MEDIENSPIEGEL 27.3.09
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)

Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Programm
- PartisanInnen-Widerstand Italien (Infoladen)
- Bettelverbot gescheitert
- Wasserwerk bald wieder offen
- Telehess zur Finanzkrise
- Ausschaffungs-Stopp für "La Fortresse"-Flüchtling
- Widerstand gegen Asylverschärfungen
- Gewerbepolizei zu Kokain in LU-Clubs
- Tigris gegen Behinderte
- Neuer Anlauf für Bahnpolizei
- Demo Allpack-Streik-Prozess
- Schliessung Gassenküche Winterthur
- 30 Jahre Three Mile Island-Atomunfall

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REITSCHULE
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Fr 27.03.09
20.30 Uhr - Tojo - Die Seifin und der Dreck - Objekt-Tanz-Theater von Cécile Keller
21.00 Uhr - Kino - Filmreihe Intersexualität: XXY, L. Puenzo, Argentinien 2007
21.00 Uhr - Frauenraum - TanzBar mit DJ Grisumel. Gesellschaftstänze & Disco für Frau & Frau, Mann & Mann und Friends. Mit Crashkurs ab 19.15 Uhr.
22.00 Uhr - SousLePont - The Phonotones (D); The Budget Boozers (CH) - Dirty Rock‘nRoll und Garage Punk

Sa 28.03.09
20.30 Uhr - Tojo - Die Seifin und der Dreck - Objekt-Tanz-Theater von Cécile Keller
21.00 Uhr - Kino - Filmreihe Intersexualität: Das verordnete Geschlecht, O. Tolmein und B. Rothermund, Deutschland 2001
22.15 Uhr - Kino - Filmreihe Intersexualität: Die Katze wäre eher ein Vogel ..., M. Jilg, Deutschland 2007
22.00 Uhr - Dachstock - Techstock IV: Traumschallplatten Nacht mit: Piemont (D), Bukaddor & Fishbeck (D), Triple R (D) Support: Bud Clyde (Festmacher), Coleton (live), 2nd Floor: Frango (Sirion/BE), Brian Python, Racker, Minimalist (Festmacher) Techno/Minimal/House

So 29.03.09
18.00 Uhr - Rössli - Piano-Bar

Infos: www.reitschule.ch

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PARTISANiNNEN
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PARTISANEN-WIDERSTAND IN ITALIEN

-- Eine Infoveranstaltung mit Matthias Durchfeld, Historiker vom  ISTORECO, Institut für Gegenwartsgeschichte der Resistenza --

Nach dem 8. September 1943 schlugen sich die ersten PartisanInnen in  die Berge, um den Widerstand gegen deutsche Besatzung und  italienischen Faschismus zu organisieren.

In den unmittelbaren Nachkriegsjahren stand Italien am Rande eines  Bürgerkrieges. Die sozialen und revolutionären Bewegungen der  darauffolgenden Jahrzehnte waren geprägt von der Resistenza und  bezogen sich stark auf sie.

Welche Erinnerungen, welche Erfahrungen leben - zur Zeit der nun schon  dritten Regierung Berlusconis - in der italienischen Gesellschaft und  in der italienischen Linken weiter?

Wir treffen uns um diese Geschichte(n) zu diskutieren.

27.03.2009
19:30 Uhr, Infoladen Kasama, Zürich

28.03.2009
19:30 Uhr, Reitschule Bern, Infoladen

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BETTELVERBOT
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Bund 27.3.09

Stadtrat will kein Bettelverbot

Der Berner Stadtrat lehnte gestern Abend zwei Motionen für ein städtisches Bettelverbot deutlich ab.

Pascal Schwendener

Mit der Volksabstimmung vom 1. Juni 2008 wurde ein Bettelverbot für den Bahnhof Bern von rund 75 Prozent der Stimmenden deutlich angenommen. "Das Volk hat damit ein klares Signal gesetzt", sagte gestern Peter Bühler (svp) im Stadtrat. "Es ist nun am Parlament, zu handeln und ein städtisches Bettelverbot einzuführen, wenn wir nicht am Volk vorbei politisieren wollen." Er forderte den Gemeinderat mittels Motion auf, "noch in diesem Jahr einen Entwurf für ein Bettelverbot auszuarbeiten und erst dem Stadtrat sowie in einem zweiten Schritt dem Stimmvolk vorzulegen".

"Gegen den Menschenhandel"

Mit einer Motion gleichen Inhalts doppelte Bernhard Eicher (jf) nach - "nicht weil ich City-Pflege betreiben, sondern weil ich den Missbrauch von Kindern und Behinderten durch kriminelle Organisationen unterbinden will". Eicher berief sich in seiner Argumentation auf einen Bundesgerichtsentscheid vom Mai 2008. "Die Richter in Lausanne haben damals klargemacht, dass ein gemeindeweites Bettelverbot zulässig ist. Und die Bundesrichter gewichteten die öffentliche Sicherheit sowie den Schutz von Kindern höher als das individuelle Recht, zu betteln."

Sukkurs erhielten die beiden Motionäre erwartungsgemäss (vgl. "Bund" von gestern) von bürgerlicher Seite:  "Hören wir endlich auf, die Bettelei zu glorifizieren, und sagen wir dem Menschenhandel den Kampf an", sagte BDP/CVP-Sprecherin Edith Leibundgut.

"Gegen Ausdehnung des Verbots"

Die Ratslinke hielt dagegen, dass die rechtlichen Grundlagen im Kampf gegen die organisierte Bettelei bereits bestünden und ausreichend seien. "Es gilt lediglich, diese konsequent anzuwenden", sagte Rolf Schuler im Namen der SP. Nadia Omar (gfl) zeigte sich zuversichtlich, dass die personell aufgestockte Fremdenpolizei nun auch die Mittel habe, um genügend Kontrollen in diesem Bereich durchzuführen und das Recht durchzusetzen. Die Ausdehnung des Bettelverbots vom Bahnhofsperimeter auf die ganze City, sei aber in jedem Fall verfrüht. "Erst müssen wir die Evaluation des Bettelverbots im Bahnhof kennen, bevor wir über eine Ausdehnung diskutieren können", mahnte sie. Ähnlich argumentierte Tanja Sollberger (glp): Ihre Fraktion sei "mehrheitlich" der Ansicht, dass ein generelles Bettelverbot über das Ziel hinausschiesse. "Bei der organisierten Bettelei fordern wir Nulltoleranz", sagte sie. "Aber dass ein Randständiger um einen Stutz oder um eine Zigarette fragt", muss in einer freien und liberalen Gesellschaft drinliegen.

Gegen beide Motionen

Sicherheitsdirektor Reto Nause (cvp) sagte im Namen des Gemeinderats, die Fremdenpolizei verfüge mit dem Ausländerrecht nur über ein "indirektes Instrument" gegen organisierte Bettelbanden. Die Praxis zeige, dass es schwierig sei, Menschenhandel in diesem Bereich nachhaltig zu bekämpfen. "Dazu bräuchte es mehr Mittel." Er beantragte, die beiden Vorstösse in Postulate umzuwandeln. Doch die Motionäre hielten an ihrer Form fest - und unterlagen. Der Vorstoss der SVP wurde mit 26 zu 36 Stimmen, jener des Freisinns mit 27 zu 39 Stimmen abgelehnt. Es bleibt also dabei: Die Stadt Bern bleibt ohne flächendeckendes Bettelverbot, seit dieses 1991 auf kantonaler Stufe abgeschafft wurde.

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BZ 27.3.09

Bürgerliche erneut gescheitert

Bettelverbot abgelehnt

Der Stadtrat hat gestern ein Bettelverbot in der Innenstadt abgelehnt. Die beiden Motionen hatten keine Chance.

Vor einem Jahr hatte CVP-Stadtrat Henri-Charles Beuchat mit seiner Stimmenthaltung dafür gesorgt, dass der Stadtrat das Bettelverbot in der Innenstadt mit einer einzigen Stimme ablehnte. Gestern stand das Thema Betteln erneut auf der Traktandenliste der Stadtratssitzung, doch Beuchat fehlte diesmal. Er weilt in den Ferien.

In einer Motion forderten Beat Schori (SVP) und Philippe Müller (FDP) gestern Abend "Schluss mit der Bettelei". Nicht ganz so weit wollte Bernhard Eicher (Jungfreisinnige) gehen: "Die Bevölkerung soll über ein stadtweites Bettelverbot entscheiden", verlangte er.

Für die Fraktion GFL/EVP äusserte sich Nadia Omar dahingehend, dass man organisierte Bettelei von kriminellen Banden zwar verurteile, dass es aber kein stadtweites Verbot brauche, um das Treiben dieser Banden zu unterbinden. Die GFL/EVP-Fraktion wolle nun zuerst den Bericht des Gemeinderates zum Bettelverbot im Bahnhof abwarten. Danach sei man allenfalls bereit, über ein Verbot in der Innenstadt zu reden.

Im vergangenen Juni hatte das Volk ein Bettelverbot im städtischen Teil des Bahnhofs angenommen.

"Bettler nicht glorifizieren"

Edit Leibundgut sagte im Namen der CVP-Fraktion, man müsse aufhören, die Bettelfreiheit zu glorifizieren. Täglich habe sie im letzten Winter Alte, Kranke und Schwache betteln sehen. Diesem Menschenhandel müsse man einen Riegel schieben. Erich Hess von der SVP sagte: "Wir haben hier ein soziales Auffangnetz, niemand in Bern braucht zu betteln."

Die GLP lehnte ein flächendeckendes Bettelverbot ab. Tanja Sollberger forderte namens der Grünliberalen vom Gemeinderat einen Entwurf, um mit speziellen Massnahmen die organisierte Bettelei zu verhindern.

"Es gibt hier Bedürftige"

Rolf Zbinden (PdA) fragte, ob sich bandenmässige Bettelei denn tatsächlich so einfach nachweisen lasse. Dort knüpfte auch Lea Bill (JA) an. "Die Unterscheidung zwischen organisierter Bettelei und echter Bedürftigkeit ist nicht so einfach." Gestört hat sie sich daran, dass einigen bürgerlichen Ratskollegen die Bettler "einfach auf die Nerven gehen - diese Einstellung zeugt von Arroganz". Es gebe sehr wohl Leute, die durchs soziale Netz gefallen sind."

Jimy Hofer sagte, beim Bettelverbot gehe es auch um die Rechtssicherheit für die Gewerbetreibenden in der Stadt.

Philippe Müller (FDP) warf der GFL fehlendes Rückgrat vor. Vor einem Jahr habe sie sich noch für das Verbot ausgesprochen. Nun sei sie - wohl unter dem Druck der SP - eingeknickt.

Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP) gab zu bedenken, dass es tatsächlich nicht einfach sei, organisierte Banden von tatsächlichen Bettlern zu unterscheiden. Ein Verbot könne er sich lediglich in einem "eng begrenzten Perimeter" vorstellen. Gleichzeitig wies er darauf hin, dass die Durchsetzung eines Verbotes zusätzliche finanzielle Mittel benötigen würde.

Beide Motionen wurden vom Rat einigermassen deutlich abgelehnt.
Martin Arn

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Regionaljournal DRS Bern 27.3.09

Berner Stadtrat gegen ein Bettelverbot in der ganzen Stadt (1:00)
http://real.xobix.ch/ramgen/srdrs/regibern/2009/rbe7v727032009.rm?start=00:03:07.965&end=00:04:08.935

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20min.ch 26.3.09

Nur im Bahnhofareal

Kein stadtweites Bettelverbot in Bern

Das Berner Stadtparlament will das für das Bahnhofareal geltende Bettelverbot nicht auf die ganze Stadt ausdehnen. Der Stadtrat hat am Donnerstag zwei entsprechende Vorstösse bachab geschickt.

Im Sozialstaat Schweiz müsse niemand betteln, ausserdem habe das Bundesgericht mit einem Entscheid klar gemacht, dass ein gemeindeweites Bettelverbot zulässig sei, machten die beiden Vorstösser aus den Reihen der FDP und der SVP geltend. Betteln sei zwar ein Freiheitsrecht, doch seien heute viele Bettler für organisierte Netzwerke tätig und würden von ihnen ausgenommen. Diese schreckten auch nicht davor zurück, Kinder, Invalide oder Behinderte zum Betteln auszuschicken.

Mit ihrer deutlichen Zustimmung zu einem auf das Bahnhofareal beschränkten Bettelverbot habe die Berner Bevölkerung 2008 klar gemacht, dass sie dieses Treiben missbillige. Um gegen organisierte Banden, die Kinder und Behinderte missbrauchten, vorzugehen, gebe es heute schon genügend Mittel, war man in den links-grünen Franktionen der Meinung.

Das örtlich beschränkte Bettelverbot im öffentlichen Teil des Berner Bahnhofs habe bisher gut umgesetzt werden können, sagte Gemeinderat Reto Nause CVP. Gegen das bandenmässige Betteln habe die Stadt allerdings nur indirekte Instrumente, gab er zu bedenken.

Der Fremdenpolizei stünden die Mittel des Ausländerrechts zur Verfügung. Wenn man nun aber Nulltoleranz gegenüber Bettelbanden fordere, gehe das nicht ohne zusätzliche Mittel für die Fremdenpolizei. Es könnte in der Praxis aber auch schwierig werden, zu beweisen, wer bandenmässig organisiert sei.

Die Stadtregierung wäre bereit gewesen, die beiden Vorstösse in der unverbindlicheren Form eines Postulats entgegenzunehmen. Davon wollten wiederum die Vorstösser nichts wissen und beharrten auf der verbindlichen Motion. Der Rat lehnte beide Vorstösse mit 26 zu 39 respektive 27 zu 39 Stimmen ab.
Quelle: SDA/ATS

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Regionaljournal DRS Bern 26.3.09

Der Berner Stadtrat diskutiert über ein Bettelverbot - Genf hat schon Erfahrungen gesammelt (2:04)
http://real.xobix.ch/ramgen/srdrs/regibern/2009/rbe1726032009.rm?start=00:10:53.160&end=00:12:57.572

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WASSERWERK
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BZ 27.3.09

Matte

Wasserwerk vor Neustart

Ende April öffnet das Wasserwerk wieder seine Tore. Wie ihre Vorgänger setzen auch die neuen Betreiber vorab auf DJs.

Seit Mitte Januar ist das Wasserwerk geschlossen, weil die bisherigen Betreiber mit dem "Bonsoir" einen neuen Club an der Aarbergergasse eröffnet haben. Ab Ende April soll nun wieder Leben ins Wasserwerk kommen: Ein Kollektiv junger Berner wagt das Abenteuer, dem Lokal direkt an der Aare neues Leben einzuhauchen. Dass dies kein einfaches Unterfangen ist, zeigt ein Blick in die Vergangenheit: Seit der Eröffnung 1993 gingen zwei Veranstalter mit dem Wasserwerk in Konkurs. Den letzten Betreibern gelang es allerdings in den vier Jahren ihres Wirkens, mit einer trendigen Programmation das Wasserwerk wieder zu einer Drehscheibe des Berner Nachtlebens zu machen.

Die neuen Betreiber wollten gestern zu ihren Plänen noch nicht Stellung nehmen. Dem Vernehmen nach wollen aber auch sie den Schwerpunkt auf elektronische Klänge und DJs setzen. Konzerte soll es - im Gegensatz zu den Anfängen im "Wasi" - nur selten geben.
azu

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TELEHESS 26.3.09
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telehess.ch 26.3.09

Heute Folge 3:
Erich Hess zum Thema Wirtschaftskrise und Bankgeheimnis
http://www.youtube.com/watch?v=4ZKQ_rtgbrM

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AUSSCHAFFUNG
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20min.ch 27.3.09

Irakischer Asylbewerber

Ausschaffung in letzter Minute gestoppt

Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf hat die Ausschaffung des irakischen Asylbewerbers Fahad Khammas kurzfristig verschoben. Der Iraker ist eine der Hauptfiguren des Schweizer Dokumentarfilms "La Forteresse" von Fernand Melgar.

Grund war ein Gespräch, das sie den Anwälten von Khammas versprochen hatte. Dieses fand noch am gleichen Tag statt. Abgemacht war, dass dieses Gespräch stattfinden soll, bevor der 24-jährige Protagonist des Dokumentarfilms "La Forteresse" nach Schweden ausgeflogen wird, wie Anwältin Elise Schubs am Freitag der Nachrichtenagentur SDA sagte.

In letzter Minute liess die Justizministerin deshalb am Donnerstag den Spezialflug verschieben, der vom Migrationsamt Zürich zusammen mit dem Bundesamt für Migration (BFM) kurzfristig für Donnerstagmorgen festgelegt worden war.

Khammas noch in Zürich

Ein neuer Termin für die Ausschaffung stehe noch nicht fest, sagte Brigitte Hauser-Süess, Informationschefin beim Eidg. Justiz- und Polizeidepartement (EJPD). Derzeit befinde sich Khammas nach wie vor in Zürich.

Khammas war am Montag in Zürich festgenommen und unter anderem wegen illegaler Einreise und Aufenthalts in der Schweiz vom BFM mit einem Einreiseverbot belegt worden. Er soll nach Schweden ausgeschafft werden, weil er dort ein erstes Asylgesuch gestellt hatte.

Vom Tode bedroht

Weil sein Gesuch abgelehnt worden war, droht dem Asylbewerber von Schweden aus die Rückführung in den Irak. Seine Anwälte und Amnesty International sind überzeugt, dass der Mann dort mit dem Tod rechnen muss. Er war nach eigenen Angaben wegen seiner Übersetzertätigkeit bedroht worden.

In einer Petition ruft die Organisation "Aide sanitaire Suisse aux Palestiniens" Bundesrätin Widmer-Schlumpf sowie BFM-Direktor Eduard Gnesa dazu auf, das Leben von Khammas zu schützen und auf die Ausschaffung zu verzichten.
Quelle: SDA/ATS

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ASYL
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Bund 27.3.09

Widerstand gegen Verschärfungen

Asylrecht Unausgegoren, unangemessen und undurchdacht: An der geplanten Verschärfung des Asyl- und Ausländerrechts lässt eine breite Allianz von über 40 Organisationen unter Führung der Demokratischen Juristinnen und Juristen der Schweiz (DJS) und von Solidarité sans frontières kein gutes Haar.

 Obwohl noch keine Erfahrungen mit dem neuen Ausländerrecht vorlägen, solle dieses bereits wieder revidiert werden, sagte der Zürcher Rechtsanwalt Marc Spescha, Mitglied der DJS, gestern vor den Medien. Mit diesem indirekten Gegenvorschlag zur Ausschaffungsinitiative der SVP beweise der Bundesrat kein Rückgrat. Er betreibe vielmehr reinen Populismus. "Kaum hüstelt die SVP und droht mit ihrer Initiative, wird der Bundesrat aktiv." Im Bundesgericht schüttle man über diesen "gesetzgeberischen Hyperaktivismus" den Kopf. Spescha kritisierte auch, dass die geplante Revision inkohärent sei. Einerseits sollten Ausländer, die eine Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren aufgebrummt erhielten, ausgewiesen werden. Andererseits werde dieser Mechanismus noch im selben Artikel wieder relativiert. "Das ist eine unseriöse Gesetzgebung." Auch bringe die Revision unverhältnismässige Verschärfungen. So sollten künftig Nicht-EU-Bürger, die Sozialhilfe bezögen, ausgewiesen werden können, auch wenn sie schon seit 15 Jahren in der Schweiz lebten.

 Unverhältnismässige Verschärfungen im Asylrecht kritisierte Yves Brutsch von den Centres sociaux protestants. Begründet werde dies damit, dass mehr Asylbewerber ins Land kämen und dass der Missbrauch der Asylrechts bekämpft werden müsse. Eben diese Argumentation sei seit den 80er-Jahren jedoch immer wieder für Verschärfungen des Asylrechts benutzt worden, sagte Brutsch. Inzwischen wisse niemand mehr, wie oft denn das Asylgesetz schon verschärft worden sei. (sda)

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KOKAIN
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20min.ch 26.3.09

Koks in Clubs

Polizei nimmt Clubbetreiber in die Pflicht

von Daniela Gigor

 Nachdem in acht Clubs Spuren von Kokain gefunden wurden, will die Polizei wissen, was die Betreiber dagegen unternehmen.

In den letzten Tagen haben acht Luzerner Clubs Post von der kantonalen Gewerbepolizei erhalten. Grund: Bei ihnen waren Koks-Spuren auf den Toiletten gefunden worden. "Wir wollen von den Betreibern wissen, was sie unternehmen, um den Drogenkonsum zu verhindern", sagt Urs Renggli, Chef Fachbereich Gastgewerbe. Er reagiert damit auf Drogenschnelltests, die die "Neue Luzerner Zeitung" in den letzten Wochen in elf Clubs durchgeführt hatte.

Einer der Betroffenen ist Opera-Mitbesitzer Milos Kant. "Wir können die Toiletten nicht mit Kameras überwachen", wehrt er sich. Auch sei es nicht möglich, die Gäste am Eingang auszuziehen und zu kontrollieren. Laut Kant werden im Club keine Drogen geduldet: "Wer erwischt wird, kriegt Hausverbot und eine Anzeige." Dies mache er neu auch noch durch Plakate deutlich.

Koks-Spuren wurden auch im Nautilus-Club gefunden, der Mitglied von Safer Clubbing ist. "Wir unternehmen schon jetzt alles, was möglich ist, um Drogenkonsum zu verhindern", sagt Inhaber Adrian Flückiger. "Es ist uns aber nicht erlaubt, die Gäste auf der Toilette zu kontrollieren."

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TIGRIS
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Tagesanzeiger 27.3.09

Geheime Tiger-Einheit nahm Behinderte fest

Knellwolf Thomas

Bern. - TA-Recherchen offenbaren, welche Aktionen die umstrittenen Tigris-Polizisten durchführten. So halfen die Fahnder des Bundes 2004 der Waadtländer Polizei, eine verwirrte Deutsche anzuhalten. Das Bundesamt für Polizei schreibt von einem Risiko, dass sich die "stark zurückgebliebene Frau aufgrund ihrer geistigen Behinderung gefährdet". Andere Tiger-Einsätze richteten sich gegen Kriminelle. (tok)

Jagd auf Entführer und Behinderte, Seite 2

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Die Tiger-Einheit jagt Entführer, Betrüger und geistig Behinderte

Über die 130 Einsätze der umstrittenen Sondereinheit Tigris wurde bislang kaum etwas bekannt. Der "Tages-Anzeiger" hat in Erfahrung gebracht, wie die Geheimpolizisten vorgingen.

Von Thomas Knellwolf

Bahnhofplatz Vevey, 6. März 2009. Zur Mittagszeit treten Waadtländer Kantonspolizisten an einen älteren Mann heran, der zuvor zehn Monate untergetaucht war. Die Gendarmen werden begleitet von Kollegen einer Einheit des Bundes, die zu jenem Zeitpunkt weder derÖffentlichkeit noch der Mehrheit der kantonalen Polizeidirektoren bekannt ist. Am Genfersee im Einsatz stehen Angehörige der Einsatzgruppe Tigris. Zusammen mit Waadtländer Polizisten verhaften sie um 13.15 Uhr Gerhard Ulrich. Der Gründungspräsident der Querulantenorganisation "Appel au peuple" weiss, was ihm blüht: 46 Monate Haft wegen mehrfacher Ehrverletzung und wegen Brandstiftung. Der 65-jährige Agronom und Hilfsbriefträger hatte das Haus seiner Frau in Saint-Prex angezündet. Den international Gesuchten ausfindig gemacht haben Zielfahnder aus dem Tiger-Bestand der Bundeskriminalpolizei.

Damals, vor drei Wochen, war Tigris geheim, heute ist bekannt, dass die Sondereinheit über ein Jahresbudget von 2,7 Millionen Franken und einen hypermodernen digitalen Schiesskeller in einem Berner Vorort verfügt. 2008 leisteten die 14 Tiger 40 Einsätze wie Festnahmen in Bundes- und Rechtshilfeverfahren, Gefangenentransporte, Rückführungen aus dem Ausland und Hausdurchsuchungen. Die Sonderpolizisten beteiligten sich vergangenes Jahr auch an acht erfolgreichen Zielfahndungen. Darunter versteht das Justizdepartement in Bern "eine gezielte, intensive, operative Suche nach ausgewählten ausgeschriebenen Straftätern, deren Festnahme von besonderer Bedeutung ist". Genaueres zu den bisher 130 Tigris-Operationen ist nicht zu erfahren - ausser, dass dabei kein Schuss fiel und dass der Financier Dieter Behring verhaftet wurde.

Behinderte "schonend angehalten"

Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf hat eine Untersuchung über die Tiger-Aktivitäten angeordnet und eine Informationssperre über einzelne Einsätze verhängt. Der "Tages-Anzeiger" kann trotzdem einige der Aktionen nachzeichnen - anhand von Polizeimeldungen über Zielfahndungen, bei denen die Tigris-Beteiligung verheimlicht oder zumindest nicht ausgewiesen wird:

Im Mai 2003 berichtet das Bundesamt für Polizei über erste Erfolge "der neuen Bundeskriminalpolizei-Einheit Zielfahndung", die ab 2005 zur Tiger-Truppe ausgebaut wird. Innert 48 Stunden seien "zwei international gesuchte Kriminelle" festgenommen worden: in Freiburg ein Drogenhändler, der 1999 aus einem deutschen Gefängnis geflüchtet war, in Kreuzlingen ein mutmasslicher Millionenbetrüger.

Ende März 2004 gibt es "einen Erfolg in einem eher ungewöhnlichen Fall" zu vermelden: "Dank der Erfahrung der Zielfahnder der Bundeskriminalpolizei" und "einer reibungslosen Zusammenarbeit mit den Polizeiorganen Deutschlands, des Kantons Freiburg und der Stadt Lausanne" sei eine deutsche Staatsangehörige in Lausanne "schonend angehalten" worden. Die geistig Behinderte habe sich zuvor ihrem Vormund entzogen, um in der Schweiz ein neues Leben aufzubauen, und sei ohne Geld und ohne Gepäck eingereist.

In einer gemeinsamen Aktion verhaften Zürcher Kantonspolizisten und Tiger-Leute im Juni 2006 einen Moldauer. Das Landeskriminalamt Thüringen sucht den 26-Jährigen wegen Raubs, Erpressung und Körperverletzung.

In den frühen Morgenstunden des 11. Dezember 2006 werden auf der Autobahnraststätte Sulzberg bei Rorschach zwei Polen festgenommen, die wegen bewaffneten Raubs gesucht werden. Am 3. April 2007 führt wiederum die Zusammenarbeit von Tigern mit St. Galler Kantonspolizisten zur Verhaftung eines Türken mit gefälschten Papieren. Die Polizeidirektion Hannover fahndet nach dem 28-Jährigen. Er soll sich an einer Abrechnung im Drogenmilieu beteiligt haben, bei der ein Widersacher entführt, erpresst und misshandelt wurde.

Die Kantone zweifeln, ob der Bund für solche Fälle eine Truppe stellen muss. "Ich bin grundsätzlich skeptisch", erklärt die St. Galler Justizdirektorin Karin Keller-Sutter, nachdem sie erstmals vom TA von den Tiger-Einsätzen in ihrem Kanton erfahren hatte. Bern müsse erklären, welche Rechtsgrundlage es für Tigris gäbe, sagt sie: "Danach stellt sich aber immer noch die Frage, ob es sinnvoll ist, wenn der Bund in solchen Fällen eingreift." Guido Balmer vom Eidgenössischen Justizdepartement erklärt, die Tigris-Einheit mache Zielfahndungen mit internationalem Hintergrund, "die sich nicht eindeutig einem Kanton zuordnen lassen". Mit den Kantonen arbeite man stets zusammen.

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Südostschweiz 27.3.09

Trainiert Tigris mit Heli Linth?

Zürich. - Gestern veröffentlichte der "Tages-Anzeiger" auf seiner Online-Plattform einen Artikel über die umstrittene Polizeieinheit Tigris. Auf dem Bild dazu ist ein Helikopter der Heli Linth zu sehen, aus dem Einsatzkräfte der Gruppe Tigris aussteigen - dies behauptet jedenfalls der "Tages-Anzeiger". Heisst es doch in der Bildlegende: "Die Spezialeinheit Tigris des Polizeidepartementes beim Training." Wie Recherchen der "Südostschweiz" zeigen, handelt es sich dabei jedoch um eine Zeitungsente: Bei den Beamten handelt es sich um Polizei-Grenadiere der Einsatzgruppe Diamant der Kantonspolizei Zürich. (so)

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BAHNPOLIZEI
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BZ 27.3.09

Neuer Anlauf bei der Bahnpolizei

Zwar wurde das Gesetz über die Bahnpolizei im Parlament gebodigt, doch vom Tisch ist es deswegen nicht. Die Verkehrskommission greift das Thema wieder auf. Eine schnelle Einigung sei möglich, bestätigen Verkehrspolitiker.

Möglicherweise erhält die Bahnpolizei früher als erwartet ein neues Gesetz. Bereits kommenden Dienstag wird sich die Verkehrskommission des Ständerates mit dem Thema befassen. "Wir müssen einen neuen Anlauf nehmen", sagt Kommissionspräsident Peter Bieri (CVP, ZG). Vor einer Woche scheiterte ein Gesetzesvorschlag zur Bahnpolizei bei der Schlussabstimmung im Nationalrat. Man sprach von einer unheiligen Allianz zwischen SP und SVP, welche das Gesetz zu Fall gebracht hatte. Für die Berner SP-Nationalrätin und Verkehrspolitikerin Evi Allemann war das nur teilweise eine unheilige Allianz. "In einem wesentlichen Punkt sind wir uns einig", so Allemann. "Und zwar darin, dass die Bahnpolizei in öffentlicher Hand bleiben muss." Im abgeschmetterten Gesetzesentwurf war vorgesehen, dass Bahnunternehmen private Firmen mit Aufgaben der Bahnpolizei betrauen können. Das soll geändert werden. SVP-Nationalrat und Verkehrspolitiker Max Binder (ZH) sagt: "Ich glaube daran, dass es eine Lösung gibt."

"Keine Bundespolizei"

Kommissionspräsident Bieri will nun zwei Ideen zur Diskussion stellen. Die erste ist die Gründung einer Vollpolizei. Sie wäre ein Organ der Bundespolizei ähnlich der Bundeskriminalpolizei. Die zweite Idee ist, die Bahnpolizei den Transportunternehmen zu unterstellen. Bieri glaubt, eher mit dem zweiten Vorschlag zu einer Lösung zu gelangen. Dem stimmen Binder und Allemann zu. "Wir wollen keine Bundespolizei", so Allemann. Die Bahnpolizei müsse auf den öffentlichen Verkehr beschränkt bleiben. Das deckt sich mit den Aussagen Binders im Parlament: "Wir wollen eine Transport- und Bahnpolizei, die weiterhin nur auf Zügen und in Bahnhöfen, also in Bahnarealen, tätig sein kann und nicht ausserhalb." Sie solle sicherheitspolizeiliche, aber keine gerichtspolizeilichen Kompetenzen haben.

Diese Bahnpolizei müsse von einer Hand, also etwa von der SBB, angeboten werden, fordert Allemann. Heinz Buttauer, Präsident des Verbands Schweizerischer Polizei-Beamter, stimmt dem zu: "Die Bahnpolizei muss direkt der SBB unterstellt werden." Andere Unternehmen sollen sich beteiligen oder Leistungen einkaufen können. Binder und Allemann glauben, dass die gesetzlichen Grundlagen dazu noch in diesem Jahr erarbeitet und abgesegnet werden könnten. "Wir beginnen nicht bei null. Es müssen nur die notwendigen Korrekturen gemacht werden", so Binder.

Kompromiss möglich

Allemann ist auch überzeugt, dass man sich über die Kompetenzen dieser Bahnpolizei einigen wird. Die SVP hat verlangt, dass die Bahnpolizei mit Schusswaffen ausgerüstet wird, die SP hat dies abgelehnt. "Ein Kompromiss ist möglich", so Allemann. Sie kann sich vorstellen, dass die Polizisten auf den Bahnhofarealen Waffen tragen, in den Zügen aber nicht. Das sieht auch Buttauer so.

Bleiben Peter Vollmer, Direktor des Verbands öffentlicher Verkehr (VöV), und Verkehrsminister Moritz Leuenberger. "Ich bin nicht so zuversichtlich, dass rasch eine neue Lösung gefunden wird", sagt Vollmer. Er hätte es begrüsst, wenn Transportunternehmungen unter klaren Bedingungen und behördlicher Kontrolle Sicherheitsaufgaben an Dritte ausgliedern könnten. Dass die SBB andern Unternehmungen bahnpolizeiliche Dienste anbietet, sei nicht für alle Transportunternehmen und vor allem in den Randregionen die Lösung. Heute nimmt aber bereits etwa der RBS die Dienste der Bahnpolizei der SBB in Anspruch.

Auch Bundesrat Moritz Leuenberger sieht keine Anzeichen dafür, dass eine neue Vorlage zu einem von allen Seiten besser akzeptierbaren Ergebnis führt, wie er nach der Schlussabstimmung verlauten liess. Doch: Auch die CVP ist am raschen Wiederaufnehmen der Arbeiten interessiert, und die Verkehrskommission des Nationalrates behandelt das Thema an ihren Sitzungen vom 6./7.April und 18./19.Mai.
Brigitte Walser

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STREIK-PROZESS
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Basler Zeitung 27.3.09

Protestzug mit Hindernis

Liestal. Rund 100 Leute demonstrierten für Allpack-Angeklagte

Lukas Meili

Im Rahmen des Allpack-Prozesses fand gestern in Liestal eine Kundgebung statt. Offenbar kämpften die Initianten dabei nicht nur für das Streik-, sondern auch für ihr Demonstrationsrecht.

"Kampf auf der Strasse, Kampf in der Fabrik - das ist unsere Antwort auf Ihre Politik", schallte es gestern Abend zwischen 18 und 19 Uhr durch Liestals Strassen. Rund 100 Menschen demonstrierten im Zuge des Allpack-Prozesses für das Streikrecht und gegen die "Klassenjustiz". Und kämpfen mussten sie offenbar auch für ihr Recht, überhaupt auf die Strasse gehen zu können, wie Hanspeter Gysin vom Solidaritätskomitee Basel sagt, das die Kundgebung organisiert hat.

Vorige Woche hatte Gysin bei der Stadt Liestal die Bewilligung für die Demonstration beantragt, diese auch erhalten - und sofort eine Einsprache dagegen gemacht. Grund für seinen Ärger war ein kleiner Passus in der Bewilligung: "Für allfällige, an öffentlichem oder privatem Eigentum verursachte Schäden haftet die bewilligungsinhabende Person in vollem Umfang." Eine Forderung, die laut Gysin "unhaltbar" ist: "Wenn jegliche Sachbeschädigung, die während einer Kundgebung passiert, dem Bewilligungssteller in die Schuhe geschoben werden kann, holt doch niemand mehr eine Bewilligung ein." Er wirft Liestal vor, das Demonstrationsrecht zu negieren. Gysin überlegte sich deshalb noch gestern Mittag, die Demonstration aus Protest abzublasen.

Liestal wehrt sich

Gegen solche Vorwürfe wehrt sich der Liestaler Stadtrat Lukas Ott vehement. "Das Demonstrationsrecht erachten wir als wichtig und schützenswert." Die fragliche Stelle sei ein Standardsatz, mit dem der Gesuchsteller im Sinne einer Sorgfaltspflicht auf haftungsrechtliche Bestimmungen aufmerksam gemacht werde. "Liestal ist nicht die einzige Stadt, die eine solche Praxis hat".

Laut Klaus Mannhart, Pressesprecher der Basler Polizei, ist tatsächlich auch in Basel der Bewilligungssteller für etwaige Schäden haftbar - allerdings ist die Wortwahl in der städtischen Bewilligung weniger bindend als in Liestal.

 Eine ähnliche Praxis hat auch die Stadt Zürich: "Der Organisator einer bewilligten Demonstration wird nur dann zur Kasse gebeten, wenn man nachweisen kann, dass er aktiv zum Vandalismus aufgerufen hat, oder sogar selber daran beteiligt war", sagt Polizeisprecher René Ruf. Wenn dies nicht der Fall sei, gebe es nur eine Anzeige gegen die Vandalen selber - oder gegen unbekannt.

Problem bleibt

Demonstriert wurde gestern trotzdem; Gysin hatte sich vor der Kundgebung mit Vertretern der Stadt Liestal getroffen, und diese hatten sich "nach langer Diskussion", wie Gysin sagt, dazu entschieden, den fragwürdigen Passus ausnahmsweise zu streichen. "Das Problem ist damit aber noch nicht gelöst", sagt er. Und der Kampf geht weiter.

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GASSENKÜCHE WINTERTHUR
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Landbote 27.3.09

Gassenküche schliesst trotz vollen Tischen

Als die Wirtschaft brummte, kamen kaum Gäste. Nun wird die Gassenküche geschlossen. Suchtkranke, Wenigverdiener, Rentner, Alleinerziehende und Einsame fragen sich, wo sie künftig günstig und zusammen essen können.

Das Esszimmer in der italienischen Pfarrei Centro Parrocchiale ist voll mit Gästen: Dem pensionierten Historiker gegenüber sitzt ein Ausgesteuerter, daneben sitzt eine Alleinerziehende. Vis-à-vis hat eine Frau Platz genommen, die in einer geschützten Werkstatt arbeitet. Das andere Tischende belegen sechs Männer, denen ihr wildes Leben ins Gesicht geschrieben steht.

Rund 30 Personen essen am Donnerstag in der Gassenküche. Es gibt Nudeln und Fleisch an Rahmsauce. Zwei Mittagessen bleiben ihnen noch. Dann bleibt die Küche zu. "Da geht viel verloren", sagt der Historiker. Der Mensch esse doch lieber mit anderen als einsam. "Ich werde mir dann wohl zu Hause etwas kochen", sagt die Frau. "So günstig gibt es nirgends so etwas Gutes", sagt der Ausgesteuerte. "Und erst noch mit Salat und Dessert", sagt einer am Tischende. Er verdrückt sich vor die Tür zum Rauchen.

"Anlaufstelle kein Ersatz"

Acht Jahre lang hat der Verein "Mehr Lebensqualität" die Gassenküche getragen. Die Institution war in den 90er-Jahren von Max Zeller im Neuwiesenhof ins Leben gerufen worden. Das Angebot richtete sich primär an Suchtkranke und Obdachlose aus dem Umfeld des Pavillons. In den letzten Jahren sank die Zahl der Gäste stetig, weshalb der Trägerverein Ende 2008 beschloss, das Angebot einzustellen. Die Stadt signalisierte daraufhin, die Gassenküche allenfalls in die Anlaufstelle für Randständige integrieren zu wollen. Dort werde schon heute Suppe ausgeteilt.

"Das ist kein Ersatz", sagt einer am Tisch. Auch die Leiterin der Gassenküche, Rita Keller, zweifelt daran, dass ihre Gäste in die Anlaufstelle gehen. "Längst nicht alle sind Suchtkranke." Es könne praktisch jeden treffen: Zuletzt seien mehr und mehr Menschen mit finanziellen und psychischen Problemen und Einsame in die Gassenküche gekommen. Die Nachfrage nach dem Menü für vier Franken sei gestiegen, sagt Keller. "Mit der Wirtschaftskrise könnte sich der Bedarf nach günstigen Mahlzeiten und einem Treffpunkt, an dem auch Aussenseiter toleriert werden, noch verstärken."

Die Stadt bedauert das Ende der Gassenküche, sieht aber keinen akuten Bedarf, sie zu ersetzen. "Es gibt genügend ähnliche Angebote", sagt Ernst Schedler, Leiter Soziale Dienste. Er erwähnt das Bistro Dimensione und den Läbesruum. An beiden Orten kostet ein Menü allerdings zwölf Franken. "Zu teuer", sagt dazu der Ausgesteuerte. Die Stadt will ausserdem am neuen Standort der Anlaufstelle an der Zeughausstrasse 76 eine grössere Küche einbauen, in der sich die Randständigen selbst verpflegen können. "Das dauert allerdings noch mindestens ein Jahr", sagt Schedler. Bis dahin aber, so befürchten Gäste und Gassenküchenleiterin Keller, werde sich die entstandene Gemeinschaft auflösen und nur schwer wiederbeleben lassen.

Aus Respekt für die Armen

Ein Hoffnungsschimmer bleibt. "Wir haben den starken Wunsch, die Gassenküche am Leben zu erhalten", sagt Priester Don Alberto Ferrara vom Centro Parrocchiale. "Wir wollen den Armen mit Respekt begegnen." Er sei im Gespräch mit der Pfarrei, mit Vereinen und der Stadt. "Es fehlt heute vielfach das Geld, aber die Armut und die Einsamkeit dieser Menschen können doch nicht von Geld abhängig gemacht werden", sagt Don Alberto. "Wer kann, muss dringend etwas unternehmen."
David Herter

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ANTI-ATOM
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BZ 27.3.09

Atomunfall bei Harrisburg 1979

Tage der Angst in Middletown

Am 28.März 1979 wurde im Kernkraftwerk Three Mile Island bei Harrisburg (Pennsylvania) beim bisher schwersten Atomunfall in den USA eine radioaktive Wolke freigesetzt. 200000 Menschen wurden darauf evakuiert.

Ganz hinten in der Ecke im Büro von Robert Reid steht leicht angestaubt ein altmodischer Metallkasten. Das Ding sieht aus wie ein Transistorradio und knattert auch so. Alle paar Sekunden zuckt die Nadel. Dann knistert es kurz aus dem Lautsprecher. Der Geigerzähler im Büro des Bürgermeisters von Middletown gehört zu den wenigen Dingen, die in der Kleinstadt im Herzen Pennsylvanias noch an den 28.März 1979 erinnern, jenen Tag vor 30 Jahren, an dem sich unten am Susquehanna-Fluss der bis heute schwerste Atomunfall in einem westlichen AKW ereignet hat. "Lange her", sagt Robert Reid nickend. Auf seinem Terminkalender ist der 28.März heute ein weisser Fleck. Auch in Middletown ist das Jubiläum fast ein Tag wie jeder andere.

Ungewissheit

Robert Reid aber wird den 28.März 1979 wohl nie vergessen. Schon damals war er ehrenamtlicher Bürgermeister von Middletown. Morgens um halb acht steht der Geschichtslehrer Reid vor seiner Klasse, als es an der Tür klopft: ein Anruf, es habe da im Atommeiler unten am Fluss einen Zwischenfall gegeben. Genaues ist nicht zu erfahren. Also geht Reid in sein Bürgermeisterbüro und schaltet den Fernseher ein. Keine drei Kilometer vor der Stadt, weiss er, liegt auf Three Mile Island das nagelneue Kraftwerk im Fluss. Viele hier sind stolz auf den Meiler. "Ein Atomkraftwerk", erinnert sich Robert Reid, "war damals ja etwas ganz Modernes, wie heute das Internet. Und wir hatten eins!"

Dann zappt der Bürgermeister an jenem 28.März nervös von einem Kanal zum nächsten. Mal heisst es, der Unfall sei harmlos, es sei keine Strahlung entwichen. Dann ist von kleinen Mengen Radioaktivität die Rede, von einem schweren Störfall, von Verletzten. Was ist zu tun? Die Stadt räumen? Abwarten? Wie knapp man an diesem Tag an einem amerikanischen Tschernobyl vorbeigeschrammt ist, wird auch Reid erst später klar. Zwei Tage nach dem Unfall soll er plötzlich Schwangere und Kleinkinder evakuieren. Er steht an einer Strassenkreuzung und sieht zu, wie seine Stadt die Flucht ergreift. Alle wollen nur weg. Den offiziellen Beschwichtigungen glaubt niemand mehr.

Partielle Kernschmelze

Auch Tom Kauffman erinnert sich an eine aufregende, hektische Zeit. Kurz vor halb sieben war der junge Nuklearingenieur, damals 25 Jahre alt, am Unglückstag zur Arbeit erschienen. "Ich habe sofort gemerkt, dass etwas Ernsthaftes passiert ist", erinnert er sich. Es gebe da ein Problem mit Block 2, mehr erfährt auch Kauffman zunächst nicht. Im Kontrollraum versucht die Nachtschicht noch immer fieberhaft, die verwirrenden Vorgänge im überhitzten Meiler zu verstehen. Messinstrumente sind ausgefallen, der Reaktorkern ist demoliert, ein Teil der Brennelemente geschmolzen. Eine erste Wasserstoffexplosion ist durch den vier Meter dicken Betonmantel bis in den Kontrollraum zu spüren. Aber warum? Die Ingenieure ahnen nicht, dass der Kühlkreislauf unterbrochen ist, weil auf der Anzeigetafel falsche Angaben blinken. Ein Ventil, das geschlossen sein müsste, klemmt. Es ist eine Kettenreaktion aus Konstruktionsmängeln, technischen Pannen und Bedienungsfehlern, die sich da zum Beinahe-GAU summiert - und das stolze Kraftwerk im Susquehanna-Fluss an diesem Morgen beinahe in die Luft jagt.

Klimafreundlich

30 Jahre später sind in den USA die Lehren aus dem "Störfall" auf Three Mile Island umstritten. Tom Kauffman hat seinen Glauben an die atomare Zukunft nie verloren. Er arbeitet heute beim Nuclear Energy Institute, dem Lobbyarm der Atombranche in Washington. Ein Unfall wie damals, glaubt er, könne heute nicht passieren: "Wir haben unsere Lektion gelernt. Sicherheit ist jetzt das oberste Gebot." Kauffman rattert Statistiken herunter, die belegen sollen, dass es heute gefährlicher ist, in einem Supermarkt zu arbeiten als in einem AKW. Dann ist da noch das neue Image: Die Branche präsentiert sich gern als patriotisch, grün und klimafreundlich - weil in Atommeilern keine Treibhausgase freigesetzt werden. Und weil man für Nuklearstrom keine Kriege führen muss wie um das Öl.

"Verdammt lange her", sagt Robert Reid in seinem Büro lächelnd - im Hintergrund das Knattern seines Geigerzählers. Vor 30 Jahren hatte er Angst, dass Middletown zur Geisterstadt wird. Dass die Menschen nicht zurückkommen, aus Furcht vor den Strahlen, vor der unsichtbaren Gefahr draussen auf dem Fluss. Doch die Menschen kamen zurück. Viele denken nicht mehr an die Tage der Angst. Anders Robert Reid. "Kommen Sie mit", sagt der Bürgermeister und steigt eine Treppe hoch. Im zweiten Stock hat Reid ein Katastrophenzentrum eingerichtet, das einer Grossstadt Ehre machen würde. An der Wand hängen Evakuierungspläne. Zwei Bildschirme flimmern, auf einem CNN, auf dem anderen der Wetterkanal. Davor sitzt Tom Foreman, ein Feuerwehrmann; Funkgerät und Laptop sind griffbereit. Falls wieder ein Anruf kommt hinten von der Insel, will Robert Reid auf alles vorbereitet sein.
Dietmar Ostermann

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Renaissance für US-Atomindustrie?

Seit Bush die Atomkraft zum Pfeiler der US-Energiepolitik machte, hofft die Nuklearindustrie auf einen zweiten Frühling.

 Schon bald, prophezeit Atomlobbyist Tom Kauffman, würden wieder neue Atomkraftwerke in den USA gebaut. Es wären die ersten seit dem Unfall auf Three Mile Island. Genehmigungsverfahren für Meiler der dritten Generation laufen, 17 Unternehmen haben Bauanträge gestellt. "Vier bis acht Kraftwerke", sagt Kauffman, "werden in einer ersten Welle ab 2016 ans Netz gehen." Derzeit liefern die 104 Reaktoren im Land rund 20 Prozent des US-Stroms. Geht es nach Kauffman, wird der Anteil schon bald steigen.

Nicht konkurrenzfähig

"Die träumen", winkt Eric Epstein ab, "wenn sie unter Bush kein Atomkraftwerk bauen konnten, werden sie es unter Obama auch nicht können." Epstein ist Chef der atomkritischen Gruppe "Three Mile Island Alert", des Überrests der einst stattlichen Protestgemeinde in der Region. Aus Anlass des Unfalljubiläums sollte Epstein heute eigentlich im nahen Harrisburg mit einem Industrievertreter über die Zukunft der Atomindustrie debattieren. Die Branche aber hat keinen Vertreter geschickt. So streitet Epstein mit dem konservativen Atomkritiker Jerry Taylor vom Cato Institute nur über die Gründe, warum es aus ihrer Sicht eine "Atom-Renaissance" in den USA nicht geben werde. Ohne massive Subventionen sei Atomstrom schlicht nicht konkurrenzfähig, glaubt Taylor. Kein Investor, der bei Trost sei, werde die hohen Baukosten von sechs bis neun Milliarden Dollar aufwerfen, um neue Meiler zu errichten, sagt Epstein. "Sie verweisen auf Umfragen, wonach Atomkraft ach so beliebt sei. Aber fragen sie die Leute mal, ob die einen Reaktor vor der Haustür wollen." Neue Standorte, ist Epstein überzeugt, liessen sich auch 30 Jahre nach dem "Störfall" im Susquehanna-Fluss in den USA schlicht nicht durchsetzen.

Was sich abzeichnet, ist für den Atomkritiker vielmehr eine Fortsetzung des Status quo: keine neuen AKW, kein massiver Ausbau der Kernkraft - aber routinemässige Laufzeitverlängerungen für alle Reaktoren. "Unsere Nuklearbehörde würde sogar der Hindenburg eine Lizenz ausstellen, Kinder nach Disneyland zu fliegen", spottet Epstein über die in den Bush-Jahren laxe Atomaufsicht. Seine Organisation hat vergeblich protestiert, als die nach den Terroranschlägen vom 11.September 2001 vor der Brücke nach Three Mile Island aufmarschierten Wachmänner wieder abzogen. Heute kann jeder unbehelligt auf die Insel fahren. Nur klobige Betonsperren grenzen den Parkplatz von den noch aktiven Kühltürmen des verbliebenen Reaktors ab.

Obamas Standpunkt

Grossen Wandel verspricht sich Epstein auch vom neuen Präsidenten nicht. Den Bau des umstrittenen Endlagers Yucca Mountain hat Barack Obama zwar gestoppt. Doch der Demokrat gilt nicht als Atomgegner, im Wahlkampf hielt er sich bei dem Thema stets bedeckt: "Obama kommt aus Illinois, der Heimat vieler Atombetreiber", sagt auch Jerry Taylor, "als Senator hat er nie gegen ihre Interessen gestimmt." Bestenfalls werde er die Industrie nicht mehr päppeln wie Bush. Priorität hätten unter Obama jetzt Alternativenergien.
Dietmar Ostermann