MEDIENSPIEGEL 18.3.10
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)

Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Kulturtipps (DS, Tojo)
- Wegweisungen BE: 438 im Jahr 2009
- Centralweg: Schützengraben Ahoi.
- Grosse Schanze: Event Stadtstrand
- RaBe-Info 17.3.10
- Zwischengeschlecht: Interpellation Genitaloperationen
- Sexwork FR: Doch Meldepflicht
- Ernährungssouveränität: Rüebli-Abos
- Ausschaffungs-Tod in Zürich
- Ausschaffungs-Initiative: Rassistische Konstruktionen
- PNOS: Indiziert-Sänger will in Grossen Rat
- Genf ganz Rechts: Mouvement Citoyens Genevois
- Kalkbreite ZH geräumt
- Antirep-Demo ZH: Her mit dem schönen Leben!
- Christen-Sekte gegen "Islamisierung"
- 10 Jahre Kino Lichtspiel
- 3. Halbzeit: Karin K.-S.; Hooligans AG
- Anti-Atom: Mühleberg Ver-Fahren; Beznau; Rätia Energie

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REITSCHULE
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Do 18.03.10
19.30 Uhr - Grosse Halle - Blinde Insel Küche: Bio Hof Heimenhaus, Text: Johanna Lier "Lagos"
20.30 Uhr - Kino - Dok am Donnerstag: Space Tourists, Christian Frei, CH 2009
22.00 Uhr - Rössli-Bar - Heu, Stroh und Hafer. Sonax 400 (live) (midilux, festmacher / be); Sarna (nice try records / zh) Racker (midilux, festmacher / be). Style: Minimal / Techno / House

Fr 19.03.10
19.00 Uhr - Tojo - "do you get me?" ein Popmusical des Singtheaters Musikschule Konservatorium Bern. Regie: Katharina Vischer
19.30 Uhr - Grosse Halle - Blinde Insel Küche: Bio Hof Heimenhaus, Text: Johanna Lier "Lagos"
21.00 Uhr - Kino - Migration - Leben in der Fremde: Yasmin, Kenny Gleenan, D/GB 2004
23.00 Uhr - Dachstock - Waxolutionists (Sunshine Enterprises/Supercity/A) live! & TBA!!! Style: Hiphop, Electronica

Sa 20.03.10
19.30 Uhr - Grosse Halle - Blinde Insel Küche: Bio Hof Heimenhaus, Text: Johanna Lier "Lagos"
19.00 Uhr - Tojo - "do you get me?" ein Popmusical des Singtheaters Musikschule Konservatorium Bern. Regie: Katharina Vischer
21.00 Uhr - Kino - Migration - Leben in der Fremde: Einspruch I-V, Rolando Coppola, CH 1999-2007. Nem-Nee - Asylrecht, Charles Heller, Schweiz 2005
22.00 Uhr - Dachstock - Wild Wild East: RotFront (Essay Recs/D) & Gypsy Sound System (CH). Style: Emigrantski Raggamuffin, Gypsy Disco
23.00 Uhr - Frauenraum - Anklang - Streifzüge: Berybeat (Bärn), Auf Dauerwelle (Züri), Miss Melera (Holland). Für lesbisch-schwules & sonstig-tolerantes Volk

So 21.03.10
15.00 Uhr - Tojo - "do you get me?" ein Popmusical des Singtheaters Musikschule Konservatorium Bern. Regie: Katharina Vischer

Infos: http://www.reitschule.ch

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Bund 18.3.10

Waxolutionists

 Schlurfiger Hip-Hop

 Dass die Wiener einen Hang zur Schlurfigkeit besitzen, ist bekannt. Die Gruppe Waxolutionists bringt diese Schlurfigkeit seit mehr als zehn Jahren in den Hip-Hop ein und hat ihr Wirkungsgebiet mittlerweile bis nach Übersee ausgedehnt. Die Beats des Trios hinken der Eins immer ein bisschen hinterher, und die analogen Synthesizer blubbern elastisch zwischen entspanntem Sprechgesang. (ane)

 Dachstock Reitschule Freitag, 19. März, 22 Uhr.

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Bund 18.3.10

"Poland Polas".

 Man liest den Text ab und schüttet seine Leidenschaft ins Mikrofon: Das ist Karaoke. Die Basler Regisseurin Sarah-Maria Bürgin hat während eines Polen-Aufenthalts Interviews geführt und giesst diese nun mit ihrer Formation poe:son in das Stück "Poland Polas", in dem das Dokumentarische mit der Sehnsucht des Karaoke versüsst wird. (reg)

 Tojo-Theater Reitschule Mittwoch, 24. März, 20.30 Uhr. Weitere Vorstellungen: Freitag, 26., und Samstag, 27. März.

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WEGWEISUNGEN BE
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Bund 18.3.10

In Bern werden wieder mehr Leute weggewiesen

 Letztes Jahr hat die Polizei in der Stadt Bern 438 Wegweisungen verfügt. Dies sind 59 mehr als im Vorjahr.

 Bernhard Ott

 Erstmals seit drei Jahren ist die Zahl der Wegweisungen in der Stadt Bern im letzten Jahr wieder gestiegen: Nach Angaben der Direktion für Sicherheit, Umwelt und Energie (SUE) hat die Polizei in 438 Fällen Personen von öffentlichen Orten weggewiesen. Im Jahr 2008 waren es 379 Wegweisungsverfügungen. Laut kantonalem Polizeigesetz kann die Polizei Personen vorübergehend von einem Ort wegweisen, wenn der "begründete Verdacht" besteht, dass sie die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährden oder stören. Seit einem Bundesgerichtsurteil im Jahr 2006 ist diese Praxis rechtlich etabliert. Politisch ist sie in der Stadt Bern aber nach wie vor ein heikles Thema.

 Kantonspolizei äussert sich nicht

 Gemeinderat Reto Nause (cvp) will die Zunahme nicht überbewerten. Wegen des Umbaus des Bahnhofplatzes und der Euro sei 2008 ein besonderes Jahr gewesen. Die Bauarbeiten beim Bahnhof und die erhöhte Polizeipräsenz rund um das Fussballfest hätten die Wegweisungszahlen übermässig sinken lassen. "2009 sind wir zahlenmässig wieder im Bereich der vorhergehenden Jahre", sagt Nause. Ob die Polizei mehr Drogendealer oder mehr Randständige weggewiesen hat, kann der Sicherheitsdirektor nicht sagen und verweist diesbezüglich auf die Kantonspolizei. Diese will auf Anfrage jedoch nicht Stellung nehmen. Sprecherin Ursula Stauffer Hodel verweist auf die Zahlen der nationalen Kriminalstatistik, die Anfang nächster Woche veröffentlicht werden. Die Kantonspolizei werde sich erst dann zu statistischen Fragen äussern, sagt Stauffer Hodel.

 Brennpunkt Heiliggeistkirche

 Sicherheitsdirektor Nause weist aber auf einen weiteren Grund für die Zunahme der Wegweisungen im letzten Jahr hin. "Im Bereich Heiliggeistkirche hat der Gemeinderat Ansammlungen von 30 bis 40 Personen nicht tolerieren wollen." Die Stadtregierung habe die Polizei daher wiederholt angewiesen, an diesem Ort Präsenz zu markieren. Die gezielten Kontrollen hätten die Zahl der Wegweisungen in die Höhe schnellen lassen, sagt Nause.

 Für den Gemeinderat ist die Wirksamkeit der Wegweisungspraxis nach elfjähriger Anwendung in der Stadt Bern erwiesen. "Dank den Wegweisungen konnte die Situation in und um den Bahnhof entschärft werden." Die Wegweisungspraxis sei heute ein anerkanntes Instrument in der Polizeiarbeit, sagt Nause.

 Stadtrat Hasim Sancar (gb) ist da anderer Meinung. Das Grüne Bündnis (GB) steht der Wegweisungspraxis seit jeher skeptisch gegenüber. "Auch die 379 Wegweisungen im Jahr 2008 sind zu viel." Die Leute vor der Heiliggeistkirche seien schliesslich ja keine Kriminelle. Und für Drogendealer gebe es die Bestimmungen des Strafrechts. Der Ärger Sancars gilt auch der Informationspolitik von Kantonspolizei und Gemeinderat. "Die Kantonspolizei sagt nichts und der Gemeinderat weiss nichts - das sind nun die Folgen der Kantonalisierung der Polizei", sagt Sancar.

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PLATZ-FRAGE(N)
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Bund 18.3.10

Centralweg Lorraine: "Auto, Velo oder Natur"

 Nach der Räumung des Geländes am Centralweg durch die Stadttauben wird intensiv über die künftige Nutzung verhandelt.

 Bernhard Ott

 Wo bis letzten Samstag noch die Wohnwagen der Stadttauben standen, ist heute eine Baustelle. Das Gelände am Centralweg in der Lorraine wurde mit schweren Maschinen umgegraben. Es ist wieder eingezäunt. "Wir wollen eine erneute Besetzung des Grundstücks verhindern", sagt der städtische Liegenschaftsverwalter Fernand Raval. Es sei nach wie vor das Ziel der Stadt, 2011 mit den Arbeiten für den Bau eines Gebäudes mit 15 Wohnungen zu beginnen. Die Übergangsnutzung sei Gegenstand von Gesprächen, welche die Stadt mit der Quartierkommission Dialog Nordquartier und mit dem Lorraine-Breitenrain-Leist führe. Gemeinderätin Barbara Hayoz (fdp) sprach jüngst von der Errichtung eines Spielplatzes oder einer Brätlistelle. Gerüchteweise verlautete, die Stadt wolle das Grundstück mit einem Weidenwald bepflanzen. Raval will diese Aussagen nicht eingehender kommentieren. "Der Weidenwald ist nach wie vor eine Option." Auch eine öffentliche Nutzung des Terrains sei nach wie vor möglich, sagt Raval.

 Öffentliche oder private Nutzung?

 Erste Verhandlungen in Sachen Centralweg sind bereits gestern Abend geführt worden. "Man hat eine Auslegeordnung gemacht", sagt Yves Robert, der als Vertreter der Quartierkommission Dialog Nordquartier an der Sitzung zugegen war. Der Dialog als offizielle Quartiervertretung habe aber nicht die Aufgabe, Nutzungsideen zu entwickeln. "Der Dialog ist an einer Lösung interessiert, die von einer Mehrheit der Lorraine-Bewohner befürwortet wird", sagt Robert.

 Die Vorstellungen in der Lorraine sind allerdings unterschiedlich. Edwin Stämpfli vom Lorraine-Breitenrain-Leist möchte das Grundstück wieder an die vorherige Nutzerin, die Garage Alcadis, vermieten, damit diese eine Ausstellungsfläche für Autos einrichten kann ("Bund" vom 11. März). Der Verein Läbigi Lorraine (VLL) hingegen, der sich einst vergeblich für einen Quartiertreff in den mittlerweile abgerissenen Gebäuden der Garage Alcadis ausgesprochen hatte, tritt für eine öffentliche Nutzung des Geländes ein. Laut VLL-Vertreterin Catherine Weber standen an der gestrigen Sitzung die Nutzung durch eine Firma, eine Brache mit Tümpel und Aufschüttungen oder die Einrichtung einer BMX-Velorennbahn für Kinder zur Debatte. "Auto, Velo oder Natur ist die Frage", sagt Weber. Der letzte Entscheid obliegt der Stadtverwaltung.

 Was immer auf dem Gelände passieren wird - es könnte zu einer längeren Zwischennutzung kommen. Laut verschiedenen Quellen dürfte der von der Liegenschaftsverwaltung genannte Baubeginn 2011 kaum einzuhalten sein. "Bekanntlich wird das Gelände bis 2012 nicht bebaut werden", heisst es etwa in einer Mitteilung der Wohnbaugenossenschaft Q-Hof Lorraine. Die Fläche dürfe nicht als Hundeklo enden, hält die Genossenschaft fest.

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GROSSE SCHANZE
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Thuner Tagblatt/BZ 18.3.10

Wie die Grosse Schanze vom Unort zur Partymeile werden soll

 Diesen Sommer soll auf der Grossen Schanze in Bern die Post abgehen: Neben dem bereits bekannten Stadtstrandprojekt plant eine weitere Eventagentur ebenfalls einen Strand auf der Schanze. Mittendrin: das Open-Air-Cinema.

 Wie erst jetzt bekannt wurde, planen im Sommer gleich zwei Eventagenturen auf der Grossen Schanze Strände. Zum einen die Luzerner Eventagentur City-Beach AG, die mit ihrem Berner Partner Remo Neuhaus auf der Einstein-Terrasse Pool, Palmen, Liegestühle und Gastrobetrieb aufstellen will (wir berichteten). Auf der anderen Seite der Schanze, bei SBB-Personalrestaurant und Lebensbrunnen, plant die Hilterfinger Concent Concert& Event GmbH ihr Projekt "Summer-Beach". Geschäftsführer Beat Hofer verrät mit Verweis auf das laufende Bewilligungsverfahren keine Details. Hofer hatte das Projekt bereits im Januar 2009 bei den Grundeigentümern eingereicht. Weil aber die Zeit bis zum Sommer zu knapp war, habe man das Projekt auf Eis gelegt. Die Concent Concert&Event GmbH führe laut Hofer seit 1999 Strandevents in der Schweiz durch.

 Mit der City-Beach AG könne auch er auf einen erfahrenen Partner setzten, sagt Remo Neuhaus. Das Unternehmen betreibe bereits in Luzern, Basel und Zürich Stadtstrände. Auch Neuhaus will schon seit einigen Jahren in Bern einen Stadtstrand einrichten. Für den Betrieb auf der Grossen Schanze gründet er die City-Beach AG Bern - sofern die Behörden den Anlass bewilligen. Laut Neuhaus beläuft sich das Budget dafür auf eine halbe Million Franken.

 "Sympathische Idee"

 Das Bewilligungsverfahren ist allerdings kompliziert. Erst müssen die Grundeigentümer Kanton und SBB sowie die Grosse Schanze AG, die im Westen der Schanze ein Baurecht hat, grünes Licht für die Strände geben. Danach müssen der Regierungsstatthalter und die Stadt Bern den Events zustimmen. Derzeit liegen die Strandprojekte beim Kanton. Dort gibt man sich aufgeschlossen: "Wir finden die Idee sympathisch und sind bereit, unsere Zustimmung zu geben", sagt Christian Albrecht, Generalsekretär der kantonalen Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion. "Dies allerdings nur dann, wenn die Events den Unibetrieb nicht beeinträchtigen." Abzuklären sei zudem, ob die Konstruktion der Einstein-Terrasse die Belastung von Pool, Sand und Gastrobetrieb aushalten würde.

 Positiv äussert sich auch der städtische Sicherheitsdirektor Reto Nause. Er steht grundsätzlich beiden Strandprojekten wohlwollend gegenüber - falls diese den Unibetrieb nicht störten. Hans Wirz, Geschäftsführer der Grosse Schanze AG, hat ebenfalls keine Einwände gegen den Summer-Beach der Concent Concert&Event GmbH. Dazu müsste auch die SBB ihren Segen geben, weil ihr ein Teil dieses Bodens gehört. "Wir wurden noch nicht angefragt", erklärt SBB-Sprecher Reto Kormann.

 Skepsis beim Open-Air-Kino

 Ebenfalls nicht kontaktiert wurde die Cinerent Open-Air AG. Sie betreibt das Orange-Cinema, das vom 29.Juli bis am 29.August auf der Grossen Schanze und damit im Sandwich zwischen den Stränden stattfindet. Cinerent will nun genau prüfen, welche Auswirkungen die Pläne der allfälligen Nachbarn auf den Kinobetrieb haben.

 Andrea Sommer

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Hotelrevue 18.3.10

Dolce Vita

Die Chancen für "City-Beach" in Bern stehen gut

 In Bern ist auf der grossen Schanze von Anfang Juni bis Ende August ein Stadtstrand mit Sand, Bassins, Palmen, Liegestühlen und Bar geplant. Nachdem Barbara Egger-Jenzer, Vorsteherin der bernischen Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion (BVE), dem Projekt mit der Bedingung, dass der Universitätsbetrieb nicht gestört werde, zugestimmt hat, gab nun auch die Universität Bern ihr Placet. Nun ist ein Gesuch bei der Gewerbepolizei hängig. Die Firma City-Beach hat bereits in vier anderen Schweizer Städten künstliche Strände eingerichtet.
 os

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RABE-INFO
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Mi. 17. März 2010
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_17._Maerz_2010_.mp3
- Tamilischer Volksrat: Tamilen in der Schweiz wollen eine Volkvertretung
- "Zimmer 202": Filmportrait des Schweizer Schrifstellers Peter Bichsel
- Regierungsratswahlen 2010: BDP-Kandidatin Beatrice Simon

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ZWISCHENGESCHLECHT
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zwischengeschlecht.info 18.3.10

http://zwischengeschlecht.org
Menschenrechte auch für Zwitter!

P R E S S E M I T T E I L U N G

presse@zwischengeschlecht.info
+41 (0)76 398 06 50

Interpellation kosmetische Genitaloperationen im Inselspital Bern

Die Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org freut sich sehr, dass heute Donnerstag, 18. März, von Margreth Schär (SP) und Corinne Schärer (Grüne) im Grossen Rat Bern ein politischer Vorstoss zugunsten von Zwittern eingereicht wird.

Den Text der Interpellation finden Sie untenstehend in dieser Mail.

>>> Interpellation als PDF
http://blog.zwischengeschlecht.info/public/Interpellation_Bern.pdf

Informationen zur Interpellation und zum nach wie vor unbeantworteten Offenen Brief von Zwischengeschlecht.org an das Inselspital Bern:

>>> Kosmetische Genitaloperationen an Kindern im Inselspital Bern
http://blog.zwischengeschlecht.info/post/2010/03/17/Do-18.3.10%3A-Politischer-Vorstoss-betreffend-kosmetische-Genitaloperationen-an-Kindern-im-Inselspital-Bern

Die Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org fordert ein Verbot von kosmetischen Zwangsoperationen an Kindern und "Menschenrechte auch für Zwitter!". Betroffene sollen später selber darüber entscheiden, ob sie Operationen wollen oder nicht, und wenn ja, welche.


Freundliche Grüsse

n e l l a
Daniela Truffer
Gründungsmitglied Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org
Gründungsmitglied Schweizerische Selbsthilfegruppe Inters*x.ch
Mitglied Inters*xuelle Menschen e.V.
Mitglied XY-Frauen
Mobile +41 (0) 76 398 06 50
presse@zwischengeschlecht.info

http://zwischengeschlecht.org
Regelmässige Updates: http://zwischengeschlecht.info


Interpellation

Margreth Schär SP
Corinne Schärer Grüne

Kosmetische Genitaloperationen bei Kindern mit "uneindeutigen" körperlichen Geschlechtsmerkmalen


Etwa jedes 2000. Neugeborene kommt mit "uneindeutigen" körperlichen Geschlechtsmerkmalen auf die Welt. Die betroffenen Menschen selbst bezeichnen sich als Zwischengeschlechtliche, Hermaphroditen, Zwitter oder Intersexuelle. Der aktuelle medizinische Fachbegriff lautet DSD = Disorders of Sex Development = Störung der Geschlechtsentwicklung.
Intersexuelle sind nicht per se krank. Trotzdem werden sie als "abnormal" klassifiziert und zum medizinisch-chirurgischen Notfall erklärt. Ohne ihre Einwilligung werden sie meistens im Kindesalter an ihren intersexuellen Genitalien operiert und dabei, der chirurgischen Einfachheit halber, meistens zu Mädchen gemacht. Dabei wird in Kauf genommen, dass ihr sexuelles Empfinden vermindert oder zerstört wird. Diesen Operationen liegen keine medizinischen Indikationen zugrunde, es handelt sich um rein kosmetische Eingriffe.
Zusätzlich werden viele ohne ihre Einwilligung kastriert, das heisst, es werden ihnen die in der Regel gesunden, Hormon produzierenden inneren Geschlechtsorgane entfernt, was eine lebenslange Substitution mit körperfremden Hormonen zur Folge hat. Auch diese Kastrationen haben meistens keine medizinische Indikation, sondern dienen lediglich der "Vereinheitlichung". Die Folgen dieser lediglich auf das zugewiesene Geschlecht ausgerichtete Hormonersatztherapieen sind unter anderem Depressionen, Adipositas, Stoffwechsel- und Kreislaufstörungen, Ostheoporose, Einschränkung der kognitiven Fähigkeiten und Libidoverlust. Wollen betroffene Menschen auf eine adäquatere Hormonersatztherapie wechseln, weigert sich die Krankenkasse, die Kosten zu übernehmen. Die betroffenen Menschen und oft auch ihre Eltern werden über ihre Besonderheit und die an ihnen vorgenommenen Eingriffe schlecht informiert, um ihnen ihr wahres Geschlecht zu verheimlichen.
Die meisten Opfer dieser Praxis tragen massive psychische und physische Schäden davon, unter denen sie ein Leben lang leiden. Dies ist durch mehrere wissenschaftliche Studien erhärtet.


Fragen an den Regierungsrat

1. In welchen Spitälern im Kanton Bern werden kosmetische Genitaloperationen, Kastrationen und / oder Hormontherapien an Kindern mit uneindeutigen körperlichen Geschlechtsmerkmalen durchgeführt?

2. Bei wie vielen Neugeborenen wird jährlich im Kanton Bern Intersexualität (DSD) diagnostiziert? (Angaben bitte je Jahr in absoluten Zahlen und Prozent, soweit zurückreichend wie möglich)

3. Bei wie vielen dieser Kinder wurden kosmetische Genitaloperationen durchgeführt? Die Gonaden entfernt? Hormonbehandlungen durchgeführt? (Angaben bitte je Jahr in absoluten Zahlen und Prozent, soweit zurückreichend wie möglich)

4. In welchen Spitälern im Kanton Bern werden pränatale Hormontherapien (Dexamethason) durchgeführt? (Angaben bitte je Jahr, soweit zurückreichend  wie möglich)

5. Bei wie vielen Kindern wurden solche pränatalen Hormontherapien (Dexamethason) durchgeführt? (Angaben bitte je Jahr, soweit zurückreichend wie möglich)

6. Erhalten im Kanton Bern Eltern intersexueller Kinder psychologische bzw. psychotherapeutische Betreuung? Wenn ja in welcher Form? Peer Support?

7. Erhalten im Kanton Bern Intersexuelle begleitend zu medizinischer Behandlung auch psychologische bzw. psychotherapeutische Betreuung? Wenn ja in welcher Form? Peer Support?

8. Ist dem Regierungsrat bekannt, dass eine Vielzahl von erwachsenen Intersexuellen die an ihnen im Kindesalter vorgenommenen Eingriffe kritisiert?

9. Wie beurteilt der Regierungsrat die Praxis frühkindlicher kosmetischer Genitaloperationen, Kastrationen, Hormontherapien und sonstige medizinisch nicht notwendigen Eingriffe an Kindern mit uneindeutigen körperlichen Geschlechtsmerkmalen?


18. März 2010

Margreth Schär
Corinne Schärer

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SEXWORK FR
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BZ 18.3.10

Gesetz zur Prostitution

 Jetzt gilt doch die Meldepflicht

 Die Prostituierten müssen sich nun doch bei der Polizei registrieren lassen. Nach dem Schwenker des Staatsrates hat am Mittwoch auch der Grosse Rat seine Meinung geändert: Ja zu einer Meldepflicht für alle Prostituierten.

 Einig war sich das Kantonsparlament, dass die Sexanbietenden geschützt, aber die Zwangsprostitution und die Ausbeutung bekämpft werden müssen. Über eine Stunde hat der Rat gestern nochmals in zweiter Lesung darüber debattiert, ob eine obligatorische Registrierung zum besseren Schutz der Prostituierten beiträgt oder nicht.

 Nachdem sich der Rat am Dienstag noch mit 46 zu 40 Stimmen und 3 Enthaltungen für eine freiwillige Anmeldung ausgesprochen hatte, kippte gestern das Ergebnis. Mit 51 zu 47 Stimmen entschied er sich nun für eine Meldepflicht. Und dieses Ergebnis wurde in der dritten Lesung gar mit 53 zu 42 Stimmen bei einer Enthaltung bestätigt.

 "Keine Schikane"

 Vor allem in SVP-Kreisen war gestern ein vermehrtes Ja für eine obligatorische Registrierung auszumachen, aber in allen Fraktionen gab es Pro und Contra. Kommissionspräsidentin Emmanuelle Kaelin Murith, die sich für eine Meldepflicht starkgemacht hatte, betonte, dass in dieser heiklen Frage niemand die Wahrheit für sich pachten dürfe. "Die Polizei kann nur intervenieren, wenn sie das Milieu kennt", sagte Justizdirektor Erwin Jutzet und wollte die Polizei mit jenen Mitteln ausstatten, die es ihr erlauben, möglichst viele Informationen über das Milieu zu erhalten. Er befürchtete, dass ohne Meldepflicht am Wochenende schon bald Cars mit "leichten Mädchen" aus Rumänien und Ungarn in Freiburg Halt machen.

 Für Jutzet ist die Meldepflicht keine Schikane, zumal nur die Sittenpolizei Zugang zu den Daten hat und diese auf ein Gesuch hin gelöscht werden. Zudem riskieren die Prostituierten nur im Wiederholungsfall eine Busse, wenn sie erwischt werden, ohne registriert zu sein. FDP-Sprecherin Antoinette de Weck stellte fest, dass in Genf und Zürich mit einer Meldepflicht die Zahl der Prostituierten explosionsartig zunehme.

 Gesetz verabschiedet

 Das neue Gesetz über die Ausübung der Prostitution wurde mit 77 zu 9 Stimmen bei 10 Enthaltungen verabschiedet.

 Das neue Gesetz sieht auch eine Bewilligung für Personen vor, die Räumlichkeiten für die Prostitution zur Verfügung stellen. Diese wird an strenge Auflagen punkto Hygiene und Sicherheit geknüpft. Der Inhaber muss ein Register führen, das Auskunft gibt über die Identität der Prostituierten, die erbrachten Leistungen und die Höhe des Mietzinses.
 az/rgw

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Bund 18.3.10

Sexgewerbe

 Meldepflicht für Prostituierte im Kanton Freiburg

 Prostituierte im Kanton Freiburg müssen sich künftig bei der Polizei melden. Das freiburgische Kantonsparlament sprach sich gestern definitiv für eine gesetzliche Meldepflicht aus. Noch am Vortag hatte es danach ausgesehen, als ob sich die Gegner durchsetzen könnten. Schliesslich sprachen sich 53 Räte für die Meldepflicht von Prostituierten aus, 42 waren dagegen. Auch der kantonale Justizdirektor Erwin Jutzet sprach sich dafür aus. Mit einer juristischen Basis sei es für die Polizei einfacher, die Situation zu überwachen und nötigenfalls einzuschreiten, sagte er. Gegen die Meldepflicht kämpfte vor allem die Ratslinke, die Unterstützung von der FDP erhielt. Die Gegner befürchten, dass sich die ohnehin schon schwierige Situation für Prostituierte ohne Aufenthaltsbewilligung weiter verschlechtert. (sda)

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Freiburger Nachrichten 18.3.10

Prostitution: Grosser Rat macht einen Schwenker

 Die Prostituierten müssen sich künftig doch obligatorisch bei der Kantonspolizei registrieren lassen.

 freiburg Der Grosse Rat hat am Mittwoch in zweiter Lesung des Gesetzes über die Prostitution anders entschieden als am Vortag, als er noch die freiwillige Anmeldung bevorzugt hatte. Nun müssen sich die Sexanbietenden doch bei der Polizei anmelden.

 Voraus ging wieder eine animierte Debatte über die Frage, wie die Prostituierten am besten geschützt werden können. Das Argument des Staatsrates und der Kommission, wonach nur eine Polizei mit möglichst vielen Informationen über das Milieu die Zwangsprostitution und die Ausbeutung effizient bekämpfen kann, vermochte gestern eine Mehrheit des Kantonsparlamentes zu überzeugen. az

 Bericht Seite 2

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Die Prostituierten müssen sich doch bei der Polizei registrieren lassen

 Nach dem Schwenker des Staatsrates hat am Mittwoch auch der Grosse Rat seine Meinung geändert: Ja zu einer Meldepflicht für alle Prostituierten.

 Arthur Zurkinden

 Einig war sich eigentlich das Kantonsparlament, dass die Sexanbietenden geschützt, aber die Zwangsprostitution und die Ausbeutung bekämpft werden müssen. Nicht einig war es aber in der Frage der Wahl der Mittel, die zu diesem Ziel führen. Über eine Stunde hat der Rat gestern nochmals in zweiter Gesetzeslesung über die Frage debattiert, ob eine obligatorische Registrierung zum besseren Schutz der Prostituierten beiträgt oder nicht. Nachdem sich der Rat am Dienstag noch mit 46 zu 40 Stimmen (3 Enthaltungen) für eine freiwillige Anmeldung ausgesprochen hatte, kippte gestern das Abstimmungsergebnis. Mit 51 zu 47 Stimmen entschied er sich nun für eine Meldepflicht. Und dieses Ergebnis wurde in der dritten Lesung des Gesetzes gar mit 53 zu 42 Stimmen bei einer Enthaltung bestätigt. Vor allem in SVP-Kreisen war gestern ein vermehrtes Ja für eine obligatorische Registrierung auszumachen, aber in allen Fraktionen gab es Pro und Contra.

 Emotionen und schlechtes Gewissen?

 Emmanuelle Kaelin Murith, Kommissionspräsidentin, die sich für eine Meldepflicht stark gemacht hatte, betonte, dass in dieser heiklen Frage niemand die Wahrheit pachten dürfe. Sie, aber auch Staatsrat Erwin Jutzet stellten fest, dass die Debatte am Dienstag emotional geführt wurde, vielleicht auch geprägt vom "schlechten Gewissen" und vom Erbarmen für die Prostituierten. Der Justizdirektor gab sich wiederholt überzeugt, dass nur die Polizei die Sexanbietenden wirksam schützen kann.

 Freiburg bald eine "Bronx"?

 "Die Polizei kann nur intervenieren, wenn sie das Milieu kennt", sagte Jutzet und wollte die Polizei mit jenen Mitteln ausstatten, die es ihr erlaubt, möglichst viele Informationen über das Milieu zu erhalten. Er befürchtete, dass ohne Meldepflicht am Wochenende schon bald Cars mit leichten Mädchen aus Rumänien und Ungarn in Freiburg Halt machen, ähnlich wie in Zürich, und dass Freiburg zu einer "Bronx" verkommt. Erwin Jutzet rief auch in Erinnerung, dass Freiburg als erster Kanton im Jahre 2007 eine Verordnung über den Menschenhandel in Kraft gesetzt hat, die ihre Wirkung nicht verfehle. Für ihn ist die Meldepflicht keine Schikane, zumal nur die Sittenpolizei Zugang zu den Daten hat und diese auf ein einfaches Gesuch hin gelöscht werden. Zudem riskieren die Prostituierten nur im Wiederholungsfall eine Busse, wenn sie erwischt werden, ohne registriert zu sein.

 Antoinette Badoud (FDP, Le Paquier) betonte, dass ohne Meldepflicht die Mafia-Kreise nicht bekämpft werden können. "Freiburg darf nicht zu einer Drehscheibe für alle Laster werden", meinte sie.

 Und auch Jacqueline Brodard (CVP, Treyvaux) sah in der Meldepflicht eine Chance für die Prostituierten, sich schützen zu lassen. Sie wies auf die guten Erfahrungen hin, die Neuenburg mit einem Obligatorium macht: "Die Strassenprostitution ist verschwunden, die Zahl der Salons nimmt ab", hielt sie fest, dies im Gegensatz zum Kanton Waadt mit einer freiwilligen Anmeldung: "Allein in Payerne gibt es 30 Salons", sagte sie.

 Die Ratslinke wiederholte ihre Argumente, wonach die obligatorische Registrierung zu einer Verschlechterung der Situation der Prostituierten führe, die sich illegal in der Schweiz aufhalten. Und FDP-Sprecherin Antoinette de Weck stellte fest, dass in Genf mit einer Meldepflicht die Zahl der Prostituierten wie in Zürich explosionsartig zunehme.

 Gesetz verabschiedet

 Das neue Gesetz über die Ausübung der Prostituion wurde am Ende mit 77 zu 9 Stimmen bei 10 Enthaltungen verabschiedet.

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 Prostitution: Bewilligung für Vermieter

 Das neue Gesetz sieht auch eine Bewilligung für Personen vor, die Räumlichkeiten für die Prostitution zur Verfügung stellen. Diese wird an strenge Auflagen punkto Hygiene, Sicherheit usw. geknüpft. Und der Inhaber einer Bewilligung muss ein Register führen, das Auskunft gibt über die Identität der Prostituierten, die Leistungen, die ihnen erbracht werden, die Höhe des Mietzinses usw. Wer eine Bewilligung beantragen will, muss zudem einen guten Leumund besitzen und z. B. auch in der Schweiz wohnhaft sein. Keine Bewilligung ist nötig, wenn nur ein Raum zur Verfügung gestellt wird und nur die Mieterin sich der Prostitution hingibt. az

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KULINARISCH
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WoZ 18.3.10

Ernährungssouveränität - Während im Parlament die SVP zeitweilig linker tönt als die SP, stehen im täglichen Leben immer mehr Linke auf dem Acker: Die Idee der regionalen Vertragslandwirtschaft ist in der Deutschschweiz angekommen.

 Abonniert Rüebli!

 Von Bettina Dyttrich (Text) und Ursula Häne (Foto)

 In der Agrarpolitik ist die Welt verkehrt. Auch letzte Woche wieder, im Ständerat. Da wurde ausführlich die globale KleinbäuerInnenbewegung Via Campesina zitiert: "Ja, dort steht es: ‹Ernährungssouveränität ist das Recht jeder Nation, ihre eigene Kapazität zu erhalten und zu entwickeln, um Nahrungsmittel zu produzieren, die wichtig für die nationale und kommunale Ernährungssicherheit sind, und die kulturelle Vielfalt und die Vielfalt von Produktionsmethoden zu respektieren.› Ich weiss nicht, was man dagegen haben kann, das muss ich Ihnen ehrlich sagen." Und wer sagte das? SVP-Ständerat Hannes Germann.

 Die kleine Kammer stritt über Ernährungssouveränität und Selbstversorgung, unter anderem über eine parlamentarische Initiative von Bauernverband-Vize Jacques Bourgeois und eine Motion des grünen Zuger Nationalrats Jo Lang. Für die SP sprach die Konsumentenschützerin Simonetta Sommaruga. Und wie so oft, wenn sich die SP zur Landwirtschaft äussert, brachte Sommaruga richtige und wichtige Einwände: Die Selbstversorgung der Schweiz sei viel tiefer als die offiziell genannten sechzig Prozent, wenn man die Futtermittelimporte einrechne, sagte sie. Und auch für die Energieselbstversorgung sollte dringend mehr getan werden. Stimmt alles. Aber sind das Gründe, um die Ernährungssouveränität abzulehnen?

 Der Freihandel wirds regeln

 Nein. Was Sommaruga wohl vor allem am "Symbolbegriff" Ernährungssouveränität stört, ist seine implizite Kritik an Globalisierung und Freihandel. Denn das geplante Agrarfreihandelsabkommen mit der EU "wäre das wichtigste Instrument, damit die Schweiz in Krisenzeiten nicht von der Nahrungsmittelversorgung abgekoppelt werden kann", ist sie überzeugt. Dass freie Warenflüsse das beste Mittel gegen Versorgungsengpässe seien, ist liberale Theorie. Auch WTO-Direktor Pascal Lamy, ein französischer Sozialdemokrat - der kürzlich bei der SP-Fraktion zu Besuch war -, glaubt daran. In der Praxis gehen die Waren im Freihandel aber nicht dorthin, wo sie am dringendsten gebraucht werden. Sondern dorthin, wo das Geld ist. Und davon gibts bei uns ja genug. Aber ist das fair, nachhaltig und links gedacht?

 Nach Sommarugas Plädoyer gegen die Initiative Bourgeois wirkte es seltsam, dass sie die Ernährungssouveränitäts-Motion von Jo Lang befürwortete. Ihre Begründung: "Wenn der Zugang zu den natürlichen Ressourcen eingeschränkt wird, wenn Handelsregeln einseitig die reichen Länder bevorzugen, wenn Umweltabkommen zu wenig Rücksicht nehmen auf die Bedürfnisse des Südens - immer dann soll sich die Schweiz für das Ziel der Ernährungssouveränität einsetzen." Für die SP ist Letztere also immer noch ein Drittweltthema.

 Die Grünen sind einen Schritt weiter. Das zeigt sich nicht nur daran, dass sie im Gegensatz zur SP überhaupt Motio nen zum Thema einreichen, sondern auch am Plädoyer des Genfer Stände rats Robert Cramer: "Es geht dar um, eine bäuerliche Kultur zu bewahren, also die bestehenden Höfe zu erhalten, sich gegen das Bodenhamstern zu wehren und direkte Kontakte zwischen Produzenten und Konsumenten, zwischen Stadt und Land zu fördern. Dazu braucht es anständige Löhne in der Landwirtschaft."

 Genau das sind die Anliegen von Via Campesina und ihrer Schweizer Vertreterin, der Westschweizer BäuerInnengewerkschaft Uniterre. Sie finden Zustimmung bei immer mehr Menschen, die sich über die Globalisierung der Landwirtschaft Sorgen machen. Wie der Waadtländer Linksaussen-Nationalrat Joseph Zisyadis: "Wir haben immer dafür gekämpft, dass alle Menschen genug zu essen haben - nicht dafür, dass in den Haushalten am Schluss mehr Geld für Mobiltelefone als für Nahrungsmittel ausgegeben wird." Wer immer tiefere Preise fordere, müsse sich überlegen, "wo das hinführt, wenn einige Multis am Ende die Welt mit billigen Nahrungsmitteln versorgen", sagte Zisyadis letzten Herbst dem "DLZ-Agrarmagazin".

 Die Gefahr der Grösse

 Das wachsende Interesse an der Land wirtschaft hat nicht nur mit Sorgen, sondern auch mit Wünschen zu tun: nach einem Bezug zum eigenen Essen, einer sinnvollen Arbeit, Dreck an den Händen. Die regionale Vertragslandwirtschaft, die mit fairen Verträgen geregelte, direkte Zusammenarbeit zwischen Bäuerinnen und Konsumenten, boomt in der Westschweiz schon lange. Nun beginnt sie auch bei uns Fuss zu fassen: Letzten Herbst gründeten BernerInnen das Projekt Soliterre, jetzt starten Gemüseabo-Initiativen in Zürich und Winterthur (vgl. Seite 5).

 Regionale Vertragslandwirtschaft ist vermutlich das ökologischste und sozialste Modell der Lebensmittelversorgung, das sich denken lässt. Die beteiligten Bäuerinnen und Gärtner müssen dank eines ausreichenden Einkommens nicht am Rand des Zusammenbruchs krampfen wie viele ihrer Berufskolleginnen. Und die Konsumenten verlassen ihre passive Rolle und werden mitverantwortlich, mitbeteiligt. Gemeinsam mit der Vertragslandwirtschaft ist auch Uniterre auf dem Sprung in die Deutschschweiz: "In der Region Basel und im Kanton Zürich haben bereits Treffen stattgefunden", sagt Uniterre-Mitarbeiter Reto Sonderegger. "Wir hoffen, dass bald die ersten Deutschschweizer Sektionen gegründet werden."

 Mit ähnlichen Zielen - regionale Kreisläufe, kurze Transportwege, sinnvolle Arbeit - traten vor dreissig, vierzig Jahren die BiopionierInnen an. Heute ist Bio zum Business geworden, mit allen damit verbundenen Problemen: Verlust persönlicher Kontakte, wachsende Lohnunterschiede, fragwürdige Produkte (UHT-Milch, Erdbeeren im März) und weite Wege. Die Vertragslandwirtschaft ist ein neuer Versuch, sich nicht vom Kapitalismus verbiegen zu lassen. Viele Projekte haben bewusst eine Grössenbeschränkung - die Beteiligten wissen, dass Quantität immer auch Qualität verändert. Nicht nur die Qualität der Produkte, sondern auch der Arbeit und der Beziehungen.

 Und wenn einige doch geschäftstüchtig, gross und gestresst werden? Wenn dann noch Gemüse wächst, werden andere kommen und neu anfangen.

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Bäuerinnen und Konsumenten-Das Interesse an der gemeinschaftlich organisierten Landwirtschaft wächst: Jetzt kann man auch in Zürich und Winterthur Gemüse aus solchen Initiativen im Abo kaufen.

Wer arbeitet mit?

Von Bettina Dyttrich (Text) und Ursula Häne (Foto)

 Langsam haben die Schneeglöckchen Erfolg. WOZ-LeserInnen erinnern sich noch an die gefrässigen Blumen des Illustrators Sämi Jordi, die kürzlich auf der letzten Seite der Zeitung den Schnee weggeschleckt und -geknabbert haben. Spechte, Biber, Apfelbäume und andere Tier- und Pflanzenwesen bevölkern Sämi Jordis Bilder fast immer. Kein Wunder: Dort, wo Jordi aufgewachsen ist, in Thalheim im Zürcher Weinland, geht es tatsächlich lebendig zu und her.

 Zuerst war da ein grosser Garten, in dem die Eltern Christine und Walter Jordi Gemüse für den Eigenbedarf anpflanzten. Dann baute der Bruder Tobias die Scheune in eine Schreinerei um. Und jetzt entsteht in Thalheim auch noch ein Projekt der regionalen Vertragslandwirtschaft: Ab dem nächsten Donnerstag wird Tobias Jordi wöchentlich Gemüse an zwei Sammelstellen in Winterthur liefern. KonsumentInnen können Gemüsepakete in verschiedenen Grössen abonnieren, bezahlt wird im Voraus. Die verschiedenen Aktivitäten in Thalheim haben ein gemeinsames Dach: den Verein Holzlabor.

 Schwein statt Düngersack

 Noch liegen Schneereste auf dem flachen Grundstück mit den Hochstammbäumen unterhalb des Dorfes. Aber die Spatzen tschilpen schon laut, und der Knoblauch streckt erste grüne Spitzen aus der Erde. Daneben hat violetter Federkohl überwintert, und unter der Vliesabdeckung gedeiht Wintersalat. Nadin Bill, Landwirtin in Ausbildung, ist seit dem letzten Sommer dar an, den Gemüseanbau auszudehnen. "Zum Glück konnten wir nebenan ein Gewächshaus pachten." Die Biozertifizierung läuft.

 Fünf junge Wollschweine und ihre  Mutter wühlen im Dreck. Sie sehen sehr schlau aus. "Dank der Schweine müssen wir den Boden weniger bearbeiten, und sie liefern einen Teil des Düngers", erklärt Nadin Bill. Später werden sie als Plätzli und Würste in Thalheim auf dem Tisch landen. Denn inzwischen kocht Christine Jordi fast jeden Mittag für ein gutes Dutzend Menschen: Die MitarbeiterInnen der Holzwerkstatt essen hier, zurzeit auch einige Zimmerleute auf Wanderschaft, die in der Scheune einen Zirkuswagen bauen. Und die GemüseabonnentInnen sollen mindestens einen Tag im Jahr mitarbeiten. "Es ist uns sehr wichtig, Synergien zwischen den verschiedenen Arbeitsbereichen des Vereins zu nutzen", sagt Nadin Bill. So hat Tobias Jordi ein Treibhaus auf Rädern für die Anzucht von Setzlingen gebaut, in dem jetzt zarte Zwiebel- und Kohlpflänzchen keimen. Das Tomatenhaus stammt genauso aus der eigenen Werkstatt.

 Auch in Zürich entsteht ein Vertragslandwirtschaftsprojekt: Anfang März wurde die Genossenschaft Ortoloco gegründet. Biobauer Samuel Spahn aus Dietikon hat Ortoloco ein Stück Land verpachtet, auf dem die Gemüsegärtnerin Anja Ineichen arbeitet. Gemüse gibts ab Juni - nur für GenossenschafterInnen: "Wir wollen, dass die Leute mitdenken und mitschaffen, nicht nur konsumieren", sagt Christian Müller, einer der GründerInnen.

 Entstanden ist die Idee für Ortoloco letztes Jahr in der "Montagswerkstatt" im Zürcher Infoladen Kasama, einer Diskussionsreihe aus Anlass der Wirtschaftskrise. Christian Müller erinnert sich: "Sehr wichtig war die Frage: Wie können wir einen Teil unseres Alltags ausserhalb des Kapitalismus organisieren?" Ortoloco sei ein Anfang: "Wir träumen davon, diese Produktionsweise auf weitere Wirtschaftszweige und Lebensbereiche auszudehnen."

 Melken, mosten, Traktor fahren

 Das Interesse an Landwirtschaft wächst - das spürt auch die Zürcher Landwirtschaftsschule Strickhof. Viele Interessierte ohne eigenen Hof besuchen die berufsbegleitende Zweitausbildung Biolandwirtschaft. Doch die LandwirtInnenausbildung steckt in einer Reform; bald wird es nur noch Vollzeitlehrgänge geben. Deshalb haben die auf Biolandwirtschaft spezialisierten Lehrkräfte am Strickhof einen neuen Biokurs entwickelt.

 Bettina Springer, die Rindviehhaltung unterrichtet, sagt: "Wir möchten Menschen ohne landwirtschaftlichen Hintergrund ansprechen, die über so etwas Essenzielles wie die tägliche Nahrung mehr wissen wollen." Der Kurs findet während eines Jahres jeweils freitags statt, dazu kommen zehn Samstage auf Biohöfen. Dort können die TeilnehmerInnen vieles selber ausprobieren: melken, mosten, Bäume schneiden oder Traktor fahren. "Natürlich reichen ein paar Tage nicht, um ein Profi zu werden", sagt Bettina Springer. "Aber sie geben einen Einblick in den Arbeitsalltag, der später etwa mit einem Praktikum vertieft werden kann."

http://www.xylem.ch (Verein Holzlabor), http://www.ortoloco.ch, http://www.strickhof.ch

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AUSSCHAFFUNGS-TOD
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tagesanzeiger.ch 18.3.10

29-jähriger Nigerianer stirbt bei der Ausschaffung

Ein Ausschaffungshäftling ist gestern am Flughafen Zürich gestorben. Die Ursache ist noch unklar, doch bis jetzt steht fest: Der Mann wehrte sich gegen die Ausschaffung und wurde gewaltsam gefesselt.

Der 29-jährige Nigerianer hatte nach bisherigen Erkenntnissen seit einigen Tagen die Nahrungsaufnahme verweigert und versuchte, sich der Ausschaffung zu widersetzen. Das Bundesamt für Migration war nicht auf sein Asylgesuch eingetreten.

Laut Mitteilung konnte er mit Gewalt gefesselt werden. Kurze Zeit später zeigte er plötzlich gesundheitliche Probleme. Deshalb wurden die Fesseln gelöst. Das Begleiterteam und die sofort beigezogene Sanität leiteten Reanimationsmassnahmen ein. Trotzdem verstarb der Mann wenig später auf dem Flughafengelände. Die genauen Umstände seines Todes werden durch die zuständige Staatsanwaltschaft untersucht.

Das Bundesamt für Migration bedauert den Vorfall, wie es in einer Mitteilung schreibt. Es hat die Durchführung von Sonderflügen bis auf Weiteres gestoppt.

Fesselung zur Gewährleistung der Sicherheit

Der Nigerianer, der polizeilich wegen Drogenhandels verzeichnet war, sollte am Mittwochabend zusammen mit weiteren 15 Ausschaffungshäftlingen mit einem Sonderflug nach Nigeria ausgeschafft werden. Wegen des Todesfalls wurde in Absprache mit dem Bundesamt für Migration auf die Durchführung des Sonderflugs verzichtet und die anderen Ausschaffungshäftlinge in die einzelnen Kantone zurückgeführt.

Mit Sonderflügen werden Personen zurückgeführt, die sich früheren Rückführungen widersetzt haben. Zur Gewährleistung der Sicherheit werden sie auf diesen Sonderflügen gefesselt. (fsc/sda)

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AUSSCHAFFUNGS-INITIATIVE
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WoZ 18.3.10

SVP-Ausschaffungsinitiative - Alle sprechen von der "Ausländerkriminalität". Eine kleine Verfremdung macht ­deutlich, dass das eine rassistische Konstruktion ist.

 Unsere kriminelle Schweiz

 Von Heiner Busch

 Am Erscheinungstag dieser WOZ berät der Ständerat über die SVP-Ausschaffungsinitiative. Seine Staatspolitische Kommission empfahl Anfang Februar, die Initiative für gültig zu erklären - obwohl sie offensichtlich gegen Verfassungs- und Völkerrechtsprinzipien verstossen könnte.

 Kurzer Blick über den Atlantik: War um werden in den USA überdurchschnittlich viele der registrierten Straftaten von Afro- und Lateinamerikaner Innen begangen? Warum stellen diese Bevölkerungsgruppen die Mehrheit der Gefängnispopulation? Warum füllen vor allem sie die Todeszellen? Weil Schwarze und Latinos eben krimineller sind als Weisse?

 Teppich aus Polizeinachrichten

 Wenn man mit den ideologischen Ellen der aktuellen schweizerischen Debatte über Ausländerkriminalität messen würde, wäre das wohl die einhellige Antwort. Allenfalls über die Gründe für die hohe "kriminelle Energie" dieser Bevölkerungsgruppen würden die Meinungen auseinandergehen. Die SVP würde kulturelle Ursachen ins Feld führen. Rechte Sozialdemokraten wie der Zürcher Nationalrat und Strafrechtsprofessor Daniel Jositsch oder der Kriminologe Martin Killias würden vermutlich daran erinnern, dass es sich hier um "bildungsferne Schichten" handelt, die sich deshalb nicht ausreichend in die Gesellschaft integriert hätten. Immerhin: Die erkennbar rassistische Variante, die biologistischen Erklärungsversuche, hätten derzeit keine Chancen   - zumindest nicht in der medialen Auseinandersetzung, an den Stammtischen wohl schon.

 Die simple Übertragung der US-amerikanischen Verhältnisse auf die hiesige Auseinandersetzung scheint an den Haaren herbeigezogen, aber nur auf den ersten Blick. Denn dass die Verhältnisse in den USA etwas mit Rassismus und Klassenverhältnissen zu tun haben und eben nicht mit einer besonderen "kriminellen Energie" der Betroffenen, scheint offensichtlich - so offensichtlich, dass es selbst konservative Medien in der Schweiz merken. Die hiesige Bericht erstattung zur Todesstrafe, aber auch die zur "Zero Tolerance"-Strategie der US-Polizeibehörden war und ist durchaus kritisch. Seltsam nur, dass es diese Erkenntnisse nicht auf Inlands- und Regionalseiten schaffen. Hier dürfen sich rechte PolitikerInnen (egal ob aus SVP, bürgerlicher "Mitte" oder aus der SP), Vertreter der Polizei und ihre wissenschaftlichen HelferInnen ungestört in der "Ausländerkriminalität" suhlen. Hier wird tagtäglich ein Teppich aus kleinen Polizeinachrichten ausgebreitet, in denen fein säuberlich die unschweizerische Herkunft von TäterInnen präsentiert wird. Hier schafft man es neuer dings sogar, sauberes schweizerisches Blut von jenem der blossen PapierschweizerInnen "mit Migrationshintergrund" zu unterscheiden.

 Dabei ist vollkommen klar, dass die "Ausländerkriminalität" genauso eine Konstruktion darstellt wie der "Ausländer" selbst, gebaut auf den Grenzlinien, die der Nationalstaat zwischen Inländer Innen - mit vollen Rechten - und den Fremden zieht, die je nach ihrem Aufenthaltsstatus mit immer weniger Rechten ausgestattet sind.

 Für die nationale Identität

 Der "Ausländer" sei ein "Einkaufskorbbegriff", sagte der deutsche Kriminologe und Strafrechtsprofessor Hans-Jörg Albrecht vor einigen Jahren. Er beschreibe "keine einheitliche Gruppe, sondern eine ganze Reihe von Einwanderungsgruppen und Minderheiten, die sich im Hinblick auf ihre Religion, Hautfarbe, Sprache und Nationalität sowie durch ihren kulturellen Hintergrund, ihre Gründe für die Einwanderung, ihre (ausländer)rechtliche Stellung im Einwanderungsland und die Geschichte der Beziehungen zwischen Einwanderungsland und Herkunftsland unterscheiden". Seit Langem sei klar, dass Kategorien wie "Staatsangehörigkeit" und "Rasse" für die Erklärung abweichenden Verhaltens nichts hergeben. Ihr Nutzen ist vor allem ein ideologischer: Die Rede von der "Ausländerkriminalität" erlaubt - gerade angesichts von Globalisierung, Krise und Unsicherheit - nationale Identität zu stiften. Das eigentlich Gefährliche, so lautet die Botschaft, kommt von aussen. Deshalb kann es mittels Ausschaffung bezwungen werden.

 Die "Ausländerkriminalität" ist also eine Vereinfachung, die auf Diskriminierung beruht. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass sie in der Kriminalstatistik und den daran wissenschaftlich aufgezäumten Artikeln und Büchern ihren Niederschlag findet. Kriminalstatistiken geben die polizeilich registrierten Straftaten wieder. Sie sind abhängig von der Anzeigebereitschaft der Bevölkerung und der Kontrolltätigkeit der Polizei. AusländerInnen, insbesondere ausländische Jugendliche, fallen stärker auf, werden häufiger kontrolliert und auch schneller angezeigt, gerade weil sie "fremd" sind, weil sie in den "schlechten" Quartieren oder gar als Asylsuchende in Sammelunterkünften leben, weil sie sich auf der Strasse "herumtreiben". Je prekärer die soziale Situation einer Person, desto eher ist sie anfällig für Strafverfolgung. Richtig gelesen handelt selbst eine ausdifferenzierte polizeiliche Kriminalstatistik also nicht von Kriminalität, sondern von Kriminalisierung und sozialem Ausschluss.

 Dasselbe gilt für die Ergebnisse dieser Kriminalisierung: Weil sie den Haftgrund der "Fluchtgefahr" fast automatisch erfüllen, landen ausländische Tatverdächtige schneller in Untersuchungshaft. Wenn sie zu Haftstrafen verurteilt werden, können sie seltener mit Hafterleichterungen rechnen. Für sie gilt das Prinzip der Resozialisierung nur sehr eingeschränkt. Längere Haftstrafen ziehen für sie schon heute eine zweite Bestrafung in Form von Ausschaffung und Einreisesperre nach sich.

 In Deckung gehen ist sinnlos

 Die Schweiz hat in den letzten Jahrzehnten immer wieder Kampagnen gegen "Ausländerkriminalität" erlebt, die dazu dienen sollten, im Wahlkampf mit einer harten Haltung zu trumpfen. Die SVP erwies sich dabei als Meisterin der rassistischen Inszenierung der Angst vor Kriminalität. Den Miss­brauch - hier ist der Begriff angebracht - der Kriminalstatistik beherrscht aber auch die Exekutive: 1993 etwa rief der damalige Justizminister Arnold Koller (CVP) unter Hinweis auf die gestiegene "Ausländerkriminalität" für 1994 das "Jahr der inneren Sicherheit" aus, an dessen Ende die Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht standen. Im Frühjahr 2001 half ein mit einem Zahlenwirrwarr unterlegter Bericht der vom Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement und den Kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren eingesetzten "Arbeitsgruppe Ausländerkriminalität" den Entwurf des Ausländergesetzes argumentativ vorzubereiten. 2004 folgte - nun schon unter SVP-Bundesrat Christoph Blocher - ein gemeinsamer Bericht der Bundesämter für Migration und Polizei sowie des Grenzwachtkorps, der "illegale Migration" und "Ausländerkriminalität" zu einem ungeniessbaren Brei verrührte.

 Angesichts der regelmässigen Kampagnen hat es wenig Sinn, in Deckung zu gehen und darauf zu hoffen, dass die nächste vermeldete Straftat nicht von einem "Ausländer" oder einem eingebürgerten Schweizer begangen wurde. Angesagt ist vielmehr ein Perspektivenwechsel: von den "kriminellen Ausländern" hin zum Prozess ihrer Kriminalisierung. Erst vor diesem Hintergrund wird klar, dass Straftaten von ImmigrantInnen ein schweizerisches Phänomen sind, das sich nicht ausschaffen lässt. Reden wir also über strukturelle Diskriminierung und institutionalisierten Rassismus.

 Solidarité sans frontières befasst sich in seinem nächsten Bulletin ausführlicher mit der Ausschaffungsinitiative und dem Thema "Ausländerkriminalität" und bietet dazu auch Vorträge an: http://www.sosf.ch.

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PNOS
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WoZ 18.3.10

Rechtsextreme - Dominic "Gixu" Lüthard will für die Pnos in den Berner Grossen Rat. Dafür will der Sänger der rechtsextremen Band Indiziert seine subkulturelle Verankerung vergessen machen.

 Der ach so nette Radikale

 Von Hans Stutz

 Die Partei National Orientierter Schweizer (Pnos) hält an sich wenig von der parlamentarischen Demokratie, die rechtsextreme Kleinpartei will die Parteien auflösen und die Proporzwahlen abschaffen. So steht es in den Erläuterungen zum Parteiprogramm.

 Doch das Endziel ist noch weit entfernt. Vorerst wollen zwei Männer (Raphael Würgler, Dominic Lüthard) und eine Frau (Denise Friedrich) Ende März in den Berner Grossen Rat einziehen. In der Januar-Ausgabe ihrer Zeitschrift "Zeitgeist" meint die Partei gar, es stehe "ausser Frage, dass es kein Ding der Unmöglichkeit" sei, einen der 160 Sitze zu erringen. Besonders aktiv im Wahlkampf ist die Köchin Denise Friedrich, Mitglied des Pnos-Bundesvorstands. Sie will "Schweizer Familien stärken", in ihrem Flugblatt fordert sie ein "staatlich finanziertes Erziehungsgehalt für Mütter und Väter".

 Sänger und Politiker

 Eine bekannte Vorgehensweise von RechtsextremistInnen: Sie reden von rechtsbürgerlichen Werten und wollen vergessen machen, dass die Pnos der politische Ausdruck einer Subkultur ist, nämlich jener der Naziskinheads und anderer Rechtsextremer. Für die im Herbst 2000 von Blood-and-Honour-Aktivisten gegründete Kleinpartei treten immer wieder auch Leute auf, die Politik und subkulturelles Engagement miteinander verbinden. Wie beispielsweise Dominic Lüthard, seit Jahren im Pnos-Bundesvorstand und Sänger der Band Indiziert.

 Lüthard steht seit Tagen im Mittelpunkt einer kleinmütigen Distan­zierungsposse. Er engagiere sich, so Lüthard in seiner Wahlkampf-Eigendarstellung, im "örtlichen Tennisclub" und mache "seit Jahren patriotische Musik". Patriotisch? Indiziert-Sänger Lüthard grölt schon mal von "Rassenverrat", "Rassenschande" und "Mulattenflut", in einem Lied bezeichnet er "Euro-Asiaten" als "völkische Zwitter". Im Klartext: kruder biologistisch begründeter Rassismus.

 Konzertabbruch

 Indiziert ist seit Jahren die bekannteste Band der Schweizer Nazi­skin-Szene, mehrfach ist die Band an einschlägigen Konzerten im Ausland aufgetreten. Angekündigt war vor kurzem ein Auftritt am ersten Märzsamstag 2010, organisiert von Aktivisten des Naziskinhead-Netzwerks Blood and Honour. Das ist unbestritten, einen elektronischen Flyer veröffentlichte Indiziert selber auf der Bandwebsite, dieser ist noch immer unter "Offizielle Indiziert-Fangruppe" auf Facebook einsehbar, aufgeschaltet von einem Indiziert-Mitglied. Das Konzert, das zuerst in Belgien hätte stattfinden sollen, wurde nach Polizeiinterventionen kurzzeitig verlegt und fand in der Nähe von Dresden statt. So weit, so unbestritten.

 Nach einer Medienmitteilung der Berner Antifa und ersten Medienberichten behauptete Dominic Lüthard, er sei nicht nach Ostdeutschland gefahren, da doch das Konzert illegal gewesen sei. Und Pnos-Medien sprecher Kevin Mareque doppelte nach: Die Geschichte sei "frei erfunden", und die "Journalistengilde" schenke einer "kargen Pressemitteilung von Linksextremen mehr Glauben". Frei erfunden? In einem einschlägigen deutschen ­Forum erklärt ein offensichtlich gut informierter Schreiber: "Weiterhin waren da: Indiziert & Amok aus der Schweiz. Diese konnten dann aber nicht mehr spielen wegen der Staatsmacht." Im Klartext: Die Polizei erzwang nach Mitternacht den Abbruch des Konzertes. Mit der Band Amok, gegen die seit November 2007 ein Strafverfahren wegen Drohung und Widerhandlung gegen die Rassismusstrafnorm läuft, war Indiziert bereits Anfang August 2008 an einem Konzert in Bümpliz aufgetreten.

 Immer wieder bei Blood and Honour

 Der Forumseintrag ist noch kein Beweis, aber eines ist sicher: Im Blood-and-Honour-Umfeld aufgetreten ist Pnos-Kandidat Dominic Lüthard bereits mindestens zweimal, im vergangenen September im italienischen Verona, im September 2008 im französischen ­Lyon. Beide Konzerte fanden zu Ehren des verunglückten Blood-and-Honour-Mitbegründers Jan Stuart statt. Bei WOZ-Redaktionsschluss war das auch noch auf der Indiziert-Website zu lesen. Aber das kann sich ja schnell ändern.

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GENF GANZ RECHTS
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WoZ 18.3.10

Genf-Das populistische Mouvement Citoyens Genevois (MCG) will bis 2011 Fraktionsstärke im Nationalrat erreichen. Doch die hochfliegenden Expansionspläne sind vorerst gescheitert.

Gegen Kaviarlinke und Börsenrechte

Von Helen Brügger

 Das rechtsextreme Mouvement Citoyens Genevois (MCG) hat grosse Pläne: Schon bei den Wahlen im Jahr 2011 will die Bewegung Fraktionsstärke im Nationalrat erreichen. Dazu muss sie sich jedoch in anderen Westschweizer Kantonen etablieren. Im Kanton Neuenburg soll die Gründungsversammlung Ende März über die Bühne gehen. Im Kanton Waadt ist sie vorerst einmal geplatzt.

 "Sozialistisch-patriotische Ideen"

 Der Genfer MCG-Führer Eric Stauffer rieb sich bereits die Hände: Er hatte zwei junge Studenten im Auge, mit deren Hilfe er die Waadtländer und Neuenburger Sektionen einer Bewegung gründen wollte, die letzten Herbst im Kanton Genf mit ihrer Kampagne gegen die "Grenzgängerinvasion" Schlagzeilen gemacht und einen Wahlerfolg errungen hatte. David L'Epée (27) und Jonathan Newton (24), auserwählt wegen ihrer "Dynamik" und weil sie zu hundert Prozent auf der Linie des MCG seien, sollten die Grundlagen für ein Mouvement Citoyens Romand legen.

 Doch ein paar Tage vor der öffentlichen Vorstellung der Waadtländer Sektion enthüllte das Westschweizer Fernsehen, dass die beiden Hoffnungsträger des MCG Mitglieder in einem schillernden Politgrüppchen namens Unité Populaire waren: L'Epée als Gründer, Newton als seine rechte Hand. Ein Grüppchen mit seltsamen "sozialistisch-patriotischen" Ideen, das, so konnte man auf der Unité-Website lesen, die nationale Souveränität gegen die "internationalen Raubtiere" verteidigen und die "Zerstörung der Arbeitswelt durch die Kaviarlinke und die Börsenrechte" verhindern will.

 Oder zumindest verhindern wollte. Denn die prestigereiche Fernsehsendung "Mise au point" vom 7. März warf der Unité Populaire unter anderem Antisemitismus und Homophobie vor, dokumentiert mit Inhalten von der Web site und mit Aussagen von Experten. Das Grüppchen wurde über Nacht aufgelöst und die Website abgeschaltet. Newton warf das Handtuch, er steht nicht mehr als Koordinator der Waadtländer Niederlassung des Mouvement Citoyens zur Verfügung.

 David L'Epée hingegen macht weiter. Er hofft, Ende März seine Neuenburger Sektion gründen zu kön nen - unter Ausschluss der Öffentlichkeit, wie er präzisiert. Daran seien die Medien schuld: "Wir haben grossen Zulauf, doch ich werde bis auf weiteres der alleinige Sprecher der Bewegung bleiben. Unsere Aktivisten wollen sich nach den Angriffen der Medien nicht mehr exponieren." Er rechnet in Neuenburg mit etwa zwanzig Mitgliedern.

 Die Vorwürfe des Fernsehens weist er als falsch und verleumderisch zurück. Die in der Sendung gezeigte antisemitische Karikatur sei in Wirklichkeit eine "anti-antisemitische Karikatur", und sein Anwalt werde Klage bei der unabhängigen Beschwerdeinstanz der SRG einreichen. Für ihn sind die Vorwürfe "ein politisch motivierter Versuch, das Mouvement Citoyens zu diabolisieren".

 Ehemaliger Trotzkist

 Wovon sich der ehemalige trotzkis tische Aktivist jedoch nicht distanziert, sind seine Beziehungen zum französischen Schriftsteller Alain Soral, der von der Kommunistischen Partei Frankreichs zur Le-Pen-Partei Front National gewechselt, dann eine "national-linke" Bewegung gegründet und schliesslich auf der "antizionistischen Liste" des Kabarettisten Dieudonné kandidiert hat. Sowohl Soral als auch Dieudonné, beide wegen Antisemitismus verurteilt, kamen auf der Homepage der Unité­ Populaire ausführlich zu Wort; die Gruppe war auch Mitglied bei Sorals Bewegung Egalité et Réconciliation, die sich für den nationalen Schulterschluss zwischen "der Linken der Arbeit und der Rechten der Werte" starkmacht. "Man hat nichts anderes gefunden, das man uns vorwerfen kann", beklagt sich L'Epée, "deshalb wirft man uns unsere Freundschaften vor."

 Auch Eric Stauffer, dessen Slogan "nicht links, nicht rechts, Genf zuerst" lautet, ist ein treuer Freund. David L'Epée verdiene weiterhin sein volles Vertrauen, so Stauffer gegenüber den Medien. Das Vertrauen ist gegenseitig. Stauffer, einst Mitglied der Liberalen Partei, habe im MCG seine Öffnung gegenüber sozialen Themen unter Beweis gestellt, sagt L'Epée, genau wie er, L'Epée, heute ein "identitäres und natio nales Bewusstsein" habe, das ihm im Alter von zwanzig Jahren gefehlt habe. Auch für L'Epée ist der "Links-rechts-Diskurs" veraltet. "Die heutige Jugend hat zum Glück viel mehr ideologische Flexibilität."

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KALKBREITE ZH
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Tagesanzeiger 18.3.10

Sonderkommando räumte Kalkbreite - Besetzer verabschiedeten sich mit Sirenenlärm

Das besetzte Haus im Kreis 4 ist leer. Ein Grossaufgebot der Stadtpolizei hat Zürichs berühmteste Adresse für Hausbesetzer geräumt.

 Von Simon Eppenberger

 Am frühen Mittwochmorgen räumte ein Aufgebot der Stadt- und Kantonspolizei das besetzte Haus an der Kalkbreitestrasse 4 im Kreis 4. Die Einsatzkräfte waren mit diversen Fahrzeugen, zwei Feuerwehrautos und einem Sanitätswagen vorgefahren. "Wir wussten nicht genau, was uns erwartet", sagte Marco Cortesi, Medienchef der Stadtpolizei. Der Grund für das grosse Aufgebot seien Erfahrungen bei früheren Räumungen besetzter Häuser. "Es hätte auch Störaktionen oder Solidaritätskundgebungen geben können", sagte Cortesi. Man habe zwar angenommen, dass die Liegenschaft an der Kalkbreite leer stand, doch auf Spekulationen wollte man sich nicht einlassen.

 Haus unbewohnbar gemacht

 Die früheren Störaktionen waren offenbar so gravierend, dass die Polizei das Gebäude von Sondereinsatzkräften aufbrechen und untersuchen liess. Die Beamten in Schutzausrüstung zogen nach kurzer Zeit wieder ab, Zwischenfälle gab es keine. Nun wird das Backsteinhaus unbewohnbar gemacht und schliesslich abgerissen.

 Die Besetzung dauerte laut Cortesi rund sieben Jahre. Während dieser Zeit kam es immer wieder zu Lärmklagen. "Es war keine befriedigende Situation, doch rechtlich konnte man das Gebäude nicht früher räumen." Lange Zeit lagen weder eine Um- oder Neubaubewilligung noch eine Abbruchbewilligung vor.

 Sirene als "Abschiedsgeschenk"

 Erst als das Projekt eines neuen Tramdepots und einer grossen Genossenschaftsüberbauung voranschritt (siehe unten), konnten die VBZ als Besitzerin eine Abbruchbewilligung beantragen. Als diese Anfang Jahr vorlag, stellten die VBZ den Besetzern ein Ultimatum. Daraufhin verliessen sie das Gebäude fristgerecht am vergangenen Freitag.

 Obwohl die Nachbarn das Treiben der Besetzer jahrelang tolerieren mussten, verabschiedeten sich die Bewohner der Kalkbreite nicht nur mit einem Transparent, auf dem sie weitere Besetzungen ankündigten. Sie montierten auf einem Fenstersims im dritten Stock des Gebäudes eine Sirene, die von einer Autobatterie angetrieben wurde. Diese heulte - quasi als Abschiedsgeschenk - vom Freitag bis zum Samstag rund zwei Tage lang.

 Ein VBZ-Chauffeur im Tramdepot gegenüber des Hauses schüttelte darüber den Kopf: "Diese Leute demonstrieren für Frieden auf der Welt, aber sie terrorisieren die Leute." Tagesanzeiger.ch/Newsnetz

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Kalkbreite

 2013 wird neue Überbauung bezogen

 Auf dem Kalkbreite-Areal plant die Genossenschaft Kalkbreite eine Wohn- und Gewerbesiedlung mit 89 Wohnungen und 4800 Quadratmetern Gewerbe- und Büroflächen. 500 Menschen sollen dort wohnen und arbeiten. Die Überbauung steht teilweise über den Tram-Abstellgleisen, welche die VBZ dieses Jahr neu bauen. Die Gleisanlage wird deshalb vollständig überdeckt.

 Anschliessend beginnt der Hochbau: eine vieleckige Blockrandüberbauung mit einem grossen, öffentlichen Innenhof nach Plänen der Müller Sigrist Architekten Zürich. 2013 soll die Überbauung fertig sein. Gestern Mittwoch hat der Zürcher Stadtrat den Baurechtsvertrag verabschiedet, den er dem Gemeinderat unterbreitet. Die Baugenossenschaft Kalkbreite soll das Baurecht für 62 Jahre erhalten mit einer Verlängerungsoption von zwei Mal 15 Jahren. Der Baurechtszins beträgt - vorbehältlich der Bauabrechnung - rund 375 000 Franken pro Jahr.

 In diesem Sommer muss der Gemeinderat auch noch den Gestaltungsplan bewilligen, der die baurechtliche Voraussetzung schafft für die Überbauung, die an der Kreuzung Badener-/Kalkbreitestrasse achtgeschossig, das heisst 25 Meter hoch sein wird. (jr)

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Zürichsee-Zeitung 18.3.10

Kalkbreite Polizei räumt Liegenschaft beim Tramdepot - Neubau soll 2013 bezugsbereit sein

 Besetzung endet ohne Krawalle

 Sieben Jahre lang war das Kalkbreite-Areal illegal besetzt, nun sind die Bewohner friedlich ausgezogen - haben aber viel Müll hinterlassen.

 Philippe Klein

 Gestern wurde das Kalkbreite-Areal zwischen Stauffacher und Albisriederplatz von der Zürcher Stadtpolizei geräumt - heute fahren nach siebenjähriger Besetzung die Bagger auf. Bis 2013 baut die Stadt Zürich dort ein neues Tramdepot und die Genossenschaft Kalkbreite eine Überbauung (siehe Kasten).

 Gemäss Aussagen von Polizeisprecher Marco Cortesi ist die gestrige Räumung problemlos verlaufen. Die letzten Besetzer seien vermutlich schon am Wochenende ausgezogen, gestern kurz nach acht Uhr morgens trafen die Polizisten jedenfalls keine Menschen mehr an. Zurückgelassen haben die Ex-Bewohner allerdings Unmengen von Möbeln und Müll. "Ein Riesenchaos" habe man vorgefunden, erklärt Cortesi. Der Abfall muss nun auf Kosten der Stadt, der Eigentümerin der Liegenschaft, entsorgt werden. Die Abfallsünder selber kann man nicht zur Rechenschaft ziehen, gemäss Cortesi hat man keine Anhaltspunkte zur Identität der Besetzer. Bauarbeiter werden das Gebäude in den nächsten Tagen unbewohnbar machen, indem sie Fenster und Türen zerstören. Gleichzeitig wird die "Kalki" Stück für Stück zurückgebaut.

 Ernüchternde Bilanz

 Die Bilanz nach sieben Jahren Besetzung fällt aus Sicht der Stadtpolizei ernüchternd aus. Marco Cortesi resümiert: "Immer wieder gab es Reklamationen aus der Nachbarschaft. Der illegale Bar- und Konzertbetrieb hat vielen von ihnen den Schlaf geraubt." Regelmässig habe die Polizei einschreiten müssen. Im Sinne der Nachbarschaft sei man daher froh, dass sich die Situation nun ändere.

 Es ist allerdings nicht damit zu rechnen, dass sich die Hausbesetzer nun auf dem regulären Wohnungsmarkt eine Bleibe suchen - viele von ihnen werden wohl ein Haus weiterziehen. 21 besetzte Liegenschaften gibt es derzeit auf Stadtgebiet, erst Ende Februar wurde in Albisrieden ein leerstehendes Haus besetzt.

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 Urbanes Vorzeige-Zentrum geplant

 Auf dem Kalkbreite-Areal soll 2011 mit der Errichtung einer neuen Wohn- und Gewerbeüberbauung begonnen werden. Der Zürcher Stadtrat hat an seiner Sitzung vom Mittwoch beschlossen, das 6350 Quadratmeter grosse Gelände über einen Baurechtsvertrag an die Genossenschaft Kalkbreite abzutreten. Zum Vertragsabschluss muss allerdings auch noch der Gemeinderat seine Zustimmung geben.

 Um das vorgesehene Projekt der Zürcher Architekten Müller Sigrist verwirklichen zu können, ist eine Überdachung der VBZ-Tramabstellanlage nötig, die heute den grössten Teil des Areals belegt. Den entsprechenden Kredit soll das Stadtparlament im Frühjahr 2011 bewilligen. In seiner gestrigen Mitteilung umschreibt der Stadtrat das Gesamtprojekt als "neues urbanes Zentrum", das sich nach den Zielen der 2000-Watt-Gesellschaft ausrichtet. Innerhalb einer modernen Blockrandbebauung soll ein grosszügiger Innenhof entstehen, der tagsüber auch einer breiteren Öffentlichkeit zur Verfügung steht. Die Überbauung soll dazu beitragen, die Quartiere beidseits des Seebahn-Einschnitts besser miteinander zu verbinden.

 Dachgarten über Tramdepot

 Die insgesamt 89 geplanten Wohnungen umfassen Grössen von einem bis zu zehn Zimmern. Daneben entstehen Räume mit einer Gesamtfläche von 4800 Quadratmetern für gewerbliche und kulturelle Nutzungen. 250 Personen sollen künftig auf dem Kalkbreite-Areal preisgünstig wohnen und ebenso viele einen Arbeitsplatz finden. Das Projekt richtet sich gemäss Ausschreibung vor allem an engagierte, kreative Menschen mit viel Gemeinschaftssinn: individuelle Räume sind Mangelware, dafür sollen Gemeinschaftsküchen sowie eine grosse Kantine entstehen. Und auf dem Dach des Tramdepots ist ein 3000 Quadratmeter grosser Gemeinschaftsgarten vorgesehen.

 Der vom Stadtrat genehmigte Baurechtsvertrag hat eine Laufzeit bis ins Jahr 2072 und kann maximal bis 2102 verlängert werden. Die Stadt rechnet mit einem Baurechtszins von rund 375 000 Franken als jährlichem Ertrag. Die Genossenschaft Kalkbreite geht davon aus, dass das Gebäude 2013 bezugsbereit sein wird.

Oliver Steimann

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Blick am Abend 17.3.10

Die "Chalchi" ist geräumt

 RAUSWURF

 Polizisten drangen gepanzert in die besetzte "Chalchi" ein - die Besetzer waren schon weg.

 Noch heute fahren die Bagger beim alten VBZ-Gebäude auf und reissen das geräumte Gebäude ab. Fünfzehn Polizisten in Kampfmontur drangen heute Morgen in das wohl bekannteste besetzte Haus der Stadt ein und fanden keine Bewohner mehr vor. "Die Besetzer sind wohl schon seit dem letzten Wochenende weg", sagt Polizeisprecher Mario Cortesi. Die Stadt hatte die Räumung schon länger angekündigt: Die Besitzerin der Liegenschaft, die Genossenschaft Kalkbreite, will neue Wohnungen erstellen. Das besetzte Haus gleich bei der Tramhaltestelle Kalkbreite war seit sechs Jahren besetzt, so lange wie kein anderes Haus in der Stadt. Die "Chalchi" galt als Zentrum der Zürcher Besetzerszene. Die "Chalchi"-Bewohner organisierten in den letzten Jahren immer wieder Demos und Events. re

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ANTIREP-DEMO ZH
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WoZ 18.3.10

Diesseits und Jenseits

 Her mit dem schönen Leben!

Repression und Ausgrenzung gegen über allem, was vom neoliberal-folkloristischen Mainstream abweicht und nicht systemkonform ist, werden in der Schweiz immer mehr die Regel. Betroffen sind viele Bevölkerungsgruppen: von MigrantInnen, Arbeitslosen, IV- und SozialhilfebezügerInnen bis hin zu HäuserbesetzerInnen, autonomen Bildungskreisen und Selbstbestimmung fordernden Studierenden. Deutliche Beispiele für diese Repression sind die Brachlegung der Besetzung Wehntalerstrasse und die Räumung der Autonomen Schule Zürich sowie die Schliessung des Pavillons von "unsereuni" im Januar - allesamt unangekündigt. Dabei nehmen die Ausgrenzungsmechanismen zahlreiche Formen an. Immer öfter dominieren sie lautstark die Medien, im Alltag dagegen agieren sie unsichtbar, mit gesetzlichen Verschärfungen und polizeilicher Kontrolle: durch Rayonverbote, Räumungen, Videoüberwachungen, Sozialinspektoren und Fichierungssysteme.

 Ob Flüchtlinge und diejenigen, die ihnen beistehen, mit Gesetzesverschärfungen in die Illegalität getrieben werden … Ob gegen IV- und SozialhilfebezügerInnen gehetzt und gefahndet wird … Ob die alternativen Bildungsansätze von "unsereuni" oder der Autonomen Schule Zürich durch Raumentzug verunmög licht werden sollen … Ob besetzte Kultur- und Wohnräume auf Vorrat geräumt werden …

 … immer wird im Namen einer vermeintlichen Mehrheit argumentiert. Damit lenken die herrschenden Kräfte von den drängenden Problemen ab. Die Wirtschaftskrise ist weder überwunden, noch kann sie durch die Inszenierung des Krisenmanagements gelöst werden. Die Ursachen der Krise werden nicht beseitigt, die Macht der Banken und Finanzunternehmen, die gigantische Umverteilung des Reichtums werden nicht infrage gestellt. Die Verluste werden durch massenhafte Entlassungen, verschärfte Prekarisierung und einen massiven Sozialabbau auf die Gesellschaft abgewälzt. Während die Armut seit Jahren ständig steigt, explodieren in Zürich gleichzeitig die Mieten.

 Wir demonstrieren am 20. März, um sichtbar zu machen: Wir lassen uns nicht zu "Minderheiten" abstempeln. Wir wollen Bildung für alle, ein Bleiberecht für alle. Wir wollen eine offene und kritische Universität, Kinderkrippen für alle, wir wollen günstige Wohnungen überall in der Stadt. Wir wollen ein menschenwürdiges Leben für alle, wir wollen politische und soziale Rechte für alle. Wir wollen Meinungsfreiheit, wir wollen Lehrstellen für Jugendliche (auch Sans-Papiers!) und würdige Arbeitsbedingungen für alle. Her mit dem schönen Leben!

 Für die Demo-Organisation: Verein Bildung für alle, Autonome Schule Zürich, Bleiberecht-Kollektiv Zürich

 Demonstration gegen Repression und Ausgrenzung (bewilligt) in Zürich: Besammlung beim Landesmuseum, Samstag, 20. März, um 14 Uhr.

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Indymedia 14.3.10

20.3.10 Demo: gemeinsam gegen Repression und Ausgrenzung

AutorIn : o

DEMO
Gemeinsam gegen die Repressions- und Ausgrenzungsmaschinerie!
Samstag 20. März
14:00 Landesmuseum
Zürich

Flyer: http://ch.indymedia.org/media/2010/03//74320.pdf
Plakat: http://ch.indymedia.org/media/2010/03//74321.pdf

Repression und Ausgrenzung gegenüber allem, was vom neoliberalen Mainstream abweicht, wird in der Schweiz immer mehr die Regel. Betroffen sind die unterschiedlichsten Bevölkerungsgruppen:

Migrant_innen, Arbeitslose, IV- und Sozialhilfebezüger_innen, Hausbesetzer_innen, autonome Bildungskreise und Selbstbestimmung fordernde Studierende. Gesetzesverschärfungen gegen Flüchtlinge, Polizeigewalt, die Räumung nicht kommerziell orientierter Freiräume, Überwachung und Fichierungen bis hin zu DNA-Entnahmen dienen der Ausgrenzung und Isolierung von Menschen, die Ungerechtigkeit erfahren oder an reellen Alternativen arbeiten.

Wir laden alle herzlich ein, sich dem (bewilligten) Demonstrationszug anzuschliessen.
Besammlung: 20. März, 14 Uhr, Landesmuseum.

Mit derartigen Isolationsstrategien wird die Solidarität unter Anders- und Weiterdenkenden systematisch zu verhindern versucht. Gleichzeitig wird durch deren Kriminalisierung von drängenden Problemen abgelenkt. So werden die Ursachen der Wirtschaftskrise von Politik und Medien unter den Tisch gekehrt. Tatsache ist: immer mehr Menschen leben unter dem Existenzminimum, während 3 Prozent (!) der Steuer- pflichtigen in der Schweiz über mehr als die Hälfte des gesamten Vermögens verfügen. Jugendliche finden keine Lehrstellen, universitäre Bildung wird von Grosskonzernen geformt, in Zürich herrscht Wohnungs- not bei gleichzeitig etlichen Luxusneubauten. Während Konzerne globalisiert werden, werden auf der Bevölkerungsebene Nationalismus und Rassismus geschürt.

Wir demonstrieren heute, weil wir uns nicht zu "Minderheiten" abstempeln lassen. Wir repräsentieren unterschiedlichste Ideen, Herkünfte und Ziele, aber wehren uns gemeinsam und verstärkt gegen die Isolations- strategien, die wir erfahren. Wir lassen uns nicht marginalisieren: wir befinden uns mitten in der Gesellschaft und thematisieren aktuellste Probleme, die von der offiziellen Politik verschwiegen werden. Wir leben Solidarität und beleben damit eine neue, andere Welt, in der Menschen mehr zählen als Profit. Wir wollen ein menschenwürdiges Leben für alle, ein Bleiberecht für alle, Lehrstellen für Jugendliche (auch Sans-Papiers!) und günstige Wohnungen überall in der Stadt sowie eine offene und kritische Universität.

A l t e r n a t i v e L i s t e ( A L ) | A n a r c h i s t i s c h e A k t i o n Z e n t r a l s c h w e i z ( A A Z ) | A n a r c h o - G o t h i c s | A n t i k a p i t a l i s t i s c h e L i n k e - f ü r S o z i a l i s m u s ( A L S ) |
A n t i k a p i t a l i s t i s c h e s K o l l e k t i v Z ü r c h e r O b e r l a n d ( A K Z O ) | AT TA C Z ü r i c h | a u g e n a u f Z ü r i c h | A u t o n o m e S c h u l e Z ü r i c h ( A S Z ) | B e w e g u n g f ü r S o z i a l i s m u s ( B F S ) | B i l d u n g f ü r A l l e ! ( B f A ) | B l e i b e r e c h t f ü r A l l e ! | D a r f u r F r i e d e n s - u n d E n t w i c k l u n g s - Z e n t r u m ( D F E Z ) | D e m o k r a t i s c h e V e r e i n i g u n g d e r
F l ü c h t l i n g e ( D V F ) | G e w e r k s c h a f t s b u n d d e s K a n t o n s Z ü r i c h ( G B K Z ) | G r ü n e S t a d t Z ü r i c h | H u m a n i s t i s c h e P a r t e i ( H P ) | I G S o z i a l h i l f e | I n t e r n a t i o n a l F e d e r a t i o n o f I r a q i R e f u g e e s ( I F I R ) | J u n g e G r ü n e | J u n g s o z i a l i s t I n n e n ( J u s o ) | K a r a k ö k A u t o n o m e t r / c h | P a r t e i d e r A r b e i t ( P d A ) | S y s t e m b r u c h | S o l i d a r i t é s a n s f r o n t i è r e s ( S o s f ) | S o l i n e t z Z ü r i c h | S u d a n L i b e r a t i o n M o v e m e n t ( S L M ) | T i e r r e c h t s g r u p p e Z ü r i c h ( T R G Z H ) | U n i a , S e k t i o n Z ü r i c h | U n s e r e U n i | V e r e i n i g u n g u n a b h ä n g i g e r Ä r z t i n n e n u n d Ä r z t e ( V U A ) | W e l t o h n e K r i e g u n d G e w a l t ( W o K u G ) | Z ü r c h e r O f f e n s i v e F r a u e n ( Z O f f ! )


Aufruf

Gemeinsam gegen die Repressions- und Ausgrenzungsmaschinerie Demonstration // 20. März 2010 // 14h Landesmuseum Zürich

Repression und Ausgrenzung gegenüber allem, was vom neoliberal-folkloristischen Mainstream abweicht und nicht systemkonform ist, werden in der Schweiz immer mehr die Regel. Betroffen sind viele Bevölkerungsgruppen: von Migrant_innen, Arbeitslosen, IV- und Sozialhilfebezüger_innen bis hin zu Häuserbesetzer_innen, autonomen Bildungskreisen und Selbstbestimmung fordernden Studierenden. Freiräume für Andersdenkende werden auf Vorrat geschlossen. Deutliche Beispiele für diese Repression sind die Brachlegung der Besetzung Wehntalerstrasse und die Räumung der Autonomen Schule Zürich mit kostenlosen Deutschkursen für MigrantInnen am 7. Januar 2010, sowie die Schliessung des Pavillons von "unsereuni" vom 20. auf den 21. Januar - allesamt unangekündigt. Dabei nehmen die Ausgrenzungsmechanismen zahlreiche Formen an. Immer öfter dominieren sie lautstark die Medien, im Alltag dagegen agieren sie unsichtbar, mittels gesetzlicher Verschärfungen und polizeilicher Kontrolle: durch Rayonverbote, Räumungen, Videoüberwachungen, Sozialinspektoren und Fichierungssysteme.

Repression, Isolation und Ausgrenzung sollen die Solidarität zwischen den vereinzelten Gruppen systematisch verhindern:
- Ob Flüchtlinge, Migrant_innen und diejenigen, die ihnen beistehen, mit Gesetzesverschärfungen in die Illegalität getrieben werden …
- Ob gegen IV- und Sozialhilfebezüger_innen gehetzt und detektivisch gefahndet wird …
- Ob die alternativen Bildungsansätze von "unsereuni" oder der Autonomen Schule Zürich durch Raumentzug verunmöglicht werden sollen …
- Ob autonome, besetze Kultur- und Wohnräume auf Vorrat geräumt werden …
- Ob ganze Wohnquartiere zu toten "Boomtowns" für Konzerne oder zu Zweitwohnungszonen für Reiche umgewidmet werden …
… immer wird im Namen einer vermeintlichen Mehrheit argumentiert, die ihren Wohlstand und ihr Ordnungssystem gegenüber "den Anderen" zu schützen habe.

Damit lenken die herrschenden Kräfte von den drängenden Problemen ab: Die Wirtschaftskrise ist weder überwunden noch kann sie durch die Inszenierung des Krisenmanagements gelöst werden. Die entscheidenden Ursachen der Krise werden nicht beseitigt, die konzentrierte Macht der Banken und Finanzunternehmen, die gigantische Umverteilung des Reichtums zu den Konzernen und Vermögenden werden von den Regierungen nicht in Frage gestellt. Die Verluste werden durch massenhafte Entlassungen, verschärfte Prekarisierung und einen massiven Sozialabbau auf die Gesellschaft abgewälzt, womit sich die Arbeits- und Lebensbedingungen der Mehrheit der Bevölkerung erheblich verschlechtern. Während die Armut seit Jahren ständig steigt, explodieren in Zürich gleichzeitig die Mieten und immer mehr Menschen werden aus der Stadt verdrängt. Wir demonstrieren am 20. März um sichtbar zu machen: Wir lassen uns nicht zu "Minderheiten" abstempeln. Wir tragen zum materiellen Reichtum der Gesellschaft bei, ohne gross davon zu profitieren. Statt Repression und Marginalisierung zu erdulden, zeigen wir, dass wir uns - als vermeintlich Randständige - mitten in der Gesellschaft befinden. Alle, die sich eine andere Stadt in einer anderen Welt wünschen, alle, die sich dagegen wehren, dass Profite mehr zählen als Menschen, rufen wir dazu auf, gemeinsam ihren Widerstand gegen jegliche Art von Repression und Ausgrenzung in unserer Gesellschaft auf die Strasse zu tragen. Wir wollen Bildung für alle, ein Bleiberecht für alle. Wir wollen eine offene und kritische Universität, Kinderkrippen für alle, wir wollen günstige Wohnungen überall in der Stadt. Wir wollen ein menschenwürdiges Leben für alle, wir wollen politische und soziale Rechte für alle. Wir wollen Meinungsfreiheit, wir wollen Lehrstellen fürJugendliche (auch Sans-Papiers!) und würdige Arbeitsbedingungen für alle.
Her mit dem schönen Leben!


Hintergründe

Alternative Bildungskultur und Wohnraum

Am 7. Januar 2010 wurde die Autonome Schule Zürich völlig überraschend durch ein massives Polizeiaufgebot geräumt. Damit wurde ein selbstverwaltetes Bildungsprojekt, das wegen der Deutschkurse für Sans-Papiers und Asylsuchende vor allem für Flüchtlinge essentiell war, stark beeinträchtigt. Gleichentags wurden in der besetzten Siedlung an der Wehntalerstrasse Strom und Wasser abgestellt. In der Nacht vom 20. auf den 21. Januar wurde der selbstorganisierte Pavillon der Bewegung Unsere Uni von der Universität unangekündigt gesperrt und von der Securitas abgeschirmt. Der Pavillon war im Anschluss an die Hörsaal-Besetzung vom vergangenen November zum wichtigen Treffpunkt jener Menschen geworden, die sich gegen die neoliberale Vermarktwirtschaftlichung des Bildungssystems wehren wollten. Die Mächtigen der "Boomtown" Zürich, die durch ihre Politik der "Aufwertung" und durch Immobilienspekulation eine fortschreitende Gentrifizierung ("Seefeldisierung") Zürichs vorantreiben, sind offensichtlich nicht begeistert über die Erschaffung von autonomen, nicht kommerziell ausgerichteten Wohn- und Kulturräumen.

Flüchtlingsschicksale und Migration

Für Migrant_nnen und Flüchtlinge ist die Repression besonders stark. Verfolgung, Verhaftungen und gewaltsame Ausschaffung gehören zum Alltag. Tausende abgewiesene Asylsuchende werden durch den Staat illegalisiert und unter das rigide Nothilfe-Regime gestellt. Sie dürfen nicht arbeiten, wohnen zusammengepfercht in Notunterkünften und leben mit 8.60 Franken pro Tag in Form von Migros-Gutscheinen. Wenn sie auf der Strasse in eine polizeiliche Kontrolle kommen, können sie bis achtzehn Monate ins Gefängnis eingesperrt werden. Aber nicht nur abgewiesene Asylsuchende leiden unter der Illegalisierungspolitik. In der Schweiz leben gegen 300′000 Sans-Papiers - meist unter höchst prekären Arbeitsbedingungen. Sie sind das "Bodenpersonal der Globalisierung". Aber da sie keine ufenthaltsbewilligung haben, können sie sich nicht wehren gegen Arbeitgeber, die ihre Notlage ausnutzen. Auch sie können jederzeit festgenommen und ausgeschafft werden. Diese Politik von Law and Order und die Praxis der sozialen Ausgrenzung werden immer mehr auch im gesetzlichen Rahmen verankert. Weitere Verschärfungen im Asyl- und Ausländerrecht sind bereits geplant, und die Ausschaffungsinitiative der SVP steht an.

Arbeitslosigkeit, IV-, Sozialhilfe und Armut

Am Pranger der neoliberalen Politik stehen auch die angeblichen Profiteure der Invalidenversicherung, der Arbeitslosenversicherung, der "Sozialhilfe". Jugendliche müssen mit ansehen, dass ihre Perspektiven immer mehr eingeschränkt werden. Lehrstellen fehlen, Stipendien für das Studium werden gekürzt. Es sind wenige Jobs und fast keine erschwinglichen Wohnungen vorhanden. Sozialhilfebezüger_nnen werden jetzt von Detektiven beobachtet. Personen mit einer Behinderung müssen damit rechnen, dass sie als Betrüger und Delinquente abgestempelt werden. Erwerbslose haben mit der neusten Revision der Arbeitslosenversicherung weitere Kürzungen und Verschärfungen zu erwarten - und werden weiterhin für ihre Arbeitslosigkeit schuldig gemacht. Viele werden nie wieder vom regulären Arbeitsmarkt aufgenommen und stattdessen in billige Beschäftigungsprogramme und prekäre Arbeiten gesteckt. Unter Ausgrenzung und Abbau des Sozialstaats leiden viele Menschen in der Schweiz. Nach Schätzungen der Caritas ist jede zehnte Person von Armut betroffen - zwischen 700'00-900′000 Menschen. Die Verarmung und Ausgrenzung betrifft besonders Migrant_nnen, alleinerziehende Mütter, Frauen, Jugendliche und Kinder. Armut in der reichen Schweiz! In einem Land, in dem knapp 3 Prozent der Steuerpflichtigen über mehr als die Hälfte des gesamten Vermögens verfügen. Mit einer Steuerpolitik, die auf ihre Interessen ausgerichtet ist, sorgen sie für eine weitere Umverteilung von unten nach oben.

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ISLAMOPHOBIE
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20 Minuten 18.3.10

Radikale Christen gegen Islamisierung

 LANGENTHAL. Nachdem sich die militanten Muslime im Islamischen Zentralrat formiert haben, organisieren sich nun auch die militanten Islamgegner: Das auf freikirchlichen Kreisen basierende Aktionskomitee Stopp Minarett Langenthal will seine Aktivitäten in einem neu gegründeten Aktionskomitee "Gegen die strategische Islamisierung der Schweiz" ausweiten. Ziel sei "die Stärkung der christlichen Tradition und das Eindämmen christenfeindlicher islamischer Expansion". Für gefährlich hält das Komitee nicht nur den Islamischen Zentralrat Schweiz, sondern auch die islamischen Dachorganisationen und das Forum für einen fortschrittlichen Islam, da diese das Bild eines "integrationsfähigen Islambildes" verbreiteten. Sektenexperte Georg Schmid bezeichnet diesen "Radikalisierungskurs" als problematisch: "Ich hoffe, dass keine Massenbewegung entsteht."  dp

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LICHTSPIEL
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WoZ 18.3.10

Film

 10 Jahre Lichtspiel

 Wenn diesen Sonntag im Berner Kino Lichtspiel der Gong ertönt und das Rattern des Filmprojektors startet, ist es ein besonderer Moment: Zum 500. Mal präsentiert das Kino Überraschungen aus dem eigenen Filmarchiv. Seit zehn Jahren ist im Lichtspiel jeden Sonn tag - ohne Ausnahme! - Kurliges, Überraschendes, Witziges und Unterhaltsames zu sehen, Dokumente, die sonst nirgends präsentiert werden: alte Wochenschauen, Werbung aus den fünfziger Jahren, alte Trickfilme und Musikclips. Eine halbe Stunde dauert der erste Filmblock, dann gibts eine kurze Pause, während deren die Filmrolle gewechselt wird und man Zeit hat, an der Bar des Kinos seinen Durst zu löschen. Dann folgt nochmals eine halbe Stunde historisches Filmmaterial.

 Ins Lichtspiel zu gehen, lohnt sich aber nicht nur wegen der Filmprojek tionen, das Lichtspiel ist auch ein kleines Museum: Da hängen alte Filmplakate, und alte Projektoren stehen in Reih und Glied. Gesammelt hat diese Geräte der 1998 verstorbene Kinotechniker Walter A. Ritschard. Mit den rund 10 000 Objekten aus der Kinogeschichte hat er die grösste private Sammlung Europas zusammengetragen und wohnte selber mittendrin. Nach Ritschards Tod übernahm David Landolf den Nachlass. Gemeinsam mit einem kleinen Team kümmert er sich nicht nur um Ritschards Sammlung, sondern baut auch eine eigene Kinemathek auf. Wer noch nie im Lichtspiel war, muss unbedingt mal hin, wer schon war, geht immer wieder. süs

 Ausstellung, kurze Filme und "Augentricke" mit Babu Wälti in: Bern Lichtspiel, Fr, 19. März, 18 Uhr bis 2 Uhr. 500. Lichtspielprogramm, So, 21. März, 20 Uhr, Bar ab 19 Uhr. "Frühlingslied" / "S'Vreneli vom Eggisberg", Mi, 24. März, 20 Uhr, Bar ab 19 Uhr. http://www.lichtspiel.ch

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Bund 18.3.10


Lichtspiel In seinem 10. Jahr lädt das Kino zur 500. Vorstellung

 Wo das Kino noch Kintopp ist

 Seit August 2000 zeigt das Kino Lichtspiel jeden Sonntagabend Filme aus seinem Archiv - am Sonntag zum 500. Mal. Besuch in einem Leuchtturm der Kinokultur.

 Thomas Allenbach

 "Wir sind nicht nur ein weiteres alternatives Kino. Wir sind anders, wir haben den Charakter einer Institution." David Landolf sitzt in seinem Büro an der Bahnstrasse 21 und blickt mit berechtigtem Stolz auf die Geschichte des Lichtspiels zurück. Tatsächlich ist dieses mehr als "nur" ein Kino: Es zählt wie die Cinémathèque Suisse in Lausanne zum erlesenen Kreis der Kinematheken und hat seit Kurzem auch den Status eines Museums. Sechs bis acht Leute arbeiten regelmässig im Archiv, erfassen technisches Material und Filme, die bis zurück in die 1920er-Jahre reichen. Von den Werken Clemens Klopfensteins oder René Gardis bis zu den Filmen des Verbandes der Schweizer Milchproduzenten, von Firmenbeständen - zum Beispiel Wander - bis zu Homemovies aus privaten Kellern und Dachstöcken reicht das Spektrum, Wochenschauen, Trailer und Musikclips finden sich ebenso wie Werbefilme, und auch die Schweizer Trickfilmgruppe hat ihre Bestände hier deponiert.

 Ein singulärer Betrieb ist das Lichtspiel nicht nur in Bern, sondern schweizweit. Denn gesammelt werden nicht nur Filme, präsent ist auch die Apparatewelt des Kinos. Nirgendwo sonst verschränken sich Film- und Kinogeschichte, Ästhetik und Technik derart eng wie auf den 1000 Quadratmetern in den Hallen zwischen Güterbahnhof und Kehrichtverbrennungsanlage, die früher der Chocolat Tobler als Rösterei dienten. Das zeigt sich auch in den Räumlichkeiten: Das Kino mit seiner Bar ist Teil des offen zugänglichen Archivs, der Weg zum Kinosessel führt vorbei an Kinoprojektoren, Jukeboxes und durch liebevoll präsentierte Kino-Erinnerungsstücke. Das Lichtspiel hat fast schon den Charakter eines Erlebnisparks, hier lebt die Schausteller- und Variété-Tradition des Kinos weiter, hier ist das Kino mit andern Worten noch Kintopp. Die Objekte werden nicht nur präsentiert, sondern auch genutzt, das Lichtspiel ist ein veritabler Umschlagsort: Kameras, Projektoren und andere Apparate werden repariert, Filme und Videos digitalisiert, und zudem wird auch Film- und Kinowissen vermittelt. Alle Filmvorstellungen werden mit Einführungen begleitet, zudem führt David Landolf Kurse durch, bietet - zusammen mit dem Kino Kunstmuseum - ein Programm zur Filmgeschichte an und bildet auch Operateure aus.

 Das Erbe eines Kinofreaks

 Am Anfang des Lichtspiels war das Aufräumen. Vor zehn Jahren übernahm Landolf den Nachlass des 1998 verstorbenen Walter A. Ritschard. Der Berner Kinounternehmer war seit 1939 mit seinem Wanderkino durchs Land gezogen. Begonnen hatte er mit einem Kofferprojektor, einigen wenigen Filmen und Handzetteln, mit denen er Werbung für seine Vorführungen machte. Über all die Jahre wurde Ritschard auch zum Sammler, er war zur Stelle, wenn Kinos aufgegeben wurden. 1980 zog er an die Bahnstrasse, wo sein Kinouniversum weiter anwuchs. Rund 10 000 Objekte fand Landolf vor, von Filmrollen verschiedenster Provenienz über Werbematerial bis zu Kinoprojektoren, Kinozubehör und so ziemlich allen erdenklichen Ersatzteilen. "Das war ein Schatz, den es zu erhalten galt", sagt er. In akribischer Kleinarbeit begann er zusammen mit den ersten Mitgliedern des Vereins Lichtspiel mit der Sichtung, Erfassung und Bewahrung der Schätze, und ab August 2000 auch mit der Präsentation der Filme jeweils am Sonntagabend. "Wir zeigten, was wir unter der Woche visioniert hatten." Aus den Ad-hoc-Anlässen wurden thematisch strukturierte Abende, das Konzept aber blieb dasselbe: Kurze Filme unterschiedlichster Formen und Formate werden präsentiert, ein bunter Mix, der oft zeitgeschichtlich geprägt ist und zugleich Zeitgeschichte reflektiert. Für die 500. Vorstellung haben Landolf und seine Mitstreiter ein Best-of-Programm mit ihren Lieblingen aus allen Sparten zusammengestellt.

 Das Kinoprogramm des Lichtspiels ist kontinuierlich um Zyklen, Reihen und Kollaborationen mit zugewandten Orten wie etwa dem Sigmund-Freud-Zentrum erweitert worden. Längst ist das Lichtspiel auch viel mehr als nur die Sammlung Ritschard. "Wir wuchsen organisch, das konnte man nicht planen, dafür konnte man keinen Businessplan entwickeln", sagt Landolf. Die Entwicklung in konkreten Zahlen ist beeindruckend: 400 Filme hatte Ritschard gesammelt - heute verfügt das Lichtspiel über nicht weniger als 14 000 Titel. "Jüngst rief uns sogar jemand aus Paris an, der uns seine Filme überlassen wollte", erzählt Landolf - das Lichtspiel ist zu einer Adresse mit europäischer Ausstrahlung geworden. Aufbewahrt wird grundsätzlich alles ausser grossen Kinospielfilmen, das Material wird via Datenbank auch dem Netzwerk europäischer Museen und Archive zugänglich gemacht. Getragen wird das Lichtspiel von einem Verein mit rund 700 Mitgliedern, die mit ihren Beiträgen den Betrieb (Budget: 230 000 Franken) mittragen. Zwei Drittel des Budgets werden durch die Einnahmen aus den Filmvorführungen und die Vermietung des Kinos für private Anlässe finanziert, dazu kommen jährlich 30 000 Franken Subventionen von der Stadt.

 Offene Zukunft

 Ebendiese Stadt wird demnächst einen wichtigen Entscheid für die Zukunft des Lichtspiels treffen. In zwei Jahren soll die Kehrichtverbrennungsanlage geschlossen und das ganze Areal neu gestaltet werden. "Die Stadt ist sehr verschwiegen, was die Planung betrifft", sagt Landolf, "Konkreteres wird man erst erfahren, wenn der Architekturwettbewerb ausgeschrieben wird". Für das Lichtspiel gibt es drei Optionen: Es bleibt in den bestehenden Räumen, es wird in einen Neubau integriert oder es muss sich nach einem neuen Standort umschauen. Landolf hofft auf die ersten beiden Varianten, er könnte sich aber notfalls auch einen Umzug vorstellen. "Wie auch immer die Planung aussieht, die Zukunft der Institution Lichtspiel ist nicht gefährdet, die Stadt hat unsern Leuchtturm-Charakter erkannt." Zu den Objekten, die Landolf zügeln müsste, gehört auch die Urne mit der Asche von Ritschard, sie steht in Landolfs Büro. "Ich habe bisher noch keinen besseren Platz für sie gefunden", sagt er entschuldigend. Einen bessern Platz? Sie ist am richtigen Ort.

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 Museumsnacht

 Das Lichtspiel ist auch an der Museumsnacht präsent. Zusammen mit dem Spielzeuglaboratorium von Babu Wälti werden aussergewöhnliche Filminstallationen präsentiert, zudem gibt es eine Ausstellung zur Kinogeschichte, flankiert von der Lichtspielbar. Freitag, 19. März, 18 bis 2 Uhr. (all)

 500. Vorstellung im Lichtspiel Sonntag, 21. März, 20 Uhr (Bar ab 19 Uhr).

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BIG BROTHER SPORT
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St. Galler Tagblatt 18.3.10

"Ich bin keine Hardlinerin"

 Karin Keller-Sutter hat im nationalen Medienzirkus eine klare Rolle: Seit längerem wird sie meistens zitiert, wenn es um Gewalt an Sportveranstaltungen geht - und was dagegen zu tun sei. "Diese Frau stoppt die Hooligans" prangte am vergangenen Wochenende auf der Titelseite des "Sonntags-Blick". Garniert mit Fotos, auf denen Vermummte Leuchtfackeln schwenken und Autos umkippen. Des Artikels Essenz: Karin Keller-Sutter - von Freund und Feind kurz KKS genannt - ist die neue "eiserne Lady", sie greift mit Schnellrichtern knallhart gegen Randalierer durch.

 Über Hooligans reden

 "Ich bin kein harter Mensch", sagte Keller-Sutter gestern in den Räumen der Industrie- und Handelskammer (IHK). Vielmehr sei die Hardlinerin eine Rolle, die ihr zugeschrieben werde - "ich führe nun mal das Sicherheits- und Justizdepartement". Das Publikum sind an die fünfzig Geschäftsfrauen. Nicht unbedingt Leute also, die regelmässig über Hooligans diskutieren. Aber heute soll es für einmal auch nicht um das scheinbar ewig gleiche Thema gehen, sondern um "Umgang mit Kritik und Eingriffen ins Privatleben" - darüber spricht Karin Keller im Rahmen der Reihe "Frauen im Gespräch".

 Eben, hart sei sie nicht, sondern "ein Familienmensch", der Sport und Natur als Ausgleich zum vollen Terminkalender brauche. Obwohl sie täglich um fünf Uhr morgens aufstehe, um ihr Pensum erfüllen zu können, sei Regierungsrätin noch immer ein Traumjob, sagt die Wilerin. Doch dieser Traumjob, der oft im Spannungsfeld Freiheit - Sicherheit wirkt, hat auch seine Schattenseiten. Es gebe immer wieder anonyme Drohungen gegen ihre Person, gerade auch von Seiten der Gewalttäter im Fussball und Eishockey - und schon dreht sich das Gespräch doch wieder um das grosse Thema.

 Die Justizdirektorin wird deutlich: "Für mich sind das feige und primitive Angriffe. Ich lasse mir weder mein Leben davon bestimmen noch den Mund verbieten." Trotzdem musste Karin Keller-Sutter "zeitweise" Personenschutz in Anspruch nehmen - laut einem Bericht in der "Zürichsee-Zeitung" sogar erst kürzlich, als sie ein Spiel der Rapperswil-Jona Lakers besuchte. Zu den "Shut Up"-T-Shirts mit ihrem Bild, die einige Fans just an diesem Spiel trugen (Ausgabe vom 13. März), wollte sich die Angefeindete gestern nicht äussern.

 An der Front

 Einmal pro Jahr nimmt sich Karin Keller Zeit, um zu ihren Leuten "an die Front" zu gehen. So war sie im vergangenen Jahr bei einem Ordnungsdienst-Einsatz im Rapperswiler Eishockey-Stadion dabei. "Direkt hinter der vordersten Linie habe ich das Geschehen mitverfolgt. Die Polizisten wurden beschimpft, bespuckt, mit brennenden Zigaretten beworfen", erzählt sie. Sowieso, die zunehmende "Qualität" der Gewalt in der Gesellschaft sei bedenklich. Sie höre das auch von erfahrenen Polizisten. "Letztlich ist Gewalt aber auch eine gesellschaftliche Frage - der Staat allein kann sie nicht verhindern." Urs-Peter Zwingli

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Aargauer Zeitung 18.3.10

Hooligans: Aargau greift durch

 Regierungsrat Urs Hofmann strebt eine bessere Koordination von Polizei und Justiz an

 CVP-Präsident und Grossrat Franz Hollinger rennt mit dem Vorstoss zum Thema Hooligans (am Dienstag im Grossen Rat) offene Türen ein. Justizdirektor Urs Hofmann hat die Weichen bereits so gestellt, dass randalierende Fussballfans künftig auch im Aargau rasch und kompromisslos abgeurteilt werden können.

 Toni Widmer

 "Was in St. Gallen gemacht wird, das ist auch bei uns möglich. Auch wir können und wollen gegen die Fussball-Hooligans rasch und kompromisslos durchgreifen", sagt der Aarauer Bezirksamtmann Dieter Gautschi. Nur zu gerne hätte er am Samstag ein paar der Chaoten gepackt, die nach dem Spiel Aarau - Zürich Polizisten mit Pflastersteinen bewarfen und an der Hinteren Bahnhofstrasse zahlreiche Scheiben zertrümmerten.

 "Die rechtlichen Voraussetzungen, solche Randalierer abzuführen und sofort zu bestrafen, sind gegeben. Ich habe die Kompetenz dazu und ich würde diese Kompetenz im entsprechenden Fall auch wahrnehmen. Gegen solche Leute ist hartes Durchgreifen angesagt", bekräftigt Gautschi.

 Eskalation vermeiden

 Warum hat er es denn am vergangenen Samstag nicht gemacht? "Ich hatte Pikettdienst, wäre also sofort verfügbar gewesen. Doch ich habe weder im Voraus gewusst, dass beim Zürcher Spiel allenfalls mit Ausschreitungen zu rechnen ist, noch bin ich am Samstag direkt über die Vorfälle informiert worden", sagt Gautschi.

 Der Bezirksamtmann will das allerdings nicht als Vorwurf an die Polizei verstanden wissen: "Ich bin nicht über die Strategie der Einsatzkräfte informiert. Es ist durchaus möglich, dass die Polizei bewusst darauf verzichtet hat, einzelne Randalierer festzunehmen und vom Bezirksamt in Haft setzen zu lassen", erklärt Gautschi. Eine solche Strategie werde jeweils gefahren, wenn durch Festnahmen vor Ort die Gefahr der Eskalation drohe.

 Über die Strategie der Polizei will sich jetzt aber Regierungsrat Urs Hofmann genauer ins Bild setzen. Wie Bezirksamtmann Dieter Gautschi ist auch er der Überzeugung, dass gegen Hooligans sofort und hart durchzugreifen ist: "Ich kann Dieter Gautschis Haltung in jeder Beziehung unterstützen. Wir haben die gesetzlichen Möglichkeiten dazu, also nehmen wir sie auch wahr."

 Polizeiminister will koordinieren

 Allerdings, sagt der Polizeiminister, brauche es vorab noch eine bessere Koordination zwischen den zuständigen Instanzen: "Ich habe das noch am Sonntag in die Wege geleitet und vom Polizeikommandanten entsprechende Auskünfte über den Ablauf der Randale vom Samstag verlangt", erklärt Urs Hofmann. Er sei überzeugt, dass die Polizei für ihre Einsatztaktik der blossen Beobachtung, Identifizierung und Verzeigung von Hooligans ihre Gründe gehabt habe. Schliesslich gelte es bei so heiklen Einsätzen vor allem auch, allfällige Eskalationen zu vermeiden.

 Das Geschehen nach dem Spiel Aarau - Zürich - das der Regierungsrat übrigens im Brügglifeld ebenso privat verfolgte wie Bezirksamtmann-Stellvertreter Hans Frey - will Hofmann jetzt zusammen mit den Verantwortlichen analysieren und wenn nötig die entsprechenden Lehren daraus ziehen: "Franz Hollinger rennt mit seinem Vorstoss offene Türen ein. Was er verlangt, das ist von uns bereits seit einiger Zeit in die Wege geleitet", sagt der Polizeiminister.

 Ziel von Urs Hofmann und Dieter Gautschi ist es laut übereinstimmendem Bekunden nicht, Chaoten so rasch einen Strafbefehl in die Hand zu drücken, dass sie Aarau noch mit dem Fanbus verlassen und sich dort mit dem Papier brüsten können: "Hart vorgehen bedeutet für mich, dass solche Leute eine oder zwei Nächte in der Zelle verbringen. Wer in Aarau randaliert, soll die Härte des Gesetzes zu spüren bekommen", sagt Gautschi.

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Alter Hut, ganz aktuell

 "Die alte Fasnacht ist vorbei", titelt die SVP eine Mitteilung zum Vorstoss des CVP-Präsidenten, der ein Schnellverfahren zur Bestrafung von Hooligans verlangt. Die SVP hatte das nämlich schon vor fünf Jahren verlangt. Schon damals wurde ihr beschieden, dass ihr Vorstoss offene Türen einrenne, weil das aargauische Strafprozessrecht bereits ein Schnellverfahren kenne. Der Vorstoss wurde vom Parlament auch gleich als erledigt abgeschrieben. Mit dem Hinweis, dass verhaftete Täter durch den Bezirksamtmann sofort abgeurteilt und kurze Freiheitsstrafen umgehend vollstreckt werden können. Wenn nun nach fünf Jahren von einem Koordinationsbedarf zwischen den Instanzen die Rede ist, lässt das die SVP mit leichter Ungeduld verlangen, nun auch tatsächlich nach den vorhandenen gesetzlichen Voraussetzungen zu handeln. (mou)

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ANTI-ATOM
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20 Minuten 18.3.10

Stadt soll gegen AKW kämpfen

 BERN. Die Berner müssen vor dem "altersschwachen Schrottreaktor" Mühleberg geschützt werden, fordert Stadträtin Natalie Imboden (Grünes Bündnis) in einem Vorstoss. Die Stadt Bern soll deshalb dem Komitee "Mühleberg Ver-fahren" beitreten, das mit einer Beschwerde am Bundesverwaltungsgericht gegen die unbefristete Betriebsbewilligung des Atomkraftwerks kämpft. Das AKW Mühleberg sei zu alt und nicht erdbebensicher, lautet die Argumentation der Atomkraftwerk-Gegner.

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gbbern.ch 11.3.10

Was tut die Stadt Bern, um die Bevölkerung vor dem altersschwachen Schrottreaktor Mühleberg zu schützen?

Postulat: Fraktion GB/JA! (Natalie Imboden, GB)

Kurz vor Weihnachten 2009 fiel der Entscheid des Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) für eine unbefristete Bewilligung für das AKW Mühleberg. Das Atomkraftwerk Mühleberg ist seit 1971 in Betrieb und mit seinen bald 40 Jahren das zweitälteste Atomkraftwerk der Schweiz. Die Anlage hatte bisher wegen gravierender konstruktiver Mängel und technischer Schäden nie eine unbefristete Betriebsbewilligung erhalten. Insbesondere problematisch sind die Risse im Kernmantel, die bereits in den 90er Jahren festgestellt wurden und bis heute nicht behoben sind, und deren Ursache nicht geklärt werden konnte. Hinzu kommt, dass die Sicherheit der Anlage z.B. bei Erdbeben mangelhaft und die nötige Reaktorsicherheit nicht gewährleistet sind. Die Stadt Bern ist aufgrund ihrer unmittelbaren Nähe zum Atomkraftwerk Mühleberg in besonderem Masse von einer Betriebsverlängerung betroffen. Ein Leck oder ein Unglück würde die Bevölkerung der Stadt unmittelbar gefährden.

Ein Komitee von atomkritischen Gruppierungen hat am 2.2.2010 kommuniziert, dass sie das Urteil des UVEK vor das Bundesverwaltungsgericht ziehen werden (u.a. Fokus Anti-Atom, ContrAtom, Schweizerische Energiestiftung, Greenpeace Suisse, etc.). Um die Beschwerde ideell und finanziell zu unterstützen, haben die Atomkraftkritiker unter dem Namen "Mühleberg Ver-fahren" ein Komitee gegründet.

Die Stadt Genf hat beschlossen, dass Genf bzw. das zuständige "Département fédéral des transports, de l'énergie et de la communication (DETEC)" diesem Solidaritätskomitee beitritt und auch eine finanzielle Unterstützung von Fr. 25'000 gewährt. Erstaunlicherweise hat die Stadt Bern den Weiterzug der Beschwerde nicht unterstützt, obwohl sie sich vorher mehrmals gegen eine unbefristete Betriebsbewilligung für das Atomkraftwerk Mühleberg ausgesprochen hatte und selber eine Einsprache machte (Medienmitteilung vom 9.7.2008). Dabei berief sich der Gemeinderat auf die Gemeindeordnung, welche die Stadt Bern verpflichtet, sich dafür einzusetzen, dass umweltgefährdende Energieträger wie die Atomenergie durch andere Energieformen ersetzt werden. Der Gemeinderat wollte sich auf den politischen statt auf den juristischen Weg zum Ausstieg aus der Atomenergie konzentrieren. Es wäre sinnvoll, wenn die Stadt Bern als direkt betroffene Stadt in der Nähe des AKW Mühleberg wie die Stadt Genf dem Solidaritätskomitee "Mühleberg Ver-fahren" beitreten würde.

Der Gemeinderat wird gebeten, folgende Punkte zu prüfen:

1. Klärung der Haltung des Berner Gemeinderats betreffend unbefristete Betriebsverlängerung des AKW Mühleberg und des geplanten Neubaus eines AKW Mühleberg 2.0 unter Gewährleistung der Sicherheit der Berner Bevölkerung

2. Beitritt der Stadt Bern zum Solidaritätskomitee "Mühleberg Ver-fahren"

3. Aufzeigen des "politischen Weges", welcher die Stadt Bern anstelle des juristischen Wegs wählen will

4. Aufzeigen, wie die Bevölkerung vor dem altersschwachen Schrottreaktor Mühleberg geschützt wird.

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Aargauer Zeitung 18.3.10

Es soll nicht dampfen und lärmen

 Geplantes Ersatzkernkraftwerk Beznau verfügt über 1450 Megawatt Leistung und Hybridkühlturm

 Wichtiger Schritt bei einem bedeutenden Vorhaben: Für das mögliche neue Atomkraftwerk im Gebiet Beznau werden Rahmenbedingungen definiert.

 Michael Hunziker

 Das kantonale Richtplanverfahren ist in die Wege geleitet, die Grundlagen für die Planung des Ersatzkernkraftwerks auf der Insel Beznau werden erarbeitet, die Bevölkerung hat Gelegenheit, Stellung zu beziehen. Wie aber soll das neue Atomkraftwerk aussehen?

 Fluss wird geschont

 Stephan W. Döhler, Leiter Kernenergie beim Stromkonzern Axpo, lieferte an der Informationsveranstaltung am Dienstagabend in Döttingen die technischen Eckdaten. Geplant ist ein Kraftwerk mit rund 1450 Megawatt Leistung. Noch nicht bestimmt ist laut Döhler der Reaktortyp. Es würden verschiedene Systeme untersucht.

 Fest stehe, dass als Hauptkühlsystem ein Hybridkühlturm eingesetzt werde. In diesem sind die Vorteile von Nass- und Trocken-Kühltürmen vereint. Die Kondensationswärme wird über einen Kreislauf durch den Kühlturm an die Umgebung abgegeben. Durch die Trockenkühlung mithilfe riesiger Ventilatoren werden die austretenden Schwaden stark minimiert.

 Als weiteren Vorteil bezeichnete Döhler die geringe Höhe von rund 60 Metern. Es entstünden kaum Lärm und der Fluss werde geschont, das Wasser kaum erwärmt. Allerdings: "Der Betrieb der Ventilatoren benötigt Strom", machte Döhler klar. "Die Nettoleistung des Reaktors wird daher etwas reduziert."

 Für den Bau des Ersatzkernkraftwerks werde eine Fläche von rund 46 Hektaren beansprucht, hielt Döhler fest. Es werde zu temporären Rodungen kommen, nicht aber zu einem Kahlschlag. "Es gibt intelligente Möglichkeiten."

 Die Axpo setzt gemäss Döhler weiterhin auf Kernenergie, weil diese zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit gebraucht werde und weil nahezu CO-frei Strom erzeugt werden könne und sich die Technologie bewährt habe. Ebenfalls bewährt habe sich der Standort im Gebiet Beznau.

 Weniger Steuererträge

 Die unmittelbaren Auswirkungen eines Ersatzkernkraftwerks auf die Bevölkerungs- und Wirtschaftsentwicklung im Kanton Aargau und im unteren Aaretal sind vom Büro BHP Hanser und Partner AG, Zürich, untersucht worden. Als Vertreter ging Jürg Kuster auf drei Bereiche ein: Aufträge an Lieferanten, Arbeitsplätze sowie Steuererträge. Das Ergebnis: Der jährliche Umsatz werde steigen, weil das neue Kraftwerk grösser sei als die heutige Anlage und weil mehr Strom produziert werde. Abnehmen werde die Anzahl der Arbeitsplätze, weil nur noch ein Reaktor vorgesehen sei. Und auch die Gewinnsteuererträge fallen laut Kuster wegen der neuen rechtlichen Konstellation weniger hoch aus als mit Beznau I und II.

 Es sei eine Aufbruchstimmung zu spüren, meinte Manfred Thumann, CEO der Axpo AG. Er sprach von einem wichtigen und spannenden Vorhaben, das aber sicher nicht überall nur Begeisterung auslösen werde.

 In der Diskussionsrunde, durch die Marco Canonica führte, standen die Referenten kompetent Red und Antwort. Zur Sprache kamen unter anderem die Abgeltungen und Steuererträge, der Hybridkühlturm, der Rückbau, die Linienführung der Hochspannungsleitungen, die Flugroute, die Rodung und Ersatzaufforstungen sowie der Verkehr während der Bauphase.

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 Update

 2008 sind beim Bundesamt für Energie drei Rahmenbewilligungsgesuche für neue Atomkraftwerke eingereicht worden. Zu diesen Gesuchen können die Kantone Anfang 2011 Stellung nehmen. Der Aargauer Regierungsrat hat beschlossen, schon vorher das kantonale Richtplanverfahren in die Wege zu leiten. Der Entwurf für die Richtplananpassung liegt in Döttingen, Böttstein, Klingnau, Villigen und Würenlingen bis zum 14.Juni auf oder kann auf der Homepage des Kantons unter www.ag.ch/raumentwicklung eingesehen werden. (az)

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 Planungsgrundsätze

 - Minimierung der umweltrelevanten Auswirkungen.

 - Allfällige Abgeltungen der Standortvorteile sind regional zugunsten der Gemeinden auszurichten.

 - Ein Ersatzkernkraftwerk muss für die langfristig sichere Versorgung der Schweiz mit preiswertem Strom bedeutend sein. In der Rahmenbewilligung soll dies als verpflichtende Bedingung aufgenommen werden.

 Folgende drei Planungsgrundsätze hat der Kanton für den Standort im nördlichen Teil der Insel Beznau formuliert:

 Anforderungen

 1.Bestmögliche Einpassung in die Aarelandschaft

 2.Anforderungen an das Kühlsystem: keine störende Dampffahne, direkte Flusswasserkühlung ausge- schlossen

 3.Maximale Höhe von Bauten und Kühlsystem von rund 60Metern

 4.Begrenzung neuer Einbauten ins Grundwasser auf betriebsnotwendiges Mass

 5.Minimierung und Konzentration der temporären Rodungsflächen

 6.Verpflichtung zum Rückbau der bestehenden Werke nach Stilllegung

 7.Falls neue Freileitungen notwendig sind: Optimierung der bestehenden Netzinfrastruktur, insbesondere bezüglich Integration in die Landschaft und Einfluss auf die Siedlungsentwicklung

 8.Nutzung der Abwärme, Versorgung des Refuna-Fernwärmenetzes im erforderlichen Umfang sicherstellen

 9.Verzicht auf Flugroute über die bestehenden Kraftwerke Beznau I und II bis zu deren Entlassung aus nuklearer Überwachung

 Folgende Anforderungen und Massnahmen sind aus Sicht des Kantons beim möglichen Ersatzkernkraftwerk Beznau zu berücksichtigen:

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Südostschweiz 18.3.10

Rätia Energie wäre bei AKW-Bau dabei

 Werden in der Schweiz neue Atomkraftwerke gebaut, wird sich die Rätia Energie an Investitionen und Betrieb beteiligen.

 Von David Sieber

 Chur. - Die Rätia Energie (RE), Graubündens heimlicher Stromriese, hat bei den beiden Konsortien, die derzeit insgesamt drei AKW-Projekte in der Schweiz verfolgen, Interessenbekundungen abgegeben. Dies erklärte RE-CEO Kurt Bobst gestern auf Anfrage.

 "Kleine Beteiligung"

 Konkret heisst dies: Wird in Mühleberg, Beznau oder Gösgen ein neuer Atommeiler gebaut, will die RE nicht nur mitinvestieren, sondern auch den Betrieb mitfinanzieren. Es werde sich aber um eine "kleine Beteiligung" handeln, sagte Bobst. Dennoch dürfte die Summe beträchtlich sein, gehen die Kosten für ein neues AKW doch in die Milliarden.

 Die RE hat im vergangenen Jahr trotz praktisch unverändertem Umsatz (1,95 Milliarden Franken) mit 111,5 Millionen Franken einen Rekordgewinn erwirtschaftet.

 Bericht und Interview Seite 3

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Atomkraft wird für Rätia Energie ein Thema

 Sollten in der Schweiz dereinst neue Atomkraftwerke gebaut werden, möchte auch die Rätia Energie dabei sein. Das Unternehmen habe sein Interesse bei den entsprechenden Stellen angemeldet, so CEO Kurt Bobst.

 Mit Kurt Bobst sprach Peter Simmen

 Herr Bobst, Sie haben an der Bilanzpressekonferenz von möglichen Beteiligungen an Atomkraftwerken gesprochen. Wie konkret sind die Pläne?

 Kurt Bobst: Wir wollen sicher nicht eigene Projekte entwickeln, und wir sind bei den laufenden Diskussionen um neue Projekte in der Schweiz nicht an vorderster Front dabei. Wir haben aber bei den verschiedenen Konsortien unser Interesse angemeldet, falls die Projekte weitergehen sollten. In diesem Fall würden wir über eine Beteiligung nachdenken. Noch ist das für uns in weiter Ferne.

 Gilt das Interesse nur Schweizer Projekten oder auch solchen im Ausland?

 Es gilt Schweizer Projekten.

 Hat die Rätia Energie auch Pläne für neue Wasserkraftprojekte?

 In der Schweiz sind grössere Projekte kaum mehr möglich. Wir schliessen aber Projekte in Italien oder in anderen Märkten nicht aus.

 Das operative Ergebnis (Ebit) des Unternehmens ist 2009 deutlich tiefer ausgefallen als 2008, der Gewinn ist dennoch viel höher. Wie geht das?

 Das tiefere Ebit ist eine Folge der tieferen Energiepreise im vergangenen Jahr. Dennoch konnten wir das zweitbeste Ergebnis der Geschichte erwirtschaften. Das Vorjahresergebnis war stark geprägt von hohen Finanzkosten - also von Währungseinflüssen und Kursverlusten. Diese fielen 2009 wieder weg.

 Sie sprachen von einem schwierigen Umfeld. Was ist darunter zu verstehen?

 Es gibt da zwei Aspekte: Erstens hat sich der Energiemarkt vor dem Hintergrund der Wirtschaftskrise verschlechtert, das hat sich auf die Preise ausgewirkt. Der zweite Punkt betrifft die Veränderung bei den Regulierungen zur Marktliberalisierung innerhalb der Schweiz.

 Bei der Produktion gabs eine Einbusse, beim Handel eine starke Steigerung. Wird die Rätia Energie von der Produzentin zur Händlerin?

 Die Gefahr besteht nicht. Wir unternehmen sehr grosse Anstrengungen auf der Produktionsseite und wir treiben diverse Kraftwerkprojekte im In- und Ausland intensiv voran. Die angesprochene Produktionseinbusse zeigt exemplarisch, dass das Unternehmen in den verschiedenen Kraftwerktechnologien - Grundlast, Mittellast und Spitzenlast - vertreten sein sollte.

 "Grund waren die hohen Gaspreise"

 Was ist der Grund für die Einbusse?

 Der Grund liegt darin, dass wir das Gaskraftwerk Teverola (Italien) infolge der hohen Gaspreise vor allem im Regel-Energiemarkt eingesetzt haben und nicht in der Grund- und Mittellastproduktion.

 War die Produktion einfach zu teuer?

 Die Preise in einem Gaskraftwerk sind abhängig von zwei Faktoren: einerseits vom Gasmarkt und andererseits von den CO2-Preisen. Aufgrund der hohen Gaspreise konnten wir im letzten Jahr nur zu gewissen Zeiten profitabel Strom produzieren, diese Zeiten haben wir ausgenutzt.

 Was bedeutet das für die anderen thermischen Kraftwerkprojekte in Deutschland und Italien?

 Die angesprochenen Probleme tauchen periodisch auf, es kommt immer wieder vor, dass ein Kraftwerk für einige Monate anders eingesetzt werden muss als geplant. Klar ist aber auch, dass wir die Grund- und Mittellastproduktion brauchen.

 Rumänien wurde als neuer Schlüsselmarkt genannt. Weshalb gerade Rumänien?

 Rumänien hat erstens einen liberalisierten Markt. Zweitens erwarten wir in Rumänien ein starkes Wachstum. Rumänien hat fast dreimal mehr Einwohner als die Schweiz, aber einen etwa gleich hohen Energieverbrauch. Daran sieht man, welches Wachstumspotenzial vorhanden ist. Und drittens kann Rumänien aufgrund der geografischen Lage zu einer wichtigen Energiedrehscheibe zwischen Norden und Süden werden, so wie die Schweiz eine ist. Abgesehen davon hat Rumänien Wasserkraft sowie Gasvorkommen.