MEDIENSPIEGEL 18.10.08
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)
Heute im Medienspiegel:
- Wagenplätze: Bald eine Lösung?
- Drogenpolitik: Drogenanlaufstelle & Heroinabgabe
- Plakatkrieg: Platz für nur 375 statt 2500 Plakate
- Progr: Selber kaufen?
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WAGENPLÄTZE
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Bund 18.10.08
Wohlwollen für Stadtnomaden
Stadt Bern Meinungsumschwung bei den Politikern: Bis im Sommer betonten
Vertreter von Stadt, Kanton und Burgergemeinde unisono, es sei nicht an
ihnen, eine Lösung für die sogenannten Stadtnomaden zu
finden. "Es ist
nicht Aufgabe der öffentlichen Hand, einen Standort für
alternative
Lebensformen zu finden", hiess es aus dem Erlacherhof, und die
Burgergemeinde stellte unmissverständlich klar, dass sie "kein
Land zur
Verfügung stellen wird".
Nach einem runden Tisch von gestern klang es dann überraschend
anders:
"Alle Parteien sind der Meinung, dass eine langfristige Lösung
für die
Stadttauben und den Verein Alternative gefunden werden muss", sagte
Regierungsstatthalterin Regula Mader (sp) im Anschluss an die
Gespräche. Und ja, für solch eine Lösung müsse ein
geeignetes Stück
Land gefunden werden.
Lösung mit Campingzone?
Wie ein dauerhafter Standplatz für die Wohnwagen legalisiert
werden
soll, nachdem das Stadtberner Stimmvolk die Schaffung einer
Hüttendorf-Zone 1996 verworfen hat, ist gemäss Mader noch
offen und
soll in den nächsten Monaten geklärt werden. Andere
Städte hätten
Lösungen etwa in Form von Campingzonen oder -reglementen gefunden,
führte sie aus.
Bis die Wagenburgen der Stadttauben und des Vereins Alternative legal
und störungsarm aufgestellt werden können, werden
voraussichtlich noch
Monate vergehen. Auch für diese Übergangszeit suche man
Lösungen, sagte
Mader. Im laufenden Jahr sei jedoch keine Lösung mehr zu erwarten.
(pas)
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DROGENPOLITIK
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Bund 18.10.08
Widerstand gegen zweite Drogenanlaufstelle
Wie lange müssen wir uns noch mit der gescheiterten Drogenpolitik
von
RGM auseinandersetzen? Ausgerechnet an der Murtenstrasse, an der ein
Ausbildungszentrum des Inselspitals, ein Friedhof, ja sogar
Schulhäuser
in nächster Nähe stehen, will der Gemeinderat eine weitere
Drogenanlaufstelle etablieren. Am gleichen Ort, wo Kinder in den
Nachbarhäusern leben, wo das Gewerbe seiner Tätigkeit
nachgeht. In
einem Gebäude, das ohne bauliche Massnahmen nicht mehr bewohnbar
ist.
Hier werden nicht nur die Anliegen der umliegenden Anwohner,
Gewerbetreibenden und Schulen missachtet, nein es werden noch
zusätzlich Zehntausende Franken an Steuergeldern vernichtet.
Denn das Haus, das an der Murtenstrasse für den Gemeinderat
infrage
kommt, soll schon bald einem Neubau weichen. Wer vom Gemeinderat wird
dann den Steuerzahlenden in unserer Stadt erklären, weshalb dieses
Geld
vernichtet wurde? Und welcher Gemeinderat wird sich die Mühe
nehmen und
den Betroffenen erklären, dass eine erhöhte Kriminalität
in der näheren
Umgebung der Murtenstrasse kein Problem sei? Dass
Entreissdiebstähle,
Belästigungen im Parkhaus, Spritzen auf den Pausenplätzen,
Drogendealer, die ihre Drogen veräussern, zur Normalität
gehören, so
wie wir es ja schon bei der Reithalle akzeptieren?
Muss auch erst jemand gewaltsam sterben, bis der Gemeinderat seine
Drogenpolitik als gescheitert ansieht? Wie lange wollen RGM und ihre
Gemeinderäte unsere Stadt noch in den Drogensumpf dirigieren? Die
Aussenquartiere sind kein Auffangbecken für eine gescheiterte
Drogenpolitik in der Innenstadt!
Jakob Roland, Bern
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Bund 18.10.08
Neuer Angriff auf Heroinabgabe
Die Drogenabgabe für Schwerstsüchtige ist der
Hauptstreitpunkt der Abstimmung zum Betäubungsmittelgesetz
1994 hatte die Schweiz mit der Heroinabgabe für
Schwerstsüchtige
international Neuland betreten. Inzwischen folgen auch andere
Länder
dem Schweizer Beispiel - und die Schweiz stimmt noch einmal über
die
Drogenabgabe ab.
In den 1980er- und Anfang der 1990er-Jahre sorgten die Bilder der
offenen Drogenszene am Zürcher Platzspitz, am Letten und im Berner
Kocherpark für Schlagzeilen. Als Reaktion darauf entwickelten
Städte,
Kanton und Bund eine neue Drogenpolitik nach dem sogenannten
4-Säulen-Prinzip, die Kombination von Prävention, Therapie,
Schadenminderung und Repression. Ein wichtiges Element dieser Politik
waren die Heroinprogramme für Schwerstsüchtige. Sie wurden in
der
Schweiz bereits 1994 eingeführt. Damals hatte das Vorgehen der
Schweiz
international für Aufsehen gesorgt - und Kritik provoziert. Die
Heroinabgabe sei ein riskantes Experiment mit unbekanntem Ausgang,
hiess es 1995 in einem Bericht der Uno-Drogenkontrollbehörde.
Seither hat sich die Situation gewandelt . Die offenen Drogenszenen in
den Schweizer Städten sind weitgehend verschwunden - ein Effekt,
der
von den Befürwortern der 4-Säulen-Politik auch den
ärztlich überwachten
Heroinabgabeprogrammen zugeschrieben wird. Anfang 2008 befanden sich im
ganzen Land knapp 1300 Schwerstsüchtige in einem solchen Programm.
Aufgrund der Erfolge in der Schweiz gibt es inzwischen auch in anderen
Ländern Heroin vom Staat: in den Niederlanden, Deutschland,
Grossbritannien, Spanien, Belgien und Kanada. Die
Uno-Kontrollbehörde
bleibt zwar weiterhin kritisch, liess jedoch in ihrer neuesten
Stellungnahme zumindest durchblicken, dass Heroinprogramme zur
Schadensminderung beitragen könnten.
1999 hatte das Stimmvolk zur heroingestützten Behandlung mit 54
Prozent
Ja gesagt - allerdings nur als Provisorium. Nun sollen die
Heroinprogramme definitiv im Gesetz verankert werden (siehe Box). "Die
Erfahrungen im Ausland bestätigen die positiven Resultate in der
Schweiz", sagt Markus Jann, der Leiter der Sektion Drogen im Bundesamt
für Gesundheit (BAG). Das BAG gehört zu einer breiten
Koalition aus
Behörden von Bund, Kantonen und Gemeinden und einer Mehrheit der
Parteien, welche die Heroinabgabe als Erfolgsgeschichte sehen. "Sie
führt bei den Klienten zu einer deutlich besseren psychischen und
körperlichen Gesundheit und zu einer besseren sozialen Situation",
sagt
Jann. Zudem sei die Beschaffungskriminalität bei den Betroffenen
um
rund 80 Prozent zurückgegangen.
"Gescheiterte Drogenpolitik"
Das von der SVP angeführte Nein-Komitee sieht die Heroinabgabe
dagegen
als Element einer gescheiterten Drogenpolitik. Es kritisiert nicht
zuletzt die "wissenschaftlich fragwürdigen Auswertungen" der
Heroinprogramme. So beruhten etwa die Angaben zur
Beschaffungskriminalität einzig auf den Selbstangaben der
Programmteilnehmer.
"Wenn es das Hauptziel ist, die Junkies von der Strasse wegzubringen,
dann hat dies die Heroinabgabe möglicherweise zu einem kleinen
Teil
geschafft", sagt die Kopräsidentin des Nein-Komitees, die Berner
SVP-Nationalrätin Andrea Geissbühler. Die Verwahrlosung habe
sich aber
nur in den privaten Raum verlegt, dass wisse sie als Stadtberner
Polizistin. Wenn sie Teilnehmer solcher Programme für einen
Gerichtstermin zu Hause abholen müsse, treffe sie "furchtbare
Zustände
an". Die Programme verfehlten aber nicht nur das Ziel, die Junkies aus
ihrer gesundheitlichen und sozialen Verwahrlosung zu holen, sondern vor
allem auch jenes der Abstinenz.
Wie viele der gut 1900 Personen, die zwischen 1994 und 2007 eine
Behandlung abgeschlossen haben, nachhaltig von der Droge weggekommen
sind, kann das BAG tatsächlich nicht sagen. "Dazu müssten wir
Ehemalige
über lange Zeit immer wieder befragen, weil auch nach 10 oder 15
Jahren
ein Rückfall möglich ist", sagt BAG-Experte Jann. Aus
"ethischen und
datenschützerischen Überlegungen" sei man hier
zurückhaltend. In einer
Überprüfung von 2003 hatten von 111 befragten
Ex-Teilnehmenden 16
Prozent angegeben, während der sechs Monate vor der Befragung
"clean"
gewesen zu sein. Diese Zahl kann laut Jann indessen nur als Indiz
dafür
gelten, wie viele Teilnehmer über den ersten Schritt des
Heroinprogramms langfristig clean werden.
Junkies im Altersheim
Es sei "immer klar gewesen, dass bei Schwerstabhängigen das hoch
gesteckte Ziel der Abstinenz oft nicht erreicht werden kann", sagt
Jann. Auch wenn die Abstinenz als langfristiges Ziel "immer im Auge"
bleibe, sei doch das kurz- und mittelfristige Ziel der Heroinabgabe,
die Schwerstsüchtigen überhaupt in die Lage zu versetzen,
weitere
Schritte wie ein Methadonprogramm oder eine abstinenzorientierte
Therapie ins Auge zu fassen. Hier seien die Programme "durchaus
erfolgreich". 2007 traten laut Jann von 169 Austretenden 16 Prozent in
eine abstinenzorientierte Therapie über, 55 Prozent in ein
Methadonprogramm.
Tatsache ist aber auch, dass der Altersdurchschnitt der
Programmteilnehmer seit Jahren steigt, inzwischen liegt er bei 39
Jahren. Dies liegt laut Jann an der tiefen Aussteigerquote, aber auch
an der sinkenden Zahl neuer Heroinabhängiger. "Wir müssen
damit
rechnen, dass ein Teil der Teilnehmer im Heroinprogramm ein Alter
erreicht, in dem die Platzierung in einem Alters- oder Pflegeheim in
Betracht gezogen werden muss." Inzwischen gebe es schweizweit mehrere
Einrichtungen, die chronifizierte langjährige Drogenpatienten
aufnähmen.
Andreas Weidmann
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PLAKATKRIEG
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Bund 18.10.08
Bern mit Passive Attack
Auch die Stadt Bern arbeitet an einem Plakatierungskonzept. Wenn die
Sondernutzungskonzession mit der Allgemeinen Plakatgesellschaft (APG)
Ende 2009 ausläuft, müsse die Plakatierung "grundlegend
überdacht"
werden, heisst es. Um den Wildwuchs bei der illegalen
"Wildplakatierung" zu stoppen, beschloss der Gemeinderat aber bereits
im Sommer eine Sofortmassnahme: Er schuf auf Stadtgebiet 50 neue
Plakatstellen für kleinformatige Kulturplakate, welche durch die
Firma
Passive Attack bewirtschaftet werden.
Die Erfahrungen mit den legalen Plakatstellen seien gut, sagte gestern
Thomas Baumgartner, Geschäftsführer von Passive Attack. Das
illegale
Affichen-Kleben sei merklich zurückgegangen. "Allerdings sind
Quantität
und Qualität der Plakatstellen ungenügend." Die 50 Standorte
böten
Platz für 375 Plakate, während der eigentliche Bedarf bei
2500 liege.
Zudem stellten die Behörden da am wenigsten Plakatstellen zur
Verfügung, wo am meisten gewünscht wären - nämlich
im Stadtzentrum.
(pas)
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PROGR
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Bund 18.10.08
Progr-Künstler sind erwacht
Stadt Bern Die rund 150 Kunstschaffenden im Berner Kulturzentrum Progr
wollen der Stadt das Gebäude im Baurecht abkaufen. In einem
offenen
Brief an Gemeinderat und Stadtrat bitten sie von der vorgesehenen
Realisierung eines Gesundheitszentrums abzusehen. Für Kauf und
Sanierung des Gebäudes rechnen die Künstler mit Kosten von
rund 10
Millionen Franken, für die sie zumindest teilweise über
Zusagen von
Investoren und Mäzenen verfügten. Die Stadtratsparteien sind
skeptisch.
"Der Wettbewerb ist vorbei. An und für sich haben die
Künstler ihre
Chance verpasst", sagt Stéphanie Penher (gb). (bob)
Seite 31
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Künstler wollen Progr kaufen
Die Künstlergemeinschaft im Progr unterbreitet dem Gemeinderat
eine Alternative zum Gesundheitszentrum
Die Progr-Künstler wollen für die Abgabe des Gebäudes im
Baurecht 2,4
Millionen Franken beschaffen. Sie sprechen von Mäzenen, die sich
auch
an der Sanierung beteiligen. Der Stadtrat ist skeptisch. Er befindet
Anfang November über die Zukunft des Progr.
Norbert Klassen ist ein alter Fuchs in der Berner Kulturszene. "Heute
herrscht wieder eine Aufbruchstimmung wie Ende der 60er-Jahre", sagte
gestern der Schauspieler und Regisseur vor den Medien. Ein Hauptgrund
für diese Blüte sei das Kulturzentrum Progr, in dem rund 150
Kunstschaffende etwas Neues schaffen, "das Bern nutzen kann", sagte
Klassen. Die Zwischennutzung des einstigen Progymnasiums als
Kulturzentrum ist bis 2010/2011 beschränkt. Die Kulturschaffenden
im
Progr möchten nun aber aus der Zwischennutzung eine Dauernutzung
machen
und das Gebäude für 2,4 Millionen Franken im Baurecht
erwerben. Zudem
wollen sie sich verpflichten, das Haus werterhaltend zu renovieren und
einen Baurechtszins von jährlich 320000 Franken an die Stadt zu
entrichten. "Wir haben gemerkt, dass es gar nicht so viel Geld ist und
dass wir diese Summe beschaffen können", sagte der Musiker
Matthias
Kuhn.
"Wir sind nicht Hobby-Künstler"
Die Zeit zur Umsetzung dieses Vorhabens ist knapp: Anfang November wird
der Stadtrat über ein Projekt zum Umbau des historischen
Gebäudes in
ein Gesundheits-, Schul- und Kulturzentrum befinden, das als Sieger aus
einem Investorenwettbewerb hervorgegangen ist. Hinter dem Projekt steht
die Allreal Generalunternehmung, die den Progr für die genannten
2,4Millionen Franken von der Stadt im Baurecht erwerben will. Die Jury
unter dem Vorsitz von Stadtpräsident Alexander Tschäppät
(sp) entschied
sich nicht zuletzt deshalb für das Allreal-Projekt, weil die
kulturell-gastronomische Nutzung von Hof, Turnhalle und Aula erhalten
bleiben soll. Die Liegenschaftsverwaltung schätzt die Umbaukosten
für
das Gebäude auf 25 Millionen Franken. Wie will die
Künstlergemeinschaft
dieses Geld beschaffen?
Sie hätten Zusagen von Investoren und Mäzenen, sagte der
Videokünstler
Peter Aerschmann. "Die Namen können wir aber nicht bekannt geben,
bevor
der Stadtrat das Projekt Gesundheitszentrum nicht zurückgewiesen
hat."
Eine Stiftung solle für Kauf und Sanierung des Gebäudes
aufkommen und
die kulturelle Nutzung regeln. Die Sanierung soll deutlich
günstiger zu
stehen kommen als die 25 Millionen Franken, die ein Umbau in ein
Gesundheitszentrum kostet. "Wir brauchen alles in allem etwa zehn
Millionen Franken für Kauf und Sanierung", sagte Aerschmann. Im
Innern
müsse das Gebäude nicht mehr renoviert werden.
Sanierungsbedürftig sei
bloss die Fassade, was aber nicht von heute auf morgen geschehen
müsse.
Er stelle sich ein "wanderndes Gerüst" vor wie beim Münster.
"Auch die
Sanierung könnte zum Forschungsprojekt werden, indem vornehmlich
Lehrlinge mit der Aufgabe betraut würden", sagte Aerschmann.
Der Weiterbestand eines "international beachteten" Kulturbetriebes
schaffe einen grossen Mehrwert. "Wir sind nicht die Berner
Hobby-Künstler", sagte Aerschmann unter Bezug auf Musikstars wie
den
Rapper Baze, der sich im Progr auch als Grafiker betätigt.
Skepsis bei allen Parteien
Bei den Stadtratsfraktionen stösst die Künstler-Initiative
auf wenig
Resonanz. "Der Wettbewerb ist vorbei. Der Sieger steht fest. Und jetzt
mischelt man alles wieder auf", sagt Dolores Dana, Ko-Fraktionschefin
der FDP, auf Anfrage. Die vorberatende Kommission habe das Projekt
Gesundheitszentrum bereits genehmigt. Das Künstler-Projekt komme
der
Durchführung eines neuen Wettbewerbs gleich. "Ich habe Mühe
damit,
zumal sich die Künstler ja am ordentlichen Wettbewerb hätten
beteiligen
können", sagt Dana.
Skepsis herrscht auch bei den rot-grünen Parteien. "Wenn ein
Wettbewerb
sauber durchgeführt wurde, muss man das akzeptieren", sagt Ueli
Stückelberger (gfl). "Die Künstler haben ihre Chance
verpasst", meint
auch Stéphanie Penher, Ko-Chefin der Fraktion GB/JA. Die
Fraktion werde
das bereits aufgegleiste Projekt nur dann aufschieben, wenn die
Künstler einen Business-Plan vorlegten. "Bern hat schon genug
Spiele
mit Mäzenen durchgemacht", sagt Penher. Bei der SP stösst die
Künstler-Initiative auf offene Ohren. "Wir sind bereit zum
Gespräch,
haben aber grosse Fragezeichen bei der Finanzierung", sagt
Fraktionschefin Giovanna Battagliero.
"Der Ball liegt beim Stadtrat"
Stadtpräsident Alexander Tschäppät (sp) findet eine
Verlängerung der
bestehenden Progr-Nutzung "kulturpolitisch spannend". Der Ball liege
jetzt aber beim Stadtrat. Der Gemeinderat halte sich an die Regeln.
"Wir haben einen Wettbewerb durchgeführt und uns für ein
Projekt
entschieden." Es wäre besser gewesen, wenn sich die Progr-Leute am
Wettbewerb beteiligt hätten, sagte Tschäppät.
Bernhard Ott
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BZ 18.10.08
Künstler machen "Offerte"
Progr-Kulturschaffende wollen das ehemalige Progymnasium zu denselben
Bedingungen wie der private Investor übernehmen.
Als der Investorenwettbewerb zum ehemaligen Progymnasium entschieden
war, gingen einigen Kulturschaffenden im ansässigen Zentrum
für
Kulturproduktion Progr die Augen auf. Die Gewinner wollen das Haus
für
2,4 Millionen Franken übernehmen. "Das ist nicht der grosse
Betrag, bei
dem wir keine Chance gehabt hätten", stellte Ateliermieter
Matthias
Kuhn gestern vor den Medien fest. Peter Aerschmann, Sprecher der neu
gegründeten Künstlervereinigung, ist zuversichtlich, dass man
das Geld
für ein eigenes Angebot auftreiben kann: "Ich habe viele positive
Signale von Mäzenen erhalten." Allerdings, verpflichtet habe sich
noch
keiner. Er geht davon aus, dass rund zehn Millionen Franken Kapital
beschafft werden müsste, im Unterschied zum Siegerprojekt des
Wettbewerbs nicht alles auf einmal. Diese wollen über das Doppelte
investieren (vergleiche Box).
"An die Spielregeln halten"
Stadtpräsident Alexander Tschäppät kann sich zwar
vorstellen, dass die
Sanierung billiger käme, weil die Raumstruktur übernommen
würde und
auch sonst weniger verändert werden müsste. Doch der
Gemeinderat habe
sich an die Spielregeln zu halten, die er sich mit dem Wettbewerb
auferlegte. "Leider haben sich die Kulturschaffenden damals nicht
gemeldet. Es wäre interessant gewesen, ihren Vorschlag mit
einzubeziehen."
Doch der Ball liege nun beim Stadtrat und danach beim Stimmvolk. Diese
müssten sich nicht an die Vorgaben des Gemeinderats halten, sagte
Tschäppät. "Der Finanzierungsnachweis ist aber eine
wesentliche Frage,
ohne ihn dürfte es schwierig werden." Klar sei jedenfalls, dass
der
Progr kein "Zuschussbetrieb" der Stadt bleiben könne.
Angebot, nicht Forderung
Das Künstlerkollektiv will seine Idee nicht als Forderung, sondern
als
Angebot verstanden wissen. Im Hinblick auf die Stadtratsdebatte sei
bereits mit Lobbyarbeit begonnen worden: "Wir werden das grösste
Werbebüro der Schweiz", versprach Aerschmann. In einem Papier ist
der
Vorschlag umrissen: Eine noch zu gründende Stiftung übernimmt
zu
denselben Bedingungen wie die Wettbewerbsgewinner das Gebäude und
nimmt
innert zehn Jahren eine "minimale" Sanierung vor.
Die Stiftung würde die 80 Ateliers bewirtschaften. Auch die Stadt
könnte weiterhin eine Rolle spielen, beispielsweise als Mieterin
von
Ausstellungsfläche.
Aerschmann und andere anwesende Progr-Mieter hoben die Bedeutung
hervor, welches das Kulturzentrum innert nur vier Jahren, in denen die
Zwischennutzung nun andauere, für Bern erlangt habe. Sie reiche
weit
über die Stadt hinaus. 150 Kulturschaffende arbeiteten hier. Der
Schauspieler Norbert Klassen macht "Aufbruchsstimmung" aus, die am Ende
der 60er-Jahre erinnere. Damals seien kulturell Interessierte "von
Zürich nach Bern gereist und nicht umgekehrt." Diese Chance gelte
es,
zu nutzen.
Christoph Aebischer