MEDIENSPIEGEL 5.8.08

Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Programm
- Rechtsextreme
- Sozialismus oder Tschäppät: Stapi goes Kuba
- SP-"Sicherheits"-Papier
- Polizeiliche Sicherheitsassistenten PSA
- Kokain

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REITSCHULE
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PROGRAMM:

Mi 6.8.08  20h Lounge: From Heartbeats and Heartbreaks

Do 7.8.08
19.30 Los Fastidios (Italien) - Streetpunk - pünktlicher Beginn!!!
http://www.losfastidios.com/

21.00 Nur Sound (Bern) - Dubstep, Jungle, Drum'n'Bass, Elektro, Hiphop
http://www.myspace.com/nurnet

Fr 08.08.08      20.00 Uhr     Vorplatz       
The Monofones (Bern) - Garage House-Punk-Trash
http://www.myspace.com/monofones

Sa 09.08.08      
21.00 Uhr     Grosse Halle       
Balder-Fly-Preview 3: "Die Lust der Zerstörung"
http://www.konsortium-konsorten.org

22.00 Uhr     Grosse Halle
DJ Dave Canina (Electronica / House / Techno)

22.00 Uhr     Innenhof     
Grannysmith, The Bucks, dj's forensic + jane vayne
(Konzert zum SLP Saisonstart)
http://www.thebucks.ch
http://www.grannysmith.ch

So 10.08.08     19.00 Uhr     Vorplatz     
Fahrradkarawane Chiapas: Essen (ab 20Uhr im ifluss-Infoveranstaltung zur aktuellen Lage in Chiapas mit Caracol Freiburg)
http://www.chiapas-karawane.ch.vu

Vorplatz-Belebungs-Bar: Di-Sa ab 16 Uhr
Vorplatz-Belebungs-Infos: http://www.vorplatz.ch


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RECHTSEXTREME
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Bund 4.8.08

Rechtsextreme feiern in Bümpliz

Über 200 Rechtsextreme haben am Samstag ein Konzert im Bienzgut Bümpliz veranstaltet. Die Organisatoren mieteten den Raum für einen "Kundenanlass".

Hans Stucki traute seinen Augen nicht: "Vor dem Bienzgut standen Leute mit Glatze und schwarzen Stiefeln herum", sagt der Geschäftsführer des Bienzgut-Trägervereins. Die Skinheads hatten im Dachstock ein Konzert der rechtsextremen Bands Indiziert und Amok besucht. Der Raum war zuvor von einem Herrn Rohrbach für den "Kundenanlass" eines CD-Labels gemietet worden. Bei Herrn Rohrbach dürfte es sich um Cedric Rohrbach, den Schlagzeuger der Burgdorfer Band Indiziert, gehandelt haben. Der Hausverwaltung und der Stiftung für Bümpliz/Bethlehem/Bottigen/ Riedbach als Trägerschaft des Bienzguts war dies aber offenbar nicht bekannt. Angesichts dieser "Verschleierungstaktik" fühle sich die Stiftung von den Organisatoren "hintergangen", heisst es in einer Medienmitteilung. Die Stiftung will nun genauer nachfragen, an wen sie ihre Räume vermietet. Künftig soll auch eine kurzfristige Kündigung des Mietvertrags möglich sein, "wenn die öffentliche Sicherheit gefährdet wird", sagt Stucki. Der Kantonspolizei wiederum war bekannt, dass Rechtsextreme am Samstag ein Konzert im Raum Bern organisieren. "Wir haben bereits im Grauholz 200 Personen kontrolliert", sagt ein Sprecher. Dabei seien aber weder verdächtige Gegenstände noch einschlägige Flugblätter gefunden worden. Als klar war, wo die Konzerte stattfinden würden, habe man den Ort überwacht. "Es blieb ruhig", sagt der Sprecher.

Die Band Indiziert musste sich wegen ihrer Texte bereits vor dem Richter verantworten. Amok ist eine Zürcher Band aus dem Umfeld der Skin-Organisation Blood&Honour. Die Band-Mitglieder seien namentlich nicht bekannt, sagt Rechtsextremismus-Experte Hans Stutz. Amok fallen durch "besonders grausame Texte" auf. In einem ihrer Lieder ruft die Band zur Ermordung von Hans Stutz auf. "Ich habe Strafanzeige gegen unbekannt eingereicht", sagt Stutz. (bob)

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20min.ch 4.8.08

Rechtsextreme Band spielte im Bienzgut

"Wir fühlen uns hintergangen", sagt Hans Stucki, Geschäftsführer der Stiftung Bümpliz/Bethlehem/Bottigen/Riedbach.

Der Grund: Am Samstagabend gab die rechtsextreme Band Indiziert im Begegnungszentrum Bienzgut ein Konzert. "Wir bedauern sehr, dass diese Band einen ­ordentlichen Mietvertrag für die Heubühne er halten hat", so Stucki. Die Trägerschaft ­habe nichts davon gewusst, dass hinter der Mietanfrage rechte Kreise steckten. Offenbar wurde der Veranstaltungsort selbst den Konzertbesuchern erst kurz vorher bekanntgegeben.

"Wir haben im Grauholz etwa 200 Personen kontrolliert, welche wir rechtsextremen Kreisen zuordneten", sagt Polizeisprecher Thomas Jauch. Dabei habe die Kapo nichts strafrechtlich Relevantes festgestellt. "Beim Bienzgut selber waren wir dann präventiv vor Ort", so Jauch.

sah

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espace.ch (SDA) 4.8.08

200 Personen bei Indiziert-Konzert kontrolliert

Im Begegnungszentrum Bienzgut in Bern-Bümpliz hat am Samstag gemäss einer Mitteilung der Trägerschaft ein Konzert der rechtsradikalen Band Indiziert stattgefunden. Die Trägerschaft wusste im Vorfeld nichts davon und fühlt sich hintergangen.

Die Trägerschaft bedaure, dass die Organisatoren einen  ordentlichen Mietvertrag für die so genannte Heubühne erhalten  haben, schrieb Geschäftsführer Hans Stucki am Montag in einer  Mitteilung. Mit der Person, die den Vertrag erhielt, habe er vorher  schriftlich und persönlich Kontakt gehabt, sagte Stucki auf  Anfrage. Es sei ihm nichts aufgefallen.

Ab sofort behalte sich die Trägerschaft aber in allen  Mietverträgen das Recht vor, kurzfrsitig zurückzutreten, wenn eine  Veranstaltung die "öffentliche Sicherheit, Ruhe und Ordnung"  gefährde.

Ein Sprecher der Kantonspolizei Bern bestätigte am Montag, dass  am Samstag präventiv Patrouillen in Bümpliz waren. Im Grauholz habe  die Polizei zudem rund 200 Personen aus dem rechten Spektrum  kontrolliert. Dabei sei nichts strafrechtlich relevantes  festgestellt worden.

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bienzgut.ch 4.8.08

Zur Veranstaltung vom Samstag 2. August im Begegnungszentrum Bienzgut

Ohne Wissen der Trägerschaft fand am Samstag 2. August im Begegnungszentrum Bienzgut eine Veranstaltung rechtextremer Kreise statt. Dass die Organisatoren der Veranstaltung vom letzten Samstag einen ordentlichen Mietvertrag für die Heubühne erhalten haben, bedauern wir. Wie wir vernommen haben, war der Veranstaltungsort bis zuletzt geheim gehalten worden, beziehungsweise er wurde den Teilnehmenden erst an an einem Treffpunkt im Raum Bern bekanntgegeben. Diese Verschleierungstaktik zeigt auf, dass es den Veranstaltern selber bestens bekannt war, dass sie mit der Veranstaltung die öffentliche Sicherheit, Ruhe und Ordnung hätten gefährden können. In diesem Sinne fühlen wir uns als Vermieter von den Organisatoren hintergangen. Wir haben nun Massnahmen getroffen, damit in Zukunft für Veranstaltungen, die die öffentliche Sicherheit, Ruhe und Ordnung gefährden können, keine Mietverträge mehr ausgestellt werden. Die Stiftung für Bümpliz/Bethlehem/Bottigen/Riedbach dankt der Kantonspolizei für die präventive Sicherung des Veranstaltungsortes.

Für weitere Informationen wenden Sie sich an
    
> Hans Stucki, Geschäftsführer Stiftung für Bümpliz/Bethlehem/Bottigen/ Riedbach

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Telebärn 4.8.08
Leider noch nicht auf dem Netz.

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Sonntagsblick.ch 3.8.08

Die Neonazis - und wir

Marc Walder Chefredaktor

NICHT NEONAZIS STÖRTEN dieses Jahr den 1. August auf dem Rütli. Ein Wolkenbruch war es, der für den Abbruch der nationalen Feier sorgte.

DOCH DER ERSTE Eindruck trügt: Die Szene der Rechtskonservativen, Rechtsradikalen, Rechtsextremen, Neonazis brütet weiter ihr braunes Gedankengut aus. Mitten in der Schweiz. Und keiner schaut hin.

SONNTAGSBLICK-RECHERCHEN zeigen Erschreckendes: In Sempach LU formierten sich kürzlich rund 250 Rechtsradikale zum Gedenkmarsch.

GEFÄHRLICHER BRAUNER SUMPF? Oder bemitleidenswerte Wirrköpfe?

LESEN WIR, WAS das Bundesamt für Polizei uns mitzuteilen hat: "Die Teilnehmerzahl an solchen Veranstaltungen weist tatsächlich steigende Tendenz auf." Weiter heisst es im Schreiben an SonntagsBlick: "Rechtsextreme treten heute selbstbewusster auf (namentlich in Gruppen), sie scheuen die Öffentlichkeit weniger als früher und versuchen sich teilweise in der Parteipolitik zu etablieren."

DAS BRAUNE PACK ist also auf dem Vormarsch. Es scheint sogar salonfähig zu werden.

HINSCHAUEN, WEGSCHAUEN, Schulterzucken: Schärfere Reaktionen auf den Zug der Ewiggestrigen von Sempach - auch von staatlicher Seite - sind nicht bekannt geworden.

VIELLEICHT HILFT DEN DULDERN und Verharmlosern ein Text aus Martin Cüppers' Buch "Wegbereiter der Shoah" besser zu verstehen, worum es geht.

ES IST EIN AUGENZEUGENBERICHT über die Erschiessung von Juden durch einen SS-Mann mit Namen Knäbel: "Das kleine Kind der Juden, das Knäbel zuerst an der Hand führte und zuletzt auf dem Arm trug, musste bei der Ermordung seiner Eltern zusehen. Hierauf fing es zu schreien an. Daraufhin nahm es Knäbel wieder auf den Arm, beruhigte es durch Streicheln und durch Worte. Als das Kind ruhig war, hat er es durch Genickschuss getötet. Im Augenblick der Schussabgabe trug er es auf dem Arm."

DAS IST ES, WOFÜR Neonazis marschieren.

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Sonntagsblick 3.8.08

Der Staatsschutz schaut weg:

Neonazis feiern Leibacher

Rechtsradikale verherrlichen den Attentäter, der 2001 in Zug ein Blutbad anrichtete. Und niemand schreitet ein.

Die Aufnahme stammt vom 28. Juni, geschossen wurde sie in Sempach: Etwa 250 Rechtsradikale marschierten am Schlachtgedenktag ungestört durch das Luzerner Städtchen. Mitten im braunen Haufen: ein 20- bis 25-jähriger Jüngling mit schwarzem T-Shirt. Die Aufschrift: "Friedrich Leibacher, Nationalheld. Warum hast du nicht in Bern gewohnt?" Eine makabre Anspielung, die ausdrückt, dass Leibacher lieber im Bundeshaus hätte töten sollen.

Zur Erinnerung: Am 27. September 2001 erschiesst der Querulant Friedrich Leibacher im Zuger Regierungsgebäude elf Kantons- und drei Regierungsräte, 18 weitere Personen werden zum Teil schwer verletzt. Einer von ihnen ist Hanspeter Uster (50), damals Regierungspräsident von Zug. Beim Attentat erlitt er einen Lungendurchschuss. Uster über den Vorfall in Sempach zu Sonntags-Blick: "Das ist jenseits von Gut und Böse." Schockiert zeigt sich auch Jürg Frischknecht (61), Experte für politischen Extremismus: "Es ist bemerkenswert, dass dieser Mann inmitten der PNOS marschieren kann, und keiner stört sich daran." Die Partei National Orientierter Schweizer hat wiederholt an Wahlen teilgenommen. 2004 erlangte sie einen Sitz im Stadtrat von Langenthal BE.

Der Jüngling mit dem Leibacher-T-Shirt ist dem Dienst für Analyse und Prävention (DAP) sehr wohl aufgefallen, wie Sprecherin Danièle Bersier gegenüber SonntagsBlick bestätigt. Trotzdem kontrollierten die Staatsschützer den Mann nicht. Bersier: "Obwohl moralisch verwerflich, ist beim geschilderten Sachverhalt a priori keine strafbare Handlung erkennbar, insbesondere nicht bezüglich des Antirassismus-Artikels." Mit der gleichen Begründung schaute auch die Kantonspolizei Luzern weg. Warum die beiden Behörden nicht einmal seine Personalien aufnahmen, dafür haben sie hingegen keine Erklärung. Der Aargauer Heinz Kaiser (59), ein langjähriger Aktivist gegen die rechtsextreme Szene, hat kein Verständnis: "Dieser Mann ist eine tickende Zeitbombe. Unverständlich, dass DAP und Polizei nicht wissen wollen, wer er ist." Kritisch ist auch Hanspeter Uster: "Wie würde der DAP wohl reagiert haben, wenn der Mann ein T-Shirt von Marco Camenisch mit dem gleichen Text getragen hätte? Hätte er dann auch weggeschaut?"

Als Berner Fans 2004 beim Eishockeymatch EVZ - SCB ein Plakat mit den Worten "Danke Leibacher" entrollten, handelte der private Sicherheitsdienst des EV Zug rasch. Keine 30 Sekunden später war das Banner verschwunden; der fragliche Fan entschuldigte sich. Vom Neonazi mit dem Leibacher-T-Shirt ist das eher nicht zu erwarten. Auf seiner Baseballmütze prangt die Zahl 18: ein rechtsradikaler Code für "Adolf Hitler". BENNO KÄLIN

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sonntagonline.ch 3.8.08

Huber-Hotz lädt Rechtsextreme ein
Sie hoffe, dass die Rechtsextremen künftig wieder aufs Rütli kämen. Das sagt die ehemalige Bundeskanzlerin Annemarie Huber-Hotz - und sorgt damit bei Politikern und Rassismus-Experten für Kopfschütteln.
Von Katia murmann
Sie marschieren in Springerstiefeln an, mit grossen Fahnen in den Händen und nationalistischen Sprüchen auf den Lippen: Heute um 15 Uhr, zwei Tage nach dem 1. August, feiert die Partei National Orientierter Schweizer (Pnos) auf dem Rütli ihre "eigene, würdige Feier" - so kündigt sie es im Internet an.

Geht es nach Annemarie Huber-Hotz (FDP), müssen die Rechten aber schon bald nicht mehr verspätet auf der Traditionswiese ihre Fahnen schwingen. Die ehemalige Bundeskanzlerin ist heute für die Rütli-Feier zuständig - als Präsidentin der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft.

"Ich hoffe, dass die Rechtsextremen zu uns kommen, aber auch friedlich sind", sagte Huber-Hotz am Freitag wörtlich in einem Interview mit Radio DRS.

"Denn wir sind natürlich daran interessiert, dass sich alle Gesinnungen hier auf dem Rütli am 1. August versammeln. Aber es muss geordnet dahergehen, und alle müssen Respekt vor den Meinungen der anderen an den Tag legen."

Die Einladung der Rütli-Chefin an die Extremisten löst selbst in der eigenen Partei Kopfschütteln aus: "Ich habe Mühe damit, Rechtsextreme aktiv aufs Rütli einzuladen", sagt Gabi Huber, Urner FDP-Nationalrätin.

"Gerade nach den Erfahrungen der letzten Jahre besteht wenig Hoffnung, dass die Rechtsextremen auf dem Rütli auf ihre Gesten verzichten und sich friedlich neben den anderen Familien niederlassen würden."

Auch Nationalrat Joseph Lang (Grüne ZG) hält das Angebot für falsch: "Rechtsextreme stellen die Gleichheit der Menschen in Frage. Sie aufs Rütli einzuladen, ist daneben." Georg Kreis, der Präsident der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus, ist der Meinung, dass man Rechtsextremismus sichtbar machen und ernst nehmen muss.

Doch er warnt: "Lädt man Rechtsextremisten auf das Rütli ein, können sie diese Gelegenheit als Plattform für ihre Propaganda nutzen."

Selbst wenn die Rechten friedlich seien, dürfe man nicht vergessen, dass der Rechtsextremismus immer mindestens zwei Gesichter habe: "Nach aussen ist da diese Ordentlichkeit, in unbeobachteten Momenten aber gibt es gegen einzelne Wehrlose immer auch Zügellosigkeit und Grobheit bis zur Gewaltanwendung", sagt Kreis. "Die scheinbare Anständigkeit soll nicht darüber hinwegtäuschen."

Hocherfreut über die Einladung von Annemarie Huber-Hotz zeigt sich einzig die Pnos: "Wir würden das Angebot gerne annehmen, schliesslich waren und sind wir immer friedfertig", sagt Partei-Sprecher Renato Bachmann. Allerdings lehne es die Pnos ab, am 1. August auf das Rütli zu kommen, solange das Ticketsystem besteht.

Doch auch da könnte die Verantwortliche Huber-Hotz den Rechtsextremen entgegenkommen. Im Interview mit Radio DRS sagte sie: "Ich hoffe natürlich, dass wir irgendwann einmal mit dem Ticketsystem aufhören können."

(mz/nos)

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SOZIALISMUS ODER TSCHÄPPÄT
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Bund 5.8.08

Ein neuer Freund für Havanna

Tschäppät in Kuba

Nein, dementiert Stadtpräsident Alexander Tschäppät (sp) ein hartnäckiges Gerücht. Er sei während seiner Ferien in Kuba nicht zum Ehrenbürger von Havanna ernannt worden. Während einer Unterredung mit dem Vize-Stadtpräsidenten der kubanischen Hauptstadt habe er aber eine Art Urkunde und eine Blechmedaille erhalten. Auf der Urkunde werde er als "Freund von Havanna" bezeichnet.

Vierzehn Tage sind Genosse Tschäppät und sein Bruder Philipp durch die Karibikinsel gereist. "Die Ära Castro neigt sich dem Ende zu. Ich wollte nochmals den Sozialismus sehen", umschreibt der Stadtpräsident das Ziel der Reise. Über Politik habe er im Einparteienstaat allerdings nicht reden können. "Es dreht sich immer noch alles um den Commandante en jefe, Fidel Castro." Die kubanische Botschaft habe ihn im Vorfeld der Reise gefragt, welche Institutionen er gerne sehen möchte. Er habe sich für Hochschulen in den Bereichen Medizin und Sport sowie die Zigarrenfabrik "Cohiba" entschieden.

Als "Freund von Havanna" habe er sich aber oft hilflos gefühlt. "Was wir als Patina empfinden, ist bitterste Armut." Im Gespräch mit dem Vizestadtpräsidenten sei unter anderem auch die Infrastruktur ein Thema gewesen. "Die Strassen und die Kanalisation sind in einem schlimmen Zustand." Im tropischen Regen werde das Wasser oft aus der Kanalisation herausgedrückt, so dass die Strassen durch riesige Pfützen blockiert würden. Die Lebensfreude der Menschen stehe in scharfem Kontrast zu diesen Missständen. Eine weitere Kuba-Reise steht für den Berner Stadtpräsidenten zurzeit nicht zur Debatte. "Das Land wird wohl bald amerikanisiert werden", sagt Tschäppät.

Bernhard Ott

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BZ 5.8.08

Tschäppäts Audienz

Stapi Alexander Tschäppät traf den Vize-Stapi von Havanna. Nach dem Diner erhielt Tschäppät eine "Medaille aus billigem Blech".

Stadtpräsident Alexander Tschäppät traf sich bei seinem ersten Aufenthalt in Kuba in diesem Sommer zu einem Austausch mit dem Vize-Stadtpräsidenten der Hauptstadt Havanna. "Wir sprachen über die Kanalisation und die Wasserversorgung", verrät Tschäppät. Mit einem gemeinsamen Nachtessen ging die von der Botschafterin eingefädelte Begegnung der beiden ungleichen Sozis zu Ende, und Tschäppät erhielt eine Blechplakette zur Erinnerung. "Darunter dürfen Sie sich nichts Wertvolles für den Trophäenschrank vorstellen. Sie gleicht eher einer Schützenmedaille aus billigem Blech", dämpft er allzu hohe Erwartungen ab. Immerhin wurde Tschäppät aber als "honorable guest" empfangen.

An den Namen des Magistraten kann Tschäppät sich nicht mehr erinnern. Dafür an die "tolle Stadt mit Charme", die jedoch unter massiver Armut leide. Slums gebe es zwar nicht, doch mit der Infrastruktur stehe es im Argen, und privat gelte bereits ein Natel als Luxus.

In letzter Zeit wurde Tschäppäts Bern da und dort durch den Dreck gezogen und als schmuddlig und unsicher bezeichnet. Tschäppät sieht die Relationen gewahrt: In der 2-Millionen-Metropole gebe es gar nicht genug Autos für einen Stau, für eine Wegwerfmentalität sei man zu arm, und wer eine Spraydose habe, brauche diese, um etwas zu sanieren. cab


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SP-"SICHERHEITS"-PAPIER
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Bund 5.8.08

Der SP-Streit um die Sicherheit

SP-Kantonalpräsidentin Irène Marti geht auf Distanz zu parteiinternen Forderungen nach mehr Repression

Das Sicherheitspapier der SP Schweiz sei "nicht klar in der Analyse", findet die Berner SP-Präsidentin Irène Marti. Sie relativiert Forderungen nach mehr Repression und wendet sich gegen ein Bettelverbot und gegen Videoüberwachung im öffentlichen Raum.

BUND: Die SP Schweiz diskutiert derzeit ein Sicherheitspapier, das verstärkt auf Repression setzt. Auch die SP Stadt Thun etwa hat kürzlich mehr Sauberkeit und mehr Polizeipräsenz gefordert. Die öffentliche Sicherheit ist SP-Thema geworden. Hat die Partei etwas nachzuholen?

IRèNE MARTI: Die öffentliche Sicherheit ist ein sehr wichtiges Thema, und es ist auch wichtig, dass sich die SP hier klar verlauten lässt. Aber dass sie etwas nachzuholen hat, bestreite ich. Der Gegenpol von Sicherheit ist Gewalt - oder Ungerechtigkeit. Kernthema der SP ist die soziale Gerechtigkeit. Dafür kämpft sie, seit es sie gibt. Armut und Hungersnöte, schreiende Ungerechtigkeit in der Dritten Welt und soziale Ungerechtigkeit bei uns sind Ausdruck struktureller Gewalt. Die andere Gewalt ist jene, die man unmittelbar wahrnimmt als Gewalt gegen Leib und Leben, Gewalt gegen Sachen, Einbrüche, Diebstähle, Vandalismus: Hier haben wir unsere Position immer klar dargelegt.

Dann gibt es gar keinen Richtungswechsel in der SP-Politik?

Man wird das im Oktober sehen, wenn das Papier der Sicherheits-Arbeitsgruppe am Parteitag der SP Schweiz diskutiert wird.

Warum beschäftigt sich die SP jetzt so intensiv mit dem Thema Sicherheit? Ist das nicht doch eine Folge der Nationalratswahlen 07, wo die SP stark verloren hat?

Auf jeden Fall hatten viele Leute den Eindruck, die SP kümmere sich nicht um ihre Probleme. Eine Verunsicherung ist in der Bevölkerung feststellbar.

Auch SP-Wähler hatten das Gefühl, die SP vernachlässige das Thema.

Ja. Im Bereich soziale Sicherheit, sind wir stark, dort sind wir positioniert. Da nimmt man uns wahr. Im Bereich öffentliche Sicherheit - im Sinne von Schutz vor Gewalt - werden wir zu wenig wahrgenommen. Vielleicht haben wir unsere Haltung zu wenig gut kommuniziert, oder wir haben das Thema zu wenig ernst genommen, das ist möglich. Auf der anderen Seite hat die Rechte das Thema skandalisiert, ohne wirklich nach Lösungen zu suchen.

Das Sicherheitspapier ist SP-intern stark kritisiert worden. Nationalrat Andrea Hämmerle sagte, es sei verunglückt, man sei der SVP in der Sprache hinterhergelaufen (man redet etwa von "Chaotentum") und zum Teil auch in den Massnahmen. Was halten Sie vom Papier?

Für mich ist es eher ein Vorentwurf. Es enthält wichtige Punkte, die zu Recht diskutiert werden. Es ist aber nicht klar in der Analyse. Gewalt wird nicht klar definiert, und es wird nicht klar gesagt, was für die SP prioritär ist. Man müsste zudem erläutern, dass auch patriarchale Strukturen und rechtsextremes Gedankengut gewaltfördernde Faktoren sind -all das finde ich nicht im Papier. Und für mich ist klar: Littering und Betteln gehören nicht in diese Diskussion. Von liegen gebliebenem Abfall geht kein Sicherheitsrisiko aus, und ich kenne keine gewalttätigen Bettler. Auch die im Papier erwähnten Ruhestörungen als Schattenseite der 24-Stunden-Gesellschaft gehören nicht zum Thema. Nächtliche Ruhestörung ist lästig, aber keine Frage der Sicherheit.

 Hämmerle sagte auch, mit dem Thema Sicherheit werde die SP keine Wähler gewinnen: Wer Sicherheit als Hauptthema anschaue, wähle das Original - also die SVP.

Das sehe ich auch so. Ich finde es richtig, dass wir uns mit dem Thema beschäftigen, aber einen Blumenstrauss holen wir uns damit nicht. Wenn wir uns aber im Thema Sicherheit positionieren, dann müssen wir klar betonen, dass die Polizei ein Service public für alle ist. Sie ist nicht nur dazu da, Villen zu bewachen. Wichtig ist auch, dass das Gewaltmonopol beim Staat bleibt. Wir wollen eine gute Polizei, die gut arbeiten kann, aber wir wollen auch eine demokratische Kontrolle der Polizei.

Ist die Schweiz unsicherer geworden?

Nein. Die Statistiken zeigen, dass Gewalttaten insgesamt nicht zugenommen haben. In der subjektiven Wahrnehmung vieler Leute aber hat das Unsicherheitsgefühl zugenommen. Es gibt mehr Vandalismus, Entreissdiebstähle. Und ein Entreissdiebstahl kann für einen Menschen ein enorm traumatisches Erlebnis sein, das möchte ich nicht herunterspielen. Eine Veränderung gab es zudem bei der Gewalt unter Jugendlichen. Im Zusammenhang mit Alkohol- und Drogenkonsum ist die Hemmschwelle, aufeinander loszugehen, gesunken.

Fühlen Sie sich sicher, wenn Sie abends durch Bern spazieren?

Ja. Ich fühle mich nicht unsicherer als früher. Als junge Frau dachte ich aus politisch-feministischer Überzeugung: Ich gehe zu jeder Tages- und Nachtzeit überall hin, das ist mein Recht. Später habe ich mir eingestanden, dass es Orte gibt, wo ich Angst habe und nicht hingehe. Gewalt gegen Frauen ist kein neues Thema. Das hat mich als junge Frau beschäftigt und beschäftigt mich heute. Aber ich habe mich noch nie unsicher gefühlt, wenn ich in der Nacht durch den Berner Bahnhof gegangen bin. Das aber ist meine Wahrnehmung. Andere Leute fühlen sich eben unsicherer.

Braucht es in der Schweiz mehr Polizisten?

Der Staat braucht gut ausgebildete Polizisten, und diese sollen ihre Arbeit mit guten Arbeitsbedingungen erfüllen können - wie auch alle anderen Angestellten des Service public. Die Aufgabenstellung an die Polizei definiert dann, wie viele Stellen es braucht, das müssen Kantone und Gemeinden entscheiden. Ich kann nicht einfach sagen, es brauche 1500 Polizisten mehr in der Schweiz, wie das im Papier steht. Das finde ich etwas aus der Luft gegriffen.

In der Stadt Bern wird heftig über ein Bettelverbot diskutiert.

 Wenn die neue Bahnhofordnung jetzt wie in andern Bahnhöfen das Betteln verbietet, kann ich das wegen der grossen Personenströme nachvollziehen. Aber ein allgemeines Bettelverbot finde ich völlig übertrieben, das braucht es nicht. Es ist für viele Leute unangenehm, angesprochen zu werden. Der Sozialstaat sagt, es brauche das Betteln nicht, die Leute fielen nicht durch das Netz. Dennoch gibt es ein paar Leute, die etwas anders ticken - warum sollen sie nicht betteln, ich sehe hier kein Problem der öffentlichen Sicherheit. Anders sieht es aus, wenn Kinder zur organisierten Bettelei missbraucht werden, aber um dagegen einzuschreiten, haben wir ausreichende Gesetze.

Wie beurteilen Sie heute den Wegweisungsartikel?

Nach wie vor finde ich es nicht in Ordnung, dass man den Wegweisungsartikel hat, dass man Perimeter hat, dass man die Randständigen auf diese Weise zu disziplinieren versucht. Richtig und gut finde ich Interventionen wie beim Projekt Pinto, wo man auf die Leute zugeht und ihnen sagen kann, was geht und was nicht.

 Das SP-Sicherheitspapier akzeptiert die Videoüberwachung des öffentlichen Raums punktuell. Die SP Kanton Bern aber hat sich in ihrer Vernehmlassung zum kantonalen Polizeigesetz dezidiert dagegen ausgesprochen.

Mit der Videoüberwachung im öffentlichen Raum wird der Bevölkerung eine Scheinsicherheit vorgegaukelt. Warum fühlen sich die Leute sicherer? Sie haben das Gefühl: Hinter jeder Kamera sitzt jemand an einem Monitor , und wenn mir etwas passiert, ist in einer Minute jemand da und hilft mir - das ist nicht die Realität. Die Bänder werden aufbewahrt, vielleicht kann man sie bei der Ermittlung brauchen, aber verhüten kann man Gewalt damit grösstenteils nicht. Ich empfinde die Videoüberwachung auf öffentlichen Plätzen dagegen als Eingriff in meine persönliche Freiheit, sie tangiert mein Demokratieverständnis. Und ich sehe den Nutzen nicht. Ich sehe nur, dass da viel Geld verlocht wird, das man gescheiter für mehr Polizeipräsenz brauchen würde.

Stefan Wyler

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Das SP-Sicherheitspapier

Ende Juni hat die Geschäftsleitung der SP Schweiz ein  Positionspapier zur öffentlichen Sicherheit verabschiedet. Die SP wolle in diesem Bereich mehr Verantwortung übernehmen, sagte SP-Präsident Christian Levrat ("Bund" vom 1. Juli). Im Papier bekennt sich die SP neben der Prävention klarer als bisher

zur  Repression. Sie verlangt mehr Polizeipräsenz an kritischen Punkten und 1500 zusätzliche Polizisten in der Schweiz. Sie fordert eine Jugendpolizei, Massnahmen gegen Hooligans, Vandalismus und Dreck im öffentlichen Raum, ein Verbot der organisierten Bettelei, die rasche Ausschaffung von Kriminaltouristen auch bei kleinen Delikten. Im Oktober wird das Papier am Parteitag der SP Schweiz in Aarau diskutiert. Die SP Thun ihrerseits hatte kurz zuvor ein eigenes Papier für mehr Sicherheit in der Stadt vorgestellt. Auch sie will mehr Polizeipräsenz, eine Jugendpolizei, Massnahmen gegen Abfall und Ruhestörung. (sw


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POLIZEILICHE SICHERHEITSASSISTENTEN PSA
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espace.ch (SDA) 4.8.08

Kanton bildet erstmals Sicherheitassistenten aus

In Solothurn hat am Montag die Ausbildung der ersten Polizeilichen Sicherheitsassistenten (PSA) begonnen. Den fünfmonatigen Lehrgang in Angriff genommen haben je drei Frauen und Männer im Alter zwischen 20 und 35 Jahren.

Die Ausbildung zum PSA sei für den Kanton Solothurn und das Polizeikonkordat Nordwestschweiz ein Novum, teilte die Polizei Kanton Solothurn mit. Eingesetzt werden sollen die umbewaffneten PSA nach der Ausbildung in den Bereichen Sicherheit, Verkehr und Ordnung, wie Polizeisprecher Frank Wilhelm auf Anfrage sagte.

Der praktische Teil der Ausbildung erfolgt zu einem grossen Teil in Ittigen BE unter der Federführung der Kantonspolizei Bern. Zwischendurch seien die Auszubildenden aber auch im Kommando in der Schanzmühle in Solothurn anzutreffen, sagte Wilhelm.

Gegen Ende der Ausbildung erfolgt im November ein vierwöchiges Praktikum bei verschiedenen Diensten der Sicherheitsabteilung. Gemäss dem Polizeigesetz erfüllen die PSA einfache hoheitliche Sicherheitsaufgaben, wie beispielsweise die Kontrolle des ruhenden Verkehrs oder allgemeine Überwachungs- und Kontrolltätigkeiten zur Erhöhung Sicherheit.

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KOKAIN
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nzz.ch 3.8.08

Land der Kokser

404 Kilogramm Kokain hat die Polizei letztes Jahr in der Schweiz beschlagnahmt - so viel wie nie zuvor. Das weisse Pulver, einst die Aufputschdroge der High Society, ist massentauglich geworden: Gekokst wird heute in allen sozialen Schichten, die Süchtigen werden immer jünger. Nicht selten ist Kokain auch bei Gewalt- und Verkehrsdelikten im Spiel.

Herzinfarkt. Mit 21 Jahren. Immer wieder muss Franz Eberli auf der Kardiologieabteilung im Zürcher Triemlispital Patienten behandeln, die sehr jung sind. Eigentlich wäre ihr Herz kerngesund. Und doch kämpfen sie plötzlich - nach durchtanzter Nacht, nach einigen Drinks und einer Linie geschnupften Kokains - um ihr Leben. "Wenn wir unter 30-Jährige wegen eines Herzinfarktes behandeln müssen, ist in vielen Fällen Kokain im Spiel", sagt Eberli. Kokain kann zu Herzrhythmusstörungen führen oder zur Verengung der Herzkranzgefässe. "Die Folgen können ein Infarkt, schwere Herzschädigungen oder der Tod sein." Ein- bis zweimal in der Woche wird ein junger Mensch wegen Herzschmerzen als direkter Folge von Kokainkonsum ins Triemli eingeliefert. Etwa einmal im Monat behandelt Franz Eberli einen jungen Infarktpatienten. "Ich stelle ganz klar eine Häufung fest", sagt er.

Die Beobachtung des Zürcher Herzspezialisten wird durch die neuste Betäubungsmittelstatistik des Bundes bestätigt: Im letzten Jahr hat die Polizei in der Schweiz 404 Kilogramm Kokain beschlagnahmt - so viel wie nie zuvor. Seit 2001 hat sich die Menge des sichergestellten Kokains mehr als verdoppelt (vgl. Grafik). Selbst Erich Leimlehner vom Bundesamt für Polizei zeigt sich ob der Entwicklung beeindruckt. "Die Zunahme, die sich im langjährigen Vergleich abzeichnet, spricht dafür, dass effektiv mehr Kokain in die Schweiz geliefert wird." Was bedeutet, dass hierzulande mehr gekokst wird. "Die Nachfrage ist gestiegen", sagt Leimlehner. "Kokain passt zum Zeitgeist, es ist eine Droge, die gefragt ist."

Wer Kokain sucht, der findet es. Verkauft wird es auf öffentlichen Plätzen, die in der Szene bekannt sind, in Nachtklubs oder auch, immer öfter, in privaten Wohnungen, deren Adressen unter Kunden im Umlauf sind. Laut Erich Leimlehner ist die Verfügbarkeit von Kokain hoch. Und der Preis ist tief. Kostete 1 Gramm Kokain Mitte der achtziger Jahre noch 600 Franken, liegt der Preis heute zwischen 40 und 120 Franken, je nach Reinheit des Stoffes. 1 Gramm reicht für mehrere Linien. Auf dem Markt werden sogenannte "Kügelchen" von 0,2 oder 0,3 Gramm verkauft, für 8 bis 10 Franken das Stück. Schnee im Sonderangebot, das selbst ins Budget eines Lehrlings passt. Die Betäubungsmittelstatistik zeigt denn auch noch eine andere Entwicklung auf: "Wir beobachten, dass die Konsumenten von Kokain immer jünger werden", sagt Leimlehner. Zu demselben Schluss kommt die Schweizerische Fachstelle für Alkohol und andere Drogenprobleme: In einer Umfrage bei 15-jährigen Schülerinnen und Schülern gaben 3,2 Prozent der Befragten an, bereits Kokain konsumiert zu haben. Vier Jahre zuvor waren es noch 1,4 Prozent gewesen.

"Unsere jüngsten Klienten sind gerade einmal 15", berichtet Peter Gut. Er ist der Leiter des Rehabilitationszentrums Lutzenberg, das, mitten in einem kleinen Dorf im Appenzellerland gelegen, eher an ein Ferienheim als an eine Drogeninstitution erinnert. 30 Plätze stehen zur Verfügung, hier sollen die Süchtigen wegkommen von den Drogen, die sie meistens bunt gemischt zu sich nahmen. "Kokain ist aber mit Abstand ihre Lieblingssubstanz." Dass bereits 15-Jährige zu seinen Klienten zählen, ist laut Gut eine neue Entwicklung. Die Arbeit im Rehabilitationszentrum habe sich sehr verändert, sagt er. Früher wurden hier ausschliesslich Heroinsüchtige behandelt. Heute sind die Patienten fast alle kokainabhängig. Die Folge: In der Klinik werden mehr psychiatrische Fälle behandelt, Paranoia-Fälle, Menschen mit Verfolgungswahn, auch sogenannte "Kokser-Psychosen". Inwieweit die psychischen Störungen durchs Kokain ausgelöst wurden oder ob sie schon früher vorhanden waren, kann Gut nicht sagen. Seine Klientel hat sich noch in anderer Hinsicht verändert: "Sie stammt aus allen sozialen Schichten." Vom Schüler bis zum Banker, vom Bauarbeiter bis zur Hausfrau - Kokain, einst In- Droge der High Society, ist massentauglich geworden.

Gewalttätige Kokser

Und sie ist längst nicht mehr ein Stadtphänomen. "Im Kanton Zürich hat sich die Kokainszene auf das ganze Kantonsgebiet ausgebreitet", sagt Hans Leuenberger von der Kantonspolizei Zürich. Das liege unter anderem daran, dass der Stoff nicht mehr nur im Milieu, sondern von "ganz gewöhnlichen Leuten" praktisch überall verkauft werde. "Wo Kokain offen angeboten wird, sinkt die Schwelle für Konsumenten." Walter Zimmermann von der Fachstelle Betäubungsmittel der Kantonspolizei Bern erzählt, dass viele Dealer Cannabis und Kokain gleichzeitig anbieten. "Uns liegen Informationen vor, dass Kunden bei gewissen Händlern sogar Hanfblüten gegen Kokain eintauschen können."

Auch Peter Iten vom Institut für Rechtsmedizin in Zürich hat immer wieder mit Kokainsüchtigen zu tun - beziehungsweise mit ihrem Blut: In seinem Labor werden die Blutproben untersucht, die die Polizei in Zusammenhang mit einem Gewalt- oder einem Verkehrsdelikt auf Drogen testen lässt. Eine Auswertung, die Peter Iten auf Anfrage der "NZZ am Sonntag" vorgenommen hat, zeigt deutlich, dass bei Straftaten immer wieder auch Kokain im Spiel ist. "Im letzten Jahr untersuchten wir 1649 Blutproben von Autofahrern - in 520 Fällen konnten wir Kokain-Abbauprodukte im Blut nachweisen", erzählt Iten. 520 Personen - 32 Prozent - hatten sich demnach in den 48 Stunden vor der Blutentnahme mindestens eine Linie reingezogen. "Bei 275 Personen war die Menge des Wirkstoffes im Blut so hoch, dass sie fahrunfähig waren", sagt Iten. Gegen sie wurden Strafverfahren eingeleitet. Die meisten Lenker, die unter Kokain standen, waren zwischen 22 und 26 Jahre alt. Im Vergleich zu den Vorjahren war 2007 ein Rekordjahr. Im Jahr 2000 wurden erst 38 Strafverfahren wegen Kokain am Steuer eingereicht. Die massive Zunahme ist auch mit mehr Kontrollen und der 2005 geänderten Gesetzgebung mit der Null- Drogen-Toleranz zu begründen.

Mittlerweile lässt die Polizei auch bei fast allen schweren Delikten das Blut des Täters - sofern sie seiner innert nützlicher Zeit habhaft wird - auf Drogen testen. "Auch bei Gewaltdelikten ist immer wieder Kokain im Spiel", sagt Iten. Dies sei indes wenig überraschend: "Kokain enthemmt und macht aggressiv, es vermindert die Selbstkontrolle und erhöht das Selbstbewusstsein." Kokain könne ein Auslöser für eine Tat sein. Das Resultat der Tests des letzten Jahres: Von 212 Blutproben von Tatverdächtigen enthielten 40 Kokain, das entspricht 19 Prozent.

Die Deliktliste der Tatverdächtigen, denen Kokainkonsum nachgewiesen wurde, zeugt von einer hohen Gewaltbereitschaft: "Stoss aus Bordellfenster, Angriff auf eine Gruppe Jugendlicher, um sich schiessen mit Pistole, Täter sticht mit Ahle zu, Raubüberfall auf Tankstelle, Diebstahl im Selbstbedienungsladen, Täter schlägt Wirt Stein auf Kopf, Brandstiftung, Raufhandel mit Einsatz von Stichwaffen, Täter sticht Taxifahrer nieder, Vergewaltigung, Täter schlägt mit Baulatte auf Passanten ein - und immer wieder Körperverletzungen", liest Peter Iten aus seinen Unterlagen vor. "Ob das Kokain in diesen Fällen ausschlaggebend für die Tat war, können wir nicht sagen", erklärt er. "Wir können nur belegen, dass die Tatverdächtigen zuvor Kokain konsumiert hatten."

Gefahr wird unterschätzt

Es gibt verschiedene Gründe, warum jemand zum Kokser wird. "Weil es die anderen auch tun, um cool zu sein, um die Leistung zu steigern oder um weniger betrunken zu sein", sagt Alexander Bücheli, der oft dort arbeitet, wo das Kokain verkauft, gekauft und gesnifft wird: Er ist ein "Streetworker" des Drogeninformationszentrums DIZ in Zürich. Der Reiz des Kokains sei, dass es zu einer höheren Leistungsbereitschaft führe. Die Wirkung halte jedoch nicht sehr lange an, je nach Dosierung zirka eine Stunde lang. "Das Heikle daran ist, dass unser Hirn nach dem Abklingen der Wirkung nach der nächsten Dosis schreit und dass sich nie eine Sättigung einstellt." Obwohl Kokain das bessere Image hat als beispielsweise Heroin: Beide Drogen können ähnliche körperliche Schädigungen zur Folge haben. Laut Bücheli wird die Gefährlichkeit des Kokains von vielen unterschätzt. "Kokain weist ein hohes psychisches Abhängigkeitspotenzial auf, und die Belastung für das Herz-Kreislauf-System ist hoch."

Laut Franz Eberli, Kardiologe am Triemlispital, ist es nicht vorhersehbar, ob und wann das Kokain ein Herz zerstört. "Es kann nie, nach regelmässigem Konsum oder beim allerersten Mal passieren", sagt er. Tragisch sei, dass gerade junge Menschen den Herzinfarkt oft zu spät als solchen erkennten. Franz Eberli glaubt, dass auch bei seinen älteren Herzpatienten öfter als vermutet Kokain die Ursache sein könnte. "Die Dunkelziffer", vermutet er, "ist gross."

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Rita Hubrich, Sozialarbeiterin, leitet die Jugend-, Eltern- und Suchtberatungsstelle Contact Netz in Bern.

NZZ am Sonntag: Frau Hubrich, die Polizei beschlagnahmte letztes Jahr

so viel Kokain wie nie zuvor in der Schweiz. Sie geht davon aus, dass auch mehr konsumiert wurde. Können Sie dies bestätigen?

Rita Hubrich: Durchaus. Es wird immer mehr Kokain konsumiert, und die Konsumenten werden immer jünger. Gerade von den Jungen wird die Gefährlichkeit dieser Droge oft unterschätzt. Manche denken, Kokain sei harmlos, schliesslich nehme es praktisch jeder. Heute wird bereits an Schulen gekokst. Die Jugendlichen sniffen oder "basen" den Stoff.

Was ist unter "basen" zu verstehen?

"Basen" ist eine besonders gefährliche Form, die Droge zu sich zu nehmen. Das Kokain wird mit Ammoniak gemischt und inhaliert. Bereits kleine Mengen haben eine heftige Wirkung.

Warum nehmen immer mehr junge Menschen Kokain?

Es gibt verschiedene Gründe. Einer ist der Preiszerfall: Der Stoff ist billig zu haben - und er ist praktisch überall einfach zu bekommen. Die Szenen haben sich sehr vermischt. Heute wird Kokain in allen sozialen Schichten konsumiert, von Schülern und Lehrlingen, von gut integrierten Personen, vom Bauarbeiter bis zum Banker. Gerade im Baugewerbe ist Kokain als Leistungsdroge gefragt. Es ist die Modedroge Nummer eins.

Wie hat sich Ihre Arbeit auf der Drogenberatungsstelle aufgrund dieses Wandels verändert?

In den letzten fünf bis sechs Jahren hat sich bei uns die Zahl der Kokainabhängigen verzehnfacht. Wir haben deshalb mit "Off-Line" ein neues Programm für Kokainsüchtige eingeführt. Neu bieten wir auch Kurse für Angehörige an. Damit wir künftig vermehrt auch die Jugendlichen erreichen, werden wir sie direkt dort ansprechen, wo sie sich aufhalten, an Schulen, auf Plätzen, in Jugendzentren. Denn die Jungen kommen nicht von sich aus bei uns vorbei. Interview: Christine Brand

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Wie das Kokain in die Schweiz gelangt

Das Kokain, das in der Schweiz zu kaufen ist, wird aus den Blättern der Cocapflanze hergestellt und stammt aus Kolumbien, Peru und Bolivien. Die Droge wird über den Luftweg, den Frachtverkehr oder via Post zum Teil direkt, zum Teil über die Zwischenstationen Brasilien, Argentinien, die Dominikanische Republik oder Westafrika nach Europa geschmuggelt. Laut Erich Leimlehner vom Bundesamt für Polizei gewinnt Westafrika zunehmend an Bedeutung. Immer mehr Kokain werde dort für die Feinverteilung in Europa in Depots gelagert. Die wichtigsten Einfallstore in Europa sind Spanien und die Niederlande, von dort gelangt der Stoff in die Schweiz. Laut Leimlehner funktioniert der Kokainmarkt ähnlich wie legale Märkte. Die grossen Organisationen produzieren und bringen das Kokain nach Europa, es gibt einen Zwischenhandel, vor allem von libanesischen und italienischen Organisationen. Schliesslich geht das Produkt an die Detaillisten; vom Endhändler an den Konsumenten. Diesen Handel - genannt Ameisenhandel - dominieren westafrikanische Gruppen nebst Dealern aus dem Balkan. Der Kokainhandel ist heterogen. Er besteht aus einem Netzwerk vieler Beteiligter und mehrerer Szenen. (cbb.)