Stop Murder Music Bern

Vier Berner haben die Schnauze voll von homophoben Battyman-Tunes und wollen mit einer Kampagne erreichen, dass MusikerInnen sowie DJ(ane)s und MCs von Soundsystems, die auf solchige nicht verzichten wollen, es schwer haben, diese an den Mann/Frau zu bringen.

Wer kennt das nicht: Mensch ist gemütlich an einer Reggae-/Dancehall-Party, der Sound und die Menschen sind angenehm, die Stimmung gut. Doch irgendein Soundsystem-Mensch bringt's wieder einmal zustande, Hasspropaganda in Form von Battyman-Tunes über die Lautsprecher zu schicken und einem den Abend zu verderben. Die Vorstellung, dass der/die DJ(ane) oder MC mit Battyman-Tunes dazu aufruft, die eigenen schwulen und lesbischen FreundInnen anzugreifen oder gar umzubringen, bringt einem derart in Rage, dass mensch am liebsten die Faust aus dem Sack nehmen und ein paar Flaschen Richtung DJ(ane)-Pult werfen würde. Letzteres würde übrigens mit 100%iger Sicherheit passieren, wenn der-/dieselbe DJ(ane)/MC musikalisch dazu aufrufen würde, Schwarze zu töten, Frauen zu vergewaltigen oder Flüchtlingsheime anzuzünden.
Um uns nicht weiter die Partyabende verderben zu lassen und unsere schwulen und lesbischen FreundInnen vor Übergriffen und miese DJ(ane)s/MCs vor unseren Flaschenwürfen zu schützen, haben wir beschlossen, Soundsystems und MusikerInnen, die nicht auf Battyman-Tunes verzichten wollen, nicht mehr an unseren Partys und Veranstaltungsorten auftreten zu lassen.

Das Problem
Sie heissen Bounty Killer, Sizzla, Buju Banton, Elephant Man, Shabba Ranks, Vybz Kartel, Capelton, T.O.K. und anders und haben eines gemeinsam: Sie beweisen ihre musikalische Hetero-Männlichkeit gerne mal mit "Battyman-Tunes", das heisst mit Songs gegen Schwule und Lesben, in denen sie das Publikum u.a. zum Erschiessen und Anzünden derselbigen "auffordern" und sich dann wundern, wenn sich nicht nur ausserhalb Jamaicas Betroffene und deren FreundInnen gegen ihre Konzertauftritte wehren, da die Homohass-Propaganda nicht nur in Jamaica zu Übergriffen führt.
Eine erschreckend lange Liste von homophoben Songs samt InterpretInnen findet mensch auf www.soulrebels.org/dancehall/e_songs.htm.

Ein Beispiel für etliche Hasslieder gegen "Battyman", "Chi Chi Man" oder Battybwoy", etc., ist der Song des Bibelfans Sizzla "Nah Apoligize" (2005), den er wohl zu einem Zeitpunkt schrieb, als er die ersten finanziellen Auswirkungen des Widerstandes spürte:
Rastaman don't apologize to no battybwoy
If yuh diss King Selassie I will gunshot yuh bwoy
Gimme di whole a di girls cause a dem have di joy
Inna di Lake of fire mi dash yuh bwoy
Badman don't apologize to no battybwoy“


Zwar unterschrieben zwei Jahre später Sizzla, Beenie Man, Capleton und Buju Banton den "Reggae Compassionate" (www.soulrebels.org/dancehall/w_compassionate_001.htm, u.a. Verzicht auf homophobe Songs) doch scheint dies eher am kommerziellen Druck der erfolgreichen internationalen Stop Murder Music“-Kampagne gelegen zu haben, als an einer wirklichen inneren Einsicht. Es ist davon auszugehen, dass sie jenseits kritischer Öffentlichkeit genauso weitermachen wie bisher. Die vielen Nichtunterzeichner, wie z.B. Bounty Killer, versuchen sich ohne den "Act" durchzuschlagen.

(Un)umstrittene Konzerte auch in der Schweiz
Mitte April 2008 beglückte Bounty "Battyman" Killer die Reggae-Dancehall-Gemeinde der Schweiz und spielte ungehindert in Fribourg (Frison) und Zürich (Alte Kaserne). Wer jetzt staunt, dass ein eher "linkes" Kulturzentrum wie das Frison so einen Arsch auftreten lässt, dem sei verkündet, dass Bounty Killers Kumpel Sizzla am 24. Mai in der Roten Fabrik spielen wird. Supported vom Soundsystem Boss Hi-Fi (ZH), dass im April am "Cool & Deadly" im Dachstock Platten und (erfolglos) Sizzla-Konzert-Flyer auflegte... (mehr dazu bei www.gay.ch/family/sizzla_rotefabrik.html)

Immerhin: Das Frison distanzierte sich "vollumfänglich von jeglicher Art der homophoben Ausdrucksweise und arbeitet zurzeit an einem Konzept, welches dieser Haltung einen klaren Ausdruck verleihen soll." Und hängte an seine Presseerklärung vom 7.4.08 auch gleich noch eine "Bescheinigung, in der sich Bounty Koller dazu verpflichtet, auf der Tournee 2008 jegliche homophoben Äusserungen zu unterlassen." Und auch mit Betroffenen werde zusammengearbeitet: "Gemeinsam mit der Organisation Pink Cross möchten wir das Gewicht auf die Werte Respekt und Toleranz legen - dies mit einem Plakat und mit Flyern, die im Konzertlokal aufliegen werden."
Dass Bounty Killer 2007 die Welt zusammen mit anderen Künstlern erneut mit einem homophoben Song ("Batty Bwoy Termination" aka "Batty Bwoy Mus Die") beglückte, schien die Harmonie der Beteiligten nicht zu beeinträchtigen. Das war ja vor der Tournee 2008 und auch was danach ist, geht sie nichts mehr an.

Nazifreie Nazikonzerte?
Mit dieser Grundeinstellung des Frisons und anderer Konzertlokale könnten eigentlich auch einige Nazibands gewinnbringende Europa-Tourneen durchführen: Einfach eine Erklärung unterzeichnen, in der sie während der Tournee auf rassistische, antisemitische und national(sozial)istische Äusserungen verzichten und ab geht's in den Backstage zum gekühlten Bier. Und später auf der Bühne singt die temporär entnazifizierte Kombo einfach nur über Bergblümchen und blondhaarige blauäugige Mädchen. Wie wärs mit einem vertraglich garantiert nazifreien "Edelweiss"-Pogo-Abend mit Landser (D) und Indiziert (CH) im Dachstock...?!

Hassfreie Reggae-/Dancehall-Parties
Während sich schwullesbische NGOs wie Pink Cross und LOS oft damit begnügen, wohlwollend auf schwulen- und lesbenschonende Absichtserklärungen der VeranstalterInnen zu verweisen, Flyers zu verteilen oder Infostände zu betreiben, scheint die schwullesbische Basis Mühe mit diesem reformistischen Getue zu haben. Auch wir als kritische Reggae-/Dancehall-Veranstalter und -Fans möchten einen Schritt weitergehen. Wir wollen nicht nur homophoben MusikerInnen keine Auftrittsmöglichkeiten bieten, sondern v.a. auch den DJ(ane)s und MCs der Soundsystems, die deren homophoben Songs verbreiten. Z.B. dem Dubversive Soundsystem (ZH), dessen MC mit ekstatischen "Battyman"-Hetzparolen im März an einer i-fluss-Party derart negativ auffiel, dass das Soundsystem kurzerhand hinausgeschmissen wurde.

Das Manifest
Deshalb haben wir ein Manifest formuliert, dass sich an Veranstaltungsorte, VeranstalterInnen, Soundsystems, DJ(ane)s, MCs, und Reggae-/Dancehalle-Fans richtet. Mit der Unterzeichnung desselben verpflichten sie sich, MusikerInnen, Soundsystems, MCs und DJ(ane)s, welche Gewalt gegen Schwule und Lesben verherrlichen und homophobe Stimmungen verbreiten, keine Räume oder Plätze zur Verfügung zu stellen, sowie aktiv gegen Homohass und der Propagierung desselbigen vorzugehen.

Zu finden ist das Manifest auf der Homepage www.stopmurdermusic.ch. Wir beabsichtigen, dort neben Hintergrundinfos auch die UnterstützerInnen des Manifests zu publizieren, damit sich jedeR über die Grundhaltung ihres Clubs, Veranstaltungsortes, Soundsystems und/oder DJ(ane)s informieren kann.

Für Interessierte: Am 1. Mai machen wir im ifluss der Reitschule Bern (ab 20 Uhr) eine Infoveranstaltung zu unserem Projekt - supported vom Soundsystem Vibes Shacker Sound (BE, Freedom Warriors)


Stop Murder Music Bern, April 2008