Stellungnahme der beiden Rapper Oli Second und Mephisto (Direct Raption), zum anstehenden Podiumsgespäch "REGGAE UND HOMOPHOBIE - NICHT ZU TRENNEN?" in der Roten Fabrik.

Veröffentlicht auf www.conchez-connection.ch

19.5.08

Liebe Leute

Da wir uns seit Jahren sowohl mit Themen wie Diskriminierung und Homophobie, wie auch mit Musik als Agitationsmittel, mit Vermarktungsstrategien und dem Musikbusiness auseinandersetzen, haben wir uns entschlossen, zu der momentanen Diskussion Stellung zu beziehen.

Durch unsere Zusammenarbeit mit verschiedenen MusikerInnen aus der Reggae- und Dancehall-Szene, setzen wir uns immer wieder erneut intensiv mit den Werten dieser Subkultur und unserer FreundInnen auseinander. Wir führen auch viele Diskussionen mit Leuten aus anderen Subkulturen und treffen dabei immer wieder auf GesprächspartnerInnen, die unsere Ansichten überhaupt nicht teilen. Auch uns fällt es dabei manchmal schwer, sachlich zu bleiben, denn es geht um Themen die uns sehr persönlich betreffen und dass uns Aufrufe zu Mord an uns und unseren FreundInnen zu tiefst treffen und stock sauer machen, ist klar. Gerade deshalb finden wir es wichtig, dass Homophobie angesprochen wird und wir offen für unsere Meinung einstehen.

Was uns an der Tendenz der Debatte momentan stört, ist der zeitweilig undifferenzierte Umgang mit der Thematik. Wer die Reggae-Kultur als solche homophob darstellt, argumentiert verkürzt und handelt kontraproduktiv; gegen unser Anliegen und unsere Werte. Homophobie ist ein riesiges Problem - im Reggae wie im Hip Hop, in Jamaika wie in Europa. Texte von homophoben KünstlerInnen, werden homophobe Inhalte transportieren, egal im Kontext welcher Musikrichtung sie entstehen. Dass Reggae und Homophobie trennbar sind, beweisen uns zahlreiche lokale und internationale Acts, welche die selbe Haltung vertreten wie wir. Insofern wird am geplanten Podium erneut die falsche Frage gestellt. Sie suggeriert, dass eine ganze Musikrichtung untrennbar mit Schwulen- und Lesbenfeindlichkeit verknüpft sein könnte. Dies führt einerseits dazu, dass sich Angehörige und LiebhaberInnen dieser Musik - sehr zu recht - angegriffen fühlen und ihre Diskussionbereitschaft verloren geht. Andererseits liegt der Fokus plötzlich nicht mehr bei Sizzla und dem Auftritt in der Roten Fabrik. Es darf nicht darum gehen, über Reggae zu diskutieren, wir müssen über den Hass sprechen und wie wir damit umgehen wollen.

Homophobie entspringt meist religiösem Fundamentalismus. Dabei spielt es keine Rolle, ob Jamaikanische Rastafaris oder Polnische Katholiken auf schwuLesBische Menschen los gehen. Es spielt keine Rolle ob Sizzla davon singt, dass er Schwule erschiesse oder der Deutsche Rapper G-Hot reimt "Ich geh mit zehn MGs zum CSD und kämpf für all die Heten, die noch auf Mädchen stehn". Beide finden sie ein Publikum, welches solche Aussagen explizit will. Es ist uns klar, dass wir ihnen diesen Fundamentalismus nicht ausreden können. Trotzdem suchen wir die Konfrontation und zwar auf eine möglichst differenzierte und respektvolle Weise. Wir meinen damit NICHT, dass wir in irgendeiner Weise von unserer Grundhaltung abkommen würden, dass solche Aussagen nicht tolerierbar sind. Es geht uns im Gegenteil darum, dass wir dies klar kommunizieren können und zwar auf eine Weise, auf die es die Angesprochenen annehmen können. Es ist möglich auf Reggae zu stehen und diese Aussagen zu verabscheuen. Viele Leute tun dies auch und sind doch gezwungen, sich diesen auszusetzen, wenn sie an entsprechenden Partys feiern wollen. Wir glauben, dass genau da angesetzt werden muss, dass diese leute, die Teil dieser Szene sind, den Mut aufbringen, ihr Unbehagen auszudrücken und entsprechend der Druck auf die Artists und Soundsystems wächst. Denn ein Angebot steht ja bekanntlich immer im Zusammenhang mit einer Nachfrage.

Trotz intensivem Befassen mit dem Thema, kamen wir zu keinem gemeinsamen Schluss, welches der klügste Umgang mit dieser Situation ist. Wir begrüssen daher den Entscheid der Roten Fabrik, mittels einem Podium die Auseinandersetzung zu fördern und eine Diskussion im grösseren Rahmen zu führen, auch wenn wir wie erwähnt, die Fragestellung sehr unüberlegt und unangebracht finden. Wir bitten alle, die am Podium teilnehmen, diese Chance zu nutzen und die Debatte sachlich zu führen. Da die Rote Fabrik den Auftritt von Sizzla offensichtlich nicht absagen will, fordern wir sie auf, die menschenverachtenden Aussagen des Sängers, nicht nur am Vortag, in seiner Abwesenheit zu thematisieren, sondern dies auch am Abend der Aufführung selbst zu tun. Wir wünschen uns, dass sowohl das Publikum, wie auch Sizzla, mit einbezogen werden und sie sich der Kontroverse stellen müssen.

Von allen Leuten die sich zur Thematik äussern, wünschen wir uns, dass dies mit dem nötigen Respekt vor anderen (Sub-)Kulturen geschieht, und sie den Hass in diesen Texten und das dazugehörige Konsumverhalten kritisieren. Und nicht Reggae.

In diesem Sinne

One Love

Oli Second & Mephisto (Direct Raption)