MEDIENSPIEGEL 18.3.10
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)
Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Kulturtipps (DS, Tojo)
- Wegweisungen BE: 438 im Jahr 2009
- Centralweg: Schützengraben Ahoi.
- Grosse Schanze: Event Stadtstrand
- RaBe-Info 17.3.10
- Zwischengeschlecht: Interpellation Genitaloperationen
- Sexwork FR: Doch Meldepflicht
- Ernährungssouveränität: Rüebli-Abos
- Ausschaffungs-Tod in Zürich
- Ausschaffungs-Initiative: Rassistische Konstruktionen
- PNOS: Indiziert-Sänger will in Grossen Rat
- Genf ganz Rechts: Mouvement Citoyens Genevois
- Kalkbreite ZH geräumt
- Antirep-Demo ZH: Her mit dem schönen Leben!
- Christen-Sekte gegen "Islamisierung"
- 10 Jahre Kino Lichtspiel
- 3. Halbzeit: Karin K.-S.; Hooligans AG
- Anti-Atom: Mühleberg Ver-Fahren; Beznau; Rätia
Energie
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REITSCHULE
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Do 18.03.10
19.30 Uhr - Grosse Halle - Blinde Insel Küche: Bio
Hof Heimenhaus, Text: Johanna Lier "Lagos"
20.30 Uhr - Kino - Dok am Donnerstag: Space Tourists,
Christian Frei, CH 2009
22.00 Uhr - Rössli-Bar - Heu, Stroh und Hafer. Sonax
400 (live) (midilux, festmacher / be); Sarna (nice try records / zh)
Racker (midilux, festmacher / be). Style: Minimal / Techno / House
Fr 19.03.10
19.00 Uhr - Tojo - "do you get me?" ein Popmusical des
Singtheaters Musikschule Konservatorium Bern. Regie: Katharina Vischer
19.30 Uhr - Grosse Halle - Blinde Insel Küche: Bio
Hof Heimenhaus, Text: Johanna Lier "Lagos"
21.00 Uhr - Kino - Migration - Leben in der Fremde:
Yasmin, Kenny Gleenan, D/GB 2004
23.00 Uhr - Dachstock - Waxolutionists (Sunshine
Enterprises/Supercity/A) live! & TBA!!! Style: Hiphop, Electronica
Sa 20.03.10
19.30 Uhr - Grosse Halle - Blinde Insel Küche: Bio
Hof Heimenhaus, Text: Johanna Lier "Lagos"
19.00 Uhr - Tojo - "do you get me?" ein Popmusical des
Singtheaters Musikschule Konservatorium Bern. Regie: Katharina Vischer
21.00 Uhr - Kino - Migration - Leben in der Fremde:
Einspruch I-V, Rolando Coppola, CH 1999-2007. Nem-Nee - Asylrecht,
Charles Heller, Schweiz 2005
22.00 Uhr - Dachstock - Wild Wild East: RotFront (Essay
Recs/D) & Gypsy Sound System (CH). Style: Emigrantski Raggamuffin,
Gypsy Disco
23.00 Uhr - Frauenraum - Anklang - Streifzüge:
Berybeat (Bärn), Auf Dauerwelle (Züri), Miss Melera
(Holland). Für lesbisch-schwules & sonstig-tolerantes Volk
So 21.03.10
15.00 Uhr - Tojo - "do you get me?" ein Popmusical des
Singtheaters Musikschule Konservatorium Bern. Regie: Katharina Vischer
Infos: http://www.reitschule.ch
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Bund 18.3.10
Waxolutionists
Schlurfiger Hip-Hop
Dass die Wiener einen Hang zur Schlurfigkeit besitzen, ist
bekannt. Die Gruppe Waxolutionists bringt diese Schlurfigkeit seit mehr
als zehn Jahren in den Hip-Hop ein und hat ihr Wirkungsgebiet
mittlerweile bis nach Übersee ausgedehnt. Die Beats des Trios
hinken der Eins immer ein bisschen hinterher, und die analogen
Synthesizer blubbern elastisch zwischen entspanntem Sprechgesang. (ane)
Dachstock Reitschule Freitag, 19. März, 22 Uhr.
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Bund 18.3.10
"Poland Polas".
Man liest den Text ab und schüttet seine Leidenschaft
ins Mikrofon: Das ist Karaoke. Die Basler Regisseurin Sarah-Maria
Bürgin hat während eines Polen-Aufenthalts Interviews
geführt und giesst diese nun mit ihrer Formation poe:son in das
Stück "Poland Polas", in dem das Dokumentarische mit der Sehnsucht
des Karaoke versüsst wird. (reg)
Tojo-Theater Reitschule Mittwoch, 24. März, 20.30
Uhr. Weitere Vorstellungen: Freitag, 26., und Samstag, 27. März.
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WEGWEISUNGEN BE
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Bund 18.3.10
In Bern werden wieder mehr Leute weggewiesen
Letztes Jahr hat die Polizei in der Stadt Bern 438
Wegweisungen verfügt. Dies sind 59 mehr als im Vorjahr.
Bernhard Ott
Erstmals seit drei Jahren ist die Zahl der Wegweisungen in
der Stadt Bern im letzten Jahr wieder gestiegen: Nach Angaben der
Direktion für Sicherheit, Umwelt und Energie (SUE) hat die Polizei
in 438 Fällen Personen von öffentlichen Orten weggewiesen. Im
Jahr 2008 waren es 379 Wegweisungsverfügungen. Laut kantonalem
Polizeigesetz kann die Polizei Personen vorübergehend von einem
Ort wegweisen, wenn der "begründete Verdacht" besteht, dass sie
die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährden oder
stören. Seit einem Bundesgerichtsurteil im Jahr 2006 ist diese
Praxis rechtlich etabliert. Politisch ist sie in der Stadt Bern aber
nach wie vor ein heikles Thema.
Kantonspolizei äussert sich nicht
Gemeinderat Reto Nause (cvp) will die Zunahme nicht
überbewerten. Wegen des Umbaus des Bahnhofplatzes und der Euro sei
2008 ein besonderes Jahr gewesen. Die Bauarbeiten beim Bahnhof und die
erhöhte Polizeipräsenz rund um das Fussballfest hätten
die Wegweisungszahlen übermässig sinken lassen. "2009 sind
wir zahlenmässig wieder im Bereich der vorhergehenden Jahre", sagt
Nause. Ob die Polizei mehr Drogendealer oder mehr Randständige
weggewiesen hat, kann der Sicherheitsdirektor nicht sagen und verweist
diesbezüglich auf die Kantonspolizei. Diese will auf Anfrage
jedoch nicht Stellung nehmen. Sprecherin Ursula Stauffer Hodel verweist
auf die Zahlen der nationalen Kriminalstatistik, die Anfang
nächster Woche veröffentlicht werden. Die Kantonspolizei
werde sich erst dann zu statistischen Fragen äussern, sagt
Stauffer Hodel.
Brennpunkt Heiliggeistkirche
Sicherheitsdirektor Nause weist aber auf einen weiteren
Grund für die Zunahme der Wegweisungen im letzten Jahr hin. "Im
Bereich Heiliggeistkirche hat der Gemeinderat Ansammlungen von 30 bis
40 Personen nicht tolerieren wollen." Die Stadtregierung habe die
Polizei daher wiederholt angewiesen, an diesem Ort Präsenz zu
markieren. Die gezielten Kontrollen hätten die Zahl der
Wegweisungen in die Höhe schnellen lassen, sagt Nause.
Für den Gemeinderat ist die Wirksamkeit der
Wegweisungspraxis nach elfjähriger Anwendung in der Stadt Bern
erwiesen. "Dank den Wegweisungen konnte die Situation in und um den
Bahnhof entschärft werden." Die Wegweisungspraxis sei heute ein
anerkanntes Instrument in der Polizeiarbeit, sagt Nause.
Stadtrat Hasim Sancar (gb) ist da anderer Meinung. Das
Grüne Bündnis (GB) steht der Wegweisungspraxis seit jeher
skeptisch gegenüber. "Auch die 379 Wegweisungen im Jahr 2008 sind
zu viel." Die Leute vor der Heiliggeistkirche seien schliesslich ja
keine Kriminelle. Und für Drogendealer gebe es die Bestimmungen
des Strafrechts. Der Ärger Sancars gilt auch der
Informationspolitik von Kantonspolizei und Gemeinderat. "Die
Kantonspolizei sagt nichts und der Gemeinderat weiss nichts - das sind
nun die Folgen der Kantonalisierung der Polizei", sagt Sancar.
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PLATZ-FRAGE(N)
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Bund 18.3.10
Centralweg Lorraine: "Auto, Velo oder Natur"
Nach der Räumung des Geländes am Centralweg
durch die Stadttauben wird intensiv über die künftige Nutzung
verhandelt.
Bernhard Ott
Wo bis letzten Samstag noch die Wohnwagen der Stadttauben
standen, ist heute eine Baustelle. Das Gelände am Centralweg in
der Lorraine wurde mit schweren Maschinen umgegraben. Es ist wieder
eingezäunt. "Wir wollen eine erneute Besetzung des
Grundstücks verhindern", sagt der städtische
Liegenschaftsverwalter Fernand Raval. Es sei nach wie vor das Ziel der
Stadt, 2011 mit den Arbeiten für den Bau eines Gebäudes mit
15 Wohnungen zu beginnen. Die Übergangsnutzung sei Gegenstand von
Gesprächen, welche die Stadt mit der Quartierkommission Dialog
Nordquartier und mit dem Lorraine-Breitenrain-Leist führe.
Gemeinderätin Barbara Hayoz (fdp) sprach jüngst von der
Errichtung eines Spielplatzes oder einer Brätlistelle.
Gerüchteweise verlautete, die Stadt wolle das Grundstück mit
einem Weidenwald bepflanzen. Raval will diese Aussagen nicht
eingehender kommentieren. "Der Weidenwald ist nach wie vor eine
Option." Auch eine öffentliche Nutzung des Terrains sei nach wie
vor möglich, sagt Raval.
Öffentliche oder private Nutzung?
Erste Verhandlungen in Sachen Centralweg sind bereits
gestern Abend geführt worden. "Man hat eine Auslegeordnung
gemacht", sagt Yves Robert, der als Vertreter der Quartierkommission
Dialog Nordquartier an der Sitzung zugegen war. Der Dialog als
offizielle Quartiervertretung habe aber nicht die Aufgabe,
Nutzungsideen zu entwickeln. "Der Dialog ist an einer Lösung
interessiert, die von einer Mehrheit der Lorraine-Bewohner
befürwortet wird", sagt Robert.
Die Vorstellungen in der Lorraine sind allerdings
unterschiedlich. Edwin Stämpfli vom Lorraine-Breitenrain-Leist
möchte das Grundstück wieder an die vorherige Nutzerin, die
Garage Alcadis, vermieten, damit diese eine Ausstellungsfläche
für Autos einrichten kann ("Bund" vom 11. März). Der Verein
Läbigi Lorraine (VLL) hingegen, der sich einst vergeblich für
einen Quartiertreff in den mittlerweile abgerissenen Gebäuden der
Garage Alcadis ausgesprochen hatte, tritt für eine
öffentliche Nutzung des Geländes ein. Laut VLL-Vertreterin
Catherine Weber standen an der gestrigen Sitzung die Nutzung durch eine
Firma, eine Brache mit Tümpel und Aufschüttungen oder die
Einrichtung einer BMX-Velorennbahn für Kinder zur Debatte. "Auto,
Velo oder Natur ist die Frage", sagt Weber. Der letzte Entscheid
obliegt der Stadtverwaltung.
Was immer auf dem Gelände passieren wird - es
könnte zu einer längeren Zwischennutzung kommen. Laut
verschiedenen Quellen dürfte der von der Liegenschaftsverwaltung
genannte Baubeginn 2011 kaum einzuhalten sein. "Bekanntlich wird das
Gelände bis 2012 nicht bebaut werden", heisst es etwa in einer
Mitteilung der Wohnbaugenossenschaft Q-Hof Lorraine. Die Fläche
dürfe nicht als Hundeklo enden, hält die Genossenschaft fest.
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GROSSE SCHANZE
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Thuner Tagblatt/BZ 18.3.10
Wie die Grosse Schanze vom Unort zur Partymeile werden soll
Diesen Sommer soll auf der Grossen Schanze in Bern die
Post abgehen: Neben dem bereits bekannten Stadtstrandprojekt plant eine
weitere Eventagentur ebenfalls einen Strand auf der Schanze.
Mittendrin: das Open-Air-Cinema.
Wie erst jetzt bekannt wurde, planen im Sommer gleich zwei
Eventagenturen auf der Grossen Schanze Strände. Zum einen die
Luzerner Eventagentur City-Beach AG, die mit ihrem Berner Partner Remo
Neuhaus auf der Einstein-Terrasse Pool, Palmen, Liegestühle und
Gastrobetrieb aufstellen will (wir berichteten). Auf der anderen Seite
der Schanze, bei SBB-Personalrestaurant und Lebensbrunnen, plant die
Hilterfinger Concent Concert& Event GmbH ihr Projekt
"Summer-Beach". Geschäftsführer Beat Hofer verrät mit
Verweis auf das laufende Bewilligungsverfahren keine Details. Hofer
hatte das Projekt bereits im Januar 2009 bei den Grundeigentümern
eingereicht. Weil aber die Zeit bis zum Sommer zu knapp war, habe man
das Projekt auf Eis gelegt. Die Concent Concert&Event GmbH
führe laut Hofer seit 1999 Strandevents in der Schweiz durch.
Mit der City-Beach AG könne auch er auf einen
erfahrenen Partner setzten, sagt Remo Neuhaus. Das Unternehmen betreibe
bereits in Luzern, Basel und Zürich Stadtstrände. Auch
Neuhaus will schon seit einigen Jahren in Bern einen Stadtstrand
einrichten. Für den Betrieb auf der Grossen Schanze gründet
er die City-Beach AG Bern - sofern die Behörden den Anlass
bewilligen. Laut Neuhaus beläuft sich das Budget dafür auf
eine halbe Million Franken.
"Sympathische Idee"
Das Bewilligungsverfahren ist allerdings kompliziert. Erst
müssen die Grundeigentümer Kanton und SBB sowie die Grosse
Schanze AG, die im Westen der Schanze ein Baurecht hat, grünes
Licht für die Strände geben. Danach müssen der
Regierungsstatthalter und die Stadt Bern den Events zustimmen. Derzeit
liegen die Strandprojekte beim Kanton. Dort gibt man sich
aufgeschlossen: "Wir finden die Idee sympathisch und sind bereit,
unsere Zustimmung zu geben", sagt Christian Albrecht,
Generalsekretär der kantonalen Bau-, Verkehrs- und
Energiedirektion. "Dies allerdings nur dann, wenn die Events den
Unibetrieb nicht beeinträchtigen." Abzuklären sei zudem, ob
die Konstruktion der Einstein-Terrasse die Belastung von Pool, Sand und
Gastrobetrieb aushalten würde.
Positiv äussert sich auch der städtische
Sicherheitsdirektor Reto Nause. Er steht grundsätzlich beiden
Strandprojekten wohlwollend gegenüber - falls diese den Unibetrieb
nicht störten. Hans Wirz, Geschäftsführer der Grosse
Schanze AG, hat ebenfalls keine Einwände gegen den Summer-Beach
der Concent Concert&Event GmbH. Dazu müsste auch die SBB ihren
Segen geben, weil ihr ein Teil dieses Bodens gehört. "Wir wurden
noch nicht angefragt", erklärt SBB-Sprecher Reto Kormann.
Skepsis beim Open-Air-Kino
Ebenfalls nicht kontaktiert wurde die Cinerent Open-Air
AG. Sie betreibt das Orange-Cinema, das vom 29.Juli bis am 29.August
auf der Grossen Schanze und damit im Sandwich zwischen den
Stränden stattfindet. Cinerent will nun genau prüfen, welche
Auswirkungen die Pläne der allfälligen Nachbarn auf den
Kinobetrieb haben.
Andrea Sommer
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Hotelrevue 18.3.10
Dolce Vita
Die Chancen für "City-Beach" in Bern stehen gut
In Bern ist auf der grossen Schanze von Anfang Juni bis
Ende August ein Stadtstrand mit Sand, Bassins, Palmen,
Liegestühlen und Bar geplant. Nachdem Barbara Egger-Jenzer,
Vorsteherin der bernischen Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion (BVE),
dem Projekt mit der Bedingung, dass der Universitätsbetrieb nicht
gestört werde, zugestimmt hat, gab nun auch die Universität
Bern ihr Placet. Nun ist ein Gesuch bei der Gewerbepolizei hängig.
Die Firma City-Beach hat bereits in vier anderen Schweizer Städten
künstliche Strände eingerichtet.
os
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RABE-INFO
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Mi. 17. März 2010
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_17._Maerz_2010_.mp3
- Tamilischer Volksrat: Tamilen in der Schweiz wollen eine
Volkvertretung
- "Zimmer 202": Filmportrait des Schweizer Schrifstellers Peter
Bichsel
- Regierungsratswahlen 2010: BDP-Kandidatin Beatrice Simon
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ZWISCHENGESCHLECHT
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zwischengeschlecht.info 18.3.10
http://zwischengeschlecht.org
Menschenrechte auch für Zwitter!
P R E S S E M I T T E I L U N G
presse@zwischengeschlecht.info
+41 (0)76 398 06 50
Interpellation kosmetische Genitaloperationen im Inselspital Bern
Die Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org freut sich sehr,
dass heute Donnerstag, 18. März, von Margreth Schär (SP) und
Corinne Schärer (Grüne) im Grossen Rat Bern ein politischer
Vorstoss zugunsten von Zwittern eingereicht wird.
Den Text der Interpellation finden Sie untenstehend in dieser
Mail.
>>> Interpellation als PDF
http://blog.zwischengeschlecht.info/public/Interpellation_Bern.pdf
Informationen zur Interpellation und zum nach wie vor
unbeantworteten Offenen Brief von Zwischengeschlecht.org an das
Inselspital Bern:
>>> Kosmetische Genitaloperationen an Kindern im
Inselspital Bern
http://blog.zwischengeschlecht.info/post/2010/03/17/Do-18.3.10%3A-Politischer-Vorstoss-betreffend-kosmetische-Genitaloperationen-an-Kindern-im-Inselspital-Bern
Die Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org fordert ein
Verbot von kosmetischen Zwangsoperationen an Kindern und
"Menschenrechte auch für Zwitter!". Betroffene sollen später
selber darüber entscheiden, ob sie Operationen wollen oder nicht,
und wenn ja, welche.
Freundliche Grüsse
n e l l a
Daniela Truffer
Gründungsmitglied Menschenrechtsgruppe
Zwischengeschlecht.org
Gründungsmitglied Schweizerische Selbsthilfegruppe
Inters*x.ch
Mitglied Inters*xuelle Menschen e.V.
Mitglied XY-Frauen
Mobile +41 (0) 76 398 06 50
presse@zwischengeschlecht.info
http://zwischengeschlecht.org
Regelmässige Updates: http://zwischengeschlecht.info
Interpellation
Margreth Schär SP
Corinne Schärer Grüne
Kosmetische Genitaloperationen bei Kindern mit "uneindeutigen"
körperlichen Geschlechtsmerkmalen
Etwa jedes 2000. Neugeborene kommt mit "uneindeutigen"
körperlichen Geschlechtsmerkmalen auf die Welt. Die betroffenen
Menschen selbst bezeichnen sich als Zwischengeschlechtliche,
Hermaphroditen, Zwitter oder Intersexuelle. Der aktuelle medizinische
Fachbegriff lautet DSD = Disorders of Sex Development = Störung
der Geschlechtsentwicklung.
Intersexuelle sind nicht per se krank. Trotzdem werden sie als
"abnormal" klassifiziert und zum medizinisch-chirurgischen Notfall
erklärt. Ohne ihre Einwilligung werden sie meistens im Kindesalter
an ihren intersexuellen Genitalien operiert und dabei, der
chirurgischen Einfachheit halber, meistens zu Mädchen gemacht.
Dabei wird in Kauf genommen, dass ihr sexuelles Empfinden vermindert
oder zerstört wird. Diesen Operationen liegen keine medizinischen
Indikationen zugrunde, es handelt sich um rein kosmetische Eingriffe.
Zusätzlich werden viele ohne ihre Einwilligung kastriert,
das heisst, es werden ihnen die in der Regel gesunden, Hormon
produzierenden inneren Geschlechtsorgane entfernt, was eine lebenslange
Substitution mit körperfremden Hormonen zur Folge hat. Auch diese
Kastrationen haben meistens keine medizinische Indikation, sondern
dienen lediglich der "Vereinheitlichung". Die Folgen dieser lediglich
auf das zugewiesene Geschlecht ausgerichtete Hormonersatztherapieen
sind unter anderem Depressionen, Adipositas, Stoffwechsel- und
Kreislaufstörungen, Ostheoporose, Einschränkung der
kognitiven Fähigkeiten und Libidoverlust. Wollen betroffene
Menschen auf eine adäquatere Hormonersatztherapie wechseln,
weigert sich die Krankenkasse, die Kosten zu übernehmen. Die
betroffenen Menschen und oft auch ihre Eltern werden über ihre
Besonderheit und die an ihnen vorgenommenen Eingriffe schlecht
informiert, um ihnen ihr wahres Geschlecht zu verheimlichen.
Die meisten Opfer dieser Praxis tragen massive psychische und
physische Schäden davon, unter denen sie ein Leben lang leiden.
Dies ist durch mehrere wissenschaftliche Studien erhärtet.
Fragen an den Regierungsrat
1. In welchen Spitälern im Kanton Bern werden kosmetische
Genitaloperationen, Kastrationen und / oder Hormontherapien an Kindern
mit uneindeutigen körperlichen Geschlechtsmerkmalen
durchgeführt?
2. Bei wie vielen Neugeborenen wird jährlich im Kanton Bern
Intersexualität (DSD) diagnostiziert? (Angaben bitte je Jahr in
absoluten Zahlen und Prozent, soweit zurückreichend wie
möglich)
3. Bei wie vielen dieser Kinder wurden kosmetische
Genitaloperationen durchgeführt? Die Gonaden entfernt?
Hormonbehandlungen durchgeführt? (Angaben bitte je Jahr in
absoluten Zahlen und Prozent, soweit zurückreichend wie
möglich)
4. In welchen Spitälern im Kanton Bern werden
pränatale Hormontherapien (Dexamethason) durchgeführt?
(Angaben bitte je Jahr, soweit zurückreichend wie
möglich)
5. Bei wie vielen Kindern wurden solche pränatalen
Hormontherapien (Dexamethason) durchgeführt? (Angaben bitte je
Jahr, soweit zurückreichend wie möglich)
6. Erhalten im Kanton Bern Eltern intersexueller Kinder
psychologische bzw. psychotherapeutische Betreuung? Wenn ja in welcher
Form? Peer Support?
7. Erhalten im Kanton Bern Intersexuelle begleitend zu
medizinischer Behandlung auch psychologische bzw. psychotherapeutische
Betreuung? Wenn ja in welcher Form? Peer Support?
8. Ist dem Regierungsrat bekannt, dass eine Vielzahl von
erwachsenen Intersexuellen die an ihnen im Kindesalter vorgenommenen
Eingriffe kritisiert?
9. Wie beurteilt der Regierungsrat die Praxis
frühkindlicher kosmetischer Genitaloperationen, Kastrationen,
Hormontherapien und sonstige medizinisch nicht notwendigen Eingriffe an
Kindern mit uneindeutigen körperlichen Geschlechtsmerkmalen?
18. März 2010
Margreth Schär
Corinne Schärer
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SEXWORK FR
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BZ 18.3.10
Gesetz zur Prostitution
Jetzt gilt doch die Meldepflicht
Die Prostituierten müssen sich nun doch bei der
Polizei registrieren lassen. Nach dem Schwenker des Staatsrates hat am
Mittwoch auch der Grosse Rat seine Meinung geändert: Ja zu einer
Meldepflicht für alle Prostituierten.
Einig war sich das Kantonsparlament, dass die
Sexanbietenden geschützt, aber die Zwangsprostitution und die
Ausbeutung bekämpft werden müssen. Über eine Stunde hat
der Rat gestern nochmals in zweiter Lesung darüber debattiert, ob
eine obligatorische Registrierung zum besseren Schutz der
Prostituierten beiträgt oder nicht.
Nachdem sich der Rat am Dienstag noch mit 46 zu 40 Stimmen
und 3 Enthaltungen für eine freiwillige Anmeldung ausgesprochen
hatte, kippte gestern das Ergebnis. Mit 51 zu 47 Stimmen entschied er
sich nun für eine Meldepflicht. Und dieses Ergebnis wurde in der
dritten Lesung gar mit 53 zu 42 Stimmen bei einer Enthaltung
bestätigt.
"Keine Schikane"
Vor allem in SVP-Kreisen war gestern ein vermehrtes Ja
für eine obligatorische Registrierung auszumachen, aber in allen
Fraktionen gab es Pro und Contra. Kommissionspräsidentin
Emmanuelle Kaelin Murith, die sich für eine Meldepflicht
starkgemacht hatte, betonte, dass in dieser heiklen Frage niemand die
Wahrheit für sich pachten dürfe. "Die Polizei kann nur
intervenieren, wenn sie das Milieu kennt", sagte Justizdirektor Erwin
Jutzet und wollte die Polizei mit jenen Mitteln ausstatten, die es ihr
erlauben, möglichst viele Informationen über das Milieu zu
erhalten. Er befürchtete, dass ohne Meldepflicht am Wochenende
schon bald Cars mit "leichten Mädchen" aus Rumänien und
Ungarn in Freiburg Halt machen.
Für Jutzet ist die Meldepflicht keine Schikane, zumal
nur die Sittenpolizei Zugang zu den Daten hat und diese auf ein Gesuch
hin gelöscht werden. Zudem riskieren die Prostituierten nur im
Wiederholungsfall eine Busse, wenn sie erwischt werden, ohne
registriert zu sein. FDP-Sprecherin Antoinette de Weck stellte fest,
dass in Genf und Zürich mit einer Meldepflicht die Zahl der
Prostituierten explosionsartig zunehme.
Gesetz verabschiedet
Das neue Gesetz über die Ausübung der
Prostitution wurde mit 77 zu 9 Stimmen bei 10 Enthaltungen
verabschiedet.
Das neue Gesetz sieht auch eine Bewilligung für
Personen vor, die Räumlichkeiten für die Prostitution zur
Verfügung stellen. Diese wird an strenge Auflagen punkto Hygiene
und Sicherheit geknüpft. Der Inhaber muss ein Register
führen, das Auskunft gibt über die Identität der
Prostituierten, die erbrachten Leistungen und die Höhe des
Mietzinses.
az/rgw
---
Bund 18.3.10
Sexgewerbe
Meldepflicht für Prostituierte im Kanton Freiburg
Prostituierte im Kanton Freiburg müssen sich
künftig bei der Polizei melden. Das freiburgische Kantonsparlament
sprach sich gestern definitiv für eine gesetzliche Meldepflicht
aus. Noch am Vortag hatte es danach ausgesehen, als ob sich die Gegner
durchsetzen könnten. Schliesslich sprachen sich 53 Räte
für die Meldepflicht von Prostituierten aus, 42 waren dagegen.
Auch der kantonale Justizdirektor Erwin Jutzet sprach sich dafür
aus. Mit einer juristischen Basis sei es für die Polizei
einfacher, die Situation zu überwachen und nötigenfalls
einzuschreiten, sagte er. Gegen die Meldepflicht kämpfte vor allem
die Ratslinke, die Unterstützung von der FDP erhielt. Die Gegner
befürchten, dass sich die ohnehin schon schwierige Situation
für Prostituierte ohne Aufenthaltsbewilligung weiter
verschlechtert. (sda)
---
Freiburger Nachrichten 18.3.10
Prostitution: Grosser Rat macht einen Schwenker
Die Prostituierten müssen sich künftig doch
obligatorisch bei der Kantonspolizei registrieren lassen.
freiburg Der Grosse Rat hat am Mittwoch in zweiter Lesung
des Gesetzes über die Prostitution anders entschieden als am
Vortag, als er noch die freiwillige Anmeldung bevorzugt hatte. Nun
müssen sich die Sexanbietenden doch bei der Polizei anmelden.
Voraus ging wieder eine animierte Debatte über die
Frage, wie die Prostituierten am besten geschützt werden
können. Das Argument des Staatsrates und der Kommission, wonach
nur eine Polizei mit möglichst vielen Informationen über das
Milieu die Zwangsprostitution und die Ausbeutung effizient
bekämpfen kann, vermochte gestern eine Mehrheit des
Kantonsparlamentes zu überzeugen. az
Bericht Seite 2
--
Die Prostituierten müssen sich doch bei der Polizei
registrieren lassen
Nach dem Schwenker des Staatsrates hat am Mittwoch auch
der Grosse Rat seine Meinung geändert: Ja zu einer Meldepflicht
für alle Prostituierten.
Arthur Zurkinden
Einig war sich eigentlich das Kantonsparlament, dass die
Sexanbietenden geschützt, aber die Zwangsprostitution und die
Ausbeutung bekämpft werden müssen. Nicht einig war es aber in
der Frage der Wahl der Mittel, die zu diesem Ziel führen.
Über eine Stunde hat der Rat gestern nochmals in zweiter
Gesetzeslesung über die Frage debattiert, ob eine obligatorische
Registrierung zum besseren Schutz der Prostituierten beiträgt oder
nicht. Nachdem sich der Rat am Dienstag noch mit 46 zu 40 Stimmen (3
Enthaltungen) für eine freiwillige Anmeldung ausgesprochen hatte,
kippte gestern das Abstimmungsergebnis. Mit 51 zu 47 Stimmen entschied
er sich nun für eine Meldepflicht. Und dieses Ergebnis wurde in
der dritten Lesung des Gesetzes gar mit 53 zu 42 Stimmen bei einer
Enthaltung bestätigt. Vor allem in SVP-Kreisen war gestern ein
vermehrtes Ja für eine obligatorische Registrierung auszumachen,
aber in allen Fraktionen gab es Pro und Contra.
Emotionen und schlechtes Gewissen?
Emmanuelle Kaelin Murith, Kommissionspräsidentin, die
sich für eine Meldepflicht stark gemacht hatte, betonte, dass in
dieser heiklen Frage niemand die Wahrheit pachten dürfe. Sie, aber
auch Staatsrat Erwin Jutzet stellten fest, dass die Debatte am Dienstag
emotional geführt wurde, vielleicht auch geprägt vom
"schlechten Gewissen" und vom Erbarmen für die Prostituierten. Der
Justizdirektor gab sich wiederholt überzeugt, dass nur die Polizei
die Sexanbietenden wirksam schützen kann.
Freiburg bald eine "Bronx"?
"Die Polizei kann nur intervenieren, wenn sie das Milieu
kennt", sagte Jutzet und wollte die Polizei mit jenen Mitteln
ausstatten, die es ihr erlaubt, möglichst viele Informationen
über das Milieu zu erhalten. Er befürchtete, dass ohne
Meldepflicht am Wochenende schon bald Cars mit leichten Mädchen
aus Rumänien und Ungarn in Freiburg Halt machen, ähnlich wie
in Zürich, und dass Freiburg zu einer "Bronx" verkommt. Erwin
Jutzet rief auch in Erinnerung, dass Freiburg als erster Kanton im
Jahre 2007 eine Verordnung über den Menschenhandel in Kraft
gesetzt hat, die ihre Wirkung nicht verfehle. Für ihn ist die
Meldepflicht keine Schikane, zumal nur die Sittenpolizei Zugang zu den
Daten hat und diese auf ein einfaches Gesuch hin gelöscht werden.
Zudem riskieren die Prostituierten nur im Wiederholungsfall eine Busse,
wenn sie erwischt werden, ohne registriert zu sein.
Antoinette Badoud (FDP, Le Paquier) betonte, dass ohne
Meldepflicht die Mafia-Kreise nicht bekämpft werden können.
"Freiburg darf nicht zu einer Drehscheibe für alle Laster werden",
meinte sie.
Und auch Jacqueline Brodard (CVP, Treyvaux) sah in der
Meldepflicht eine Chance für die Prostituierten, sich
schützen zu lassen. Sie wies auf die guten Erfahrungen hin, die
Neuenburg mit einem Obligatorium macht: "Die Strassenprostitution ist
verschwunden, die Zahl der Salons nimmt ab", hielt sie fest, dies im
Gegensatz zum Kanton Waadt mit einer freiwilligen Anmeldung: "Allein in
Payerne gibt es 30 Salons", sagte sie.
Die Ratslinke wiederholte ihre Argumente, wonach die
obligatorische Registrierung zu einer Verschlechterung der Situation
der Prostituierten führe, die sich illegal in der Schweiz
aufhalten. Und FDP-Sprecherin Antoinette de Weck stellte fest, dass in
Genf mit einer Meldepflicht die Zahl der Prostituierten wie in
Zürich explosionsartig zunehme.
Gesetz verabschiedet
Das neue Gesetz über die Ausübung der
Prostituion wurde am Ende mit 77 zu 9 Stimmen bei 10 Enthaltungen
verabschiedet.
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Prostitution: Bewilligung für Vermieter
Das neue Gesetz sieht auch eine Bewilligung für
Personen vor, die Räumlichkeiten für die Prostitution zur
Verfügung stellen. Diese wird an strenge Auflagen punkto Hygiene,
Sicherheit usw. geknüpft. Und der Inhaber einer Bewilligung muss
ein Register führen, das Auskunft gibt über die
Identität der Prostituierten, die Leistungen, die ihnen erbracht
werden, die Höhe des Mietzinses usw. Wer eine Bewilligung
beantragen will, muss zudem einen guten Leumund besitzen und z. B. auch
in der Schweiz wohnhaft sein. Keine Bewilligung ist nötig, wenn
nur ein Raum zur Verfügung gestellt wird und nur die Mieterin sich
der Prostitution hingibt. az
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KULINARISCH
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WoZ 18.3.10
Ernährungssouveränität - Während im
Parlament die SVP zeitweilig linker tönt als die SP, stehen im
täglichen Leben immer mehr Linke auf dem Acker: Die Idee der
regionalen Vertragslandwirtschaft ist in der Deutschschweiz angekommen.
Abonniert Rüebli!
Von Bettina Dyttrich (Text) und Ursula Häne (Foto)
In der Agrarpolitik ist die Welt verkehrt. Auch letzte
Woche wieder, im Ständerat. Da wurde ausführlich die globale
KleinbäuerInnenbewegung Via Campesina zitiert: "Ja, dort steht es:
‹Ernährungssouveränität ist das Recht jeder Nation, ihre
eigene Kapazität zu erhalten und zu entwickeln, um Nahrungsmittel
zu produzieren, die wichtig für die nationale und kommunale
Ernährungssicherheit sind, und die kulturelle Vielfalt und die
Vielfalt von Produktionsmethoden zu respektieren.› Ich weiss nicht, was
man dagegen haben kann, das muss ich Ihnen ehrlich sagen." Und wer
sagte das? SVP-Ständerat Hannes Germann.
Die kleine Kammer stritt über
Ernährungssouveränität und Selbstversorgung, unter
anderem über eine parlamentarische Initiative von
Bauernverband-Vize Jacques Bourgeois und eine Motion des grünen
Zuger Nationalrats Jo Lang. Für die SP sprach die
Konsumentenschützerin Simonetta Sommaruga. Und wie so oft, wenn
sich die SP zur Landwirtschaft äussert, brachte Sommaruga richtige
und wichtige Einwände: Die Selbstversorgung der Schweiz sei viel
tiefer als die offiziell genannten sechzig Prozent, wenn man die
Futtermittelimporte einrechne, sagte sie. Und auch für die
Energieselbstversorgung sollte dringend mehr getan werden. Stimmt
alles. Aber sind das Gründe, um die
Ernährungssouveränität abzulehnen?
Der Freihandel wirds regeln
Nein. Was Sommaruga wohl vor allem am "Symbolbegriff"
Ernährungssouveränität stört, ist seine implizite
Kritik an Globalisierung und Freihandel. Denn das geplante
Agrarfreihandelsabkommen mit der EU "wäre das wichtigste
Instrument, damit die Schweiz in Krisenzeiten nicht von der
Nahrungsmittelversorgung abgekoppelt werden kann", ist sie
überzeugt. Dass freie Warenflüsse das beste Mittel gegen
Versorgungsengpässe seien, ist liberale Theorie. Auch WTO-Direktor
Pascal Lamy, ein französischer Sozialdemokrat - der kürzlich
bei der SP-Fraktion zu Besuch war -, glaubt daran. In der Praxis gehen
die Waren im Freihandel aber nicht dorthin, wo sie am dringendsten
gebraucht werden. Sondern dorthin, wo das Geld ist. Und davon gibts bei
uns ja genug. Aber ist das fair, nachhaltig und links gedacht?
Nach Sommarugas Plädoyer gegen die Initiative
Bourgeois wirkte es seltsam, dass sie die
Ernährungssouveränitäts-Motion von Jo Lang
befürwortete. Ihre Begründung: "Wenn der Zugang zu den
natürlichen Ressourcen eingeschränkt wird, wenn Handelsregeln
einseitig die reichen Länder bevorzugen, wenn Umweltabkommen zu
wenig Rücksicht nehmen auf die Bedürfnisse des Südens -
immer dann soll sich die Schweiz für das Ziel der
Ernährungssouveränität einsetzen." Für die SP ist
Letztere also immer noch ein Drittweltthema.
Die Grünen sind einen Schritt weiter. Das zeigt sich
nicht nur daran, dass sie im Gegensatz zur SP überhaupt Motio nen
zum Thema einreichen, sondern auch am Plädoyer des Genfer
Stände rats Robert Cramer: "Es geht dar um, eine bäuerliche
Kultur zu bewahren, also die bestehenden Höfe zu erhalten, sich
gegen das Bodenhamstern zu wehren und direkte Kontakte zwischen
Produzenten und Konsumenten, zwischen Stadt und Land zu fördern.
Dazu braucht es anständige Löhne in der Landwirtschaft."
Genau das sind die Anliegen von Via Campesina und ihrer
Schweizer Vertreterin, der Westschweizer BäuerInnengewerkschaft
Uniterre. Sie finden Zustimmung bei immer mehr Menschen, die sich
über die Globalisierung der Landwirtschaft Sorgen machen. Wie der
Waadtländer Linksaussen-Nationalrat Joseph Zisyadis: "Wir haben
immer dafür gekämpft, dass alle Menschen genug zu essen haben
- nicht dafür, dass in den Haushalten am Schluss mehr Geld
für Mobiltelefone als für Nahrungsmittel ausgegeben wird."
Wer immer tiefere Preise fordere, müsse sich überlegen, "wo
das hinführt, wenn einige Multis am Ende die Welt mit billigen
Nahrungsmitteln versorgen", sagte Zisyadis letzten Herbst dem
"DLZ-Agrarmagazin".
Die Gefahr der Grösse
Das wachsende Interesse an der Land wirtschaft hat nicht
nur mit Sorgen, sondern auch mit Wünschen zu tun: nach einem Bezug
zum eigenen Essen, einer sinnvollen Arbeit, Dreck an den Händen.
Die regionale Vertragslandwirtschaft, die mit fairen Verträgen
geregelte, direkte Zusammenarbeit zwischen Bäuerinnen und
Konsumenten, boomt in der Westschweiz schon lange. Nun beginnt sie auch
bei uns Fuss zu fassen: Letzten Herbst gründeten BernerInnen das
Projekt Soliterre, jetzt starten Gemüseabo-Initiativen in
Zürich und Winterthur (vgl. Seite 5).
Regionale Vertragslandwirtschaft ist vermutlich das
ökologischste und sozialste Modell der Lebensmittelversorgung, das
sich denken lässt. Die beteiligten Bäuerinnen und
Gärtner müssen dank eines ausreichenden Einkommens nicht am
Rand des Zusammenbruchs krampfen wie viele ihrer Berufskolleginnen. Und
die Konsumenten verlassen ihre passive Rolle und werden
mitverantwortlich, mitbeteiligt. Gemeinsam mit der
Vertragslandwirtschaft ist auch Uniterre auf dem Sprung in die
Deutschschweiz: "In der Region Basel und im Kanton Zürich haben
bereits Treffen stattgefunden", sagt Uniterre-Mitarbeiter Reto
Sonderegger. "Wir hoffen, dass bald die ersten Deutschschweizer
Sektionen gegründet werden."
Mit ähnlichen Zielen - regionale Kreisläufe,
kurze Transportwege, sinnvolle Arbeit - traten vor dreissig, vierzig
Jahren die BiopionierInnen an. Heute ist Bio zum Business geworden, mit
allen damit verbundenen Problemen: Verlust persönlicher Kontakte,
wachsende Lohnunterschiede, fragwürdige Produkte (UHT-Milch,
Erdbeeren im März) und weite Wege. Die Vertragslandwirtschaft ist
ein neuer Versuch, sich nicht vom Kapitalismus verbiegen zu lassen.
Viele Projekte haben bewusst eine Grössenbeschränkung - die
Beteiligten wissen, dass Quantität immer auch Qualität
verändert. Nicht nur die Qualität der Produkte, sondern auch
der Arbeit und der Beziehungen.
Und wenn einige doch geschäftstüchtig, gross und
gestresst werden? Wenn dann noch Gemüse wächst, werden andere
kommen und neu anfangen.
--
Bäuerinnen und Konsumenten-Das Interesse an der
gemeinschaftlich organisierten Landwirtschaft wächst: Jetzt kann
man auch in Zürich und Winterthur Gemüse aus solchen
Initiativen im Abo kaufen.
Wer arbeitet mit?
Von Bettina Dyttrich (Text) und Ursula Häne (Foto)
Langsam haben die Schneeglöckchen Erfolg.
WOZ-LeserInnen erinnern sich noch an die gefrässigen Blumen des
Illustrators Sämi Jordi, die kürzlich auf der letzten Seite
der Zeitung den Schnee weggeschleckt und -geknabbert haben. Spechte,
Biber, Apfelbäume und andere Tier- und Pflanzenwesen
bevölkern Sämi Jordis Bilder fast immer. Kein Wunder: Dort,
wo Jordi aufgewachsen ist, in Thalheim im Zürcher Weinland, geht
es tatsächlich lebendig zu und her.
Zuerst war da ein grosser Garten, in dem die Eltern
Christine und Walter Jordi Gemüse für den Eigenbedarf
anpflanzten. Dann baute der Bruder Tobias die Scheune in eine
Schreinerei um. Und jetzt entsteht in Thalheim auch noch ein Projekt
der regionalen Vertragslandwirtschaft: Ab dem nächsten Donnerstag
wird Tobias Jordi wöchentlich Gemüse an zwei Sammelstellen in
Winterthur liefern. KonsumentInnen können Gemüsepakete in
verschiedenen Grössen abonnieren, bezahlt wird im Voraus. Die
verschiedenen Aktivitäten in Thalheim haben ein gemeinsames Dach:
den Verein Holzlabor.
Schwein statt Düngersack
Noch liegen Schneereste auf dem flachen Grundstück
mit den Hochstammbäumen unterhalb des Dorfes. Aber die Spatzen
tschilpen schon laut, und der Knoblauch streckt erste grüne
Spitzen aus der Erde. Daneben hat violetter Federkohl überwintert,
und unter der Vliesabdeckung gedeiht Wintersalat. Nadin Bill,
Landwirtin in Ausbildung, ist seit dem letzten Sommer dar an, den
Gemüseanbau auszudehnen. "Zum Glück konnten wir nebenan ein
Gewächshaus pachten." Die Biozertifizierung läuft.
Fünf junge Wollschweine und ihre Mutter
wühlen im Dreck. Sie sehen sehr schlau aus. "Dank der Schweine
müssen wir den Boden weniger bearbeiten, und sie liefern einen
Teil des Düngers", erklärt Nadin Bill. Später werden sie
als Plätzli und Würste in Thalheim auf dem Tisch landen. Denn
inzwischen kocht Christine Jordi fast jeden Mittag für ein gutes
Dutzend Menschen: Die MitarbeiterInnen der Holzwerkstatt essen hier,
zurzeit auch einige Zimmerleute auf Wanderschaft, die in der Scheune
einen Zirkuswagen bauen. Und die GemüseabonnentInnen sollen
mindestens einen Tag im Jahr mitarbeiten. "Es ist uns sehr wichtig,
Synergien zwischen den verschiedenen Arbeitsbereichen des Vereins zu
nutzen", sagt Nadin Bill. So hat Tobias Jordi ein Treibhaus auf
Rädern für die Anzucht von Setzlingen gebaut, in dem jetzt
zarte Zwiebel- und Kohlpflänzchen keimen. Das Tomatenhaus stammt
genauso aus der eigenen Werkstatt.
Auch in Zürich entsteht ein
Vertragslandwirtschaftsprojekt: Anfang März wurde die
Genossenschaft Ortoloco gegründet. Biobauer Samuel Spahn aus
Dietikon hat Ortoloco ein Stück Land verpachtet, auf dem die
Gemüsegärtnerin Anja Ineichen arbeitet. Gemüse gibts ab
Juni - nur für GenossenschafterInnen: "Wir wollen, dass die Leute
mitdenken und mitschaffen, nicht nur konsumieren", sagt Christian
Müller, einer der GründerInnen.
Entstanden ist die Idee für Ortoloco letztes Jahr in
der "Montagswerkstatt" im Zürcher Infoladen Kasama, einer
Diskussionsreihe aus Anlass der Wirtschaftskrise. Christian Müller
erinnert sich: "Sehr wichtig war die Frage: Wie können wir einen
Teil unseres Alltags ausserhalb des Kapitalismus organisieren?"
Ortoloco sei ein Anfang: "Wir träumen davon, diese
Produktionsweise auf weitere Wirtschaftszweige und Lebensbereiche
auszudehnen."
Melken, mosten, Traktor fahren
Das Interesse an Landwirtschaft wächst - das
spürt auch die Zürcher Landwirtschaftsschule Strickhof. Viele
Interessierte ohne eigenen Hof besuchen die berufsbegleitende
Zweitausbildung Biolandwirtschaft. Doch die LandwirtInnenausbildung
steckt in einer Reform; bald wird es nur noch Vollzeitlehrgänge
geben. Deshalb haben die auf Biolandwirtschaft spezialisierten
Lehrkräfte am Strickhof einen neuen Biokurs entwickelt.
Bettina Springer, die Rindviehhaltung unterrichtet, sagt:
"Wir möchten Menschen ohne landwirtschaftlichen Hintergrund
ansprechen, die über so etwas Essenzielles wie die tägliche
Nahrung mehr wissen wollen." Der Kurs findet während eines Jahres
jeweils freitags statt, dazu kommen zehn Samstage auf Biohöfen.
Dort können die TeilnehmerInnen vieles selber ausprobieren:
melken, mosten, Bäume schneiden oder Traktor fahren.
"Natürlich reichen ein paar Tage nicht, um ein Profi zu werden",
sagt Bettina Springer. "Aber sie geben einen Einblick in den
Arbeitsalltag, der später etwa mit einem Praktikum vertieft werden
kann."
http://www.xylem.ch
(Verein
Holzlabor), http://www.ortoloco.ch,
http://www.strickhof.ch
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AUSSCHAFFUNGS-TOD
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tagesanzeiger.ch 18.3.10
29-jähriger Nigerianer stirbt bei der Ausschaffung
Ein Ausschaffungshäftling ist gestern am Flughafen
Zürich gestorben. Die Ursache ist noch unklar, doch bis jetzt
steht fest: Der Mann wehrte sich gegen die Ausschaffung und wurde
gewaltsam gefesselt.
Der 29-jährige Nigerianer hatte nach bisherigen
Erkenntnissen seit einigen Tagen die Nahrungsaufnahme verweigert und
versuchte, sich der Ausschaffung zu widersetzen. Das Bundesamt für
Migration war nicht auf sein Asylgesuch eingetreten.
Laut Mitteilung konnte er mit Gewalt gefesselt werden. Kurze
Zeit später zeigte er plötzlich gesundheitliche Probleme.
Deshalb wurden die Fesseln gelöst. Das Begleiterteam und die
sofort beigezogene Sanität leiteten Reanimationsmassnahmen ein.
Trotzdem verstarb der Mann wenig später auf dem
Flughafengelände. Die genauen Umstände seines Todes werden
durch die zuständige Staatsanwaltschaft untersucht.
Das Bundesamt für Migration bedauert den Vorfall, wie es in
einer Mitteilung schreibt. Es hat die Durchführung von
Sonderflügen bis auf Weiteres gestoppt.
Fesselung zur Gewährleistung der Sicherheit
Der Nigerianer, der polizeilich wegen Drogenhandels verzeichnet
war, sollte am Mittwochabend zusammen mit weiteren 15
Ausschaffungshäftlingen mit einem Sonderflug nach Nigeria
ausgeschafft werden. Wegen des Todesfalls wurde in Absprache mit dem
Bundesamt für Migration auf die Durchführung des Sonderflugs
verzichtet und die anderen Ausschaffungshäftlinge in die einzelnen
Kantone zurückgeführt.
Mit Sonderflügen werden Personen zurückgeführt,
die sich früheren Rückführungen widersetzt haben. Zur
Gewährleistung der Sicherheit werden sie auf diesen
Sonderflügen gefesselt. (fsc/sda)
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AUSSCHAFFUNGS-INITIATIVE
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WoZ 18.3.10
SVP-Ausschaffungsinitiative - Alle sprechen von der
"Ausländerkriminalität". Eine kleine Verfremdung macht
deutlich, dass das eine rassistische Konstruktion ist.
Unsere kriminelle Schweiz
Von Heiner Busch
Am Erscheinungstag dieser WOZ berät der
Ständerat über die SVP-Ausschaffungsinitiative. Seine
Staatspolitische Kommission empfahl Anfang Februar, die Initiative
für gültig zu erklären - obwohl sie offensichtlich gegen
Verfassungs- und Völkerrechtsprinzipien verstossen könnte.
Kurzer Blick über den Atlantik: War um werden in den
USA überdurchschnittlich viele der registrierten Straftaten von
Afro- und Lateinamerikaner Innen begangen? Warum stellen diese
Bevölkerungsgruppen die Mehrheit der Gefängnispopulation?
Warum füllen vor allem sie die Todeszellen? Weil Schwarze und
Latinos eben krimineller sind als Weisse?
Teppich aus Polizeinachrichten
Wenn man mit den ideologischen Ellen der aktuellen
schweizerischen Debatte über Ausländerkriminalität
messen würde, wäre das wohl die einhellige Antwort.
Allenfalls über die Gründe für die hohe "kriminelle
Energie" dieser Bevölkerungsgruppen würden die Meinungen
auseinandergehen. Die SVP würde kulturelle Ursachen ins Feld
führen. Rechte Sozialdemokraten wie der Zürcher Nationalrat
und Strafrechtsprofessor Daniel Jositsch oder der Kriminologe Martin
Killias würden vermutlich daran erinnern, dass es sich hier um
"bildungsferne Schichten" handelt, die sich deshalb nicht ausreichend
in die Gesellschaft integriert hätten. Immerhin: Die erkennbar
rassistische Variante, die biologistischen Erklärungsversuche,
hätten derzeit keine Chancen - zumindest nicht in der
medialen Auseinandersetzung, an den Stammtischen wohl schon.
Die simple Übertragung der US-amerikanischen
Verhältnisse auf die hiesige Auseinandersetzung scheint an den
Haaren herbeigezogen, aber nur auf den ersten Blick. Denn dass die
Verhältnisse in den USA etwas mit Rassismus und
Klassenverhältnissen zu tun haben und eben nicht mit einer
besonderen "kriminellen Energie" der Betroffenen, scheint
offensichtlich - so offensichtlich, dass es selbst konservative Medien
in der Schweiz merken. Die hiesige Bericht erstattung zur Todesstrafe,
aber auch die zur "Zero Tolerance"-Strategie der
US-Polizeibehörden war und ist durchaus kritisch. Seltsam nur,
dass es diese Erkenntnisse nicht auf Inlands- und Regionalseiten
schaffen. Hier dürfen sich rechte PolitikerInnen (egal ob aus SVP,
bürgerlicher "Mitte" oder aus der SP), Vertreter der Polizei und
ihre wissenschaftlichen HelferInnen ungestört in der
"Ausländerkriminalität" suhlen. Hier wird tagtäglich ein
Teppich aus kleinen Polizeinachrichten ausgebreitet, in denen fein
säuberlich die unschweizerische Herkunft von TäterInnen
präsentiert wird. Hier schafft man es neuer dings sogar, sauberes
schweizerisches Blut von jenem der blossen PapierschweizerInnen "mit
Migrationshintergrund" zu unterscheiden.
Dabei ist vollkommen klar, dass die
"Ausländerkriminalität" genauso eine Konstruktion darstellt
wie der "Ausländer" selbst, gebaut auf den Grenzlinien, die der
Nationalstaat zwischen Inländer Innen - mit vollen Rechten - und
den Fremden zieht, die je nach ihrem Aufenthaltsstatus mit immer
weniger Rechten ausgestattet sind.
Für die nationale Identität
Der "Ausländer" sei ein "Einkaufskorbbegriff", sagte
der deutsche Kriminologe und Strafrechtsprofessor Hans-Jörg
Albrecht vor einigen Jahren. Er beschreibe "keine einheitliche Gruppe,
sondern eine ganze Reihe von Einwanderungsgruppen und Minderheiten, die
sich im Hinblick auf ihre Religion, Hautfarbe, Sprache und
Nationalität sowie durch ihren kulturellen Hintergrund, ihre
Gründe für die Einwanderung, ihre (ausländer)rechtliche
Stellung im Einwanderungsland und die Geschichte der Beziehungen
zwischen Einwanderungsland und Herkunftsland unterscheiden". Seit
Langem sei klar, dass Kategorien wie "Staatsangehörigkeit" und
"Rasse" für die Erklärung abweichenden Verhaltens nichts
hergeben. Ihr Nutzen ist vor allem ein ideologischer: Die Rede von der
"Ausländerkriminalität" erlaubt - gerade angesichts von
Globalisierung, Krise und Unsicherheit - nationale Identität zu
stiften. Das eigentlich Gefährliche, so lautet die Botschaft,
kommt von aussen. Deshalb kann es mittels Ausschaffung bezwungen werden.
Die "Ausländerkriminalität" ist also eine
Vereinfachung, die auf Diskriminierung beruht. Daran ändert auch
der Umstand nichts, dass sie in der Kriminalstatistik und den daran
wissenschaftlich aufgezäumten Artikeln und Büchern ihren
Niederschlag findet. Kriminalstatistiken geben die polizeilich
registrierten Straftaten wieder. Sie sind abhängig von der
Anzeigebereitschaft der Bevölkerung und der Kontrolltätigkeit
der Polizei. AusländerInnen, insbesondere ausländische
Jugendliche, fallen stärker auf, werden häufiger kontrolliert
und auch schneller angezeigt, gerade weil sie "fremd" sind, weil sie in
den "schlechten" Quartieren oder gar als Asylsuchende in
Sammelunterkünften leben, weil sie sich auf der Strasse
"herumtreiben". Je prekärer die soziale Situation einer Person,
desto eher ist sie anfällig für Strafverfolgung. Richtig
gelesen handelt selbst eine ausdifferenzierte polizeiliche
Kriminalstatistik also nicht von Kriminalität, sondern von
Kriminalisierung und sozialem Ausschluss.
Dasselbe gilt für die Ergebnisse dieser
Kriminalisierung: Weil sie den Haftgrund der "Fluchtgefahr" fast
automatisch erfüllen, landen ausländische Tatverdächtige
schneller in Untersuchungshaft. Wenn sie zu Haftstrafen verurteilt
werden, können sie seltener mit Hafterleichterungen rechnen.
Für sie gilt das Prinzip der Resozialisierung nur sehr
eingeschränkt. Längere Haftstrafen ziehen für sie schon
heute eine zweite Bestrafung in Form von Ausschaffung und
Einreisesperre nach sich.
In Deckung gehen ist sinnlos
Die Schweiz hat in den letzten Jahrzehnten immer wieder
Kampagnen gegen "Ausländerkriminalität" erlebt, die dazu
dienen sollten, im Wahlkampf mit einer harten Haltung zu trumpfen. Die
SVP erwies sich dabei als Meisterin der rassistischen Inszenierung der
Angst vor Kriminalität. Den Missbrauch - hier ist der Begriff
angebracht - der Kriminalstatistik beherrscht aber auch die Exekutive:
1993 etwa rief der damalige Justizminister Arnold Koller (CVP) unter
Hinweis auf die gestiegene "Ausländerkriminalität" für
1994 das "Jahr der inneren Sicherheit" aus, an dessen Ende die
Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht standen. Im Frühjahr 2001
half ein mit einem Zahlenwirrwarr unterlegter Bericht der vom
Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement und den Kantonalen
Justiz- und Polizeidirektoren eingesetzten "Arbeitsgruppe
Ausländerkriminalität" den Entwurf des Ausländergesetzes
argumentativ vorzubereiten. 2004 folgte - nun schon unter SVP-Bundesrat
Christoph Blocher - ein gemeinsamer Bericht der Bundesämter
für Migration und Polizei sowie des Grenzwachtkorps, der "illegale
Migration" und "Ausländerkriminalität" zu einem
ungeniessbaren Brei verrührte.
Angesichts der regelmässigen Kampagnen hat es wenig
Sinn, in Deckung zu gehen und darauf zu hoffen, dass die nächste
vermeldete Straftat nicht von einem "Ausländer" oder einem
eingebürgerten Schweizer begangen wurde. Angesagt ist vielmehr ein
Perspektivenwechsel: von den "kriminellen Ausländern" hin zum
Prozess ihrer Kriminalisierung. Erst vor diesem Hintergrund wird klar,
dass Straftaten von ImmigrantInnen ein schweizerisches Phänomen
sind, das sich nicht ausschaffen lässt. Reden wir also über
strukturelle Diskriminierung und institutionalisierten Rassismus.
Solidarité sans frontières befasst sich in
seinem nächsten Bulletin ausführlicher mit der
Ausschaffungsinitiative und dem Thema "Ausländerkriminalität"
und bietet dazu auch Vorträge an: http://www.sosf.ch.
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PNOS
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WoZ 18.3.10
Rechtsextreme - Dominic "Gixu" Lüthard will für die
Pnos in den Berner Grossen Rat. Dafür will der Sänger der
rechtsextremen Band Indiziert seine subkulturelle Verankerung vergessen
machen.
Der ach so nette Radikale
Von Hans Stutz
Die Partei National Orientierter Schweizer (Pnos)
hält an sich wenig von der parlamentarischen Demokratie, die
rechtsextreme Kleinpartei will die Parteien auflösen und die
Proporzwahlen abschaffen. So steht es in den Erläuterungen zum
Parteiprogramm.
Doch das Endziel ist noch weit entfernt. Vorerst wollen
zwei Männer (Raphael Würgler, Dominic Lüthard) und eine
Frau (Denise Friedrich) Ende März in den Berner Grossen Rat
einziehen. In der Januar-Ausgabe ihrer Zeitschrift "Zeitgeist" meint
die Partei gar, es stehe "ausser Frage, dass es kein Ding der
Unmöglichkeit" sei, einen der 160 Sitze zu erringen. Besonders
aktiv im Wahlkampf ist die Köchin Denise Friedrich, Mitglied des
Pnos-Bundesvorstands. Sie will "Schweizer Familien stärken", in
ihrem Flugblatt fordert sie ein "staatlich finanziertes
Erziehungsgehalt für Mütter und Väter".
Sänger und Politiker
Eine bekannte Vorgehensweise von RechtsextremistInnen: Sie
reden von rechtsbürgerlichen Werten und wollen vergessen machen,
dass die Pnos der politische Ausdruck einer Subkultur ist, nämlich
jener der Naziskinheads und anderer Rechtsextremer. Für die im
Herbst 2000 von Blood-and-Honour-Aktivisten gegründete Kleinpartei
treten immer wieder auch Leute auf, die Politik und subkulturelles
Engagement miteinander verbinden. Wie beispielsweise Dominic
Lüthard, seit Jahren im Pnos-Bundesvorstand und Sänger der
Band Indiziert.
Lüthard steht seit Tagen im Mittelpunkt einer
kleinmütigen Distanzierungsposse. Er engagiere sich, so
Lüthard in seiner Wahlkampf-Eigendarstellung, im "örtlichen
Tennisclub" und mache "seit Jahren patriotische Musik". Patriotisch?
Indiziert-Sänger Lüthard grölt schon mal von
"Rassenverrat", "Rassenschande" und "Mulattenflut", in einem Lied
bezeichnet er "Euro-Asiaten" als "völkische Zwitter". Im Klartext:
kruder biologistisch begründeter Rassismus.
Konzertabbruch
Indiziert ist seit Jahren die bekannteste Band der
Schweizer Naziskin-Szene, mehrfach ist die Band an
einschlägigen Konzerten im Ausland aufgetreten. Angekündigt
war vor kurzem ein Auftritt am ersten Märzsamstag 2010,
organisiert von Aktivisten des Naziskinhead-Netzwerks Blood and Honour.
Das ist unbestritten, einen elektronischen Flyer veröffentlichte
Indiziert selber auf der Bandwebsite, dieser ist noch immer unter
"Offizielle Indiziert-Fangruppe" auf Facebook einsehbar, aufgeschaltet
von einem Indiziert-Mitglied. Das Konzert, das zuerst in Belgien
hätte stattfinden sollen, wurde nach Polizeiinterventionen
kurzzeitig verlegt und fand in der Nähe von Dresden statt. So
weit, so unbestritten.
Nach einer Medienmitteilung der Berner Antifa und ersten
Medienberichten behauptete Dominic Lüthard, er sei nicht nach
Ostdeutschland gefahren, da doch das Konzert illegal gewesen sei. Und
Pnos-Medien sprecher Kevin Mareque doppelte nach: Die Geschichte sei
"frei erfunden", und die "Journalistengilde" schenke einer "kargen
Pressemitteilung von Linksextremen mehr Glauben". Frei erfunden? In
einem einschlägigen deutschen Forum erklärt ein
offensichtlich gut informierter Schreiber: "Weiterhin waren da:
Indiziert & Amok aus der Schweiz. Diese konnten dann aber nicht
mehr spielen wegen der Staatsmacht." Im Klartext: Die Polizei erzwang
nach Mitternacht den Abbruch des Konzertes. Mit der Band Amok, gegen
die seit November 2007 ein Strafverfahren wegen Drohung und
Widerhandlung gegen die Rassismusstrafnorm läuft, war Indiziert
bereits Anfang August 2008 an einem Konzert in Bümpliz aufgetreten.
Immer wieder bei Blood and Honour
Der Forumseintrag ist noch kein Beweis, aber eines ist
sicher: Im Blood-and-Honour-Umfeld aufgetreten ist Pnos-Kandidat
Dominic Lüthard bereits mindestens zweimal, im vergangenen
September im italienischen Verona, im September 2008 im
französischen Lyon. Beide Konzerte fanden zu Ehren des
verunglückten Blood-and-Honour-Mitbegründers Jan Stuart
statt. Bei WOZ-Redaktionsschluss war das auch noch auf der
Indiziert-Website zu lesen. Aber das kann sich ja schnell ändern.
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GENF GANZ RECHTS
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WoZ 18.3.10
Genf-Das populistische Mouvement Citoyens Genevois (MCG) will
bis 2011 Fraktionsstärke im Nationalrat erreichen. Doch die
hochfliegenden Expansionspläne sind vorerst gescheitert.
Gegen Kaviarlinke und Börsenrechte
Von Helen Brügger
Das rechtsextreme Mouvement Citoyens Genevois (MCG) hat
grosse Pläne: Schon bei den Wahlen im Jahr 2011 will die Bewegung
Fraktionsstärke im Nationalrat erreichen. Dazu muss sie sich
jedoch in anderen Westschweizer Kantonen etablieren. Im Kanton
Neuenburg soll die Gründungsversammlung Ende März über
die Bühne gehen. Im Kanton Waadt ist sie vorerst einmal geplatzt.
"Sozialistisch-patriotische Ideen"
Der Genfer MCG-Führer Eric Stauffer rieb sich bereits
die Hände: Er hatte zwei junge Studenten im Auge, mit deren Hilfe
er die Waadtländer und Neuenburger Sektionen einer Bewegung
gründen wollte, die letzten Herbst im Kanton Genf mit ihrer
Kampagne gegen die "Grenzgängerinvasion" Schlagzeilen gemacht und
einen Wahlerfolg errungen hatte. David L'Epée (27) und Jonathan
Newton (24), auserwählt wegen ihrer "Dynamik" und weil sie zu
hundert Prozent auf der Linie des MCG seien, sollten die Grundlagen
für ein Mouvement Citoyens Romand legen.
Doch ein paar Tage vor der öffentlichen Vorstellung
der Waadtländer Sektion enthüllte das Westschweizer
Fernsehen, dass die beiden Hoffnungsträger des MCG Mitglieder in
einem schillernden Politgrüppchen namens Unité Populaire
waren: L'Epée als Gründer, Newton als seine rechte Hand.
Ein Grüppchen mit seltsamen "sozialistisch-patriotischen" Ideen,
das, so konnte man auf der Unité-Website lesen, die nationale
Souveränität gegen die "internationalen Raubtiere"
verteidigen und die "Zerstörung der Arbeitswelt durch die
Kaviarlinke und die Börsenrechte" verhindern will.
Oder zumindest verhindern wollte. Denn die prestigereiche
Fernsehsendung "Mise au point" vom 7. März warf der Unité
Populaire unter anderem Antisemitismus und Homophobie vor, dokumentiert
mit Inhalten von der Web site und mit Aussagen von Experten. Das
Grüppchen wurde über Nacht aufgelöst und die Website
abgeschaltet. Newton warf das Handtuch, er steht nicht mehr als
Koordinator der Waadtländer Niederlassung des Mouvement Citoyens
zur Verfügung.
David L'Epée hingegen macht weiter. Er hofft, Ende
März seine Neuenburger Sektion gründen zu kön nen -
unter Ausschluss der Öffentlichkeit, wie er präzisiert. Daran
seien die Medien schuld: "Wir haben grossen Zulauf, doch ich werde bis
auf weiteres der alleinige Sprecher der Bewegung bleiben. Unsere
Aktivisten wollen sich nach den Angriffen der Medien nicht mehr
exponieren." Er rechnet in Neuenburg mit etwa zwanzig Mitgliedern.
Die Vorwürfe des Fernsehens weist er als falsch und
verleumderisch zurück. Die in der Sendung gezeigte antisemitische
Karikatur sei in Wirklichkeit eine "anti-antisemitische Karikatur", und
sein Anwalt werde Klage bei der unabhängigen Beschwerdeinstanz der
SRG einreichen. Für ihn sind die Vorwürfe "ein politisch
motivierter Versuch, das Mouvement Citoyens zu diabolisieren".
Ehemaliger Trotzkist
Wovon sich der ehemalige trotzkis tische Aktivist jedoch
nicht distanziert, sind seine Beziehungen zum französischen
Schriftsteller Alain Soral, der von der Kommunistischen Partei
Frankreichs zur Le-Pen-Partei Front National gewechselt, dann eine
"national-linke" Bewegung gegründet und schliesslich auf der
"antizionistischen Liste" des Kabarettisten Dieudonné kandidiert
hat. Sowohl Soral als auch Dieudonné, beide wegen Antisemitismus
verurteilt, kamen auf der Homepage der Unité Populaire
ausführlich zu Wort; die Gruppe war auch Mitglied bei Sorals
Bewegung Egalité et Réconciliation, die sich für den
nationalen Schulterschluss zwischen "der Linken der Arbeit und der
Rechten der Werte" starkmacht. "Man hat nichts anderes gefunden, das
man uns vorwerfen kann", beklagt sich L'Epée, "deshalb wirft man
uns unsere Freundschaften vor."
Auch Eric Stauffer, dessen Slogan "nicht links, nicht
rechts, Genf zuerst" lautet, ist ein treuer Freund. David L'Epée
verdiene weiterhin sein volles Vertrauen, so Stauffer gegenüber
den Medien. Das Vertrauen ist gegenseitig. Stauffer, einst Mitglied der
Liberalen Partei, habe im MCG seine Öffnung gegenüber
sozialen Themen unter Beweis gestellt, sagt L'Epée, genau wie
er, L'Epée, heute ein "identitäres und natio nales
Bewusstsein" habe, das ihm im Alter von zwanzig Jahren gefehlt habe.
Auch für L'Epée ist der "Links-rechts-Diskurs" veraltet.
"Die heutige Jugend hat zum Glück viel mehr ideologische
Flexibilität."
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KALKBREITE ZH
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Tagesanzeiger 18.3.10
Sonderkommando räumte Kalkbreite - Besetzer verabschiedeten
sich mit Sirenenlärm
Das besetzte Haus im Kreis 4 ist leer. Ein Grossaufgebot der
Stadtpolizei hat Zürichs berühmteste Adresse für
Hausbesetzer geräumt.
Von Simon Eppenberger
Am frühen Mittwochmorgen räumte ein Aufgebot der
Stadt- und Kantonspolizei das besetzte Haus an der Kalkbreitestrasse 4
im Kreis 4. Die Einsatzkräfte waren mit diversen Fahrzeugen, zwei
Feuerwehrautos und einem Sanitätswagen vorgefahren. "Wir wussten
nicht genau, was uns erwartet", sagte Marco Cortesi, Medienchef der
Stadtpolizei. Der Grund für das grosse Aufgebot seien Erfahrungen
bei früheren Räumungen besetzter Häuser. "Es hätte
auch Störaktionen oder Solidaritätskundgebungen geben
können", sagte Cortesi. Man habe zwar angenommen, dass die
Liegenschaft an der Kalkbreite leer stand, doch auf Spekulationen
wollte man sich nicht einlassen.
Haus unbewohnbar gemacht
Die früheren Störaktionen waren offenbar so
gravierend, dass die Polizei das Gebäude von
Sondereinsatzkräften aufbrechen und untersuchen liess. Die Beamten
in Schutzausrüstung zogen nach kurzer Zeit wieder ab,
Zwischenfälle gab es keine. Nun wird das Backsteinhaus unbewohnbar
gemacht und schliesslich abgerissen.
Die Besetzung dauerte laut Cortesi rund sieben Jahre.
Während dieser Zeit kam es immer wieder zu Lärmklagen. "Es
war keine befriedigende Situation, doch rechtlich konnte man das
Gebäude nicht früher räumen." Lange Zeit lagen weder
eine Um- oder Neubaubewilligung noch eine Abbruchbewilligung vor.
Sirene als "Abschiedsgeschenk"
Erst als das Projekt eines neuen Tramdepots und einer
grossen Genossenschaftsüberbauung voranschritt (siehe unten),
konnten die VBZ als Besitzerin eine Abbruchbewilligung beantragen. Als
diese Anfang Jahr vorlag, stellten die VBZ den Besetzern ein Ultimatum.
Daraufhin verliessen sie das Gebäude fristgerecht am vergangenen
Freitag.
Obwohl die Nachbarn das Treiben der Besetzer jahrelang
tolerieren mussten, verabschiedeten sich die Bewohner der Kalkbreite
nicht nur mit einem Transparent, auf dem sie weitere Besetzungen
ankündigten. Sie montierten auf einem Fenstersims im dritten Stock
des Gebäudes eine Sirene, die von einer Autobatterie angetrieben
wurde. Diese heulte - quasi als Abschiedsgeschenk - vom Freitag bis zum
Samstag rund zwei Tage lang.
Ein VBZ-Chauffeur im Tramdepot gegenüber des Hauses
schüttelte darüber den Kopf: "Diese Leute demonstrieren
für Frieden auf der Welt, aber sie terrorisieren die Leute."
Tagesanzeiger.ch/Newsnetz
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Kalkbreite
2013 wird neue Überbauung bezogen
Auf dem Kalkbreite-Areal plant die Genossenschaft
Kalkbreite eine Wohn- und Gewerbesiedlung mit 89 Wohnungen und 4800
Quadratmetern Gewerbe- und Büroflächen. 500 Menschen sollen
dort wohnen und arbeiten. Die Überbauung steht teilweise über
den Tram-Abstellgleisen, welche die VBZ dieses Jahr neu bauen. Die
Gleisanlage wird deshalb vollständig überdeckt.
Anschliessend beginnt der Hochbau: eine vieleckige
Blockrandüberbauung mit einem grossen, öffentlichen Innenhof
nach Plänen der Müller Sigrist Architekten Zürich. 2013
soll die Überbauung fertig sein. Gestern Mittwoch hat der
Zürcher Stadtrat den Baurechtsvertrag verabschiedet, den er dem
Gemeinderat unterbreitet. Die Baugenossenschaft Kalkbreite soll das
Baurecht für 62 Jahre erhalten mit einer Verlängerungsoption
von zwei Mal 15 Jahren. Der Baurechtszins beträgt -
vorbehältlich der Bauabrechnung - rund 375 000 Franken pro Jahr.
In diesem Sommer muss der Gemeinderat auch noch den
Gestaltungsplan bewilligen, der die baurechtliche Voraussetzung schafft
für die Überbauung, die an der Kreuzung
Badener-/Kalkbreitestrasse achtgeschossig, das heisst 25 Meter hoch
sein wird. (jr)
---
Zürichsee-Zeitung 18.3.10
Kalkbreite Polizei räumt Liegenschaft beim Tramdepot -
Neubau soll 2013 bezugsbereit sein
Besetzung endet ohne Krawalle
Sieben Jahre lang war das Kalkbreite-Areal illegal
besetzt, nun sind die Bewohner friedlich ausgezogen - haben aber viel
Müll hinterlassen.
Philippe Klein
Gestern wurde das Kalkbreite-Areal zwischen Stauffacher
und Albisriederplatz von der Zürcher Stadtpolizei geräumt -
heute fahren nach siebenjähriger Besetzung die Bagger auf. Bis
2013 baut die Stadt Zürich dort ein neues Tramdepot und die
Genossenschaft Kalkbreite eine Überbauung (siehe Kasten).
Gemäss Aussagen von Polizeisprecher Marco Cortesi ist
die gestrige Räumung problemlos verlaufen. Die letzten Besetzer
seien vermutlich schon am Wochenende ausgezogen, gestern kurz nach acht
Uhr morgens trafen die Polizisten jedenfalls keine Menschen mehr an.
Zurückgelassen haben die Ex-Bewohner allerdings Unmengen von
Möbeln und Müll. "Ein Riesenchaos" habe man vorgefunden,
erklärt Cortesi. Der Abfall muss nun auf Kosten der Stadt, der
Eigentümerin der Liegenschaft, entsorgt werden. Die
Abfallsünder selber kann man nicht zur Rechenschaft ziehen,
gemäss Cortesi hat man keine Anhaltspunkte zur Identität der
Besetzer. Bauarbeiter werden das Gebäude in den nächsten
Tagen unbewohnbar machen, indem sie Fenster und Türen
zerstören. Gleichzeitig wird die "Kalki" Stück für
Stück zurückgebaut.
Ernüchternde Bilanz
Die Bilanz nach sieben Jahren Besetzung fällt aus
Sicht der Stadtpolizei ernüchternd aus. Marco Cortesi
resümiert: "Immer wieder gab es Reklamationen aus der
Nachbarschaft. Der illegale Bar- und Konzertbetrieb hat vielen von
ihnen den Schlaf geraubt." Regelmässig habe die Polizei
einschreiten müssen. Im Sinne der Nachbarschaft sei man daher
froh, dass sich die Situation nun ändere.
Es ist allerdings nicht damit zu rechnen, dass sich die
Hausbesetzer nun auf dem regulären Wohnungsmarkt eine Bleibe
suchen - viele von ihnen werden wohl ein Haus weiterziehen. 21 besetzte
Liegenschaften gibt es derzeit auf Stadtgebiet, erst Ende Februar wurde
in Albisrieden ein leerstehendes Haus besetzt.
--
Urbanes Vorzeige-Zentrum geplant
Auf dem Kalkbreite-Areal soll 2011 mit der Errichtung
einer neuen Wohn- und Gewerbeüberbauung begonnen werden. Der
Zürcher Stadtrat hat an seiner Sitzung vom Mittwoch beschlossen,
das 6350 Quadratmeter grosse Gelände über einen
Baurechtsvertrag an die Genossenschaft Kalkbreite abzutreten. Zum
Vertragsabschluss muss allerdings auch noch der Gemeinderat seine
Zustimmung geben.
Um das vorgesehene Projekt der Zürcher Architekten
Müller Sigrist verwirklichen zu können, ist eine
Überdachung der VBZ-Tramabstellanlage nötig, die heute den
grössten Teil des Areals belegt. Den entsprechenden Kredit soll
das Stadtparlament im Frühjahr 2011 bewilligen. In seiner
gestrigen Mitteilung umschreibt der Stadtrat das Gesamtprojekt als
"neues urbanes Zentrum", das sich nach den Zielen der
2000-Watt-Gesellschaft ausrichtet. Innerhalb einer modernen
Blockrandbebauung soll ein grosszügiger Innenhof entstehen, der
tagsüber auch einer breiteren Öffentlichkeit zur
Verfügung steht. Die Überbauung soll dazu beitragen, die
Quartiere beidseits des Seebahn-Einschnitts besser miteinander zu
verbinden.
Dachgarten über Tramdepot
Die insgesamt 89 geplanten Wohnungen umfassen Grössen
von einem bis zu zehn Zimmern. Daneben entstehen Räume mit einer
Gesamtfläche von 4800 Quadratmetern für gewerbliche und
kulturelle Nutzungen. 250 Personen sollen künftig auf dem
Kalkbreite-Areal preisgünstig wohnen und ebenso viele einen
Arbeitsplatz finden. Das Projekt richtet sich gemäss Ausschreibung
vor allem an engagierte, kreative Menschen mit viel Gemeinschaftssinn:
individuelle Räume sind Mangelware, dafür sollen
Gemeinschaftsküchen sowie eine grosse Kantine entstehen. Und auf
dem Dach des Tramdepots ist ein 3000 Quadratmeter grosser
Gemeinschaftsgarten vorgesehen.
Der vom Stadtrat genehmigte Baurechtsvertrag hat eine
Laufzeit bis ins Jahr 2072 und kann maximal bis 2102 verlängert
werden. Die Stadt rechnet mit einem Baurechtszins von rund 375 000
Franken als jährlichem Ertrag. Die Genossenschaft Kalkbreite geht
davon aus, dass das Gebäude 2013 bezugsbereit sein wird.
Oliver Steimann
---
Blick am Abend 17.3.10
Die "Chalchi" ist geräumt
RAUSWURF
Polizisten drangen gepanzert in die besetzte "Chalchi" ein
- die Besetzer waren schon weg.
Noch heute fahren die Bagger beim alten VBZ-Gebäude
auf und reissen das geräumte Gebäude ab. Fünfzehn
Polizisten in Kampfmontur drangen heute Morgen in das wohl bekannteste
besetzte Haus der Stadt ein und fanden keine Bewohner mehr vor. "Die
Besetzer sind wohl schon seit dem letzten Wochenende weg", sagt
Polizeisprecher Mario Cortesi. Die Stadt hatte die Räumung schon
länger angekündigt: Die Besitzerin der Liegenschaft, die
Genossenschaft Kalkbreite, will neue Wohnungen erstellen. Das besetzte
Haus gleich bei der Tramhaltestelle Kalkbreite war seit sechs Jahren
besetzt, so lange wie kein anderes Haus in der Stadt. Die "Chalchi"
galt als Zentrum der Zürcher Besetzerszene. Die "Chalchi"-Bewohner
organisierten in den letzten Jahren immer wieder Demos und Events. re
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ANTIREP-DEMO ZH
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WoZ 18.3.10
Diesseits und Jenseits
Her mit dem schönen Leben!
Repression und Ausgrenzung gegen über allem, was vom
neoliberal-folkloristischen Mainstream abweicht und nicht systemkonform
ist, werden in der Schweiz immer mehr die Regel. Betroffen sind viele
Bevölkerungsgruppen: von MigrantInnen, Arbeitslosen, IV- und
SozialhilfebezügerInnen bis hin zu HäuserbesetzerInnen,
autonomen Bildungskreisen und Selbstbestimmung fordernden Studierenden.
Deutliche Beispiele für diese Repression sind die Brachlegung der
Besetzung Wehntalerstrasse und die Räumung der Autonomen Schule
Zürich sowie die Schliessung des Pavillons von "unsereuni" im
Januar - allesamt unangekündigt. Dabei nehmen die
Ausgrenzungsmechanismen zahlreiche Formen an. Immer öfter
dominieren sie lautstark die Medien, im Alltag dagegen agieren sie
unsichtbar, mit gesetzlichen Verschärfungen und polizeilicher
Kontrolle: durch Rayonverbote, Räumungen, Videoüberwachungen,
Sozialinspektoren und Fichierungssysteme.
Ob Flüchtlinge und diejenigen, die ihnen beistehen,
mit Gesetzesverschärfungen in die Illegalität getrieben
werden … Ob gegen IV- und SozialhilfebezügerInnen gehetzt und
gefahndet wird … Ob die alternativen Bildungsansätze von
"unsereuni" oder der Autonomen Schule Zürich durch Raumentzug
verunmög licht werden sollen … Ob besetzte Kultur- und
Wohnräume auf Vorrat geräumt werden …
… immer wird im Namen einer vermeintlichen Mehrheit
argumentiert. Damit lenken die herrschenden Kräfte von den
drängenden Problemen ab. Die Wirtschaftskrise ist weder
überwunden, noch kann sie durch die Inszenierung des
Krisenmanagements gelöst werden. Die Ursachen der Krise werden
nicht beseitigt, die Macht der Banken und Finanzunternehmen, die
gigantische Umverteilung des Reichtums werden nicht infrage gestellt.
Die Verluste werden durch massenhafte Entlassungen, verschärfte
Prekarisierung und einen massiven Sozialabbau auf die Gesellschaft
abgewälzt. Während die Armut seit Jahren ständig steigt,
explodieren in Zürich gleichzeitig die Mieten.
Wir demonstrieren am 20. März, um sichtbar zu machen:
Wir lassen uns nicht zu "Minderheiten" abstempeln. Wir wollen Bildung
für alle, ein Bleiberecht für alle. Wir wollen eine offene
und kritische Universität, Kinderkrippen für alle, wir wollen
günstige Wohnungen überall in der Stadt. Wir wollen ein
menschenwürdiges Leben für alle, wir wollen politische und
soziale Rechte für alle. Wir wollen Meinungsfreiheit, wir wollen
Lehrstellen für Jugendliche (auch Sans-Papiers!) und würdige
Arbeitsbedingungen für alle. Her mit dem schönen Leben!
Für die Demo-Organisation: Verein Bildung für
alle, Autonome Schule Zürich, Bleiberecht-Kollektiv Zürich
Demonstration gegen Repression und Ausgrenzung (bewilligt)
in Zürich: Besammlung beim Landesmuseum, Samstag, 20. März,
um 14 Uhr.
---
Indymedia 14.3.10
20.3.10 Demo: gemeinsam gegen Repression und Ausgrenzung
AutorIn : o
DEMO
Gemeinsam gegen die Repressions- und Ausgrenzungsmaschinerie!
Samstag 20. März
14:00 Landesmuseum
Zürich
Flyer: http://ch.indymedia.org/media/2010/03//74320.pdf
Plakat: http://ch.indymedia.org/media/2010/03//74321.pdf
Repression und Ausgrenzung gegenüber allem, was vom
neoliberalen Mainstream abweicht, wird in der Schweiz immer mehr die
Regel. Betroffen sind die unterschiedlichsten Bevölkerungsgruppen:
Migrant_innen, Arbeitslose, IV- und
Sozialhilfebezüger_innen, Hausbesetzer_innen, autonome
Bildungskreise und Selbstbestimmung fordernde Studierende.
Gesetzesverschärfungen gegen Flüchtlinge, Polizeigewalt, die
Räumung nicht kommerziell orientierter Freiräume,
Überwachung und Fichierungen bis hin zu DNA-Entnahmen dienen der
Ausgrenzung und Isolierung von Menschen, die Ungerechtigkeit erfahren
oder an reellen Alternativen arbeiten.
Wir laden alle herzlich ein, sich dem (bewilligten)
Demonstrationszug anzuschliessen.
Besammlung: 20. März, 14 Uhr, Landesmuseum.
Mit derartigen Isolationsstrategien wird die Solidarität
unter Anders- und Weiterdenkenden systematisch zu verhindern versucht.
Gleichzeitig wird durch deren Kriminalisierung von drängenden
Problemen abgelenkt. So werden die Ursachen der Wirtschaftskrise von
Politik und Medien unter den Tisch gekehrt. Tatsache ist: immer mehr
Menschen leben unter dem Existenzminimum, während 3 Prozent (!)
der Steuer- pflichtigen in der Schweiz über mehr als die
Hälfte des gesamten Vermögens verfügen. Jugendliche
finden keine Lehrstellen, universitäre Bildung wird von
Grosskonzernen geformt, in Zürich herrscht Wohnungs- not bei
gleichzeitig etlichen Luxusneubauten. Während Konzerne
globalisiert werden, werden auf der Bevölkerungsebene
Nationalismus und Rassismus geschürt.
Wir demonstrieren heute, weil wir uns nicht zu "Minderheiten"
abstempeln lassen. Wir repräsentieren unterschiedlichste Ideen,
Herkünfte und Ziele, aber wehren uns gemeinsam und verstärkt
gegen die Isolations- strategien, die wir erfahren. Wir lassen uns
nicht marginalisieren: wir befinden uns mitten in der Gesellschaft und
thematisieren aktuellste Probleme, die von der offiziellen Politik
verschwiegen werden. Wir leben Solidarität und beleben damit eine
neue, andere Welt, in der Menschen mehr zählen als Profit. Wir
wollen ein menschenwürdiges Leben für alle, ein Bleiberecht
für alle, Lehrstellen für Jugendliche (auch Sans-Papiers!)
und günstige Wohnungen überall in der Stadt sowie eine offene
und kritische Universität.
A l t e r n a t i v e L i s t e ( A L ) | A n a r c h i s t i s
c h e A k t i o n Z e n t r a l s c h w e i z ( A A Z ) | A n a r c h o
- G o t h i c s | A n t i k a p i t a l i s t i s c h e L i n k e - f
ü r S o z i a l i s m u s ( A L S ) |
A n t i k a p i t a l i s t i s c h e s K o l l e k t i v Z
ü r c h e r O b e r l a n d ( A K Z O ) | AT TA C Z ü r i c h
| a u g e n a u f Z ü r i c h | A u t o n o m e S c h u l e Z
ü r i c h ( A S Z ) | B e w e g u n g f ü r S o z i a l i s m
u s ( B F S ) | B i l d u n g f ü r A l l e ! ( B f A ) | B l e i
b e r e c h t f ü r A l l e ! | D a r f u r F r i e d e n s - u n
d E n t w i c k l u n g s - Z e n t r u m ( D F E Z ) | D e m o k r a t
i s c h e V e r e i n i g u n g d e r
F l ü c h t l i n g e ( D V F ) | G e w e r k s c h a f t s
b u n d d e s K a n t o n s Z ü r i c h ( G B K Z ) | G r ü n
e S t a d t Z ü r i c h | H u m a n i s t i s c h e P a r t e i (
H P ) | I G S o z i a l h i l f e | I n t e r n a t i o n a l F e d e r
a t i o n o f I r a q i R e f u g e e s ( I F I R ) | J u n g e G r
ü n e | J u n g s o z i a l i s t I n n e n ( J u s o ) | K a r a
k ö k A u t o n o m e t r / c h | P a r t e i d e r A r b e i t (
P d A ) | S y s t e m b r u c h | S o l i d a r i t é s a n s f
r o n t i è r e s ( S o s f ) | S o l i n e t z Z ü r i c h
| S u d a n L i b e r a t i o n M o v e m e n t ( S L M ) | T i e r r e
c h t s g r u p p e Z ü r i c h ( T R G Z H ) | U n i a , S e k t
i o n Z ü r i c h | U n s e r e U n i | V e r e i n i g u n g u n
a b h ä n g i g e r Ä r z t i n n e n u n d Ä r z t e (
V U A ) | W e l t o h n e K r i e g u n d G e w a l t ( W o K u G ) | Z
ü r c h e r O f f e n s i v e F r a u e n ( Z O f f ! )
Aufruf
Gemeinsam gegen die Repressions- und Ausgrenzungsmaschinerie
Demonstration // 20. März 2010 // 14h Landesmuseum Zürich
Repression und Ausgrenzung gegenüber allem, was vom
neoliberal-folkloristischen Mainstream abweicht und nicht systemkonform
ist, werden in der Schweiz immer mehr die Regel. Betroffen sind viele
Bevölkerungsgruppen: von Migrant_innen, Arbeitslosen, IV- und
Sozialhilfebezüger_innen bis hin zu Häuserbesetzer_innen,
autonomen Bildungskreisen und Selbstbestimmung fordernden Studierenden.
Freiräume für Andersdenkende werden auf Vorrat geschlossen.
Deutliche Beispiele für diese Repression sind die Brachlegung der
Besetzung Wehntalerstrasse und die Räumung der Autonomen Schule
Zürich mit kostenlosen Deutschkursen für MigrantInnen am 7.
Januar 2010, sowie die Schliessung des Pavillons von "unsereuni" vom
20. auf den 21. Januar - allesamt unangekündigt. Dabei nehmen die
Ausgrenzungsmechanismen zahlreiche Formen an. Immer öfter
dominieren sie lautstark die Medien, im Alltag dagegen agieren sie
unsichtbar, mittels gesetzlicher Verschärfungen und polizeilicher
Kontrolle: durch Rayonverbote, Räumungen, Videoüberwachungen,
Sozialinspektoren und Fichierungssysteme.
Repression, Isolation und Ausgrenzung sollen die
Solidarität zwischen den vereinzelten Gruppen systematisch
verhindern:
- Ob Flüchtlinge, Migrant_innen und diejenigen, die ihnen
beistehen, mit Gesetzesverschärfungen in die Illegalität
getrieben werden …
- Ob gegen IV- und Sozialhilfebezüger_innen gehetzt und
detektivisch gefahndet wird …
- Ob die alternativen Bildungsansätze von "unsereuni" oder
der Autonomen Schule Zürich durch Raumentzug verunmöglicht
werden sollen …
- Ob autonome, besetze Kultur- und Wohnräume auf Vorrat
geräumt werden …
- Ob ganze Wohnquartiere zu toten "Boomtowns" für Konzerne
oder zu Zweitwohnungszonen für Reiche umgewidmet werden …
… immer wird im Namen einer vermeintlichen Mehrheit
argumentiert, die ihren Wohlstand und ihr Ordnungssystem gegenüber
"den Anderen" zu schützen habe.
Damit lenken die herrschenden Kräfte von den
drängenden Problemen ab: Die Wirtschaftskrise ist weder
überwunden noch kann sie durch die Inszenierung des
Krisenmanagements gelöst werden. Die entscheidenden Ursachen der
Krise werden nicht beseitigt, die konzentrierte Macht der Banken und
Finanzunternehmen, die gigantische Umverteilung des Reichtums zu den
Konzernen und Vermögenden werden von den Regierungen nicht in
Frage gestellt. Die Verluste werden durch massenhafte Entlassungen,
verschärfte Prekarisierung und einen massiven Sozialabbau auf die
Gesellschaft abgewälzt, womit sich die Arbeits- und
Lebensbedingungen der Mehrheit der Bevölkerung erheblich
verschlechtern. Während die Armut seit Jahren ständig steigt,
explodieren in Zürich gleichzeitig die Mieten und immer mehr
Menschen werden aus der Stadt verdrängt. Wir demonstrieren am 20.
März um sichtbar zu machen: Wir lassen uns nicht zu "Minderheiten"
abstempeln. Wir tragen zum materiellen Reichtum der Gesellschaft bei,
ohne gross davon zu profitieren. Statt Repression und Marginalisierung
zu erdulden, zeigen wir, dass wir uns - als vermeintlich
Randständige - mitten in der Gesellschaft befinden. Alle, die sich
eine andere Stadt in einer anderen Welt wünschen, alle, die sich
dagegen wehren, dass Profite mehr zählen als Menschen, rufen wir
dazu auf, gemeinsam ihren Widerstand gegen jegliche Art von Repression
und Ausgrenzung in unserer Gesellschaft auf die Strasse zu tragen. Wir
wollen Bildung für alle, ein Bleiberecht für alle. Wir wollen
eine offene und kritische Universität, Kinderkrippen für
alle, wir wollen günstige Wohnungen überall in der Stadt. Wir
wollen ein menschenwürdiges Leben für alle, wir wollen
politische und soziale Rechte für alle. Wir wollen
Meinungsfreiheit, wir wollen Lehrstellen fürJugendliche (auch
Sans-Papiers!) und würdige Arbeitsbedingungen für alle.
Her mit dem schönen Leben!
Hintergründe
Alternative Bildungskultur und Wohnraum
Am 7. Januar 2010 wurde die Autonome Schule Zürich
völlig überraschend durch ein massives Polizeiaufgebot
geräumt. Damit wurde ein selbstverwaltetes Bildungsprojekt, das
wegen der Deutschkurse für Sans-Papiers und Asylsuchende vor allem
für Flüchtlinge essentiell war, stark beeinträchtigt.
Gleichentags wurden in der besetzten Siedlung an der Wehntalerstrasse
Strom und Wasser abgestellt. In der Nacht vom 20. auf den 21. Januar
wurde der selbstorganisierte Pavillon der Bewegung Unsere Uni von der
Universität unangekündigt gesperrt und von der Securitas
abgeschirmt. Der Pavillon war im Anschluss an die
Hörsaal-Besetzung vom vergangenen November zum wichtigen
Treffpunkt jener Menschen geworden, die sich gegen die neoliberale
Vermarktwirtschaftlichung des Bildungssystems wehren wollten. Die
Mächtigen der "Boomtown" Zürich, die durch ihre Politik der
"Aufwertung" und durch Immobilienspekulation eine fortschreitende
Gentrifizierung ("Seefeldisierung") Zürichs vorantreiben, sind
offensichtlich nicht begeistert über die Erschaffung von
autonomen, nicht kommerziell ausgerichteten Wohn- und Kulturräumen.
Flüchtlingsschicksale und Migration
Für Migrant_nnen und Flüchtlinge ist die Repression
besonders stark. Verfolgung, Verhaftungen und gewaltsame Ausschaffung
gehören zum Alltag. Tausende abgewiesene Asylsuchende werden durch
den Staat illegalisiert und unter das rigide Nothilfe-Regime gestellt.
Sie dürfen nicht arbeiten, wohnen zusammengepfercht in
Notunterkünften und leben mit 8.60 Franken pro Tag in Form von
Migros-Gutscheinen. Wenn sie auf der Strasse in eine polizeiliche
Kontrolle kommen, können sie bis achtzehn Monate ins
Gefängnis eingesperrt werden. Aber nicht nur abgewiesene
Asylsuchende leiden unter der Illegalisierungspolitik. In der Schweiz
leben gegen 300′000 Sans-Papiers - meist unter höchst
prekären Arbeitsbedingungen. Sie sind das "Bodenpersonal der
Globalisierung". Aber da sie keine ufenthaltsbewilligung haben,
können sie sich nicht wehren gegen Arbeitgeber, die ihre Notlage
ausnutzen. Auch sie können jederzeit festgenommen und ausgeschafft
werden. Diese Politik von Law and Order und die Praxis der sozialen
Ausgrenzung werden immer mehr auch im gesetzlichen Rahmen verankert.
Weitere Verschärfungen im Asyl- und Ausländerrecht sind
bereits geplant, und die Ausschaffungsinitiative der SVP steht an.
Arbeitslosigkeit, IV-, Sozialhilfe und Armut
Am Pranger der neoliberalen Politik stehen auch die angeblichen
Profiteure der Invalidenversicherung, der Arbeitslosenversicherung, der
"Sozialhilfe". Jugendliche müssen mit ansehen, dass ihre
Perspektiven immer mehr eingeschränkt werden. Lehrstellen fehlen,
Stipendien für das Studium werden gekürzt. Es sind wenige
Jobs und fast keine erschwinglichen Wohnungen vorhanden.
Sozialhilfebezüger_nnen werden jetzt von Detektiven beobachtet.
Personen mit einer Behinderung müssen damit rechnen, dass sie als
Betrüger und Delinquente abgestempelt werden. Erwerbslose haben
mit der neusten Revision der Arbeitslosenversicherung weitere
Kürzungen und Verschärfungen zu erwarten - und werden
weiterhin für ihre Arbeitslosigkeit schuldig gemacht. Viele werden
nie wieder vom regulären Arbeitsmarkt aufgenommen und stattdessen
in billige Beschäftigungsprogramme und prekäre Arbeiten
gesteckt. Unter Ausgrenzung und Abbau des Sozialstaats leiden viele
Menschen in der Schweiz. Nach Schätzungen der Caritas ist jede
zehnte Person von Armut betroffen - zwischen 700'00-900′000 Menschen.
Die Verarmung und Ausgrenzung betrifft besonders Migrant_nnen,
alleinerziehende Mütter, Frauen, Jugendliche und Kinder. Armut in
der reichen Schweiz! In einem Land, in dem knapp 3 Prozent der
Steuerpflichtigen über mehr als die Hälfte des gesamten
Vermögens verfügen. Mit einer Steuerpolitik, die auf ihre
Interessen ausgerichtet ist, sorgen sie für eine weitere
Umverteilung von unten nach oben.
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ISLAMOPHOBIE
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20 Minuten 18.3.10
Radikale Christen gegen Islamisierung
LANGENTHAL. Nachdem sich die militanten Muslime im
Islamischen Zentralrat formiert haben, organisieren sich nun auch die
militanten Islamgegner: Das auf freikirchlichen Kreisen basierende
Aktionskomitee Stopp Minarett Langenthal will seine Aktivitäten in
einem neu gegründeten Aktionskomitee "Gegen die strategische
Islamisierung der Schweiz" ausweiten. Ziel sei "die Stärkung der
christlichen Tradition und das Eindämmen christenfeindlicher
islamischer Expansion". Für gefährlich hält das Komitee
nicht nur den Islamischen Zentralrat Schweiz, sondern auch die
islamischen Dachorganisationen und das Forum für einen
fortschrittlichen Islam, da diese das Bild eines
"integrationsfähigen Islambildes" verbreiteten. Sektenexperte
Georg Schmid bezeichnet diesen "Radikalisierungskurs" als
problematisch: "Ich hoffe, dass keine Massenbewegung entsteht." dp
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LICHTSPIEL
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WoZ 18.3.10
Film
10 Jahre Lichtspiel
Wenn diesen Sonntag im Berner Kino Lichtspiel der Gong
ertönt und das Rattern des Filmprojektors startet, ist es ein
besonderer Moment: Zum 500. Mal präsentiert das Kino
Überraschungen aus dem eigenen Filmarchiv. Seit zehn Jahren ist im
Lichtspiel jeden Sonn tag - ohne Ausnahme! - Kurliges,
Überraschendes, Witziges und Unterhaltsames zu sehen, Dokumente,
die sonst nirgends präsentiert werden: alte Wochenschauen, Werbung
aus den fünfziger Jahren, alte Trickfilme und Musikclips. Eine
halbe Stunde dauert der erste Filmblock, dann gibts eine kurze Pause,
während deren die Filmrolle gewechselt wird und man Zeit hat, an
der Bar des Kinos seinen Durst zu löschen. Dann folgt nochmals
eine halbe Stunde historisches Filmmaterial.
Ins Lichtspiel zu gehen, lohnt sich aber nicht nur wegen
der Filmprojek tionen, das Lichtspiel ist auch ein kleines Museum: Da
hängen alte Filmplakate, und alte Projektoren stehen in Reih und
Glied. Gesammelt hat diese Geräte der 1998 verstorbene
Kinotechniker Walter A. Ritschard. Mit den rund 10 000 Objekten aus der
Kinogeschichte hat er die grösste private Sammlung Europas
zusammengetragen und wohnte selber mittendrin. Nach Ritschards Tod
übernahm David Landolf den Nachlass. Gemeinsam mit einem kleinen
Team kümmert er sich nicht nur um Ritschards Sammlung, sondern
baut auch eine eigene Kinemathek auf. Wer noch nie im Lichtspiel war,
muss unbedingt mal hin, wer schon war, geht immer wieder. süs
Ausstellung, kurze Filme und "Augentricke" mit Babu
Wälti in: Bern Lichtspiel, Fr, 19. März, 18 Uhr bis 2 Uhr.
500. Lichtspielprogramm, So, 21. März, 20 Uhr, Bar ab 19 Uhr.
"Frühlingslied" / "S'Vreneli vom Eggisberg", Mi, 24. März, 20
Uhr, Bar ab 19 Uhr. http://www.lichtspiel.ch
---
Bund 18.3.10
Lichtspiel In seinem 10. Jahr lädt das Kino zur 500.
Vorstellung
Wo das Kino noch Kintopp ist
Seit August 2000 zeigt das Kino Lichtspiel jeden
Sonntagabend Filme aus seinem Archiv - am Sonntag zum 500. Mal. Besuch
in einem Leuchtturm der Kinokultur.
Thomas Allenbach
"Wir sind nicht nur ein weiteres alternatives Kino. Wir
sind anders, wir haben den Charakter einer Institution." David Landolf
sitzt in seinem Büro an der Bahnstrasse 21 und blickt mit
berechtigtem Stolz auf die Geschichte des Lichtspiels zurück.
Tatsächlich ist dieses mehr als "nur" ein Kino: Es zählt wie
die Cinémathèque Suisse in Lausanne zum erlesenen Kreis
der Kinematheken und hat seit Kurzem auch den Status eines Museums.
Sechs bis acht Leute arbeiten regelmässig im Archiv, erfassen
technisches Material und Filme, die bis zurück in die 1920er-Jahre
reichen. Von den Werken Clemens Klopfensteins oder René Gardis
bis zu den Filmen des Verbandes der Schweizer Milchproduzenten, von
Firmenbeständen - zum Beispiel Wander - bis zu Homemovies aus
privaten Kellern und Dachstöcken reicht das Spektrum,
Wochenschauen, Trailer und Musikclips finden sich ebenso wie
Werbefilme, und auch die Schweizer Trickfilmgruppe hat ihre
Bestände hier deponiert.
Ein singulärer Betrieb ist das Lichtspiel nicht nur
in Bern, sondern schweizweit. Denn gesammelt werden nicht nur Filme,
präsent ist auch die Apparatewelt des Kinos. Nirgendwo sonst
verschränken sich Film- und Kinogeschichte, Ästhetik und
Technik derart eng wie auf den 1000 Quadratmetern in den Hallen
zwischen Güterbahnhof und Kehrichtverbrennungsanlage, die
früher der Chocolat Tobler als Rösterei dienten. Das zeigt
sich auch in den Räumlichkeiten: Das Kino mit seiner Bar ist Teil
des offen zugänglichen Archivs, der Weg zum Kinosessel führt
vorbei an Kinoprojektoren, Jukeboxes und durch liebevoll
präsentierte Kino-Erinnerungsstücke. Das Lichtspiel hat fast
schon den Charakter eines Erlebnisparks, hier lebt die Schausteller-
und Variété-Tradition des Kinos weiter, hier ist das Kino
mit andern Worten noch Kintopp. Die Objekte werden nicht nur
präsentiert, sondern auch genutzt, das Lichtspiel ist ein
veritabler Umschlagsort: Kameras, Projektoren und andere Apparate
werden repariert, Filme und Videos digitalisiert, und zudem wird auch
Film- und Kinowissen vermittelt. Alle Filmvorstellungen werden mit
Einführungen begleitet, zudem führt David Landolf Kurse
durch, bietet - zusammen mit dem Kino Kunstmuseum - ein Programm zur
Filmgeschichte an und bildet auch Operateure aus.
Das Erbe eines Kinofreaks
Am Anfang des Lichtspiels war das Aufräumen. Vor zehn
Jahren übernahm Landolf den Nachlass des 1998 verstorbenen Walter
A. Ritschard. Der Berner Kinounternehmer war seit 1939 mit seinem
Wanderkino durchs Land gezogen. Begonnen hatte er mit einem
Kofferprojektor, einigen wenigen Filmen und Handzetteln, mit denen er
Werbung für seine Vorführungen machte. Über all die
Jahre wurde Ritschard auch zum Sammler, er war zur Stelle, wenn Kinos
aufgegeben wurden. 1980 zog er an die Bahnstrasse, wo sein
Kinouniversum weiter anwuchs. Rund 10 000 Objekte fand Landolf vor, von
Filmrollen verschiedenster Provenienz über Werbematerial bis zu
Kinoprojektoren, Kinozubehör und so ziemlich allen erdenklichen
Ersatzteilen. "Das war ein Schatz, den es zu erhalten galt", sagt er.
In akribischer Kleinarbeit begann er zusammen mit den ersten
Mitgliedern des Vereins Lichtspiel mit der Sichtung, Erfassung und
Bewahrung der Schätze, und ab August 2000 auch mit der
Präsentation der Filme jeweils am Sonntagabend. "Wir zeigten, was
wir unter der Woche visioniert hatten." Aus den Ad-hoc-Anlässen
wurden thematisch strukturierte Abende, das Konzept aber blieb
dasselbe: Kurze Filme unterschiedlichster Formen und Formate werden
präsentiert, ein bunter Mix, der oft zeitgeschichtlich
geprägt ist und zugleich Zeitgeschichte reflektiert. Für die
500. Vorstellung haben Landolf und seine Mitstreiter ein
Best-of-Programm mit ihren Lieblingen aus allen Sparten
zusammengestellt.
Das Kinoprogramm des Lichtspiels ist kontinuierlich um
Zyklen, Reihen und Kollaborationen mit zugewandten Orten wie etwa dem
Sigmund-Freud-Zentrum erweitert worden. Längst ist das Lichtspiel
auch viel mehr als nur die Sammlung Ritschard. "Wir wuchsen organisch,
das konnte man nicht planen, dafür konnte man keinen Businessplan
entwickeln", sagt Landolf. Die Entwicklung in konkreten Zahlen ist
beeindruckend: 400 Filme hatte Ritschard gesammelt - heute verfügt
das Lichtspiel über nicht weniger als 14 000 Titel. "Jüngst
rief uns sogar jemand aus Paris an, der uns seine Filme überlassen
wollte", erzählt Landolf - das Lichtspiel ist zu einer Adresse mit
europäischer Ausstrahlung geworden. Aufbewahrt wird
grundsätzlich alles ausser grossen Kinospielfilmen, das Material
wird via Datenbank auch dem Netzwerk europäischer Museen und
Archive zugänglich gemacht. Getragen wird das Lichtspiel von einem
Verein mit rund 700 Mitgliedern, die mit ihren Beiträgen den
Betrieb (Budget: 230 000 Franken) mittragen. Zwei Drittel des Budgets
werden durch die Einnahmen aus den Filmvorführungen und die
Vermietung des Kinos für private Anlässe finanziert, dazu
kommen jährlich 30 000 Franken Subventionen von der Stadt.
Offene Zukunft
Ebendiese Stadt wird demnächst einen wichtigen
Entscheid für die Zukunft des Lichtspiels treffen. In zwei Jahren
soll die Kehrichtverbrennungsanlage geschlossen und das ganze Areal neu
gestaltet werden. "Die Stadt ist sehr verschwiegen, was die Planung
betrifft", sagt Landolf, "Konkreteres wird man erst erfahren, wenn der
Architekturwettbewerb ausgeschrieben wird". Für das Lichtspiel
gibt es drei Optionen: Es bleibt in den bestehenden Räumen, es
wird in einen Neubau integriert oder es muss sich nach einem neuen
Standort umschauen. Landolf hofft auf die ersten beiden Varianten, er
könnte sich aber notfalls auch einen Umzug vorstellen. "Wie auch
immer die Planung aussieht, die Zukunft der Institution Lichtspiel ist
nicht gefährdet, die Stadt hat unsern Leuchtturm-Charakter
erkannt." Zu den Objekten, die Landolf zügeln müsste,
gehört auch die Urne mit der Asche von Ritschard, sie steht in
Landolfs Büro. "Ich habe bisher noch keinen besseren Platz
für sie gefunden", sagt er entschuldigend. Einen bessern Platz?
Sie ist am richtigen Ort.
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Museumsnacht
Das Lichtspiel ist auch an der Museumsnacht präsent.
Zusammen mit dem Spielzeuglaboratorium von Babu Wälti werden
aussergewöhnliche Filminstallationen präsentiert, zudem gibt
es eine Ausstellung zur Kinogeschichte, flankiert von der
Lichtspielbar. Freitag, 19. März, 18 bis 2 Uhr. (all)
500. Vorstellung im Lichtspiel Sonntag, 21. März, 20
Uhr (Bar ab 19 Uhr).
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BIG BROTHER SPORT
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St. Galler Tagblatt 18.3.10
"Ich bin keine Hardlinerin"
Karin Keller-Sutter hat im nationalen Medienzirkus eine
klare Rolle: Seit längerem wird sie meistens zitiert, wenn es um
Gewalt an Sportveranstaltungen geht - und was dagegen zu tun sei.
"Diese Frau stoppt die Hooligans" prangte am vergangenen Wochenende auf
der Titelseite des "Sonntags-Blick". Garniert mit Fotos, auf denen
Vermummte Leuchtfackeln schwenken und Autos umkippen. Des Artikels
Essenz: Karin Keller-Sutter - von Freund und Feind kurz KKS genannt -
ist die neue "eiserne Lady", sie greift mit Schnellrichtern knallhart
gegen Randalierer durch.
Über Hooligans reden
"Ich bin kein harter Mensch", sagte Keller-Sutter gestern
in den Räumen der Industrie- und Handelskammer (IHK). Vielmehr sei
die Hardlinerin eine Rolle, die ihr zugeschrieben werde - "ich
führe nun mal das Sicherheits- und Justizdepartement". Das
Publikum sind an die fünfzig Geschäftsfrauen. Nicht unbedingt
Leute also, die regelmässig über Hooligans diskutieren. Aber
heute soll es für einmal auch nicht um das scheinbar ewig gleiche
Thema gehen, sondern um "Umgang mit Kritik und Eingriffen ins
Privatleben" - darüber spricht Karin Keller im Rahmen der Reihe
"Frauen im Gespräch".
Eben, hart sei sie nicht, sondern "ein Familienmensch",
der Sport und Natur als Ausgleich zum vollen Terminkalender brauche.
Obwohl sie täglich um fünf Uhr morgens aufstehe, um ihr
Pensum erfüllen zu können, sei Regierungsrätin noch
immer ein Traumjob, sagt die Wilerin. Doch dieser Traumjob, der oft im
Spannungsfeld Freiheit - Sicherheit wirkt, hat auch seine
Schattenseiten. Es gebe immer wieder anonyme Drohungen gegen ihre
Person, gerade auch von Seiten der Gewalttäter im Fussball und
Eishockey - und schon dreht sich das Gespräch doch wieder um das
grosse Thema.
Die Justizdirektorin wird deutlich: "Für mich sind
das feige und primitive Angriffe. Ich lasse mir weder mein Leben davon
bestimmen noch den Mund verbieten." Trotzdem musste Karin Keller-Sutter
"zeitweise" Personenschutz in Anspruch nehmen - laut einem Bericht in
der "Zürichsee-Zeitung" sogar erst kürzlich, als sie ein
Spiel der Rapperswil-Jona Lakers besuchte. Zu den "Shut Up"-T-Shirts
mit ihrem Bild, die einige Fans just an diesem Spiel trugen (Ausgabe
vom 13. März), wollte sich die Angefeindete gestern nicht
äussern.
An der Front
Einmal pro Jahr nimmt sich Karin Keller Zeit, um zu ihren
Leuten "an die Front" zu gehen. So war sie im vergangenen Jahr bei
einem Ordnungsdienst-Einsatz im Rapperswiler Eishockey-Stadion dabei.
"Direkt hinter der vordersten Linie habe ich das Geschehen mitverfolgt.
Die Polizisten wurden beschimpft, bespuckt, mit brennenden Zigaretten
beworfen", erzählt sie. Sowieso, die zunehmende "Qualität"
der Gewalt in der Gesellschaft sei bedenklich. Sie höre das auch
von erfahrenen Polizisten. "Letztlich ist Gewalt aber auch eine
gesellschaftliche Frage - der Staat allein kann sie nicht verhindern."
Urs-Peter Zwingli
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Aargauer Zeitung 18.3.10
Hooligans: Aargau greift durch
Regierungsrat Urs Hofmann strebt eine bessere Koordination
von Polizei und Justiz an
CVP-Präsident und Grossrat Franz Hollinger rennt mit
dem Vorstoss zum Thema Hooligans (am Dienstag im Grossen Rat) offene
Türen ein. Justizdirektor Urs Hofmann hat die Weichen bereits so
gestellt, dass randalierende Fussballfans künftig auch im Aargau
rasch und kompromisslos abgeurteilt werden können.
Toni Widmer
"Was in St. Gallen gemacht wird, das ist auch bei uns
möglich. Auch wir können und wollen gegen die
Fussball-Hooligans rasch und kompromisslos durchgreifen", sagt der
Aarauer Bezirksamtmann Dieter Gautschi. Nur zu gerne hätte er am
Samstag ein paar der Chaoten gepackt, die nach dem Spiel Aarau -
Zürich Polizisten mit Pflastersteinen bewarfen und an der Hinteren
Bahnhofstrasse zahlreiche Scheiben zertrümmerten.
"Die rechtlichen Voraussetzungen, solche Randalierer
abzuführen und sofort zu bestrafen, sind gegeben. Ich habe die
Kompetenz dazu und ich würde diese Kompetenz im entsprechenden
Fall auch wahrnehmen. Gegen solche Leute ist hartes Durchgreifen
angesagt", bekräftigt Gautschi.
Eskalation vermeiden
Warum hat er es denn am vergangenen Samstag nicht gemacht?
"Ich hatte Pikettdienst, wäre also sofort verfügbar gewesen.
Doch ich habe weder im Voraus gewusst, dass beim Zürcher Spiel
allenfalls mit Ausschreitungen zu rechnen ist, noch bin ich am Samstag
direkt über die Vorfälle informiert worden", sagt Gautschi.
Der Bezirksamtmann will das allerdings nicht als Vorwurf
an die Polizei verstanden wissen: "Ich bin nicht über die
Strategie der Einsatzkräfte informiert. Es ist durchaus
möglich, dass die Polizei bewusst darauf verzichtet hat, einzelne
Randalierer festzunehmen und vom Bezirksamt in Haft setzen zu lassen",
erklärt Gautschi. Eine solche Strategie werde jeweils gefahren,
wenn durch Festnahmen vor Ort die Gefahr der Eskalation drohe.
Über die Strategie der Polizei will sich jetzt aber
Regierungsrat Urs Hofmann genauer ins Bild setzen. Wie Bezirksamtmann
Dieter Gautschi ist auch er der Überzeugung, dass gegen Hooligans
sofort und hart durchzugreifen ist: "Ich kann Dieter Gautschis Haltung
in jeder Beziehung unterstützen. Wir haben die gesetzlichen
Möglichkeiten dazu, also nehmen wir sie auch wahr."
Polizeiminister will koordinieren
Allerdings, sagt der Polizeiminister, brauche es vorab
noch eine bessere Koordination zwischen den zuständigen Instanzen:
"Ich habe das noch am Sonntag in die Wege geleitet und vom
Polizeikommandanten entsprechende Auskünfte über den Ablauf
der Randale vom Samstag verlangt", erklärt Urs Hofmann. Er sei
überzeugt, dass die Polizei für ihre Einsatztaktik der
blossen Beobachtung, Identifizierung und Verzeigung von Hooligans ihre
Gründe gehabt habe. Schliesslich gelte es bei so heiklen
Einsätzen vor allem auch, allfällige Eskalationen zu
vermeiden.
Das Geschehen nach dem Spiel Aarau - Zürich - das der
Regierungsrat übrigens im Brügglifeld ebenso privat verfolgte
wie Bezirksamtmann-Stellvertreter Hans Frey - will Hofmann jetzt
zusammen mit den Verantwortlichen analysieren und wenn nötig die
entsprechenden Lehren daraus ziehen: "Franz Hollinger rennt mit seinem
Vorstoss offene Türen ein. Was er verlangt, das ist von uns
bereits seit einiger Zeit in die Wege geleitet", sagt der
Polizeiminister.
Ziel von Urs Hofmann und Dieter Gautschi ist es laut
übereinstimmendem Bekunden nicht, Chaoten so rasch einen
Strafbefehl in die Hand zu drücken, dass sie Aarau noch mit dem
Fanbus verlassen und sich dort mit dem Papier brüsten können:
"Hart vorgehen bedeutet für mich, dass solche Leute eine oder zwei
Nächte in der Zelle verbringen. Wer in Aarau randaliert, soll die
Härte des Gesetzes zu spüren bekommen", sagt Gautschi.
--
Alter Hut, ganz aktuell
"Die alte Fasnacht ist vorbei", titelt die SVP eine
Mitteilung zum Vorstoss des CVP-Präsidenten, der ein
Schnellverfahren zur Bestrafung von Hooligans verlangt. Die SVP hatte
das nämlich schon vor fünf Jahren verlangt. Schon damals
wurde ihr beschieden, dass ihr Vorstoss offene Türen einrenne,
weil das aargauische Strafprozessrecht bereits ein Schnellverfahren
kenne. Der Vorstoss wurde vom Parlament auch gleich als erledigt
abgeschrieben. Mit dem Hinweis, dass verhaftete Täter durch den
Bezirksamtmann sofort abgeurteilt und kurze Freiheitsstrafen umgehend
vollstreckt werden können. Wenn nun nach fünf Jahren von
einem Koordinationsbedarf zwischen den Instanzen die Rede ist,
lässt das die SVP mit leichter Ungeduld verlangen, nun auch
tatsächlich nach den vorhandenen gesetzlichen Voraussetzungen zu
handeln. (mou)
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ANTI-ATOM
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20 Minuten 18.3.10
Stadt soll gegen AKW kämpfen
BERN. Die Berner müssen vor dem "altersschwachen
Schrottreaktor" Mühleberg geschützt werden, fordert
Stadträtin Natalie Imboden (Grünes Bündnis) in einem
Vorstoss. Die Stadt Bern soll deshalb dem Komitee "Mühleberg
Ver-fahren" beitreten, das mit einer Beschwerde am
Bundesverwaltungsgericht gegen die unbefristete Betriebsbewilligung des
Atomkraftwerks kämpft. Das AKW Mühleberg sei zu alt und nicht
erdbebensicher, lautet die Argumentation der Atomkraftwerk-Gegner.
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gbbern.ch 11.3.10
Was tut die Stadt Bern, um die Bevölkerung vor dem
altersschwachen Schrottreaktor Mühleberg zu schützen?
Postulat: Fraktion GB/JA! (Natalie Imboden, GB)
Kurz vor Weihnachten 2009 fiel der Entscheid des Departements
für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) für
eine unbefristete Bewilligung für das AKW Mühleberg. Das
Atomkraftwerk Mühleberg ist seit 1971 in Betrieb und mit seinen
bald 40 Jahren das zweitälteste Atomkraftwerk der Schweiz. Die
Anlage hatte bisher wegen gravierender konstruktiver Mängel und
technischer Schäden nie eine unbefristete Betriebsbewilligung
erhalten. Insbesondere problematisch sind die Risse im Kernmantel, die
bereits in den 90er Jahren festgestellt wurden und bis heute nicht
behoben sind, und deren Ursache nicht geklärt werden konnte. Hinzu
kommt, dass die Sicherheit der Anlage z.B. bei Erdbeben mangelhaft und
die nötige Reaktorsicherheit nicht gewährleistet sind. Die
Stadt Bern ist aufgrund ihrer unmittelbaren Nähe zum Atomkraftwerk
Mühleberg in besonderem Masse von einer Betriebsverlängerung
betroffen. Ein Leck oder ein Unglück würde die
Bevölkerung der Stadt unmittelbar gefährden.
Ein Komitee von atomkritischen Gruppierungen hat am 2.2.2010
kommuniziert, dass sie das Urteil des UVEK vor das
Bundesverwaltungsgericht ziehen werden (u.a. Fokus Anti-Atom,
ContrAtom, Schweizerische Energiestiftung, Greenpeace Suisse, etc.). Um
die Beschwerde ideell und finanziell zu unterstützen, haben die
Atomkraftkritiker unter dem Namen "Mühleberg Ver-fahren" ein
Komitee gegründet.
Die Stadt Genf hat beschlossen, dass Genf bzw. das
zuständige "Département fédéral des
transports, de l'énergie et de la communication (DETEC)" diesem
Solidaritätskomitee beitritt und auch eine finanzielle
Unterstützung von Fr. 25'000 gewährt. Erstaunlicherweise hat
die Stadt Bern den Weiterzug der Beschwerde nicht unterstützt,
obwohl sie sich vorher mehrmals gegen eine unbefristete
Betriebsbewilligung für das Atomkraftwerk Mühleberg
ausgesprochen hatte und selber eine Einsprache machte (Medienmitteilung
vom 9.7.2008). Dabei berief sich der Gemeinderat auf die
Gemeindeordnung, welche die Stadt Bern verpflichtet, sich dafür
einzusetzen, dass umweltgefährdende Energieträger wie die
Atomenergie durch andere Energieformen ersetzt werden. Der Gemeinderat
wollte sich auf den politischen statt auf den juristischen Weg zum
Ausstieg aus der Atomenergie konzentrieren. Es wäre sinnvoll, wenn
die Stadt Bern als direkt betroffene Stadt in der Nähe des AKW
Mühleberg wie die Stadt Genf dem Solidaritätskomitee
"Mühleberg Ver-fahren" beitreten würde.
Der Gemeinderat wird gebeten, folgende Punkte zu prüfen:
1. Klärung der Haltung des Berner Gemeinderats betreffend
unbefristete Betriebsverlängerung des AKW Mühleberg und des
geplanten Neubaus eines AKW Mühleberg 2.0 unter
Gewährleistung der Sicherheit der Berner Bevölkerung
2. Beitritt der Stadt Bern zum Solidaritätskomitee
"Mühleberg Ver-fahren"
3. Aufzeigen des "politischen Weges", welcher die Stadt Bern
anstelle des juristischen Wegs wählen will
4. Aufzeigen, wie die Bevölkerung vor dem altersschwachen
Schrottreaktor Mühleberg geschützt wird.
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Aargauer Zeitung 18.3.10
Es soll nicht dampfen und lärmen
Geplantes Ersatzkernkraftwerk Beznau verfügt
über 1450 Megawatt Leistung und Hybridkühlturm
Wichtiger Schritt bei einem bedeutenden Vorhaben: Für
das mögliche neue Atomkraftwerk im Gebiet Beznau werden
Rahmenbedingungen definiert.
Michael Hunziker
Das kantonale Richtplanverfahren ist in die Wege geleitet,
die Grundlagen für die Planung des Ersatzkernkraftwerks auf der
Insel Beznau werden erarbeitet, die Bevölkerung hat Gelegenheit,
Stellung zu beziehen. Wie aber soll das neue Atomkraftwerk aussehen?
Fluss wird geschont
Stephan W. Döhler, Leiter Kernenergie beim
Stromkonzern Axpo, lieferte an der Informationsveranstaltung am
Dienstagabend in Döttingen die technischen Eckdaten. Geplant ist
ein Kraftwerk mit rund 1450 Megawatt Leistung. Noch nicht bestimmt ist
laut Döhler der Reaktortyp. Es würden verschiedene Systeme
untersucht.
Fest stehe, dass als Hauptkühlsystem ein
Hybridkühlturm eingesetzt werde. In diesem sind die Vorteile von
Nass- und Trocken-Kühltürmen vereint. Die
Kondensationswärme wird über einen Kreislauf durch den
Kühlturm an die Umgebung abgegeben. Durch die Trockenkühlung
mithilfe riesiger Ventilatoren werden die austretenden Schwaden stark
minimiert.
Als weiteren Vorteil bezeichnete Döhler die geringe
Höhe von rund 60 Metern. Es entstünden kaum Lärm und der
Fluss werde geschont, das Wasser kaum erwärmt. Allerdings: "Der
Betrieb der Ventilatoren benötigt Strom", machte Döhler klar.
"Die Nettoleistung des Reaktors wird daher etwas reduziert."
Für den Bau des Ersatzkernkraftwerks werde eine
Fläche von rund 46 Hektaren beansprucht, hielt Döhler fest.
Es werde zu temporären Rodungen kommen, nicht aber zu einem
Kahlschlag. "Es gibt intelligente Möglichkeiten."
Die Axpo setzt gemäss Döhler weiterhin auf
Kernenergie, weil diese zur Gewährleistung der
Versorgungssicherheit gebraucht werde und weil nahezu CO-frei Strom
erzeugt werden könne und sich die Technologie bewährt habe.
Ebenfalls bewährt habe sich der Standort im Gebiet Beznau.
Weniger Steuererträge
Die unmittelbaren Auswirkungen eines Ersatzkernkraftwerks
auf die Bevölkerungs- und Wirtschaftsentwicklung im Kanton Aargau
und im unteren Aaretal sind vom Büro BHP Hanser und Partner AG,
Zürich, untersucht worden. Als Vertreter ging Jürg Kuster auf
drei Bereiche ein: Aufträge an Lieferanten, Arbeitsplätze
sowie Steuererträge. Das Ergebnis: Der jährliche Umsatz werde
steigen, weil das neue Kraftwerk grösser sei als die heutige
Anlage und weil mehr Strom produziert werde. Abnehmen werde die Anzahl
der Arbeitsplätze, weil nur noch ein Reaktor vorgesehen sei. Und
auch die Gewinnsteuererträge fallen laut Kuster wegen der neuen
rechtlichen Konstellation weniger hoch aus als mit Beznau I und II.
Es sei eine Aufbruchstimmung zu spüren, meinte
Manfred Thumann, CEO der Axpo AG. Er sprach von einem wichtigen und
spannenden Vorhaben, das aber sicher nicht überall nur
Begeisterung auslösen werde.
In der Diskussionsrunde, durch die Marco Canonica
führte, standen die Referenten kompetent Red und Antwort. Zur
Sprache kamen unter anderem die Abgeltungen und Steuererträge, der
Hybridkühlturm, der Rückbau, die Linienführung der
Hochspannungsleitungen, die Flugroute, die Rodung und
Ersatzaufforstungen sowie der Verkehr während der Bauphase.
--
Update
2008 sind beim Bundesamt für Energie drei
Rahmenbewilligungsgesuche für neue Atomkraftwerke eingereicht
worden. Zu diesen Gesuchen können die Kantone Anfang 2011 Stellung
nehmen. Der Aargauer Regierungsrat hat beschlossen, schon vorher das
kantonale Richtplanverfahren in die Wege zu leiten. Der Entwurf
für die Richtplananpassung liegt in Döttingen,
Böttstein, Klingnau, Villigen und Würenlingen bis zum 14.Juni
auf oder kann auf der Homepage des Kantons unter
www.ag.ch/raumentwicklung eingesehen werden. (az)
--
Planungsgrundsätze
- Minimierung der umweltrelevanten Auswirkungen.
- Allfällige Abgeltungen der Standortvorteile sind
regional zugunsten der Gemeinden auszurichten.
- Ein Ersatzkernkraftwerk muss für die langfristig
sichere Versorgung der Schweiz mit preiswertem Strom bedeutend sein. In
der Rahmenbewilligung soll dies als verpflichtende Bedingung
aufgenommen werden.
Folgende drei Planungsgrundsätze hat der Kanton
für den Standort im nördlichen Teil der Insel Beznau
formuliert:
Anforderungen
1.Bestmögliche Einpassung in die Aarelandschaft
2.Anforderungen an das Kühlsystem: keine
störende Dampffahne, direkte Flusswasserkühlung ausge-
schlossen
3.Maximale Höhe von Bauten und Kühlsystem von
rund 60Metern
4.Begrenzung neuer Einbauten ins Grundwasser auf
betriebsnotwendiges Mass
5.Minimierung und Konzentration der temporären
Rodungsflächen
6.Verpflichtung zum Rückbau der bestehenden Werke
nach Stilllegung
7.Falls neue Freileitungen notwendig sind: Optimierung der
bestehenden Netzinfrastruktur, insbesondere bezüglich Integration
in die Landschaft und Einfluss auf die Siedlungsentwicklung
8.Nutzung der Abwärme, Versorgung des
Refuna-Fernwärmenetzes im erforderlichen Umfang sicherstellen
9.Verzicht auf Flugroute über die bestehenden
Kraftwerke Beznau I und II bis zu deren Entlassung aus nuklearer
Überwachung
Folgende Anforderungen und Massnahmen sind aus Sicht des
Kantons beim möglichen Ersatzkernkraftwerk Beznau zu
berücksichtigen:
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Südostschweiz 18.3.10
Rätia Energie wäre bei AKW-Bau dabei
Werden in der Schweiz neue Atomkraftwerke gebaut, wird
sich die Rätia Energie an Investitionen und Betrieb beteiligen.
Von David Sieber
Chur. - Die Rätia Energie (RE), Graubündens
heimlicher Stromriese, hat bei den beiden Konsortien, die derzeit
insgesamt drei AKW-Projekte in der Schweiz verfolgen,
Interessenbekundungen abgegeben. Dies erklärte RE-CEO Kurt Bobst
gestern auf Anfrage.
"Kleine Beteiligung"
Konkret heisst dies: Wird in Mühleberg, Beznau oder
Gösgen ein neuer Atommeiler gebaut, will die RE nicht nur
mitinvestieren, sondern auch den Betrieb mitfinanzieren. Es werde sich
aber um eine "kleine Beteiligung" handeln, sagte Bobst. Dennoch
dürfte die Summe beträchtlich sein, gehen die Kosten für
ein neues AKW doch in die Milliarden.
Die RE hat im vergangenen Jahr trotz praktisch
unverändertem Umsatz (1,95 Milliarden Franken) mit 111,5 Millionen
Franken einen Rekordgewinn erwirtschaftet.
Bericht und Interview Seite 3
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Atomkraft wird für Rätia Energie ein Thema
Sollten in der Schweiz dereinst neue Atomkraftwerke gebaut
werden, möchte auch die Rätia Energie dabei sein. Das
Unternehmen habe sein Interesse bei den entsprechenden Stellen
angemeldet, so CEO Kurt Bobst.
Mit Kurt Bobst sprach Peter Simmen
Herr Bobst, Sie haben an der Bilanzpressekonferenz von
möglichen Beteiligungen an Atomkraftwerken gesprochen. Wie konkret
sind die Pläne?
Kurt Bobst: Wir wollen sicher nicht eigene Projekte
entwickeln, und wir sind bei den laufenden Diskussionen um neue
Projekte in der Schweiz nicht an vorderster Front dabei. Wir haben aber
bei den verschiedenen Konsortien unser Interesse angemeldet, falls die
Projekte weitergehen sollten. In diesem Fall würden wir über
eine Beteiligung nachdenken. Noch ist das für uns in weiter Ferne.
Gilt das Interesse nur Schweizer Projekten oder auch
solchen im Ausland?
Es gilt Schweizer Projekten.
Hat die Rätia Energie auch Pläne für neue
Wasserkraftprojekte?
In der Schweiz sind grössere Projekte kaum mehr
möglich. Wir schliessen aber Projekte in Italien oder in anderen
Märkten nicht aus.
Das operative Ergebnis (Ebit) des Unternehmens ist 2009
deutlich tiefer ausgefallen als 2008, der Gewinn ist dennoch viel
höher. Wie geht das?
Das tiefere Ebit ist eine Folge der tieferen Energiepreise
im vergangenen Jahr. Dennoch konnten wir das zweitbeste Ergebnis der
Geschichte erwirtschaften. Das Vorjahresergebnis war stark geprägt
von hohen Finanzkosten - also von Währungseinflüssen und
Kursverlusten. Diese fielen 2009 wieder weg.
Sie sprachen von einem schwierigen Umfeld. Was ist
darunter zu verstehen?
Es gibt da zwei Aspekte: Erstens hat sich der Energiemarkt
vor dem Hintergrund der Wirtschaftskrise verschlechtert, das hat sich
auf die Preise ausgewirkt. Der zweite Punkt betrifft die
Veränderung bei den Regulierungen zur Marktliberalisierung
innerhalb der Schweiz.
Bei der Produktion gabs eine Einbusse, beim Handel eine
starke Steigerung. Wird die Rätia Energie von der Produzentin zur
Händlerin?
Die Gefahr besteht nicht. Wir unternehmen sehr grosse
Anstrengungen auf der Produktionsseite und wir treiben diverse
Kraftwerkprojekte im In- und Ausland intensiv voran. Die angesprochene
Produktionseinbusse zeigt exemplarisch, dass das Unternehmen in den
verschiedenen Kraftwerktechnologien - Grundlast, Mittellast und
Spitzenlast - vertreten sein sollte.
"Grund waren die hohen Gaspreise"
Was ist der Grund für die Einbusse?
Der Grund liegt darin, dass wir das Gaskraftwerk Teverola
(Italien) infolge der hohen Gaspreise vor allem im Regel-Energiemarkt
eingesetzt haben und nicht in der Grund- und Mittellastproduktion.
War die Produktion einfach zu teuer?
Die Preise in einem Gaskraftwerk sind abhängig von
zwei Faktoren: einerseits vom Gasmarkt und andererseits von den
CO2-Preisen. Aufgrund der hohen Gaspreise konnten wir im letzten Jahr
nur zu gewissen Zeiten profitabel Strom produzieren, diese Zeiten haben
wir ausgenutzt.
Was bedeutet das für die anderen thermischen
Kraftwerkprojekte in Deutschland und Italien?
Die angesprochenen Probleme tauchen periodisch auf, es
kommt immer wieder vor, dass ein Kraftwerk für einige Monate
anders eingesetzt werden muss als geplant. Klar ist aber auch, dass wir
die Grund- und Mittellastproduktion brauchen.
Rumänien wurde als neuer Schlüsselmarkt genannt.
Weshalb gerade Rumänien?
Rumänien hat erstens einen liberalisierten Markt.
Zweitens erwarten wir in Rumänien ein starkes Wachstum.
Rumänien hat fast dreimal mehr Einwohner als die Schweiz, aber
einen etwa gleich hohen Energieverbrauch. Daran sieht man, welches
Wachstumspotenzial vorhanden ist. Und drittens kann Rumänien
aufgrund der geografischen Lage zu einer wichtigen Energiedrehscheibe
zwischen Norden und Süden werden, so wie die Schweiz eine ist.
Abgesehen davon hat Rumänien Wasserkraft sowie Gasvorkommen.