MEDIENSPIEGEL 28.7.08

Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Programm
- Paradisli
- Sans-Papiers: Gerichtsurteil
- Schnüffel-Staat


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REITSCHULE
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PROGRAMM:

Mi 30.07.08 
20.00 Uhr  Vorplatz  Offene Bühne - Street Art

Do 31.07.08    
20.00 Uhr     Vorplatz  DJ Durium (BE) - Funk, Easy Listening, Acid & Future Jazz, Triphop

Fr 01.08.08

18 Uhr  Grosse Halle     
Antifafestival http://www.antifafestival.ch

19.00 - 20.00 PROTONPROD
20.15 - 21.15 NRK
21.30 - 22.30 Opcio K-95
22.45 - 23.45 UK SUBS
24.00 - 01.00 Commandantes
01.15 - 02.15 Hoffnungslos

Sa 02.08.08  

18 Uhr  Grosse Halle     
Antifafestival http://www.antifafestival.ch
19.00 - 20.00 Inner Terrestrial
20.15 - 21.15 MAKHIPHOP
21.30 - 22.30 Two Tone Club
22.45 - 23.45 A.C.K
24.00 - 01.00 Oi Polloi
01.15 - 02.15 ReadyKill

Balder Fly http://www.konsortium-konsorten.org
21h Tojo "Balder-Fly-Preview 2: Die industrielle Revolution".
22h Tojo "Konzert von Manana me chanto (Brasil-Groove)".

So 03.08.08    
08h  Grosse Halle/Vorplatz:  Flohmarkt
http://www.reitschule.ch/reitschule/grossehalle/floh.html

Vorplatz-Belebungs-Bar: Di-Sa ab 16 Uhr
Vorplatz-Belebungs-Kultur-Imbiss: Do-Sa ab 19.30 Uhr
Vorplatz-Belebungs-Infos: http://www.vorplatz.ch


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PARADISLI
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Bund 27.7.08

Paradisli in Schuldenhölle

Am Samstag meldete sich das Paradisli mit einem Konzertmarathon auf dem Berner Waisenhausplatz zurück

Der Kulturverein Paradisli vermag mit dem "Solianlass" nur wenig Leute anzuziehen.

Um das Paradisli ist es ruhig geworden. Seit der Verein den Rechtsstreit gegen die Stadt Bern verlor und das Bauernhaus an der Laubeggstrasse 36 räumen musste, verschwand die "Kulturoase" aus den Schlagzeilen. Am Samstag meldete sich die 20 Köpfe zählende Gruppe mit einem "Solianlass" auf dem Berner Waisenhausplatz zurück.

Bemühungen um Progr-Atelier

"Das Paradisli steht ohne Haus, aber mit einem Berg Schulden auf der Strasse", schreibt der Verein auf dem Flyer. Kollekte, Crêpe- und Getränkeverkauf sollen die Kasse wieder auffüllen. Grund für den finanziellen Notstand waren nicht etwa eine hohe Miete - sie betrug knapp siebzig Franken - sondern die Gerichtskosten. "Über 10000 Franken" habe der verlorene Rechtsstreit mit der Stadt gekostet, sagt Jonas Brüllhardt vom Paradisli. Weil aber beim Mietamt noch ein Verfahren hängig sei, habe der Verein noch einen Funken Hoffnung, irgendwann ins Bauernhaus zurückkehren zu können. Freilich halte der Verein auch nach Alternativen Ausschau, sagt Brüllhardt. Die Suche gestalte sich allerdings schwierig, stelle sich doch die Stadt oftmals quer. Zum Beispiel sei die Bewerbung um ein Atelier im Progr "an Voreingenommenheit" gescheitert. Laut Brüllhardt gibt es im Departement Hayoz eine Direktive, mit dem Paradisli keine Verträge mehr abzuschliessen.

Glaube an Rechtsstaat verloren

Immerhin erlaubt die Stadt einen zehnstündigen Konzertmarathon an bester Lage. Dem Verein wird damit ermöglicht, einen Ausweg aus der finanziellen Misere zu finden, die er sich mit seinem Rechtsstreit gegen dieselbe Stadt eingebrockt hat. Um die Bewilligung sei man auch sehr froh, sagt Brüllhardt. Dennoch: Das Vertrauen "ins System" sei erschüttert. "Viele glauben nicht mehr daran, dass in einem Rechtsstaat alles gerecht abläuft." Seine pazifistische Überzeugung wolle der Verein aber nicht aufgeben, wie die in der Tat äusserst friedliche Atmosphäre auf dem Waisenhausplatz beweist. Am Nachmittag gruppieren sich nur vereinzelt Leute unter den Partyzelten. Sie trinken Fruchtsäfte, Kambouchatee und vor allem Bier. Ein Hauch von Open-Air-Stimmung breitet sich erst gegen 21 Uhr aus. Die Band Los Yukas vermag als erste und letzte die Tanzfreudigen zu animieren. Unter den mittlerweile 200 Anwesenden findet sich auch Zuschauerin Loredana Häfeli: "Ich geniesse die ungezwungene Atmosphäre; politisch bin ich jedoch nicht gross informiert." Weitaus weniger Freude bereitet das betont fröhliche und nicht eben leise Treiben den Angestellten des Restaurants "Il Grissino". Der Chef de Service beklagt Einnahmeausfälle und fügt hinzu: "Wenn das das Paradies ist, dann weiss ich auch nicht . . ."

Philipp Schori

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SANS-PAPIERS
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Bund 27.7.08

Freispruch für Sans-Papiers

Das Berner Obergericht hebt eine Verurteilung wegen illegalen Aufenthalts auf
Die Vorinstanz hatte dem Nigerianer wegen illegalen Aufenthalts eine unbedingte Freiheitsstrafe aufgebrummt, das Obergericht sprach ihn nun frei: Der Mann könne gar nicht ausreisen, da er, obwohl er sich redlich darum bemühe, keine gültigen Papiere habe.

Reist ein illegal im Lande weilender Ausländer nicht aus, dann droht ihm nicht nur eine administrative Ausschaffungshaft. Illegaler Aufenthalt gilt in der Schweiz auch als Straftat - und kann letztendlich auch mit Freiheitsstrafen geahndet werden.

Dies erfuhr ein abgewiesener Asylsuchender aus Nigeria, als er im Juni 2007 vor einem Strafrichter im Kanton Bern erscheinen musste. Der Richter verurteilte ihn wegen illegalen Aufenthalts, hob den bedingten Vollzug einer früheren Strafe auf und auferlegte dem Mann (im Sinne einer Gesamtstrafe) eine unbedingte Freiheitsstrafe von zwei Monaten. Der Nigerianer appellierte gegen diesen Entscheid ans Berner Obergericht - mit Erfolg, wie das kürzlich publizierte Urteil zeigt.

Am 1. November 2006 war der Nigerianer in die Schweiz eingereist. Er stellte am 4. Dezember 2006 ein Asylgesuch, auf welches die Behörden nicht eintraten. Der Mann wurde unverzüglich weggewiesen, seine Beschwerde gegen die Wegweisung am 30. Januar 2007 abgelehnt. Er hätte die Schweiz somit am 31. Januar 2007 verlassen müssen, doch er ist immer noch da.

Mehrfach wurde der Nigerianer darauf wegen illegalen Aufenthalts verurteilt, letztmals im Juni 2007.

Termine auf der Botschaft

Nun kann, wie das Berner Obergericht anmerkt, ein Asylsuchender ohne gültige Identitätspapiere gar nicht legal in ein anderes Land ausreisen. Er ist aber nach dem schweizerischen Asylgesetz verpflichtet, nach Vorliegen eines vollstreckbaren Wegweisungsentscheids bei der Beschaffung gültiger Reisepapiere mitzuwirken. Ob der Angeschuldigte dies genügend getan hatte, war im Strafprozess umstritten.

Der Mann konnte belegen, dass er im Juni und September 2007 und im März 2008 bei der Botschaft seines Heimatstaats vorgesprochen hatte. Er hatte den Migrationsdienst des Kantons Bern jeweils über diese Treffen informiert. Während der Staatsanwalt Zweifel anmeldete, in welchem Zusammenhang diese Vorsprachen erfolgt seien, gingen die Oberrichter davon aus, dass es bei diesen Terminen um die Beschaffung der Papiere gegangen sei und dass der Angeschuldigte somit "kooperativ" mitwirke. Die dritte Verurteilung durch einen Basler Richter im Juni 2007 habe beim Angeschuldigten offenbar einen Gesinnungswandel bewirkt, fanden die Berner Oberrichter. Fazit: Der Nigerianer bemühe sich um seine Ausreise, könne diese wegen immer noch fehlender Papiere aber nicht vornehmen. Wie das Bundesgericht in einem Urteil im Juli 2007 festgehalten habe, könne einem Angeschuldigten aber bei objektiver Unmöglichkeit der legalen Ausreise strafrechtlich nicht vorgeworfen werden, dass er die Schweiz nicht verlassen habe, betonte das Obergericht. "Das strafrechtliche Schuldprinzip setzt die Freiheit, anders handeln zu können, voraus."

"Redliches Bemühen"

Das Obergericht billigte dem Nigerianer zu, er habe aufgrund seines "redlichen Bemühens" um die Beschaffung der Identitätspapiere "nicht billigend in Kauf genommen, weiterhin rechtswidrig in der Schweiz zu verweilen". Der subjektive Tatbestand des rechtswidrigen Aufenthalts sei darum nicht erfüllt, fanden die Oberrichter und sprachen den Angeschuldigten frei.

Stefan Wyler

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SCHNÜFFELSTAAT
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Musterbriefe für Ficheneinsichts-Gesuch bei Datenschützer
http://grundrechte.ch/2008/aktuell26062008.shtml

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Sonntagsblick 27.7.08 (vollständig)

Urs von Daeniken, oberster Staatsschützer:

"Wir brauchen mehr Daten wegen der Terroristen"

INTERVIEW: VIKTOR PARMA

Der Chef des Inlandnachrichtendiensts DAP, Urs von Daeniken, steht unter Beschuss und fordert dennoch einen Ausbau des Staatsschutzes.

Herr von Daeniken, Ihre Arbeit weckt zurzeit ungute Erinnerungen. Immer mehr Fälle neuer Fichenopfer tauchen auf. So begann doch schon der Fichenskandal 1990. Was kommt diesmal auf uns zu?

Urs von Daeniken: Es gibt keine neue Fichenaffäre. Die starke Zunahme der Bearbeitungen hat vor allem mit der Gefährdungslage im Bereich Terrorismus zu tun, nicht mit einem Rückfall in frühere Zustände.

Warum lassen Sie beim Inlandnachrichtendienst wieder unbescholtene Politiker und Journalisten fichieren? Beispiele dafür wurden am Mittwoch in Bern präsentiert.

Konkrete Fälle kann ich nicht kommentieren. Wir halten uns aber an die gesetzlichen Grundlagen. Wir registrieren niemanden wegen Sachverhalten, die nichts mit gewaltextremistischen oder terroristischen Umtrieben oder andern im Gesetz erwähnten Sicherheitsrisiken für die Schweiz zu tun hätten.

Geht denn von Schweizer Parlamentariern und Journalisten wirklich Terrorgefahr aus?

Natürlich nicht. Ich kann auf Einzelfälle nicht eintreten, aber wer zum Beispiel an Demonstrationen oder Versammlungen beteiligt ist, bei denen Gewalt angewendet wird oder an der eine gewalttätige Gruppierung beteiligt ist, kann registriert werden. Das sieht das Bundesgesetz über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit, das nach der Fichenaffäre geschaffen wurde, ausdrücklich vor.

Unser Land ist doch - nach Erkenntnissen Ihres Dienstes -nicht primäre Zielscheibe von Terroristen.

Das stimmt, zum Glück ist bei uns in letzter Zeit nichts Gröberes passiert, doch nahmen die terroristischen Gefährdungen in den letzten Jahren zu. Ich möchte keine Terrorängste schüren, doch unser Abwehrdispositiv genügt der heutigen Gefahrenlage nicht mehr. Es gibt - wie der Bundesrat mehrfach festgestellt hat - gravierende Lücken.

Was für Lücken? Wie stark wollen Sie Ihren Apparat denn noch ausbauen?

Wir möchten den Schutz der Schweiz und ihrer Bewohner tatsächlich noch etwas verbessern und dem europäischen Niveau annähern. Die Vorschläge sind bereits in der parlamentarischen Beratung. In den Bereichen Terrorismus, verbotener Nachrichtendienst und Proliferation würden unsere Kompetenzen für die Überwachung gefährlicher Personen erweitert. Das Personal würde voraussichtlich nur um 40 Stellen ausgebaut.

Ihre Offensive weckt zunehmend Ängste. Der Verein Grundrechte. ch wirft Ihnen die systematische Überwachung politischer Aktivitäten vor.

Eine Person, die ihre demokratischen Rechte wahrnimmt, muss vor uns wahrhaftig nicht Angst haben. Ich kämpfe mit meinem ganzen Dienst für Demokratie und Menschenrechte und dafür, dass die Schweiz ein freies und sicheres Land bleibt. Demonstrationen ohne Gewalt und ohne Beteiligung gewaltextremistischer Organisationen - also 99 Prozent aller Kundgebungen in der Schweiz - interessieren uns nicht.

Geht Ihre Art Sammelwut nicht einfach zu weit?

Wir sammeln nur so viele Daten wie nötig und so wenige wie möglich. Wir werden intern und extern mehrfach kontrolliert, vom Parlament, dem Datenschutzbeauftragten und dem Inspektorat unseres Departements. Alle Kontrollen zeigen, dass die Registrierungen rechtmässig erfolgen. Unsere Informationsbeschaffung ist streng kontrolliert.

Datenschützer Thür ist besorgt. Er hält das bestehende, nur indirekte Einsichtsrecht für ungenügend. Er fordert für die Betroffenen grundsätzlich ein direktes Einsichtsrecht.

Heute kann jeder bei ihm um Auskunft ersuchen. Bei einem direkten Einsichtsrecht wären viele Ausnahmebestimmungen nötig. Sonst müssten ja zum Beispiel einem Terrorverdächtigen Auskunft über ihn betreffende Informationen erteilt werden. Das wäre widersinnig und nicht im Interesse der Sicherheit der Schweiz.

Der Datenschutzbeauftragte kennt Ihre Arbeitsweise und fordert bessere Kontrollmöglichkeiten.

Er hilft uns, unsere Arbeit gut zu machen. Er kann alles kontrollieren. Er hat nicht gesagt, wir hielten uns nichts ans Gesetz oder unsere Arbeitsweise sei nicht in Ordnung. Wir registrieren keine Leute, die ihre demokratischen Rechte auf gewaltfreie Art wahrnehmen.

Sie kämpfen gegen "Gewaltextremisten", doch Hand aufs Herz: War nicht auch unser Nationalheld Wilhelm Tell ein gewaltextremistischer Attentäter?

Dieser Vergleich hinkt aber gewaltig. Die heutige Schweiz wird von keinem Gessler geknechtet. In unserem demokratischen Land wird niemand unterdrückt.

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Der Staatsschutz will mehr Kontrolle:

Neuer Spitzel-Boom!

VON VIKTOR PARMA

Die Schlapphüte sind wieder am Werk - und wie: immer mehr Fichen, Mittel, Personal, Machtbefugnisse. Neue Ängste werden wach.

Die Staatsschützer entgegnen Ihnen, viele ihrer Einträge führten ja zu einem positiven Ergebnis. Nämlich dass die Abklärungen zeigten, es bestehe keine Gefahr.

Zug um Zug erweitert der Staatsschutz seinen Aktionsradius: mit mehr Mitteln und mehr Kompetenzen. Urs von Daeniken begründet dies im Interview mit SonntagsBlick mit der steigenden Terrorgefahr - vor allem durch "Gewaltextremisten", Spione und Atomschmuggler. Die meisten der 110 000 Fichen betreffen jedoch Ausländer, versichern die Staatsschützer, nur 4000 bis 5000 befassten sich mit Schweizern. Deren Anteil liege unter vier Prozent. Schweizer und in der Schweiz lebende Ausländer zusammen machten weniger als zwölf Prozent aus.

Staatsschützer von Daeniken hat jedoch mit zunehmendem politischem Gegenwind durch linke, liberale und grüne Parlamentarier zu kämpfen. Die Zahlen der Fichen seien "alarmierend", beklagt etwa der Baselbieter SP-Ständerat Claude Janiak (59), der Ende Jahr zum Präsidenten der Geschäftsprüfungsdelegation aufsteigen wird und eine Untersuchung des Staatsschutzes vorantreiben will. Den von Urs von Daeniken geforderten Ausbau des Staatsschutzes hat die Rechtskommission des Nationalrats bereits zurückgewiesen und zusätzliche Auskünfte verlangt.

Die Sammelwut der Staatsschützer weckt zunehmende Skepsis. In Basel sorgten Fichen kurdischstämmiger Grossratsmitglieder für Empörung, aber auch der Fall des kurdischen Krankenpflegers, Idris T., 54, seit 24 Jahren in Basel, der sich einbürgern lassen wollte, jedoch in der Sicherheitsprüfung hängen geblieben war. Helmut Hubacher, Ex-Präsident der SP Schweiz, kennt den Mann persönlich und verbürgt sich für ihn: "Ich würde für ihn die Hand ins Feuer legen." Zusammen mit weiteren Kritikern des Staatsschutzes befürchtet Hubacher einen Rückfall in die Zeit, als 900 000 Bürger fichiert wurden - so lange, bis der "Fichenskandal" 1989 aufflog (Box rechts).

"Die Geschichte wiederholt sich nicht", beschwichtigt Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf. Man werde in der Schweiz nicht schon deshalb verzeichnet, nur weil man politisch tätig sei. Anders als vor dem Fichenskandal, gebe es heute ein indirektes Einsichtsrecht: Der Eidgenössische Datenschutzbeauftragte, Hanspeter Thür, kann stellvertretend für die Betroffenen die Fichen einsehen. Mit dieser Praxis habe man, sagte Widmer-Schlumpf, "gute Erfahrungen gemacht".

Thür selber sieht das anders. Nur in Ausnahmefällen darf er betroffenen Einsicht in ihre Daten gewähren, "wenn damit keine Gefährdung der inneren oder der äusseren Sicherheit verbunden ist und wenn der gesuchstellenden Person sonst ein erheblicher, nicht wieder gutzumachender Schaden erwächst".

Von dieser Befugnis hat er jetzt - erstmals seit Einführung des Staatsschutzgesetzes 1998 - auch Gebrauch gemacht. So erlaubte er dem Zürcher Gemeinderat Balthasar Glättli (Grüne) und Journalisten der "Wochenzeitung" (WoZ) Einsicht in die Akten. Ihre Fälle wurden am Mittwoch in Bern vom Verein grundrechte.ch präsentiert.

Grundsätzlich fordert der Datenschutzbeauftragte Thür ein direktes Einsichtsrecht. Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf erwägt nun, nachzubessern und will "nach Möglichkeiten suchen, wie man dies vielleicht etwas anders gestalten kann". Im Raum steht die Überlegung, "ob es ein allgemeines Einsichtsrecht mit vielen Ausnahmebestimmungen geben soll".

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HELLHÖRIG

Eveline Widmer- Schlumpf nimmt Bedenken von Kritikern auf.

"Ein anderes Einsichtsrecht wäre möglich" Eveline Widmer-Schlumpf

Fichenskandal

Die Aufdeckung des Fichenskandals 1990 hat die schweizerische Öffentlichkeit stark bewegt. Nach und nach war ans Licht gekommen, dass die Bundesbehörden und auch die kantonalen Polizeibehörden rund 900 000 Fichen angelegt hatten. Das Vertrauen vieler Bürger in den Staat war erschüttert. Viele Bürger reichten Gesuche ein, um die Herausgabe ihrer Fichen zu erreichen. Man war sich einig: Das darf nicht wieder passieren. Bundesrat und Parlament beschlossen 1998 ein restriktives Staatsschutzgesetz. Jetzt aber soll es bereits revidiert werden: Richtung Ausbau des Staatsschutzes.

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"Ich befürchte eine Grauzone"

FICHEN

Der Eidgenössische Datenschützer Hanspeter Thür (59) fordert griffigere Regeln gegen übereifrige Staatsschützer. Für Betroffene sollten die Einträge offengelegt werden.

Herr Thür, kehrt der alte Fichenstaat zurück? Schnüffeln die Staatsschützer wieder wie in alten Zeiten?

Hanspeter Thür: Das weiss ich nicht, doch befürchte ich, dass eine Grauzone entsteht und deshalb zu viele Einträge gesammelt werden.

In Ihrer Funktion als Datenschützer haben Sie stellvertretend für die Betroffenen ein Einsichtsrecht. Genügt Ihnen das nicht?

Nein, aus meiner Sicht nicht. Dieses Einsichtsrecht ist sehr beschränkt. Es bedeutet, dass der Betroffene selber die Einträge gar nicht kennt und auch nicht kennenlernen darf. Ich darf mit ihm nicht in Kontakt treten, um die Richtigkeit der Einträge zu überprüfen.

Was möchten Sie an dieser Regelung ändern?

Im Normalfall soll sich der Betroffene selber ein Bild machen können. Nur in Ausnahmefällen soll er den Umweg über mich gehen müssen.

In was für Ausnahmefällen?

Wenn durch die Offenlegung Kriminelle gewarnt werden könnten oder Staatsschutzinteressen auf dem Spiel stehen.

Ich möchte in einer Staatsschutz-Datenbank nichts Positives über mich drinhaben, sondern gar nichts.