MEDIENSPIEGEL 13.7.09
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)
Heute im
Medienspiegel:
- Reitschule-Programm
- Kubb-Grümpel-Turnier
- Trailer zum 9. Antifaschistischen Abendspaziergang
- 20 Jahre Schnüffelstaat; Schnüffeln in SZ; Big Brother EU
- Rütli-Feier ohne Tickets
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REITSCHULE
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Mi 15.07.09
19.00 Uhr - SousLePont - Punk
Spezialitäten
Sa 18.07.09
14.00 Uhr - Alter Hirschenpark - Kubb-Grümpel-Turnier
(Anmeldung kubbcup@gmx.ch
So 19.07.09
19.00 Uhr - Vorplatz - BBQ@Vorplatz
Infos: www.reitschule.ch
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KUBB
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Rundmail 12.7.09
Liebe Kubbfreunde, liebe GenossInnen
Das Grümpel-Kubb-Cup findet bereits am nächsten Samstag
statt. Noch
haben sich nicht genügend Teams angemeldet. Es wäre schade,
wenn der
Cup abgesagt werden müsste. Also, fasst euch ein Herz und meldet
euch
unter kubbcup@gmx.ch
an!
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Liebe Freundinnen und Freunde der fliegenden Stöcke und fallenden
Herrscher.
Gerne kündigen wir den ersten Kubb-Cup von Bern an:
Dieser soll bei gutem Wetter am Samstag dem 18. Juli nach bester
Grüpelturnier-Manier über die Bühne gehen
(voraussichtlich im
Hirschenpark). Teams ab 2 bis ca. 6 Personen können sich unter
kubbcup@gmx.ch
anmelden (es hat
Startplätze solangs hat - meldet euch rasch an). Das Ganze
geht um
14.00 Uhr los und dauert bis ca. 20.00 Uhr.
Das Startgeld beträgt Fr 10.- pro Team. Vor Ort wird für
Verpflegung
vom Grill und Getränke gesorgt sein. Ein allfälliger Gewinn
fliesst in
ein Antifa-Projekt.
Mehr zum Kubb-Spiel erfahrt ihr z.B. unter: http://www.kubbaner.de oder
immer mal wieder auf dem Vorplatz der Reitschule (wo mensch auch
fleissig üben kann).
Cu on the Rasen
euer Kubb-Cup-Komit
ee
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ANTIFA
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Indymedia 12.7.09
Trailer zum 9. Antifa-Abendspaziergang in Bern ::
AutorIn : BAgR
Nur noch 77 Tage bis zum 9.Antifaschistischen Abendspaziergang in Bern!
Trailer:
http://www.youtube.com/watch?v=dTZc3WeVHWI
Cu on the streets!
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SCHNÜFFELSTAAT
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NZZ 13.7.09
Feuilleton (fe)
Die seltsame Hinterlassenschaft des helvetischen Staatsschutzes
Vor zwanzig Jahren erschütterte die Fichen-Affäre die
Schweizer Öffentlichkeit - Streifzüge durch ein kurioses
Archiv
Von Roman Bucheli
1989 deckte eine parlamentarische Untersuchungskommission auf,
dass
die Bundesanwaltschaft Hunderttausende politisch aktive Bürger
überwacht hatte. Die damals entdeckten Akten lagern im
Schweizerischen
Bundesarchiv. Wer sie einsehen möchte, braucht Geduld.
Lediglich einen kräftigen Steinwurf entfernt vom
Schweizerischen
Literaturarchiv in Bern liegt das trutzige, 1899 errichtete
Gebäude des
Schweizerischen Bundesarchivs. Während in dem auf Anregung von
Friedrich Dürrenmatt entstandenen Literaturarchiv mittlerweile
eine
beachtliche Zahl an Vor- und Nachlässen von Schweizer Autorinnen
und
Autoren aufbewahrt wird, findet im Bundesarchiv eine letzte
Ruhestätte,
was in der Bundesverwaltung an Akten produziert und für historisch
relevant angesehen wird. Seit vor zwanzig Jahren im Zuge der
Fichen-Affäre auch die gesammelten Akten des Schweizer
Staatsschutzes
zur Aufbewahrung ins Bundesarchiv kamen, dämmert hier ein
kulturpolitisches Gedächtnis ganz eigener Art vor sich hin. Kein
Historiker hat es bisher in seiner Unerschöpflichkeit und
Unzugänglichkeit auszuloten vermocht.
Unter den mehreren hunderttausend Fichen fand sich eine grosse
Zahl zu
Persönlichkeiten aus dem kulturellen Leben der Schweiz:
Schriftsteller,
Intellektuelle, Künstler. Einige erschreckend spektakuläre
Dossiers
haben damals Betroffene selber öffentlich gemacht. Das meiste aber
blieb bis heute verborgen. Unbeantwortet blieb darum auch die Frage:
Was wusste der Staatsschutz von den Schriftstellerinnen und
Schriftstellern dieses Landes? Was war auf den Fichen verzeichnet und
in den Dossiers festgehalten, was in den im Literaturarchiv
aufbewahrten Nachlässen vielleicht ganz andere Spuren hinterlassen
hat?
Ein Schattenarchiv?
Zwanzig Jahre nach dem Bekanntwerden dieser flächendeckenden
Observation durch den Schweizer Staatsschutz hat sich die
anfängliche
Empörung in Desinteresse verwandelt. Darum mag es sinnvoll sein,
noch
einmal in die finsteren Gründe dieser Ereignisse hineinzuleuchten
und -
sine ira et studio - die Kartografie dieses innenpolitischen
Misstrauens in ihren schriftlichen Hinterlassenschaften zu untersuchen.
Mit anderen Worten oder noch einmal anders gefragt: Könnte es
sein,
dass die beiden topografisch nah gelegenen, ideell aber radikal
verschiedenen Archive, hier das Bundesarchiv, dort das Literaturarchiv,
gleichsam komplementär das Leben der registrierten Personen
dokumentieren? Stellt das Bundesarchiv ein abstruses Schattenarchiv
dar, das die Bestände des Literaturarchivs um biografische
Einzelheiten
aus Telefonabhörungen oder Observationsprotokollen ergänzen
könnte?
Aus verschiedenen Quellen weiss man, dass der Staatsschutz
unendlich
viel und doch vielfach nur das Falsche von einzelnen Bürgern
wusste.
Eine anekdotische Reminiszenz erhellt vielleicht deutlicher als alles
andere die dilettantische (wenngleich darum nicht harmlose) Praxis des
helvetischen Überwachungsstaates. Kaum ein Autor wurde so strikt
observiert wie Daniel de Roulet. Er hat davon in einem seiner
Bücher
anschaulich und mit vielfachen Belegen berichtet. Nichts scheint den
Behörden in dieser politisch bewegten Vita entgangen zu sein.
Dennoch
vermochte der Politaktivist de Roulet 1975 das oberhalb von Gstaad
gelegene Ferienhaus von Axel Springer in Brand zu stecken, ohne dass
ein Verdacht auf ihn gefallen wäre.
Das Beispiel bestätigt, was sich auch einem
unvoreingenommenen Blick
in ausgewählte Staatsschutzakten darbietet: ein gespenstisches
Bild der
Belanglosigkeit. Dass auch solche Banalität nicht ohne
Heimtücke ist,
davon erzählen freilich vereinzelte Beispiele von massiven Ein-
und
Übergriffen in die bürgerliche Existenz: Wiederholt kam es zu
Entlassungen aus dem Bundesdienst wegen unliebsamer politischer
Tätigkeiten, oder Anstellungen wurden vereitelt, ohne dass die
Betroffenen die Hintergründe ahnten.
Irrelevant war jedoch vieles, was im Namen des Staatsschutzes
über
Jahrzehnte mit Bienenfleiss auf Fichen und in Dossiers zusammengetragen
worden ist; umso unergiebiger sind die Papiere als Quelle für
unsere
Fragestellung. Und nicht immer ist zu entscheiden, ob hinter einer
naiven nachrichtendienstlichen Erkenntnis die schiere Boshaftigkeit
steckt - oder die unerschrockene Dummheit. Was mochte sich
beispielsweise jener Beamte gedacht haben, der auf der Karteikarte des
Schriftstellers und Psychiaters Walter Vogt rechts oben ein grosses
Kreuz hingemalt und das Todesdatum des Autors hinzugesetzt hatte: "R.
I. P. 21. 9. 1988". Schwierig zu sagen, ob sich hinter einem solchen
Eintrag Zynismus oder maliziöse Genugtuung versteckt. Die letzte
Notiz
auf Walter Vogts Fiche lautet im Übrigen: "26. 9. 88 Aktion Ma:
Visumert. an LOHSE Jens 64. Teilnahme an der Beerdigung von V. 7 Tage."
Ähnlich bizarr sind die Einträge auf Max Frischs Fiche.
Unter dem 30.
Dezember 1970 liest man die Kurzfassung einer Telefonabhörung:
"aus TAB
8635: BRETSCHER Walter 38 verlangt F. und unterhält sich mit ihm
über
die autonome Zürcher Jugend, sowie über das Ultimatum des
Stadtrates
betr. Schliessung des Bunkers". Vier Jahre später ein weiterer
Eintrag
aus einer Telefonabhörung: "PINKUS Theodor 09 teilt den Eheleuten
F.
mit, dass sich MARCUSE Herbert 98 gerne mit ihnen treffen möchte.
Er
weilt bei PINKUS zu Besuch."
Mit solchen Erkenntnissen wird auch der Staatsschutz kaum etwas
anzufangen gewusst haben, um wie viel weniger können wir heute von
solchen willkürlich zusammengetragenen Fragmenten in guten Treuen
Erhellendes erwarten. Doch nicht nur die Dürftigkeit des Materials
macht die (zugegeben: abstruse) Hoffnung zunichte, die nachgelassenen
Papiere im Literaturarchiv mit Einsichten aus den Akten des
Staatsschutzes ergänzen oder erweitern zu wollen.
Fichen und Dossiers
Auch die Unzugänglichkeit des Materials, die ihm ebenso
inhärent ist
wie seine Unzulänglichkeit, erschwert die Recherche, wenn sie sie
nicht
sogar gänzlich verunmöglicht. Es ist dies eine Folge der
Systematik in
der Aktenführung durch die politische Polizei. Die
personenbezogenen
Fichen enthielten in den meisten Fällen lediglich kurze
Zusammenfassungen umfangreicherer Akten: Protokolle von
Telefonabhörungen, Berichte von kantonalen oder städtischen
Dienststellen, Aktennotizen von Aussendienst-Mitarbeitern. Solche
Dokumente wurden in Dossiers abgelegt; auf sie verwies ein Aktenvermerk
auf der Fiche. Die Fiche diente damit zweierlei: Sie gab einerseits
einen kurzen Überblick über die aktenkundigen Vorfälle
und war
anderseits ein Findmittel für die den Einträgen
zugrundeliegenden
Papiere. Wer daher heute den gesamten, für eine Person relevanten
Aktenbestand einsehen möchte, muss zu fast jedem Eintrag auf der
Fiche
das dazugehörige Dokument aus dem Archiv anfordern.
Alle im Zuge der Fichenaffäre ins Bundesarchiv gelangten
Akten
unterliegen zudem einer 50-jährigen Schutzfrist. Wer Einsicht
nehmen
möchte, muss ein Gesuch an das Eidgenössische Justiz- und
Polizeidepartement (EJPD) richten. Jedoch gibt es kein
Gesamtverzeichnis der fichierten Personen. Darum muss also
zunächst
beim Bundesarchiv nachgefragt werden, ob zu Herrn N. oder Frau W. eine
Fiche existiert. Ist der Bescheid positiv, kann ein Einsichtsgesuch
gestellt werden. Die Behandlung eines Gesuchs beansprucht
unterschiedlich lang. Die Wartezeit kann gut und gerne ein paar Wochen
dauern. Hat man dann die Fiche in der Hand, sieht man gerade einmal das
Skelett der Aktenspuren, die eine Observation hinterlassen hat. Nun
gilt es, Einsichtsgesuche zu stellen für die der Fiche
zugrundeliegenden Akten - und abermals zu warten.
Solcherart sind zunächst einmal die Hürden, die sich
vor dem
Forschenden aufbauen. Nicht zu unterschätzen ist zugleich die
Vergesslichkeit und bisweilen auch eine gewisse Unkenntnis der
Archivare. Zwar pflegt man im Bundesarchiv in Bern eine geradezu
rührende Hilfsbereitschaft. Aber selbst einfachste Fragen nach der
Struktur der Aktenablage werden falsch oder ungenau beantwortet, so
dass aus dem bürokratischen Hindernislauf schnell einmal ein
vergebliches Stochern im aufgewirbelten Aktenstaub wird.
Schliesslich hat man es auch mit der föderalen Willkür
zu tun. Da der
Staatsschutz durchaus dezentral geführt und im Übrigen
schlecht
vernetzt war und Akten also beim Bund, aber auch in den Kantonen und
Städten angelegt und gesammelt wurden, müsste eine Recherche
nicht nur
das Bundesarchiv, sondern auch Kantons- und Stadtarchive
berücksichtigen, um das Gesamtbild einer personenbezogenen
Observation
wiederherstellen zu können. Dem steht entgegen, dass nicht in
allen
Kantonen und Städten wie beim Bund die Akten vollständig
archiviert
worden sind. Ausserdem ist auch die Praxis der Einsichtnahme
unterschiedlich geregelt.
Im Kanton Zürich konnte der Staatsarchivar lediglich eine
Auswahl aus
den Akten treffen, ehe alles andere vernichtet wurde. Was jedoch im
Zürcher Staatsarchiv eingelagert wurde, unterliegt einer
80-jährigen
Schutzfrist. Seit die Akten hier eingeliefert worden sind, hat sie kein
Historiker zu Gesicht bekommen. Und selbst wenn einem allfälligen
Einsichtsgesuch stattgegeben werden sollte, so wäre es, das
versichert
Hans Ulrich Pfister, der stellvertretende Staatsarchivar im Kanton
Zürich, schwierig, die Akten sinnvoll zu nutzen. Denn nicht nur
wurde
das Material umfangmässig stark reduziert, sondern zusätzlich
wurden
die Findmittel (also die Registraturen) der Polizei seinerzeit
unbrauchbar gemacht.
Eine Vorgeschichte
Als im November 1989 die vom späteren Bundesrat Moritz
Leuenberger
geführte Parlamentarische Untersuchungskommission die Praxis der
massenweisen Überwachung publik machte, löste dies im Land
einen Sturm
der Entrüstung aus. Darob ging in Vergessenheit, dass die
Tätigkeit des
Staatsschutzes wiederholt auf Argwohn gestossen war. Als Präsident
der
Geschäftsprüfungskommission (GPK) war Moritz Leuenberger
bereits im
Frühjahr 1987 im EJPD auf die Akten der politischen Polizei
aufmerksam
geworden, wie Georg Kreis in seiner Untersuchung "Staatsschutz in der
Schweiz" 1993 dargelegt hat. Die GPK bat darauf um Aufklärung und
erhielt den Bescheid, dass etwa 900 000 Fichen existierten, von denen
"ca. 800 000 als aktuell bezeichnet werden" können und rund ein
Viertel
Schweizer Bürger betreffen. Leuenberger war alarmiert, verlangte
weitere Auskünfte und inspizierte sogar die Bundesanwaltschaft.
Von
Bundesanwalt Rudolf Gerber erhielt die GPK die gewünschten
Informationen, darunter auch die Mitteilung, dass täglich rund 210
neue
Fichen hinzukämen. In der Schlussberatung der GPK gab darauf
Moritz
Leuenberger im November 1988 erstaunlicherweise dennoch zu Protokoll,
es bestünde "keine politische Opportunität" zu weiteren
Nachforschungen! Derweil müssten, sofern die Zahlen von
Bundesanwalt
Gerber stimmten, allein im Zeitraum dieser Untersuchung durch die GPK
fast 80 000 neue Fichen entstanden sein.
Indessen war der Staatsschutz schon früher immer wieder ins
Gerede
gekommen. So behaupteten etwa die "Voix Ouvrière" und der
"Vorwärts" im
Februar 1954 im Zusammenhang mit einer Debatte um die sogenannte
Verdächtigtenliste, dass selbst der 1947 verstorbene Georges de
Rougemont, Vater des Publizisten Denis de Rougemont und Schwiegervater
von Bundesrat Max Petitpierre, auf einer solchen Liste der im
Krisenfall zu internierenden Personen figurierte. Bundesrat Markus
Feldmann, Vorsteher des EJPD, bat darauf die Bundespolizei um
Abklärung. Diese ging der Sache nach, erkundigte sich auch bei der
Neuenburger Polizei und beschied Bundesrat Feldmann, dass die
Zeitungsberichte unzutreffend seien und Rougemont weder bei den
Dienststellen des Bundes noch des Kantons aktenkundig sei.
Der Vorgang jedoch führte zu einem paradoxen Ergebnis:
Mochte Georges
de Rougemont der politischen Polizei bis dahin nicht bekannt gewesen
sein, so geriet er nun - als Toter! - ins Visier der
Staatsschützer.
Die Nachfrage, ob eine Fiche über ihn bestehe, wurde zwar negativ
beantwortet, hatte aber zur Folge, dass er nun fichiert wurde. Im
gleichen Arbeitsgang wurde auch zu seinem Sohn Denis de Rougemont eine
Fiche angelegt.
Manchmal glaubt man darum, in ein Kuriositätenkabinett
geraten zu
sein. Man erfährt etwa aus den Akten, dass Hermann Burger im
Frühjahr
1985 von Westberlin aus das Gebiet Stettin/Neuruppin besuchen wollte,
dass sich Otto F. Walter am 1. Oktober 1986 in Solothurn im Hotel Krone
mit dem nordkoreanischen Botschaftsrat getroffen hatte und dass dem
Gespräch zwei weitere Asiaten beiwohnten, die sich jedoch nicht an
der
Diskussion beteiligten, oder dass Max Frisch am 20. Januar 1987 um 15
Uhr 15 in Bern einen Personenwagen mit dem Kennzeichen CD BE 2.73
verliess und sich nach dem Bahnhof begab.
Was uns heute unerheblich scheinen mag, mochte damals jedoch
für die
Betroffenen nicht vollends harmlos gewesen sein. Und weil mit dem
Material - das als historische Quelle von zweifelhaftem Ruf und Wert
ist - noch heute Unfug getrieben werden kann, ist die Frage nicht ganz
unberechtigt, welchem Forschungsinteresse denn diese Akten dienen
sollen. Zwar ist es Interventionen von Historikern zu verdanken, dass
National- und Ständerat 1992 beschlossen, die vom Bundesrat
anfänglich
geplante Vernichtung der Akten zu verhindern. Die Resonanz in der
Forschung ist bisher allerdings bescheiden geblieben.
Stoff für eine Satire
Gelegentlich treiben die Akten späte Blüten. Der
Zürcher
"Tages-Anzeiger" hat vor einiger Zeit aufgrund einer in
Dürrenmatts
Personaldossier gefundenen Aktennotiz die reisserische Frage
aufgeworfen, ob Dürrenmatt ein "begeisterter Fröntler"
gewesen sei. Es
wird sich denn immer wieder jemand finden, der aus einem Protokoll
einer nachrangigen Dienststelle - wie trüb die Quelle auch immer
sein
mag - vermeintlich eine überraschende Erkenntnis zu gewinnen
glaubt.
Niemand jedoch hat bisher das grotesk literarische Potenzial
erkannt
und ausgeschöpft, das in den massenhaften Protokollen der
Telefonabhörungen schlummert. Man stelle sich vor, Dürrenmatt
wären die
Mitschriften seiner Telefongespräche in die Hände gefallen:
F.: Sind Sie wieder zu Hause?
D.: Ja!
F.: Ich habe Ihnen noch nicht einmal gedankt für die schöne
Schreibmaschine!
D.: Ist sie gut?
F.: Wunderbar!
D.: Ich darf nur noch elektrisch schreiben!
F.: Ja? D.: Ja, wegen dem Herz!
F.: Ei! Und sonst, was treiben Sie so?
D.: Eben, ich komme heim und habe eine furchtbare Unordnung - hat das
geklappt mit der Bank?
F.: Ja - wegen dem Zins?
D.: Jawohl!
F.: Habe ich Ihnen noch nicht geschrieben?
D.: Nein!
F.: Hören Sie auf! Das ist ja allerhand!
Es müssen Tausende von Seiten mit solchen Dialogen sein, die
in den
Archiven darauf warten, dass ein Satiriker kommt und daraus ein
Theaterstück schreibt. Es vermöchte die Absurdität und
den Irrwitz, die
Tragödie und den stillen Schrecken, die Schatten und Abgründe
unserer
Geschichte gleichermassen auszuleuchten.
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Schwyzer Zeitung 13.7.09
Schwyzer Kantonspolizei
Schnüffeln gesetzlich geschützt
Die Observation, vertrauliche Quellen und verdecktes Ermitteln durch
die Polizei: Dies sind rechtlich heikle Bereiche der Polizeiarbeit.
Von Bert Schnüriger
Der Fernsehzuschauer kennt es aus den Krimis: Polizisten sitzen im Auto
vor einem Haus und beobachten, wer da ein- und ausgeht. In einem
anderen Fall unterhält sich der Detektiv in einem Hinterhof mit
einem
Spitzel. Oder eine junge Polizistin in Zivil macht pro forma im Fanclub
eines Sportvereins mit, um Randalierern auf die Spur zu kommen.
Observieren, Anzapfen vertraulicher Quellen und verdecktes Ermitteln
nennt sich all dies in der Fachsprache. Diese heiklen Bereiche
polizeilicher Tätigkeit sollen in Zukunft im Kanton Schwyz klar
geregelt werden. Sie stehen im Entwurf für eine erneuerte
Polizeiverordnung, der kürzlich veröffentlicht wurde.
Schon vor der Straftat
Zu Überwachungen, zu verdecktem Ermitteln oder zum Anzapfen
vertraulicher Quellen kann die Polizei von Untersuchungsrichtern
aufgefordert werden. Nämlich dann, wenn ein Strafverfahren
eröffnet
wurde. Allerdings sollte die Polizei auch aus eigener Ermächtigung
zu
diesen Mitteln greifen dürfen. Und zwar schon, bevor eine Straftat
begangen wurde. Darum will jetzt die Regierung in Anpassung ans neue
Strafrecht des Bundes diese Bereiche auch für die Kantonspolizei
geregelt haben (siehe Kasten unten).
Polizei im "Chatroom"
Der Regierungsrat schildert an einem Beispiel, warum dies notwendig
ist: "Die Polizeiverordnung kennt bislang keine entsprechende
Ermächtigungsnorm, die beispielsweise eine verdeckte polizeiliche
Beteiligung an der Kommunikation im Chat ermöglicht, um
künftige
Straftaten gegen die sexuelle Integrität von Kindern zu
verhindern."
Zudem sei der Umgang mit vertraulichen Quellen bisher weder im
polizeirechtlichen noch strafrechtlichen Bereich speziell geregelt.
"Dies gilt umso mehr, als IV-Stellen seit dem 1. Januar 2008 gesetzlich
ermächtigt sind, zur Bekämpfung des Versicherungsbetruges
Spezialisten
(qualifizierte Ermittlungsfirmen) beizuziehen. Sie suchen nach
Informationen und Verdachtsmomenten, damit die IV-Stelle eine
strafrechtliche Ermittlung gegen verdächtigte Versicherte
aufnehmen
kann."
Notwendig werden die neuen Paragrafen in der kantonalen
Polizeiverordnung auch, weil die heutige kantonale Strafprozessordnung
2011 durch eine eidgenössische abgelöst wird. Dort sind diese
Bereiche
anders geregelt. "Darum müssen wir diese Bereiche jetzt neu in
unsere
kantonale Polizeiverordnung schreiben", sagt Oberleutnant Hans Blum von
der Schwyzer Kantonspolizei.
Nun hat allerdings die Schwyzer Polizei schon bisher observiert,
vertrauliche Quellen angezapft oder verdeckt ermittelt. Auf welcher
gesetzlichen Basis? "So ausdrücklich geregelt war dies bisher
nirgends.
Wir betrachteten dies als unseren generellen Auftrag", sagt Blum.
Verjuristerei
"Für uns ist es normal, dass beispielsweise unser Küssnachter
Postenchef in zivil im Dorf die Ohren spitzte." Was bisher laut Blum
auch kaum rechtliche Schwierigkeiten mit sich brachte. Aber heute, im
Zeitalter des Datenschutzes und der zunehmenden Verjuristerei der
Gesellschaft sei dies "schon regelungsbedürftig geworden". An der
Arbeit der Polizei ändert die Neuregelung laut Blum nichts.
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Spiegel 13.7.09
EU-SICHERHEIT
"Big Brother" in Brüssel
Die EU-Kommission bereitet den Aufbau einer riesigen Zentralstelle zur
Datensammlung vor. Damit bekämen Polizei- und andere
Sicherheitsbehörden Zugriff auf Informationsbereiche, die ihnen
bislang
gesetzlich versperrt sind, warnen Datenschützer. Für
über 100 Millionen
Euro soll eine "Agentur für das Betriebsmanagement von
IT-Großsystemen
im Bereich Freiheit, Sicherheit und Justiz" errichtet werden,
umschreibt ein Kommissionspapier vom 24. Juni (2009/ 293 final) das
Vorhaben im nebulösen EU-Jargon. Diese neue Behörde soll
zunächst drei
große Datensammelstellen zusammenführen, die heute
unabhängig
voneinander arbeiten: das "Schengener Informationssystem" (SIS), das
vor allem Angaben über Personen sammelt, die zur Fahndung
ausgeschrieben sind; das "Visa-Informationssystem", das biometrische
Merkmale von Menschen aus Nicht-EU-Ländern speichert, die einen
Visumantrag zur privaten oder geschäftlichen Europareise gestellt
haben; und "Eurodac", ein elektronisches Register mit
Fingerabdrücken
von Asylbewerbern. Später sollen der Agentur weitere
Informationssammelstellen angegliedert werden. Gegen den Plan regt sich
nun Widerstand im Europäischen Parlament. "Eine solche gigantische
Menge unterschiedlicher Daten zu zentralisieren" mache nur Sinn,
fürchtet etwa der FDP-Datenschutzexperte im Europaparlament,
Alexander
Alvaro, "wenn man Profile von Menschen aufbauen will". Das
brächte, so
Alvaro, "amerikanische Verhältnisse nach Europa, die hier doch
angeblich niemand will". Hinter dem EU-Vorhaben stehen dagegen die
Innenminister etlicher Mitgliedsländer, insbesondere der deutsche,
Wolfgang Schäuble.
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RÜTLI
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NLZ 13.7.09
Annemarie Huber-Hotz
"Wir haben Sicherheit im Griff"
Die Rütlifeier soll künftig wieder ohne Tickets stattfinden.
Noch fehle
aber der Tatbeweis, sagt Präsidentin Annemarie Huber-Hotz.
Interview von Jürg Auf der Maur
Annemarie Huber-Hotz*, vor einem Jahr haben Sie alle Rechtsextremen
aufs Rütli geladen. Machen Sie das wieder?
Annemarie Huber-Hotz: Nach wie vor gilt für uns, dass alle auf dem
Rütli willkommen sind. Deshalb sagte ich damals, ich hätte
nichts
dagegen, wenn sie kommen. Allerdings nur, wenn sie sich, wie alle
anderen auch, anständig aufführen. Der zweite Satz
gehört eben auch
dazu, ging aber unter. Wir hätten gerne alle Leute auf dem
Rütli, aber
die Sicherheit und die Redefreiheit müssen gewährleistet sein.
Der Zugang zur 1.-August-Feier soll schon bald wieder für alle
offen sein?
Huber-Hotz: Das wäre unser Ziel. Bis jetzt fehlt aber der
Tatbeweis,
dass es möglich ist. Die Sicherheitslage wird von der
zuständigen
Polizei beurteilt, nd sie verlangt entsprechende Sicherheitsmassnahmen.
Wir haben nun einen Stand erreicht, wo wir sagen dürfen, dass die
Sicherheit immer wieder neu beurteilt wird und wir sie im Griff haben.
Das Ticketsystem ist akzeptiert, die Schifffahrtsgesellschaft macht
mit. Kurz: Wir haben ein gutes Einvernehmen mit allen Beteiligten, wir
haben auf dem Rütli Gäste und können wieder würdige
Feiern durchführen.
Daran wollen wir festhalten und das Ganze noch perfektionieren.
Beim Konzept haben Sie aber Abstriche gemacht. Von einer Frauen- oder
Familienfeier ist nicht mehr die Rede, und anstelle eines Bundesrates
spricht mit Peter von Matt ein Literaturkritiker.
Huber-Hotz: Mit einer Konzeptänderung hat das nichts zu tun. 2007
war
ein Ausnahmejahr, weil Bundesrätin Micheline Calmy-Rey zusammen
mit der
Nationalratspräsidentin Christine Egerszegi auf uns zukam. Beim
diesjährigen Konzept steht die Geschichte im Vordergrund: Vor 150
Jahren hat die Schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft (SGG)
beschlossen, das Rütli zu kaufen, und es 1860 der
Eidgenossenschaft und
damit dem Schweizer Volk geschenkt. Sie hat zusammen mit der Schweizer
Jugend das nötige Geld dafür gesammelt. Diese patriotischen
Taten gilt
es zu würdigen. Im Übrigen raten die Sicherheitskräfte
heute noch davon
ab, Neues oder Experimente zu machen. Daran halten wir uns. Es gilt, in
Fragen der Sicherheit das Courant normal zu perfektionieren.
Was wäre die perfekte Lösung?
Huber-Hotz: Dazu gehörte beispielsweise, dass alle unsere
Gäste wie
früher wieder von einer Schiffsstation ihrer Wahl aufs Rütli
gelangen
können oder dass das Ticketsystem nicht mehr nötig ist.
Vorläufig ist
das ein Wunsch, aber es ist ein langfristiges Ziel. Wir machen Jahr
für
Jahr Lagebeurteilungen. Im Herbst werden wir zum Beispiel über das
Konzept für das nächste Jahr beraten und darüber
entscheiden, wie die
Feier gestaltet und der Zutritt organisiert werden soll.
Und das heisst, dass vorläufig keine Politiker mehr als Festredner
auftreten?
Huber-Hotz: Die Frage unterstellt etwas Falsches. Das Problem auf dem
Rütli waren nicht die Politiker, die zu unseren Wunschrednern
gehörten,
sondern die Rechtsextremen. Aber in diesem und im kommenden Jahr, wenn
die SGG 200 Jahre alt wird, stehen historische Momente für das
Rütli
und unsere Gesellschaft im Vordergrund. Deshalb sind wir glücklich
und
stolz, mit Peter von Matt eine allseitig anerkannte Persönlichkeit
als
Redner gewonnen zu haben. Peter von Matt ist der profilierteste
Schweizer Professor, der sich mit der Geschichte und der Vergangenheit
unseres Landes intensiv beschäftigt hat. Mit der Westschweizer
Journalistin und Historikerin Joëlle Kuntz haben wir eine junge
Referentin gewinnen können. Sie liest und kommentiert aus
welscher
Sicht den Bundesbrief. Sie hat kürzlich eine erfrischende,
andere
Schweizer Geschichte in Buchform vorgelegt.
Sie sagen, auf dem Rütli habe man die Sicherheit nun im Griff. Sie
profitieren auch davon, dass sich die rechte und in ihrem Schlepptau
die linke Szene nach Sempach verschoben haben.
Huber-Hotz: Es wäre mir nicht recht, wenn wir auf Kosten von
Sempach
von einer Situation profitierten, deren Hintergrund ein allgemeines
gesellschaftliches Problem ist. Aber es ist wohl schon so: Die
Rechtsextremen suchen, wie alle anderen auch, die Aufmerksamkeit der
Öffentlichkeit. Die Frage ist einfach, mit welchen Mitteln.
Haben Sie einen Tipp für die Sempacher?
Huber-Hotz: Es gibt nichts anderes, als die Lage immer wieder zu
beurteilen und das Gespräch mit allen Beteiligten zu suchen.
Ist die Rütlidelegation jetzt im Dialog mit den Rechten?
Huber-Hotz: Nein, für uns ist das auch kein Thema. Wir haben das
Ticketsystem und klare Regeln. Wer aufs Rütli kommen will, kann
bei uns
ein Ticket bestellen. Für eine grössere Veranstaltung muss
der
Veranstalter bei uns ein Gesuch stellen.
Sie haben keine Angst, dass dieses Jahr etwas passiert?
Huber-Hotz: Ich hoffe es nicht.
Huber-Hotz wirbt für grösseren Bundesrat
Wir stehen vor einer Bundesratswahl. Das Vertrauen in die Regierung ist
im Tief. Braucht es Reformen?
Annemarie Huber-Hotz: Reformen sind immer wieder ein Thema. Seit es die
moderne Schweiz gibt, kommt es alle rund 20 Jahre zu solchen
Diskussionen. Es liegen also viele Reformvorschläge auf dem Tisch,
und
viele dieser Vorschläge haben etwas ausgelöst, in der Regel
aber nur
Minireformen. So wurde jeweils aus einer Regierungs- eine
Verwaltungsreform, indem etwa einzelne Ämter zwischen den
Departementen
neu aufgeteilt wurden.
Jetzt ist aber mehr nötig?
Huber-Hotz: Als vor rund acht Jahren wieder eine Regierungsreform
anstand, habe ich einen Vorschlag ausgearbeitet, der von Bundesrat
Pascal Couchepin kürzlich in einem Interview erwähnt wurde,
als die
Rede auf die neu in Gang gekommene Staatsleitungsreform kam. Meines
Erachtens sollte die Zahl der Bundesräte auf neun erhöht und
das
Bundespräsidium künftig für vier Jahre gewählt
werden. Der Bundesrat
soll aus acht Fachministern und -ministerinnen und einem
Bundespräsidenten oder einer Bundespräsidentin bestehen.
Da könnte man einwenden, dass Sie als FDP-Mitglied alles tun,
damit Ihre Partei zwei Sitze behält.
Huber-Hotz: Die Erhöhung der Mitgliederzahl des Bundesrates
hätte in
der Tat den positiven Nebeneffekt, dass die Sitze besser auf die
Parteien verteilt werden könnten. Man darf nicht vergessen, dass
sich
die Parteienstärken in den letzten 50 Jahren stark verändert
haben und
dass auch in der Schweiz wie im Ausland viele neue Parteien
dazukamen. Das ist das Resultat der Globalisierung. Nicht nur die Zahl
und die Komplexität der Probleme sind viel grösser als
früher, sondern
auch die Interessenvertretung ist vielfältiger. Mit neun
Bundesräten
hätten wir mehr Möglichkeiten.
Wo sehen Sie den Hauptvorteil einer Erhöhung?
Huber-Hotz: Departemente wie das Innere oder das Umwelt-, Verkehrs- und
Energie- und Kommunikationsdepartement sind viel zu gross. Im Ausland
sind dafür jeweils vier bis fünf Fachministerien
zuständig. Das zeigt,
dass das ein Bundesrat allein gar nicht mehr sinnvoll bewältigen
kann,
wenn man noch die Beanspruchung durch das Parlament dazunimmt. Mit
einer Aufstockung auf neun Bundesräte könnte die Arbeit
sinnvoller
aufgeteilt werden.
Mit neun Bundesräten wäre die Kommunikation noch viel
schwieriger.
Huber-Hotz: Das ist der entscheidende Punkt. Die Kommunikation muss
meines Erachtens besser geplant und umgesetzt werden, sie muss
kollegialer daherkommen. Genau das soll die Aufgabe des
Bundespräsidenten sein. Er müsste für eine einheitliche
Kommunikation
sorgen und sollte auch mit einem Weisungsrecht im Kollegium in Sachen
Kommunikation und Planung ausgestattet werden. Die Planung und die
Entwicklung von Strategien gehörten zu seinem Dossiers. Für
die
rechtzeitige Vorbereitung auf mögliche Krisen sowie die
Führung durch
Konflikte und Krisen müsste der Bundespräsident oder die
Bundespräsidentin die nötigen Schritte in die Wege leiten und
zusammen
mit dem zuständigen Fachministern und -ministerinnen angehen.
adm
* Annemarie Huber-Hotz (61) ist Präsidentin der Schweizerischen
Gemeinnützigen Gesellschaft, die das Rütli verwaltet. Von
2000 bis 2007
war die gebürtige Baarerin Bundeskanzlerin.