verabscheuen jegliche Etikette und jegliche musikindustrielle Vereinnahmung. Nur freudigen, epischen Noise spielt das Kollektiv um Ephrim Menuck. Lärm, der mit expliziten Zeichen politisch aufgeladen ist, denn zum Selbstzweck ist hier wie auch bei der singenden Godspeed-Splitterformation Thee Silver Mt. Zion niemand da.

 

GY!BE ist das Aushängeschild des Labels Constellation Records, das in Bern mit einem viertägigen Festival den 15. Geburtstag feiert. GY!BE ist aber auch Symbol für den antiautoritären, kollektiven Ansatz, den das Label seit der Gründung noch immer pflegt: Noch immer hat kein Künstler einen Vertrag, noch immer wird jedem persönlich georderten Plattenpaket eine kleine handgeschriebene Notiz beigefügt - und noch immer trägt das Label die Handschrift von Don Wilkie und Ian Ilavsky. Die beiden Freunde riefen im grimmigen Montreal der Spätneunzigerjahre erst die Konzertreihe Musique Fragile ins Leben, um gleich gesinnten Do-it-yourself-Künstlern und Künstlerinnen Auftritte zu ermöglichen. Aus dieser Konzertreihe ging sowohl das renommierte Aufnahmestudio Hotel2Tango, zahlreiche Bands und natürlich das Label hervor. Zunächst erschienen auf Constellation ausschliesslich Platten aus dem Montrealer Untergrund, mit der Zeit wurde das geografische Gebiet ausgeweitet.

 

Vorletzte Lieder

 

Bisher sind 91 Platten auf Constellation erschienen, und alle Alben stellen den gängigen Praktiken der Popindustrie eine Alternative zur Seite. Eine, die ausdrückt: Diese Welt könnte auch anders aussehen. Und auch: In dieser Welt ist nicht mehr viel zu holen, ausser ein paar letzte Töne, ein vorletztes Lied. Lieder, die oftmals den Gospel, den Abgesang auf die Gegenwart anstimmen. Darunter ist das bewegende Spätwerk von Vic Chesnutt zu finden, das entstanden ist, als beim Sänger bereits alles verloren war. Auch auf Constellation erschienen: "The Something Rain", die seit ganz langer Zeit beste Platte der Trauerbarden Tindersticks. Instrumentale Rockmusik ohne falsches Pathos? Nachzuhören bei den überwältigenden Do Make Say Think aus Toronto. Free-Jazz, der gross angelegt nach den schwarzen Wurzeln sucht und die amerikanische Geschichte nacherzählt? Die forschende Saxofonistin Matana Roberts hat den gewichtigen Band im Gepäck. Saxofonfiguren, die überall andocken - in der neuen Musik, im Rock, im Jazz? Colin Stetson - der als Brotjob an der Seite von Bon Iver die grössten Bühnen der Welt bespielt - formt sie mit seinen heavy Hörnern.

 

Ausloten der Möglichkeiten

 

Gleichzeitig wird im Constellation-Labor auch an der fragilen Zukunft des Popsongs geforscht - etwa in Eric Chenaux’ unruhigen Gitarrenmeditationen, vor allem aber bei Sandro Perri, der an einer neuen Liedwelt baut. Sein Album "Impossible Spaces" lotet alle Möglichkeiten der Liedform aus: Querflöten, orchestrale Mächtigkeiten, legere Tropicália, Keyboardflächen, Verweise auf die ureigene Discomusik des visionären Cellisten Arthur Russel, kurz: Alles ist hier zu hören, in erster Linie aber die sanfte, rhythmisch flexible Stimme Perris. Und so passen auch diese Lied-Utopien in den Katalog eines Labels, das mit sorgfältig gestalteten Platten und CDs die Independent-Fahne hochhält und vormacht: Ja, eine andere Welt ist möglich. Und diese Errungenschaften gilts feierlich und friedlich zu verteidigen - wenn nötig mit dem schrillen Lärm von Pfannen und Töpfen.

 

Reitschule Dachstock Freitag, 16. November: Godspeed You! Black Emperor / Hangedup (ausverkauft) Samstag, 17. November: Thee Silver Mt. Zion / Carla Bozulich / Hrsta / Elfin Saddle

 

Sonntag, 18. November: Do Make Say Think / Colin Stetson / Sandro Perri / Eric Chenaux

 

Zusätzlich ist vom Donnerstag bis Sonntag im Musikkeller der Dampfzentrale die Ausstellung "Ce Côte en Haut: The Fragile World of Constellation" zu sehen. Ergänzt wird die Ausstellung mit Konzerten von Elfin Saddle (Do) und Matana Roberts sowie einem Round-Table-Gespräch (beides am Sa). http://www.heartland.ch.

 

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Kulturagenda.be 15.11.12

http://www.kulturagenda.be/rubrik/sounds/die_sterne_stehen_gut/

 

Die Sterne stehen gut

 

Constellation Records aus Montréal ist ein unabhängiges Musiklabel mit sozialem Gewissen und internationaler Strahlkraft. Im Rahmen des Heartland- Festivals im Dachstock wird sein fünfzehnjähriges Bestehen gefeiert.

 

Ein alternativer Waadtländer Festivalveranstalter auf der Suche nach einem neuen Spielort, eine feiernde kanadische Plattenfirma sowie deren bekannteste Band, die gerade ihre Europatournee abschliesst: Ihre Bahnen kreuzen sich am Wochenende in der Berner Reitschule. Es ist die Konstellation für ein grosses Musikwochenende.

Das Rockfestival Heartland wird von einer musikverrückten Gruppe organisiert und hat dieses Jahr, Dachstock sei Dank, den Weg von Vevey nach Bern gefunden. Die aktuelle Ausgabe ist dem berühmten kanadischen Musiklabel Constellation Records gewidmet. Dessen Bands sind seit Langem viel und gern gesehene Gäste auf der Bühne des Dachstocks und an der Theke des "Rössli" in der Reitschule.

 

Wenn Independent keine Worthülse ist

 

Constellation Records ist ein Musiklabel, das den Zusatz "Indie" (kurz für "independent ", "unabhängig") zu Recht trägt: 1997 wollten zwei junge, innovative Montréaler den lokalen Künstlern Auftrittsmöglichkeiten bieten. Mit viel Engagement und mit hohen Idealen beginnen sie, Konzerte zu organisieren: Verdientes Geld wird stets wieder in neue Projekte investiert. Bald werden erste CDs gepresst. Die Auflage: 500 Stück. Die Band: Godspeed You! Black Emperor.

Der Erfolg wuchs, es kamen neue Bands hinzu. Während viele andere Labels nun den Weg hin zum grossen Geld eingeschlagen hätten, blieben für Constellation Records die Unabhängigkeit und die faire Behandlung von Künstlern und Konsumenten wichtiger als die Maximierung der Einnahmen. Das Label ist diesen Dogmen bis heute treu geblieben. Ebenso treu halten die Bands zum Label - dies ohne Verträge. Die spezielle Labelphilosophie scheint das musikalische Schaffen zu befruchten: Godspeed You! Black Emperor (Konzert am Freitag ausverkauft) haben mit ihrem epischen, experimentellen Sound den Instrumental-Rock geprägt. Mit Thee Silver Mount Zion und Do Make Say Think treten am Samstag und am Sonntag weitere Grössen des Genres im Dachstock auf die Bühne. Bei Constellation Records gibt es aber auch in anderen Stilrichtungen so einiges zu entdecken: den wunderbar verträumten Sandro Perri etwa oder Matana Roberts, in deren Musik man das Leiden der schwarzen Bevölkerung Amerikas leibhaftig zu spüren glaubt.

 

Basil Weingartner

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Dachstock Reitschule, Bern. Fr., 16.,

Sa., 17., und So., 18.11., Freitag ausverkauft

www.heartland.ch, www.dachstock.ch

 

 

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BZ 15.11.12

 

Durchgeknallt

Hurundi V. Bakshi, der durchgeknallte Kamasutra-Coach aus Indien, ist wieder da! Doch auweia: Sein Asylantrag in der Schweiz wird abgelehnt. "Massiere doch künftig, wen du willst, aber lass gefälligst unsere Bundesräte in Ruhe!", ruft man ihm nach. Das ist nicht nett. Aber was ist schon nett in der Performancereihe "Schweiz total" von Kaspar Weiss? Im Berner Tojo-Theater geht die vierte Episode über die Bühne, ein Mix aus Comedyshow, Yogainstruktionen und Dokutheater.pd

 

Vorstellungen: morgen Freitag und am Samstag, 17. November, jeweils 20.30 Uhr, Tojo-Theater Bern. www.tojo.ch

 

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Kulturagenda.be 15.11.12

 

"Let My People Go" im Kino in der Reitschule

 

Mit "Let My People Go" (2011) ist Mikael Buch eine aberwitzige Komödie über ein schwules finnisch-französisches Paar gelungen. Gewisse Stimmen sagen, wenn sich Woody Allen, Pedro Almodóvar und Aki Kaurismäki zusammengetan hätten, wäre genau dieser Film entstanden. Wunderbar selbstironisches und buntes Feel-Good-Kino.

Kino in der Reitschule, Bern. Di., 20.11., 20.30 Uhr

 

 

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WoZ 15.11.12

 

Palästina/Israel

 

Roni Hammermann, Aktivistin der Menschenrechtsorganisation Machsom Watch, einer Grup­pe von israelischen Frauen, die israelische Checkpoints beobachtet, Übergriffe der Soldaten gegen PalästinenserInnen dokumentiert und in problematischen Fällen einzugreifen versucht, kommt für eine Vortragsserie in die Schweiz.

 

In Zürich und Bern wird ausserdem der Dokumentarfilm "The Law in These Parts" (Israel 2011) gezeigt. Ra’anan Alexandrowicz untersucht darin das Rechtssystem, das Israel in den besetzten Palästinensergebieten praktiziert.

Zürich Film/Diskussion: Haus Hirschengraben 50, Mo, 19. November, 19 Uhr.

Basel Vortrag: Kollegiengebäude Universität, Raum 103, Petersplatz 1, Di, 20. November, 18.15 Uhr.

Bern Gespräch: Kornhausforum, Kornhausplatz 18, Do, 22. November, 12.30 Uhr; Film/Diskussion: Kino in der Reitschule, Neubrückstrasse 8, Do, 22. November, 19.30 Uhr.

 

Die palästinensische Friedensaktivistin Sumaya Farhat-Naser nimmt wieder an Veranstaltungen in der Schweiz teil.

Visp Casa Luce, Seewjinenstrasse 6, Do, 22.   November, 17 Uhr.

Spiez, Reformiertes Kirchgemeindehaus, Kirchgasse 9, Fr, 23. November, 19.30 Uhr.

Zürich Café Palestine, Hohlstrasse 67, So, 25.   November, 18 Uhr.

Bülach Reformierte Kirchgemeinde, Grampenweg 5, Di, 27. November, 19.30 Uhr.

 

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Bund 15.11.12

http://www.derbund.ch/bern/stadt/Ein-wohl-letztes-Aufbaeumen-der-SVP--ohne-Aussicht-auf-Erfolg/story/27663193

 

Leistungsvertrag mit der Reitschule

 

Ein wohl letztes Aufbäumen der SVP - ohne Aussicht auf Erfolg

 

Die SVP hat gestern einen alternativen Leistungsvertrag präsentiert - doch das Parlament dürfte heute endgültig dem Vorschlag des Gemeinderats zustimmen.

 

Für einmal kommen die Alternativen nicht aus der Reitschule, sondern aus der SVP: Gestern hat die Partei eingeladen, um den "alternativen Leistungsvertrag der SVP Stadt Bern" vorzustellen - einen Tag also bevor der vom Gemeinderat ausgearbeitete Vertrag im Stadtparlament behandelt wird. Die Aushandlung des Vertrags ist zwar Sache des Gemeinderats; der Stadtrat kann lediglich Ja oder Nein zu den Subventionen sagen. Dennoch wolle man eine "konkrete Alternative" bieten, sagte Vizeparteipräsident Erich Hess gestern im Hotel Kreuz. Die treibende Kraft hinter dem alternativen Vertrag ist Stadtratskandidat Henri-Charles Beuchat. Mit roter Farbe hat er sämtliche Änderungen festgehalten, die der Vertrag seiner Meinung nach nötig hätte. Das sind etwa folgende:

 

Der Passus "Die Stadt respektiert die basisdemokratische Struktur des Vereins Interessengemeinschaft Kulturraum Reitschule (Ikur)" würde gestrichen. Stattdessen stünde dort, die Ikur sei "ein Verein gemäss ZGB Art. 60ff", der Präsident "und seine Organe" seien haftbar für "unerlaubte Handlungen des Vereins" und die Einhaltung des Vertrags.

 

Die SVP möchte diverse Pflichten verankern. "Die Reitschule arbeitet jederzeit korporativ (sic!) mit der Polizei zusammen" etwa. Oder: "Die Reitschule ist bei jeder Demonstration geschlossen." Und: "Die Dachflächen und Hausfronten sind entsprechend den Anforderungen an eine denkmalpflegerisch geschützte Liegenschaft sauber zu halten. Sprayereien sind umgehend zu entfernen." Auch: "Die Lärmgrenzwerte sind jederzeit einzuhalten." Schliesslich: "Die Reitschule verhindert jeglichen Drogenhandel im Gebäude und auf dem Vorplatz."

 

In Bezug auf Sanktionen ist der Vorschlag der SVP unmissverständlich: "Hält der Verein den Vertrag nicht ein, führt dies automatisch zu einer fristlosen Kündigung des Vertrags."

 

Erich Hess ist gegen SVP-Vertrag

 

Ob die SVP dem von ihr selbst ausgearbeiteten Leistungsvertrag überhaupt zustimmen würde, wurde gestern nicht ganz klar. Vizepräsident Erich Hess sagte nämlich, die SVP sage grundsätzlich "zu jedem Leistungsvertrag Nein" - das habe die Partei an ihrer Mitgliederversammlung beschlossen. Denn die SVP wolle, dass die Reitschule gar nicht mehr unterstützt werde. Gemeinderatskandidat Rudolf Friedli widersprach: An der Mitgliederversammlung sei "gar nichts entschieden worden". Er würde einem Leistungsvertrag, wie ihn Beuchat ausgearbeitet hat, zustimmen, so Friedli.

 

Bürgerlicher Antrag ohne Chance

 

Nicht nur die SVP, auch die anderen bürgerlichen Parteien wollen den gemeinderätlichen Leistungsvertrag mit der Reitschule heute nicht überweisen. FDP, BDP/CVP und SVP haben gestern mitgeteilt, dass sie die erneute Rückweisung des Vertrags fordern werden. Doch damit dieses Ansinnen eine Mehrheit fände, müsste es von der GLP- und der GFL/EVP-Fraktion unterstützt werden. Daniel Klauser, Präsident der GFL/EVP-Fraktion, sagte auf Anfrage jedoch: "Wir werden dem Leistungsvertrag so, wir er nun vorliegt, zustimmen." Eine erneute Rückweisung würde die Falschen bestrafen, sagt Klauser - nämlich "die konstruktiven Kräfte in der Reitschule". Und auch GLP-Fraktionspräsident Michael Köpfli sagte: "Wir werden den Leistungsvertrag geschlossen unterstützen." So bleibt SVP-Fraktionschef Roland Jakob wohl nur die kleine Hoffnung, die er gestern am Schluss äusserte. "Das Geschäft kommt gleich zu Beginn der Sitzung an die Reihe. Vielleicht sind dann noch nicht alle linken Stadträte da." (tik)

 

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Odyssee um Leistungsvertrag

 

Heute wird der Stadtrat mit höchster Wahrscheinlichkeit den Leistungsvertrag zwischen der Stadt und der Interessengemeinschaft Kulturraum Reitschule für die Jahre 2012 bis 2015 genehmigen. Dieser sieht vor, dass die Reitschule jährlich mit 380 000 Franken unterstützt wird. Stimmt das Parlament zu, fände eine Odyssee ein Ende, die im Mai 2008 ihren Anfang nahm. Damals forderte der (damalige) GFL-Stadtrat Erik Mozsa in einem Vorstoss, die Reitschule müsse verbindliche Strukturen schaffen, einen permanenten Sicherheitsdienst einrichten und bei Demonstrationen ihr Tor schliessen, wenn sie weiterhin Subventionen erhalten wolle. Der Stadtrat überwies die Motion im Februar 2009 klar. Im März 2011 wies eine Mehrheit den Leistungsvertrag zurück, im November genehmigte sie den Vertrag nur für ein Jahr. Möglich wurde dies, weil die GFL/EVP-Fraktion die Bürgerlichen unterstützte - sie sah verschiedene Punkte der Motion Mozsa als nicht erfüllt an. Die Reitschule unterzeichnete den Einjahresvertrag nicht, seit Januar 2012 gibt es keinen gültigen Vertrag. Im September präsentierte der Gemeinderat einen neuen Entwurf, in dem Kulturauftrag und Sicherheitsaspekte getrennt geregelt sind. Obwohl die Forderungen von Mozsa nach wie vor nur teilweise erfüllt sind, will die GFL dem Vertrag heute nun zustimmen. (tik)

 

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http://www.derbund.ch/bern/stadt/Eine-Zustimmung-ist-verfrueht/story/30773668

 

"Eine Zustimmung ist verfrüht"

 

Alt-Stadtrat Erik Mozsa sieht seine Motion, die von der Reitschule mehr Kooperation mit der Polizei will, nicht erfüllt. Wenn die GFL dem Leistungsvertrag zustimme, verpasse sie eine Chance, etwas zu ändern.

 

Interview: Marcello Odermatt

 

Herr Mozsa, heute entscheidet der Stadtrat erneut über den Leistungsvertrag mit der Reitschule, inklusive einer Sicherheitsvereinbarung, wie Sie es per Motion 2008 gefordert hatten. Sind Sie nun zufrieden?

 

Einerseits finde ich klare Verbesserungen in dieser Vereinbarung. Die Zuständigkeit für gewisse Aufgaben ist klar definiert. Die Reitschule muss sich um die innere Sicherheit und die Sicherheit der Gäste kümmern. Das ist gut so, und das macht auch Sinn.

 

Aber?

 

Andererseits stelle ich fest, dass meine Motion nur halb erfüllt ist. Das Tor muss weiterhin bei Demonstrationen nicht geschlossen werden. Auch von Sanktionsmöglichkeiten lese ich gar nichts.

 

Warum finden Sie eine Torschliessung so wichtig?

 

Meine Motion hatte von Anfang an den Sinn, die Reitschule vor Gewalttätern zu schützen, damit der Kulturbetrieb aufrechterhalten werden kann. Jede Gewalttat vor der Reitschule ist Wasser auf die Mühlen der bürgerlichen Reitschule-Gegner. Um die Reitschule zu schützen, ist die Kooperation zwischen der Ikur und der Polizei zentral. Ich freue mich sehr, dass sich das Volk mehrmals hinter die Reitschule gestellt hat. Ich frage mich aber, wie lange es das noch tut. Mit einer Torschliessung bei gewalttätigen Auseinandersetzungen könnte die Reitschule nicht als Rückzugsraum für Chaoten missbraucht werden. Gerade diese Chaoten beschädigen aber das Image der Reitschule sehr.

 

Mit den Sanktionsmöglichkeiten, die Sie vermissen, würde die Reitschule statt dieser Chaoten bestraft.

 

Ich halte es für naiv, zu glauben, die Ikur wisse nicht, wer diese Chaoten sind. Warum werden diese Leute nicht angezeigt? Warum distanziert sich die Ikur nicht deutlicher von diesen Chaoten? Offenbar leben in der Reitschule einige Leute immer noch in der Albisetti-Ära. Es kann doch nicht sein, dass Polizisten wiederholt ungestraft angegriffen werden. Es braucht Sanktionen, wenn sich die Reitschule nicht an die Sicherheitsvorkehrungen hält. Sonst kapituliert der Rechtsstaat vor der Gewalt.

 

Nicht erfüllt ist auch die Forderung nach neuen Strukturen, etwa die Umwandlung der Basisdemokratie in eine Vereinsstruktur.

 

Meine Motion war kein Angriff auf die Basisdemokratie. Aber basisdemokratische Prozesse sind kompliziert, langwierig. Abschaffen wollte ich die Basisdemokratie nicht. Ich wollte aber eine effizientere Kommunikation zwischen Ikur und den Stadtbehörden. Klappt dies auch via basisdemokratische Strukturen, ist das für mich in Ordnung.

 

Wird sich mit dieser Sicherheitsvereinbarung überhaupt etwas ändern?

 

Solange es keine Sanktionsmöglichkeiten gibt und auch auf die Torschliessung verzichtet wird, habe ich grosse Zweifel, dass sich wirklich etwas ändert.

 

Vor einem Jahr hat die GFL geholfen, den Leistungsvertrag zu befristen, bis Ihre Motion erfüllt ist. Nun will die GFL zustimmen. Enttäuscht?

 

Ich platze nicht gerade vor Freude. Eine Zustimmung halte ich für verfrüht, gerade angesichts der Ereignisse rund um die Reitschule in den letzten Wochen. Würde man die erwähnten Punkte aufnehmen, hätte man die Chance, konstruktiv etwas zu ändern - jenseits von bürgerlichen Drohkulissen und linker Vogel-Strauss-Politik. Allen sollte klar sein, dass es so nicht weitergehen kann. So droht sich die Reitschule selber zu zerstören.

 

Hat die GFL kurz vor den Wahlen also kalte Füsse bekommen?

 

Das kann ich nicht beurteilen. Einiges haben wir ja erreicht. Warum die GFL nun zustimmen will, müssen Sie die aktuellen Stadträte selber fragen.

 

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http://www.derbund.ch/bern/stadt/Nause-blitzt-mit-Torschliessungszwang-ab/story/27891311

 

Nause-Direktion abgeblockt Torschliessungsfrage entschärft

 

In Sachen Torschliessung war der Wille von Motionär Erik Mozsa (GFL) klar: "Bei Demonstrationen ist das Tor der Reitschule zu schliessen", steht im Vorstoss, den der Stadtrat überwiesen hat. Die Formulierung im neuen Leistungsvertrag ist nun aber stark abgeschwächt: "Gegebenenfalls können die Betreiber das grosse Tor vorübergehend schliessen, um die Sicherheit der Anwesenden zu gewährleisten." Die Verantwortlichen für diese Light-Version sitzen in der Präsidialdirektion von Stadtpräsident Alexander Tschäppät (SP). Denn gemäss der Gesprächsnotiz einer Verhandlung vom 1. März 2012 zwischen der Stadt und den Reitschule-Betreibern, die dem "Bund" vorliegt, hatte die Direktion für Sicherheit, Umwelt und Energie (SUE) von Reto Nause (CVP) folgende Formulierung vorgeschlagen: "Bei einer polizeilichen Intervention kann im Interesse der Gäste die Direktion SUE oder die Kantonspolizei die vorübergehende Schliessung anordnen. Der Verein verpflichtet sich, der Anordnung umgehend Folge zu leisten." Der Vertreter von Tschäppäts Präsidialdirektion hat dies nicht akzeptiert. "Auf den letzten Satz könnte die Stadt allenfalls verzichten", merkte er an. Diese Intervention führte in der Folge dazu, dass gleich die Formulierung der ganzen Passage abgeschwächt wurde, sodass nicht mehr die Sicherheitsdirektion oder die Polizei über eine allfällige Schliessung entscheiden, sondern die Betreiber der Reitschule selber. Gemeinderat Nause (CVP) wollte zu dieser Desavouierung seiner Direktion nicht Stellung nehmen. (bob)

 

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Zur Person

Erik Mozsa war von 2002 bis 2009 im Berner Stadtrat für die Grüne Freie Liste (GFL). 2009 trat er aus dem Stadtparlament zurück, weil er nach Holland auswanderte. Heute arbeitet er als Gymnasiallehrer in Rotterdam.

 

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BZ 15.11.12

http://www.bernerzeitung.ch/region/bern/SVP-fordert-mehr-Leistung-im-Vertrag/story/29421479

 

Heute Entscheidet der Stadtrat

 

Die SVP fordert mehr Leistung im Vertrag

 

Heute debattiert der Stadtrat über den Leistungsvertrag mit der Reitschule. Gestern präsentierte die SVP ihre eigene Alternative zum Leistungsvertrag. Diese unterscheidet sich vor allem im Bereich Sicherheit vom Vertrag der Stadt.

 

Die SVP ist grundsätzlich gegen den Leistungsvertrag der Stadt Bern mit der Reitschule. Dies stellte Stadtratskandidat Erich Hess an der gestrigen Medienkonferenz gleich zu Beginn klar. "Sollte die Stadt dennoch einen Vertrag aushandeln, stellen wir klare Mindestanforderungen", so Hess. In einem eigenen Leistungsvertrag präsentierte die SVP eine konkrete Alternative zum städtischen Vertragsentwurf. Die wesentlichen Unterschiede sind die erhöhten Anforderungen an die Sicherheit und an die Haftbarkeit der Reitschule-Betreiber. Weiter will die SVP die Subventionen begrenzen. Neben der SVP lehnen auch FDP, BDP und CVP den Leistungsvertrag ab (siehe Kasten).

 

Mehr Sicherheit

 

"Es kann nicht sein, dass der Polizei bei der Verfolgung eines Verdächtigen der Zutritt in die Reitschule verweigert wird", sagte Gemeinderatskandidat Rudolf Friedli. Er spricht damit einen Fall an, der sich heute vor exakt einem Monat ereignet hatte. Nach einem Flaschenwurf auf ein Polizeifahrzeug am helllichten Tag beobachtete die Polizei, wie ein mutmasslicher Täter in die Reitschule geflüchtet ist. Die dort anwesenden Personen akzeptierten einen mündlichen Betretungsbeschluss nicht. Die Polizei musste den schriftlichen Beschluss der Staatsanwaltschaft abwarten (wir berichteten). Um solches Verhalten künftig zu verhindern, will die SVP im Leistungsvertrag festhalten, dass die Reitschule jederzeit mit der Polizei kooperieren muss. Weiter fordert die SVP unter anderem, dass die Reitschule bei Demonstrationen geschlossen wird. Dies, damit sie von Chaoten nicht als Rückzugsort genutzt werden kann. Zudem müsse die Reitschule Drogenhandel im Gebäude und auf dem Vorplatz verhindern. Hess meint dazu: "Andere Clubs sind geschlossen worden, weil sie Drogenhandel toleriert hatten. Wir verlangen mit dieser Forderung nur, dass die Reitschule gleich behandelt wird wie andere Clubs."

 

Mehr Verantwortung

 

Der Präsident oder die Präsidentin der Reitschule-Betreiberin Ikur müsse Verantwortung wahrnehmen und auch haftbar gemacht werden können, fordert die SVP. "Die Ikur distanzierte sich bis heute nie nachdrücklich von Übergriffen gegen die Polizei", sagte Stadtratskandidat Henri Beuchat. Die SVP will, dass der Präsident der Ikur und deren Vereinsorgane für unerlaubte Handlungen des Vereins haftbar gemacht werden können.

 

Weniger Subventionen

 

Die SVP will, dass die Stadt ihre Subventionen für die Reitschule auf die Jahresmiete in Höhe von 318 780 Franken beschränkt. Die Nebenkosten in Höhe von rund 60 000 Franken solle die Reitschule selbst bezahlen. Halte sich die Reitschule nicht an die Bestimmungen im Leistungsvertrag, würde dies automatisch zu einer fristlosen Kündigung des Vertrags führen. Selbst wenn all ihre Forderungen in ein Vertragswerk einfliessen sollten, würde die SVP einen Leistungsvertrag nur zum Teil unterstützen. "Es stellt sich die Frage, ob die Reitschule die Subventionen überhaupt benötigt", sagte Henri Beuchat. Er habe Einblick in die Buchhaltung der Reitschule gehabt. "Im Gegensatz zu der Sicherheit werden die finanziellen Belange von der Reitschule absolut professionell geführt."

 

Ralph Heiniger

 

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Keine Vorprüfung?

 

"Die Entwürfe von Verträgen sind der Präsidialdirektion und der Direktion für Finanzen, Personal und Informatik zur Vorprüfung zu unterbreiten", steht in Artikel 9 der städtischen Übertragungsverordnung. Eine solche Vorprüfung habe beim Leistungsvertrag nicht stattgefunden, so Henri Beuchat. Peter Tschanz, Generalsekretär der Präsidialdirektion, sagt dazu: "Eine erneute Prüfung war nicht nötig, da sich der neue Vertrag finanziell nicht vom letztjährigen Vertrag unterscheidet."rah

 

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Der Leistungsvertrag mit der Reitschule

 

CVP, BDP, FDP und SVP weisen Vertrag zurück

 

Eine emotionale Debatte ist programmiert: Die Opposition will den Reitschule-Vertrag zurückweisen. Das Zünglein an der Wage sind die Mitteparteien GFL und GLP.

 

Nun gilt es ernst für die Reitschule-Betreiber. Der Stadtrat entscheidet heute, ob die Stadt Bern für weitere vier Jahre die Miete fürs Kulturzentrum auf der Schützenmatte bezahlt. Dabei geht es um einen Betrag in Höhe von 1,1 Millionen Franken (380 000 Franken pro Jahr). Die Debatte zum Leistungsvertrag zwischen der Stadt Bern und der Interessengemeinschaft Kulturraum Reitschule (Ikur) dürfte emotional werden. Gestern haben die FDP, die BDP, die CVP und die SVP einen interfraktionellen Rückweisungsantrag für den Leistungsvertrag gestellt. Sie fordern einen "permanenten interner Sicherheitsdienst, der eng mit den Behörden zusammenarbeitet". Zudem verlangen sie ein Sicherheitskonzept für den Vorplatz und eine Lösung zur "Problematik mit der Torschliessung". Während die Linke entschlossen zum Leistungsvertrag steht, dürften GFL und GLP das Zünglein an der Wage spielen. Doch auch da sind die Meinungen pro Reitschule gemacht: "Wenn wir den Leistungsvertrag zurückweisen, bestrafen wir die Falschen", sagt GFL-Stadtrat Lukas Gutzwiler. "Die Ikur kann nicht für alles verantwortlich gemacht werden, was auf dem Vorplatz passiert." Zudem wäre ein vertragsloser Zustand der falsche Weg. "Der neue Vertrag ist wesentlich besser als der alte." GLP-Stadtrat Michael Köpfli fügt an: "Wir sind geschlossen für den Leistungsvertrag. Die neue Sicherheitsvereinbarung ist ein Schritt in die richtige Richtung. Eine Ablehnung dieser Verträge schadet allen konstruktiven Kräften um die Reitschule." Der Gemeinderat, um genau zu sein, die Präsidialdirektion von Alexander Tschäppät (SP), hat den Vertrag mit der Ikur ausgehandelt - und empfiehlt diesen zur Annahme. "Der Gemeinderat ist überzeugt, dass mit diesem Vertrag ein gutes Stück zum friedlichen Betrieb der Reitschule beitragen wird", schreibt der Gemeinderat im Vortrag an den Stadtrat. Der eigentliche Leistungsvertrag beschränkt sich auf das kulturelle Angebot in der Reitschule. Er hat die Vertragsbestimmungen aller anderer Verträge der Stadt Bern mit Kulturinstitutionen übernommen. Erstmals ist dem Leistungsvertrag eine schriftliche Sicherheitsvereinbarung angehängt. Darin ist geregelt, dass die Reitschule-Betreiber auf dem Vorplatz präsent sein und bei Konflikten vermittelnd eingreifen müssen. Es wird erwartet, dass die Ikur-Mitarbeiter mit der Polizei kooperieren. Polizeiarbeit dürften und müssten die Reitschule-Betreiber indes keine leisten. Nicht erfüllt ist eine Forderung der längst überwiesenen und inzwischen stadtbekannten Motion Mozsa zur Schliessung des grossen Tors auf Anordnung der Polizei. Das Tor bleibt auch künftig während Demonstrationen in der Stadt offen - mit der Möglichkeit, dass sich Chaoten in die Reitschule zurückziehen und Schutz vor Strafverfolgung finden. Tobias Habegger

 

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http://www.bernerzeitung.ch/region/bern/Dieser-Vertrag-ist-das-Papier-nicht-wert/story/14431840

 

Standpunkt

 

Dieser Vertrag ist das Papier nicht wert

 

Michael Hug BZ-Chefredaktor

Heute fällt der Berner Stadtrat seinen längst feststehenden Entscheid zum neuen Leistungsvertrag mit der Reitschule. Das tönt unspektakulärer, als es in Tat und Wahrheit ist. Dasselbe Stadtparlament, das vor einem Jahr verbindliche Regeln für die notorisch ausfällige Reitschule forderte, wird heute Abend ein vollständig unverbindliches Stück Papier durchwinken, welches dem alternativen Kulturzentrum für drei Jahre politische Ruhe, 1,14 Millionen Franken und eine Staatsgarantie für seine Definition von "Basisdemokratie" zusichert.

 

Interessant ist dieses Zeugnis mangelnder Konsequenz zunächst einmal für die Wählerinnen und Wähler, die in zehn Tagen ein neues Stadtparlament bestellen. In Bern hält eine satte linke Mehrheit in geradezu dogmatischer Sturheit zur Reitschule, die vor 25 Jahren den Wendepunkt zu ihrem eigenen politischen Aufstieg markierte. Es war deshalb aufsehenerregend, dass ausgerechnet die Grüne Freie Liste (GFL) im Herbst 2011 aus dem Rot-Grün-Mitte-Bündnis ausscherte und gemeinsam mit den bürgerlichen Parteien klarere Regeln für die Reitschule verlangte. Der Mut der nur neunköpfigen, aber für die Mehrheiten entscheidenden Gruppe währte allerdings nicht lange. Unter dem Druck der bevorstehenden Wahlen waren auch ihr die Sessel im Stadtrat wichtiger als ihr seinerzeitiges Anliegen. Diesen Sommer kehrte sie unter die Fittiche der tonangebenden Linken zurück und redet den neuen, nachverhandelten Leistungsvertrag seither als wesentlichen Fortschritt schön.

 

Das ist er aber auch bei wohlwollender Betrachtung nicht. Was der Bevölkerung hier als "Vereinbarung über die Organisation, Kommunikation und Sicherheit" verkauft wird, ist eine Ansammlung schwammiger Absichtserklärungen ohne Fristen und Verantwortlichkeiten. Zur Sicherheit hält das Papier, um nur eines von zahllosen Beispielen zu nennen, wörtlich fest: "Die Reitschule-Betreiber(innen), alle Mitarbeiter(innen) und Gäste tragen eine gemeinsame Verantwortung für gewaltfreie Konfliktlösungen und sind in diese Prozesse einbezogen." In diesem Stil ist die gesamte Vereinbarung gehalten. Sanktionen oder Konsequenzen bei Nichteinhaltung der Vereinbarung: Fehlanzeige. Stünde nicht schwarz auf weiss die Jahrzahl 2012 über dem Text, hielte man ihn für die Resolution einer Studentenvollversammlung aus dem Jahr 1985.

 

Nun ist in Bern mittlerweile eine ganze Generation mit der Reitschule gross geworden. Ihre Gründungsmitglieder, die teilweise noch im Gebäude wohnen, sind um die fünfzig Jahre alt. Die Reitschule gehört zum Berner Kulturleben und hat ihren Platz im Herzen der Bernerinnen und Berner, die sich in fünf Volksabstimmungen für ihr Weiterleben ausgesprochen haben. Die Reitschule selbst versteht es, den mittlerweile ziemlich nostalgisch anmutenden Mythos aufrechtzuerhalten. Eben erst wurde zu ihrem 25. Geburtstag wieder das Bild vom selbstverwalteten Kollektiv aufgefrischt.

 

Zur öffentlichen Sache wird die Reitschule aber dort, wo sie sich von den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern subventionieren lässt. Auf 380 000 Franken pro Jahr ist die Leistung der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler im Vertrag beziffert. Diese Unterstützung dürfte grundsätzlich bis weit ins bürgerliche Lager hinein unbestritten sein. Niemand stellt ernsthaft in Abrede, dass die Reitschule einem breiten Bedürfnis entspricht und einen grossen kulturellen Beitrag leistet. Inakzeptabel ist aber, dass sie sich gleichzeitig als politische und rechtliche Sonderzone versteht, die Extremisten und Randalierern Zuflucht bietet.

 

Es ist dieses Doppelspiel, das regelmässig für hitzige politische Diskussionen sorgt. Vor allem weil es der Linken bisher gelungen ist, jeden Kritiker der Reitschule als deren fundamentalen Gegner zu verunglimpfen, war eine pragmatische Lösung bis anhin nicht möglich. Dabei geht es gar nicht um die Existenz. Es geht lediglich darum, dass sich auch die Reitschule an minimale Standards halten muss, wenn sie von der Allgemeinheit unterstützt werden will. Nichts illustriert deutlicher, wie weit die Sonderrechte der Reitschule gehen, als die jahrealte Diskussion um die Schliessung des grossen Tors. Sämtliche technischen Argumente dagegen sind mittlerweile als Schutzbehauptungen entlarvt. Trotzdem ist nicht einmal diese Selbstverständlichkeit im Vertrag verbindlich geklärt. Im Gegenteil, er bietet sogar eine Rechtsgrundlage für weitere Renitenz.

 

Dieses Tor steht mittlerweile wie ein Symbol für die nachlässige Haltung der Stadt gegenüber ihrem Hätschelkind auf der Schützenmatte. Dabei böte es einen konkreten Ansatzpunkt: Schliesst die Reitschule das Tor auf polizeiliche Anordnung nicht, streicht die Stadt ihr die Jahresmiete. Auch für die Reitschule gilt die öffentliche Ordnung. Eine Stadt, die einen solchen Vertrag unterschreibt, kann eigentlich nicht ganz bei Trost sein. Die ideologisch verblendete Stadtratsmehrheit wird es aller Voraussicht nach trotzdem tun. Die bürgerliche Opposition sollte die Chance nutzen und das Thema Sicherheit nach dem Entscheid vor das Volk bringen. Eine solche Scheinlösung wird RGM auch der eigenen Wählerschaft kaum als Fortschritt verkaufen können.

 

Mail: michael.hug@bernerzeitung.ch

 

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20 Minuten 15.11.12

 

Reitschule: Kein Leistungsvertrag?

 

BERN. Die bürgerlichen Parteien (FDP, BDP, SVP, CVP) wollen den Leistungsvertrag mit der Reitschule heute Abend im Stadtrat zurückweisen. Allen voran die SVP: Grossrat Erich Hess schoss gestern nochmals gegen das Kulturzentrum. "Die Reithalle soll sich selbst finanzieren. Weiter sollen die Betreiber das Tor bei Demos schliessen." Die Chancen für den Rückweisungsantrag der Bürgerlichen stehen aber eher schlecht, sie bräuchten die Unterstützung der Grünen Freien Liste, um die nötigen Stimmen zu erhalten. "Eine Rückweisung ist für uns kein Thema", sagt GFL-Präsidentin Dorothea Loosli-Amstutz. Hess hat schon einen Plan B, falls der Leistungsvertrag durchkommt. "Dann müssen zumindest die Subventionen auf die Jahresmiete von 318 000 Franken beschränkt werden." Heute steht im Stadtrat die Vereinbarung mit der Reitschule 2013-2015 zur Diskussion. am


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Blick am Abend 14.11.12
Erich Hess hat nun die Reithalle lieb

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bernerzeitung.ch 14.11.12 (13:47)

http://www.bernerzeitung.ch/region/bern/SVP-will-Druck-auf-Reitschule-erhoehen/story/29421479

 

SVP will Druck auf Reitschule erhöhen

 

Am Donnerstag stimmt der Berner Gemeinderat über den Leistungsvertrag mit der Reitschule ab. Ginge es nach der SVP, sollte der Vertrag nicht zustande kommen. Und falls doch, dann nur mit Mindestanforderungen.

 


Erich Hess (SVP), Rudolf Friedli (SVP) und Roland Jakob an der Medienorientierung vom Mittwochmorgen.
Bild: Urs Baumann

 

Einen Tag vor der stadträtlichen Debatte über den Leistungsvertrag mit dem alternativen Berner Kulturzentrum Reitschule hat die SVP ihre Ideen präsentiert. Die Partei will, nicht ganz unerwartet, den Druck auf die Reitschule verstärken.

 

Am liebsten wäre es der SVP, wenn ein Leistungsvertrag mit der Stadt gar nicht zustande käme. Die Partei lehnt deshalb alle entsprechenden Vereinbarungen grundsätzlich ab.

 

Sollte die Stadt aber dennoch einen Leistungsvertrag abschliessen wollen, dann müsse dieser Vertrag gewisse Mindestanforderungen erfüllen, sagte Parteivizepräsident und Grossrat Erich Hess am Mittwoch vor den Medien.

 

Stadt soll Subventionen für die Reitschule auf Jahresmiete beschränken

 

Zu diesen Anforderungen gehört nach Ansicht der SVP, dass die Reitschul-Betreiber verantwortlich für die Sicherheit in und um die Reitschule seien und sich an die Vorgaben der Behörden hielten. Der Präsident oder die Präsidentin des Betreibervereins sei verantwortlich und haftbar.

 

Halte sich die Reitschule nicht an die Vertragsbestimmungen, führe dies automatisch zu einer fristlosen Kündigung des Vertrags, fordert die Volkspartei. Weiter verlangt die SVP, dass die Stadt die Subventionen für die Reitschule auf die Jahresmiete von 318'780 Franken beschränkt.

 

Kultur und Gewalt müssten bei der Reitschule getrennt werden, verlangte Henri Beuchat. Die Reitschule distanziere sich bis heute nicht von Übergriffen gegen die Polizei. Verbale Verunglimpfungen, Behinderung der Polizeiarbeit, Flaschenwürfe und gar Aufrufe zum Polizistenmord seien im Umfeld der Reitschule an der Tagesordnung.

 

Die SVP-Fraktion sei daran, für die Stadtratssitzung vom Donnerstag einen Rückweisungsantrag zu formulieren, sagte Fraktionschef Roland Jakob. Unterstützt wird dieser laut Jakob bislang von der FDP, der BDP und der CVP. Die GFL und die GLP dürften nun das Zünglein an der Waage spielen. (toc/sda)

 

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Rückweisungantrag FDP, BDP/CVP, SVP+

 

- Permanenter interner Sicherheitsdienst, der eng mit den Behörden zusammenarbeitet

- Die sicherheitsverantwortliche Person ist mit Namen, Adresse und Telefonnummer anzugeben

- Erstellen eines Sicherheitskonzepts für den Vorplatz

- Lösung der Problematik mit der Torschliessung bei Demonstrationen und den Sicherheitsvorschriften

 

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derbund.ch 14.11.12 (11:35)

http://www.derbund.ch/bern/stadt/SVP-will-Druck-auf-Reitschule-erhoehen/story/27663193

 

SVP will Druck auf Reitschule erhöhen

 

Einen Tag vor der stadträtlichen Debatte über den Leistungsvertrag mit dem alternativen Berner Kulturzentrum Reitschule hat die SVP ihre Ideen präsentiert.

 


Ginge es nach der SVP, würde der Leistungsvertrag mit der Reitschule nicht verlängert werden.
Bild: Adrian Moser

 

Die Partei will, nicht ganz unerwartet, den Druck auf die Reitschule verstärken. Am liebsten wäre es der SVP, wenn ein Leistungsvertrag mit der Stadt gar nicht zustande käme. Die Partei lehnt deshalb alle entsprechenden Vereinbarungen grundsätzlich ab.

 

Sollte die Stadt aber dennoch einen Leistungsvertrag abschliessen wollen, dann müsse dieser Vertrag gewisse Mindestanforderungen erfüllen, sagte Parteivizepräsident und Grossrat Erich Hess am Mittwoch vor den Medien.

 

Haftbarkeit gefordert

 

Zu diesen Anforderungen gehört nach Ansicht der SVP, dass die Reitschul-Betreiber verantwortlich für die Sicherheit in und um die Reitschule seien und sich an die Vorgaben der Behörden hielten. Der Präsident oder die Präsidentin des Betreibervereins sei verantwortlich und haftbar.

 

Halte sich die Reitschule nicht an die Vertragsbestimmungen, führe dies automatisch zu einer fristlosen Kündigung des Vertrags, fordert die Volkspartei. Weiter verlangt die SVP, dass die Stadt die Subventionen für die Reitschule auf die Jahresmiete von 318'780 Franken beschränkt.

 

Rückweisungsantrag wird formuliert

 

Kultur und Gewalt müssten bei der Reitschule getrennt werden, verlangte Henri Beuchat. Die Reitschule distanziere sich bis heute nicht von Übergriffen gegen die Polizei. Verbale Verunglimpfungen, Behinderung der Polizeiarbeit, Flaschenwürfe und gar Aufrufe zum Polizistenmord seien im Umfeld der Reitschule an der Tagesordnung.

 

Die SVP-Fraktion sei daran, für die Stadtratssitzung vom Donnerstag einen Rückweisungsantrag zu formulieren, sagte Fraktionschef Roland Jakob. Unterstützt wird dieser laut Jakob bislang von der FDP, der BDP und der CVP. Die GFL und die GLP dürften nun das Zünglein an der Waage spielen.

(mer/sda)


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Bund 14.11.12

http://blog.derbund.ch/hauptstaedter/index.php/1285/frittenbuden-teil-1-2/

 

Frittenbuden (Teil 1)

 

Heute wenden wir uns der wahrscheinlich häufigsten Beilage auf den hiesigen Speisekarten zu: Den Pommes Frites. Ein erster Testbesuch in einer Frittenbude dieser Stadt.

 

Von Benedikt Sartorius (publiziert am Wed, 14 Nov 2012 05:04:57 +0000)

 

Die häufigste Beilage auf den Speisekarten dieser Welt - zumindest auf den dänischen Hamburger-, den hiesigen Schnipo oder den französischen Rindfleischtellern? Natürlich die Pommes Frites. Die Menugestaltung scheint noch zu sagen: Ohne Fleisch gehts nicht. Doch natürlich stimmt das nicht. Denn im Ensemble mit einem gehopften Kühlgetränk hat man eine nahezu vollwertige, wenn auch sehr kalorienreiche Mahlzeit, die vorab an Ausgangsabenden sehr recht ist. Das wurde mir wiedermal bewusst, als in der vergangenen Woche die Lust auf Selberkochen oder Pizza oder Pasta gering, die Lust auf Fleisch noch geringer war, und ein Konzert in der Reitschule lockte. So kehrte ich kurz im Restaurant Sous Le Pont ein, das immer noch eine der besten Frittenbuden der Stadt ist. Was diese Pommes Frites ausmacht? Nun, wahrscheinlich die geheime Gewürzmischung, die über die schön krossen Kartoffelstäbe gestreut ist, oder aber die routiniert georderte Currymayo. Oder aber die Getränkeauswahl - und die angenehm geschäftige Stimmung im Restaurant. Kurz, wahrscheinlich alles zusammen. Natürlich gibts Pommes Frites nicht nur im Sous Le Pont, und so wird der Frittenbudenspezialist in den nächsten Wochen durch die Häuser ziehen, und sich auf die Frittierware konzentrieren. Alles andere kann bis auf weiteres getrost Beilage bleiben.

 


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kulturstattbern.derbund.ch 12.11.12

Kulturbeutel 46/12

Von Benedikt Sartorius am Montag, den 12. November 2012, um 05:21 Uhr

Herr Sartorius empfiehlt:
Jubilierende zwei Wochen für KonzertgängerInnen stehen bevor. Diese Woche im Zentrum: Das Heartland Festival ist vom Freitag bis am Sonntag in der Stadt und feiert im Dachstock und im Dampfzentrale-Musikkeller den 15. Geburtstag von Constellation Records mit einem famosen Programm - angefangen natürlich bei Godspeed You! Black Emperor, Do Make Say Think oder dem Lied-Erneuerer Sandro Perri. Dazu gibts eine Ausstellung mit Plattencovers (die bereits ab Donnerstag zu sehen ist) und ein Round-Table-Gespräch. Wer die Konzertwoche bereits früher einläuten will, der besucht eines der beiden Konzerte von Spiritualized - im Vorprogramm unsere Roy & The Devil’s Motorcycle - (am Dienstag in Lausanne, am Mittwoch in Zürich), gönnt sich den Twee-Pop von Allo Darlin’ am Mittwoch im Café Kairo oder brachialt mit Marc Ribots Ceramic Dog in der Turnhalle. Die Freude, sie ist gross, trotz der Qual der Wahl.

Frau Feuz empfiehlt:
Gehen Sie am Dienstag ins Rössli zu Buster Shuffle. Der Herr aus London bring bringt mit seinem neuen Album "Do Nothing" und der Mischung aus Ska, Rockabilly, Blues und Rock’n'Roll neuen Wind in die Ska-Szene. Am Mittwoch gehen Sie dann entweder in den Dachstock zu Balthazar (prima Indie-Pop aus Belgien) oder aber sie besuchen die Dampfzentrale und gucken, wem die Berner Filmförderung  und Musikkomission des Kantons Bern dieses Jahr ihre Preise verleiht. Musikalisch untermalt wird der Anlass von Lily Yellow und Mani Porno.

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BZ 12.11.12

Tschäppäts Idee: Partys im Parkhaus

Stadt Bern. Wenn es nach Stadtpräsident Alexander Tschäppät geht, könnten künftig Partys in Parkhäusern das Berner Nachtleben aufwerten. Wenig begeistert von dieser Idee sind die Parking- Betreiber selbst.

Es war eine aussergewöhnliche Idee, die Stadtpräsident Alexander Tschäppät Ende November aufs Parkett brachte. Dem Ausgehvolk in der Stadt fehle der Platz, sagte er an einer Podiumsdiskussion im Kulturlokal 5ème étage. Man müsse sich daher überlegen, neue Räume, beispielsweise Parkhäuser, zu erschliessen. Tanzen die Bernerinnen und Berner also bald an der ersten Party im Parking? Der Stadtpräsident wiegelt ab: "Das war lediglich eine Idee", sagt er. Weder hätten bislang entsprechende Gespräche stattgefunden, noch habe man abgeklärt, ob solche Events durchführbar wären. Der Gedanke sei ihm gekommen, weil im Rathaus-Parking bereits heute Räume an Musikbands vermietet würden. "Der Schritt hin zu Party ist nicht so gross", sagt Tschäppät. Allerdings müsse man dabei natürlich die Sicherheit der Teilnehmer gewährleisten können.

Sicherheit wäre ein Problem

Doch genau hier liegt der Hacken an der Geschichte. "Partys in unserem Parkhaus?", fragt Stephan Moser und lacht. "Das ist absolut unmöglich." Ohne Umschweife erklärt der Betriebsleiter des Rathaus-Parkings seine ablehnende Haltung: "Unser Parkhaus ist nicht für eine solche Menschenmasse gebaut. Die feuerpolizeilichen Vorschriften würden eine Party niemals zulassen." Dass einzelne Räume an Bands vermietet würden, bestätigt Moser - allerdings nicht ohne Probleme: "Es ist schon vorgekommen, dass unsere Mieter kleine Partys veranstaltet haben", sagt er. "Das ist absolut illegal und kann nicht toleriert werden."

Bauliche Massnahmen nötig

Ganz ähnlich sieht das Björn Rohrbach, der als Betriebsleiter Parkhäuser bei der Belwag AG für das Parking City-West und das Casino-Parking zuständig ist. "Eine solche Nutzung ist für uns kein Thema", sagt er. Die Notausgänge seien für 10 oder 20 Personen konzipiert, die gleichzeitig das Gebäude verlassen wollen. "Würden sich plötzlich Hunderte Menschen im Gebäude aufhalten, kann die Sicherheit nicht mehr gewährleistet werden." Die Belwag AG habe dies selbst erlebt, als sie in einem der Parkhäuser ein Firmenfest organisieren wollte, erklärt Rohrbach: "Die Behörden hatten gar keine Freude an der Idee - wir erhielten keine Bewilligung für den Anlass." Dass die Idee mit den Parkhäusern kein Selbstläufer wird, ist auch dem Stadtpräsidenten klar. "Für die Partys in den Parkings wären sicherlich bauliche Massnahmen nötigt", sagt Alexander Tschäppät. Wann und wo die Idee letztlich Realität werden könnte, wisse er im Moment aber noch nicht.
Christian Zeier

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Räume zum Feiern

Die Idee, Partys in Parkhäusern abzuhalten, ist nicht neu. In Deutschland etwa gibt es immer wieder solche Feste - manchmal mit Bewilligung wie kürzlich im niederbayerischen Deggendorf, manchmal illegal wie vor wenigen Jahren in Frankfurt. Auch in Bern weichen Partyveranstalter gerne auf alternative Orte aus. Sei es im Wald, in Höhlen oder unter Brücken - der Fantasie sind dabei keine Grenzen gesetzt. Von einer Party in einem Stadtberner Parkhaus hat diese Zeitung keine Kenntnis. Als illegale Lokalität eignet sich ein Parking ohnehin schlecht: Alle sind videoüberwacht.cze