Respekt 04/2008 - 6.12.08
http://www.lsvd.de/fileadmin/pics/Dokumente/News/Respekt/respekt0408_final_s14_hassmusik.pdf

Bundesverband!

Für Musik – gegen Gewalt

Wenn Hass singt, helfen nur Anzeigen


Von Günter Dworek

TrickTrick, das ist nicht der Neffe aus Entenhausen, sondern der Künstlername des Rappers Christian Mathis aus Detroit. In seinen Texten ruft er zum Mord auf, greift offen lesbisch lebende US-Schauspielerinnen und Moderatorinnen wie Ellen DeGeneres und Rosie O’Donnell an und fordert dazu auf, sie in die Luft zu sprengen. Ausserordentlich gewalttätig ist auch der Titel „The Villain“; dort heisst es: „He goes both ways/Either way he‘s gay/Ain‘t no other way to say/He‘s a f**king faggot so I‘m lettin‘ off my AK/Bust ‚em in his forehead/He ain‘t worth lettin‘ live/A man and man shouldn‘t raise another man‘s kids!“. Das heisst frei übersetzt etwa: “Er geht beide Wege, auf beiden ist er schwul, man kann es nicht anders sagen, er ist eine verfickte Schwuchtel, also nehme ich meine AK (Kalaschnikow), schiesse ihm in den Kopf, er ist es nicht wert, am Leben gelassen zu werden, ein Mann soll nicht mit einem Mann Kinder grossziehen.“

Im Dezember sollten die Titel auf den deutschen Markt gebracht werden. Der LSVD erstattete deshalb Anzeige gegen die Vertriebsfirmen GoodToGo sowie die Internetversandhäuser Amazon, bol.de und buecher.de. Aufrufe zu Gewalt gegen Einzelpersonen und Minderheiten sind nach deutschem Recht verboten. In Betracht kommen § 111 (Öffentliche Aufforderung zu Straftaten) und § 130 StGB (Volksverhetzung).

Die GoodToGo GmbH reagierte umgehend, nahm den Tonträger aus dem Programm und lieferte bereits bestellte Ware nicht aus. „Durch die Strafanzeige haben wir erstmals von dem Inhalt des Tonträgers „The Villain“ von Trick Trick Kenntnis erlangt und sind ebenso bestürzt wie Sie. Wir bedauern, den Tonträger in unser Angebot aufgenommen zu haben und versichern, dass dies bei Kenntnis seines Inhalts nicht geschehen wäre“, schreibt der Geschäftsführer an den LSVD. Die Rechtmässigkeit des Materials sei GoodToGo von einem langjährigen US-amerikanischen Vertriebspartner vertraglich zugesichert worden. Es handele sich um den ersten Vorfall dieser Art. Man verlasse sich auf die Lieferanten, dass die gelieferte Ware rechtlich und moralisch in Ordnung sei, da es unmöglich sei, alle Lieferungen selbst zu überprüfen.
Auch die Kölner Staatsanwaltschaft reagierte und beauftragte die örtliche Polizeibehörde mit entsprechenden Ermittlungen und erteilte Anweisung, gegebenenfalls die Texte der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien zur Kenntnis zu bringen.

RCA gegen Battyman Tunes

Battyman Tunes werden die Reggae- oder Dancehall-Songs genannt, in denen ausdrücklich zur Gewalt gegen Homosexuelle aufgerufen wird. Interventionen gegen die Verbreitung oder gegen Konzerte in Europa, auf denen solche Texte gesungen werden, sind Ausdruck von Solidarität mit den Lesben und Schwulen in Jamaika, denn dort prägen Menschenrechtsverletzungen gegen Homosexuelle den Alltag. Die Webseite ‚Murder inna Dancehall’ www.soulrebels.org listet Interpreten und Stücke auf – eine bedrückende Liste des Hasses.
Manche der jamaikanischen Dancehall-Interpreten haben den Reggae Compassionate Act (RCA) unterzeichnet, ein von der Britischen Lesben- und Schwulenorganisation OutRage! entwickeltes Papier. Sie verpflichten sich darin, keine Hass-Songs mehr zu performen. In der Regel geschieht die Unterschrift auf Druck von Aktivisten aus Europa und unter Androhung des Verbotes der Konzerte. Der RCA ist nicht ohne Effekt. Aber immer wieder gibt es Mitschnitte oder Videos, die zeigen, dass einzelne Interpreten die Hass-Lieder erneut gesungen, die Unterschrift verhöhnt oder die Hass-Botschaft in anderer Form neu inszeniert haben.
Einer der Doppelzüngigen ist der jamaikanische Interpret Capleton, mit bürgerlichem Namen Clifton G. Bailey. In mehreren Songs ruft er dazu auf, schwule Männer zu ermorden. So etwa „Bun Out Di Chi Chi“, „Give Har“ oder „Hang Dem Up“. Er hat sich in der Vergangenheit verpflichtet, keine Gewaltaufrufe gegen Schwule mehr zu verbreiten, doch ein Video auf YouTube dokumentiert, dass er sich wenig darum schert. Es ist von hier aus schwer zu kontrollieren, ob die Selbstverpflichtung des RCA in Jamaika eingehalten wird.

Bündnis für Musik und für Respekt

Innerhalb Europas ist das natürlich leichter. Hier manifestiert sich Homophobie vor allem bei bestimmten Musikern aus Richtungen wie Hip-Hop und Rap. Indizierung, Anzeigen und Konzertverbote sind auch hier denkbar, bringen aber nur begrenzt weiter. Man muss diese Mittel taktisch klug einsetzen, damit sich Hass-Sänger nicht als Märtyrer für die Kunstfreiheit stilisieren können.
Viel wichtiger ist daher eine gesellschaftliche Debatte, die politische Verantwortung einfordert und notfalls auch gesellschaftlich erzwingt. Wir brauchen eine Vereinbarung gegen den Hass, die gleichzeitig auch der Inhaftnahme ganzer Musikrichtungen durch einzelne homophobe Interpreten entgegenwirkt.
Engagierte Veranstalter, Musiker und Musikerinnen, Plattenfirmen, Jugendverbände und nicht zuletzt LGBT-Organisationen sollten gemeinsam ein Manifest entwickeln, das sich gegen Sexismus, Homophobie und Minderheitenfeindlichkeit in der Musik stellt. In der Schweiz ist das mit dem Berner Manifest (www.stopmurdermusic.ch) bereits gemacht worden. Ein solches Manifest können Organisationen und Einzelpersonen unterzeichen, es wäre der Start zu einer Kampagne für eine Musik, die mehr zu bieten hat als spiessige Vorurteile und Hass.