Weitere Stimmen zum Podium in der Roten Fabrik:



Indymedia 23.5.08
http://ch.indymedia.org/de/2008/05/60318.shtml
http://savovasic.blogsport.de/2008/05/22/die-rote-fabrik-und-heterosexismus/

Rote Fabrik und Heterosexismus
 
AutorIn : sv

Die Rote Fabrik, 1980 zum linken Kulturzentrum umgenutzt, kämpft zur Zeit mit einem Problem, welches sie sich selbst aufgehalst hat. Sizzla, ein berühmt-berüchtigter, heterosexistischer Reggae- und Dancehall-Interpret und Rastafari aus Jamaika soll am 24. Mai 08 in der Konzerthalle der Roten Fabrik auftreten.    
   
Nachdem er quer durch Europa gereist ist und teilweise erfolgreich Konzerte abgehalten hat, stösst er nun auch in der Schweiz auf heftigen Widerstand aus linksradikalen und LesBiSchwulen Kreisen. Nachdem der Widerstand gegen das Konzert vom kommenden Samstag immer grösser geworden ist, sah sich das Veranstaltungskollektiv der Roten Fabrik gezwungen, ein Podiumgespräch zu organisieren, an welchem "offen diskutiert" werden könne.

Weit über hundert BesucherInnen erschienen also gestern abend in den Räumlichkeiten der Roten Fabrik um über "REGGAE UND HOMOPHOBIE - NICHT ZU TRENNEN?" zu diskutieren. Geladene Gäste waren:

Oliver Schrader - Silly Walks Movement
Moël Volken – Pink Cross
Philipp Schnyder von Wartensee – Ganglords
Nick Widmer - Our Sound
Andrew Robinson – Musiker & Veranstalter
Musikbüro – Rote Fabrik
Gesprächsleitung:
Hanspeter „Düsi" Kuenzler – Journalist, London

Schnell wurde klar, was viele schon geahnt hatten: Die Rote Fabrik will das Konzert mit allen Mitteln durchführen und erachtet den "Willen zur Diskussion" im Voraus als genügenden "Beweis" für die anti-homophobe Grundeinstellung der Veranstaltenden. Womit viele nicht gerechnet haben: Das Podium war geprägt von einem offen homophoben Vertreter der Reggae- und Dancelhall-Community, einem "liberalen Schweizer" (Selbstdarstellung), einem "dialogbereiten" Pink Cross-Vertreter und passiv-verharmlosenden Vertretern von diversen Soundsystems, die sich Sizzla's Sound zwar gerne reinziehen (die "maximal 10% Battytunes" aber doch nicht so toll finden - "but freedom of speech").

Die Veranstaltung war äusserst emotional und laut, Zwischenrufe aus dem Publikum konnten glücklicherweise immer wieder das Podiumgespräch blockieren. Nachdem der jamaikanische Redner immer wieder die Morde an Homosexuellen in Jamaika geleugnet hatte und schlussendlich einen Journalisten, der über solche Morde berichtete als "ganz sicher einen Schwulen" bezeichnete, kippte die Stimmung vollends. Mehrere BesucherInnen forderten daraufhin die Leitung des Podiums auf, sein Mikrofon auszuschalten und ihn aus dem Lokal zu schmeissen. Die Verantwortlichen der Roten Fabrik, sowie sämtliche Redner auf dem Podium weigerten sich, sprachen sogar von einer "Verweigerung des Dialoges", was doch einfach nur arg destruktiv und sowieso der falsche Weg sei.

Im Verlauf der Veranstaltung durften sich die ganzen Ethnologen ungehindert über die Eigenart der "Kulturen und Völker" auslassen, eine Frau meinte "wir als Ex-Kolonialisten dürfen nicht einfach mit dem mahnenden Zeigefinger auf Jamaika zeigen" und der jamaikanische Redner erklärte immer wieder, dass doch in der verehrten Bibel stehe, die ganze Homo-Angelegenheit sei verboten und sowieso handle es sich hier um einen Rassismus gegen alle JamaikanerInnen.

Nach dieser Veranstaltung lassen sich folgende Punkte festsetzen:

- Die Rote Fabrik weiss von Sizzlas Heterosexismus
- Trotzdem will sie das Konzert wie geplant über die Bühne gehen lassen, verteidigt ihn sogar indem sie das Einreiseverbot für den gesamten Schengen-Raum missachtet
- Die Rote Fabrik distanziert sich nicht vom latent homophoben Geschwätz der RednerInnen
- Die Rote Fabrik hält den "Reggae-Compassionate-Act", von Sizzla wohl zähneknirschend unterschrieben, für eine gültige Entschuldigung gegenüber all jenen, die seit Jahren und Jahrzenten unter der von MusikerInnen vertonten Propaganda gegen Nicht-Heterosexuelle leiden
- Die Rote Fabrik als "linkes" Kulturzentrum hält es offenbar nicht für nötig, emanzipatorische LesBiSchwule, jamaikanische Opfer heterosexistischer Gewalt oder ExpertenInnen für jamaikansiche Geschichte und Realität einzuladen

Es bleibt, sich gegen die jahrtausende alte Unterdrückung und Diskriminierung zu organisieren und solche Konzerte zu sabotieren. Doch solche Konzerte sind nur ein Teil der Geschichte - Vielleicht liesse sich andernorts, in einem emanzipierten Rahmen in Zukunft darüber diskutieren, wie die kapitalistische Gesellschaft tickt und wieso die Unterdrückung in Europa neue Formen findet, in dem man auf Parties und Klamotten das Label "schwul" aufdrückt oder schlicht und einfach, wie die Rote Fabrik den Dialog zwischen LesBiSchwulen und Heterosexisten zustande bringen will.

"Hier handelt es sich nicht mehr um ein Problem, das es zu lösen gilt,
hier handelt es sich einfach um einen Feind, der geschlagen werden muß.» (Marx)



facts 2.0 23.5.08

http://facts.ch/articles/866162-offener-brief-ein-nachdenkliches-wort-zum-podium-regg

Offener Brief: Ein nachdenkliches Wort zum Podium "Reggae und Homophobie - nicht zu trennen? "

Liebe Rote Fabrik

Ich möcht' nochmals mein Bedauern über die - in meinen Augen gescheiterte - Podiumsdiskussion zum Konzert von Sizzla von gestern kund tun. Ich finde es skandalös, dass man das Podium zu Anlass nahm uns ein allzu bekanntes und gesellschaftlich äusserst bedenkliches Rechfertigungsmuster vorzuführen, dass erschreckend faschistische Züge trug. Der Begriff mag schockieren, aber manchmal muss man die Dinge beim Namen nennen.

Anstatt die berechtigt Kritik anzunehmen und die Sache pragmatisch und im Sinne der Wertehaltung einer offenen Gesellschaft zu diskutieren, hat der grösste Teil der Gesprächsteilnehmer den Fall zu einem Ideologienstreit hochstilisiert. Die Geschichte und Religion Jamaicas wurde in bedenklicher Weise dazu benutzt die dortige Diskrimierung der homosexuellen Minderheit zu rechtfertigen und sich mir nichts, dir nichts über zwei der wichtigsten Errungenschaft einer offenen Gesellschaft und eines modernen Rechtstaats hinwegzusetzten: Die Trennung von Religion und Recht und der Schutz von Minderheiten vor der naturgemässen Übermacht der Mehrheit.

Auf das offensichtliche Dilemma, das Schwarze und Andersgläubige hierzulande auf genau diese - in meinen Augen nicht diskutierbaren - Grundsätze angewiesen sind, die mit derlei Lyrics nicht vereinbar sind, wurde kaum eingegangen und statt dessen ständig betont, dass man derlei Aussagen ja ganz einfach verbieten würde. Schlussendlich ist das jedoch eine verdächtig an kolonialen Moralismus erinnernde Methode, die den Dialog und eigentlich erwünschten Wertetransfer äusserst unglücklich zu lösen sucht.

Es sei an dieser Stelle noch auf ein weiteres faschistisches Grundmuster hingewiesen: Statt die Opfer und deren Schutz vor solcher Diskriminierung ins Zetrum der Diskussion zu rücken, wird unaufhörlich über die "Täter" gesprochen und deren Perspektive aufzuzeichnen versucht.

Ich bin mir durchaus bewusst, dass auch das Publikum des Podiums leider allzu oft mit ähnlich ideologischem Argumentarium hantierte - leider hat man das in meinen Augen jedoch durch die Fragestellung und die Art des Anlasses geradezu provoziert.

Es ist zwar lobenswert, dass ihr auf Euere Homepage auf die Problematik aufmerksam macht und Sizzlas Postion zum "Reggae Compassionate Act" darlegt und ich gehe völlig mit Euch einig, dass kategorische Verbote solcher Veranstaltungen sich eher kontraproduktiv auswirken, da sie den wertvollen interkulturellen Dialog geradezu verunmöglichen.

Ich wünschte mir allerdings, dass man statt der passiven Haltung der Unterbindung solcher diskriminierenden Aussagen mehr unternehmen und an der Veranstaltung selbst dem Thema Raum einräumen würde: Für eine "Ja zur offenen Gesellschaft" zu werben wäre prägnanter und konsequenter als im Stillen ein "Nein zu Diskriminierung" zu platzieren.

Ich möchte noch betonen, dass ich den Diskurs um die Werte einer offenen Gesellschaft und deren Untergrabung in keiner Weise auf das Phänomen der Homophobie innerhalb des Reggae und der jamaikanischen Kultur reduziert sehen möchte und ich es in gewisser Hinsicht bedauere, meine Haltung anhand dieses Beispiels darlegen zu müssen.

Um mit einem "musikalischen" Zitat zu schliessen:

"[...] One of the statements I have written on my notes here today is that men need examples - and that’s not only men, all of us are helped by examples. [...]" (Baptist rev. Saul S. Williams, 1999, Saul Williams’s Vater im seine Song "Our Father" auf dem 2001er Album "Amethyst Rock Star")

Es wär noch nicht zu spät diese Chance wahrzunehmen.

Hochachtungsvoll,
Moritz Zimmer

-- Moritz Zimmer -- omo@oio.ch -- www.oio.ch --



gregsamsa.blogsport.de 23.5.08
http://gregsamsa.blogsport.de/2008/05/23/toleranz-fuer-faschistoide-kuenstler-in-der-alternativen-roten-fabrik/

Toleranz für faschistoide Künstler in der „alternativen“ Roten Fabrik

morgen, samstag gibt der jamaikanische dancehall-künstler sizzla in der ‘linken’ roten fabrik ein konzert. dies hat wellen geworfen. weshalb? der fundamentalistische sizzla hetzt gegen homosexuelle.
nun könnte man sich fragen: ‘weshalb kommt ein linker veranstalter überhaupt dazu, queer-hetzer zu promoten?’ die antwort scheint so irrwitzig wie surreal: sizzla hat den sogenannten “reggae compassionate act” unterzeichnet. im act verpflichtet sich der künstler dazu nur liebe und friedliche musik zu spielen. er darf sein gedankengut behalten, wie er will, darf ohne probleme seine platten aufnehmen und mittels dessen seine hetze publizieren.

um einmal klar zu sagen, um was es genau geht, diese kleinen ausschnitte aus sizzlas liedern:
im lied ‘pump up’:
“Step up inna front line
fire fi di man dem weh go ride man behind
Shot battybwoy, my big gun boom”
stellt euch in einer linie auf
verbrennt die männer, welche andere männer von hinten reiten
erschiesst queers, meine grosse pistole macht ‘bumm’

ich staunte gestern nicht schlecht, als der jamaikaner im podium behauptete, sizzla hätte sich mit dem ‘compassionate act’ bei der queer-szene entschuldigt. das intro des lieds (nach dem unterzeichnen des klopapiers herausgekommen) “nah apologize” spricht für sich selbst:
“Mi mon Breadba, yuh see dem put inna di paper
Dem talk bout seh apologize fi battybwoy, apologize fi wah
Dem apologize to JAH!!! Gunshot dem fi get”
der text versteht sich von selbst.

gestern sitzten also jegliche kenner der reggaeszene (musiker, veranstalter, etc.) und jamaikakundschafter im clubraum der roten fabrik und ‘diskutierten’ über ‘homophobie’. mit dabei war auch der jamaikaner chris.
in der geschlossenen runde bekannten sich alle dazu, mühe mit homo-hass-texten zu haben. jedoch schien niemand ein problem mit andern liedern derselben künstler zu haben. man spielt die ‘friedlichen fröhlichen’ lieder gerne, ein künstler wie sizzla wird wegen seinem musikalischen können schon halb vergöttert, und ihn wegen ein paar wenigen liedern zu boykottieren wäre ja schon sehr viel verlangt. man will ja nur aufs unverzeihbare verzichten. die guten in’s töpfchen, die schlechten in’s kröppfchen (oder so). die taktik gleicht der ‘clean clothes campaign’ der evb oder der ‘max havelaar’-etikette. dass homohetze betrieben wird können wir nicht ändern, hören wollen wir’s nicht, aber anstatt die fundamentalistischen musiker nicht einzuladen und nicht zu bezahlen lässt man ihn einfach nur seine ‘guten’ songs spielen. symptombekämpfung eben.
je länger die diskussion andauerte, desto heftiger wurde der protest im saal. einige äusserten sich gegen die auf dem podium vorherrschenden tendenz der ‘beschwichtigungspolitik’. man gab seine meinung kund und zeigte offen protest. das hauptargument der podiumsteilnehmer gegen eine absage des konzerts war, dass sizzla in letzter zeit keine homo-hass tiraden von sich gegeben habe und dies an seinem konzert sicherlich nicht tun wird. aber einmal ernsthaft: kann man einem fundamentalisten ein teil seiner inhalte absprechen, ihn gleichzeitig promoten (= homohassern einen schönen abend trotz fehlender hass-lyrik bescheren) und sich selbst gleichzeitig links zu nennen? in die rote fabrik würde nicht einmal der autor und svp-nationalrat oskar freysinger gelassen, obwohl ich sicher bin, dass dessen kunst grundsätzlich friedvoller ist.

ich habe gestern sehen müssen, dass ein sich breit machender verblendeter ‘anti-rassismus’ und der wille des heutigen gutmenschentums eine diskussion über umgangsformen mit faschisten verunmöglichen. ich bin mir nämlich sicher, dass ein zürcher poet, welcher über seine alt-testamentarische religion spricht (egal ob homohass oder nicht) in der roten fabrik keine publikationsmöglichkeit fände. nicht einmal wenn er dazu noch den geilsten reggae überhaupt machte. es geht darum, dass man fremden kulturen ‘nicht intolerant’ sein möchte, und dass es sizzla und kumpanen in den falschen hals kriegen könnten, würde man ihm keine plattform mehr bieten. er könnte das ganze als rassistisch auffassen und uns als täter hinstellen. weshalb fördert man aber nicht artists ohne hass-vergangenheit? es gibt schliesslich genug solche bands. vielleicht sind nicht so viele jamaikanische bands darunter, aber als linker sollte einem die herkunft eines künstlers reichlich wenig interessieren.
das argument, dass man sizzla seine herkunft und die dazugehörigen kulturellen zustände und verhältnisse nicht verbieten könne, zieht nicht, zumal niemand einem judenhasser (egal ob er auf seine texte verzichtete oder nicht) eine veranstaltung anbieten würde. das gutmenschentum von heute erwartet diskussionsbereite homosexuelle, mit welchen man den wunsch über ihre hinrichtung diskutieren könne. man muss ja schliesslich für alle kulturen offen sein (ich erwarte einen frauendiskriminierenden poeten in der roten fabrik) und zudem sei sizzla ja eigentlich ein linker. er sei ja schliesslich gegen die globalisierung. die npd auch.

dass man schwulen- und lesbenhetze nicht einfach von der bildfläche verbannen kann ist klar. wenn bounty killer in der kaserne auftritt, kann man nicht viel tun. wenn sich aber linke zusammentun und ein konzert eines queer-hassers organisieren haben viele probleme damit. ankommen tut’s bei den verantwortlichen jedoch nicht.