MEDIENSPIEGEL 9.4.09
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)

Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Kulturtipps (DS)
- (St)Reitschule: Vorplatz + Subventionen im Stadtrat (19.3.09)
- Telehess 9.4.09
- Demo-Reglement Thun
- Blockade-Urteil Aargau
- Kurzfilm Sans-Papiers-Demo 8.4.09
- Auschaffungs-Haft-Kunst
- Neues von der VPM-Sekte
- G-20-Toter: 2 Videos gegen die Polizei
- Anti-Atom: 30 Jahre Harrisburg-Unfall, Nachuntersuchung bei AKW Fessenheim
- Mumia Abu-Jamal: Lebenslang

-----------------------
REITSCHULE
----------------------

Mi 08.04.09
19.00 Uhr - SousLePont - Pasta Pasta Spezialitäten
21.00 Uhr - Rössli-Bar - BASIC SURVIVAL, ein one-man Musical von und mit Lonesome Andi Haller

Do 09.04.09
20.00 Uhr - Frauenraum - BarOmeter special - mit DJ FRATZ, Janine, DJ missBehaviour, Mike & DJ ELfERich
20.30 Uhr - Kino - UNCUT: straight, Nicolas Flessa, D 2007, OV, 60min, dvd
22.00 Uhr - Dachstock - Wild Wild East: Gypsy Sound System GE & Balkanekspress ZH Support: DJ's Arkadi & Nikodem CH/POL - Balkanbeats/Gypsysounds/World

Fr 10.04.09
21.00 Uhr - Kino - Tango, C. Saura, Argentinien 1997, OV/df, 115min, 35mm
22.00 Uhr - Tojo - Tojo Karfreitags Disko mit DJane Anouk Anouk
22.00 Uhr - Dachstock - Patchwork presents: J*Davey live Los Angeles, USA, Support: Tom Trago Parra Soundsystem/Rush Hour, nl & DJ Sassy J Patchwork - New Wave/Funk/R'n'B

Sa 11.04.09
21.00 Uhr - Kino - Je ne suis pas là pour être aimé, S. Brizé, F 2005, OV/d, 93min, 35mm
22.00 Uhr - SousLePont - Jubilé, Poutre - Beide: F, IndieNoiserock
22.00 Uhr - Dachstock - The Never Evers CH, Support: The Jackets CH, DJ Larry Bang Bang - PowerGarageStompin'

So 12.04.09
22.00 Uhr - SousLePont - Bleesch BE, Rock PLATTENTAUFE, Support: Gsprächstoff BE, Rap/Pop
22.00 Uhr - Dachstock - CunninLinguists USA, Substantial USA, DJ Draker
18.00 Uhr- Rössli- Bar

Infos: www.reitschule.ch

---

Bund 9.4.09

Wild Wild East

Beschwipst

Die Balkan-Beats-Reihe "Wild Wild East" im Dachstock geht in die nächste Runde. Dieses Mal mit dem Gypsy Sound System: DJ Olga und Dr. Schnaps schaffen es, im selben Track grunzende Schweine, "Bella Ciao" und Sirtaki zusammenzubringen zu einer beschwipsten Hochgeschwindigkeitstanzmusik. Am selben Abend sind Balkanekspress aus Zürich zu Gast. Die drei Musiker mit jugoslawischem Hintergrund verkleben eine ernsthaftere, manchmal sogar melancholische Form von Balkan Beats mit schleppendem Dub. (reg)

Reitschule Dachstock

Donnerstag, 9. April, 22 Uhr.

---

Bund 9.4.09

Sounds: J*DaVey

Die Soul-Futuristen

Prince gehört zu den heissesten Verehrern des Soul-Duos J*DaVey. Nach deren exklusivem Berner Auftritt dürften einige weitere dazustossen.

Ane Hebeisen

Die amerikanische Soulmusik hat sich in den letzten Monaten nicht als besonders ergiebiger Quell der grossen Innovationen hervorgetan. Das musikalische Paar J*DaVey aus Los Angeles ist seit 2006 daran, diesen Zustand zu verbessern. Die Sängerin Briana Cartwright (alias Jack Davey) war in ihrem früheren Leben der Jazzmusik zugetan, während ihr Gespiele Broook D'Leau eher zwischen süffigem Soul und Indierock schlenkerte. Letztes Jahr ist die Debüt-CD der beiden erschienen, ein smoothes Nu-Soul-Album, für das unter anderem der Roots-Schlagzeuger ?uestlove als Gastmusiker gewonnen werden konnte.

Das Werk gemahnt in seiner Komplexität an die neuesten Machenschaften einer Erykah Badu, die Beats sind mehrfach gebrochen und eiern psychedelisch-elektronisch durch die schwindlig machenden Tracks, während Briana Cartwright versucht, diesen schiefen Produktionen einen poppigen Anstrich zu verpassen. Es gelingt ihr nur bruchstückhaft, und genau diese Andeutungen von Pop, diese Verweigerung, sich den Sachzwängen der Soulmusik zu beugen, ist es, die dieses Projekt so wertvoll macht.

Doch auch wenn sich auf diesem Album mannigfaltig Wunderliches abspielt, so richtig zum Strahlen kommt dieses musikalische Bijou in der Live-Umsetzung, wo sich zum Duo Gitarren, Bass und Schlagzeug gesellen und das Sound-Bild um eine rockige Komponente erweitert wird. Prince soll von einem dieser Konzerte so begeistert gewesen sein, dass er J*DaVey umgehend als Vorband für einen seiner Auftritte im eigenen "3121 Club" engagiert hat.

Reitschule Dachstock
Freitag, 10. April, 22 Uhr.

------------------------------
(ST)REITSCHULE
------------------------------

Stadtratssitzung 19.3.09

2 Dringliche Interpellation Fraktion FDP (Philippe Müller, FDP): Keine Bewilligung der Reitschule - und der Gemeinderat schaut weg?
Geschäftsnummer 09.000047 / 09/023

Während der wärmeren Jahreszeit fanden im vergangenen Jahr verschiedene Musikveranstal-tungen und andere akustisch relevante Aktivitäten auf dem Vorplatz der Reitschule statt. Meh-rere Anwohner haben sich offenbar beschwert. In seinem Antwortschreiben vom 2. Juli 2008 (Beilage) an einen Anwohner bestätigt der Gemeinderat, dass bis Ende April keine übermäs-sigen Lärmbelästigungen entstanden seien, dass sich dies aber ab Mai (als es wärmer wurde) geändert habe. Und dann schreibt der Gemeinderat - Entschlossenheit markierend: "Eine Bewilligung haben die Betreibenden bislang [d.h. bis 2. Juli] nicht eingeholt. Die Erteilung einer solchen wäre nicht grundsätzlich ausgeschlossen, wäre aber selbstverständlich an die strengen, gesetzlichen Vorgaben gebunden. Es gelten, wie für alle Musikveranstaltungen, die Lärmschutzvorschriften mit den entsprechenden Ruhezeiten und Belastungsgrenzwerten." Und: "Der Gemeinderat toleriert keine Widerhandlungen gegen die Lärmvorschriften."
Die Realität ist offenbar eine andere. Anspruch und Wirklichkeit klaffen beim Gemeinderat auseinander. Eine Bewilligung einzuholen ist offenbar ein Akt der Freiwilligkeit. Die "strengen, gesetzlichen Vorgaben" gelten "selbstverständlich" - auf dem Papier. Beiliegend finden sich
- Medienhinweise auf eine Reihe von Veranstaltungen auf dem Vorplatz der Reitschule - vor und nach dem besagten Schreiben des Gemeinderates vom 2. Juli 2008
- das persönliche Protokoll eines Anwohners, das zeigt, wie lange einerseits die Veranstaltungen teilweise gingen (04.55h, 06.40h...), anderseits wie die Polizei reagierte.
(Beilagen können im RS eingesehen werden.)
Veranstaltungen auf dem Vorplatz der Reitschule gehen in Ordnung. Voraussetzung ist aller-dings, dass die entsprechende Bewilligung vorab eingeholt wird, was - wie der Gemeinderat selbst schreibt - zumindest nicht immer der Fall war, und dass die gesetzlichen Lärmschutz-vorschriften eingehalten und durchgesetzt werden.
Es ist unverständlich, wenn der Gemeinderat selbst festhält, dass dies nicht geschieht - und er dabei tatenlos zusieht. Es ist der Gemeinderat, der die Stadt gegenüber den Betreibern der Reitschule vertritt. Der Gemeinderat hat die vertraglich vereinbarten (und die gesetzlichen) Bestimmungen durchzusetzen. Genau so wie in anderen Bereichen auch.

Wir richten folgende Fragen an den Gemeinderat:
1. Für welche Veranstaltungen in beiliegenden Protokoll/Veranstaltungshinweisen wurde vorab eine Bewilligung eingeholt und für welche nicht?
2. Weshalb nicht für alle (Begründung Betreiber = Vertragspartner der Stadt)?
3. Was hat der Gemeinderat dagegen unternommen?
4. Wie kann der Gemeinderat im gleichen Schreiben an einen Anwohner von den "strengen gesetzlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Bewilligung" sprechen und gleich- zeitig lapidar festhalten, dass keine Bewilligung eingeholt wurde? Erachtet der Gemeinderat die Einholung einer Bewilligung als freiwilligen Akt?
5. Gab es Widerhandlungen gegen die Lärmschutzvorschriften? Wurden die Ruhezeiten und die Belastungsgrenzwerte eingehalten? Wurde das gemessen?
6. Was hat der Gemeinderat gegen allfällige Widerhandlungen (die er ja angeblich "nicht toleriert") unternommen?
7. Hat die Polizei nach Meinung des Gemeinderates richtig interveniert? Was könnte sie allenfalls anders/besser machen?
8. Wie ist das Problem zu lösen, auch im Hinblick auf die kommende warme Saison?

Begründung der Dringlichkeit:
Das Problem ist ungelöst - gesetzliche und vertragliche Vorschriften werden offenbar, zum Nachteil von Anwohnern, nicht eingehalten. Das Problem muss jetzt umgehend angegangen werden, bevor (in der wärmeren Jahreszeit) wieder solche Veranstaltungen auf dem Reithalle-Vorplatz stattfinden.

Bern, 19. Februar 2009

Antwort des Gemeinderats

Zu Frage 1: Bei der zuständigen Direktion wurde für keine der Veranstaltungen, welche in der Beilage zur Interpellation aufgeführt sind, eine Bewilligung eingeholt. Der bis 0.30 Uhr zuläs-sige Barbetrieb auf dem Vorplatz der Reitschule ist Bestandteil der durch das Regie-rungsstatthalteramt bewilligten Gesamtbaubewilligung. Bewilligungsbehörde für Musikauffüh-rungen und das Benützen von Lautsprechern auf dem Vorplatz ist die Orts- und Gewerbepoli-zei. Für einen entsprechenden Anlass wäre seitens der Betreiberinnen und Betreiber der Reitschule jeweils eine Lautsprecher- bzw. Musikbewilligung einzuholen, solange eine derar-tige Bewilligung nicht Bestandteil der Betriebsbewilligung ist.
Diesbezüglich stand die zuständige Direktion mit den Betreiberinnen und Betreibern der Reit-schule in Kontakt. Zweimal fand ein Gespräch statt, wobei seitens der Stadt das Veranstal-tungsprogramm verlangt wurde, um allenfalls nach eingegebenem Gesuch eine Bewilligung zu erteilen. Davon haben die Betreiberinnen und Betreiber der Reitschule keinen Gebrauch gemacht. Der Kontakt ist in der Folge abgebrochen.
Zu Frage 2: Siehe Antwort zu Frage 1. Die Betreiberinnen und Betreiber der Reitschule haben den Kontakt mit der Orts- und Gewerbepolizei abgebrochen.
Zu Frage 3: Der Gemeinderat hat die Kantonspolizei aufgefordert, auf dem Vorplatz der Reit-schule keine Verletzung der Lärmvorschriften zu akzeptieren und die Ruhezeiten durchzuset-zen. Die Kantonspolizei wurde beauftragt, bei übermässigen Lärmemissionen während den Ruhezeiten einzuschreiten und die Einhaltung der Vorschriften sicherzustellen.
Zu Frage 4: Die Kantonspolizei wurde unverzüglich nach Bekanntwerden der Lärmklagen vom Gemeinderat beauftragt, für Ruhe und Ordnung zu sorgen (vgl. auch Antwort zu Frage 3). Der Gemeinderat erachtet die Einholung einer Bewilligung nicht als freiwilligen Akt, sondern als unabdingbare Voraussetzung.
Zu Frage 5: Seit dem 1. Januar 2008 obliegen Interventionen im Zusammenhang mit Nachtru-hestörungen der Kantonspolizei. Ebenso ist die Kantonspolizei zuständig für Kontrollen und Schallpegelmessungen nach der Verordnung vom 28. Februar 2007 über den Schutz des Publikums von Veranstaltungen vor gesundheitsgefährdenden Schalleinwirkungen und Laser-strahlen (Schall- und Laserverordnung; SLV; SR; 814.49). Bei der Kantonspolizei sind im Zeit-raum vom 1. Mai bis 13. August 2008 insgesamt 39 Lärmklagen eingegangen. Die Klagen betrafen mehrheitlich die Nächte von Donnerstag bis Sonntag.
Zu Frage 6: Die Kantonspolizei wurde unverzüglich nach Bekanntwerden der Lärmklagen vom Gemeinderat beauftragt, für Ruhe und Ordnung zu sorgen (vgl. auch Antwort zu Frage 3). Gemäss eigenen Angaben versuchte die Kantonspolizei beim Eingang von Lärmreklamatio-nen als erste Massnahme, die IKuR-Verantwortlichen via Kontakttelefon der Reithalle in ihre Pflicht zu nehmen. Zudem wurden Polizeikräfte vor Ort beordert, um direkt einzuwirken. Dies war allerdings nur dann möglich, wenn nicht das Risiko einer Gewalteskalation vorhanden war oder entstand. Im Weiteren wird auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen.
Zu Frage 7: Eine abschliessende Beurteilung ist aus Sicht des Gemeinderats nicht möglich. Gemäss Artikel 23 des kantonalen Polizeigesetzes vom 8. Juni 1997 (PolG; BSG 551.1) ha-ben polizeiliche Interventionen nach dem Grundsatz des Verhältnismässigkeitsprinzip zu er-folgen. Die Vergangenheit hat jedoch gezeigt, dass es für die Polizeikräfte im Raum Reitschu-le häufig schwierig ist, verhältnismässig zu intervenieren.
Zu Frage 8: Im November 2008 haben Mitarbeitende von städtischen Stellen mit der Regie-rungsstatthalterin die Problematik "Vorplatz Reitschule" besprochen. Der Gemeinderat hat in der Folge eine städtische Arbeitsgruppe mit einer Vermittlerperson, Frau Regierungsstatthal-terin Mader, bestimmt und die Arbeitsgruppe beauftragt, eine wirksame Lösung zu finden. Die Gespräche sind in Gang und das Ziel ist, soweit eine Bewilligung erteilt werden kann, eine klare verbindliche Regelung mit überprüfbaren Eckwerten zu erarbeiten und diese durchzu-setzen.

Bern, 18. März 2009

- Auf Antrag des Interpellanten beschliesst der Rat Diskussion. -

Philippe Müller (FDP), Interpellant: Worum geht es bei diesem Geschäft? Die Reitschule ver-anstaltet Events, die mit erheblichen akustischen Emissionen verbunden sind. Ganz allgemein gibt es für solche Veranstaltungen, wie mittlerweile beinahe für alles in unserem freiheits-feindlichen Staat, erstens Grenzwerte und zweitens ein Bewilligungsregime. Für das Hinterste und Letzte braucht es heute eine Bewilligung. Eingeführt wurde dies in den meisten Fällen von den Regulierungsfanatikern in den linken Parteien. Wenn man das Bewilligungswesen schon hat, soll es für alle gelten. Ich persönlich könnte auf die meisten Grenzwerte verzich-ten. Es geht jedoch nicht an, die einen zu schikanieren und mit irgendwelchen Bewilligungs-verfahren fernzusteuern und bei andern - meist bei denselben - werden beide Augen zuge-drückt. Hier kommt noch dazu, dass es ein Gebot der Rücksichtnahme gibt; in diesem Fall werden Anwohnende erheblich in ihrem Wohlbefinden gestört. Aber auch mit Rücksichtnahme und Respekt gegenüber andern ist es doch so, nicht selten sind diejenigen am rücksichtloses-ten, die sonst jede erdenkliche Rücksichtnahme und Spezialbehandlung für sich beanspru-chen.
Die Reitschule ist ganz klar verpflichtet, die Lärmgrenzwerte einzuhalten und vor allem Bewil-ligungen für ihre Anlässe einzuholen, und dies macht sie einfach nicht. Wie reagiert der Ge-meinderat darauf? Gar nicht. Er schiebt alles auf die Kantonspolizei ab. Wenn es der Polizei in dieser Stadt nicht gelingt, ein Fahrverbot durchzusetzen, dann reagiert der Gemeinderat, und zwar postwendend und radikal. Es werden Poller hingestellt, die nicht nur vom Erschei-nungsbild, sondern auch von ihrer Wirkung her mittlerweile an frühere Panzersperren erin-nern. Aber bei der Reitschule, wo die Polizei regelmässig mit Flaschenwürfen und Ähnlichem begrüsst wird, handelt der Gemeinderat nicht. Man führt Gespräche und bringt damit eigent-lich Angst zum Ausdruck. Mit diesen Menschen ist jedoch ein Gespräch fehl am Platz. Die Bewilligungspflicht besteht, die Grenzwerte bestehen: Es gibt gar keinen Spielraum für kleine Diskussionen.
Der Gemeinderat schreibt in seiner Antwort, man müsse Eckwerte erarbeiten. Aber hallo, die-se Eckwerte bestehen bereits. Hat der Gemeinderat bereits einmal mit Autofahrenden die Eckwerte eines Fahrverbots diskutiert? Sicher nicht. Nun gibt es nur einen Weg: Die beste-henden Regeln endlich und einigermassen ausgeglichen durchzusetzen; dies ist der Job der Exekutive - nicht die einen übertrieben hart anfassen und die anderen stets wieder schonen und bevorzugen. Genau diese Ungleichbehandlung empfinden viele Menschen in dieser Stadt als stossend. Der Gemeinderat hat es in der Hand. Die Reithalle hat einen Vertrag mit der Stadt und erhält Subventionen. Also, liebe Mitglieder des Gemeinderats, macht endlich etwas! Besser handeln, als die beleidigte Leberwurst zu spielen, wenn andernfalls wieder die berech-tigten Kommentare folgen.
Ich möchte heute vom Gemeinderat noch hören, wie er gedenkt, die bestehende gesetzliche Regelung durchzusetzen. Dieser "Gschprächligugus" ist keine Antwort darauf. Dieser kann nämlich an den bestehenden Regeln nichts ändern und bringt deshalb nichts. Die vorliegende Antwort ist keine Antwort auf die gestellten Fragen und deshalb nicht befriedigend. Es wäre gut, wenn dieser Gemeinderat endlich aus seiner Verschleierungs- und Verzögerungslethar-gie herausfinden könnte.

Fraktionserklärungen

Rahel Ruch (JA!) für die GB/JA!-Fraktion: Dieser Vorstoss zeigt einmal mehr, dass die Reit-schule ein äusserst beliebtes Thema ist, wenn es darum geht sich zu profilieren. Letzten Frei-tag hat die Reitschule und der Förderverein der Reitschule auf die Beliebtheit reagiert und alle Mitglieder des Stadt- und Gemeinderats zur Führung mit Apéro ins Kulturzentrum einge-laden. Nebst der linken Ratshälfte waren auch die BDP/CVP- und die SVPplus-Fraktion ver-treten. Leider kam niemand aus der Mitte, weil doch von dieser Seite in letzter Zeit sehr viele Vorstösse zur Reitschule eingereicht wurden. Dies ist schade, so könnten solche Missver-ständnisse und Meinungsverschiedenheiten vielleicht auch einmal besprochen werden und die Gespräche würden doch einmal etwas nützen.
Zum Thema Vorplatzkonzert: Die Konzerte während des Jahrs wären eigentlich alle für die Innenräume der Reitschule geplant gewesen. Sie wurden auf den Vorplatz verlegt, weil sich die Drogensituation dort derart verschärft hat. Während die Stadt diese Drogenproblematik ein wenig verschlief, musste sich die Reitschule wehren und handeln. Sie hat zumindest den Vorplatz durch die Konzerte und das Abendprogramm einladend gestaltet. Dies war nicht ein-fach eine freiwillige Verlegung eines Kulturprogramms, sondern es war eine Notmassnahme, um die Reitschule zu schützen. Dieses Ziel wurde auch erreicht. Es war wahrscheinlich allen lieber, einen Platz zu betreten, der lebt, wo Menschen sich aufhalten, als einen ge-spenstischen, ruhigen, dunklen "Drogenumschlagplatz" vorzufinden.
Der Gemeinderat schreibt in seiner Antwort, dass die Reitschule nach zwei Gesprächen nicht auf das Bewilligungsverfahren eingestiegen sei. Dieser Punkt ist schwierig, weil die Debatten um den Vorplatz in die ganzen Diskussionen um die Gestaltung des ganzen Perimeters Schützenmatt-Bollwerk eingebettet sind. Und die Bewilligungsfragen waren Teil der ordentli-chen Gespräche zwischen der Stadt und der Reitschule. Wie wir wissen, hat die Stadt die Gespräche nach dem Abgang von Christoph Reichenau unterbrochen und eine Denkpause eingelegt. Deshalb sind auch diese Diskussionen versandet. Was das weitere Vorgehen an-belangt, ist die GB/JA!-Fraktion froh, dass nun endlich wieder Gespräche zwischen der Stadt und der Reitschule stattgefunden haben. Die Reitschule ist bereits seit Dezember 2008 mit Regula Mader im Gespräch, was die allfälligen Konzerte im Jahr 2009 betreffen. Ich kann beruhigen, es wird alles, was in dieser Saison ansteht, ordnungsgemäss bewilligt werden.
Übrigens noch eine Anmerkung: Heute Abend findet nicht, wie in der Berner Zeitung vor rund einem Monat angekündigt hat, das erste Vorplatzkonzert wieder statt, sondern das "Rössli" wird eröffnet. Das ist die neue Bar ganz vorne in der Reitschule. Wer letzten Freitag bei der Begehung nicht dabei war, könnte doch heute Abend nach der Stadtratssitzung noch hinge-hen.

Erich Hess (JSVP) für die Fraktion SVPplus: Zum selben Thema habe ich letzten Sommer eine Kleine Anfrage an den Gemeinderat gerichtet. Dort hat er erstaunlicherweise ganz an-ders geantwortet als bei der vorliegenden Dringlichen Interpellation. Ich habe den Eindruck, der Gemeinderat schiebe die ganze Schuld ein wenig auf die Kantonspolizei ab, übernimmt aber selber keine Verantwortung für das, was er letzten Sommer toleriert hat. Ich bin ganz klar der Auffassung, es müsse das gleiche Recht für alle in dieser Stadt gelten, also auch für die Betreibenden der Reithalle. Ich weiss nicht, ob diese die Konzerte auf dem Vorplatz durchgeführt haben, damit die Menschen in der Menge noch besser dealen können - unter vielen Menschen ist es viel angenehmer, einander Drogen zu verkaufen und es fällt auch we-niger auf.
Ich persönlich bin vom Gemeinderat ein wenig enttäuscht. Er resigniert beinahe; denn er tut kund, er hätte dort keinen Einfluss nehmen können, dies wäre Aufgabe der Kantonspolizei. Ich glaube jedoch, dass der entsprechende Auftrag des Gemeinderats gefehlt hat, nämlich dass dort konsequent durchgegriffen werden soll; wenn es nicht anders möglich ist, mit einem Grossaufgebot der Polizei. Die Anlässe fanden nicht nur ein- oder zweimal statt, sondern re-gelmässig den ganzen Sommer hindurch - über vierzig Mal. Der Gemeinderat hätte also dort ausreichend Möglichkeiten gehabt, klare Aufträge an die Kantonspolizei zu erteilen, um Ruhe und Ordnung durchzusetzen.
Ich komme noch zurück auf die Einladung der Reithallenbetreibenden: Meines Erachtens ha-ben sie das Apéro etwas früh angesetzt. Zu dieser Zeit arbeitete ich noch und allein habe ich wahrscheinlich nicht die Erlaubnis, in die Reithalle zu gehen, sonst komme ich wohl nicht mehr unversehrt wieder raus.

Erik Mozsa (GFL) für die GFL/EVP-Fraktion: Eigentlich wollte ich hier nichts mehr sagen, aber das Votum von Rahel Ruch zwingt mich doch zur Replik. Ihre Äusserungen waren doch etwas einseitig. Es war ganz klar so, dass bei der im letzten Sommer betriebenen Vorplatz-Bar klar die Absicht geäussert wurde, gegen den Drogendeal vorzugehen; aber gleichzeitig kam aus der Reitschule eine E-Mail, PINTO hätte dort nichts zu suchen und sei dort unerwünscht. Wenn gesagt wird, man wolle wirklich gegen Drogendealer vorgehen, ist das doch ein wenig Schönfärberei.
Der Fraktion ist es grundsätzlich wichtig, dass die bestehenden Verträge, die Sicherheitsver-einbarung wie auch die Lärmvorschriften eingehalten werden. Es soll für uns nicht einfach ein Papiertiger bleiben. Unsere hier vor einigen Wochen behandelte Motion bietet die Möglichkeit, mehrere Probleme, die im Umfeld und innerhalb der Reitschule vorhanden sind, zu lösen. Bereits das letzte Mal habe ich festgestellt, dass mehrmals - auch beim Lärm - gegen die Vereinbarungen verstossen wurde. Dies darf nicht mehr passieren. Ich konnte soeben in der Antwort des Gemeinderats lesen, dass mehrere Kontakte, die man mit den Betreibenden der Reitschule aufzunehmen versuchte, einfach im Sand verliefen; dies geht nicht an und wir empfinden diese Ungleichbehandlung als sehr stossend. Es war tatsächlich so, dass im letz-ten Sommer die Lautstärke teilweise massiv überschritten wurde und dies für viele Anwoh-nende zu einem Problem wurde. Wir sind froh, dass nun die Stadt mit Regula Mader eine Person benannt hat, die regelmässig Gespräche mit der IKuR führt. Wir erhoffen uns dabei eine Lösung der vorhandenen Probleme, damit künftig derartige Lärmüberschreitungen ange-gangen werden können. Im Weiteren existiert unsere Motion.

Giovanna Battagliero (SP) für die SP/JUSO-Fraktion: Auch ich wurde nun noch nach vorne gelockt. Grundsätzlich begrüssen wir, wenn die Betreibenden der Reitschule mit ihren Mög-lichkeiten etwas für die Belebung des Vorplatzes unternehmen, um den Drogendeal ein-zuschränken. Selbstverständlich müssen dabei die Lärmgrenzwerte eingehalten werden. Uns liegt das Wohl der Anwohnenden sehr wohl am Herzen, aber auch dasjenige der Anwohnen-den im Ostring. Wenn hier der FDP-Sprecher und der Interpellant derart stark auf die Einhal-tung der Lärmgrenzwerte pochen: Im Ostring werden seit Jahrzehnten die Lärmgrenzwerte dauernd überschritten. Wir sind gespannt auf die Vorschläge der FDP.

Mario Imhof (FDP) für die FDP-Fraktion: Ich war am Freitag auch in der Reithalle anwesend, aber ein wenig später, es war beinahe Samstag. Es ging relativ friedlich zu und her. Niemand wollte mir Drogen verkaufen, ich hatte diese selbst dabei.
Es gibt ja nun ein neues Restaurant, das "Rössli". Nun möchte ich vom Gemeinderat wissen, wer das Wirtepatent hat und wie diese Person heisst.

Einzelvoten

Luzius Theiler (GPB): Dieser Vorstoss scheint einfach ein weiterer in der langen Reihe von Vorstössen zu sein, die stets wieder eingereicht werden und die den Betrieb der Reitschule in Schwierigkeiten bringen wollen und die im Weiteren - ich weiss nicht ob bewusst oder unbe-wusst - darauf tendieren, das ganze Bollwerk in einen schlechten Ruf zu bringen. Heute war in der Zeitung "Der Bund" ein sehr interessanter Leserbrief eines Gastwirten zu sehen - nota-bene kein Konkurrent des Reitschulgastbetriebs -, der darüber schrieb, wie all diese, die sich bemühen, das Bollwerk aufzuwerten, damit es wieder im besseren Licht erscheint, stets von Neuem durch die behördlichen Massnahmen gehemmt werden. Ich erinnere daran, und das sollte eigentlich die SVP auch interessieren -, dass beim Bollwerk einige aufstrebende Ge-werbebetriebe entstanden sind. Es ist im Interesse dieser Betriebe, dass in dieser Gegend wieder mehr läuft, damit auch wieder ein vielfältigeres Publikum dorthin kommt. Und mit was lockt man die Personen an? Dies tut man in Gottes Namen mit Musik. Und wenn dort ein viel-fältiges Publikum anwesend ist, wenn die Veranstaltungen gut besucht sind, kann ein Teil dieser Missstände, die man zu Recht wieder beklagt, eliminiert werden. Sehen Sie dies doch einmal positiv. Die Reitschule kann machen, was sie will, es wird negativ beurteilt - das hat soeben das letzte Votum wieder gezeigt betreffend Eröffnung des "Rösslis", dies ist auch wie-der ein Schritt zur Aufwertung des ganzen Gebiets und der Reitschule.
Zur Lärmproblematik: Mich würde interessieren, wie viele Anwohnende es dort hat. Es ist nun wirklich kein Wohngebiet, sondern eines der lärmbelastendsten Gebiete der Stadt Bern, auch wenn dort keine Musik läuft, sei es der Strassenlärm, der Eisenbahnlärm etc. Wenn irgendwo Musik gemacht werden kann in der Stadt, ohne jemanden stören zu wollen, dann ist es dort auf der Schützenmatte.

Jimy Hofer (parteilos): Ich habe der Einladung der Reithalle Folge geleistet und war letzten Freitag auch in der Reitschule. Ich war bereits seit Langem nicht mehr dort. Dabei wurde uns eine Schokoladenseite präsentiert. Diese Personen, worüber man sonst spricht, waren abwe-send; nicht einmal Dealer waren draussen. Ich weiss nicht, wie man es geschafft hat, dass diese am Freitag gerade weg waren. Auch als ich gestern erneut schauen ging, waren sie nicht da. Ich hoffe, dieses Problem hätte sich nun erledigt.
Ich habe jedoch Folgendes festgestellt: Seit 30 Jahren führe ich einen kleinen Betrieb. Und ich bin natürlich in der Lage, unseren Security-Dienst selber machen zu können. Derjenige, der anwesend ist, kann ihn ausführen. Eine Reithalle jedoch ist im Vergleich zu meinem Be-trieb - und ich versuchte dies dort zu erklären - angesichts der Grösse ein Shoppyland: mit einer Unmenge an Angeboten, mit schönen kulturellen Einrichtungen, wo wir uns überzeugen konnten, dass diese Sinn machen und wahrscheinlich auch funktionieren. Aber dies bedingt natürlich auch einen umso grösseren Security-Dienst. Wenn dies nun in meinem Zuständig-keitsbereich liegen würde, müsste ich dort an einem Freitag- oder Samstagabend 30 Security-Personen organisieren um zu garantieren, dass die Besucherinnen und Besucher nicht Angst haben müssten, dass sie nicht belästigt und angepöbelt würden. Meines Erachtens wird die-ser Punkt von den Betreibenden der Reithalle stark vernachlässigt. Sie haben stets noch das Gefühl, sie könnten basisdemokratisch selbst den grössten Schläger aus der Reithalle ver-treiben. Das geht schlichtweg nicht. Dies sind Tatsachen, die sich über Jahre wiederholen; man weiss, dass ein solcher Grossbetrieb, ein Shoppyland in Sachen Kultur, ein anständiger Security-Dienst benötigt - ein zuverlässiger Ansprechpartner wie bei den Matchs von YB oder SCB, wo wir involviert waren oder noch sind. Ein Dienst, der mit der Behörde kommuniziert. So kann man auch einen Ablauf eines Kulturbetriebs garantieren. Dies wird jedoch nicht ge-macht und man lässt die Sache schlittern - der eine schaut für sein Theater, der andere für sein Restaurant.
Denjenigen beim "Rössli" habe ich bedauert, er war ganz allein auf weiter Flur. Als ich ihn fragte, wie viele Personen ihm helfen würden, erwiderte er: "Ja ab und zu kommen einige Personen." Er stand dort mit seinem blauen Auge und sagte weiter: "Aber meistens stehe ich ganz alleine draussen." Das macht man doch nicht, wenn man schon basisdemokratisch sein will, muss man doch auch zusammenhalten und die Probleme gemeinsam lösen, statt einan-der im Regen stehen zu lassen. Jedenfalls habe ich das so verstanden, andernfalls hat er mir nicht die Fakten erzählt.
Noch zu Luzius Theiler. Ich denke, die Dringliche Interpellation von Philippe Müller bringt die Reithalle nicht in Schwierigkeiten, denn diese hat sich bis anhin stets selbst in Schwierigkei-ten gebracht.
Direktor SUE Reto Nause für den Gemeinderat: Die Betriebsbewilligung für die Reitschule, und da gehören auch die Gastgewerbebetriebe innerhalb der Reitschule dazu, wird vom Re-gierungsstatthalteramt erteilt. Deshalb, lieber Mario Imhof, kann ich Ihnen heute nicht sagen, wer als Wirt im "Rössli" amtet, da wir keine Bewilligung erteilt haben. Der Barbetrieb auf dem Vorplatz der Reitschule bis morgens um 00.30 Uhr ist Teil dieser Betriebsbewilligung. Wenn nun aber Musikaufführungen mit Lautsprecher stattfinden, dann ist eine Bewilligung der Orts- und Gewerbepolizei nötig. Für all diese Events, die in der Interpellation aufgelistet sind, wur-den keine derartigen Bewilligungen eingeholt. Die Stadt hat das Veranstaltungsprogramm eingefordert, konsultiert und hat sich auch bei der IKuR entsprechend kundig gemacht. Die Stadt forderte die Einreichung von Gesuchen und Bewilligungen. In der Folge brach jedoch der Kontakt ab. Es ist auch nicht so einfach, wie Rahel Ruch geäussert hat, dass die An-sprechpartner und Personen nicht ganz klar gewesen seien. Es ist ganz klar, dass Musikauf-führungen von der Orts- und Gewerbepolizei bewilligt werden müssen. Dies wissen in der Stadt Bern eigentlich alle. Für den Gemeinderat ist klar, Bewilligungen sind nicht freiwillig. Er hat die Kantonspolizei deutlich angewiesen, auf dem Vorplatz einzuschreiten, für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Der Gemeinderat ging sogar noch weiter: Man rief PINTO und die Securi-tas auf den Plan, um die Situation dort zu beruhigen. Sie wissen, dass derzeit Gespräche unter der Führung von Regula Mader stattfinden. Aus Sicht des Gemeinderats muss das Ziel dieser Gespräche sein, zu geregelten Abläufen, zu bezeichneten Ansprechpersonen, zu ei-nem Verhältnis zu kommen, das in geordneten Bahnen abläuft.

Philippe Müller (FDP): Damit man das auch in den Medien gehört hat: Die FDP war an diesem Anlass vertreten. Zwischendurch gehe ich auch dorthin, kündige dies aber aus naheliegenden Gründen nicht an.
Die schönen Gespräche werden ohnehin seit Jahren bereits zu allen möglichen und unmögli-chen Themen geführt. Ich möchte nun vom Gemeinderat wissen, was er zu unternehmen ge-denkt, falls die Gespräche zu keinem Erfolg führen, die Kontakte wieder abbrechen, so wie das im letzten Jahr geschah. Ob die Sache wieder auf die Polizei abgeschoben wird oder ob der Gemeinderat selber auch etwas unternimmt, beispielsweise was die Regelungen im Ver-trag anbelangt.

Direktor SUE Reto Nause für den Gemeinderat: Die Gespräche sind wieder im Gang. Sie ver-liefen in einer ersten Runde durchaus konstruktiv. Wenn nun in der Folge wieder Veranstal-tungen stattfinden, für die keine Bewilligung eingeholt wurde, werden wir die Kantonspolizei anweisen.

Beschluss
Der Interpellant ist mit der Antwort nicht zufrieden.

---

11 Motion Dieter Beyeler/Robert Meyer (SD): Subventionssperre für die IKuR
Geschäftsnummer 08.000185 / 08/372

Einmal mehr kam es am Samstag, 17. Mai 2008 zu gewalttätigen Ausschreitungen in Zusam-menhang mit der unbewilligten Kundgebung "Reclaim the Streets" vor der Reitschule.
Einmal mehr wurde die Reitschule, unter Duldung der IKUR als Betreiberin, als Rückzugs-Hort und Fluchtweg missbraucht.
Gemäss dem geltenden Leistungsvertrag, der die Aufgaben und vor allem die Pflichten klar umschreibt und regelt, sehen die so genannten Sicherheitsvereinbarungen vor, dass die Poli-zei auch innerhalb der Reitschule interveniert.
Entgegen anders lautenden Aussagen entspricht dies jedoch nicht den Interessen der IKUR. Ebenso wird die Forderung der Stadtregierung, gewalttätigen Randalieren und Vermummten keinen Unterschlupf zu gewähren, völlig negiert. Offensichtlich wird hier der Gemeinderat seit Jahren an der Nase herumgeführt. Dieser unhaltbaren Situation muss endlich Einhalt geboten werden; und offenbar ist dies nur unter massivem Druck möglich.

Aus diesem Grund stellen wir folgenden Antrag an den Gemeindrat:

Der Gemeinderat wird beauftragt, als Gegenmassnahme sämtliche weiteren Zahlungen ge-mäss Leistungsvertrag bis auf weiteres einzustellen.

Bern, 22. Mai 2008

Antwort des Gemeinderats

Seit dem Jahr 2004 besteht mit der Interessengemeinschaft Kulturraum Reitschule, IKuR ein Leistungsvertrag. Zuletzt wurde dieser für die Jahre 2008 bis 2011 abgeschlossen, mit einer  Subvention von Fr. 378 780.00 versehen und vom Stadtrat an seiner Sitzung vom 22. März 2007 genehmigt. Dabei fliesst der überwiegende Teil der Subvention direkt an Stadtbauten Bern zur Begleichung der Miete. Die der IKuR ausbezahlten restlichen Fr. 60 000.00 werden für die Mietnebenkosten eingesetzt und decken diese etwa zur Hälfte.
Neben dem Subventionsvertrag besteht zwischen der Stadt Bern und der IKuR eine Vereinba-rung betreffend Sicherheit in der Reitschule aus dem Jahr 2003. Darin ist im Wesentlichen festgehalten, dass die IKuR bei Gefahr in Verzug den freien Zugang von Polizei, Sanitätspoli-zei oder Feuerwehr zu allen Räumen und dem Vorplatz zu gewährleisten hat, Kontaktperso-nen für die Behörden benennen muss und sich bei polizeilichen Kontrollen auf dem Vorplatz jeglicher Provokation enthält.
Zu den jüngsten Ereignissen auf dem Vorplatz der Reitschule, nicht nur jenen in der Motion direkt angesprochenen, hat der Gemeinderat sein Bedauern ausgedrückt. Er hat zudem ge-eignete Schritte unternommen, auch gegenüber der IKuR, damit die Zusammenarbeit insbe-sondere mit der Polizei verbessert und Lärmschutzvorschriften sowie Ruhezeiten eingehalten werden. Damit wird sich die Drogenproblematik auf dem Vorplatz noch nicht lösen. Erst mit einem zweiten Standort können grössere Ansammlungen von Drogenabhängigen und Dealern nach Schliessung der bestehenden Stelle an der Hodlerstrasse verhindert bzw. von der Poli-zei gezielt aufgelöst werden.
Die von den Motionären geforderte Nichteinhaltung des Subventionsvertrags mit der IKuR durch den Stopp aller Zahlungen - jener an Stadtbauten Bern und jener für die Nebenkosten an die IKuR - würde keinen Beitrag zur Lösung des Problems bringen. Der Gemeinderat ist überzeugt, dass der Weg des direkten Gesprächs weiter bringt und verspricht sich vor allem von der Eröffnung eines zweiten Standorts eine deutliche Verbesserung.

Antrag
Der Gemeinderat beantragt dem Stadtrat, die Motion abzulehnen.

Bern, 15. Oktober 2008

Dieter Beyeler (SD), Motionär: Fakt ist, die Reitschule wird subventioniert - notabene mit Steuergeldern von Bürgerinnen und Bürgern der Stadt Bern, und das mit einem beachtlichen Betrag von 308 000 Franken jährlich. Dies ist sehr viel Geld für eine einzige Kulturinstitution, insbesondere dann, wenn sie sich nicht an die gültigen und vereinbarten Regeln hält oder vorgibt, dies nicht tun zu können. Der Ist-Zustand ist aus dieser Sicht eine reine Steuergeld-verschwendung. Wer zahlt, befiehlt. Die Steuerzahlenden in der Stadt Bern, aber auch der Stadtrat hat jährlich Subventionsgelder gesprochen in der Annahme, dass damit ein einwand-frei funktionierender Kulturbetrieb in der Reitschule gewährleistet ist, sei dies nun vor oder in der Reitschule. Bekanntlich wurde diese Verpflichtung seitens der Reitschule bislang nicht oder ganz selten eingehalten. Die IKuR toleriert aber, dass sich linke Chaoten, Terrorgruppen und Kriminelle in der Reitschule eingenistet haben, die von hier aus ihre Aktivitäten organisie-ren. Seien dies nun unbewilligte, gewalttätige Demonstrationen oder wie gehabt Überfälle auf die Polizeifahrzeuge inklusive grosser Sachbeschädigungen. Es besteht eine unhaltbare und inakzeptable Situation. Für uns bedeutet dies ganz klar einen Vertragsbruch, und somit muss man sich endlich überlegen, welche Sanktionen ergriffen werden müssen, um dem vereinbar-ten Leistungsvertrag und seinen Verpflichtungen zum Durchbruch zu verhelfen oder ihn eben zu erzwingen, wenn es nicht anders geht. Dies wäre eigentlich Aufgabe des Gemeinderats, um die er sich seit Jahren drückt. Die geforderte Subventionssperre ist nur eine von mehreren Möglichkeiten. Aber eine, die schmerzt und deshalb eben sehr geeignet ist, ein Umdenken der Reitschulbetreibenden zu erreichen. Sanktionen kann man dem hängigen Vorstoss von Erik Mosza entnehmen, der neben eigenen Forderungen auch längst fällige Massnahmen bürgerlicher Politiker beinhaltet.
Der Gemeinderat hält in seiner Antwort fest, dass eine Vereinbarung besteht, worin festgehal-ten ist, dass die IKuR bei Gefahr ohne Verzug den freien Zugang von Ordnungskräften zum Vorplatz und zu allen Räumen in der Reitschule zu gewährleisten hat; damit macht er ja sel-ber auf die bestehende Problematik aufmerksam. Die Vereinbarung wurde noch nie eingehal-ten. Der spezielle Heisse Draht zur Polizei ist in entscheidenden Momenten bewusst nicht besetzt. Wir haben also einen Vertrag, der seit jeher ein reiner Papiertiger darstellt, völlig wertlos, weil nie eingehalten. Im Übrigen finde ich die Antwort des Gemeinderats mehr als nur schwach, wenn man dies als Antwort bezeichnen darf. Der Gemeinderat hat nun zwei Mög-lichkeiten: Er bedauert die kommenden zukünftigen Vorfälle weiter, so wie er es bis anhin stets gemacht hat, setzt weiterhin auf die seit Jahren erfolg- und nutzlosen Gespräche, so wie er es in der Vergangenheit unzählige Male gemacht hat oder er handelt jetzt endlich, wie es eigentlich seine dringliche Aufgabe wäre. Dafür bezieht er auch ein grosszügiges Salär, also darf Leistung erwartet werden.
Die Drogenproblematik auf dem Vorplatz haben wir in unserer Motion gar nicht angesprochen. Dies ist ein anderes Kapitel, das der Gemeinderat ebenfalls nicht im Griff hat. Und wie wir mittlerweile wissen, hat sich die Hoffnung auf eine zweite Drogenanlaufstelle zerschlagen, nicht zuletzt deshalb, weil die Stadt ein völlig ungeeigneter Standort ausgewählt hat. Der Ge-meinderat ist in der Sache weiterhin ein tatenloser Haufen, weder willens noch fähig, längst anstehende Probleme lösen zu wollen. Lieber lässt er sich weiterhin von der Reitschule an der Nase herumführen. Wir hoffen, dass dann dem Vorstoss Erik Mosza ernsthaftere Beach-tung geschenkt wird als nun dem unseren. Ich bitte, unserer Motion zuzustimmen, damit der Gemeinderat endlich aufgeweckt und zum längst notwendigen Handeln gezwungen wird.

Fraktionserklärungen

Lea Bill (JA!) für die GB/JA!-Fraktion: Ich gehe bewusst nicht auf die Aussagen meines Vor-redners ein. Ich möchte lediglich auf Folgendes hinweisen. Das Zentrale an diesem Vorstoss ist, dass er zwei Punkte vermischt. Auf der einen Seite gibt es den Leistungs- bzw. den Sub-ventionsvertrag zwischen der Stadt Bern und der IKuR. In diesem Vertrag ist unter anderem geregelt, mit welchem Betrag die Stadt Bern die IKuR finanziell unterstützt. Auf der anderen Seite gibt es die Sicherheitsvereinbarungen zwischen der Stadt Bern und der IKuR, worin unter anderem festgelegt wird, dass die Sanitätspolizei und die Feuerwehr Zugang zu allen Räumen und zum Vorplatz haben müssen. Der vorliegende Vorstoss fordert, dass die Sub-ventionen der IKuR gestrichen werden, weil sie die Sicherheitsvereinbarungen nicht eingehal-ten hat. Es ist so, dass der Leistungsvertrag zwischen der Stadt Bern und der IKuR nur dann gekündigt werden kann, wenn die Reitschule den in diesem Vertrag festgelegten Verpflich-tungen nicht nachkommt. Da die Sicherheitsvereinbarungen, wie ich bereits gesagt habe, in einem separaten Vertrag aufgeführt sind, gilt die Verletzung dieser Vereinbarungen nicht als rechtskräftiger Grund, den Leistungsvertrag zu kündigen, sprich: eine Subventionssperre auf-zuerlegen, wie es im vorliegenden Vorstoss gefordert wird. Der Leistungsvertrag kann nur dann gekündigt werden, wenn beispielsweise der Restaurations- und Kulturbetrieb nicht vorschriftsgemäss betrieben würden. In diesem Zusammenhang hat sich jedoch die Reitschu-le stets an die Vereinbarungen und Gesetzgebungen gehalten. Gegen den Leistungsvertrag hat also die Reitschule in keinem Fall verstossen.
Fazit: Der Vorstoss fordert etwas, das gar nicht möglich ist. Damit hat sich die Sache erledigt.

Tanja Sollberger (GLP) für die GLP-Fraktion: Wir haben bereits im Januar, Februar und nun im März über die Reitschule debattiert. Vor einem Monat haben wir die Motion von Erik Mozsa erheblich erklärt und aus unserer Sicht gilt es jetzt, diese Motion konsequent umzusetzen. In der Motion wird verlangt, dass bei Nichteinhalten der Vereinbarungen eventuell die Subventi-onen gekürzt werden müssen. Eine weitere Motion erübrigt sich im Moment. Wir begrüssen, dass das Gespräch zwischen der Stadt und der IKuR wieder aufgenommen wurde und hoffen, dass sich die Situation entspannt. Wir sind gegen die Motion und ein allfälliges Postulat.

Hans Peter Aeberhard (FDP) für die FDP-Fraktion: Die FDP unterstützt diese Motion und auch diejenige von Erik Mosza klar. Doppelt genäht hält besser. Auch die vorliegende Motion stösst in dieselbe Richtung. Der Motionär hat es gesagt: Wer zahlt, befiehlt. Oder man kann es auch anders sagen: Wer nicht hören will, muss fühlen. Es gab bis anhin nicht genügend Handhabungen und der Gemeinderat schaffte es nicht, Ordnung im Bereich der IKuR und der Reitschule herzustellen. Es ist auch eine Frage der Rechtsgleichheit bzw. der Ehrlichkeit der Politik, die man gegenüber einem solchen Betrieb wie der Reitschule haben muss. Wenn ein Wirt in Zollikofen einige Nächte nacheinander Lärm verursacht, wird ihm irgendwann die Be-willigung entzogen, falls sich die Situation nicht bessert. Wie wir beim Traktandum von Philip-pe Müller in Bezug auf Bewilligungen gehört haben, wurde bis heute keine Rahmenbewilli-gung entzogen. Bislang hat man den effektiven Restaurationsbetrieb, der mit diesen Veran-staltungen musikalischer Art etc. Lärm verursacht, nie rechtmässig in den Griff genommen. Was man sonst einer gewerbetreibenden Person androhen würde, nämlich ihren Betrieb schliessen zu müssen, wurde hier unterlassen. Dies läge im Zuständigkeitsbereich der Regie-rungsstatthalterin. Dort schaut man weg, und auch der Gemeinderat bemüht sich nicht um eine Verbesserung der Situation. Er sagt, die Vereinbarung betreffend Sicherheit der Reit-schule sei neben dem Subventionsvertrag ein Bestandteil dieser Vereinbarungen.
Wenn man aus der Sicherheitsdirektion hört, dass bis heute immer noch nicht zusammen ge-sprochen werde, von diesen sogenannten Vertragsparteien niemand identifizierbar sei, nie-mand am Heissen Draht sei, niemand auftauche, nur per E-Mail kommuniziert werde, hat man es mit einem Phantom zu tun und nicht mit einem Vertragspartner. Selbstverständlich kann man verschiedene vertragliche Verpflichtungen voneinander abhängig machen, aber da ist die rechtliche Schlussfolgerung meiner Vorrednerin völlig verkehrt. Wird der Subventionsvertrag für sich betrachtet und gesagt, ein ordnungsgemässer Betrieb der Restauration sei beispiels-weise ein Grund, dass man dort das Geld nicht streichen könne, dann stimmt das einfach nicht, denn da wird ja der Restaurationsbetrieb als Vorwand genommen, um entsprechende Lärmemissionen und die ganzen Schwierigkeiten mit der Reitschule, mit dem Betrieb auch inkl. Vorplatz zu produzieren, die wir kennen. Wenn die Vereinbarungen nicht eingehalten werden, auch solche sicherheitstechnischer Art nicht, kann man sehr wohl auch den Subven-tionsvertrag nicht einhalten, bzw. man ist dann berechtigt, die entsprechenden Leistungen zu kürzen - und das völlig rechtens.
Wenn der Gemeinderat stets nur sein Bedauern ausdrückt, reicht das einfach nicht. Die Poli-zeiarbeit ist zwingend für einen Wirt, einen Betreiber, ein Warenhaus oder einen Discounter; es ist zwingend, eine Ansprechperson zu benennen; wird dies nicht gemacht, gibt es ein Problem mit der Gewerbepolizei. Doch das ist bei der Reitschule nicht der Fall. Dass die Lärmvorschriften eingehalten werden müssen, ist bekannt. Wenn ich im Garten das Radio zu laut einstelle, kommt bereits der Streifenwagen. Wenn die Ruhezeiten nicht eingehalten wer-den, habe ich auch entsprechende Konsequenzen zu befürchten, im Gegensatz zur Reitschu-le. Hat man schon repressive Mittel in der Hand, nämlich die Polizei einzusetzen oder das Geld zu kürzen, sollten diese genutzt werden. Dies schmerzt am meisten. Es ist eine Art Null-summenspiel. Wenn die Stadt Bern sich selber keine Miete mehr bezahlt, bin ich mir nicht sicher, ob dies auf die IKuR einen grossen Eindruck macht. Aber zumindest der Betrag von 60 000 Franken, der direkt ausbezahlt wird, ist doch so wertvoll, dass die IKuR nicht ohne Weiteres darauf verzichten möchte. Deshalb müssen wir diese Motion unterstützen.

Martin Schneider (parteilos) für die BDP/CVP-Fraktion: Dass es um den Perimeter Reitschule verschiedene Problematiken gibt, müssen wir hier nicht mehr diskutieren, das ist so. Die BDP/CVP-Fraktion ist für konstruktive Lösungen und nicht für Krieg. Wir denken, es sind ver-schiedene Lösungsmodelle in Sicht. Eine Subventionssperre wie sie der Motionär fordert, bringt aus unserer Sicht nichts. Es schadet höchstens den Stadtbauten, die dann keine Miete erhalten. Wir wären für grundlegendere Lösungen und verweisen deshalb auf die Motion von Erik Mozsa. Wenn es dabei nicht klappen sollte, verweise ich auf meine eingereichte Motion. Ich hoffe weiter auf einen konstruktiven Dialog.

Erik Mozsa (GFL) für die GFL/EVP-Fraktion: Ich kann hier eigentlich nichts anderes unter-nehmen, als unsere vorherige Position fast gebetsmühlenartig zu wiederholen. Wir haben festgestellt, dass im Zusammenhang mit der Sicherheitsvereinbarung bislang eine stiefmütter-liche Behandlung vorgelegen ist. Dies darf unseres Erachtens nicht mehr sein. Die Sicher-heitsvereinbarung war bis anhin ein nettes Anhängsel, ein Feigenblatt des gesamten Vertrags und leider nicht mehr. Mit unserer überwiesenen Motion soll sich dies nun ändern. Darin sind explizit Sanktionsmöglichkeiten festgehalten. Der large Umgang der IKuR mit diesen Verein-barungen und Verträgen muss nun endlich ein Ende haben. Es geht auch darum, die Reithalle vor ihrem eigenen Untergang zu schützen und zu vermeiden, dass die Reitschule irgendein-mal nicht mehr existieren kann, wenn es so weitergeht. Vorläufig wollen wir jedoch an der IKuR festhalten. Wir sehen den Sinn der vorliegenden Motion nicht ein. Die Subventionssper-re schafft Rechtsunsicherheit. Wir setzen darauf, dass unsere Motion nun umgesetzt wird und sind gespannt auf die Realisierung. Deshalb lehnen wir die vorliegende Motion ab.

Stadtpräsident Alexander Tschäppät für den Gemeinderat: Beinahe täglich wird über die Reit-halle diskutiert. Die Problematik und die begangenen Fehler sind uns allen bekannt. Deshalb muss nun gehandelt werden. Die Motion Erik Mozsa ist klar erheblich erklärt worden und der Auftrag an den Gemeinderat ist deutlich. Auch seitens der Stadt ist einiges geschehen. Die Gespräche zwischen IKuR und Stadtverwaltung wurden wieder aufgenommen. Man hat die Regierungsstatthalterin quasi als Mediatorin eingesetzt. Es ist wohl allen bewusst, wenn wir die Reithalle als Kulturinstitution und als Treffpunkt von Jugendlichen erhalten wollen, kann es nicht so weitergehen. Die Aufträge haben Sie mit der Erheblicherklärung der Motion selber erteilt. Parallel dazu hat die Stadt ihrerseits durch die Regierungsstatthalterin, aber auch durch die Wiederaufnahme der Gespräche mit der IKuR, weitere Schritte unternommen. Die vorliegende Motion im jetzigen Zeitpunkt ist das denkbar falscheste Signal. Wenn nun der Dialog und die Entkrampfung gesucht wird und die Fehler eliminiert werden sollen, muss das Gespräch nun weitergeführt werden - mit klaren Vorgaben, was erwartet wird. Aber nun mit einer Subventionskürzung quasi mit der Holzhammermethode das Problem lösen zu wollen, ist nicht der richtige Weg. Deshalb bin ich um die Voten froh, die die Motion Mozsa umsetzen, aber nicht voreilig mit der Unterstützung vorliegender Motion den Graben weiter öffnen wol-len. Wir hoffen, der Graben schliesse sich in den nächsten Monaten langsam aber sicher wie-der.

Einzelvotum

Jimy Hofer (parteilos): Wenn nun Frau Mader mit den Gesprächen beauftragt wird, ist wieder der SP-Filz involviert. Man hat ja bei der Sozialpolitik gesehen, wie viel das bringt - nämlich gar nichts. Im Gegenteil, es macht nur noch unsicherer. Ich weiss nicht, ob dies die richtige Person ist. Wie wäre es, einmal drei Personen zu entsenden, zusammengesetzt aus dem Rat oder aus den Parteien oder den Fraktionen? Aber nicht eine Person, die sowieso die linke Seite beruhigen muss und überhaupt nichts machen und auch nicht richtig Antwort geben darf. Dieser Weg ist völlig falsch und wird nichts bringen.
Die IKuR hat überhaupt keine Bewegungsfreiheit, wie ich letzten Freitag feststellen konnte. Sie ist in sich nicht stabil und auch nicht entscheidungsfähig; so wird nie ein Fortschritt erzielt werden können. Auch der Security-Dienst, den ich vorgängig erwähnt habe, funktioniert abso-lut nicht. Der nun eingeschlagene Weg wird nirgends hinführen, und schon gar nicht über eine SP-Vertreterin.

Beschluss
Der Stadtrat lehnt die Motion ab (17 Ja, 52 Nein).

-----------------
TELEHESS
-----------------

telehess.ch 9.4.09

Heute Folge 5:
Erich Hess zu Biometrischen Pässen / Abstimmungsvorlage vom 17. Mai 2009
Aufgezeichnet in Bern, 9. April 2009
http://www.telehess.ch/archiv.htm

----------------------
DEMO-THUN
----------------------

WoZ 9.4.09

Teurer Spaziergang

In Thun machen sich künftig nicht mehr nur OrganisatorInnen einer unbewilligten Demonstration strafbar, sondern sämtliche Teilnehmer. Wer nur schon am Besammlungsort erscheint oder dort vorbeispaziert, kann mit bis zu 10 000 Franken gebüsst werden.

Anfang Mai tritt das Thuner Ortspolizeireglement und damit das laut KritikerInnen "repressivste Kundgebungsreglement der Schweiz" in Kraft, nachdem das Bundesgericht eine Beschwerde dagegen abgewiesen hat. Dass Rechtsex pert­Innen die Thuner Regeln mehrheitlich ablehnen, ist dem Gericht zwar bewusst, inhaltlich geht es auf deren Argumente aber ausdrücklich nicht ein. Das neue Reglement sei zu wenig bestimmt, wird kritisiert. Das zeigt sich an den Erwägungen der Gerichtsinstanzen: Ist etwa für eine Demonstration überhaupt keine Bewilligung eingereicht worden, so machen sich die TeilnehmerInnen nicht strafbar, wenn sie friedlich verläuft. Begehen aber einzelne Personen Sachbeschädigungen, machen sich automatisch alle Demonstrant Innen strafbar. "Ein Agent provocateur reicht also aus, um allenfalls Tausende zu kriminalisieren", sagt Simone Rebmann von den Demokratischen Jurist Innen Bern.

Das Reglement führt zudem den sogenannten Entfernungsartikel ein: Verlangt die Polizei, dass sich eine Demo auflöst, macht sich strafbar, wer sich nicht "unverzüglich entfernt" - auch wenn die Demo bewilligt ist. Neu müssen zudem auch Spontankundgebungen der Polizei gemeldet werden - ausser die Kundgebung ist ganz spontan, wie das Bundesgericht präzisiert hat. "Jeder Demonstrant muss künftig eine juristische Doktorarbeit publiziert haben, um beurteilen zu können, ob er sich strafbar macht", fasst Michel Heinzmann, der Anwalt der BeschwerdeführerInnen, die Lage zusammen. dg

---------------------
BLOCKADE
---------------------

20min.ch 9.4.09

Brückenblockade

Urteil gegen Südschneisler ist rechtens

Die Aargauer Justiz hat 24 Zürcher Aktivisten wegen einer Brückensperrung aus Protest gegen die Südanflüge zu Recht wegen Nötigung verurteilt. Das befand das Bundesgericht in einem heute veröffentlichten Urteil.

Symbolbild. Demonstranten ziehen in Zürich am 3. September 2005 vom Schweizerischen Landesmuseum durch die Bahnhofstrasse zum General Guisan-Quai, um gegen die Südanflüge und die Südstarts vom und zum Flughafen Zürich zu protestieren. (Bild: Keystone)

Die Aktivisten hatten im Juli 2006 die Rheinbrücke in Kaiserstuhl AG rund eine Stunde lang blockiert. Sie protestierten damit gegen "1000 Tage illegale Südanflüge" auf den Flughafen Zürich. Sie spannten am frühen Morgen eine Kette über die Brücke und ketteten sich gegenseitig an.

In seinem Urteil wertet das Bundesgericht die Aktion - wie zuvor das Aargauer Obergericht - als Nötigung. Das Urteil schränke auch die Grundrechte der Beschwerdeführer nicht ein, wie diese unter Berufung auf die Meinungs- und Informationsfreiheit monierten.

Aus Grundrechten wie der Versammlungsfreiheit lasse sich zwar ein bedingter Anspruch auf eine Nutzung öffentlichen Raums ableiten, die über den normalen Gemeingebrauch hinausgehe. Die Südanflug-Gegner hätten aber kein Gesuch für eine Demonstration gestellt. Dies wäre ihnen aber zuzumuten gewesen, denn der tausendste Tag der Südanflüge sei auf lange Sicht abesehbar gewesen.

Auch die Beschwerde gegen die Verfahrenskosten wies das Bundesgericht ab. Dass trotz weitgehend identischen Inhalts jeweils separate Urteile ergingen, sei aufgrund der Beurteilung der wirtschaftlichen Verhältnisse jedes einzelnen Verurteilten und aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes gerechtfertigt. Die Südanfluggegner waren wegen der Blockadeaktion zu bedingten Geldstrafen und Bussen verurteilt worden.
Quelle: SDA/ATS

---

bger.ch 9.4.09
http://jumpcgi.bger.ch/cgi-bin/JumpCGI?id=24.03.2009_6B_793/2008

Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
 
{T 0/2}
6B_793/2008/sst
 
Urteil vom 24. März 2009
Strafrechtliche Abteilung
 
Besetzung
Bundesrichter Favre, Präsident,
Bundesrichter Schneider, Ferrari,
Gerichtsschreiber Störi.
 
Parteien
Parteien
6B_793/2008
X.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Stefan Flachsmann,
 
und
 
6B_813/2008
Y.________ und 22 Mitbeteiligte,
Beschwerdeführer,alle vertreten durch Rechtsanwalt Adolf Spörri,
 
gegen
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau,
Frey-Herosé-Strasse 12, Wielandhaus,
5001 Aarau, Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
Nötigung (Art. 181 StGB),
 
Beschwerden gegen die Urteile des Obergerichts des Kantons Aargau, Strafgericht, 2. Kammer, vom 12. August 2008.
 
Sachverhalt:
 
A.
Mit Strafbefehlen vom 5. Juni 2007 verurteilte der Bezirksamtmann-Stellvertreter von Zurzach X.________, Y.________ und 22 Mitbeteiligte wegen Nötigung zu bedingten Geldstrafen zwischen 5 und 15 Tagen und Bussen. Er hielt erwiesen, dass sie am 25. Juli 2006 im Hinblick auf den "1'000. Tag seit der Einführung der illegalen Südanflüge" die Rheinbrücke bei Kaiserstuhl für rund eine Stunde für den Verkehr gesperrt und dadurch die Automobilisten gezwungen hatten, die festgelegte Demonstrationsdauer abzuwarten oder einen erheblichen Umweg in Kauf zu nehmen.
Sämtliche Bestraften erhoben Einsprache und wurden vom Bezirksgerichtspräsidenten von Zurzach am 14. November 2007 wegen Nötigung zu den bereits im Strafbefehl ausgesprochenen Strafen verurteilt.
Diese Urteile des Bezirksgerichtspräsidenten wurden wiederum von allen Betroffenen mit Berufung beim Obergericht des Kantons Aargau angefochten. Dieses bestätigte am 12. August 2008 sämtliche Verurteilungen im Schuldpunkt, hiess einen Teil der Beschwerden im Strafpunkt teilweise gut, senkte gewisse Bussen und legte die Höhe der Tagessätze und die Umwandlungssätze für den Fall der Nichtbezahlung der Bussen in einigen Fällen neu fest.
 
B.
Mit Beschwerden in Strafsachen beantragen einerseits X.________ (6B_793/2008) und anderseits Y.________ und 22 Mitbeteiligte (6B_813/2008), die angefochtenen Urteile aufzuheben und sie freizusprechen oder eventuell die angefochtenen Urteile aufzuheben und die Sache zu ihrer Freisprechung ans Obergericht zurückzuweisen, unter entsprechenden Kosten- und Entschädigungsfolgen. Ausserdem beantragen sie, die Verfahren zu vereinigen und eine mündliche Verhandlung nach Art. 57 BGG durchzuführen.
 
C.
Die Staatsanwaltschaft verzichtet auf Vernehmlassung. Das Obergericht weist die von den Beschwerdeführern vorgebrachte Kritik an seinem Urteil zurück. Das Gerichtspräsidium Zurzach hat einen bei ihm angeforderten Bericht zur Frage eingereicht, nach welchen Grundsätzen es die Gerichtsgebühr festsetzte und wie sich die Kanzleigebühren und Auslagen zusammensetzen.
Erwägungen:
 
1.
Das Verfahren vor Bundesgericht ist grundsätzlich schriftlich. Die Beschwerdeführer haben ihren Standpunkt in ihren Rechtsschriften ausführlich dargetan. Es ist daher nicht ersichtlich, inwiefern sich ausnahmsweise eine öffentliche Parteiverhandlung im Sinne von Art. 57 BGG aufdrängen würde. Dies liegt umso weniger nahe, als die Beschwerdeführer an der bezirksgerichtlichen Hauptverhandlung die Gelegenheit hatten, sich persönlich zur Sache zu äussern, davon aber, mit Ausnahme von X.________, keinen Gebrauch machten und die Aussage verweigerten.
 
2.
2.1 Das Obergericht geht im angefochtenen Entscheid davon aus, dass sich die Beschwerdeführer am 25. Juli 2006 auf der Fahrbahn der Rheinbrücke bei Kaiserstuhl während rund einer Stunde versammelten, den Rheinübergang auf diese Weise für den motorisierten Verkehr sperrten und die Automobilisten zwangen, entweder zu warten oder einen erheblichen Umweg zu fahren. Zweck der von X.________ organisierten Demonstration war, gegen die nach Auffassung der Beschwerdeführer illegalen Südanflüge zu protestieren und "Deutschland" klarzumachen, dass man, wenn es keine über sein Gebiet führende Nordanflüge auf den Flughafen Kloten mehr zulasse, auch den Strassenverkehr aus dem Norden nicht mehr wolle.
 
2.2 Die Beschwerdeführer machen geltend, das Obergericht habe in unhaltbarer Weise festgestellt, sie hätten den Rheinübergang von 06:04 - 07:08 Uhr gesperrt. Die Polizeipatrouille sei erst um 06:40 Uhr eingetroffen; es fehlten jegliche tatsächlichen Feststellungen, was zuvor passiert sei. Es könne also höchstens von einer 28-minütigen Sperre ausgegangen werden. Sie hätten zudem die Brücke auch gar nicht gesperrt. Sie hätten zwar eine Kette mit Transparenten über die Fahrbahn gehalten. Diese sei indessen nur auf einer Seite der Brücke befestigt und nicht gespannt gewesen, und sie wären jederzeit bereit gewesen, Fahrzeuge durchzulassen. Es sei zudem beweismässig nicht erstellt, dass überhaupt Fahrzeuge hätten passieren wollen.
 
2.3 Diese tatsächlichen Einwände sind nicht geeignet, die obergerichtliche Beweiswürdigung willkürlich erscheinen zu lassen. Sie grenzen vielmehr teilweise an Trölerei. So ergibt sich aus den Fotografien [Kantonale Akten, Bundesordner act. 37 ff.], auf die sich das Obergericht stützt und die unbestrittenermassen das Tatgeschehen wiedergeben, dass die Demonstranten die Brücke mit einer quer über die Fahrbahn gestellten und zumindest symbolisch mit einer Kette verstärkten "Menschenmauer" für den Durchgangsverkehr gesperrt haben. Dies entspricht auch der auf dem Flugblatt "FLUGSCHNEISE SÜD NEIN - 1000 Tage illegale Südanflüge" im Fettdruck erklärten Absicht: "Deutschland will keinen Verkehr vom Norden. Wenn dies für die Luft gilt, dann soll dies auch für die Strasse gelten." An der bezirksgerichtlichen Hauptversammlung hat X.________ dazu ausgesagt, sie seien von 06:04 bis 07:08 Uhr auf der Brücke gestanden. Es ist offensichtlich, dass die Beschwerdeführer mit diesem Verhalten die Brücke während gut einer Stunde jedenfalls für den motorisierten Verkehr gesperrt haben. Ihr Einwand, sie hätten die Brücke nicht gesperrt, sondern lediglich darauf demonstriert, ist reine Wortklauberei. Und es konnte auch keinem von ihnen entgangen sein, dass sie mit dem gemeinsamen Verweilen auf der Fahrbahn die Brücke für den motorisierten Personenverkehr gesperrt hatten. Zu Recht als haltlos hat das Obergericht zudem den Einwand verworfen, es stehe nicht fest, dass während der Blockade überhaupt Fahrzeuge die Brücke hätten überqueren wollen, nachdem sich aus dem Polizeivideo das Gegenteil ergibt und es für die mit den lokalen Gegebenheiten vertrauten kantonalen Gerichte gerichtsnotorisch ist, dass die Brücke zur Zeit der Sperrung werktags von vielen Pendlern benutzt wird.
Zusammenfassend ist die tatsächliche Annahme des Obergerichts, dass die Demonstranten die Rheinbrücke bei Kaiserstuhl am 25. Juli 2006 von 06:04 - 07:08 Uhr bewusst für den motorisierten Verkehr sperrten, nicht bloss vertretbar, sondern offensichtlich zutreffend. Die Willkürrüge ist unbegründet.
 
2.4 Dieser Sachverhalt ist bereits aufgrund der eigenen Darlegungen der Beschwerdeführer - insbesondere derjenigen von X.________, der an der bezirksgerichtlichen Hauptverhandlung als einziger aussagte, der Zugeständnisse aller Beschwerdeführer, an der Demonstration beteiligt gewesen zu sein, und dem erwähnten Flugblatt - sowie der Fotografien der Demonstration, deren Echtheit nicht bestritten ist, willkürfrei erstellt. Unter diesen Umständen waren die Strafverfolgungsbehörden verfassungsrechtlich nicht verpflichtet, die rapportierenden Polizeibeamten als Belastungszeugen einzuvernehmen. Da das Obergericht zudem ohne Willkür den offensichtlichen Schluss ziehen konnte, dass die Sperrung der Rheinbrücke zu einer Hauptverkehrszeit jedenfalls einigen Automobilisten deren Überquerung (bis zu einer Stunde) verunmöglichte, konnte sie auch in willkürfreier antizipierter Beweiswürdigung davon ausgehen, dass es sich nicht bei allen auf die Sperre aufgefahrenen Automobilisten um Sympathisanten der Demonstranten handelte, die die Brücke gar nicht überqueren wollten. Es ist unter diesen Umständen nicht zu beanstanden, dass keine Automobilisten als Zeugen befragt wurden. Dies verletzt die Unschuldsvermutung bzw. den Grundsatz "in dubio pro reo" keineswegs.
 
3.
Eine Nötigung im Sinne von Art. 181 StGB begeht, wer jemanden durch Gewalt oder Androhung ernstlicher Nachteile oder durch andere Beschränkung seiner Handlungsfreiheit nötigt, etwas zu tun, zu unterlassen oder zu dulden (zum Ganzen zuletzt BGE 134 IV 216 betreffend die Sperrung des Baregg-Tunnels).
 
3.1 Die hier zur Diskussion stehende Tatbestandsvariante der "anderen Beschränkung der Handlungsfreiheit" ist aus rechtsstaatlichen Gründen restriktiv auszulegen. Tatbestandsmässig ist nur, das üblicherweise geduldete Mass an Beeinflussung in ähnlicher Weise eindeutig zu überschreiten, wie es für die im Gesetz ausdrücklich genannten Zwangsmittel der Gewalt und der Androhung ernstlicher Nachteile gilt. Die weite Umschreibung des Tatbestands hat zur Folge, dass auch unabhängig von Rechtfertigungsgründen nicht jedes tatbestandsmässige Verhalten rechtswidrig ist. Die Rechtswidrigkeit bedarf beim Nötigungstatbestand vielmehr einer besonderen, zusätzlichen Begründung. Nach der Rechtsprechung ist eine Nötigung unrechtmässig, wenn das Mittel oder der Zweck unerlaubt ist oder wenn das Mittel zum angestrebten Zweck nicht im richtigen Verhältnis steht oder wenn die Verknüpfung zwischen einem an sich zulässigen Mittel und einem erlaubten Zweck rechtsmissbräuchlich oder sittenwidrig ist. Bei der Beurteilung der Rechtswidrigkeit ist den verfassungsmässigen Rechten der Beteiligten Rechnung zu tragen (Zusammenfassung der Rechtsprechung in BGE 134 IV 216 E. 4.1).
 
3.2 Die Beschwerdeführer haben durch die Bildung einer "Menschenmauer" eine Rheinbrücke für den motorisierten Verkehr gesperrt (Nötigungsmittel) und dadurch unbestimmt viele Automobilisten zum Warten bzw. Ausweichen gezwungen (Nötigungszweck).
Fussgänger, die auf der Fahrbahn verweilen, um den motorisierten Verkehr zu behindern, verstossen klarerweise gegen das Strassenverkehrsrecht (Art. 49 des Strassenverkehrsgesetzes, SR 741.01, Art. 46 Abs. 1 und 2 und Art. 47 Abs. 1 und 5 der Verkehrsregelnverordnung, SR 741.11). Die eigenmächtige Sperrung der Rheinbrücke durch die Beschwerdeführer - das Nötigungsmittel - war damit rechtswidrig. Auch wenn in der Untersuchung nicht im Einzelnen abgeklärt wurde, welche Autofahrer wie lange warten mussten, so hat das Obergericht jedenfalls festgestellt, dass die Sperrung zu einer Hauptverkehrszeit erfolgte, womit davon ausgegangen werden kann, dass bereits in einer frühen Phase Automobilisten auf die Sperre auffuhren und im Ergebnis bis zu rund einer Stunde an der Überfahrt gehindert wurden. Damit hat die Beschränkung ihrer Handlungsfähigkeit ein erhebliches, strafrechtlich verpöntes Mass erreicht. In BGE 108 IV 165 hat das Bundesgericht bereits die 15-minütige Blockade eines Automobils als strafwürdige Beschränkung der von Art. 181 StGB geschützten Handlungsfreiheit erkannt.
 
3.3 Das Fernziel bzw. das Motiv der Beschwerdeführer - sie wollten auf die für sie untragbare Lärmbelästigung ihrer Wohngebiete um die Forch und den Pfannenstiel durch die "illegalen" Südanflüge auf den Flughafen Kloten aufmerksam machen und auf Deutschland Druck ausüben, Nordanflüge wieder zuzulassen - sind im Unterschied zum Nötigungsmittel und zum Nötigungszweck keine Elemente des Tatbestands von Art. 181 StGB. Allerdings ist nach der Rechtsprechung die Rechtswidrigkeit im Lichte der verfassungsmässigen Rechte der Beteiligten zu beurteilen. Die Beschwerdeführer berufen sich auf die Meinungs- und Informationsfreiheit (Art. 16 BV) und die Versammlungsfreiheit (Art. 22 BV), um ihre Aktion zu rechtfertigen.
Eine Demonstration auf öffentlichem Grund schränkt die übrigen Verkehrsteilnehmer zeitweise an der allgemeinen Nutzung von Strassen oder Plätzen ein. Ihre Durchführung stellt daher einen gesteigerten Gemeingebrauch dar. Nach konstanter Rechtsprechung des Bundesgerichts lässt sich aus bestimmten verfassungsmässigen Rechten, etwa der Wirtschaftsfreiheit, aber insbesondere aus ideellen Grundrechten wie der Versammlungsfreiheit und der Meinungs- und Informationsfreiheit, ein bedingter Anspruch auf gesteigerten Gemeingebrauch ableiten. Das bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die zuständige Behörde beim Entscheid über ein Demonstrationsgesuch nicht allein dem öffentlichen Interesse am möglichst ungestörten Gemeingebrauch durch die Allgemeinheit zum Durchbruch verhelfen darf, sondern dem institutionellen Gehalt von Art. 16 und 22 BV Rechnung tragen und die Interessen der Gesuchsteller, ihre Anliegen öffentlich bekannt zu machen, angemessen berücksichtigen muss (BGE 126 I 133 E. 4d S. 140; 121 I 279 E. 2a). Vorliegend haben die Beschwerdeführer indessen gar kein Gesuch für ihre Demonstration gestellt. Dies wäre ihnen ohne weiteres möglich und zumutbar gewesen, da sie diese am tausendsten Tag der Südanflüge und damit an einem lange zuvor feststehenden Datum durchführten. Für ihr eigenmächtiges Vorgehen können sie daher aus den angerufenen Grundrechten nichts zu ihren Gunsten ableiten.
 
3.4 Zusammenfassend ergibt sich somit, dass die Verurteilung der Beschwerdeführer wegen Nötigung nicht zu beanstanden ist.
 
4.
4.1 Die 23 Beschwerdeführer der Beschwerde 6B_813/2008 rügen, die bezirksgerichtliche Kostenverlegung verletze das Kosten- und das Äquivalenzprinzip sowie das Willkürverbot. Obwohl der Bezirksrichter für alle Verfahren nur eine einzige Hauptverhandlung durchgeführt habe, habe er formell für jeden Angeklagten ein eigenes Urteil gefällt und dabei jedem Gerichtsgebühren und Kosten von 1'146 Franken auferlegt, insgesamt 27'504 Franken. Zu Unrecht sei das Obergericht davon ausgegangen, sie hätten nur die eigentliche Gerichtsgebühr in Höhe von 500 Franken beanstandet, die Kanzleigebühren und Auslagen in Höhe von 646 Franken hingegen akzeptiert. Sie hätten in der Berufungsschrift klarerweise den Gesamtbetrag von 1'146 Franken als übersetzt bestritten. Da die Auslagen und Kanzleigebühren nur in ihrer Gesamthöhe ausgewiesen worden seien, sei es ihnen gar nicht möglich gewesen, sie substantiiert zu kritisieren. Es stehe jedoch fest, dass das Bezirksgericht unter diesem Titel insgesamt 14'858 Franken in Rechnung gestellt habe. Das Obergericht habe im Berufungsverfahren unter gleichem Titel 2'813. 50 Franken erhoben (122.30 Franken pro Beschuldigtem). Das Bezirksgericht habe zwar einen etwas höheren Aufwand gehabt, indem es die Vorladungen zur Hauptverhandlung habe zustellen und diese durchführen müssen, was aber niemals rechtfertige, unter dem Titel "Kosten und Kanzleigebühr" einen fünfmal höheren Betrag zu verrechnen als das Obergericht. Bei der Gerichtsgebühr verhalte sich die Sache ähnlich. Während das Bezirksgericht insgesamt 11'500 Franken für 23 Verfahren berechnet habe, habe das Obergericht für das Berufungsverfahren eine Gerichtsgebühr von 3'500 Franken - bloss 30 % der erstinstanzlichen Gebühren - erhoben, dies obwohl nach den §§ 17 und 18 des aargauischen Verfahrenskostendekrets vom 24. November 1987 (VKD) die maximale Gerichtsgebühr für bezirksgerichtliche Verfahren tiefer sei als für obergerichtliche Berufungsverfahren. Die bezirksgerichtliche Kostenregelung sei damit krass willkürlich.
 
4.2 Das Obergericht hat zu den bereits in der Berufung erhobenen Einwänden gegen die erstinstanzliche Kostenverlegung ausgeführt, diese richteten sich einzig gegen die Gerichtsgebühren. Gegen die Festsetzung der Kanzleigebühren und Auslagen würden keine Rügen vorgebracht, weshalb diese als unbestritten zu gelten hätten.
Die Beschwerdeführer haben in der Berufung ausgeführt, es seien "jedem einzelnen Angeklagten Gerichtsgebühren und Kosten im Betrag von Fr. 1'146.-- auferlegt worden. Das ergibt gesamthaft einen Betrag von über Fr. 26'000.--". Dies verstosse gegen das Kostendeckungs- und das Äquivalenzprinzip und sei unverhältnismässig. Damit haben die Beschwerdeführer klarerweise sowohl die Gerichtsgebühr als auch die Kanzleigebühren und Auslagen bestritten. Da beide im Urteil nicht im Detail, sondern nur im Gesamtbetrag ausgewiesen sind, konnten die Beschwerdeführer deren Festsetzung auch nicht im Einzelnen kritisieren. Entgegen der Auffassung des Obergerichts kann unter diesen Umständen nicht davon ausgegangen werden, dass die Festsetzung der Kanzleigebühren und Auslagen unbestritten geblieben sei.
 
5.
Die Verfahrenskosten für Gerichtsverfahren vor aargauischen Gerichten setzen sich nach § 118a der Strafprozessordnung vom 11. November 1958 (StPO) aus der Gerichtsgebühr (§ 3 ff. VKD), einer Kanzleigebühr (§ 25 ff. VKD) und den Auslagen (§ 28 ff. VKD) zusammen.
 
5.1 Der Bezirksgerichtspräsident hat gegen jeden der Beschwerdeführer ein separates Urteil erlassen. Diese Urteile sind zwar weitgehend identisch, weshalb die Erledigung der Verfahren auch in einem Entscheid möglich gewesen wäre. Die Strafzumessung erfolgte indessen individuell. Die Urteile enthalten dementsprechend die für die Festsetzung der Geldstrafe nach Tagessätzen erforderlichen Ausführungen zu den finanziellen Verhältnissen der einzelnen Beschwerdeführer. Gründe des Persönlichkeitsschutzes sprechen somit gegen die Vereinigung. Es war daher jedenfalls vertretbar, für jeden der Beschwerdeführer ein separates Urteil zu erlassen, auch wenn dies mit höherem Aufwand und entsprechend höheren Kosten verbunden ist.
 
5.2 Nach dem Kostendeckungsprinzip sollen die Gesamteingänge den Gesamtaufwand für den betreffenden Verwaltungszweig nicht oder nur geringfügig überschreiten. Das Äquivalenzprinzip verlangt in Konkretisierung des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes insbesondere, dass eine Gebühr nicht in einem offensichtlichen Missverhältnis zum objektiven Wert der bezogenen Leistung stehen darf und sich in vernünftigen Grenzen bewegen muss (im Allgemeinen: BGE 132 II 47 E. 4.1; 126 I 180 E. 3a, je mit Hinweisen; im Speziellen für Gerichtsgebühren: BGE 120 Ia 171 E. 2a mit Hinweisen).
5.2.1 Die Gerichtsgebühr in Strafverfahren vor dem Bezirksgericht beträgt einschliesslich des Vorverfahrens zwischen 130 und 6'510 Franken (§ 17 Abs. 1 VKD), wobei die Obergrenze in besonders zeitraubenden Fällen oder bei mutwilligem Verhalten der Partei verdoppelt werden kann (§ 3 Abs. 2 VKD). Innerhalb dieses Rahmens ist die Gebühr nach dem Zeitaufwand und der Bedeutung der Sache festzulegen (§ 3 Abs. 1 VKD). Nach § 17 Abs. 2 VKD kann für eine polizeiliche Tatbestandsaufnahme zwischen 06:00 und 20:00 Uhr, wie sie hier erfolgte, zusätzlich eine Pauschale von 310 Franken für einen bis zu drei Stunden dauernden Einsatz berechnet werden.
Die Höhe der Gerichtsgebühr von 500 Franken ist nach beiden Prinzipien nicht zu beanstanden. Es ist gerichtsnotorisch, dass die Gerichtsgebühren die Kosten der Justiz, insbesondere der Strafjustiz, nicht decken (BGE 120 Ia 171 E. 3; Entscheid 4P.315/2006 vom 22. Juli 2007 E. 2.2.2). Auch wenn der Bezirksgerichtspräsident mit der Erhebung von 24 Gerichtsgebühren für 24 weitgehend gleichlautende Urteile wohl einen hohen Kostendeckungsgrad erreicht oder möglicherweise sogar mehr eingenommen hat, als die Verfahren gekostet haben, so ändert das nichts daran, dass die Strafjustiz ihre Gesamtkosten bei weitem nicht deckt. Das Kostendeckungsprinzip ist damit keineswegs verletzt. Eine Gerichtsgebühr von 500 Franken für ein bezirksgerichtliches Verfahren, in dem eine Hauptverhandlung durchgeführt und die mit einem ausführlich begründeten Urteil abgeschlossen wurde, erscheint keineswegs unangemessen hoch, zumal darin nach der § 17 Abs. 2 VKD auch die Kosten der polizeilichen Tatbestandsaufnahme enthalten sein können. Sie ist unter dem Gesichtspunkt des Äquivalenzprinzips nicht zu beanstanden.
5.2.2 Kanzleigebühren werden erhoben für die Ausfertigung und die Zustellung von End- und selbständigen Zwischenentscheiden. Gebührenpflichtig sind die Originalausfertigung für die entscheidende Behörde sowie je eine Kopie für die Partei, die Vertreter und die Vorinstanz bei Rechtsmittelverfahren, ferner die Umschläge für den Versand als Gerichtsurkunde (§ 25 Abs. 1 und 2 VKD). Nach § 1 der Verordnung des Regierungsrates über die Kanzleigebühren vom 14. Oktober 1991 betragen diese für die Ausfertigung von Schriftstücken 8 Franken pro Schreibmaschinenseite, für die Erstellung von Kopien auf technischem Weg 1 Franken pro A4-Seite. An Auslagen kommen vorliegend nur Barauslagen in Betracht. Darunter fallen nach § 28 VKD die im Verfahren entstandenen Kosten, namentlich für Porti, Telefone, Reisen und Verpflegung, Entschädigung an Zeugen und Sachverständige, Publikationskosten, Kosten der Untersuchungshaft usw.
Aus den Prozessakten ergibt sich, dass für jeden Beschwerdeführer rund 40 Seiten ausgefertigt wurden (Vorladungen, Beweisverfügung, Verhandlungsprotokoll, Urteilsdispositiv, begründeter Entscheid), was bei einem vertretbaren Ansatz von 8 Franken pro Seite rund 320 Franken ergibt. Dazu kommen die zum ebenfalls nicht zu beanstandenden Ansatz von 1 Franken berechneten Fotokopien, die in erheblicher Zahl - nur schon die sechsfache Ausfertigung des Urteilsdispositivs und des begründeten Urteils ergibt 144 Kopien - angefallen sind, sowie weitere Kosten und Auslagen, etwa für die Zustellung der Gerichtsurkunden. Insgesamt erscheint der für Kanzleigebühren und Auslagen erhobene Betrag von 646 Franken jedenfalls bei der auf eine Verfassungsrüge hin vorzunehmenden summarischen Prüfung nicht unhaltbar hoch. Übersetzt erscheint er nur, wenn man die Kosten der erstinstanzlichen Entscheide insgesamt an den obergerichtlichen Gerichtskosten misst. Dieser Vergleich ist indessen nicht zulässig, da nicht zu beanstanden ist, dass das Bezirksgericht für jeden Angeklagten ein eigenes Urteil fällte (oben E. 5.1).
 
6.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens tragen die Beschwerdeführer die Kosten (Art. 66 Abs. 1 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
Die Beschwerden werden abgewiesen.
 
2.
Die Gerichtskosten der Beschwerde 6B_793/2008 von Fr. 2'000.-- werden X.________ auferlegt, diejenigen der Beschwerde 6B_813/2008 von Fr. 4'000.-- mit solidarischer Haftbarkeit Y.________ und den 22 Mitbeteiligten.
 
3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Strafgericht, 2. Kammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 24. März 2009
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
Favre Störi

------------------------------
SANS-PAPIERS ZH
------------------------------

a-films.blogspot.com 8.4.09

Kurzfilm: Zürcher Sans-Papiers protestieren für Ausweise

Am Dienstag, 7. April 2009, zogen mehr als 100 Sans-Papiers und UnterstützerInnen lautstark vom Flüchtlingscafé "Refugees Welcome" zum Zürcher Sozial- und Migrationsamt. Sie forderten gültige Identitätspapiere und protestierten gegen den Ausweisentzug.

Auf beiden Ämtern hinterliessen die Sans-Papiers einen Protestbrief, worin sie offizielle Ausweisdokumente fordern. Manche Betroffene verfügen bloss über ein Papierchen ihrer jeweiligen Notunterkunft. Der Besitz eines solchen Zettels schützt aber nicht vor polizeilicher Repression. Auch können damit auf der Post keine eingeschriebenen Briefe abgeholt oder in der Bibliothek Bücher ausgeliehen werden.

Die DemonstrantInnen wiesen darauf hin, dass seit der Kirchenbesetzung im Winter 2008/09 systematische Polizeikontrollen im Umfeld von Notunterkünften zugenommen haben. Im Anschluss an die Besetzung untersagte das Zürcher Migrationsamt den BetreiberInnen der Notunterkünfte auch das Ausstellen der Ausweispapierchen. Insbesondere Flüchtlinge, die wöchentlich ihre Notunterkunft wechseln müssen, verfügen seither über gar keine Identitätspapiere mehr.

Die Sans-Papiers argumentierten, dass sie auf diese Weise gezielt der Repression preisgegeben werden. Sie wehrten sich gegen ihre Zermürbung und Kriminalisierung durch die Behörden. Weder im Sozial- noch im Migrationsamt wollten die Verantwortlichen den Brief persönlich entgegennehmen.

Der 10-minütige Kurzfilm dokumentiert die Demonstration und Betroffene erklären die Hintergründe des Protestes.
Der Film kann hier angeschaut und/oder heruntergeladen werden:
http://a-films.blogspot.com/2009/04/080409de.html#1

Mit besten Grüssen,

a-films

--

Fotos:
http://ch.indymedia.org/de/2009/04/68354.shtml

--------------------------------------
GEFANGENE KUNST
-------------------------------------

WoZ 9.4.09

Ausstellung

Gefangene Kunst

Endstation: Im Flughafengefängnis Kloten sitzen Asylsuchende in Ausschaffungshaft und müssen jederzeit damit rechnen, ausgeflogen zu werden. Die Hoffnungen auf ein besseres Leben werden hier auf ein Minimum reduziert.

Die Ausstellung "Gefangene Kunst" macht mit Bildern, Gedichten und Skizzen, die Betroffene hinter Gitter angefertigt haben, auf das Schicksal von Menschen aufmerksam, die in Ausschaffungshaft sitzen. süs

"Gefangene Kunst" in: Zürich Restaurant Bubbles, Strassburgstrasse 15. Bis 30. April.

------------
VPM
-----------

WoZ 9.4.09

VPM-Offiziell gibt es den Verein zur Förderung der Psychologischen Menschenkenntnis (VPM) nicht mehr, die Ableger der Psychosekte versuchen aber mit grossem Geschick, oppositionelle Gruppen in der Schweiz und in Deutschland zu unterwandern.

Lebendiger gehts kaum

Von Holger Reile

Zwar hat sich der VPM 2002 aufgelöst, doch viele der ehemaligen Mitglieder sind vor allem am westlichen Bodensee und im Thurgau weiterhin aktiv, unter anderem in Friedensgruppen oder ökologischen Initiativen. Bis zu seiner Auflösung (die unter anderem erfolgte, weil man hoffte, so aus den Negativschlagzeilen zu kommen), paktierte der VPM mit rechten HardlinerInnen aus politischen und religiösen Kreisen.

Das alte VPM-Netz hat sich bis heute gehalten. Die VPM-nahe Europäische Arbeitsgemeinschaft Mut zur Ethik hält immer noch jährlich ihren Kongress "Mut zur Ethik" ab, bei dem sich auch der in der Ökoszene angesehene Jens Loewe, Begründer des Stuttgarter Wasserforums, gerne den roten Teppich ausrollen lässt, und Jürgen Elsässer, ein in Deutschland umstrittener linker Autor, der seine Verschwörungstheorien vortragen darf. Beide wollen auf Anfrage von den VPM-Hintergründen dieses Kongresses nichts wissen. Man sei vor Ort immer auf "aufgeschlossene und intelligente Menschen gestossen".

Was treibt sie um?

Vor einigen Jahren staunte man in mehreren thurgauischen Gemeinden nicht schlecht. Plötzlich fielen GrosstädterInnen, vornehmlich Psychologinnen und Therapeuten aus dem Raum Zürich, ins Hinterland ein und liessen sich hier nieder. Von einer komischen Sekte war die Rede, es gab Versammlungen, in denen vor "diesen missionarisch auftretenden Leuten" gewarnt wurde. Mittlerweile hat sich die Aufregung weitestgehend gelegt.

Was treibt die Ex-VPMler tatsächlich um? Rutschten die einst rechten Hardliner in den letzten Jahren eher nach links? Sie engagieren sich vordergründig gegen Kriege, Strahlengefahren und Umweltverschmutzung, propagieren biologischen Landbau und suchen den Kontakt zu Globalisierungsgegner Innen. Woher kommt diese anscheinend radikale Kehrtwendung?

Ein langjähriger VPM-Anhänger, in den neunziger Jahren auch Vertrauter von VPM-Leiterin Annemarie Buchholz-Kaiser, glaubt eine Erklärung zu haben: "Der VPM hat immer nach einem sektenhaften Führerprinzip funktioniert. Wenn die Anleitung kam, gegen linke Revoluzzer anzugehen, dann waren wir dabei. Nach der Auflösung kam die Anordnung, andere Wege zu gehen, und auch das wurde widerspruchslos hingenommen. Die meisten Ex-VPMler haben ihre Identität vor langen Jahren in der Zürcher Zentrale abgegeben und sind fremdgesteuert. Sie sind der Überzeugung, zu einer handverlesenen Elite zu gehören, die dem Rest der Welt erklärt, was zu tun sei. Sie funktionieren wie Roboter. Wenn nächste Woche die Parole ausgegeben würde, man müsse wieder zurück ins nationalistisch-rechte Lager, dann wird auch das gemacht. Immer im Vordergrund steht die aktuelle Botschaft - und die kann täglich eine andere sein."

Aufregung um ein Internat

Der Internetauftritt des Internats Schloss Bohlingen, bei Singen im Hegau gelegen, ist seltsam karg. Eine Adresse, der Verweis auf einen Trägerverein Schloss Bohlingen, dazu eine Telefon- und eine Faxnummer. Keine Bilder, keine Namen von Ansprechpartnern, nicht einmal die Andeutung eines pädagogischen Konzepts. Als das Internat 1996 eröffnet wurde, rauschte es nochmals gewaltig im deutschen Blätterwald. Man vermutete den damals noch exis tierenden VPM hinter dem Internat.

Nicht ohne Grund: Im Hintergrund zog ein Trägerverein die Fäden, dessen Mitglieder fast alle VPM-Sympathisant Innen waren. Die sieben Gründer von 1995 zeichnen bis heute verantwortlich für den Trägerverein. Der damalige Singener CDU-Oberbürgermeister Andreas  Renner organisierte eine öffentliche Diskussion, zu der fast ganz Bohlingen angelaufen kam und zu der auch der VPM eine starke Abordnung entsandte. Trotz heftigster Bedenken wurde das Internat mit Schulbetrieb von den zuständigen Behörden genehmigt, da es keine baurechtlichen Bedenken gab. Dann kehrte Ruhe ein, nur noch vereinzelt kam in lokalen Medien der Sektenzusammenhang zur Sprache.

Pädagogik von vorgestern

In den letzten Monaten allerdings machten Unterlagen die Runde, die das Internat wieder ins öffentliche Interesse rücken könnten. Mehrere ehemalige SchülerInnen berichten eindrücklich über Schikanen und Repressionen, die sie in Bohlingen über sich ergehen lassen mussten. "Ich durfte nicht mit einem Jungen befreundet sein", schreibt S. K. Ihr wurde verboten, mit dem Jungen weiterhin engeren Kontakt zu pflegen. Als sie es dennoch tat, soll sie vom Heimpersonal vor anderen Kindern als "Schlampe" und "Hure" bezeichnet worden sein.

Einem Jungen wurde erklärt, das Tragen eines rosa Pullovers könne zu Homosexualität führen. Bei den wenigen Ausflügen, die das Internat anbietet, werden Jungen und Mädchen penibel voneinander getrennt. Es gibt rigide Kleidervorschriften, Mädchen dürfen weder Hals- noch V-Ausschnitt tragen, und auch das Tönen oder Färben der Haare ist strikt verboten. Befinden sich die Jugendlichen im Unterricht, werden ihre Zimmer heimlich durchsucht. Mehrere Wochen Zimmerarrest bei kleineren Vergehen scheinen an der Tagesordnung zu sein.

"Wir hatten keinerlei Privatsphäre", schreibt ein ehemaliger Internatsschüler. Der Umgang des Heimpersonals mit den Kindern sei oft "ruppig und brutal". Ein früher dort beschäftigter Pädagoge wird deutlich: "Die Erziehung ist extrem konservativ." Er hat nach wenigen Monaten gekündigt, weil er "die Zustände nicht mit seinem Gewissen vereinbaren" konnte. Die Kinder stünden so unter Druck, dass es einzelne Suizidversuche gegeben habe. Ein Mädchen soll Glasscherben geschluckt haben, ein Junge sei auf dem Fensterbrett im dritten Stock gestanden. Die Heimleitung habe die Vorfälle als "Aufmerksamkeitshascherei" abgetan.

Vor Ort wiegelt man ab

Die regionale Presse, allen voran der "Südkurier", hält sich vornehm zurück. Man will sich offensichtlich nicht die Finger verbrennen. Auch Bohlingens Ortsvorsteher Anton Auer wiegelt ab: "Das mit der Sekte ist doch eine alte Geschichte, da ist nichts dran." Auffälligkeiten habe es die letzten Jahre nicht gegeben. Das Internat lade die Bevölkerung immer wieder mal "zur Weihnachtsfeier oder zum Schlachtfest" ein, man verstehe sich bestens. Vom staatlichen Schulamt Konstanz wird das Internat weiterhin empfohlen, und auch alle anderen Institutionen im Landkreis, die für schulische Einrichtungen zuständig sind, sehen keinerlei Anlass für Kritik. Einzig und allein die Internetpublikation "SeeMoZ" wies kürzlich auf die VPM-Zusammenhänge hin. Davon Wind bekam nun die Redaktion der Fachzeitung "Focus-Schule". Sie hat in einer dreiseitigen Reportage die Verbindungen zwischen Internat und VPM nachrecherchiert und kam zu Ergebnissen, die sich mit denen von "SeeMoZ" decken.

Sowohl Franz Schauber ger, erster Vorsitzender des Internatträgervereins, als auch Karl Schweis furth,  der  Besitzer der Liegenschaft, waren lange Jahre  Anhänger des VPM. Schweisfurth ist heute Geschäftsführer der Hermannsdorfer Landwerkstätten, sein Vater Karl Ludwig Schweisfurth hat mit Herta-Wurst Millionen verdient und sich später in der Biolandwirtschaft einen Namen gemacht. Schweisfurth senior schrieb auch in der VPM-nahen Zürcher Wochenzeitung "Zeit Fragen", die früher die VPM-Kongresse "Mut zur Ethik" mitorganisierte.

An diesen Kongressen hält wiederum Internatsgründer Franz Schauberger Vorträge. Ebenso wie der Radolfzeller Anwalt Rainer Rothe, der einst fast alle Prozesse gegen VPM-Kritiker geführt und überwiegend verloren hat. Pikant: Rothes Kanzlei kooperiert interessanterweise mit der Anwältin und früheren Radolfzeller Bürgermeisterin Isabel Fezer, die beim letzten Landtagswahlkampf für die FDP kandidierte und mit einer bundespolitischen Karriere liebäugelt. Ihr Büro ist seit April 2008 geschlossen, auf ihrer Website ist zu lesen: "Bitte wenden Sie sich bei Fragen an RA Rainer Rothe." Auf diese Verbindung angesprochen, erklärte Fezer schon vor zwei Jahren gereizt: "Mich interessiert nicht, was der Kollege privat so treibt."

"Auf Herz und Nieren"

Die Spurensuche führt weiter, in das Städtchen Stockach in der Nähe von Radolfzell. Seit geraumer Zeit organisiert hier eine Initiative, die sich "Freie Bürger für eine freie Demokratie" nennt, gut besuchte Lesungen und Vorträge. Ein Referent, der da schon des Öfteren auftrat: der Autor Jürgen Elsässer. Schaut man sich den Verein Freie Bürger etwas genauer an, stösst man zusätzlich auf Namen, die schnurgerade zum untoten VPM führen und die auch immer wieder in den "Zeit Fragen" publizieren oder aber regelmäs sig bei "Mut zur Ethik"-Kongressen referieren.

Der Fall Bohlingen scheint nun doch die zuständigen Behörden zu interessieren, zumindest die von ausserhalb. Das Landesjugendamt Stuttgart wurde aufmerksam, auch das Landespräsidium Freiburg. Angeordnet wurde eine Überprüfung des Internats "auf Herz und Nieren". Internatsleiterin Marie-Therese Alef kümmert das nicht. Sie plant zurzeit offensichtlich eine Erweiterung, weil der Andrang auf das Internet ständig wachse. Hausbesitzer Karl Schweisfurth, der angeblich "nur" früher mal im alten VPM-Verteiler gewesen sein will, soll dem Ausbau schon zugestimmt haben.

Eine telefonische Nachfrage im Schloss Bohlingen ist nicht möglich. Über Wochen hinweg waren die für Schul- und Heimbetrieb Verantwortlichen nicht zu erreichen oder beendeten das Gespräch schon nach dem ers ten Satz.

--

Die aggressiven Menschenkenner

Einst waren die "Lieblinge", so genannt nach Friedrich Liebling (1893- 1982), eine Art Psychoflügel der radikalen studentischen Linken: eine libertäre, auf ihren Guru eingeschworene, abgeschottete Grossfamilie. Die Mitglieder wurden aufgefordert, sich sterilisieren zu lassen und ihre Energie in die Erziehung der Gesellschaft zu stecken. Viele wurden LehrerInnen, etwa an der Kantonalen Maturitätsschule für Erwachsene und am KV Zürich. Nach Lieblings Tod setzte der Flügel um Annemarie Buchholz-Kaiser einen radikalen Kurswechsel durch, was 1986 mit der Gründung des Vereins zur Förderung der Psychologischen Menschenkenntnis (VPM) besiegelt wurde. Der VPM galt als Akademikersekte, vor allem Ärzte, Psychologinnen und Lehrer bekannten sich zu ihr.

Federführend war und ist - auch nach der offiziellen Auflösung 2002 - Annemarie Buchholz-Kaiser. Der Verein zählte etwa 2000 bis 3000 Mitglieder, dar unter auch viele Deutsche. Die Gruppe versuchte Einfluss zu nehmen auf die Drogen-, Aids- und Bildungspolitik.

In der Schweiz fungierte sie, wie der Recherchierjournalist Jürg Frischknecht aufdeckte, als eigentliche "Unterschriftenmaschine", die massgeblich zum Zustandekommen mehrerer Gesetzesreferenden beitrug (Heroinabgabe 1999, Bilaterale 2000, Armee XXI und Zivilschutz 2003). Zunehmend agierte sie auch in Deutschland, wo sie mehrere Ableger unterhielt. Gegen jede Art von Kritik wehrte sich der Verein vehement, verlor aber die überwiegende Mehrzahl von weit über 700 Prozessen.

Der VPM rutschte in den achtziger und neunziger Jahren immer mehr nach rechts, witterte zunehmend paranoid überall linke Verschwörungen, glaubte, vor allem in Deutschland stünde ein Umsturz linksradikaler Kreise kurz bevor. Man fühlte sich auch dazu berufen, gegen "Perverse" und "linkshomosexuelle Attacken" vorzugehen und glaubte, allein die Rezepte gegen Hunger, Kriege oder Drogen parat zu haben. Die VPM-Schulungen sollten ein Leben lang dauern und alle Bereiche des gesellschaftlichen und privaten Lebens durchdringen. Gegen KritikerInnen seiner absurden Heilsbotschaften ging der VPM mit massiven Mitteln vor: Sie wurden verleumdet, abgehört und bespitzelt oder gleich als "RAF-Sympathisanten" diffamiert. Mitte der neunziger Jahre wurde der VPM in einer deutschen Antisektenbroschüre aufgeführt und musste sich sogar, gerichtlich abgesegnet, die Etikettierung "rechte Psychosekte" gefallen lassen. Holger Reile

---------------------
G-20-TOTER
-------------------

Tagesanzeiger 9.4.09

Video bestätigt Attacke eines Polizisten

Der Tod eines Mannes während der G-20-Demos in London wirft immer neue Fragen auf. Politiker fordern jetzt rasche Antworten.

Von Peter Nonnenmacher, London

Die britische Innenministerin Jacqui Smith hat die Londoner Polizei aufgefordert, Ergebnisse ihrer Ermittlungen zum Fall Ian Tomlinson "schnellstmöglich" vorzulegen. Tomlinson war der 47-jährige Kioskhändler, der während der G-20-Kundgebungen in der Londoner City von Polizisten zu Boden gestossen und möglicherweise auch mit Knüppeln geschlagen worden war - und wenige Minuten später einem Herzschlag erlag. Der Fall ist mittlerweile zum Politikum geworden, nachdem immer mehr Zeugen die Attacke mindestens eines Polizisten auf Tomlinson bestätigt hatten. Ein dem Londoner "Guardian" zugespieltes Video zeigt in aller Deutlichkeit, wie der betreffende behelmte und vermummte Polizist den Mann zu Boden wirft, obwohl der, beide Hände in den Hosentaschen, sich von ihm entfernt. Weiter zeigt das Video, wie zwei Demonstranten dem am Boden liegenden Mann wieder auf die Beine helfen, während eine Gruppe Polizisten unbeeindruckt zuschaut.

Der Vorfall sorgt für Empörung, weil die Polizei zunächst nur ihre eigenen Bemühungen zur Wiederbelebung Tomlinsons herausgestrichen hat. Kritiker haben der Polizei inzwischen vorgeworfen, die Öffentlichkeit mit jener Verlautbarung bewusst irregeführt zu haben. Kurz nach dem Vorfall war auch der Eindruck erweckt worden, Tomlinson sei an den Demos beteiligt gewesen. Die Familie des Toten verlangt nun Aufklärung, während Britanniens Politiker sich darüber streiten, ob eine amtliche Untersuchung erforderlich sei. Im Augenblick ist lediglich die Polizei selbst, im Auftrag der unabhängigen Beschwerdestelle der Polizei, mit den Nachforschungen beschäftigt. Von diesen Ergebnissen wird es abhängen, ob der Fall an die Staatsanwaltschaft weiter geleitet und Anklage erhoben werden soll.

Neugieriger Geschäftsmann

Das Video hat ein Fundmanager aus New York gedreht, der sich die Proteste aus reiner Neugierde hatte ansehen wollen. Er erklärte, er sei mit der Aufnahme an die Öffentlichkeit gelangt, "weil klar wurde, dass die Familie (Tomlinsons) keine Antworten erhielt". Tomlinsons Witwe Julia hat jetzt die volle Aufklärung der Vorgänge verlangt, "weil unsere Kinder wissen müssen, was mit ihrem Vater geschah". Und die Liberale Partei forderte die sofortige Einleitung eines Verfahrens.

Dagegen verteidigte der Chef des Verbandes Londoner Polizisten, Peter Smyth, die betroffenen Kollegen. "An einem Tag wie diesem, an dem einige Demonstranten wild entschlossen sind, so viel Unheil wie möglich anzurichten, ist die eine oder andere physische Konfrontation unvermeidlich." Londons Polizeipräsident Sir Paul Stephenson stimmte aber der Notwendigkeit "vollständiger Ermittlungen" zu.

---

20min.ch 9.4.09
(Video Channel 4: http://www.20min.ch/news/ausland/story/19492863)

Tod an G-20-Demo

Neues Video: Polizist benutzte Schlagstock

Der Polizist, der an der G-20-Protestdemo in London einen Mann zu Boden stiess, der kurz darauf starb, hat sich gemeldet. Ein neu aufgetauchtes Video belastet ihn zusätzlich.

Der Polizeibeamte habe sich gegenüber seinem Vorgesetzten und der unabhängigen Untersuchungskommission zu erkennen gegeben. Er soll am Donnerstag befragt werden, man habe ihn aber weder festgenommen noch suspendiert, berichtete der "Guardian". Die Zeitung hatte am Mittwoch auf ihrer Website ein Video veröffentlicht. Es zeigt, wie der 47-jährige Ian Tomlinson während den Protesten gegen den G-20-Gipfel am 1. April in London von einem Polizisten zu Boden gestossen wurde.

Kurz darauf starb der Zeitungsverkäufer, der sich auf dem Heimweg befand und nach Angaben seiner Familie mit der Kundgebung nichts zu tun hatte, an einem Herzinfarkt. Scotland Yard hatte ursprünglich nur dies vermeldet, die Attacke des Polizisten aber verschwiegen. Ein neues Video, das der Fernsehsender Channel 4 am Mittwoch ausgestrahlt hat, belastet ihn nun zusätzlich. Es zeigt, dass der Beamte Tomlinson nicht nur umgestossen, sondern ihm zuvor mit dem Schlagstock einen Hieb in die Beine verpasst hatte.

Anklage wegen Totschlags?

Nun droht dem Polizisten eine Anklage wegen Totschlags, sollte ein Zusammenhang mit dem Herzinfarkt bewiesen werden. "Es gibt keine Entschuldigung für sein Vorgehen", sagte eine hochrangige Polizeiquelle dem "Guardian". Er habe zumindest ein schwerwiegendes Disziplinarvergehen und einen tätlichen Angriff begangen. Eine Zeugin hatte gegenüber dem "Guardian" zudem erklärt, Ian Tomlinson sei bereits zuvor von Polizisten gestossen und mit Schlagstöcken traktiert worden.

Angesichts des zunehmenden Drucks will die Untersuchungskommission kriminaltechnische Ermittlungen einleiten, die vollkommen unabhängig von der Londoner Polizei durchgeführt werden sollen. "Die Leute sind zurecht besorgt über diesen tragischen Tod, und das Video ist verstörend", sagte Deborah Glass, die Leiterin der Kommission. Sie rief dazu auf, ihr allfälliges weiteres Videomaterial zu übergeben. Ausserdem wurde eine zweite Autopsie von Ian Tomlinsons Leichnam angeordnet.

(pbl)

---

Südostschweiz 9.4.09

Vor dem Herzinfarkt gabs zweimal Prügel von der Polizei

So natürlich, wie die englische Polizei es darstellt, war der Tod des Zeitungsverkäufers Ian Tomlinson letzte Woche am Rande des G20-Gipfels in London nicht. Zeugen und ein Video belasten die Polizei schwer.

Von Ralf Sotscheck

London. - Der 47-jährige Ian Tomlinson, der am 1. April in London auf dem Heimweg von der Arbeit als Zeitungsverkäufer war und in die Demonstration anlässlich des G20-Gipfels geriet (Ausgabe vom vergangenen Freitag), ist an einem Herzinfarkt gestorben. Das hat die Obduktion ergeben. Doch zuvor war er von der Polizei angegriffen worden. Das ist deutlich auf einem Video zu sehen, das der britischen Zeitung "Guardian" am Dienstag zugespielt wurde (http://www.guardian.co.uk/uk/2009/apr/07/ian-tomlinson-g20-death-video).

Auf dem Video sieht man, wie Tomlinson um 19:20 Uhr in der Royal Exchange Passage in der Nähe der Bank von England langsam vor einer Reihe von Polizisten hergeht, die Hände hat er in den Taschen. Plötzlich und offensichtlich grundlos schlägt ihm ein vermummter Beamter im Kampfmontur von hinten mit dem Schlagstock in die Beine, bevor er ihn heftig zu Boden stösst. Im Fallen zieht Tomlinson die Hände aus den Taschen, um den Sturz abzufedern. Er fällt auf den Bauch, dreht sich um und scheint sich, auf dem Boden sitzend, bei den Polizisten zu beschweren. Ein Demonstrant hilft ihm auf die Beine, und Tomlinson geht langsam weiter.

Zweimal zu Boden gestossen

Eine Augenzeugin berichtet, dass das bereits der zweite Angriff auf Tomlinson war. Die Fotografin Anna Branthwaite hat gesehen, dass Tomlinson kurz zuvor, am Anfang der Royal Exchange Passage, von der Polizei zu Boden gestossen wurde und mit dem Kopf auf das Pflaster schlug. Dann habe ihm der Beamte zwei Hiebe mit dem Schlagstock versetzt. "Danach zog ihn der Beamte von hinten hoch, ging weiter hinter ihm her und schubste ihn. Tomlinson lief und stolperte. Er drehte sich nicht um, stellte sich nicht gegen die Beamten."

Nachdem er das zweite Mal zu Boden gestossen worden sei, sei er benommen und verwirrt gewesen, sagen Augenzeugen. Auf dem Video sieht man zum Schluss, wie er quer durch das Bild Richtung Bank von England läuft. Drei Minuten später brach er rund 50 Meter weiter zusammen. Vier Studenten beobachteten das. Peter Apps, einer der Studenten, sagt, eine Frau habe erste Hilfe geleistet. Ein Demonstrant habe die Polizei mit einem Megafon herbeigerufen, ein anderer habe den Notruf angerufen. "Vier Polizisten und zwei Polizeisanitäter kamen", sagt Apps. "Sie sagten zu der Frau, die erste Hilfe leistete, sie solle weitergehen. Dann stiessen sie sie von ihm weg. Sie ignorierten sie, als sie ihnen den Zustand des Mannes beschreiben wollte."

Die Frau, die anonym bleiben möchte, sagt, die Polizei habe Tomlinson umringt. "Die Notrufzentrale wollte mit den Polizisten sprechen, man hielt ihnen das Handy hin, doch sie lehnten es ab." Die Polizisten haben keine Wiederbelebungsversuche unternommen, sagt Elias Stoakes, ein anderer Zeuge. Stattdessen schubsten die Beamten Leute weg, die Tomlinson helfen wollten.

Die Polizisten sagten später aus, sie seien von den Demonstranten mit Wurfgeschossen angegriffen worden, als sie Tomlinson hätten helfen wollen. Alle Augenzeugen bestreiten das.

Untersuchung angekündigt

Die Videoaufnahme und die Zeugenaussagen im Fall Tomlinson sind die erste Krise für den Scotland-Yard-Chef Paul Stephenson, der das Amt am 1. Januar übernommen hat. Der Polizist, der Tomlinson zu Boden gestossen hat, soll nun vom Unabhängigen Beschwerdeausschuss der Polizei identifiziert und vernommen werden. "Wir werden das Video auswerten, ebenso wie die Aussagen und Fotos, die uns vorliegen", sagte gestern Deborah Glass, die Sprecherin des Ausschusses. Kommentar oben

--

Kommentar

Gezielte Desinformation

Von Ralf Sotscheck

Ein Mann stirbt bei einer Demonstration, und keiner nimmt Notiz davon. Es ist erstaunlich, wie sich die Medien die Darstellung der Polizei zu eigen machten: Die Beamten seien bei der G20-Demonstration in London von einer Meute Anarchisten angegriffen und mit Wurfgeschossen daran gehindert worden, einen Demonstranten wiederzubeleben, hiess es letzte Woche. Die BBC berichtete gar nicht erst von Ian Tomlinsons Tod.

Tomlinson war kein Demonstrant, er war auf dem Nachhauseweg, als er von der Polizei angegriffen wurde. Es dauerte fast eine Woche, bis das ans Licht kam, weil ausgerechnet ein New Yorker Banker sein Video veröffentlichte. Erst jetzt beginnen Ermittlungen. Dabei muss die Polizeiführung längst gewusst haben, was am 1. April vorgefallen war. Im Land mit der höchsten Dichte an Überwachungskameras bleibt kaum etwas unbeobachtet.

Wie im Fall des Brasilianers Jean Charles de Menezes, der im Juli 2005 in der Londoner U-Bahn von der Polizei mit Kopfschüssen getötet wurde, setzte Scotland Yard auch diesmal auf Desinformation. Damals hiess es zunächst, De Menezes habe in Zusammenhang mit den Anschlägen auf drei U-Bahnen und einen Bus gestanden, was sich als unwahr herausstellte. Diesmal konstruierte man eine Attacke von Demonstranten auf die Beamten, die Tomlinson Hilfe leisten wollten.

Die polizeiinterne Untersuchung reicht nicht, es muss eine öffentliche Untersuchung geben. Kritiker sagen zwar, dass es Zeitverschwendung wäre, da die beteiligten Polizisten ohnehin nicht belangt würden. Doch selbst wenn solche Untersuchungen stets in Schönfärberei enden, so ist die Beweisaufnahme doch meist aufschlussreich.

zentralredaktion@suedostschweiz.ch

---

Basler Zeitung 9.4.09

Scotland Yard erneut unter Druck

Polizei hat vermutlich Todesfall am Rand der G-20-Demos provoziert

Sebastian Borger, London

Der Tod eines Mannes bei den Protesten während des G-20-Gipfels in London hat Folgen: Auf Videoaufnahmen ist zu sehen, wie der Mann von einem Polizisten zu Boden gestossen wird.

Das Amateurvideo lässt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Ohne erkennbare Warnung zieht ein Polizist mit Helm (Aufschrift: MP) und gepolsterter Weste seinen Schlagstock und schlägt dem grossen Mann im blauen Fussballhemd von hinten auf die Beine. Anschliessend rammt er ihn, wiederum von hinten, mit Wucht zu Boden; das Opfer kann gerade noch die Hände aus den Hosentaschen nehmen, um den Aufprall zu dämpfen.

Die Überreaktion eines einzelnen Beamten am Ende eines schwierigen Einsatztages wird jetzt zum Problem für die Londoner Metropolitan Police. Denn das Opfer des Angriffs, Ian Tomlinson (47), erlag wenige Minuten nach dem Zwischenfall am Rand der G-20-Demonstrationen letzte Woche einem Herzinfarkt. Es bedurfte erst hartnäckiger Recherchen britischer Medien sowie des zufällig aufgetauchten Videos, um die Einzelheiten seiner letzten Minuten zu rekonstruieren - Scotland Yard verbreitete zunächst Halbwahrheiten und hüllt sich seither offiziell in Schweigen.

Als gestern "The Guardian" das Video eines unbeteiligten US-Fondsmanagers ins Netz stellte, fand die grösste Polizeibehörde des Landes ihre Sprache wieder. Jetzt spricht Polizeipräsident Paul Stephenson von "offenkundiger Besorgnis", Bürgermeister Boris Johnson findet die TV-Bilder "verstörend", die Opposition fordert Ermittlungen durch eine Polizeibehörde, die nicht an den Demoeinsätzen beteiligt war. Einstweilen führt die kleine Polizeidirektion der City of London unter Aufsicht der unabhängigen Polizeibehörde IPCC die Untersuchung, obwohl ihre eigenen Beamten auf dem Video zu erkennen sind und sich möglicherweise der unterlassenen Hilfeleistung schuldig gemacht haben. Als möglicher Tatbestand für den Haupttäter kommt Körperverletzung mit Todesfolge in Frage.

Der "kleine Zwischenfall", so Peter Smyth von der Polizei-Gewerkschaft gegenüber der BBC, verändert die Bewertung eines Einsatzes, für den Scotland Yard viel Lob erhalten hatte. Trotz erheblicher Aggression auf beiden Seiten war es den Ordnungshütern rund um den G-20-Gipfel gelungen, grössere Ausschreitungen zu verhindern. Insbesondere im Zentrum der City of London standen sich am 1. April stundenlang je rund 5000 Protestierer und Polizisten mit Helmen und Schlagstöcken gegenüber. Bis auf einzelne Sachbeschädigungen blieb es bei verbalen Auseinandersetzungen, 86 Demonstranten wurden festgenommen.

Ian Tomlinson kann von alledem wenig mitbekommen haben. Bis gegen 19 Uhr arbeitete der Verkäufer des Londoner "Evening Standard" am Zeitungsstand vor dem U-Bahnhof Monument. Dann hatte es der begeisterte Fussballfan eilig heimzukommen: Um 20 Uhr begann im TV die Übertragung des WM-Qualifikationsspiels England-Ukraine.

Dann geschah das für seine Angehörigen Unfassbare. Tomlinsons Stiefsohn Paul King wünscht sich nun "einfach Gerechtigkeit. Vorher können wir unseren Vater nicht zur Ruhe betten."

---------------------
ANTI-ATOM
---------------------

Radio Dreyeckland 9.4.09

30 Jahre nach Harrisburg wird weiterhin verharmlost und vertuscht

Leider wurden in den Presseberichten zum 30. Jahrestages des Atomkraftunfalls von Harrisburg/TMI 2 die Opfer bzw. Strahlenopfer des des Unfalls in allgemeinen nicht oder nur unzureichend erwähnt.
Georg Löser, Phsiker und Biologe und Vorsitzender des Vereins Ecotrinova e.V.,hat nachrecherchiert und den 'Anderen Harrisburg-Bericht' veröffentlicht
http://www.freie-radios.net/mp3/20090409-30jahrenac-27414.mp3

---

Basler Zeitung 9.4.09

Atomkraftwerk erfüllt nicht alle Standards

 Fessenheim. Nachuntersuchung folgt

Constance Frey

Zwölf Experten der Internationalen Atomenergiebehörde haben zweieinhalb Wochen lang Anlage und Betrieb des Kraftwerks untersucht.

 Im vorläufigen Ergebnis der Mission, das am Dienstag in Fessenheim vorgestellt wurde, halten die Experten fest, dass das von EDF betriebene Kraftwerk selbst gesetzte Fristen zum Beheben von Mängeln nach Zwischenfällen nicht eingehalten hat und die nötigen Arbeiten nicht nach Wichtigkeit staffelt.

Ausserdem könnten sich Mitarbeiter an unzureichend abgedeckten heissen Rohren verletzen und über Kabel stolpern, die nicht weggeräumt wurden. Des Weiteren erhebt Fessenheim nicht systematisch, wie sich Mitarbeiter weiterbilden. "In diesem Punkt entspricht die Anlage internationalen Standards, könnte sich aber noch verbessern", sagte Missionsleiter Gabor Vamos.

20 Empfehlungen

Mängel werden laut einer Richtlinie in Form von Empfehlungen ans Kraftwerk formuliert, den Betrieb in den beanstandeten Punkten zu verbessern. Im endgültigen Bericht, der in drei Monaten vorliegen und später veröffentlicht werden soll, werden rund 20 solcher Empfehlungen stehen, so Gabor Vamos.

Rund ein Viertel davon betrifft Punkte, bei denen das Atomkraftwerk Fessenheim nicht den internationalen Standards entspricht. Gabor Vamos wollte gestern kein Gesamturteil über die Anlage geben: "Unsere Mission ist technischer Natur und für das Kraftwerk und die französische Atomsicherheitsbehörde bestimmt", sagte der Experte. Und er fügte an: "Wir bewerten das Kraftwerk nicht." Die Beurteilung der Experten hat auch bei den AKW-Betreibern Reaktionen ausgelöst. "Es ist wichtig, dass wir die Empfehlungen bis zur Nachuntersuchung in 18 Monaten zumindest in Teilen umsetzen", sagt Jean-Philippe Bainier, Direktor der Anlage, der die Mission als Erfolg sieht. Im Herbst steht die Zehnjahresinspektion für das AKW an. Die Betreiberin EDF hat gerade bekannt gegeben, dass sie das Kraftwerk gerne für weitere zehn Jahre am Netz lassen würde. Darüber muss nun die französische Atomsicherheitsbehörde entscheiden.

----------------------------------
MUMIA ABU-JAMAL
----------------------------------

WoZ 9.4.09

Mumia Abu Jamal

Definitives Urteil

Nun ist das letzte Wort gesprochen: Mumia Abu Jamal, Ikone im Kampf gegen die Todesstrafe, bleibt lebenslänglich hinter Gitter n. Dies hat das Oberste Gericht der USA am Montag indirekt entschieden. Der ehemalige Black-Panther-Aktivist war 1982 wegen Mord an einem Polizisten zum Tod verurteilt worden. Erst vor einem Jahr hatte das Berufungsgericht von Philadelphia die Todesstrafe ausgesetzt, eine Neubeurteilung seiner Verurteilung lehnte es jedoch ab. Dieser Entscheid wurde nun vom Obersten Gericht bestätigt.

Der 54-jährige Abu Jamal hat stets bestritten, den Polizisten Daniel Faulkner getötet zu haben. Menschenrechtsgruppen haben das Urteil von Beginn an kritisiert: Nicht nur sei die Zusammensetzung der damaligen Jury, die aus zwei Schwarzen und zehn Weissen bestand, nach rassistischen Kriterien erfolgt. Überdies habe man die Ermittlungen schlampig geführt, und entlas tende ZeugInnen seien nicht vernommen worden. Auch einer der Berufungsrichter, der vor einem Jahr von seinen beiden Kollegen überstimmt worden war, hatte den Fall scharf kritisiert: Er sei "von Rassismus durchtränkt". yw