MEDIENSPIEGEL 29.3.09
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)

Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Programm
- Sans-Papiers-Demo in ZH (7.4.09)
- No Nato Camp Strasbourg bereit
- Party-Knast für "Störenfriede" in ZH
- Tigris: Kostenlose Busipo
- Tiago: Lauschangriff der Bukripo
- Avalon: Esoterik + Rechtsextremismus

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REITSCHULE
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So 29.03.09
18.00 Uhr - Rössli - Piano-Bar

Di 31.03.09  
20.30 Uhr - Tojo - Lustiger Dienstag 39

Mi 01.04.09
19.00 Uhr - SousLePont - Slowenien Spezialitäten

Do 02.04.09
20.30 Uhr - Tojo - Endgame, Theatergruppe Englisches Departement Uni Bern
20.30 Uhr - Kino - Tango, C. Saura, ARG 1997, OV/df, 115min, 35mm
22.00 Uhr - Rössli-Bar - Friends with Displays CH - Nu-Rave Electro

Fr 03.04.09
20.30 Uhr - Tojo - Endgame, Theatergruppe Englisches Departement Uni Bern
21.00 Uhr - Kino - Je ne suis pas là pour être aimé, S. Brizé, F 2005, OV/d, 93min, 35mm
22.00 Uhr - Frauenraum - frauendisco popshop mit Anouk Amok & Madame Léa - Women only
22.00 Uhr - Dachstock - Groovebox: Kollektiv Turmstrasse live Connaisseur/Ostwind Records/MGF/Diynamic Music, Hamburg Tigerskin aka Dub Taylor live Organic Domain Rec./Opossum/Mood Music, Berlin Fa_Bien beam rec, be - Minimal/House/Elektro

Sa 04.04.09
19.00 Uhr - SousLePont - Afrika Spezialitäten
20.30 Uhr - Tojo - Endgame, Theatergruppe Englisches Departement Uni Bern
21.00 Uhr - Kino - Màs Tango, A. Hannsmann, S. Schnabel, D/Arg 2006, OV/d, 56min, dvd
22.00 Uhr - SousLePont - One Love Jam: Isaac Biaas & the Soul Babimbi Afro Swing Aftershow mit DJ‘s Side by Cyde, Angle by Fall Sound System, Jonas Selecta, Zion Sound Int.
22.00 Uhr - Frauenraum - Antifafestival presents: SICK GIRLS Berlin
22.00 Uhr - Dachstock - Little Axe, Skip McDonald, Doug Wimbish, Keith LeBlanc feat. Bernard Fowler USA/UK - Blues/Funk/Rock

So 05.04.09
09.00 Uhr - Grosse Halle - Flohmarkt und Brunch im Sous le Pont

Infos: www.reitschule.ch

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SANS-PAPIERS
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NZZ am Sonntag 29.3.09

Protest gegen Verhaftung von Sans-Papiers in Zürich

Mit einer Demonstration wollen sich Sans-Papiers am 7. April in Zürich gegen ihre Kriminalisierung wehren.

Matthias Herren

Die Situation der Sans-Papiers spitzt sich weiter zu. Am 7. April will eine Gruppe von ihnen in Zürich zum kantonalen Migrationsamt marschieren, um gegen die zunehmende Kriminalisierung der Papierlosen zu protestieren. "Einige Sans-Papiers, die über Weihnachten in der Predigerkirche waren, sind inzwischen verhaftet worden", sagt Stefan Schlegel von der Aktion "Bleiberecht". Hinzu komme, dass sich auf der politischen Ebene nichts tue. "Wir planen keine weitere Kirchenbesetzung", sagt Schlegel. Die Bereitschaft zu einer solchen Aktion sei aber latent vorhanden.

Von der Haltung der Kirchen ist Schlegel generell enttäuscht. "Wir wurden zwar finanziell und mit Räumen unterstützt, doch wenn es um politische Forderungen geht, lassen uns die Kirchen allein." Auch sei die Besetzung der Predigerkirche im Dezember 2008 bei Kirchenleuten auf wenig Verständnis gestossen. "Sie ärgerten sich darüber, dass der Energiefluss des Kirchenraums durch die Harassen und Wolldecken der Sans-Papiers gestört wurde", kritisiert Schlegel.

Winterthurer Kirchenverantwortliche hatten damals gar Angst vor einer weiteren Kirchenbesetzung über den Jahreswechsel, wie inzwischen bekannt wurde. An Silvester verriegelten Sakristane einiger katholischen Kirchen die Türen ihrer Gotteshäuser. Mit der Massnahme sollte verhindert werden, dass Sans-Papiers auch in Winterthur eine Kirche besetzen. Kurz vor Mittag am 31. Dezember sei Angestellten der Pfarrei von St. Peter und Paul mitgeteilt worden, dass die Sans-Papiers-Bewegung beabsichtige, die zentrumsnahe Kirche hinter dem Bahnhof zu besetzen, sagt Peter Allemann, Präsident der katholischen Kirchenpflege Winterthur. "Auf mein Anraten hin wurde die Kirche bis zum Abendgottesdienst vorsorglich geschlossen."

In einer Blitzaktion wurden Pfarrer, Gemeindeleiter und Sakristane aller katholischen Pfarreien in Winterthur alarmiert. Gar kein Verständnis für geschlossene Kirchen haben einige Mitarbeiter der Pfarreien. Mit einem Brief beschwerten sie sich kürzlich bei der Kirchenpflege, dass Kirchen aus Angst vor einer Besetzung verriegelt wurden.

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NO NATO CAMP
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Radio Corax (Halle) 28.3.09

Interview mit dem Nato-versenken-Camp in Strasbourg

Lange Zeit blieb es unklar - nun ist es endlich definitiv: es wird in Strasbourg definitiv ein Widerstandscamp im Stadtteil Ganzau geben…

Stand des Aufbaus, Lage des Camps, wie groß das Gelände ist, was noch an Material gebraucht wird ... alles weitere unter

http://camp09.blogsport.de/

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PARTY-KNAST
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NZZ am Sonntag 29.3.09

Zürich plant Gefängnis für Betrunkene

Alkoholisierte und drogenabhängige Störenfriede sollen verhaftet und betreut werden

In Zürich ist eine Haft- und Betreuungs-Einrichtung für betrunkene und süchtige Personen geplant, welche die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährden.

Lukas Häuptli

Die Stadt Zürich verstärkt ihren Kampf gegen die Auswüchse des Alkohol- und Drogenkonsums auf öffentlichem Grund. Sie plant ein Zentrum, in dem alkoholisierte und drogenabhängige Personen, welche die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährden, in Gewahrsam genommen werden. Im Zentrum sollen die Verhafteten ausgenüchtert und medizinisch betreut werden. Anschliessend entlässt man sie. Auswärtige überführt die Polizei in die Wohngemeinde, Jugendliche müssen von ihren Eltern abgeholt werden. "Der Stadtrat hat die Task-Force <Jugendgewalt> beauftragt, mittel- und langfristig eine geeignete Örtlichkeit zu finden, die sowohl für den Gewahrsam als auch für die Betreuung geeignet ist", sagt der zuständige Stadtrat Gerold Lauber auf Anfrage. "Wir tolerieren in der Stadt Zürich keine betrunkenen Jugendlichen und jungen Erwachsenen mehr, welche die öffentliche Ordnung stören oder sich und andere gefährden. Solche Personen werden von der Polizei in Gewahrsam genommen."

Noch steht nicht fest, wo und wann die Einrichtung entstehen soll und wie gross und teuer sie wird. "Wir haben zwischen Oktober 2008 und März 2009 einen Pilotversuch durchgeführt", sagt dazu Beat Oppliger, Abteilungschef bei der Stadtpolizei Zürich und Co-Leiter des Bereichs "Keine öffentlichen Besäufnisse" bei der Task-Force. "Jetzt werten wir die Ergebnisse aus." Im Rahmen des Versuchs waren stark berauschte Personen an mehreren Wochenenden im Vermittlungs- und Rückführungszentrum in der alten Kaserne in Gewahrsam genommen und dort von den Städtischen Gesundheitsdiensten betreut worden. Wie viele Personen festgenommen wurden, will Oppliger nicht sagen.

Für die definitive Einführung der Haft- und Betreuungseinrichtung braucht es einen weiteren Stadtratsbeschluss - und je nach Kosten allenfalls einen Gemeinderatsbeschluss. Bereits jetzt steht aber fest, dass die Einrichtung auf "alle Kategorien von Personen" ausgerichtet sein soll, wie Stadtrat Gerold Lauber weiter sagt, also auf Personen jeden Alters und auf Rausch- und Betäubungsmittel jeder Art.

Rechtliche Grundlage für das Projekt sind in erster Linie die städtische Polizeiverordnung und das kantonale Polizeigesetz. Dieses war von den Stimmberechtigten im Februar 2008 angenommen worden, ist wegen einer Beschwerde aber noch nicht in Kraft. Das Gesetz sieht unter anderem vor, dass die Polizei Personen, die sich oder andere gefährden, während maximal 24 Stunden in Gewahrsam nehmen darf. Anschliessend kann ein Haftrichter die Haft verlängern. Daneben darf die Polizei Jugendliche "in Obhut nehmen" und an die Eltern übergeben. Und schliesslich ist im Polizeigesetz vorgesehen, dass die Kosten eines Polizeieinsatzes den Verursachern übertragen werden - vorausgesetzt, dass die Verursacher "vorsätzlich oder grobfahrlässig" gehandelt haben. "Die Kostenfrage ist von Fall zu Fall abzuklären", sagt dazu Oppliger. "Grundsätzlich kann man aber davon ausgehen, dass berauschte Personen grobfahrlässig gehandelt haben und deshalb die Kosten selbst begleichen müssen."

Die geplante Einrichtung der Stadt Zürich ist die erste ihrer Art in der Schweiz. Ähnliche Angebote gibt es bereits in Deutschland, unter anderem in Stuttgart und Hamburg.

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TIGRIS
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Sonntagszeitung 29.3.09

Tigris fahndet kostenlos

Die Elitetruppe macht Kapos Konkurrenz

Zürich Zwei Zielfahnder der Einsatzgruppe Tigris der Bundeskriminalpolizei (BKP) unterstützten vor zwei Jahren die Urner Kapo bei der Suche nach dem Messerstecher von Erstfeld. Zur Freude des Urner Polizeikommandanten Reto Habermacher, der mit der Arbeit der beiden Spezialisten "sehr zufrieden" war. Kein Wunder: Für die Hilfe aus Bern entstanden der Kapo Uri keine Kosten.

Im Sommer 2007 hatte der Algerier Ali Sebti in Erstfeld zwei Männer erstochen. Danach flüchtete er ins Ausland. Jetzt begann die Arbeit der Bundes-Zielfahnder. Dass die Hilfe aus Bern gratis war, ärgert die grossen Kantone. Hätten die Urner Fahndungsspezialisten beispielsweise aus Luzern anfordern müssen, wären sie nicht so billig weggekommen: Gemäss Beat Hensler, Luzerner Polizeikommandant, kostet der Einsatz seiner Leute einen anderen Kanton 100 Franken pro Person und Stunde.

Mit der Gratisunterstützung konkurrenziert die BKP andere Kantonspolizeikorps, sagen Experten. Sie vermuten, die BKP wolle sich mit einer Dumping-strategie zusätzliche Aufträge und Prestige sichern.
M. Halbeis

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NZZ am Sonntag 29.3.09

Blochers Departement hatte das Parlament über "Tigris" informiert

Im Jahresbericht 2005 der Bundeskriminalpolizei wurde "Tigris" thematisiert. Auch die Geschäftsprüfungskommission war im Besitz dieses Berichts.

Heidi Gmür

"Alle waren im Bild." Das sagte letzte Woche Kurt Blöchlinger, Chef der Bundeskriminalpolizei (BKP), im "Blick". Und widersprach damit der Behauptung von Politikern und Medien, die 14-köpfige Sondereinheit "Tigris" der BKP sei hinter dem Rücken der Politik ins Leben gerufen worden. Vielmehr habe der damalige Justizminister Christoph Blocher im Jahr 2005 "Tigris" im Rahmen einer Inspektion untersuchen lassen, sagte Blöchlinger. Der Bericht sei den Geschäftsprüfungskommissionen (GPK) des Parlaments zugestellt worden. Tags zuvor hatte auch Blocher im "Tages-Anzeiger" festgehalten: "Der Inspektionsbericht über diese Fragen - auch über die Einsatzgruppe <Tigris> - ging auch an die Aufsichtsbehörde des Parlaments."

Das Sekretariat der GPK wollte zur Existenz eines Inspektionsberichts nicht Stellung nehmen; das sei Teil der Abklärungen. Unabhängig von diesem Inspektionsbericht, der eventuell auch nur an die Geschäftsprüfungsdelegation der GPK ergangen war, steht jetzt aber fest: Blochers Departement hat die GPK spätestens 2006 über "Tigris" ins Bild gesetzt: Die Einheit wird nämlich auch im Jahresbericht 2005 der BKP, der 2006 publiziert und der GPK zugestellt wurde, thematisiert.

Auf Seite 4 steht, dass seit 2004 im Rahmen der von der BKP geführten Ermittlungsverfahren immer mehr Personen angehalten und verhaftet wurden. "Das Risiko bei solchen Einsätzen kann durch eine einheitliche Ausbildung und vor allem durch Konstanz, Erfahrung und eingespielte Abläufe minimiert werden." Daher, so heisst es im Jahresbericht weiter, "wurde bereits 2004 die Gruppe ERMA (Erstmassnahmen) gebildet, aus der am 1. Januar 2005 die Einsatzgruppe TIGRIS entstand". Ihr Aufgabenbereich wird wie folgt skizziert: "Die Einsatzgruppe TIGRIS nimmt für die BKP Vorabklärungen und so genannte Erstmassnahmen sowie Festnahmen vor und ist zuständig für Zielfahndungen. Sie ist auch Ansprechpartnerin und Koordinatorin für die Zusammenarbeit mit dem In- bzw. Ausland und anderen Partnern in diesem Bereich." Das GPK-Sekretariat bestätigt, dass die Berichte des Bundesamts für Polizei der Kommission "regelmässig zugestellt werden". Auch der Jahresbericht 2005 der BKP lag Mitgliedern der GPK vor, wie die "NZZ am Sonntag" weiss.

Das GPK-Sekretariat betont aber, dass der Fokus der GPK bisher noch nie auf diese Einsatzgruppe gerichtet gewesen sei; weitere Abklärungen seien daher durchaus gerechtfertigt. Dem pflichtet der grüne Nationalrat Geri Müller bei, der 2005 GPK-Mitglied war. Er erinnert sich zwar an den BKP-Bericht, er sei sich aber der Dimensionen von "Tigris" nicht bewusst gewesen. Unter anderem stelle sich die Frage, ob "Tigris" heute noch das sei, als was es damals ausgegeben worden war. Das will auch Blochers Nachfolgerin, Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf, abklären. SVP-Nationalrat Christoph Mörgeli erwartet eine Überprüfung bis zurück ins Jahr 2003. Damals wurde unter Blochers Vorgängerin, Ruth Metzler, die Vorstufe von "Tigris" und "Erma" ins Leben gerufen: das Kommissariat "Zielfahndung".

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Le Matin Dimanche 29.3.09

Le tigre boiteux de la ménagerie confédérale

Malaise à Berne après la découverte de Tigris, cette secrète police de choc dont une enquête prestement diligentée par Eveline Widmer-Schlumpf nous dira d'où elle sort et à quoi elle sert. Pour le moment une chose est évidente: l'entêtement fédéral à vouloir une police dont les cantons et le peuple ne veulent pas. Cela fait un demi-siècle que cela dure. Un demi-siècle que des politiciens en mal d'idées reviennent avec des projets "félinesques": vous n'avez pas voulu du projet Jaguar, du projet Panther ou du projet Puma? Soit! On vous cachera le Tigre!

Cela a commencé en 1961. Pour assurer la protection des conférences internationales à Genève, le Conseil fédéral proposa une PMI, police mobile intercantonale. Formée de 600 hommes issus des polices cantonales, elle devait protéger les rencontres internationales mais aussi maintenir l'ordre dans le pays. Les discussions traînèrent pendant neuf ans, jusqu'à ce que les urnes genevoises balaient le projet fin 1970. En 1974, rebelote. Berne propose une PIC, police intercantonale, mais sans maintien de l'ordre. Cousu de fil blanc, le projet ne dépasse pas le stade de la consultation des cantons. Entre-temps, le Conseil fédéral avait aussi mis en chantier le projet Jaguar. Il s'agissait de créer une force de police de 50 à 100 hommes rattachée à la Police fédérale (la fameuse Bupo) déjà existante. Mais les cantons refusèrent cette entorse au fédéralisme.

Au milieu des années 1970, la situation étant chaude aussi bien en Suisse (Kaiseraugst) qu'en Allemagne (Baader/Meinhof) et en Italie (Brigades rouges), Kurt Furgler, policier en chef, concocta un projet Panther. Visant à créer une police de sécurité fédérale, il s'agissait d'un compromis entre les tentatives précédentes. Soumis à votation fin 1978, Panther fut balayé par 56% des voix. Pas dégoûté, Furgler retourna immédiatement à ses fiches et demanda à ses services d'étudier le projet Puma, un compromis entre Jaguar et Panther. Cette police-là aurait compté 100 policiers fédéraux et 200 cantonaux. Mais après l'avoir retourné dans tous les sens, le gouvernement, sûr de l'échec, l'abandonna en 1985. En 1989, le scandale des fiches illégales de la Bupo rendit cette dernière suffisamment impopulaire pour que le dossier soit classé. On le rouvre sans plus de succès aujourd'hui. La solution viendra peut-être dans quelques dizaines d'années. Il reste encore assez de noms de félins terrifiants pour baptiser les projets: léopard, guépard, lynx…Y

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TIAGO
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Sonntagsblick 29.3.09

Nach Tigris gibts jetzt auch noch Tiago

Geheimer Lauschangriff

Von Beat Kraushaar und Romina Lenzlinger

Sie heissen "Tiago", arbeiten verdeckt und observieren Kriminelle mit Minikameras, Abhörwanzen und Peilsendern.

James Bond würde vor Neid erblassen, wenn er die Hightech-Zentrale der Observierungsformation "Tiago" sehen würde. "Da sitzen hoch professionell geschulte Leute vor ihren Bildschirmen und verfolgen live, was in der Stube der Mafia vor sich geht", schwärmt Ralph T.*

Der ehemalige Justizbeamte hatte Einblick in die verdeckte Arbeitsweise der Elitetruppe. "Die Bundeskriminalpolizisten montierten Minikameras in Vorhangstangen und versteckten Wanzen in Wohnungen von Verdächtigen. Auf den Bildschirmen konnte ich jede Bewegung und jedes Gespräch mitverfolgen."

Wo sich die Lauschangriffzentrale des Bundes befindet, ist geheim. "Zum Schutz der Mitarbeitenden wird der Standort nicht öffentlich gemacht", sagt Guido Balmer, stellvertretender Infochef des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD). Und was bedeutet der Name Tiago? "Das weiss ich selber nicht", so Balmer.

Wie die kürzlich durch die "Weltwoche" in die Schlagzeilen geratene Zielfahnder-Einheit Tigris ist auch Tiago kaum bekannt. Nur beim Lauschangriff gegen den Motorradklub Hells Angels (2003) erfuhr man, dass dieser ein Jahr lang mit Minikameras, Wanzen und Richtmikrofonen beschattet wurde. In der Strafanstalt Regensdorf observierten Tiago-Profis vor drei Jahren die Besucher von inhaftierten Terrorverdächtigen. Dabei setzten sie ebenfalls versteckte Kameras und Mikrofone ein. Wie aktiv die Tiago-Profis allerdings sind, kann man im Rechenschaftsbericht des Bundes nachlesen, wo allein 400 Überwachungen aufgeführt werden.

Tiago existiert seit 2001. Ab diesem Jahr waren nicht mehr die Kantone, sondern der Bund für die Bekämpfung von Schwerstverbrechen zuständig. Organisatorisch gehört die Elitetruppe zur Abteilung Spezialeinsätze der Bundeskriminalpolizei. Um eine eigene Lauschtruppe auf die Beine zu stellen, scheute man beim Bund keine Kosten. Im Ausland, vor allem in Deutschland und Österreich, wurde das notwendige Know-how und das beste Hightech-Material beschafft. Kosten? Natürlich Geheimsache.

Eine auf den Einsatz von Abhörwanzen, Minikameras und anderem Hightech-Gerät spezialisierte Lauschangriff-Gruppe existiert als Pilotprojekt. Laut EJPD-Sprecher Balmer hat sie sich bewährt und soll dauerhaft weitergeführt werden.

Pikant: Die Schweizer Tiago-Profis dürfen Verdächtige auch im Ausland belauschen. Balmer: "Polizei- und Schengen-Verträge regeln diesen Teil der Observationen."

Wie bei der Spezialeinheit Tigris will die parlamentarische Geschäftsprüfungskommission (GPK) jetzt auch bei Tiago aktiv werden. Die für das Justizdepartement zuständige SP-Nationalrätin Maria Roth-Bernasconi: "Dieser Name sagt mir nichts. Bei unserer Inspektion der Bundeskriminalpolizei haben wir nichts über diese Observierungsformation erfahren. Das muss jetzt alles mal inhaltlich und rechtsstaatlich untersucht werden."

Gefordert ist auch Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf. Nachdem sie bereits zur Eingreiftruppe Tigris eine Untersuchung angeordnet hat, kann sie diese gleich auf die Lauschangriff-Einheit Tiago ausweiten.

*Name der Redaktion bekannt

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AVALON
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Sonntag 29.3.09

Gefährliche Suche nach dem Reinen

Wirtschaft, Esoterik und Rechtsextremismus huldigen einem Inseldenken mit autoritären Zügen, erklärt der Soziologe Ueli Mäder

Viele Esoterik-Läden nennen sich "Avalon" oder "New-Avalun". Andererseits verehrt die Avalon-Gemeinschaft unter anderem Schweizer, die in Hitlers Waffen SS gekämpft haben. Was haben diese - ausser dem Namen Avalon - gemeinsam?

 Von Daniel Haller

"Avalon" als Räucherstäbchenversand und "Avalon" als Nazigruppe: Was steht hinter diesem Begriff?

Ueli Mäder: Die Nebelinsel Avalon ist Teil der Sage vom keltischen König Artus. Es geht um den Rückzug auf eine Insel, einen abgegrenzten Ort, der Übersicht ermöglicht und sich gut als Projektionsfläche eignet. Dabei gibt es nicht nur die Insel Avalon als rechtslastig mythischen Bezug: Auch in frühsozialistischen, gesellschaftskritischen Romanen finden Utopien oft auf Inseln statt. Bei Avalon dreht sich die mythische Verklärung dagegen um Mittelalter, Herrschaft, Macht, Rüstungen, Mut, Ehre, Treue, Rittertum. Dies mit teilweise autoritärem Zuschnitt.

Ist dieser Avalon-Mythos von sich aus rechtslastig?

Teilweise wird der Begriff von der Rechten sehr gezielt symbolisch und strategisch eingesetzt. Andere nähern sich aber oft unbedarft dem Roman "Die Nebel von Avalon" und finden darin unter anderem feministische Ansätze. Nicht alle, die sich auf Avalon beziehen, sind deshalb automatisch rechtslastig.

Benutzen Rechtsextreme den Begriff als Tarnung, um in die Gesellschaft einzudringen? Oder bestehen zwischen der Rechten und der Esoterik gemeinsame Wurzeln?

Beides. Dabei ist das strategische Element wohl stärker. Indem sie in einen esoterischen Bereich vorstossen, in dem die Rationalität aufgeweicht ist, hoffen einzelne Strategen, Leute zu finden, die für rechtsextremes Gedankengut anfällig sind. Die gemeinsamen Wurzeln liegen in der Suche nach Reinheit sowie in einer starken Gemeinschaftsorientierung. Als weitere Elemente kommen Heilserwartungen und Heilsversprechen hinzu, wie sie auch im Dritten Reich eine Rolle spielten. Dies ist eine mobilisierende Komponente, die häufig Widersprüche zwischen dem "höheren" Ziel und einer ungereimten Praxis überdecken hilft.

Esoterik greift oft auf fernöstliche Vorstellungen von Seelenwanderung und Karma zurück. Wo können da rechte Ideologen anknüpfen?

Es gibt Esoterik und Esoterik. Die Vorstellung eines Aufstiegs der Seele impliziert ein Oben und Unten, eine Hierarchie, die man autoritär interpretieren kann. So ist die Vorstellung von hohen und niedrigen Entwicklungsstufen anfällig für eine Ideologie von "Mehr- und Minderwertigen".

Welche Rolle spielen Meister und Gurus?

Einerseits propagiert Esoterik Individualität und das Vertrauen in das eigene Innere. Andererseits findet man in esoterischen Kreisen eine grosse Bereitschaft, sich aufzugeben und instrumentalisieren zu lassen. Dabei wird das "Reine und Absolute" zunächst anderen zugeschrieben. Je höher der geistige Führer aufs Podest gestellt wird, umso stärker kann der Einzelne durch Unterwerfung an seiner Macht scheinbar teilhaben.

Heilserwartung ist individuell oft Heilungs-Erwartung: In den letzten Jahren ist das rational nicht nachvollziehbare "Familienstellen nach Bert Hellinger" bis weit in die Gesellschaft hinein Mode geworden.

Hellinger spricht ein Bedürfnis nach Ordnung an. In der Gesellschaft wird zwar offiziell die Familie hochgehalten, aber das eigene, persönliche Erleben der Familie ist oft gar nicht harmonisch. Da wirkt die Aussicht, Ordnung hineinzubringen, verlockend. Autoritär ist, wie Hellinger von einer "natürlichen Ordnung" ausgeht, die von ihm selbst konstruiert wurde.

"Jeder Entrüstete, der sich über Hitler entrüstet und über die SS, hat Täterenergie", sagt Hellinger. Wie kommt es zur Akzeptanz einer "Therapieform", die sich derart nach rechts öffnet?

Hellinger nimmt eine Beteiligung des Opfers an der Tat an. Dies ist besonders heikel. Auch, weil er sich von Bezügen zum Dritten Reich nicht eindeutig distanziert. Das ist nicht allen bewusst, die sich auf ein Familienstellen nach seiner Methode einlassen.

Ist Hellingers Aussage, die Opfer könnten nur Frieden finden, wenn sie gegenüber den Tätern auf Anklage und Urteil verzichten, ein Versuch, das Dritte Reich zu rehabilitieren?

Rechte Bewegungen streben klar nach einer solchen Rehabilitierung. Dazu gehört das Bestreben, Opfer als Täter darzustellen. Dieser historische Kontext macht die Sache problematisch: Die Überlegung, dass Opfer nicht immer nur Opfer sind, ist zwar richtig. Aber sie darf nicht für die Rechtfertigung der Täter missbraucht werden.

Die Rechte arbeitet also mit der Verwischung von Grenzen?

Das ist kein speziell rechtes Phänomen: Wir leben in einer komplexen Gesellschaft, in der vieles nicht mehr eindeutig ist. Verschiedene Ideologien überlappen sich. Selbst in esoterischen Strömungen mit autoritären Ideen oder in klar rechtsextremen Bewegungen findet man auch einen Anteil vordergründig "linker" Aussagen: Kritik an Flexibilisierung der Arbeitswelt, an Deregulierung und Globalisierung, wie sie auch von Gewerkschaften geäussert werden könnte. Dies findet aber in einem Gefüge statt, das aus der Gesellschaftskritik etwas borniert Rückwärtsgewandtes macht und den kritisierten Verhältnissen zudient. Dabei wird Gemeinschaft in einem ausgrenzenden und autoritären Sinn hochstilisiert, denn sie bietet Übersichtlichkeit und Ordnung, gehört aber als Kehrseite zur mondän beliebigen Offenheit, die zuviel offen lässt.

Wirken nicht andererseits auch Wissenschaft und Aufklärung oft unterdrückend und dienen unter anderem dazu, das Erfahrungswissen indigener Völker gnadenlos unterzupflügen?

Früher galt, was die Obrigkeit und Kirche sagten. Oder es hiess: "Es ist so, weil es immer so war." Auch das ist autoritär. Die Aufklärung hat diese dogmatischen Ansätze dann hinterfragt. Sie hat Argumente und Vernunft gefordert. Das war ein grosser Fortschritt. Es gibt aber eine eng gesetzte Vernunft, welche die Produktivkräfte derart vorantreibt, dass sie zu Destruktivkräften werden. Heute hat das Streben nach Natur- und Weltbeherrschung zu einer neuen Omnipotenz mit einseitig konsumistischem Wachstum und einem sehr viel höheren Destruktivpotenzial geführt als es jemals zuvor gab.

Wäre es also vernünftiger - so wie etwa die Esoterik - die Vernunft zu hinterfragen?

Die verabsolutierte, eng gesetzte Ratio kann zu etwas Irrationalem verkommen. Wir müssen aus den allzu engen Bahnen bürokratischer Sachzwänge ausbrechen, indem wir auch das zulassen, was sinnvoll ist: Auch Intuition und Gefühle sind soziale Realitäten. Vernunft muss dazu dienen, Erfahrungen einzuordnen und zu bewerten. Die Errungenschaften der Aufklärung würde ich also keinesfalls preisgeben.

Mit welchem Ziel?

Menschliche Emanzipation wäre für mich der richtige Entwurf. Dies würde die Ausweitung der Demokratie voraussetzen - eine Demokratie, die nicht vor den Pforten der Wirtschaft Halt macht und diese als Insel akzeptiert, auf der wichtige gesellschaftliche Errungenschaften ausser Kraft gesetzt sind.

Den Begriff Insel haben Sie schon bei Avalon verwendet . . .

Ja. Er trifft auch hier zu: Ein Grosskonzern erhebt den Anspruch, als geschützter Raum akzeptiert zu werden.

Sehen Sie Parallelen zwischen Avalon-Esoterik und dem Insel-Anspruch der Wirtschaft?

Das vermeintlich Gegenteilige ist oft nur die Rückseite der gleichen Medaille. Fundamentalistisch esoterische Verabsolutierungen sind die Kehrseite einer globalistischen, einseitig hochstilisierten Wirtschaft mit Absolutheits-Anspruch. Diese Wirtschafts-Insel hat in den letzten Jahren ihre Macht stark ausgeweitet, ohne dass das gesellschaftliche Korrektiv hätte Schritt halten können. Dieser unkontrollierte wirtschaftliche Selbstlauf hat ein Gefüge geschaffen, in dem sich Insel-Ansprüche der Wirtschaft und esoterische oder rechtslastige Inselfantasien im 21. Jahrhundert zu sehr autoritären Tendenzen verdichten könnten. Inselvorstellungen drücken das Bedürfnis und die Suche nach etwas Reinem, Absolutem aus. Und das ist in einer komplexen Gesellschaft einfach nicht mehr möglich. Wer möglichst identisch sein will, muss Widersprüche zulassen.