MEDIENSPIEGEL 23.6.10
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)

Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Kulturtipps (DS)
- Reitschule bietet mehr: die unmanierliche Enkelin muckt auf
- RaBe-Info 22.+23.6.10
- Narrenkraut-Abgabe-Rufe in BS + BE
- Heroin in die Kaufhäuser müssen brennen
- Farbige Grüsse für Burgdorfer Rechten-Treff
- Pnos-Chef BS vor Gericht
- ggg-fon: 211 Anfragen in 2009
- Freiraum Thun: Emmi-Areal-Besetzung
- Police BE: Geldklau-Eklat
- Police FR: Aufsichtsbeschwerde wegen Knast-Demo
- Police ZH: Grosseinsatz gegen "Neger mit Gewehr"
- Velorution LU: SVP stänkert
- Ausschaffungsknast BS: jetzt auch für Minderjährige
- Sans-Papiers: Demo in Bern 26.6.; Bleiberechtsführer ZH
- Sans-Papiers BRD: Toleriert und arbeitslos
- Zwischengeschlecht: Ethikrat gefordert
- Sexismus sells: "Annabelle" und die Reitschule-Poledance-Debatte
- Queer vs "Homonational": Judith Butler vs Street Parade
- Intersquat-Festival in Berlin
- Zum Prozess gegen das "Gefangenen-Info"
- BRD-Staatsschutz: gegen "Linksextreme"; Sateliten-BigBrother
- Neonazis Liechtenstein: Ausstiegsberatung
- G8/G20-Gipfel Kanada: massloses Sicherheitsdenken
- Anti-Atom: Mühleberg; SG-Antiatom-Initiative; Geldnöte; BKW-Propaganda

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REITSCHULE
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Do 24.06.10
11.30 Uhr - SousLePont - WM-Beiz im Hof

Fr 25.06.10
11.30 Uhr - SousLePont - WM-Beiz im Hof
21.00 Uhr - Frauenraum - Tanzbar mit DJ Piccolina. Standard und lateinamerikanische Tänze und Disco
23.00 Uhr - Dachstock - Little Brother: Phonté, Big Pooh & 9th Wonder (USA), Hovatron (CAN), Cratekemistry Soundsystem (Kermit, L-Cut, Mr. Thrillin). Style: Hip Hop

Sa 26.06.10
11.30 Uhr - SousLePont - WM-Beiz im Hof

So 27.06.10
11.30 Uhr - SousLePont - WM-Beiz im Hof

So 27.06.10
11.00 Uhr - Frauenraum - Frauenchor der Reitschule singt, anschliessend Frühstückbuffet.

Infos:
http://www.reitschule.ch
http://www.reitschulebietetmehr.ch

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kulturagenda.be 24.6.10

DJ Lord Jazz im Dachstock

DJ Lord Jazz ist Kopf und Aushängeschild der legendären Hip-Hop-Band Lords of the Underground aus New Jersey. Im Golden Age des Hip-Hop schrieben sie mit Songs wie "Chief Rocka" oder "Tic-Toc" Rap-Geschichte. Im Dachstock sorgt der in Paris lebende DJ solo für Stimmung, bevor er das Pult Lord Lhus, Spleen oder Hovatron überlässt.
Dachstock in der Reitschule, Bern. Fr., 25.6., 23 Uhr

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Bund 23.6.10

Welteroberung im Schlamm

 Die Erfolgsmeldungen um Bonaparte häufen sich. Die Band des Berners Tobias Jundt hat in Deutschland Rockstar-Status erreicht. Ein Hinterbühnenbesuch am Southside Festival.

 Ane Hebeisen, Neuhausen ob Eck

 Wenn in der Schweiz zuweilen geschimpft wird über den Gigantismus hiesiger Musik-Open-Airs, dann ist das ein Jammern in der Wohlfühloase. Es ist Sonntagnachmittag am Southside Festival, und wenn der Begriff Musiksupermarkt irgendwo eine Entsprechung findet, dann hier auf dem ehemaligen Militärflughafengelände im süddeutschen Neuhausen ob Eck. 50 000 Besucher sind angereist, um innert dreier Tage über 80 Bands zu sehen, und die Musikfreunde wirken am dritten Tag des Festes ein bisschen abgekämpft.

 Das weitläufige Gelände ist eine einzige knöcheltiefe Schlammlandschaft, das Bewegen zwischen den vier Grossbühnen ist beschwerlich geworden. Mittendrin auf der Affiche, neben all den Strokes, Jack Johnsons, LCD Soundsystems und Massive Attacks, prunkt der Name einer Quasi-Berner Band: Bonaparte heisst sie und wurde im illustren Konzertreigen mitten hinein ins Abendprogramm programmiert.

 Er ist quasi der Napoleon

 Um 19.30 Uhr soll es losgehen, zwei Stunden vorher sitzt der in Berlin lebende Berner Tobias Jundt in der schmalen Garderobe und überschminkt sich seine rechte Augenpartie mit schwarzer Farbe. Der 31-Jährige ist der Kopf, das kreative und taktische Zentrum - also quasi der Napoleon - von Bonaparte.

 Mitgebracht hat Jundt eine Entourage von elf Leuten, inklusive zwei Busfahrer, Licht- und Tontechniker, Musiker und Tänzer. Im Gang erzählt der Bonaparte-Mischer Marco "Jegi" Jeger aus Kehrsatz (und bald auch ein Berliner) vom Konzert des Vorabends. Die Band spielte am Hurricane Festival, dem mit 75 000 Zuschauern drittgrössten Open Air Deutschlands. Während des Auftritts von Bonaparte soll der Ansturm auf das Zelt derart gross gewesen sein, dass die Sicherheitsbeauftragten das Konzert unterbrechen mussten - die Fortsetzung war erst möglich, nachdem die Leute beruhigt werden konnten. Solche Erfolgsmeldungen um Bonaparte häufen sich in letzter Zeit. Ein guter Grund, einmal selber nachzuschauen, wie es um den derzeit - zusammen mit Sophie Hunger - begehrtesten Schweizer Musikexport steht.

 Er wollte Spass, jetzt hat er ihn

 In der Garderobe herrscht noch relative Gelassenheit. Der Bruder von Tobias Jundt - ein Berner Erfolgsgrafiker - streift sich sein buntes Kostüm über, zwei Tänzerinnen schmieren sich exzessiv, aber kunstvoll Schminke ins Gesicht, und der Chronist erinnert sich an sein erstes Zusammentreffen mit dem Leiter dieser Musik-Menagerie.

 Tobias Jundt war ein begnadeter Jazzgitarrist, der in seiner Wohnung in der Länggasse auf einem 4-Spur-Kassettengerät feine charmante Tracks zwischen Bossa Nova, Jazz und Trip-Hop zusammenbastelte. Ins Booklet seiner ersten CD "Toddler Grooves" druckte er einen Satz, den die Jazzsängerin Dee Dee Bridgewater einst über ihn gesagt hatte: "I've got a good feeling about him" - sie sollte sich in ihrem Gefühl nicht täuschen.

 Das war im Jahr 1998 - es folgten Perioden, in denen die musikalische Anfangs-Lockerheit einer poppigen Ambitioniertheit wich, Jahre, über die Tobias Jundt nicht gerne spricht. Immerhin resultierte aus dieser Zeit ein veritabler Sommerhit (unter dem Namen Signorino TJ), und aber auch eine künstlerische Sinnkrise. Tobias Jundt verschwand nach Barcelona und tauchte etwas später in Berlin als Bonaparte wieder auf. Die Idee hinter seiner neuen Band war ebenso einfach wie bestechend: Wild sollte sie sein, ein Live-Abenteuer bieten, und im Zentrum sollte Musik stehen, die sich an dem orientiert, was gerade in den Bäuchen rumort.

 In seiner Berliner Wohnung spielte Jundt 2008 den Erstling "Too Much" ein und landete einen Grosserfolg. Bonaparte schmetterte seiner verblüfften Hörerschaft mal kantige, mal übermütige, mal einfältige oder wunderbar primitive Rock-'n'-Roll-Bastelarbeiten um die Ohren. Radiostationen und Konzertveranstalter in ganz Europa wurden auf Bonaparte aufmerksam, Tobias Jundt lizenzierte sein Werk in die ganze Welt und gab Konzerte, ohne zuvor nach der Gage zu fragen. Er wollte Spass, jetzt hat er ihn.

 Auf den Erstling folgt das Remix Doppelalbum "Remuched", die Live-CD "Blood, Sweat & Würstchen". Unlängst ist das zweite fulminante Wohnzimmeralbum "My Horse Likes You" (Sony) erschienen, auf welchem sich Bonaparte vielseitiger gibt denn je, ohne seinen uneitlen Rock-'n'-Roll-Appeal zu mässigen: In ihrem ungehobelten Dilettantismus und mit ihren plakativen Parolen sind die Songs dieses Tonwerks Geistesverwandte des Punks, Sprösslinge des Garage Rocks, sie tragen aber auch genetische Informationen des Electroclashs in sich und tanzen auch mal zu einem verstimmten Jazzpiano oder entern die Russendisco. So gesehen ist Tobias Jundt jener rührige eklektische Bastler geblieben, den er vor 12 Jahren schon war, nur dass sich seine Musik heute meist im roten Bereich abspielt.

 Verrückte Pferde

 In der Zwischenzeit hat ein sonderbarer Herr seine Vorbereitungen aufs Konzert aufgenommen. Sein Gesicht ist blau-grün eingefärbt, nun streut er sich güldenen Glitzer in Bart und Augenbrauen. Er heisst Lulu und ist einer der Tänzer der Band. Lulu blickt auf eine Karriere als Stripper im Pariser Crazy Horse zurück. Tobias Jundt hat er über einen Kollegen kennen gelernt, kurz darauf war er engagiert. "Ich stand auf der Bühne, ohne je einen Ton dieser Band gehört zu haben, für die Kostümierung plünderte ich meinen Reisekoffer - und es hat Spass gemacht", erzählt Lulu.

 Seither ist er Teil des Bonaparte-Zirkus und ist deshalb nach Berlin gezogen. "Diese Band ist ein wichtiger Teil meines Lebens geworden", sagt er in nachdenklichem Ton, während er sich seine knappen Unterhöschen zurechtzupft. Neben ihm liest eine Tänzerin in gebrochenem Deutsch einen Artikel aus einem Musikmagazin vor, in welchem sich die deutsche Eurovision-Gewinnerin Lena als Bonaparte-Fan zu erkennen gibt. Daneben liegt die aktuelle Ausgabe des Musikmagazins Spex mit Jundt auf dem Cover. Eine bessere Promotion kann man sich als musikalischer Welteroberer nicht wünschen. Tobias Jundt zwängt sich zufrieden lächelnd in sein Bonaparte-Kostüm.

 Im anaeroben Bereich

 Noch 45 Minuten bis zum Konzert: Ein Shuttle-Bus hat die zottig herausgeputzte Gruppe in den Hinterbühnenbereich des Zeltes gebracht, wo der Auftritt stattfinden wird. Das Zelt ist bereits berstend voll, obschon noch mindestens zwei weitere Konzerte im Gang sind.

 Der Auftritt von Bonaparte ist kein Konzert, das man sich auf dem Weg zwischen Igluzelt und Schnellverköstigung mal eben anschauen geht - die Leute harren erwartungsfroh in der Enge aus und bejubeln bereits jeden Ton des kurzen Sound-Checks. Nervös ist Tobias Jundt nicht, er freut sich auf den Auftritt. Ein Stadium, das nur Bands erreichen, die sich ihres Erfolges einigermassen sicher sind.

 Es geht los. "Do you wanna party with Bonaparte?" schreit Jundt ins Mikrofon, die Menge schreit ein lautes "Yeah" zurück - der Auftakt zu den musikalischen Tumulten. Lulu stelzt mal als Tod, mal als tanzende Discokugel über die Bühne und stürzt sich bald darauf zu den kaum mehr beschürzten Tänzerinnen in die Badewanne, Tobias Jundt wirft sich wie seine Mitmusiker in wildeste Rock-'n'-Roll-Posen, erschlägt bei einem mutwilligen Sturz in den Fotografengraben beinahe einen Sicherheitsmann, während sein Bruder einen Pferdekopf überstülpt und den brünstigen Gaul gibt.

 Das Publikum ist begeistert, singt die plakativsten Zeilen textsicher mit, und während des Hits "Anti Anti" werden erste bewusstlose junge Frauen von den Samaritern aus der tobenden Menge gezogen. 45 Minuten plus zwei Zugaben dauert die ungezügelte Revue, 45 Minuten erfrischend irrer Rock'n‘ Roll im anaeroben Bereich.

 Kurze Zeit später werden hinter der Bühne schon Wunden geleckt. "Ein schlimmes Konzert ist es gewesen", analysiert ein schwitzender Tobias Jundt mit Schweizer Nüchternheit, "der Sound auf der Bühne war schrecklich, die Energie ist aber wohl irgendwie rübergekommen". Wohl wahr. Draussen werden immer noch Zugaben gefordert, es ist drückend heiss, und es riecht nach verdunstendem Schlamm und transpirierenden Menschen. Der Chronist erinnert sich an eine andere Musiker-Schmeichelei, die Tobias Jundt auf seine erste CD druckte. Sie stammt vom Jazz-Tenorsaxofonisten Illinois Jacquet: "One day he will thrill people all over the world with his guitar." Eine Vorhersage, die sich nicht erst heute Abend bewahrheitet hat.

 Bonaparte spielen am 26. Juni am Openair St.Gallen und am 17. September im Dachstock der Reitschule.

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REITSCHULE BIETET MEHR
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Bund 23.6.10

Unterstützung für Berns "unmanierliche Enkelin"

 Für den Abstimmungskampf um die neuste Reitschul-Initiative hat das Gegnerkomitee Kulturschaffende von nah und fern mobilisiert.

 Matthias Raaflaub

 Am 26. September entscheidet die Stimmbevölkerung der Stadt Bern zum fünften Mal über das Schicksal der Berner Reitschule. Die Initiative der SVP Bern fordert deren Schliessung und den Verkauf an den meistbietenden Interessenten. Im Gegnerkomitee nimmt man den Angriff ziemlich gelassen. Mit breiter Unterstützung linker Parteien und Organisationen hat das Gremium eine Kampagne auf die Beine gestellt, welche die Vorzüge der Reitschule als Kultur- und Begegnungszentrum geistreich hervorzuheben versucht. Gestern stellte es sie an einer Medienkonferenz vor.

 Der Kampagnen-Slogan "Reitschule bietet mehr" ist zum einen ein Seitenhieb gegen die hypothetische Versteigerung des Kulturzentrums an Investoren, zum andern breitet das Nein-Komitee darunter das Angebot der seit der ersten Besetzung vor 29 Jahren zur Institution gewordenen Reitschule aus. Wie verankert das autonome Zentrum im Kulturbetrieb der Stadt Bern heute ist, hob Christian Pauli, Präsident des Verbands der Berner Kulturveranstalter Bekult, hervor. "Ob wir die Reitschule bei der Abstimmung unterstützen, war in unserem Verband nie ein Thema. Das ist bemerkenswert", sagte er.

 Ein Verkauf wäre "grotesk" und "eine Katastrophe". Als "ungepflegte, unmanierliche Enkelin einer bürgerlichen Familie" beschrieb Alt-Gemeinderätin und Komiteemitglied Joy Matter die Institution. Auch wenn man sie Gästen nicht gerne zeige, gehöre sie doch zur Familie, zur Stadt also. Nicht nur kulturell, auch gesellschaftlich erfülle die Reitschule eine bedeutende Funktion, sagte Stadtrat Hasim Sancar (GB). Dazu gehöre, dass sie auch marginalisierten Personen die Tür öffne.

 Reitschule finanziert sich selber

 Mit fingierten Immobilieninseraten will das Nein-Komitee auf den Wert der Reitschule für die Stadt aufmerksam machen. Kino, Theater, Konzertlokal, Restaurant und mehr - alles das erhalte sich Bern zum Preis eines Neins am Stichtag, lautet die Botschaft. Sabine Ruch, Veranstalterin im Dachstock, formulierte es so: "Ich glaube nicht, dass irgendeine Stadt in der Ersten Welt ein billigeres Kulturzentrum dieser Dimension hat." Denn die Reitschule finanziert ihr Programm zu einem grossen Teil ohne Subventionen.

 "Die Reitschule strahlt weit über Bern hinaus", sagte Christian Pauli. Wie zum Beweis hat das Nein-Komitee für die Kampagne Persönlichkeiten der Berner und der Schweizer Kultur gewonnen. An Kurzspots des Berner Filmunternehmens Decoy Collective hat unter anderem der Schauspieler Gilles Tschudi mitgewirkt. In Planung ist eine CD, zu welcher unter anderen Züri West, Stiller Has oder Greis Songs beisteuern werden. Die Beteiligten wurden gestern aber nicht müde zu betonen, dass sich die Künstler gerne unentgeltlich engagierten.

 Bis zur Abstimmung wird das Nein-Komitee mit Veranstaltungen für die Reitschule werben. Schon für morgen ist eine Aktion im Stadtrat geplant, weil das städtische Parlament morgen seine Parole für die Initiative fasst. In regelmässigen Abständen bietet das Reitschul-Team auch Führungen durch die Kulturräume an. Die Kosten für die Kampagne, maximal 25 000 Franken, bezahlt das Unterstützungskomitee bestehend aus Parteien, Organisationen und Privaten. "Viel Geld wollen wir nicht dafür ausgeben. Es wäre schade drum", kommentierte Agnes Hofmann von der Mediengruppe der Reitschule.

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BZ 23.6.10
http://www.bernerzeitung.ch/region/bern/Mit-CD-gegen-Verkauf-von-Reitschule/story/27042673

Gegner der Reitschule-Initiative

 Sie bieten Herzblut statt Geld

 Am 26. September wird in Bern über die Zukunft der Reitschule abgestimmt. Die SVP will das Haus an den Meistbietenden verkaufen. Dagegen wehren sich die Reitschüler mit Hilfe von viel Prominenz aus Kultur und Politik.

 Die Reitschule, sagt Alt-Gemeinderätin Joy Matter, komme ihr vor "wie die ungepflegte, unmanierliche und motzende Enkelin einer bürgerlichen Familie". Diese Enkelin gehe der Familie ungeheuer auf die Nerven, und vor Fremden schäme man sich für sie. "Aber insgeheim möchte sie niemand missen." So wie die unangepasste Enkelin zur Familie gehört, so gehöre die Reitschule einfach zu Bern, finden Joy Matter und zahlreiche weitere prominente Mitstreiterinnen aus Politik und Kultur. 158 Mitglieder zählt das Komitee, welches zur Unterstützung des alternativen Kulturzentrums Reitschule gegründet worden ist und das sich gegen die Initiative der SVP wehrt (siehe Kasten).

 "Die Reitschule bietet mehr", sagt das gleichnamige Unterstützungskomitee. Die Reitschule biete mehr als der von der SVP angestrebte "Meistbietende", doppelte Joy Matter gestern vor den Medien nach. "Dieser kann nur Geld bieten, die Reitschule hingegen bietet Herzblut."

 CD mit Züri West und Co.

 Bis zur Abstimmung am 26. September hat das Komitee zahlreiche Aktionen geplant, um der Bevölkerung zu zeigen, was das Kulturzentrum Reitschule alles zu bieten hat. Die erste wird morgen Donnerstag vor dem Rathaus stattfinden, bevor das Stadtparlament über die SVP-Initiative debattieren und seine Empfehlung ans Stimmvolk abgeben wird. Im Internet kann man sich bereits vier Spots anschauen. Sie werben für ein Nein zur SVP-Initiative und sollen bald auch in den Kinos gezeigt werden. In Arbeit ist zudem eine CD, an der sich bekannte Künstler beteiligen wollen. Bereits zugesagt hätten Züri West, Patent Ochsner, Stiller Haas oder die Rapperin Steff la Cheffe, sagte Reina Gehrig von der Betriebsgruppe Reitschule.

 Über Bern hinaus bekannt

 "Es war für uns absolut klar, dass wir uns für die Reitschule einsetzen - und doch ist diese grosse Solidarität keine Selbstverständlichkeit", sagte Christian Pauli, Präsident von Bekult, dem Verband von mehr als 65 Kulturveranstaltern. Schliesslich sei die Reitschule ja auch eine Konkurrenz für andere Kulturlokale. "Sie ist aber enorm wichtig für das kulturelle Leben der Stadt und darf nicht verschwinden", betonte Pauli. Künstler, die einmal in der Reitschule aufgetreten seien, würden sich immer an diesen Ort erinnern. "Die Reitschule strahlt weit über die Stadt hinaus."

 Dank der Unterstützung von Kulturschaffenden sei es möglich, das Budget für die Kampagne im Rahmen zu halten, erklärten die Reitschüler. So haben für die Spots Schauspieler wie Gilles Tschudi gratis gearbeitet. Zwischen 20 000 und 25 000 Franken würden eingesetzt, sagte Agnes Hofmann. Das sei im ähnlichen Rahmen wie bei den letzten Reitschule-Abstimmungen.
 
Mirjam Messerli

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 Zur Abstimmung

 Das will die SVP-Initiative

 Über die von Seiten der SVP lancierte Volksinitiative "Schliessung und Verkauf der Reitschule" stimmen die Bernerinnen und Berner am 26. September ab. Die Initianten verlangen, dass die Reitschule an den Meistbietenden verkauft und bis Ende 2011 geräumt werden soll. Als mögliche neue Nutzung sehen die Initianten ein Hallenbad, ein Kino oder ein Einkaufszentrum. Es ist bereits das fünfte Mal, dass sich das Stadtberner Stimmvolk an der Urne zur Zukunft der Reitschule äussern kann. 1990, 2000 und 2005 sprachen sich die Stimmberechtigten gegen eine kommerzielle Umnutzung der Reitschule aus, 1999 sagten sie Ja zu einem Sanierungskredit.

 Der Gemeinderat hat sich gegen die SVP-Initiative ausgesprochen, der Stadtrat befindet morgen darüber.
 Mm

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20 Minuten 23.6.10

Wuchtige Kampagne gegen Schliessung der Reitschule

 BERN. Prominente Unterstützung, Filmspots, Events, eine CD und sogar Bademode: Die Berner Reitschule wehrt sich mit voller Breitseite gegen die Schliessungsinitiative.

 Bereits zum fünften Mal stimmt das Stadtberner Volk am 26. September über die Zukunft der Reitschule ab. "Diesmal muss die rechtspopulistische Seite eine grosse Niederlage einstecken, damit sie es in den nächsten 30 Jahren nicht mehr wagt, wieder eine Initiative gegen die Reitschule zu lancieren", hofft Stadtrat Hasim Sancar (GB/JA). Weil die Meinungen zu diesem Dauerthema ohnehin längst gemacht sind, versuchen die Reitschulförderer gar nicht erst, ihre Gegner umzustimmen. Stattdessen rechnen sie damit, dass die Schliessungsinitiative abgeschmettert wird, wenn nur genügend Berner an die Urnen gehen.

 Entsprechend lustvoll ist die Nein-Kampagne gestaltet: Bekannte Schauspieler wie Gilles Tschudi und Esther Gemsch stehen in Werbespots für das Kulturzentrum ein. Im Reitschul-Umfeld herangewachsene Musikstars wie Züri West, Patent Ochsner oder Steff la Cheffe steuern Songs für eine CD bei. Verschiedene Clubs und Kulturinstitutionen zeigen sich solidarisch und führen am 4. September einen Aktionstag durch. Zudem buhlt das Nein-Komitee mit T-Shirts, Bademode und Führungen durch die Reitschule um zusätzliche Stimmen.

 Patrick Marbach

http://www.reitschulebietetmehr.ch

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Langenthaler Tagblatt 23.6.10

 CD für Reitschule

 Bern Reitschulkomitee wehrt sich gegen Verkauf

 Am 26. September stimmen die Bernerinnen und Berner zum fünften Male über die Zukunft des Kulturzentrums Reitschule ab. Diesmal soll die Stadt die Reitschule im Baurecht "an den Meistbietenden" verkaufen können. Bis Ende 2012 sei das Geschäft abzuwickeln, verlangt die SVP-Initiative.

 Dagegen wehrt sich das Komitee "Reitschule bietet mehr" mit Aktionen. Und mit der Produktion einer CD. Laut Reina Gehrig vom Reitschul-Komitee machen prominente Künstler und Gruppen mit: Neben Pedro Lenz sollen etwa Stiller Has, Patent Ochsner, Züri West und die Nachwuchs-Rapperin Steff la Cheffe zugesagt haben. Bereits auf "Youtube" zu sehen sind vier vom Berner "Decoy Collective" gedrehte Werbespots. "Die Filmemacher haben sich die rechtsbürgerlichen Reitschul-Zukunftsvorschläge zu Herzen genommen und nach dem Moto ‹Extrahieren wir aus dem Aberwitz den Witz› ihr deutliches Nein zur Anti-Reitschul-Initiative auf Video festgehalten", schreibt das Komitee.

 Morgen Donnerstag, wenn der Stadtrat über die Initiative debattiert, will das Komitee mit verschiedenen Aktionen vor und einer Ausstellung im Rathaus präsent sein. Damit sich die Stimmbürger selber ein Bild von der Reitschule machen können, bietet das Komitee zudem noch zehn öffentliche Führungen an, die nächste am 24. Juli. Ein Höhepunkt der Kampagne soll der kulturelle Aktionstag am 4.September werden. Verschiedene Clubs und Kulturinstitutionen werden dabei ihre Solidarität mit der Reitschule bekunden. Und am 18.September steigt in der Reitschule ein "Abstimmungsfest".

 Vor den Medien sagte gestern alt Gemeinderätin Joy Matter: "Von aussen ist die Reitschule nicht gerade ein Augentrost. Aber sie gehört zu Bern wie Urs und Berna, wie der Zytglogge oder das Symphonieorchester." Die Reitschule komme ihr vor wie die unmanierliche Enkelin einer bürgerlichen Familie. "Aber insgeheim möchte sie niemand missen." (uz)

 www.reitschulebietetmehr.ch

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Telebärn 22.6.10

Künstler kämpfen für Reitschule
http://www.kyte.tv/ch/telebaern/kunstler-kampfen-fur-reitschule/c=84713&s=948518

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20 Minuten 22.6.10
http://www.20min.ch/news/bern/story/Wuchtige-Kampagne-gegen-Schliessung-10170239

Bern

Wuchtige Kampagne gegen Schliessung

von Patrick Marbach - Prominente Unterstützung, Filmspots, Events, eine CD und sogar Bademode: Die Berner Reitschule wehrt sich mit voller Breitseite gegen die Schliessungsinitiative.

Bereits zum fünften Mal stimmt das Stadtberner Volk am 26. September über die Zukunft der Reitschule ab. "Diesmal muss die rechtspopulistische Seite eine grosse Niederlage einstecken, damit sie es in den nächsten 30 Jahren nicht mehr wagt, wieder eine Initiative gegen die Reitschule zu lancieren", hofft Stadtrat Hasim Sancar (GB/JA). Weil die Meinungen zu diesem Dauerthema ohnehin längst gemacht sind, versuchen die Reitschulförderer gar nicht erst, ihre Gegner umzustimmen. Stattdessen rechnen sie damit, dass die Schliessungsinitiative abgeschmettert wird, wenn nur genügend Berner an die Urnen gehen.

Entsprechend lustvoll ist die Nein-Kampagne gestaltet: Bekannte Schauspieler wie Gilles Tschudi und Esther Gemsch stehen in Werbespots für das Kulturzentrum ein. Im Reitschul-Umfeld herangewachsene Musikstars wie Züri West, Patent Ochsner oder Steff la Cheffe steuern Songs für eine CD bei. Verschiedene Clubs und Kulturinstitutionen zeigen sich solidarisch und führen am 4. September einen Aktionstag durch. Zudem buhlt das Nein-Komitee mit T-Shirts, Bademode und Führungen durch die Reitschule um zusätzliche Stimmen.

http://www.reitschulebietetmehr.ch

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derbund.ch 22.6.10

Züri West singt für die Reitschule

Das Komitee "Reitschule bietet mehr" bekämpft mit verschiedenen Aktionen die Initiative, die den Verkauf des Berner Kulturzentrums fordert. Geplant ist beispielsweise eine CD, an der sich prominente Künstler beteiligen wollen.

Zugesagt hätten Züri West, Patent Ochsner, Stiller Haas oder die Nachwuchs-Rapperin Steff la Cheffe, sagte Reina Gehrig vom Reitschul- Komitee am Dienstag vor den Medien in Bern. Als Kostprobe gab es einen gesprochenen, mit Hintergrundmusik vertonten Text von Pedro Lenz zu hören, der die Reitschul-Initiative mit Ironie analysiert.

Bereits im Umlauf sind vier Spots für ein Nein zur Initiative der Jungen SVP, die am 26. September in Bern vors Volk. Schauspieler wie Gilles Tschudi spielten gratis in den Spots mit, die in kleineren Kinos und auf dem Internet zu sehen sind.

"Wir haben mit einem Null-Budget gearbeitet", sagte Johannes Hartmann von der Berner Produktionsfirma Decoy Collective. Unterstützung erhielten die Berner unteren anderem von einer Zürcher Firma, die für den Dreh der Spots gratis Material zur Verfügung stellte.

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bernerzeitung.ch 22.6.10
http://www.bernerzeitung.ch/region/bern/Mit-CD-gegen-Verkauf-von-Reitschule/story/27042673

Mit CD gegen Verkauf von Reitschule

sda / mau

Das Komitee "Reitschule bietet mehr" bekämpft mit verschiedenen Aktionen die Initiative, die den Verkauf des Berner Kulturzentrums fordert. Geplant ist beispielsweise eine CD, an der sich prominente Künstler beteiligen wollen.

Zugesagt hätten beispielsweise Züri West, Patent Ochsner, Stiller Haas oder Steff la Cheffe, sagte Reina Gehrig vom Reitschul-Komitee am Dienstag vor den Medien in Bern. Als Kostprobe gab es einen mit Hintergrundmusik vertonten Text von Pedro Lenz zu hören, der die Reitschul-Initiative mit Ironie analysiert.

Bereits im Umlauf sind vier Spots, die für ein Nein zur Initiative der Jungen SVP werben, die am 26. September in Bern vors Volk kommt. Schauspieler wie Gilles Tschudi spielten in den Spots gratis mit, die in kleineren Kinos und auf dem Internet zu sehen sind.

Das Komitee rechnet mit Ausgaben von 20'000 bis 25'000 Franken für den Abstimmungskampf. Das sei allerdings nur möglich, weil viele Involvierten aus Solidarität mitmachen und keine Entschädigung für ihre Arbeit wollten, sagte Karin Jenni vom Komitee. Finanzielle Unterstützung erhält das Komitee durch Einzelspenden.

Das Komitee unterstützen mehrere Parteien und Organisationen, darunter die SP, das Grüne Bündnis oder die Junge Alternative. Gegen die Reitschul-Initiative hat sich im Vorfeld der Gemeinderat ausgesprochen. Es ist bereits das fünfte Mal, dass sich das Stadtberner Stimmvolk an der Urne zur Reitschule äussern kann.

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reitschule.ch/reitschule/mediengruppe 22.6.10

Komitee "Reitschule bietet mehr"
Postfach 6874, 3001 Bern
http://www.reitschulebietetmehr.ch

Bern, 22. Juni 2010

Einladung Aktionstag "Reitschule bietet mehr" - Do 24. Juni 2010, 14.30-17.00 Uhr, Rathausplatz Bern

Rückblick Medienkonferenz Kampagne "Reitschule bietet mehr", 22. Juni 2010

Sehr geehrte Medienschaffende

Am 26. September 2010 wird in der Stadt Bern bereits zum fünften Mal über die Reitschule abgestimmt. Dieses Mal verlangt eine rechtsbürgerliche Anti-Reitschule-Initiative die Schliessung und den Verkauf des seit 1987 bestehenden Berner Kultur- und Begegnungszentrums Reitschule.

Deshalb hat sich zu Beginn dieses Jahres das Reitschule-Unterstützungs-Komitee "Reitschule bietet mehr" gegründet und ist nicht untätig geblieben. Mit viel! Elan und kreativen Ideen tritt es nun an die Öffentlichkeit.

Vier Mitglieder des Unterstützungs-Komitees stellten heute im Frauenraum des Kultur- und Begegnungszentrums Reitschule ihre Gründe für ein Nein zu dieser Anti-Reitschule-Initiative vor:
- Joy Matter (alt Gemeinderätin und alt Schuldirektorin der Stadt Bern)
- Christian Pauli (Kulturveranstalter, Präsident bekult (Verband Berner Kulturveranstalter), Co-Leiter Dampfzentrale)
- Hasim Sancar (Vorstand Förderverein Reitschule, Stadtrat Bern)
- Sabine Ruch (Veranstalterin Dachstock)

Redebeiträge (es gilt das gesprochene Wort):
http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/Medienmitteilungen/2010-06-22-PK-ReitschulebietetmehrBeitraege.pdf
Unterstützungskomitee:
http://www.reitschulebietetmehr.ch/komitee
http://www.reitschulebietetmehr.ch/parteien/

Mit Johannes Hartmann (Decoy Collective GmbH) und Silvio Brügger (BlackYard GmbH) waren ebenfalls einige der kreativen Köpfe hinter der Kampagne anwesend, welche dem destruktiven Geist der Anti-Reitschule-Initiative ihr Nein in Form von Werbespots, Grafiken, Kampagnen-TShirts, Bademode und vielem anderem mehr entgegensetzen (siehe unten).

Aktionstag 24.6.10:
Am Do 24.6. wird im Berner Stadtrat über die Anti-Reitschule-Initiative debattiert. Das Komitee "Reitschule bietet mehr" wird deshalb am Nachmittag (ab 14.30 Uhr bis 17.00 Uhr) mit Informationen, einer Ausstellung, kurzen Statements und Aktionen vor dem Rathaus präsent sein.
Um 16.30 Uhr Statements von
- Joy Matter
- Die Effalums- Matto Kämpf
- Marguerite Meyer
- Michael Kaufmann
- Christine Lauterburg
- u.a.

Weitere Daten der Kampagne "Reitschule bietet mehr":

* Kultureller Aktionstag ganze Stadt Bern am 4. September 2010
Verschiedene Clubs und Kulturinstitutionen zeigen ihre Solidarität mit der Reitschule und sagen Nein zur Anti-Reitschule-Initaitive.

* Abstimmungsfest in der Reitschule am 18. September 2010

Öffentliche Führungen durch die Reitschule:
Die Reitschule bietet mehr: Auch Führungen durch die vielen verschiedenen Räume. Machen Sie sich selbst ein Bild von der Reitschule.
Mehr Informationen: http://www.reitschulebietetmehr.ch/fuehrungen


Mit freundlichen Grüssen

Komitee "Reitschule bietet mehr"
Abstimmungsgruppe Reitschule
Mediengruppe Reitschule! Bern


ABSTIMMUNGS-WERBESPOTS

Decoy Collective GmbH
http://www.decoycollective.com
Die drei Filmemacher des Berner "Decoy Collective" haben sich die rechtsbürgerlichen Reitschule-Zukunftsvorschläge zu Herzen genommen und nach dem Motto "Extrahieren wir aus dem Aberwitz den Witz" ihr deutliches Nein zur aktuellen Anti-Reitschule-Initiative auf Video festgehalten. Mit bekannten Schweizer SchauspielerInnen, die ohne Gage ihre Gesichter zur Verfügung stellten, wurden 4 Abstimmungs-Kurzfilmspots zum Schmunzeln gedreht:
Mehr: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/Medienmitteilungen/10-06-11-MM-Abstimmungsspots.html

Spot 1: Party
http://www.youtube.com/watch?v=DmN_7P7HXl0
Spot 2: Kino
http://www.youtube.com/watch?v=ZIg_Qd4irPU
Spot 3: Theater
http://www.youtube.com/watch?v=Yz4cbxctSvs
Spot 4: Restaurant
http://www.youtube.com/watch?v=QuoLhGDcHgk


ABSTIMMUNGS-GRAFIKEN

BlackYard GmbH
http://www.blackyard.ch
Auch das Berner Grafiker- und Illustratoren-Team von "BlackYard" blieb nicht untätig und bietet der Berner Bevölkerung per sofort und seit 23 Jahren die Reitschule an - zum Preis von 1xNein zur SVP-Initiative "Schliessung und Verkauf der Reitschule".
Das grafische Nein von "BlackYard" finden Sie un! ter
http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/Medienmitteilungen/10-06-22-MK-Reitschulebietetmehr.html (ganz unten).
Auch an der Fassade der Reitschule ist "BlackYard" tätig geworden - Die Resultate können sie hier sehen:
http://www.blackyard.ch/?p=1403

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RABE-INFO
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Mi 23. Juni 2010
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_23._Juni_2010.mp3
- Die Reitschule bietet mehr: Auftakt zum Abstimmungskampf
- Spritfresser Klimaanalagen: Bei kalten und warmen Temperaturen
- Gesunde Ernährung im Untergagsbau: Ein ambitioniertes Projekt

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Di. 22. Juni 2010
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_22._Juni_2010.mp3
- Jeden Monat gibt es in Bern einen Fall von Stalking
- Die grüne Revolution lebt: Einschätzungen zur aktuellen Lage im Iran vom Exiliraner und Revolutionär Ali Schirasi
- In der Türkei gelten Antiterrorgesetzte auch für Minderjährige

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NARRENKRAUT
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Blick am Abend 23.6.10

Cannabis-Abgabe auch in Basel?

 KIFFEN

 Grossrätin Tanja Soland (SP) will den Grundstein für ein Hanf-Pilotprojekt legen.

 Rollen Kiffer in Basel ihre Joints bald legal? Grossrätin Tanja Soland (SP) reicht heute einen parlamentarischen Vorstoss zur kontrollierten Abgabe von Cannabis im Rahmen eines Pilotversuchs ein. Nach Zürcher Vorbild soll das Rauschmittel - von einer wissenschaftlichen Studie begleitet - legal konsumiert werden dürfen. "Die momentane Situation der Kriminalisierung ist unhaltbar", sagte Soland in der "BaZ". "Wir verbieten ein Genussmittel, während wir andere wie Nikotin oder Alkohol verbieten."

 Die Junge SVP lehnte die Cannabis-Abgabe bereits im Vorfeld der Debatte kategorisch ab. "Die Folgen des Konsums können verheerend sein", sagt Präsident Alexander Gröfl in. Der Grosse Rat behandelt das Thema voraussichtlich erst im Herbst. ps

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Bund 23.6.10

Die Stadt Bern soll Hanf legal verkaufen

 Stadträte möchten sich dem Zürcher Pilotprojekt für legalen Cannabis-Verkauf anschliessen.

 Rahel Bucher, Bernhard Ott

 Hanf soll man in Bern künftig nicht mehr illegal beim Dealer kaufen, sondern legal - bei einer offiziellen städtischen Verkaufsstelle. Dies fordern einige Stadträte. "Die Stadt Bern soll ein Zeichen setzen", sagt etwa Juso-Stadträtin Tanja Walliser. Dementsprechend will man der Stadt Zürich folgen und bei deren wissenschaftlich begleitetem Pilotversuch für den öffentlichen Cannabis-Verkauf mitmachen. Heute vor einer Woche hat das Zürcher Stadtparlament grünes Licht für den Versuch gegeben und ein entsprechendes Postulat überwiesen. Das Postulat von zwei grünen Gemeinderäten fordert den kontrollierten Verkauf von Cannabis. Das Projekt soll wissenschaftlich begleitet werden. Zudem sollen Jugendliche präventiv unterstützt werden.

 Ein Ansatz, von dem auch Walliser überzeugt ist. "In erster Linie ist dieser Pilotversuch positiv für die Prävention", sagt sie. Man könne die Jugendlichen besser erreichen, Daten erheben und wissenschaftliche Untersuchungen durchführen. Zudem sei sie der Meinung, dass "die Legalisierung endlich vorangetrieben werden muss".

 Städte sollen Druck machen

 Unterstützt wird sie von Aline Trede (Grünes Bündnis). Dass seit dem Scheitern der Hanf-Initiative am 30. November 2008 zu wenig Zeit vergangen ist, um das Thema wieder auf die politische Agenda zu bringen, glaubt Trede nicht. Zudem handle es sich primär um ein städtisches Problem. "Es würde Sinn machen, dass alle grösseren Städte das Problem zusammen anschauen", sagt sie. Damit könnte man Druck auf den Bund ausüben. Ein Vorstoss im Berner Stadtrat soll noch diese Woche folgen.

 FDP-Stadtrat ist für Pilotversuch

 Der Berner Nationalrat Christian Wasserfallen (FDP) hat für dieses Vorgehen kein Verständnis. Er weist in einer Mitteilung darauf hin, dass das Schweizer Volk die Hanf-Initiative mit 63 Prozent Nein-Stimmen abgelehnt habe. "Dies scheint in Zürich oder Bern schon vergessen gegangen zu sein", hält Wasserfallen fest. Die Städte planten eine Legalisierung des Cannabis-Konsums in Raten, "ganz so, als ob für diese Städte das nationale Gesetz nicht gelten würde". Wasserfallens Aufregung wird innerhalb der FDP aber nicht mehr von allen geteilt. Gemäss einem Bericht von "20 Minuten" befürwortet zum Beispiel FDP-Stadtrat Christoph Zimmerli einen wissenschaftlich begleiteten Pilotversuch zur Cannabis-Legalisierung.

 Der Berner Stadtrat hat bereits vor vier Jahren einen Vorstoss zur Legalisierung des Cannabis-Konsums überwiesen. "Bern wird zur Hanfstadt Europas", befürchtete der damalige Stadtrat Christian Wasserfallen. Der Gemeinderat stand dem Anliegen zunächst wohlwollend gegenüber. Als der Wind im nationalen Parlament umschlug, änderte er seine Position. In seiner ablehnenden Antwort auf den Vorstoss wies der Gemeinderat darauf hin, dass der Bund Pilotversuche mit Cannabis nur unter "sehr strengen Auflagen" genehmige.

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20 Minuten 23.6.10

Forderung: Stadt Bern soll Hasch und Gras verkaufen

BERN. Auch die Stadt Bern soll Cannabis verkaufen. Das finden Politiker und fordern eine Beteiligung am Zürcher Pilotprojekt für ein legales Kiffen.

Anstatt beim Dealer auf der Gasse sollen Berner Kiffer ihren Stoff schon bald bei einer offiziellen städtischen Verkaufsstelle beziehen können. Das fordern Stadträte von grün bis freisinnig. Sie wollen, dass Bern beim wissenschaftlich begleiteten Pilotversuch für staatlichen Hanf-Verkauf mitmacht, den das Zürcher Parlament letzte Woche beschlossen hat (20 Minuten berichtete). "Wenn weitere Städte dabei sind, wird der Druck auf den Bund bezüglich Legalisierung stärker", so die Berner Stadträtin Aline Trede (Grünes Bündnis). "Eine grössere Datenmenge ist zudem aussagekräftiger."

Der Versuch soll zeigen, was eine staatliche Abgabe überhaupt bringen würde. Trede ist bereits mit den Zürcher Initianten in Kontakt, ein Vorstoss im Berner Stadtrat soll folgen. Unterstützt würde dieser von Juso-Frau Tanja Walliser und der grünliberalen Stadträtin Tanja Sollberger. "Nur so kann man die Qualität des Stoffs kontrollieren", sagt Sollberger. Auch FDP-Kollege Christoph Zimmerli ist dafür: "Es verhindert, dass Konsumenten beim Dealer mit härteren Drogen in Kontakt kommen."

Auf Zustimmung stösst die Idee auch bei den Suchtexperten von Contactnetz: "Ein Testlauf zur Datenerhebung wäre sehr sinnvoll", so Geschäftsleiter Jakob Huber.

Nina Jecker

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Basler Zeitung 23.6.10

Grossrätin fordert Cannabis-Abgabe

 Heute soll der Grundstein für die Teilnahme an Hanf-Pilotprojekt gelegt werden

 Mischa Hauswirth

 Basler Politiker können sich vorstellen, die Entkriminalisierung von Cannabis zu unterstützen. Als Erste verlangt nun SP-Grossrätin Tanja Soland von der Regierung, ein Pilotprojekt zu lancieren.

 Eine Streitdebatte im Grossen Rat scheint programmiert: Die SP fordert als erste Partei von Basel-Stadt "eine Offenheit im Umgang mit Hanf und flankierende Präventionsmassahmen"; Tanja Soland reicht heute zuhanden der Regierung einen parlamentarischen Vorstoss zur kontrollierten Abgabe von Cannabis im Rahmen eines Pilotversuchs ein. Soland: "Die momentane Situation der Kriminalisierung von Cannabis-Konsumenten ist unhaltbar."

 Da vom Bund keine Veränderung zu erwarten sei, müssten jetzt die Kantone aktiv werden und beweisen, dass das Cannabis-Abgabe-Modell funktioniere. Deshalb fordert Soland mit ihrem Anzug die Teilnahme am von Zürich angestrebten Pilotprojekt: "Die Kriminalisierung belastet das Strafverfolgungssystem massiv und unverhältnismässig", so die Juristin Soland. "Wir verbieten ein Genussmittel, während wir andere wie Nikotin oder Alkohol tolerieren." Die Grossrätin weist daraufhin, dass beispielsweise Kalifornien eine Liberalisierung von Hanf ins Auge fasse.

 Dass die Kantone die Entkriminalisierung von Cannabis vorantreiben und nicht der Bund, macht für Tanja Soland Sinn. "Bei Versuchen mit elektronischen Fussfesseln zur Verbüssung kurzer Freiheitsstrafen haben auch Kantone die Initiative ergriffen", sagt Soland. Mittlerweile seien die Bundesbehörden überzeugt, dass es funktioniert.

 Widerstand in Startlöchern. Von Justizdirektor Hanspeter Gass (FDP) war gestern keine Stellungnahme zum Vorstoss zu erhalten. Gesundheitsdirektor Carlo Conti (CVP) sagte gegenüber der BaZ: "Wir werden die Situation auf alle Fälle prüfen."

 Wie sich die basel-städtische Regierung in der Cannabis-Frage positionieren dürfte, zeigt ein Blick ins Archiv: Hanspeter Gass hätte 2008 eine Annahme der Hanf-Initiative begrüsst. Seine Baselbieter Amtskollegin Sabine Pegoraro (FDP) hingegen hofft, dass Basel keine staatlich kontrollierte Abgabe anpeilt. Pegoraro: "Ich kann nicht verstehen, dass die Diskussion so kurz nach der Abstimmung wieder losgetreten wird." Gass und Pegoraro waren sich schon 2008 in der Entkriminalisierungsfrage nicht einig.

 Basler Gras. In den kommenden Wochen sollen parteiübergreifende Gespräche stattfinden, um Ideen über ein solches Projekt auszutauschen. Tanja Soland hofft auf das Networking von Politikern sowie weiterern Interessierten am Pilotprojekt. "Die Städte sollten sich nicht alles von den Kantonen vorschreiben lassen", sagt sie.

 Als nächsten Schritt würde sich die Bildung einer Arbeitsgruppe mit Experten aus den Departementen Gesundheit, Justiz und der Universität anbieten, so Soland. Klar sei, dass das Basler "Gras" biologisch und auf Kantonsgebiet angebaut beziehungsweise verarbeitet werden müsste.

 Die SVP hat bereits politischen Widerstand angekündigt.

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HEROIN
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Newsnetz 22.6.10

Wie Stars Heroin wieder populär machen

Michèle Binswanger

 Heroin gilt seit den Neunzigerjahren als Loserdroge. Doch in den letzten Jahren hat sich die Droge besonders bei Stars und in der High Society wieder etabliert - ein Trend, der auch auf die Jugend übergreift.

 Er galt als der "coolste aller Dandys" ("Musik Express"). Doch Coolness schützt vor Sterben nicht - vergangenen Montag wurde der Autor und Künstler Sebastian Horsley tot aufgefunden. Er starb, teilte sein Verlag mit, vermutlich an einer Überdosis Heroin.

 In den letzten Jahren drehte sich die Medienberichterstattung um das aufputschende Kokain, welches in immer breiteren Bevölkerungskreisen konsumiert wird. Heroin hingegen gilt seit den Neunzigern als Loserdroge - entsprechend stagnierte auch der Konsum. Doch in den letzten Jahren häuften sich die Meldungen, wird wieder häufiger über Heroin berichtet - es sind nicht mehr die Verlierer der Gesellschaft, die es konsumieren, sondern die Reichen und Berühmten.

 Da war Pete Doherty, der freimütig über seine Heroinsucht sprach, Amy Winehouse, die ihren öffentlichen Absturz auf Heroin, Kokain und Crack inszenierte, Schauspieler Owen Wilson, der wegen einer Überdosis ins Krankenhaus eingeliefert werden musste. Der deutsche Schauspieler Ben Becker wurde ebenfalls wegen einer Überdosis eingeliefert. Anfang Jahr tauchten im Internet Bilder der 21-jährigen Peaches Geldof auf, die sie nach dem Heroinkonsum zeigten und im Mai wurde Michael Douglas' Sohn Cameron wegen Handel mit sowie Konsum und Besitz von Heroin verurteilt.

 Heroin auf dem Vormarsch

 Kein Wunder taucht da die Befürchtung auf, Heroin könnte auch bald wieder en vogue sein - auch und vor allem bei den Jungen. Und tatsächlich häufen sich in den USA die Meldungen, dass der Heroinkonsum unter Jugendlichen bedenklich zunimmt. Vor allem in New York soll das Problem epidemisch sein, wie das Nachrichtenportal "NY1" jüngst vermeldete. "Es gibt viel mehr junge Leute, die Heroin konsumieren und davon auch abhängig werden", sagte Bridget Brennan von den Special Narcotics Prosecutors in Manhattan. Besonders besorgt sind die Behörden, weil das Durchschnittsalter der Erstkonsumenten seit einigen Jahren wieder sinkt.

 Dazu passt auch der Coup, welcher der Polizei Mitte Mai in den Hamptons gelang. Die Hamptons sind bekannt als begehrte Sommerresidenz von Manhattans Superreichen. Just dort verhaftete die Polizei die 21-jährige Katie Schirripa, eine Studentin, im Hause ihrer Eltern. In ihrem Schlafzimmer fand die Polizei 56 Heroinpäckchen. Schirripa, eine blonde, junge Frau, fungierte in ihrer Schule als Cheerleaderin - und war in ihrer Freizeit die zentrale Figur in einem Drogenring, der Heroin von Manhattan in die Hamptons schleuste.

 Unklare Situation in der Schweiz

 Ob der Trend auch die Schweiz ergreifen wird, ist noch unklar. Die letzte repräsentative Schülerbefragung von 2007 habe gezeigt, dass eine kleine Gruppe von Jugendlichen beim Konsum illegaler Drogen hohe Risiken eingehe, heisst es bei der Schweizerischen Fachstelle für Alkohol und andere Drogenprobleme (SFA). Bis heute sei über das Konsumverhalten dieser Jugendlichen wenig bekannt. "Zwischen rund ein und 3 Prozent der Jugendlichen haben in ihrem bisherigen Leben illegale Drogen wie Kokain, Crack, Heroin oder LSD konsumiert", so die SFA weiter. Alarmierend ist allerdings, dass sich der Anteil der 15-Jährigen, die schon Heroin und Kokain konsumierten, seit 2003 verdoppelt hat - und ebenfalls der Anteil der 15-Jährigen, die Drogen intravenös konsumieren.

 Ebenfalls bedenklich ist, dass beinahe 8 Prozent der 15-Jährigen schon Schlaf- oder Beruhigungsmittel ausprobiert haben. Denn unter Experten gelten heute nicht mehr Substanzen wie Cannabis als Einstieg in die harten Drogen, sondern Medikamentenmissbrauch.

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ANTIFA
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Bund 23.6.10

Antifaschisten verüben Farbanschlag

 Burgdorf - In der Emme-Stadt ist in der Nacht auf Dienstag ein Farbanschlag auf eine Bar verübt worden, welche von Antifaschisten als Treffpunkt Rechtsextremer bezeichnet wird. Die Betreiberin der Bar, die dieser Anschuldigung widerspricht, hat bei der Polizei Anzeige erstattet. Sophie Güntensperger sagte gestern auf Anfrage, die Täter hätten mit schwarzem und rotem Lack gefüllte Konfitüregläser auf das Gebäude geworfen und damit zwei Hauptfenster und ein Oberlicht eingeworfen. Sie geht "ganz klar" davon aus, dass die Täterschaft in "linken Kreisen" zu suchen ist. Ihre Bar sei kein Clublokal für Rechtsextreme, sondern eine "ganz normale Bar für jedermann".

 "Einige Antifaschistinnen und Antifaschisten" bekannten sich gestern in einer Medienmitteilung zur Tat. Es sei darum gegangen, der "braunen Bar" etwas Farbe zu "schenken". Die Bewegung Antifa Bern hatte in einer auf der einschlägigen Internetseite Indymedia.org veröffentlichten Medienmitteilung vom 27. Mai auf die Mitte Mai eröffnete Bar aufmerksam gemacht. Sie kam gemäss dieser Mitteilung nach Auswertung der Gästeliste auf dem Internet zum Schluss, dass bekannte Rechtsextreme die Bar frequentierten.

 Stefan von Below von der Kantonspolizei sagte auf Anfrage, die Polizei habe Kenntnis von Sachbeschädigungen am Burgdorfer Gebäude. Und fügte hinzu, dass bei der Polizei Abklärungen im Gang seien. (sda)

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20 Minuten 23.6.10

Antifaschisten werfen Konfigläser voll Lack auf Bar

 BURGDORF. In der Nacht auf gestern gabs in Burgdorf einen Farbanschlag auf eine Bar, die von Antifaschisten als Treffpunkt Rechtsextremer bezeichnet wird. Barbetreiberin Sophie Güntensperger sagte, die Täter hätten mit Lack gefüllte Konfitüregläser auf das Gebäude geworfen und drei Fenster zerschlagen. Sie gibt an, ihre Bar sei kein Klublokal für Rechtsextreme, sondern eine "ganz normale Bar für jedermann", und hat Anzeige erstattet. Gestern Nachmittag bekannte sich schliesslich eine Gruppe Antifaschisten per Communiqué zur Tat: Sie hätten der "braunen Bar" etwas Farbe schenken wollen.

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bernerzeitung.ch 23.6.10
http://www.bernerzeitung.ch/region/emmental/Farbangriff-von-Antifaschisten-auf-Burgdorfer-Bar/story/21840267

Farbangriff von Antifaschisten auf Burgdorfer Bar

In Burgdorf ist in der Nacht auf Dienstag ein Farbanschlag auf eine Bar begangen worden, welche von Antifaschisten als Treffpunkt Rechtsextremer bezeichnet wird. Die Betreiberin der Bar, die dieser Aussage widerspricht, hat bei der Polizei Anzeige erstattet.

Sophie Güntensperger sagte am Dienstag auf Anfrage, die Täter hätten mit schwarzem und rotem Lack gefüllte Konfitüregläser auf das Gebäude geworfen und damit zwei Hauptfenster und ein Oberlicht eingeworfen. Sie geht "ganz klar" davon aus, dass die Täterschaft in "linken Kreisen" zu suchen ist.

Ihre Bar sein kein Klublokal für Rechtsextreme, sondern eine "ganz normale Bar für jedermann".

"Farbe schenken"

"Einige Antifaschistinnen und Antifaschisten" bekannten sich am Dienstag in einer Medienmitteilung zur Tat. Es sei darum gegangen, der "braunen Bar" etwas Farbe zu "schenken".

Die Bewegung Antifa Bern hatte in einer auf der einschlägigen Internetseite indymedia.org veröffentlichten Medienmitteilung vom 27. Mai auf die Mitte Mai eröffnete Bar aufmerksam gemacht. Sie kam gemäss dieser Mitteilung nach Auswertung der Gästeliste auf dem Internet zum Schluss, bekannte Rechtsextreme frequentierten die Bar.

Stefan von Below von der Kantonspolizei Bern sagte auf Anfrage, die Polizei habe Kenntnis von Sachbeschädigungen am Burgdorfer Gebäude. Es seien Abklärungen im Gang. (sgl/sda)

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Indymedia 22.6.10

Farbe gegen Nazibar in Burgdorf ::

AutorIn : Wir         

In der ersten viel zu kalten Sommernacht besuchten wir die "Royal Aces Tattoo-Bar" in Burgdorf, welche fast ausschliesslich von Rechtsextremen besucht wird.     

Dies erstaunt nicht, denn die Betreiberin Sophie Güntensperger pflegt gute Kontakte zu Rechtsextremen, was sie in der "Berner Zeitung" vom 27.Mai 2010 offen zugab. Auch der Liegenschaftsverwalter Jürg Jost stellt sich mit seinen Aussagen im selben Artikel ideologisch in die Nähe der Barbesucher und Barbesucherinnen.

Wir schenkten der brauen Bar etwas Farbe und dank den Löcher in den Scheiben konnte sich die Bar temporär von der dicken Luft der tödlichen Weltanschauung befreien.

Damit kämpfen wir gegen diese Bar, die zur besseren Strukturierung der rechtsextremen Szene beiträgt.

Wir werden nicht ruhen, bis alle Nazitreffs verschwunden sind.

Wir verbleiben mit antifaschistischen Grüssen und wünschen uns einen heissen Sommer.

Einige Antifaschistinnen und Antifaschisten

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PNOS
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Blick am Abend 23.6.10

PNOS-Chef vor Gericht

 LÜGE

 Philippe Eglin hatte das Tagebuch der Anne Frank als Fälschung bezeichnet.

 philipp.schraemmli@ringier.ch

 Die Staatsanwaltschaft erhebt Anklage gegen Philippe Eglin. Am 21. Juli muss sich der Vorsteher der Basler Sektion der Partei national orientierter Schweizer (PNOS) wegen Rassendiskriminierung vor Gericht verantworten. Eglin hatte auf der PNOS-Homepage behauptet, Anne Franks Tagebuch sei eine Fälschung und ihr Tod auf die "Bombardierung ziviler Ziele durch die ‹alliierten Befreier› zurückzuführen".

 Peter Mosimann, der Anwalt des Anne-Frank-Fonds mit Sitz in Basel, hatte den Sachverhalt Ende letzten Jahres der Staatsanwaltschaft zur Prüfung überwiesen. "Wir haben erwartet, dass es zu einer Anklage kommt und sind gespannt auf das Urteil", sagt Mosimann.

 Eglin ist kein unbeschriebenes Blatt. Ende 2007 verurteilte ihn das Bezirksstatthalteramt Laufen wegen Körperverletzung zu einer bedingten Geldstrafe. In letzter Zeit ist er mehrfach als Redner an Veranstaltungen deutscher Rechtsextremer aufgetreten.

 Nachdem die Öffentlichkeit letzten Spätherbst von den rassenfeindlichen Äusserungen auf der PNOS-Homepage erfuhr, wurde der heute 22-Jährige von seinem damaligen Arbeitgeber Novartis entlassen. Der Pharma-Multi begründete dies damit, dass er als global tätiges Unternehmen keine Diskriminierungen dulden könne.

 Die PNOS Sektion Basel wurde erst im Januar 2009 gegründet. Eglin war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

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GGG-FON
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Bund 22.6.10

Regionalkonferenz

211 Anfragen zu Gewalt und Rassismus

Im Jahr 2009 verzeichnete das GGG-Fon - die unabhängige Anlaufstelle für Gewalt und Rassismus — insgesamt 211 Anfragen. Ab 2010 unterstützen 49 Gemeinden aus dem Raum Bern und Burgdorf sowie der Kanton Bern die Beratungsstelle. Das Angebot wird neu durch die Regionalkonferenz Bern-Mittelland koordiniert. Die unabhängige Anlaufstelle wird seit 2002 vom Verein für soziale und kulturelle Arbeit (Juko) im Mandat betrieben. (pd)

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FREIRAUM THUN
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Thuner Tagblatt 22.6.10

Hausgeister besetzten Emmi-Areal

Am Wochenende besetzten Mitglieder der Aktion Hausgeist ein leer stehendes Haus der Emmi AG. Es gab keine Reklamationen.

In der Nacht von Freitag auf Samstag hat die Gruppe Aktion Hausgeist ein leer stehendes Haus der Emmi AG an der Gewerbestrasse in Thun besetzt. Gemäss einer gestern versandten Medienmitteilung der Gruppierung hätten 250 Menschen zu Musik von zwei Livebands und diversen DJs die ganze Nacht ein "ausgelassenes und friedliches Fest gefeiert". Auch in der folgenden Nacht seien im besetzten Gebäude nochmals Musik und eine Feuershow geboten worden. "Während des ganzen Wochenendes hielt sich die Polizei zurück, da es keine Lärmbelästigung gab", schreiben die Hausgeister weiter.

"Keine Nachtruhestörung"

Die Polizei bestätigte gestern diese Darstellung. "Bei uns gingen keine Reklamationen wegen Nachtruhestörung ein, deshalb mussten wir auch nicht eingreifen", erklärte Kapo-Mediensprecher Heinz Pfeuti auf Anfrage. Weil es sich bei Hausbesetzungen um ein Antragsdelikt handle, schreite die Polizei erst ein, wenn der entsprechende Hauseigentümer eine Strafanzeige einreiche. Dies sei hier nicht der Fall gewesen. Dominik Schenker, bei der Emmi AG verantwortlich für den Bereich Gebäude, war gestern über die Aktion informiert. "Wir haben keinen Handlungsbedarf gesehen", sagte Schenker.

Am Sonntagmorgen verliessen die Hausgeister das Gebäude wieder. Hintergrund der Aktion war der "immer noch andauernde Missstand in der Thuner Ausgangsszene", wie im Communiqué geschrieben steht. Mit der Besetzung hätten die Jugendlichen zeigen wollen, dass es möglich sei, Kultur in die eigenen Hände zu nehmen und ein "engagiertes Fest ohne Zwischenfälle" durchzuführen.
pd/gbs

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POLICE BE
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Bund 23.6.10

Wenn der Kanton "schmutziges" Geld erhält

 Wird das Geld gefunden, das der Kantonspolizei jüngst abhandenkam, hat es einen langen Weg vor sich.

 Mireille Guggenbühler

 Aus einem Tresorraum der Kantonspolizei sind 120 000 Euro verschwunden (siehe "Bund" vom Dienstag). Der Verdacht besteht, dass das Geld von einer internen Person entwendet wurde. Das Untersuchungsrichteramt III Bern-Mittelland hat den Fall öffentlich gemacht, das Polizeikommando schweigt sich aber zu der delikaten Angelegenheit aus. Ob der Vorfall nun intern neue Regelungen - zum Beispiel bezüglich des Zugangs zum Tresorraum oder der Sicherstellung von Gegenständen im Zusammenhang mit einem Strafverfahren - zur Folge hat, dazu will man bei der Kantonspolizei nichts sagen. "Der Kommandant bedauert den Vorfall sehr. Er wird sich zu gegebener Zeit dazu äussern. Vorerst wartet er die ersten Ergebnisse der Ermittlungen ab", sagt Irène Messerli, Chefin Kommunikation bei der Kantonspolizei, auf Anfrage.

 Straftaten und ihre Gegenstände

 Fakt ist: Die 120 000 Euro wurden im Zusammenhang mit einem Verfahren, das die Bundesanwaltschaft leitet, in dem Raum zwischengelagert.

 Grundsätzlich ist die Polizei für die Sicherstellung, das Untersuchungsrichteramt für die Beschlagnahmung und das Gericht für die Einziehung von Gegenständen zuständig, die zur Begehung einer Straftat gedient haben oder bestimmt waren. Das Gericht zieht die Gegenstände auch dann ein, wenn sie durch eine Straftat hervorgebracht, also zum Beispiel gefälscht worden sind. Im Detail geregelt ist dies im Schweizerischen Strafgesetzbuch. Doch was passiert mit den eingezogenen Gegenständen? Das Gericht kann anordnen, dass sie unbrauchbar gemacht oder vernichtet werden.

 Vom Gericht eingezogenes Geld oder andere Vermögenswerte wiederum werden nicht vernichtet oder unbrauchbar gemacht. Ein gestohlenes Collier etwa kann der bestohlenen Person wieder zurückgegeben werden. Ebenso Geld, das jemandem entwendet worden ist. Gibt es aber niemanden, dem das Geld oder auch andere Vermögenswerte berechtigterweise zustehen, dann geht schlussendlich alles an den Kanton.

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20 Minuten 23.6.10

Aus Asservatenkammer 120 000 Euro gestohlen

 BERN. Ziemlich sicher hat ein Berner Polizist 120 000 Euro aus einem Tresorraum gestohlen. Eineinzigartiger Fall, sagt Untersuchungsrichter Thomas Perler.

 Polizisten, die sich in so genannten Asservatenkammern unbehelligt mit Waffen, Drogen und Bargeld eindecken, kennt man vor allem aus Hollywood-Filmen. Nun hat höchstwahrscheinlich ein Polizist der Kantonspolizei Bern zugeschlagen: Aus einem mehrfach gesicherten Tresorraum hat er oder sie im Frühling satte 120 000 Euro Bargeld abgestaubt. Mehrere Dutzend spezialisierte Polizisten hatten Zugang zum Raum. Die Kantonspolizei hat Anzeige gegen unbekannt erstattet (20 Minuten berichtete). Weil die Beamten sich kennen und um sicherzustellen, dass unbefangen ermittelt wird, untersucht die Kantonspolizei Zürich den Fall.

 Thomas Perler spricht von einer Horrorvorstellung: "Ein Diebstahl in diesem Umfang ist einzigartig - in meiner siebenjährigen Tätigkeit als Untersuchungsrichter habe ich so etwas jedenfalls noch nie erlebt." Er könne sich gut vorstellen, dass eine solche Verdachtslage im Korps zu grossem Druck und angespannter Stimmung führe. Perler: "Dass polizeiliche Verfehlungen in der Schweiz grundsätzlich selten sind, liegt wohl daran, dass die hiesigen Polizisten gut ausgebildet sowie schwer zu korrumpieren sind."  nm

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Bund 22.6.10

120 000 Euro bei Kantonspolizei gestohlen

Aus einem Tresorraum der Kantonspolizei sind 120 000 Euro verschwunden. Der Verdacht besteht, dass das Geld von einer internen Person entwendet wurde.

Mireille Guggenbühler

Im mehrfach gesicherten Raum bei der Kantonspolizei, der Asservatenkammer, werden nicht nur Geld, sondern auch Schmuck oder Drogen aufbewahrt — Gegenstände, die im Lauf eines Verfahrens sichergestellt worden sind. Auch die nun verschwundenen 120 000 Euro wurden im Zusammenhang mit einem Verfahren, das die Bundesanwaltschaft führt, in diesem Raum zwischengelagert. Dann waren sie plötzlich weg. Da das Geld gesichert aufbewahrt wurde, besteht der Verdacht, dass es durch eine interne Person entwendet worden sein könnte. Nicht alle Mitarbeiter der Kantonspolizei haben indes Zugang zu diesem Raum. Möglich ist jedoch, dass Zugangsberechtigte anderen Angehörigen der Polizei Einlass verschafft haben - oder sogar jemandem von ausserhalb. "Wir ermitteln in alle Richtungen; rein theoretisch besteht immer noch die Möglichkeit, dass das Geldpaket verwechselt und deshalb aus dem Raum genommen wurde, ohne böse Absicht", sagt Untersuchungsrichter Thomas Perler. Doch diese Möglichkeit werde stets kleiner und tendiere gegen Null.

Interne, negative Untersuchung

Als man im Frühling bei der Kantonspolizei den Geldverlust bemerkte, wurde eine interne Untersuchung eingeleitet. Diese verlief negativ. Daraufhin erstattete die Kantonspolizei beim Untersuchungsrichteramt III Bern-Mittelland Strafanzeige gegen Unbekannt, wie in einer Mitteilung steht. Die Ermittlungen wurden daraufhin aufgenommen. Das Untersuchungsrichteramt wird dabei durch die Kantonspolizei Zürich unterstützt, denn Berner Kantonspolizisten, die gegen die eigenen Leute ermitteln müssen, könnten im einen oder andern Fall befangen sein. "Die Zürcher haben ein erfahrenes, grosses und gutes Korps, das sich mit jeder Sorte von Kriminalität auskennt", erklärt Perler, weshalb seine Wahl auf Zürich fiel. Wie lange die Untersuchung dauern wird, kann der Untersuchungsrichter indes nicht klar voraussagen: "Ein paar Wochen - oder aber auch ein paar Jahre."

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BZ 22.6.10

Diebstahl

Polizei unter Verdacht

Der Kantonspolizei Bern fehlen 120 000 Euro. Da die eigenen Leute in Verdacht stehen, ermitteln Zürcher Polizisten.

Die Kantonspolizei Bern erstattet Anzeige gegen unbekannt. Im Frühling 2010 stellte die Polizei fest, dass ein Betrag von rund 120 000 Euro fehlt, wie die Kantonspolizei mitteilte. Das Geld war im Rahmen von Ermittlungen sichergestellt worden und wurde in einem gesicherten Raum gelagert. "Nur Polizisten haben Zugang zu diesem Raum", sagt der Untersuchungsrichter Thomas Perler auf Anfrage. Es seien keine Einbruchsspuren gefunden worden. Daher bestehe der Verdacht, dass das Geld durch die eigenen Leute entwendet worden sei.

"Eine Horrorvorstellung"

Über die laufenden Ermittlungen will Perler nichts sagen. Doch Polizisten können nicht gegen sich selber ermitteln. "Die Beamten kennen sich untereinander, es soll sichergestellt werden, dass unbefangen ermittelt wird", sagt Perler. Aus diesem Grund untersucht die Kantonspolizei Zürich diesen Fall.

Perler hofft nach wie vor, dass es sich um ein Missverständnis handelt. "Die Chance ist gering, aber vielleicht wurde etwas verwechselt, oder es gab ein Missverständnis." Dass jemand, der für Recht und Ordnung sorgen sollte, 120 000 Euro stiehlt, ist für den Untersuchungsrichter, wie er sagt, eine Horrorvorstellung.

Früher Diebstähle in Thun

Das wäre allerdings nicht die erste grössere Summe, die bei der Kantonspolizei Bern verschwunden wäre: Im Januar 2000 wurden aus einem Aktenschrank der Regionalfahndung in Thun 12 190 Franken entwendet, der Täter konnte nicht eruiert werden. Im März 2001 kamen aus einem Tresor der Regionalfahndung in Thun 75 000 Franken an beschlagnahmten Drogengeldern abhanden. Zum Tresor gab es damals mehrere Schlüssel, welche in einem verschlossenen Bürogestell aufbewahrt wurden. Die Schlüssel zum Bürogestell waren allerdings rund 50 Personen zugänglich (inklusive Putzpersonal). So verliefen die Ermittlungen im Sand. Im Juli 1999 war zudem bei der Kantonspolizei ein ziviles Observationsfahrzeug gestohlen worden. Hier vermutete der Untersuchungsrichter interne Täter, doch er konnte sie nicht dingfest machen.
gh/mhg

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Blick 22.6.10

Berner Polizist klaut 120 000 Euro

Das Geld lag in gesicherten Räumen der Kantonspolizei. War der Dieb im Dienst?

Die Euro-Scheine waren bei Ermittlungen sichergestellt und auf einem Polizeiposten der Stadt Bern aufbewahrt worden. Jetzt sind sie weg. Bargeld im Wert von über 160 000 Franken.

"Dieser Fall ist ein starkes Stück", findet Untersuchungsrichter Thomas Perler. "Ich gehe von Diebstahl aus." Denn Zugang zu dem Geld hätten nur "interne Personen" gehabt. Es lag zwar nicht in einem Tresor, aber in "mehrfach gesicherten Räumlichkeiten", so Perler.

Die Kantonspolizei Bern hat inzwischen Anzeige gegen Unbekannt erstattet.

Untersuchungsrichter Perler steht jetzt vor einer happigen Aufgabe. Denn:"Wenn man gegen Polizisten ermittelt, ist das viel schwieriger als bei normalen Tätern. Weil Polizisten vom Fach sind und sich dementsprechend auskennen."

Zürcher Beamte ermitteln gegen Berner Kollegen

Perler sagt auch, dass es immer heikel sei, wenn Polizisten gegen eigene Leute ermitteln müssen. "Deshalb haben wir die Kantonspolizei Zürich hinzugezogen. So umgehen wir mögliche Befangenheitsprobleme."

Anna Vonhoff

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POLICE FR
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augenauf.ch 23.6.10

augenauf Bern
Quartiergasse 17
3013 Bern
bern@augenauf.ch
PC 46-186462-9

Bern, den 23. Juni 2010

Medienmitteilung von augenauf Bern

Aufsichtsbeschwerde bezüglich der polizeilichen Massnahmen anlässlich der Demonstration gegen Polizeigewalt am 12. Juni 2010 in Freiburg

Heute Mittwoch, den 23. Juni 2010, hat der Menschenrechtsverein augenauf Bern bei der Freiburger Justiz- und Polizeidirektion eine Aufsichtsbeschwerde eingereicht (siehe Anhang). augenauf Bern fordert darin eine eingehende Untersuchung des polizeilichen Handelns anlässlich der Demonstration gegen Polizeigewalt am 12. Juni 2010. Anlass für diese Aufsichtsbeschwerde haben diverse Berichte von Betroffenen und AugenzeugInnen gegeben, welche sich über das polizeiliche Handeln während und nach der oben genannten Demonstration teilweise massiv beschwert haben. augenauf Bern fordert aufgrund dieser Berichte von der Freiburger Justizund Polizeidirektion eine eingehende Untersuchung der in der Aufsichtsbeschwerde genannten Punkte.

Rechte der Festgenommenen beschnitten

Die Aufsichtsbeschwerde basiert auf Gedankenprotokollen von festgenommen Personen oder von Leuten, welche Festnahmen oder anderweitiges polizeiliches Handeln beobachtet haben. Aus den Berichten geht hervor, dass die Polizei verschiedentlich mit unverhältnismässiger Härte gegen Personen vorgegangen sei und teilweise die Rechte der Festgenommenen nicht bzw. zu wenig beachtet habe: So hätten sich PolizistInnen verschiedentlich geweigert ihre Namen zu nennen oder die Festgenommenen über ihre Rechte aufzuklären. Als besonders schwerwiegend sind Fälle von erfolgten DNA-Entnahmen anzusehen, welche trotz fehlender rechtlicher Grundlage unter Zwang durchgeführt worden sind. Des Weiteren erscheint die Dauer der Festnahmen als ausgesprochen lange (bis zu 24 Stunden) und lässt sich anhand der augenauf Bern vorliegenden Berichte nicht begründen. Insgesamt lassen sich grosse Unterschiede in der Behandlung von Festgenommenen feststellen, welche sich durch die Berichte ebenfalls nicht erklären lassen. Die ausführliche Auflistung der Punkte finden Sie in der angehängten Aufsichtsbeschwerde.

Grundrechte beachten

augenauf Bern hofft mit dieser Eingabe den verantwortlichen Parteien verstärkt ins Bewusstsein zu rufen, wie eminent wichtig es ist, dass die mit der Ausübung des staatlichen Gewaltmonopols betrauten Personen ihre Macht und ihre Kompetenzen nicht missbrauchen. Es scheint augenauf Bern dringend notwendig, mittels einer stärkeren Kontrolle und Überwachung der Polizeitätigkeiten, den Grundrechten Nachachtung zu verschaffen, insbesondere in einem Kanton wie Freiburg, welcher nach eigenen Angaben der Einhaltung der Grundrechte eine zentrale Bedeutung beimisst (siehe: http://admin.fr.ch/ww/de/pub/).

Für weitere Fragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung

augenauf Bern
Kontakt: Nicholas Pohl 077 456 53 59


augenauf ist eine nichtstaatliche, unabhängige Menschenrechtsorganisation, die Betroffene von behördlichen Übergriffen, Diskriminierungen und Menschenrechts- oder Grundrechtsverletzungen unterstützt und entsprechende Öffentlichkeitsarbeit leistet. augenauf setzt sich aus lokalen Gruppen in Basel, Bern und Zürich zusammen, die ausschliesslich über Mitgliederbeiträge und Spenden finanziert werden. augenauf Bern besteht aus 20 ehrenamtlichen MitarbeiterInnen.

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augenauf Bern
Quartiergasse 17
3013 Bern
bern@augenauf.ch

Sicherheits- und Justizdirektion
zuhanden des Direktionsvorstehers Erwin Jutzet
Reichengasse 27
1700 Freiburg

Bern, den 22. Juni 2010

Einschreiben: Aufsichtsbeschwerde

Antrag auf Untersuchung des polizeilichen Handelns anlässlich der Demonstration gegen Polizeigewalt am 12.06.2010 in Freiburg

Sehr geehrter Herr Jutzet

Der Menschenrechtsverein augenauf Bern hat zahlreiche Berichte von Betroffenen und ZeugInnen erhalten, die sich über das polizeiliche Handeln während und nach der Demonstration gegen Polizeigewalt am 12.06.2010 teilweise massiv beschwert haben. Aufgrund dieser Berichte erachten wir es als dringend notwendig, dass das polizeiliche Handeln anlässlich der oben genannten Kundgebung einer eingehenden Untersuchung unterzogen wird.

Wir bitten Sie höflich, folgende Punkte einer eingehenden Prüfung zu unterziehen:

1. Einsatz von Gummigeschossen: Die DemonstrantInnen legten dar, dass vor dem Zentralgefängnis der Einsatz von Gummigeschossen ohne Vorwarnung erfolgt sei.
Wie wird ein solcher Einsatz von Gummischgeschossen ohne vorgängige Kommunikation seitens der Polizei begründet? Warum wurde die sich vor Ort befindende Kontaktperson zu keinem Zeitpunkt von der Polizei kontaktiert? Wurden deeskalative Strategien in Betracht gezogen? Weshalb wurden keine angewendet?

2. Informationspflicht: Einigen der uns zugesendeten Berichte ist zu entnehmen, dass ein Teil der PolizistInnen sich geweigert habe, ihren Namen oder ihre Dienstnummer anzugeben. Weiter wurden einige Betroffene erst nach mehr als sieben Stunden Polizeigewahrsam über den Grund ihrer Festnahme informiert.
Welche Konsequenzen werden aus dem mehrfach gemeldeten Umstand gezogen, dass sich einige PolizistInnen auch nach wiederholter Nachfrage weigerten, ihren Namen oder ihre Dienstnummer anzugeben, sowie die betroffenen Personen über den Grund ihrer Festnahme zu informieren? Sind die im Einsatz stehenden Polizeikräfte in genügendem Masse über ihre Informationspflicht unterrichtet? Was gedenken Sie zu tun, damit die Polizeikräfte ihre Dienstnummer in Zukunft konsequent offen tragen?

3. Festnahmen: Aus den Berichten geht hervor, dass an verschiedenen Orten Personen festgenommen wurden. Auch noch eine Stunde nach Ende der Demonstration seien in Restaurants oder am Bahnhof Personen ausgesucht und festgenommen worden.
Wie lautet die Begründung für diese Handlung der Polizei? Nach welchen Kriterien wurden die festgenommenen Personen am Bahnhof oder in Restaurants ausgesucht? Hat die Polizei bewusst in Kauf genommen, dass unbeteiligte Personen festgenommen werden?

4. Gewaltanwendung und -androhung: augenauf Bern sind einige Fälle von unverhältnismässiger Gewaltanwendung bzw. -androhung bei Festnahmen bekannt. Eine Person, welche bei ihrer Festnahme keinen Widerstand geleistet habe, wurde während der Festnahme von zwei Polizisten zu Boden gedrückt. Ein weiterer Polizist habe anschliessend seinen Schuh auf den am Boden liegenden Kopf der festgenommenen Person gedrückt. Weiter sind augenauf Bern diverse Fälle bekannt, in denen PolizistInnen bei Festnahmen aus nächster Nähe (zwischen 1m - 5m) Mehrzweckwerfer auf die angehaltenen Personen gerichtet hatten.
Wie begründet die Polizei derartige Festnahmen? Weshalb droht die Polizei auf derart kurze Distanz mit dem Einsatz von Mehrzweckwerfern? Ist die verschiedentlich gemeldete unverhältnismässige polizeiliche Gewaltanwendung bei den Festnahmen Gegenstand weiterer Untersuchungen? augenauf Bern hält eine Überprüfung der laufenden Untersuchungen in diesen Fällen und ggf. die Information der Öffentlichkeit über den Kenntnisstand und die zu ziehenden Konsequenzen für unbedingt notwendig.

5. Festhaltebedingungen: Aus den Berichten ist zu entnehmen, dass die Festhaltebedingungen sehr unterschiedlich waren. Mehrere Personen erklärten, dass ihnen der Zugang zu Wasser und Toiletten erst 2-3 Stunden nach der Nachfrage gewährt worden sei. Dass bei diesen Personen Wasserflaschen gut sichtbar, jedoch ausserhalb der Gitterzelle (d.h. ausser Reichweite) deponiert worden seien, kann nur als Schikane gewertet werden. Des Weiteren seien Festgehaltene erst nach über sieben Stunden Polizeigewahrsam mit Nahrung versorgt worden.
Wie werden derartige Festhaltebedingungen begründet?

6. Dauer der Festnahmen: augenauf Bern kritisiert die lange Dauer der Festnahmen. Der Polizeigewahrsam sollte immer im Rahmen der Verhältnismässigkeit stattfinden. Nach Angaben von Betroffenen fanden am Sonntag, dem 13. Juni 2010, kaum Verhöre mehr statt. Laut den Betroffenen wurden sie während der letzten sechs Stunden des Polizeigewahrsams lediglich mehrfach gefragt, ob sie nicht doch eine Aussage machen möchten. Antworteten jene mit nein, so seien Äusserungen wie "Schade für Sie" gefallen. Die Wahrnehmung persönlicher Rechte sollte jedoch kein Grund für eine verlängerte Haftdauer sein.
Nach Berichten von Betroffenen war die Mehrzahl der in der Nacht von Samstag auf Sonntag freigelassenen Personen weiblich. Folglich befanden sich am Sonntag fast ausschliesslich Männer in Polizeigewahrsam. Die Personen, welche in der Nacht entlassen wurden, seien von der Polizei nur bis an den Bahnhof Freiburg gebracht worden, obwohl ihr Wohnsitz teilweise ausserhalb des Kantons Freiburg liegt und zu jener Zeit keine Züge mehr verkehrten.
Wie wird die lange Dauer der Festnahmen erklärt? Wie wird die unterschiedliche Dauer der Festnahme (insbesondere die geschlechtsspezifischen Unterschiede) begründet? Hätte es vermieden werden können, Personen erst kurz nach der Abfahrt der letzten Züge frei zu lassen? Falls nicht, gibt es Richtlinien, die regeln, inwieweit die Polizei dazu verpflichtet ist, für die Heimkehr solcher Personen Sorge zu tragen?

7. Erkennungsdienstliche Massnahmen: augenauf Bern sind diverse Fälle bekannt, in denen erkennungsdienstliche Massnahmen getroffen wurden. Dies beinhaltete die Erstellung von Fotografien (Portrait und/oder Ganzkörperbilder), aber auch die Entnahme von Finger- und Handballenabdrücken sowie in mehreren Fällen die Entnahme von DNA-Proben mittels Wangenabstrich. Insbesondere bei den DNA-Entnahmen ergibt sich bei der Handhabung kein einheitliches Bild. Die Polizei ist von Gesetzes wegen dazu verpflichtet, Betroffene von DNAEntnahmen über ihre Rechte zu informieren. Diese beinhalten unter anderem das Rekursrecht, welches - falls wahrgenommen - eine untersuchungsrichterliche Verfügung für eine DNAEntnahme nötig macht. Nur ein Teil der Betroffenen wurde jedoch über dieses Recht informiert. Einzelnen Personen, welche von diesem Recht Gebrauch machten, wurde die DNA anschliessend nicht entnommen. Anderen wiederum wurde dieses Recht verwehrt und die DNA teilweise unter Zwang bzw. unter Androhung von Zwang entnommen. Bei den weiteren erkennungsdienstlichen Massnahmen besteht im Kanton Freiburg ebenfalls ein Rekursrecht. Die Bestätigung der Anordnung muss in jenen Fällen durch einen Offizier der Polizei erfolgen. Die PolizistInnen haben sich gemäss den Berichten, wie bereits in Punkt eins erwähnt, in mehreren Fällen auch auf Nachfrage nicht ausgewiesen. Die Rechtmässigkeit dieser Massnahmen müsste demnach ebenfalls in Frage gestellt werden, da für die Betroffenen nicht ersichtlich war, ob die Anordnung tatsächlich durch einen Polizeioffizier erfolgte.
Wie kommt es, dass sich die Polizei nicht an die rechtsmässigen Abläufe hält und trotz Rekursen ohne untersuchungsrichterliche Verfügungen DNA Entnahmen unter Zwang bzw. unter Androhung von Zwang durchführt? Aufgrund welcher Kriterien wurde Rekursen stattgegeben? Wurden Rekurse an den Untersuchungsrichter bzw. Polizeioffizier weitergeleitet? Werden Polizeiangehörige genügend über ihre Informationspflicht bezüglich der Rechte der Angeschuldigten aufgeklärt? Wie werden solche rechtswidrig entnommenen Proben weiterverwendet?

8. Entkleidung: Auch bei den Entkleidungen lässt sich kein klares Muster erkennen. Einige Personen mussten sich nackt ausziehen, andere bis auf die Unterhosen und die restlichen nur teilweise oder gar nicht. Desweiteren mussten sich einzelne Leute mehrfach ausziehen (bei der Ingewahrsamnahme sowie beim Betreten der Einzelzelle für die Übernachtung).
Nach welchen Kriterien wurden die Personen ausgewählt, die sich (vollständig) ausziehen mussten? Wie wird diese Massnahme begründet?

augenauf Bern hofft mit dieser Eingabe den verantwortlichen Parteien verstärkt ins Bewusstsein zu rufen, wie eminent wichtig es ist, dass die mit der Ausübung des staatlichen Gewaltmonopols betrauten Personen ihre Macht und ihre Kompetenzen nicht missbrauchen. Es scheint augenauf Bern dringend notwendig, mittels einer stärkeren Kontrolle und Überwachung der Polizeitätigkeiten, den Grundrechten Nachachtung zu verschaffen, insbesondere auch in einem Kanton wie Freiburg, welcher der Einhaltung der Grundrechte eine zentrale Bedeutung beimisst (siehe: http://admin.fr.ch/ww/de/pub/).
Wir möchten Ihnen im Voraus für die seriöse Prüfung unserer Anliegen danken und sehen Ihrer Antwort mit Interesse entgegen. Selbstverständlich stehen wir Ihnen gerne für weitere Auskünfte und Rückfragen zur Verfügung.

Hochachtungsvoll

augenauf Bern

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POLICE ZH
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Blick am Abend 22.6.10

"Ein Neger mit Gewehr"

 ÜBERREAGIERT?

 Ein WK-Soldat zeigt einem schwarzen Freund seine Waff e: Grosseinsatz der Stadtpolizei!

 reda.elarbi@ringier.ch

 Ich hab den Neger im Visier!", schreit der Zürcher Stadtpolizist seinen Kollegen zu. Dann geht alles ganz schnell. Die Polizisten reissen den 24-jährigen Koch Khamas K. vom Rücksitz des BMWs. Auch die drei anderen Männer im Auto, zwei Schweizer WK-Soldaten und ein Südafrikaner, müssen auf die Strasse knien. Die Polizisten reagierten auf einen Anruf über "zwei Schwarze", die vor der Bar "Vierter Akt" im Kreis 5 "mit einem Sturmgewehr hantieren", wie "Blick" heute berichtet.

 Der WK-Soldat Marco M. hatte Khamas K. und seinem südafrikanischen Freund sein ungeladenes Armee-Sturmgewehr 90 gezeigt. Der Koch nahm die Waffe kurz in die Hand und gab sie wieder zurück. Die Stapo rückte mit rund 20 Polizisten und schwerer Bewaff nung aus. Die Beamten schreien auf die mit Handschellen gefesselten und auf der Strasse knienden Männer ein - auch als bereits klar ist, dass es sich um einen Fehlalarm handelt. K. fragt die Beamten, was den los sei. "Sei ruhig, sonst verpass ich dir eine!", gibt ein Polizist zur Antwort. Die vier Männer werden aufs Revier gebracht und verbringen drei Stunden in Einzelzellen, während sie Fragen der Militärpolizei beantworten. Danach dürfen sie wieder gehen.

 "Der Einsatz war gerechtfertigt, die Beamten mussten auf die Meldung reagieren", sagt Stapo-Sprecherin Brigitte Vogt. Ob das Wort "Neger" gefallen sei, will sie nicht dementieren. "Wir klären das ab. Sollte das wirklich wahr sein, wird mit dem Beamten ein Gespräch geführt."

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Blick 22.6.10

Polizei verhaftet "Neger mit Sturmgewehr"

Von Lorenz Honegger

Ein WK-Soldat zeigt einem schwarzen Freund seine Armeewaffe. Grund genug für die Stadtpolizei Zürich, eine halbe Anti-Terror-Einheit zu mobilisieren.

Die Augen des Polizisten sind weit aufgerissen, seine Hände zittern. "Ich habe den Neger im Visier!", ruft er den Kollegen im Streifenwagen zu. Es ist Freitag, 21 Uhr.

Der Koch Khamas K.* (24) sitzt in einem BMW auf dem Rücksitz und versteht die Welt nicht mehr: Gerade noch trank er mit seinen Kollegen friedlich ein Bier, jetzt schaut er in den Lauf eines Maschinengewehrs. Neben ihm sind noch drei Männer im Auto: Zwei WK-Soldaten in Uniform und ein Südafrikaner. Soldat Marco M.* (30) aus dem Toggenburg sitzt am Steuer.

Die Situation könnte jeden Moment eskalieren. Ein Anrufer hat der Einsatzzentrale gemeldet, dass "zwei Schwarze beim Escher-Wyss-Platz mit einem Gewehr hantieren", in einem BMW mit St. Galler Kennzeichen. Gemeint sind der Angolaner K. und sein südafrikanischer Kollege.

Später realisiert Khamas K., warum der Anrufer in Panik geraten war: Nachdem er und seine Freunde die Bar "Vierter Akt" verlassen hatten, fuhren sie zu viert Richtung Glattbrugg. Im Auto zeigte einer der Soldaten Khamas K. sein Sturmgewehr 90. Der Koch nahm die ungeladene Waffe kurz in die Hand, dann reichte er sie wieder zurück.

Inzwischen haben die Polizisten K. und seine drei Freunde aus dem BMW gezerrt. In Handschellen knien sie auf dem Asphalt der Wipkinger Brücke. Fahrer Marco M. zu BLICK: "Wir durften 45 Minuten lang keinen Wank machen."

Die gut 20 Polizisten schreien die Männer auch dann noch an, als klar ist, dass der Notruf eine Fehlmeldung war. K. fragt einen Beamten, was denn los sei. Die Antwort: "Sei ruhig, Neger, sonst verpass ich dir eine!" Alle vier werden aufs Revier gebracht und in Einerzellen gesteckt, auch die Militärpolizei taucht auf. Nach drei Stunden dürfen sie gehen.

Marco M. ist immer noch stinksauer: "Diese Polizisten verbringen eindeutig zu viel Zeit mit Computer-Spielen." Er habe Todesangst gehabt. "Was wäre passiert, wenn einer von ihnen plötzlich durchgedreht wäre?"

Stapo-Sprecherin Brigitte Vogt rechtfertigt den Einsatz so: "Die Polizisten haben aufgrund der eingegangenen Meldung korrekt gehandelt." Dass während des Einsatzes wiederholt das Wort Neger gefallen sein soll, schliesst Vogt nicht aus. "Es wird abgeklärt, ob dieses Wort tatsächlich gefallen ist." Falls ja, werde mit dem Polizisten "ein Gespräch geführt".

*Name der Redaktion bekannt

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VELORUTION LU
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20 Minuten 23.6.10

Velo-Demo: SVP will Antworten

 LUZERN. Eine unbewilligte Demonstration sorgte am 5. Juni in der Luzerner Innenstadt für Aufregung: Etliche Aktivisten gingen mit ihrem Velo zeitgleich auf die Strasse und brachten so den Verkehr zum Erliegen.

 Nun gelangt SVP-Kantonsrat Daniel Keller mit einer dringlichen Anfrage an die Regierung. Er will wissen, wieso die Polizei nicht eingriff, als Demonstranten Autotüren eintraten, Cabriofahrer mit Wasserballons bewarfen und es zu weiteren Sachbeschädigungen kam.

 Auch verlangt Keller Aufklärung darüber, welche Massnahmen die Luzerner Polizei plant, um künftig schneller auf solche unbewilligten Demonstrationen reagieren zu können. Greife die Polizei nicht bald konsequent durch, drohe Luzern zum rechtsfreien Raum für Demonstranten und Chaoten aller Art zu werden, befürchtet der Politiker.  MGI

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AUSSCHAFFUNGSKNAST BS
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Basler Zeitung 22.6.10

Fall Bässlergut hat Folgen

 Aufseher werden im Umgang mit Jugendlichen geschult

 Markus Prazeller

 Das Basler Ausschaffungsgefängnis ist nur ungenügend für die Unterbringung von Minderjährigen ausgerüstet. Die Behörden geben Fehler zu.

 Der Bericht der Geschäftsprüfungskommission (GPK) wirft kein gutes Licht auf das Haftregime im Basler Ausschaffungsgefängnis Bässlergut. Vor allem im Umgang mit minderjährigen Häftlingen mangelt es an Fachwissen und verbindlichen Richtlinien. Auch der Austausch mit anderen Ämtern ist ungenügend.

 Anlass für die Untersuchungen war der Fall eines 17-jährigen Ausschaffungshäftlinges aus Tunesien: Die BaZ berichtete im März, dass der Jugendliche eine Nacht nackt auf dem Boden seiner Zelle verbringen musste, weil er drohte, sich zu strangulieren. Politiker und Experten bezeichneten das Vorgehen als "unrechtmässig und entwürdigend". Regierungsrat Hanspeter Gass (FDP) erliess einen vorübergehenden Haftstopp für minderjährige Ausschaffungshäftlinge.

 Die "erfreulich selbstkritische Untersuchung" des Justiz- und Sicherheitsdepartements bildete auch die Grundlage für die Arbeit der GPK, wie Grossrätin Andrea Bollinger (SP) sagt. Das renitente Verhalten des Jugendlichen habe die Behörden "an ihre Grenzen gebracht". So wurde es beispielsweise unterlassen, frühzeitig medizinische Hilfe aufzubieten. Auch der rechtliche Beistand des Minderjährigen wurde nicht über die Massnahmen informiert. Noch unbeantwortet ist die Frage nach der Rechtmässigkeit der Massnahme gegen den Minderjährigen. Die Ombudsstelle führt dazu eine Untersuchung durch.

 Das JSD nimmt die aufgedeckten Mängel zum Anlass, die internen Verfahren anzupassen, sagt Sprecher Klaus Mannhart. Die Mitarbeiter des Bässlerguts werden im Umgang mit jugendlichen Häftlingen geschult.

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SANS-PAPIERS
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attac.ch 23.6.10

Freiheit. Gleichheit. Würde. Für mich und dich.
DEMO 26.6.2010 14.30 Uhr BERN. BEGINN WAISENHAUSPLATZ. SCHLUSSKUNDGEBUNG BUNDESPLATZ.

Seit Jahren wird die Schweiz vergiftet durch reaktionäre Kampagnen. Unter dem Vorwand, "Missbrauch" zu verhindern, hebeln sie grundlegende Rechte aus. So hat die "Bekämpfung des Asylmissbrauchs" dazu geführt, dass immer mehr Asylsuchende illegalisiert werden und unter dem menschenunwürdigen Nothilfesystem leben müssen. Die "Bekämpfung des Sozialmissbrauchs" lässt derzeit einen absurden Kontrollapparat von Sozialdetektiven entstehen, der Arme und Behinderte unter Betrugsverdacht stellt. Die Finanzkrise wird auf dem Buckel der Arbeitslosen ausgetragen. Bürgerliche Politiker treiben den Sozialabbau unerbittlich voran. Dies fällt ihnen umso leichter, als zuerst und am stärksten noch immer die MigrantInnen von der Arbeitslosigkeit betroffen sind. Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Ausgrenzung sind salonfähig geworden in der Schweiz. Auch wenn die millionenschweren Kampagnen von SVP und Co. oft nicht zu Mehrheiten an der Urne führen, haben sie dennoch Erfolg: Unter dem Vorwand, die Ängste in der Bevölkerung aufzugreifen, passen sich der Bundesrat und die Parlamentsmehrheit vorauseilend allen Forderungen an. Dem Misstrauen und der Sündenbockpolitik setzen wir den solidarischen Kampf entgegen für politische und soziale Grundrechte für alle.

Wir sagen:
Ja zur Regularisierung von Sans-Papiers. Flüchtlinge brauchen Schutz, nicht Abschreckung. Kein Mensch ist illegal. Zwangsausschaffungen sind unmenschlich.
Ja zum Recht auf Ehe auch für Menschen, die keine Papiere haben. Liebe kennt keine Grenzen.
Ja zum Einsatz für Menschenwürde und Menschenrechte. Unterstützungsgruppen von und für Menschen, die ausgegrenzt werden, dürfen nicht kriminalisiert werden.
Ja zur Sozialhilfe für alle, die sie benötigen. Die Nothilfe muss in Sozialhilfe umgewandelt werden und ein menschenwürdiges Leben ermöglichen. Die Arbeitslosenversicherung muss in der Krise aus- und nicht abgebaut werden.
Nein zur Ausschaffungsinitiative und zum Gegenvorschlag. Ein liberales Strafrecht gilt für alle gleich. Wir finden uns nicht damit ab, dass Ausgrenzung normal wird. Den zunehmenden Rassismus in unseren Gesetzen und im Alltag akzeptieren wir nicht.

Wir fordern:
Solidarität, gleiche Rechte und Mitbestimmung für alle statt Zwangsintegration. Demokratie kann es ohne Grundrechte nicht geben. Sie sind Fundament einer offenen Gesellschaft mit Zukunft. Sie gelten für alle. Oder gar nicht. Darum stehen wir ein für Freiheit. Gleichheit. Würde. Für mich und dich.

Flugblätter, Plackate und weitere Infos: http://www.sosf.ch

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bleiberecht.ch 23.6.10

Bleibeführer Zürich - der etwas andere Reiseführer

Der Bleibeführer enthält Informationen über Zürich für alle, die hier bleiben wollen: Wo kann man deutsch lernen? Wo trifft man Leute? Wo gibt es gratis Internet? Mit wem kann man um Rechte kämpfen? Die Atelier-Gruppe der Autonomen Schule Zürich teilt im Bleibeführer ihr Wissen über die Stadt mit anderen Flüchtlingen und Bewohner_innen von Zürich.

Am vergangenen Donnerstag wurde der Bleibeführer der Öffentlichkeit vorgestellt - nun kann er für 20 Franken einschliesslich Versandkosten (Schweiz) bzw. 25 Franken oder 19 Euro (übriges Europa) bestellt werden. Das beste dabei: Mit der Bestellung finanzieren Sie weitere kostenlose Exemplare für illegalisierte Menschen!

Zum Bestellformular
http://www.papierlosezeitung.ch/bleibefuehrer

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SANS-PAPIERS BRD
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La Liberté 22.6.10

Sans-papiers en allemagne.

 Les "tolérés" cherchent du boulot

 Non expulsables d'Allemagne jusqu'en 2011, "tolérés", les étrangers sans papiers s'estiment piégés par un statut temporaire qui les gêne pour décrocher un emploi, précieux sésame pour la régularisation.

Nathalie Versieux, Berlin

 La Turmstrasse dans le quartier populaire de Tiergarten, à Berlin, est toujours grouillante de monde. C'est là que se loge Jeunesse sans frontières, une initiative créée par de jeunes sans papiers soutenus par différentes associations humanitaires. Quelques tables, un téléphone, un ordinateur... Les moyens sont limités. Mohamed et Khaled, la vingtaine, animent l'antenne berlinoise de Jeunesse sans frontières, qui réclame la régularisation des sans-papiers de longue durée, au moins 110 000 personnes.

 Pendant des années, Mohamed et Khaled ont fait partie, avec leur famille, de ces sans-papiers non expulsables et interdits de travailler officiellement: on les appelle les "tolérés". A Brême début décembre, les Länder, compétents en la matière, ont décidé de prolonger de deux ans le permis de séjour temporaire accordé à la fin 2007 à ceux d'entre eux qui cherchent activement un emploi. Depuis le début de l'année donc, les personnes "tolérées" ont deux ans pour trouver un travail et demander dans la foulée un permis de séjour en bonne et due forme. Sinon, ils redeviendront expulsables... Le but est de limiter la présence d'étrangers vivant d'aide sociale.

 Dans une impasse

 Le statut de "toléré", qui concerne tous ceux n'ayant pas encore trouvé de travail stable, interdit de se déplacer librement d'un Land à l'autre à l'intérieur de l'Allemagne, pas même pour rendre visite à la famille, à moins de demander une autorisation.

 Mohamed et Khaled ne se souviennent plus trop de leur vie d'avant, celle qui s'est déroulée loin de l'Allemagne. Mohamed a 24 ans. Il est arrivé avec sa famille à Berlin voici onze ans, fuyant le Liban. En Allemagne, le père de Mohamed demande l'asile politique. Après cinq années de procédure, sa demande est finalement rejetée. "Mais nous n'avons plus de papiers d'identité, et l'ambassade du Liban refuse de nous fournir un passeport", explique le jeune homme. Non expulsable, la famille vit depuis de prolongation en prolongation de son statut de "personnes tolérées", bénéficiant de l'aide sociale.

 Régularisation en 2007

 Pour la famille de Mohamed, les choses ont commencé à s'arranger voici deux ans. Les autorités allemandes décident en effet, fin 2007, de s'attaquer au problème des sans-papiers non expulsables et accordent à 38 000 personnes vivant en Allemagne depuis plus de huit ans un permis de séjour provisoire de deux ans. Les adultes, interdits jusque-là de chercher un emploi, ont reçu un permis de travail. Les jeunes, qui devaient quitter le système scolaire à la fin du secondaire, sont désormais autorisés à entamer des études supérieures ou à suivre une formation professionnelle.

 Le père de Mohamed ouvre alors un commerce de voitures d'occasion, et le jeune homme entame une formation d'infirmier. Son employeur, les Hôpitaux de Berlin, lui a promis un contrat à durée indéterminée à la fin de sa formation, ce printemps. Mohamed obtiendra alors un permis de séjour. "Pour moi tout va bien, mais il n'en est pas de même pour ma famille, explique-t-il. Le commerce de mon père a périclité avec la crise, et mes parents touchent de nouveau l'aide sociale. Ma mère est "tolérée" pour quatre mois encore, mon frère pour deux ans, mon autre frère un an, tout comme ma plus jeune sœur, qui est née en Allemagne." C'est pour eux que Mohamed continue à se battre.

 Aide sociale obligatoire

 Avec son ami Khaled, il se rend inlassablement dans les écoles et cherche à sensibiliser l'opinion au sort des sans-papiers. "On nous dit que nous sommes fainéants, ou bien qu'on prend le travail des Allemands... Les Allemands ne savent pas que nombre d'étrangers n'ont pas le droit de travailler, et que ceux qui ont le droit de le faire peuvent être expulsés s'ils perdent leur emploi!", s'énerve Khaled. Tout juste âgé de 22 ans, il a, lui aussi, presque achevé la formation d'infirmier qui lui permettra d'obtenir un permis de séjour illimité.

 Khaled est arrivé en Allemagne à 14 ans, avec sa famille, des Kurdes de Syrie. Son père est apatride et Khaled n'est enregistré sur aucun registre d'état civil en Syrie. "Quand on est sans papiers, on est obligé de vivre de l'aide de l'Etat. Mais ce n'est pas ce que nous voulons", explique-t-il. Depuis leur petit bureau de la Turmstrasse, les deux garçons préparent des tracts et des réunions aux quatre coins de l'Allemagne. Jeunesse sans frontières possède des antennes à Munich et à Karlsruhe (en Saxe et en Hesse), et se mobilise dès qu'un jeune sans papiers menacé d'expulsion bascule dans la clandestinité. © Libération

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 "Le prix de la naturalisation est un véritable handicap"

 Propos recueillis par Nathalie Versieux

 Volker Beck, 50 ans, député au Bundestag, est chargé des questions des droits de l'homme chez les Verts. Il a été l'un des négociateurs de la loi sur l'immigration du temps du gouvernement Schröder. Entretien.

 Avec 7,2 millions de personnes à la fin 2008, l'Allemagne est le pays de l'Union européenne qui compte le plus d'étrangers. Qui sont-ils ?

 Volker Beck: Le premier groupe est constitué des Turcs, qui représentent un quart des étrangers vivant en Allemagne, suivis des personnes venant de l'ex-Yougoslavie (13,6%), puis de l'ex-Union soviétique - à l'exception des pays baltes - (7%). Le reste sont des gens qui viennent de l'Union européenne.

 L'Allemagne est de facto devenue une terre d'immigration. Quand les autorités ont-elles reconnu cette réalité?

 Il y a quelques décennies, l'Allemagne était effectivement une terre d'immigration avec l'arrivée des Italiens, des Espagnols, des Turcs, du temps du miracle économique. Aujourd'hui, avec la crise, les flux se sont taris. Mais au cours des trois dernières décennies, on a continué à accueillir de nombreux étrangers au titre du regroupement familial. Au niveau politique, on n'a pas voulu accepter ce fait jusqu'aux négociations entamées en 2001 entre le SPD (Parti social-démocrate) et les Verts, qui ont débouché sur la loi sur l'immigration de 2004. Avec trente ans de retard, on a écrit le mot "intégration" dans une loi!

 Pourquoi un tel retard?

 Du temps de Helmut Kohl, puis du premier gouvernement Schröder, on a ignoré le problème. Jusqu'à ce qu'on s'aperçoive que l'Allemagne souffrait d'une pénurie de main-d'œuvre qualifiée, d'informaticiens en particulier.

 Depuis 2000, il est plus facile pour un étranger d'obtenir la nationalité allemande. Pourtant, peu nombreux sont ceux qui franchissent le pas. Pourquoi?

 Je pense que nous avons déjà épuisé le potentiel de personnes intéressées par la naturalisation. La loi a simplifié la procédure, c'est vrai, mais il reste deux obstacles de taille: le coût élevé de la naturalisation (255 euros pour un adulte), qui est un véritable handicap pour les familles nombreuses. Et le niveau élevé de langue exigé à l'attribution de la nationalité allemande. Pour les immigrés de la première génération, qui n'ont souvent pas été à l'école, et leur conjoint, c'est presque impossible de décrocher le diplôme exigé. Pour les plus jeunes, il est difficile de renoncer à la nationalité de son père et de son grand-père, puisqu'il faut choisir entre la nationalité allemande et celle d'origine.

 Pourquoi le Gouvernement allemand a-t-il mis tant de temps à s'occuper des sans-papiers, qui depuis décembre dernier seulement bénéficient d'un permis de séjour provisoire de deux ans pour trouver du travail?

 C'est un problème complexe, car se présentent toujours de nouveaux groupes, en fonction de l'évolution politique dans leurs pays d'origine. La plupart des "tolérés" sont des personnes déboutées du droit d'asile mais qu'on ne peut renvoyer en raison de la situation dans leur pays d'origine: Irakiens, Afghans, Libanais... Le problème de la loi actuelle est que l'attribution d'un permis de séjour définitif est liée à la situation professionnelle: si un étranger travaille au moment où il dépose une demande de permis de séjour, elle sera acceptée. S'il ne travaille plus depuis quelques jours, sa demande sera refusée. Et s'il retrouve du travail quelques semaines plus tard, cela ne permettra pas de revoir son dossier. Toutes ces tracasseries sont une façon déguisée de chercher à renvoyer les gens chez eux... © Libération

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ZWISCHENGESCHLECHT
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zwischengeschlecht.info 22.6.10

23.6. - Zwitter-Genitalverstümmelung: Ethikrat gefordert

zwischengeschlecht.org
Menschenrechte auch für Zwitter!

P R E S S E M I T T E I L U N G

presse@zwischengeschlecht.info
+41 (0)76 398 06 50


Gemäss einer aktuellen Recherche bieten allein in Baden-Württemberg mindestens 9 Kliniken öffentlich kosmetische Genitaloperationen an für Kinder mit "zu grosser Klitoris" oder anderweitig "auffälligen" inneren und/oder äusseren "Geschlechtsorganen".

Die Mediziner reden von "korrigierenden und angleichenden Eingriffen". Die Überlebenden nennen es Genitalverstümmelung, genitale Zwangsoperation, Zwangskastration und medizinische Folter.

Das kosmetisch-chirurgische Angebot umfasst "Klitorisverkleinerungen", "Peniskorrekturen", "Anlegen einer Neovagina", Kastrationen, Gebärmutterentfernungen, usw. usf.

Solche verstümmelnden Eingriffe werden weltweit vermarktet unter Dutzenden von verschiedenen "Diagnosen" wie etwa "Hypospadie", "Epispadie", "AGS/CAH", "AIS", "Pseudohermaphroditismus", "Inters*xualität", "Disorders of S*x Development (DSD)", "Swyer", "Turner", etc.

Die Eingriffe erfolgen seit Jahrzehnten als unkontrollierte Menschenexperimente ohne ethische Überwachung. Die behauptete Wirksamkeit wurde bisher nie klinisch bewiesen. Die einschlägigen AMWF-Leitlinien stehen seit  Beginn der Erfassung der Entwicklungsstufen unverändert auf der niedrigsten Evidenzstufe 1.

Nebst von den Überlebenden werden die Zwangseingriffe seit 1997 auch von namhaften KulturwissenschafterInnen, BioethikerInnen und JuristInnen öffentlich angeprangert. Seit 2004 prangern Frauen- und Menschenrechtsorganisationen wie Terre des Femmes und Amnesty International die Eingriffe an als schwere Menschenrechtsverletzung und ziehen Parallelen zwischen den Genitalverstümmelungen in westlichen Kinderkliniken und den weiblichen Genitaverstümmelungen in Afrika.

Seit 14 Jahren klagen zwangsoperierte Zwitter die Genitalverstümmelungen öffentlich an und fordern die Medizyner zum Aufhören und die Politik zum Handeln auf - vergeblich. Die Bundesregierung gab zu Protokoll, von unzufriedenen Zwangsoperierten nichts zu wissen, und sieht bis zum heutigen Tag keinen Handlungsbedarf.  

Ähnlich wie bei Überlebenden von s*xualisierter Gewalt ("Kindesmissbrauch") ist der Rechtsweg für überlebende Zwitter ein Alptraum und eine Farce. Da die Verstümmelungen  in der Regel vor dem 2. Lebensjahr erfolgen sowie wegen der damit verbundenen, schweren Traumatisierungen haben Überlebende in der Regel keine Chance, vor Ablauf der Verjährung gegen ihre Peiniger zu klagen. Erst 2007 gelang dies Christiane Völling als erster und bisher immer noch einziger. 2008 sah das OLG Köln das "Selbstbestimmungsrecht [...] in ganz erheblichem Maße verletzt" (5 U 51/08). 2009 rügte das UN-Komitee CEDAW die Bundesregierung wegen mangelnden "wirksamen Massnahmen zum Schutz ihrer Menschenrechte" (CEDAW/C/DEU/CO/6).

Allein in Deutschland wird weiterhin JEDEN TAG mindestens ein Kind einem solchen medizinisch nicht notwendigen, irreversiblen Zwangseingriff unterzogen.

In Amerika wurde letzte Woche der Seriengenitalverstümmler Dr. Dix P. Poppas von der Weill Cornell Universitätsklinik in New York City von zwei couragierten Ethikerinnen öffentlich geoutet. Anfang Jahr startete eine Aufsehen erregende Kampagne gegen pränatale Zwangshormontherapien "auf blossen Verdacht hin". Dutzende von BioethikerInnen meldeten ihre Bedenken an und forderten öffentlich eine Überprüfung prominenter ZwangsbehandlerInnen. Die US-Arzneimittelbehörde und die US-Überwachungsstelle für medizinische Experimente mit Menschen leiteten mittlerweile Untersuchungen ein.

In Deutschland will derweil der bundesfinanzierte Deutsche Ethikrat am kommenden Mittwoch, den 23. Juni 2010 in Berlin erst noch einmal diskutieren, ob diese Verstümmelungen allenfalls gegen das Grund- und Menschenrecht auf körperliche Unversehrtheit verstossen, oder vielleicht auch doch nicht ...

Kosmetische Genitaloperationen an Kindern sind ein schwerer Verstoss gegen das Grund- und Menschenrecht auf körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmung. Durch die hohe Zahl der Opfer, das systematische Vorgehen, die Schwere und das Ausmass der körperlichen und seelischen Schäden sowie durch die Jahrzehnte lange Dauer sind die genitalen Zwangsoperationen an Zwittern die wohl gravierendste Menschenrechtsverletzung in den westlichen Demokratien seit dem 2. Weltkrieg.

Der Ethikrat ist gefordert. Zwischengeschlecht.org würde sich sehr freuen, wenn der Ethikrat innert nützlicher Frist zu einem konkreten Ergebnis käme - und anschliessend auch entsprechend handeln würde ...

Die Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org fordert ein Verbot von kosmetischen Genitaloperationen an Kindern und "Menschenrechte auch für Zwitter!".


Freundliche Grüsse

n e l l a
Daniela Truffer
Gründungsmitglied Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org
Gründungsmitglied Schweizerische Selbsthilfegruppe Inters*x.ch
Mitglied Inters*xuelle Menschen e.V.
Mitglied XY-Frauen
Mobile +41 (0) 76 398 06 50
presse@zwischengeschlecht.info

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Regelmässige Updates: http://zwischengeschlecht.info

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SEXISMUS
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Annabelle 23.6.10

Begegnung

Sexismus Sells

 1998 verkündete die britische Publizistin Natasha Walter, Sexismus sei für die Frauenbewegung kein Thema mehr. 2010, in ihrem neuen Buch, ist er das Hauptthema. Was ist passiert, Frau Walter? Ein Gespräch über Internetporno, Castingwahn und Poledance-Stangen fürs Kinderzimmer.

Text: Barbara Achermann — Fotos: Bohdan Cap

Die Reitschule in Bern ist eine Art Rütli der Schweizer Frauenbewegung. Seit den Achtzigerjahren treffen sich dort Feministinnen. Heute finden im autonomen Kulturzentrum nebst Infoveranstaltungen über Mädchenbeschneidung oder Workshops zum Thema "Häusliche Gewalt" auch so genannte Poledance-Stunden statt. Indem sich Frauen wie Nachtclubtänzerinnen an der Stange räkeln, trainieren sie, so behaupten zumindest die Veranstalterinnen, "den Ausdruck individueller, weiblicher Stärke". Ist das die neue Frauenpower? Oder zementieren die Studentinnen der Stange ihre Rolle als Objekt männlicher Begierde? Angesprochen auf die Berner Kurse, schüttelt Natasha Walter den Kopf und lacht. Die langen Haare fallen ihr ins Gesicht, die hohen Wangenknochen springen noch höher. "Was für eine brillante Metapher für mein Buch!" Aber im Ernst, sie finde es einfach nur tragisch, dass so etwas wie Poledance heute für Emanzipation stehe. Die Sexindustrie vereinnahme die feministische Rhetorik, und die Frauenbewegung ziehe mit.

 Der Sexismus ist zurück, schreibt die 43-jährige Journalistin und Publizistin in "Living Dolls. The Return of Sexism". Das sorgfältig recherchierte und kurzweilige Buch hat in England eine angeregte Debatte über Prüderie und Porno ausgelöst und wird momentan auf Deutsch übersetzt. Es beginnt mit einer Reportage über eine schlüpfrige Veranstaltung namens "Babes on the Bed", die erfolgreich durchs Königreich getourt ist. Junge Engländerinnen, von der Studentin bis zur Hausfrau, werfen sich auf der Bühne in explizit sexuelle Posen und ziehen sich gratis aus. Eine Horde alkoholisierter Männer kürt das "heisseste Küken" des Abends. Die Gewinnerin, meist eine knapp Volljährige mit Silikonbrüsten, darf für das Männermagazin "Nuts" Nacktmodell stehen. "Kauft sie, nehmt sie nach Hause und onaniert auf sie", sagt der Moderator am Ende der Show.

 Was für Schweizer Ohren nach einem irritierenden Randphänomen klingt, scheint in England bereits Mainstream. Natasha Walter erwähnt eine Studie (die allerdings etwas zweifelhaft ist, weil sie von einer Telefongesellschaft durchgeführt wurde), gemäss der über die Hälfte aller jungen Engländerinnen Glamourmodel werden möchte, was so viel heisst wie Nackt- beziehungsweise Halbnacktmodell. Das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" zitierte eine Umfrage mit ähnlichem Resultat: In Italien ist der beliebteste Beruf unter weiblichen Jugendlichen Velina - so nennt man im Berlusconi-Land die meist im Bikini auftretenden Fernsehassistentinnen.

 Wir treffen Natasha Walter im "Book Club", einem freundlichen Bistro in der Nähe ihres Büros im hippen Londoner Eastend. Sie lächelt, kommt mit grossen Schritten näher und reicht zur Begrüssung beide Hände. Natasha Walter strahlt eine milde Wärme aus, gleich einer Tasse Earl Grey mit viel Milch. Sie hat eine Tochter und einen Sohn und redet deshalb aus eigener Erfahrung, wenn sie sagt: "Der Sexismus macht auch vor dem Kinderzimmer nicht Halt." Mit vorgebeugtem Oberkörper erzählt sie, dass ein grosses englisches Warenhaus bis vor kurzem in der Kinderabteilung Poledance-Stangen samt Spielgeld verkauft hat. "Kein Wunder, wollen heute viele junge Frauen vor allem eins: heiss aussehen." Man müsse endlich über Sexismus reden! Natasha Walter war auch schon anderer Meinung. 1998 veröffentlichte sie ein viel beachtetes und auch in der Schweiz rezensiertes Buch mit dem Titel "The New Feminism". Lippenstiftfeministin nannte man sie damals, weil sie der rigiden Frauenbewegung die alten Zöpfe abschnitt und lauthals verkündete, dass Sexismus kein Thema mehr sei. Heute gesteht sie: "Ich lag falsch."

 annabelle: Natasha Walter, Sie sind ungeschminkt. Hat das damit zu tun, dass Sie Feministin sind?

 Natasha Walter: Ich bin geschminkt! Aber ich mag es, wenn man es nicht sieht.

 Einst war Lippenstift unter Frauenrechtlerinnen verpönt.

 Es stört mich, wenn Leute finden, eine Feministin müsse in einer bestimmten Art und Weise auftreten.

 Ihr Buch heisst "Living Dolls. The Return of Sexism", was übersetzt "Lebende Puppen. Die Rückkehr des Sexismus", heisst. War der Sexismus je weg?

 Ich denke nicht. Aber es gab eine Zeit, als er in der westlichen Kultur weniger offensichtlich war. Vor allem waren die kritischen Stimmen in den Achtziger- und Neunzigerjahren stets laut hörbar. Da gab es eine Debatte über Pornografie oder die Seite drei in den Boulevardblättern mit den halbnackten Models. In den vergangenen zehn Jahren ist diese kritische Haltung beinahe verstummt. Junge Frauen, denen die Sexindustrie missfällt, stehen mit ihrer Kritik isoliert da. Wer Porno doof findet, gilt als prüde.

 Wieso sollte man auch aufbegehren? In Zeiten von "Sex and the City" sind Frauen im Bett längst gleichberechtigt. Die brennenden Themen sind doch vielmehr gleicher Lohn für gleiche Arbeit, Betreuungsplätze für die Kinder und Kaderstellen für Frauen.

 Ich bin einverstanden, dass man für ökonomische und politische Gleichberechtigung kämpfen muss. Aber um das zu erreichen, genügen gute Gesetze nicht, es muss auch ein Umdenken stattfinden. Frauen müssen anders angesehen werden, und sie müssen sich selber anders sehen, damit sie wirklich gleichberechtigt sein können.

 Wollen Sie im Ernst behaupten: Wenn Männer Frauen nicht mehr zuerst auf den Po schauen, werden die Lohndifferenzen verschwinden?

 Das ist überspitzt formuliert, aber: ja. Für mein Buch fragte ich eine Topmanagerin, weshalb immer weniger Frauen im höheren Kader vertreten sind. Denn Sie müssen wissen, in England sank der Frauenanteil in den obersten Chefetagen innerhalb von vier Jahren von 40 auf 22 Prozent. Die Managerin meinte, es komme eben darauf an, was die Leute in ihrem Herzen tragen. Wir haben zwar die gesetzlichen Grundlagen für die Gleichstellung, aber wir können sie nur durchsetzen, wenn Frauen nicht ständig auf ihr Aussehen reduziert werden. Das ist die grosse Herausforderung für die heutige Generation.

 Ich fühle mich nicht sexuell diskriminiert. Wie steht es mit Ihnen?

 Ich habe dieses Buch nicht aus einer persönlichen Betroffenheit heraus geschrieben. Dazu gibt es eine lange Tradition von feministischer Literatur, die auch ihre Berechtigung hat. Mein Buch ist vielmehr eine gesellschaftliche Analyse.

 Sind wir beide deshalb nicht direkt betroffen, weil Sexismus vor allem in der Unterschicht ein Thema ist?

 Die hypersexuelle Kultur wiegt schwerer für Frauen, die eine schlechte Ausbildung haben oder geringe finanzielle Möglichkeiten, das stimmt. Aber ich habe für mein Buch auch mit jungen Frauen an Londons Eliteschulen und an der Universität Cambridge geredet. Obwohl sie eine fantastische Ausbildung geniessen, sind sie stark auf ihren Körper fixiert. Ihr primäres Ziel ist es, sexuell attraktiv zu sein.

 Sie haben zahlreiche Gespräche mit jungen Frauen geführt. Welches hat Sie denn am meisten beschäftigt und beunruhigt?

 Das war wohl die 17-jährige Carly Whiteley aus Essex, deren Geschichte den Anstoss zu diesem Buch gab. Sie reagierte auf einen Zeitungsartikel von mir über Männermagazine. Als Carly elf Jahre alt war, trugen all ihre Klassenkameradinnen Schminke und Minijupes, während sie noch immer in Hose und T-Shirt rumrannte und dafür ausgelacht und sogar angespuckt wurde. Zu der Zeit schaute sie zusammen mit Freunden ihren ersten Pornofilm im Internet. Während die anderen fortfuhren, solche Filme zu konsumieren, und ihre Schwester später gar für ein Sexheft posierte, wollte sie mit alledem nichts zu tun haben. "Ich klinge wie eine Grossmutter", sagte Carly, als sie mir davon erzählte. Sie gilt als prüde und verklemmt, hat kaum Freunde. Sie ist einsam. Es hat mich sehr betroffen gemacht, dass ein Mädchen, das gegen die dominante Sexkultur aufbegehrt, total isoliert dasteht.

 Andere junge Frauen, mit denen Sie redeten, können sich in dieser Kultur so richtig austoben. Die haben ganz viel Sex - und ganz viel Spass dabei.

 Eine 18-jährige Maturandin, ich nenne sie Bella, hatte bereits mit 22 verschiedenen Männern - und Frauen - geschlafen. Sie und ihre beiden Freundinnen möchten keine Beziehung eingehen. Im Gegenteil, sie sagten, es nerve sie, dass viele Typen nur schmusen möchten und sich ständig einer in sie verliebe. Diese Mädchen sind mit ihrer emotionslosen Haltung keine Ausnahmen. Promiskuität gilt heute gemeinhin als befreiend. Wer experimentellen Sex mit verschiedenen Leuten hat, ist scheinbar emanzipiert. Hingegen gilt eine junge Frau, die monogam lebt, ohne Bumsfreunde, als konservativ und uncool. Ich verurteile niemanden, der wechselnde Partner hat, aber ich finde es fragwürdig, dass dieser Lifestyle als der einzig richtige gefeiert wird. Wenn eine junge Frau nach der Liebe fürs Leben sucht, ist das genauso berechtigt und muss nicht mit einer miefigen Fünfzigerjahre-Biederkeit einhergehen.

 Sie haben auch mit unterschiedlichen Frauen aus dem Milieu geredet: mit Prostituierten, Nachtclubtänzerinnen, Nacktmodellen und einer Pornodarstellerin. Gibt es etwas, das all diesen Frauen gemein ist?

 Ich glaube, dass sie alle an einem gewissen Punkt in ihrem Leben verführt wurden. Sie wurden dadurch beeinflusst, dass man sie glauben machte, der Wert einer Frau hänge von ihrer sexuellen Attraktivität ab.

 Die Frau, das ewige Opfer, das ist doch eine unemanzipierte Haltung.

 Stimmt, Opfer ist ein schwieriges Wort, denn manche Nackttänzerinnen, mit denen ich geredet habe, sind ja aus ihrer ungesunden Abhängigkeit ausgebrochen. Sie sahen ein, dass sie so nicht glücklich werden.

 Es gibt auch Prostituierte, die ihren Beruf mögen.

 Ja, zum Beispiel behauptet das Xaviera Hollander, die das Buch "The Happy Hooker" schrieb. Oder Anna Span, Englands erste weibliche Pornoregisseurin, die ja selbst in vielen Filmen mitgemacht hat. Ich weiss nicht, ob ich ihnen glauben soll.

 Können Sie nicht nachvollziehen, dass eine Frau lieber strippt, als an der Kasse eines Supermarkts für wenig Geld zu schuften? Vielleicht wiegt die ökonomische Ausbeutung einfach viel schwerer als die sexuelle.

 Ich sehe, dass Frauen solche Entscheidungen fällen, aber ich bin nicht sicher, dass ich sie verstehe. Aus den Interviews ging deutlich hervor, dass ein Beruf wie Prostituierte oder auch Pole- oder Lapdancer einen negativen Effekt auf die Psyche hat. All diese Frauen wurden gedemütigt. Sie nehmen ein massives Machtgefälle zwischen Mann und Frau in Kauf. Wenn man sich auf diese Transaktion einlässt und falsche Intimitäten vorspielt, richtet das etwas an.

 Es gibt zahlreiche Frauen, die freiwillig freizügige Fotos auf Facebook stellen oder sich für ein Boulevard-Fotoshooting ausziehen. Das ist deren persönliche Entscheidung.

 Das Argument "free choice" wird immer wieder bemüht. Aber wir müssen uns doch auch überlegen, was für einen Einfluss gewisse private Entscheidungen auf andere Leute haben. In Restaurants darf man zum Beispiel nicht mehr rauchen, weil es anderen schadet. Entsprechend könnte ich mir Einschränkungen im stark wachsenden Erotikmarkt vorstellen, der ja offensichtlich einen Einfluss auf junge Frauen hat. Immer mehr scheinen darauf hereinzufallen, dass man in der Sexindustrie problemlos viel Geld machen und berühmt werden kann. Das lenkt den Ehrgeiz der jungen Frauen in eine falsche Richtung, und sie bekommen eine sehr beschränkte Vorstellung von sexueller Attraktivität: nackt, solariumbraun, glatt rasiert, blondiert, operiert.

 Ist dieses freizügige Verhalten vielleicht eine Art Rebellion? Früher hörten die Mädchen Rockmusik, heute ziehen sie die Kleider aus.

 Ich glaube nicht, dass es um eine natürliche, freie Rebellion geht, denn halbnackte Mädchen scheinen unsere Gesellschaft ja nicht besonders zu schockieren. Vielmehr treibt die etablierte Kultur das aus kommerziellem Interesse voran. Es herrscht ein Konformismus, der bereits aus kleinen Mädchen lebende Puppen macht.

 Haben Sie das Gefühl, dass Sie Ihre Tochter beschützen müssen, damit sie kein Püppchen wird?

 In gewisser Hinsicht bestimmt. Sie durfte zum Beispiel lange kein Privatfernsehen gucken, sondern nur BBC. Aber eigentlich gehts mir nicht darum, sie zu beschützen, sondern ihr ein Instrumentarium zu vermitteln, mit dem sie Gesehenes verarbeiten und verstehen kann und Alternativen zur dominanten Kultur findet.

 Sie haben eine starke Abneigung gegen Rosarot. Ist Ihr Haushalt frei davon?

 Überhaupt nicht. Meine Tochter hat Cinderella-Kleider, Schminksachen und sogar Barbies. Sie ist jetzt neun Jahre alt und spielt noch immer mit Puppen. Sie inszeniert lange und fantasiereiche Geschichten, und das finde ich schön. Ich bin nicht der Meinung, dass Puppen per se schlecht sind. Aber sie durchlebte auch eine Prinzessinnenphase, die ich nicht mochte. Ich weiss selber, wie viel Spass es macht, sein Äusseres zu verändern. Aber wenn es den ganzen Tag lang einzig und allein nur noch darum geht, schön auszusehen, ist das etwas anderes. Dann langweilt mich das total, weil es so was Passives hat.

 Es nervt Sie, dass man für Mädchen nur rosarote Kleider und Spielsachen findet. Aber ich kann Ihnen aus eigener Erfahrung sagen, für Buben ist Einkaufen noch viel schwieriger. Es gibt vorwiegend Baby-Businessmode, also Minihemden, Poloshirts und Pullunder in diversen Grau-, Schwarz- oder Blautönen.

 Sie haben den Babysoldaten vergessen. Khakihosen und tarnfarbene Shirts finden sich in den meisten Kinderkleider-Abteilungen. Mein Sohn ist jetzt ein Jahr alt, ich weiss, wovon Sie sprechen.

 Woher kommt dieses Rosa/Blau-Schema?

 Es scheint eher zufällig entstanden zu sein. Vor dem Ersten Weltkrieg war es genau umgekehrt. Da war Rosa die Farbe der Buben und Hellblau diejenige der Mädchen. Unseriöse Studien und gewisse Leute aus der Spielzeugindustrie wollen uns weismachen, dass Mädchen genetisch so programmiert sind, dass sie Rosa mögen. Das ist Unfug! Es gibt keine Beweise dafür. Genauso wie es falsch ist, an eine biologisch determinierte Weiblichkeit zu glauben, also dass Mädchen von Natur aus empathischer, eloquenter oder weniger aggressiv seien. Es sind vorwiegend soziale Faktoren und der Einfluss von Stereotypen, die sie zu dem machen, was sie sind.

 Können Sie das auch bei Ihren eigenen Kindern beobachten?

 Ja. Mein Sohn ist zum Beispiel sehr ungeduldig. Und wenn ich das jemandem sage, heisst es gleich: typisch Bub. Dabei hat er das von mir! Mir kann nichts schnell genug gehen, während mein Mann unglaublich ruhig und geduldig ist, genau wie meine Tochter.

 Sind Sie in der Aufteilung von Hausarbeit und Kinderbetreuung ebenso unstereotyp?

 Wir teilen uns die Arbeit.

 Fifty-fifty?

 Früher war ich mehr daheim als mein Mann. Aber heute machen wir halbe-halbe. Er übernimmt zum Beispiel die Nächte, denn ich finde es grauenhaft, mitten in der Nacht die Kinder zu trösten.

 Was sollte man künftig gegen Sexismus tun?

 Ich möchte betonen, dass ich nicht verzweifelt bin. Die Frauenbewegung ist bereits sehr weit gekommen, Veränderungen sind also möglich. Aber wir müssen dranbleiben. Kennen Sie die Internetplattform Pinkstinks?

 Nie gehört.

 Die erreichte, dass ein grosses englisches Warenhaus Piloten- oder Arztkostüme auch in der Mädchenabteilung verkauft. Mein Weg als Journalistin und Autorin ist ein anderer. Ich möchte die Debatte vorantreiben, in den Medien, an öffentlichen Veranstaltungen und in privatem Rahmen.

Natasha Walter: Living Dolls. The Return of Sexism. Virago Press, London 2010, 273 Seiten, ca. 30 Franken (die deutsche Übersetzung erscheint im Frühjahr 2011 im Fischer-Verlag)

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Engagierte Publizistin

 Natasha Walter wurde 1967 in London geboren, studierte in Cambridge und Harvard und arbeitet etwa für "Vogue", "The Observer", "The Independent", "The Guardian" sowie für die BBC. 1998 erschien ihr Buch "The New Feminism", dessen Thesen sie in ihrem neusten Werk "Living Dolls. The Return of Sexism" teilweise revidiert. 2006 gründete sie die Organisation Women for Refugee Women, die sich um Frauen kümmert, die in Grossbritannien Asyl suchen. Sie lebt mit ihrem Partner und den gemeinsamen Kindern in London.

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QUEER VS HOMONATIONAL
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NZZ 22.6.10

Die ganze Andere

 Ein Eklat um Judith Butler in Berlin

 ujw. ⋅ Subversiv sein und Verwirrung stiften - das gehört, auch nach der Theorie, zur Praxis des "Queer"-Seins. Judith Butler, die als amerikanische Philosophin und feministische Theoretikerin nicht wenig zum "gender trouble" beigetragen hat, zur Aufweichung starrer Grenzen und verhärteter Fronten in den Fragen der Geschlechterpolitik, hat am vergangenen Wochenende in Berlin gezeigt, wie man sogar die "queere" Gemeinde noch durcheinanderbringen kann. Mehr oder weniger exzentrische Schwule, Lesben, Bi-, Trans-, Inter-, Pan-, Metro-, Hyper-, vielleicht sogar Hypo-, Hetero-, Post- und Asexuelle präsentierten sich am Samstag auf Berlins Strassen einem schaulustigen Massenpublikum in der nun schon zur traditionellen Folklore gehörenden Parade aus Anlass des Christopher Street Day. "Normal ist anders!" lautete das laute Motto in diesem Jahr. Ausser dem normalen Jubel und Trubel und der ebenso normalen Heiterkeit hätte es tatsächlich noch etwas "anderes" geben sollen. Gewissermassen zur Krönung der Parade vor dem Brandenburger Tor sollte Judith Butler, neben dem deutschen Sexualforscher Martin Dannecker, mit einem Zivilcourage-Preis des eingetragenen Vereins geehrt werden, der die Street Parade und manche andere Lustbarkeit alljährlich organisiert.

 Doch das Andere fiel ganz anders aus. Butler spielte nicht mit. Das heisst, sie muss bis zum Akt der Verleihung wenigstens so getan haben, als ob . . . - sonst wäre ihr wohl kaum eine Laudatio zugedacht worden, die von der - strenggenommen nicht sehr "queeren" - grünen Politikerin Renate Künast gehalten wurde. Butler, die am Vorabend in einer ausverkauften Berliner Volksbühne über "Queere Bündnisse und Antikriegspolitik" gesprochen hatte, bekannte dann aber in einem vorbereiteten Statement auf grosser Strassenbühne und auf Deutsch, dass sie Schwierigkeiten habe mit dem Preis. Die Veranstaltung sei ihr zu kommerziell; und ihre Organisatoren distanzierten sich augenscheinlich zu wenig von rassistischen und islamophoben Statements, die es in "homonationalen" Kreisen tatsächlich zu hören gibt. Zudem wusste sie geeignetere Preisträger zu nennen: solche politische Gruppen, die sich um Menschen kümmerten, die mehrfach diskriminiert würden wie homo- oder transsexuelle Migranten aus anderen Kulturen.

 Das kam einer Solidarisierung mit den Veranstaltern einer - auch schon traditionellen - Gegenparade gleich, des "transgenialen Christopher Street Day" (der erst am kommenden Wochenende begangen wird). Um das Gesicht zu wahren, taten die Veranstalter des "queeren" Establishments beinahe so, als hätten sie Butlers Parteinahme zugunsten der anderen Anderen erwartet. Ganz konsequent scheint Butler in ihrer Ablehnung von Diskriminierung und rassistischen Phobien indes nicht zu sein. Zoe Jona erinnert in der Berliner "TAZ" daran, dass die Philosophin vor vier Jahren Hamas und Hizbullah als progressiv und für eine globale emanzipatorische Bewegung bündnisfähig eingestuft habe, ungeachtet der Homophobie und des rassistischen Antisemitismus, die in diesen Organisationen grassieren. - Das wäre nun tatsächlich verquer.

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INTERSQUAT
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Rundmail 22.6.10

Intersquat-Festival in Berlin

Hey,
Letztes Jahr war es noch in Rom, davor in Frankreich und nun findet das Intersquat-Festival endlich in Berlin statt. Das Festival gibt uns die Möglichkeit unsere Erfahrungen auszutauschen und uns mit anderen Projekten weltweit zu vernetzen. Da es sich um ein D.I.Y.-festival handelt, brauchen wir eure Hilfe: Verlinkt uns (intersquat-berlin.blogsport.de), veröffentlicht die Intersquat-Konzepte auf euren websites, bietet eigene workshops an. Solltet ihr workshops, info- oder diskussionsveranstaltungen auf dem intersquat-festival anbieten wollen, dann schreibt uns bitte bis zum 13. august, damit wir noch genug zeit haben, ein programmheft zusammenzustellen. Wir brauchen euch, eure Ideen und viel Unterstützung in jeglicher Hinsicht (z.B. Voküs, Bioklos-workshop etc.)

Solidarische Grüße
Intersquat-Festival


Hier das Konzept:

INTERSQUAT - Festival vom 10. bis zum 19. September 2010 in Berlin

Lasst uns zusammen vom 10. - 19. September 2010 auf dem Berliner INTERSQUAT-Festival einen selbstbestimmten Freiraum und eine Plattform für die Auseinandersetzung mit verschiedenen Vorstellungen schaffen, Begegnungen initiieren, uns vernetzen und gemeinsam Perspektiven entwickeln.

Inspiriert durch bereits stattgefundene INTERSQUAT-Festivals an verschiedensten Orten der Welt wollen wir mit euch zusammen dieses Jahr in Berlin unseren Utopien einen Raum geben. Die Möglichkeiten ein selbstbestimmtes Leben zu führen, werden kontinuierlich eingeschränkt, viele vorhandene Freiraumstrukturen sind akut bedroht. Dadurch
verschwinden Räume und auch damit verbundene Möglichkeiten, selbstbestimmt Alternativen zu bestehenden Verhältnissen erfahrbar zu machen und zu leben, sich zu organisieren, zu diskutieren und auszutauschen. Aus unserer Sicht ist eine umfassende Kritik an Kapitalismus, Herrschaft und damit einhergehenden Strukturen notwendig. Darum wünschen wir uns eine Diskussion um Alternativen, sowie eine offene Auseinandersetzung und einen Austausch über Gegenpraktiken zur Diskriminierung von Lebewesen.

Freiräume sind für uns Orte, an denen sich alle Lebewesen frei von Diskriminierung aufgrund von Geschlecht, Hautfarbe, Sexualität, Geld oder anderen von der Gesellschaft konstruierten Ungleichheiten bewegen können.
Weil Formen der Unterdrückung in unserer Gesellschaft alltäglich vorkommen, ist es wichtig, Räume zu schaffen und zu erhalten, in denen diese nicht akzeptiert, sondern diskutiert und reflektiert werden. Sie sollten das Ausleben der eigenen Identität und die freie Entfaltung von Lebensentwürfen ermöglichen. Wir versuchen eine Loslösung davon zu praktizieren, Bewusstsein zu schaffen und zu sensibilisieren.

Die "Aufwertung" von Städten zwingt nicht nur alternative Lebensräume weltweit dazu rentablen Objekten zu weichen: Wo neue Häuser gebaut werden und alte Gebäude im Glanz profitabler Totalsanierungen erstrahlen, kommt es unausweichlich zu einer Steigerung der Mietpreise. Dadurch erfolgt eine Verdrängung von Geringverdienenden und strukturell diskriminierten Gesellschaftsmitgliedern in Randgebiete. Die sogenannte Gentrifizierung wird uns früher oder später alle einholen, wenn wir uns ihr nicht entgegenstellen.

Bewegungen, die sich diesen gesellschaftlichen Missständen entgegensetzen werden oftmals kriminalisiert. Durch repressive Maßnahmen wird ihr Aktionspotential gedämpft. Um auf diese Maßnahmen besser reagieren zu können und die Freiraumbewegung stärker und handlungsfähiger zu machen, ist auf dem Festival ein Raum vorhanden, um uns untereinander besser zu vernetzen und uns verstärkt miteinander zu solidarisieren.

Innerhalb eines vielfältigen und kraftvollen kreativen Festival-Rahmens wird es viel Platz geben für selbstorganisierte Aktionen, Diskussionsrunden, Workshops, Informationsveranstaltungen, Ausstellungen, Musik und Kunst als Protest- oder Widerstandsform bzw. spontan entstehende Ideen. Außerdem wird es auf dem Festival einen Umsonstflohmarkt geben, der die kapitalistische Logik von Wert und Gegenwert durchbrechen soll.

Anstöße für gemeinsame Diskussionen und das Suchen nach Lösungsansätzen könnten sein:

Wie äußert sich Gentrifizierung in den verschiedenen Städten?
Wie steht es um Squats weltweit?
Wie können wir uns untereinander besser vernetzen?
Wie können wir mit unseren Protest- und Aktionsformen auf größere Solidarität stoßen?

Da die Freiraumthematik sehr komplex ist und unter sich eine große Bandbreite anderer Themen, wie z.B. Kapitalismuskritik, Anti-Sexismus und die Ablehnung von Herrschaft beinhaltet, steht es außer Frage, dass das Festival auch einen offenen Raum für diese bietet.

Sexismus, Rassismus, sowie alle anderen Formen von Diskriminierung und die Verklärung hierarchischer Strukturen werden auf dem Festival selbstverständlich weder toleriert noch akzeptiert!!!

Lasst uns unsere Vorstellungen und Utopien vom freien wilden Leben teilen!
Das Festival wächst durch eure Beteiligung. Ihr wollt eine Infoveranstaltung oder einen Workshop gestalten, eine Diskussionsrunde initiieren, eure Musik oder Kunst zeigen oder habt noch andere Ideen und Themenvorschläge für das Festival?

Meldet euch unter: intersquat-berlin@riseup.de

Bringt eure Zelte, eure Ideen und eure ungebremste kämpferische Leidenschaft mit!

Frei denken? Frei leben? Frei(T)räume für alle!

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GEFANGENEN-INFO
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Indymedia 22.6.10

Gesinnungsurteil gegen das "Gefangenen Info"

AutorIn : Redaktion : http://www.gefangenen.info

Das Verfahren gegen das "Gefangenen Info" endete am 19.April vor dem Amtsgericht Berlin mit einer Verurteilung von 800 Euro. Dazu gibt es von der Redaktion jetzt eine Einschätzung.

Offene Gesinnungsjustiz

Das Gefangenen Info wurde zu 800 € Strafe verurteilt. Nicht Verbote, Strafen und Zensur bestimmen unsere Politik, sondern die Notwendigkeiten revolutionärer Praxis.n info 3

Am 21. April 2010 fand vor dem Amtsgericht Tiergarten der Prozess wegen der Verleumdungsklage gegen das Gefangenen Info statt. Der presserechtliche Verantwortliche des Gefangenen
Infos, Wolfgang Lettow, wurde zu einer Strafe von 80 Tagessätzen á 10 € bzw. einer Geldstrafe in Höhe von 800 € verurteilt. Wir sind in Berufung gegangen, wodurch der Prozess auf der nächsthöheren Instanz - dem Landgericht - fortgesetzt werden wird. Wir bedanken uns an dieser Stelle herzlichst bei allen solidarischen Leserinnen und Lesern, Genossinnen und Genossen, für die zahlreichen Spenden, die bei uns bisher eingegangen sind. Vor dem Prozess hat es Stimmen und Einschätzung gegeben, welche den Ausgang unseres Prozesses mit dem Ausgang des Prozesses gegen das Onlineportal "Scharf-Links" verglichen. Es handelte sich um dasselbe Konstrukt, nur die Höhe des Strafbefehls varierte, da es sich bei "Scharf-Links" um 12.000€ handelte und bei uns um 2.800€.

Ihre Mär von Rechtsstaatlichkeit
Da es sich bei diesem Prozess - wie alle anderen vorangegangenen Prozesse gegen das Gefangenen Info auch - um einen politischen Prozess handelte, bei dem uns der politische Sachverhalt in einer juristsichen Verpackung serviert wurde, spielten auch die "rechtlichen" Aspekte eine eher nebensächliche Rolle. Wir mussten dem politischen Angriff politisch begegnen, anstatt uns auf ihrem Terrain - den Gerichten der Klassenjustiz - in juristischen Fragen zu verfangen und uns an ihnen abarbeiten
zu wollen. Der Verlauf des Prozesses, die eindeutigen Bemerkungen der Staatsanwältin hinsichtlich unserer politischen Prozesserklärung und das vorläufige Resultat haben schließlich bewiesen, das von uns eine unterwürfige Entschuldigung erwartet wurde. Aber wofür sollen wir um Gnade winseln? Dafür, dass wir uns für jene einsetzen, die durch ihre "Terrorlisten und -Gesetze" entrechtet werden? Oder dafür, dass wir Isolationshaft und Folter anprangern? Dafür, dass wir uns die Frechheit herausnehmen, nicht alles so hinzunehmen, sondern auch kritisch zu hinterfragen? Nun, den vorsitzenden Richter beim Amtsgericht Tiergarten habe der Rote Hilfe-Beitrag "Blind in Beugehaft" (GI, Nr. 348) zumindest beim Lesen der Richter-Zitate "vom Stuhl gehauen". Ehrlich!
Uns stellt sich die Frage, ob den Richter auch weitere Fakten über das staatliche Vorgehen in Stuttgart-Stammheim und Düsseldorf vom Stuhl zu hauen vermögen. Wenn sich ein Richter so sehr darüber erbosen kann, dass seine KollegInnen evtl. im Wortlaut nicht richtig wiedergegeben werden, wieso erbosen den selben Richter dann nicht die willkürlichen Maßnahmen bei den Staatsschutzprozessen, die Isolationshaft, die Anhörungen von Folterern aus der Türkei, etc.? Wir sprechen hierbei von elementarsten Grund- und Menschenrechten, die rechtlich ausgehebelt werden. All das sind nämlich Fakten. Denn im Umkehrschluss bedeutet es eindeutig, dass alle anderen im Gefangenen Info enthaltenen Informationen der Wahrheit entsprechen. Hier wird mit faschistischen Staatsapparaten zusammengearbeitet, Folter praktiziert, Menschenleben vernichtet, während sich ein Richter in seiner Ehre gekränkt fühlt, weil er falsch zitiert worden sei. Auch wenn wir unsere Quellen für vertrauenswürdig halten, stellt sich uns im Kern der Angelegenheit ebenso wenig die Frage, mit welchen Worten die Beugehaft gegen Nuri Eryüksel ausgesprochen wurde. Wir hinterfragen diese Prozesse und die oben geschilderten Umstände nämlich von Grund auf. Das Ausklammern des zugrunde liegenden, politischen Sachverhalts bedeutet lediglich, sich nicht mit dem ganzen Umfang der Angelegenheit auseinandersetzen zu wollen, was ein Erfassen der Lage unmöglich macht. Es wirkt wie ein Witz, sich über Zitate von Richtern streiten zu wollen, wenn uns doch klar ist, dass das staatliche Vorgehen gegen RevolutionärInnen und Linke Ausmaße annimmt, die nicht mehr hinnehmbar sind, sondern existenziellen Widerstand erfordern!

Wir waren auf unsere Haltung bedacht, nicht auf den Ausgang des Prozesses
Auch wenn uns vor Prozessbeginn klar war, dass dieser Prozess in erster Linie einen finanziellen Schaden anrichten und unsere MitarbeiterInnen einschüchtern und abschrecken sollte, ging es uns nicht darum, unsere "Unschuld" zu beweisen oder ohne eine Strafe davonzukommen. Viel wichtiger war für uns, vor dem Staatsschutzapparat nicht einzuknicken und unsere Erfahrungswerte zu erweitern.Deshalb haben wir eine politische Erklärung verfasst, die Sinn und Zweck der Klage
und des damit verbundenen Prozesses erläuterte. In unserer Prozesserklärung hieß es eshalb: "(...) Die Gründe für die Anklageerhebung sind, wie bei dem Verfahren gegen das Internetportal "Scharf-Links", die Verbreitung des Prozessberichts "Blind in Beugehaft" in unserer Ausgabe Nr.348 vom Juli letzten Jahres. In dem inkriminierten Text wurde ein Verhandlungstag im §129b-Prozess gegen den Gefangenen Faruk Ereren, dem inzwischen die Auslieferung in die Türkei droht, beschrieben. Nuri Eryüksel hatte es abgelehnt, über die Strukturen der türkischen Exilorganisation Aussagen zu machen, weil er sich dabei selber belasten könnte. Das Gericht bestand aber auf seiner Zeugenaussage und erließ dann die Beugehaft, die noch im Gerichtssaal vollstreckt wurde. (...) Die Türkei ist ein wichtiger Partner für das expansive Nato-Bündnis. Die meisten Waffen werden übrigens von der BRD nach dort exportiert, was auch zeigt dass die BRD deswegen auch ein eigenes vitales Interesse hat, ihrer Bündnispartnerin
dort und hier den Rücken frei zu halten. Von 2000-2007 wehrten sich tausende türkische und kurdische Gefangene im Hungerstreiks gegen die Folter "made in Stammheim".Über 120 tote Gefangene in diversen anatolischen Knästen kamen dabei ums Leben. Schon während des Hungerstreiks verlangte die Türkei von ihren Verbündeten das Verbot der Öffentlichkeitsarbeit in Europa. (...) Neben der redaktionellen Arbeit musste die Existenz und damit das Fortbestehen des Infos auch immer vor dem Gericht verteidigt werden, um damit das Leben vor allem der Gefangenen aus der RAF vor staatlichen Übergriffen hinter Gittern zu schützen. Heute sind es vor allem Eingesperrten aus türkischen und anderen migrantischen Zusammenhängen, die diesen Sonderhaftbedingungen und -gesetzen ausgesetzt sind. Es bedeutet immer Kampf auf allen diesen Ebenen, den Weggesperrten einen unzensierten Raum zu geben für ihre politischen Vorstellungen bis hin zur ihrer Freiheit! (...)"

Das Gefangenen Info braucht eure Unterstützung und Solidarität
Im Sommer steht uns vor dem Landgericht der Berufungsprozess bevor. Wir werden unsere Publikation, die ein Sprachrohr für unsere eingesperrten Genossinnen und Genossen darstellt, weiterhin verteidigen und uns dafür einsetzen, dass sie bestehen bleibt. Und dafür benötigen wir eure Unterstützung.

Interview zum Prozessausgang als Podcast beim Webradio Radio Flora: http://www.radioflora.de

Redaktion des Gefangenen Info

Dieser Text ist in der neuen Ausgabe des Gefangenen Info 355 erschienen.
Aus dem Vorwort:
Liebe Leserinnen und Leser,
wir haben diese Ausgabe mit einigen Informationen und Eindrücken zum Prozess gegen das Gefangenen Info eingeleitet. An dieser Stelle sei nur gesagt, dass wir gegen das Urteil in Berufung gegangen sind und uns diesen Sommer dann der Berufungsprozess vor dem Landgericht in Berlin erwartet. Näheres hierzu könnt ihr auf Seite 3 nachlesen.
Unsere aktuelle Nummer steht ganz klar im Zeichen der Diffamierungskampagnen und -angriffe gegen ehemalige Mitglieder der RAF. Nach der Anklageerhebung gegen Verena Becker soll nun der Prozess in Stuttgart-Stammheim folgen. Es sei übrigens der 5. Senat - jener, der sich momentan um die Verurteilung in dem §129b-Prozess gegen Ahmet D. Yüksel und Devrim Güler bemüht. Der Prozess gegen Verena Becker werde demnach nach Beendigung des §129b-Prozesses (wohl noch im Juli diesen Jahres) beginnen.
Aus diesem Anlass haben wir zwei aktuelle und wichtige Beiträge im Schwerpunkt platziert, die sich mit eben diesen Angriffen auseinandersetzen. Ebenfalls im Schwerpunktteil enthalten ist ein redaktioneller Beitrag über die Gefangenenkollektive der RAF. Dieser Beitrag, der als historische Ergänzung des Themenfeldes "Gefangenenkollektive" angedacht war und in dieser Ausgabe neben weiteren Beiträgen rund um dieses Thema veröffentlicht werden sollte, kann als thematische Ergänzung der beiden Texte zu den Angriffen gegen ehemalige Mitglieder der RAF betrachtet werden. Die übrigen Texte zum Tema "Gefangenenkollektive" haben wir aus Aktualitätsgründen aufgeschoben und werden in der komenden Ausgabe veröffentlicht werden.
Fast zeitgleich zu den oben geschilderten Entwicklungen erhielten wir die Mitteilung von der Knut Folkerts Solidaritätsgruppe ( fkf2009@live.nl), dass Knut Folkerts nochmal 20 Jahre Haft in den Niederlanden drohen. Knut war in den siebziger Jahren in der RAF organisiert und 18 Jahre in der BRD eingesperrt gewesen. Jetzt hat das höchste holländische Gericht, der "Hoge Raad", am 4. Juni 2010 beschlossen, dass die 20 jährige "Strafe" nicht verjährt sei. Das heißt für Knut, dass die Niederlande die BRD auffordern, dass er nochmal für 20 Jahre eingekerkert werden soll. Wir werden versuchen, die aktuellen Informationen hierzu so gut es geht weiterzuvermitteln.
Darüber hinaus haben wir in dieser Ausgabe zwei Aufrufen PLatz zur Verfügung gestellt, die sich beide auf den 19. Juni beziehen. Es handelt sich hierbei um einen Anti-Knast-Aktionstag und einen Aktionstag für die Freiheit der §129b-Gefangenen, welcher in einem Kontext zu dem Tag der revolutionären Gefangenen steht.
Im internationalen Teil sind Beiträge zu Mumia Abu-Jamal, dem PC-pm-Prozess in Mailand und zum spanischen revolutionären Gefangenen Manuel Pérez Martinez enthalten. Mit einem kurzen Beitrag sind wir außerdem auf den Tod von Güler Zere eingegangen, die am 7. Mai 2010 von uns gegangen ist.
Abschließend haben wir verschiedene Gefangenenbriefe und Solidaritätsbotschaften, die anlässlich des Prozesses an das Gefangenen Info gesendet worden waren, abgedruckt.
In diesem Sinne:
Repression kann uns nicht einschüchtern!
Freiheit für alle politischen und sozialen Gefangenen!
Die Redaktion

Das Gefangenen Info kostet 2 €. (Ausland): Einzelpreis: 2,70€
Ist zu beziehen über:
 vertrieb@gefangenen.info

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BRD-STAATSCHUTZ
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NZZ 22.6.10

Wachsamkeit gegenüber jeder Form extremistischer Gewalt

 Auch im Jahresbericht 2009 des deutschen Verfassungsschutzes gilt das besondere Augenmerk der rasanten Zunahme linksextremistischer Straftaten

 Die deutsche Regierung ist besorgt über die Zunahme linksextremer Straftaten, behält aber auch die rechtsextreme und die islamistische Gewalt im Auge.
 
Ulrich Schmid, Berlin

 Die jährliche Präsentation des deutschen Verfassungsschutzberichtes verläuft seit langem nach dem gleichen Muster. Der Innenminister - an diesem Montag war es Thomas de Maizière - zeigt sich besorgt über die Zunahme der linksextremen Gewalt, betont, man wolle die rechtsextreme nicht verharmlosen, und stellt klar, dass man die Islamisten im Visier behalte. Die bürgerlichen Medien kommentieren die Erkenntnisse daraufhin wohlwollend, während viele linke Medien finden, die linksextreme Gefahr werde dramatisiert und sei im Übrigen oft nur unpolitisches Chaotentum, das in schlimmer Absicht der Linken in die Schuhe geschoben werde.

 Divergierende Trends

 Noch immer sind es die Gewalttaten mit rechtsextremistischem Hintergrund, die den Verfassungsschutz am stärksten beschäftigen. Laut dem Bericht de Maizières kam es im letzten Jahr zu insgesamt 24 952 Straftaten mit extremistischem Hintergrund. Dem "Phänomenbereich" der rechtsextremistischen Taten wurden davon 18 750 Fälle zugewiesen, dem Bereich des Linksextremismus 4734. Die Trends allerdings sind gegenläufig. Die linksextremen Straftaten scheinen zuzunehmen, die rechtsextremen abzunehmen. 2008 waren noch 19 894 Fälle mit rechtsextremem, dagegen nur 3124 Fälle mit linksextremem Hintergrund registriert worden. Ähnliches gilt für die Gewalttaten. Laut dem Bericht wurden 2009 1115 Gewalttaten mit linksextremistischem Hintergrund erfasst, 414 mehr als im Vorjahr. Das entspricht einer Steigerung um 59 Prozent. Die rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten gingen dagegen um 14,5 Prozent auf 890 erfasste Fälle zurück. 2008 war es noch zu 1040 solchen Fällen gekommen.

 Lohnende Observation

 Über die gewaltbereite linke Szene ist laut de Maizière noch immer zu wenig bekannt. Der Verfassungsschutz soll deshalb künftig Leitfiguren identifizieren und Kommunikationswege aufdecken, um das Gewaltpotenzial dieser Gruppen "perspektivisch bewerten" zu können. Die Observation der Linkspartei will der Verfassungsschutz nicht beenden, da es nach Auffassung des Verfassungsschutzpräsidenten Fromm in dieser Gruppe weiterhin zahlreiche Indikatoren für linksextremistische Bestrebungen gibt. Fromm stellte allerdings klar, dass seine Behörde keine Hinweise auf Verbindungen zwischen der Linkspartei und der militanten linken Szene gefunden hat.

 De Maizière wies darauf hin, dass nicht die Partei "Die Linke" als Ganzes, sondern lediglich einzelne ihrer Gruppierungen - so etwa die Kommunistische Plattform, die Sozialistische Linke oder das Marxistische Forum - observiert werden. Ob diese Praxis fortgesetzt wird, hängt wesentlich vom Grundsatzprogramm ab, mit dem sich die Parteibasis derzeit auseinandersetzt. Sollte sich die Linkspartei darin klar zur herrschenden Rechtsordnung bekennen, dürfte die Observation bald ausgesetzt werden. Im Programmentwurf, den die früheren Parteivorsitzenden Lafontaine und Bisky in diesem Frühling vorgelegt hatten, gibt es allerdings immer noch Formulierungen, die nur mit viel gutem Willen als Ausdruck einer demokratischen Grundhaltung gelesen werden können. Ende nächsten Jahres wird in einer Urabstimmung über den Programmentwurf entschieden.

 Die Drohungen der Kaida

 Aufmerksam verfolgt der Verfassungsschutz auch die militanten Islamisten. Laut de Maizière erreichte die islamistische Propaganda im Umfeld der Bundestagswahl im September und Oktober 2009 eine neue Qualität. Noch nie seien so viele auf Deutschland zielende Botschaften der Kaida und nahestehender islamistisch-terroristischer Organisationen via Internet verbreitet worden wie in diesen Monaten. Gedroht wurde mit Anschlägen; begründet wurden die Drohungen mit der deutschen Beteiligung an der Isaf-Mission in Afghanistan. Ziel der Aktionen war es offensichtlich, die Wähler zu beeinflussen.

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BIG BROTHER SATELIT
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Radio Dreyeckland (Freiburg) 22.6.10

Heimliche Überwachung von oben - Die Weltraummacht Europa und das Erdbeobachtungsprogramm GMES

Ab 2012 befördet die EU eine Reihe von Erbeobachtungssatelliten ins All, die auch europäische Polizeibehörden mit Bilddateien versorgen sollen. Mögliche Folgen: Heimliche Überwachung von oben, Migrationskontrolle und "Crowd Control" bei Demonstrationen.

Gebauter Beitrag mit O-Tönen von

Jörn Hoffmann (DLR)
Malte Lühmann (IMI Tübingen)
Matthias Monroy (telepolis)
http://www.freie-radios.net/mp3/20100622-heimlicheb-34721.mp3

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NEONAZIS LIECHTENSTEIN
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St. Galler Tagblatt 23.6.10

Rechte Aussteiger beraten

 vaduz. Die Liechtensteiner Regierung hat ihren Massnahmenkatalog gegen den Rechtsextremismus ergänzt: Aussteiger aus der rechten Szene sollen die Möglichkeit einer professionellen Beratung erhalten.

 Das gestern von der Regierung verabschiedete Konzept bietet Aussteigern aus der rechten Szene, Eltern von Szene-Angehörigen, Arbeitgebern und Lehrpersonen die Möglichkeit einer professionellen Beratung. Die neue Fachgruppe Rechtsextremismus erhielt den Auftrag, Helfer, die mit Rechtsextremismus konfrontiert sind, zu betreuen und ein Beratungsprogramm aufzubauen. Ausserdem genehmigte die Regierung eine fünf Jahre dauernde Leistungsvereinbarung mit dem Liechtenstein Institut in Bendern über ein Monitoring der Rechtsextremismus-Situation. Eine jährliche Berichterstattung soll eine Beurteilung über den Rechtsextremismus gewährleisten.

 Der harte Kern der rechten Szene im Fürstentum wird auf 30 bis 40 gewaltbereite Personen geschätzt. Neonazis erregten im Fürstentum in jüngster Vergangenheit immer wieder Aufsehen, sei es mit Schlägereien oder Brandanschlägen. (sda)

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Liechtensteiner Vaterland 23.6.10

Im Kampf gegen rechte Gewalt

 Wer zum ersten Mal ernsthaft mit dem Thema Rechtsextremismus konfrontiert wird, ist meist überfordert. Deshalb soll eine Fachgruppe nun professionelles Coaching und Beratung bieten. Dies ist eine weitereMassnahme der Regierung im Kampf gegen rechte Gewalt.

 Von Desirée Vogt

 Liechtenstein kämpft gegen den Rechtsextremismus: Mit den Brandanschlägen in Nendeln und der Verhaftung eines Verdächtigen hat das Thema in Liechtenstein mehr denn je an Aktualität gewonnen. Dies ist zwar nicht der Auslöser für die Massnahmen, die jetzt gegen rechte Gewalt getroffen werden. Dennoch hat der aktuelle Fall dafür gesorgt, dass der Kampf gegen Rechtsextremismus einen wichtigen Stellenwert erhalten hat. Nach der Sensibilisierungskampagne "Gemeinsam Gesicht zeigen gegen rechte Gewalt" hat die Regierung gestern neue Massnahmen beschlossen. Zum einen hat sie ein Beratungskonzept verabschiedet. Zum anderen wurde eine Leistungsvereinbarung mit dem Liechtenstein Institut in Bendern geschlossen.

 Ratsuchenden Unterstützung bieten

 Künftig sollen Aussteiger aus der rechten Szene, Eltern von Szenenangehörigen, Arbeitgeber, Lehrpersonen und Sozialtätige die Möglichkeit erhalten, sich professionell beraten zu lassen. Dazu wird eine neue "Fachgruppe Rechtsextremismus" gebildet, die aus Fachleuten aus dem psychsozialen Bereich besteht. Den Vorsitz übernimmt Ludwig Frommelt vom Amt für Soziale Dienste.

 "Wird jemand mit dem Thema konfrontiert, fühlt er bzw. sie sich meist unsicher. Und bis heute gab es keine fixe Anlaufstelle", erklärt Jules Hoch, Vorsitzender der Gewaltschutzkommission die Gründung der Fachgruppe. Das Beratungskonzept gehe davon aus, dass eine Gruppe von Leuten sich Fachwissen aneigne bzw. aufbaue und das Wissen im Sinne von Coaching weitergebe. "Zu Gunsten eines niederschwelligen Ansatzes wird bewusst auf die Schaffung einer speziellen Bereatungsstelle verzichtet", so Hoch weiter. Das bedeutet, dass Betroffene sich an eine Person ihres Vertrauens wenden sollen. Dieser wird dann seinerseits von der Fachgruppe gecoacht. Ein ähnliches Modell gibt es übrigens bereits im Bereich des sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen. Auch hier wurde eine Fachgruppe eingesetzt. Was den Aufbau des Fachwissens im Bereich Rechtsextremismus betreffe, so müsse sicher vorerst von einem Lernprozess gesprochen werden - auch was die Weitergabe und die Vermittlung des Wissens betrifft. Allerdings können laut Hoch bei Bedarf auch externe Experten beigezogen werden.

 Jährliche Berichterstattung

 Künftig soll sich auch das Liechtenstein Institut vermehrt mit dem Thema auseinandersetzen. Deshalb hat die Regierung vorerst für die Dauer von fünf Jahren eine Leistungsvereinbarung mit dem Institut abgeschlossen. Damit soll gewährleistet werden, dass eine regelmässige Berichterstattung und Dokumentation über relevante Themen und Vorfälle im Zusammenhang mit Rechtsextremismus durch eine unabhängige Einrichtung erfolgt. "Die jährliche Berichterstattung soll eine kontinuierliche Beurteilung der Rechtsextremismussituation in Liechtenstein ermöglichen, um rechtzeitig auf neue Entwicklungen reagieren zu können", schreibt die Regierung.

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pressetext.ch 22.6.10

Regierung verabschiedet weitere Massnahmen gegen Rechtsextremismus

 Vaduz (ots) - Vaduz, 22. Juni (pafl) - Ende März verabschiedete die Regierung einen Massnahmenkatalog gegen Rechtsextremismus (MAX). Im Sinne von Sofortmassnahmen beauftragte sie die Gewaltschutzkommission mit der Lancierung einer Sensibilisierungskampagne - sie läuft bereits seit Ende Mai unter dem Slogan "Gemeinsam Gesicht zeigen gegen rechte Gewalt" - und der Erarbeitung eines Beratungskonzepts für Aussteiger, Eltern und Sozialtätige. Zudem sollte eine Leistungsvereinbarung mit dem Liechtenstein-Institut über ein Monitoring des Rechtsextremismus in Liechtenstein abgeschlossen werden.

 In ihrer Sitzung vom 22. Juni 2010 hat nun die Regierung ein Beratungskonzept verabschiedet, das Aussteigern aus der rechten Szene, Eltern von Szenenangehörigen, Arbeitgebern, Lehrpersonen und Sozialtätigen die Möglichkeit professioneller Beratung bietet. Die neue Fachgruppe Rechtsextremismus, bestehend aus Fachleuten aus dem psychosozialen Bereich und unter dem Vorsitz von Ludwig Frommelt vom Amt für Soziale Dienste, hat den Auftrag, Helfer, die mit der Thematik Rechtsextremismus konfrontiert sind, zu coachen und Beratungswissen aufzubauen. Die Regierung verzichtet zu Gunsten eines niederschwelligen Ansatzes damit bewusst auf die Schaffung einer speziellen Beratungsstelle gegen Rechtsextremismus. Betroffene sollen sich an irgendeinen Berater ihres Vertrauens wenden können, der dann seinerseits von der Fachgruppe bei rechtsextremismusspezifischen Fragestellungen im Beratungsprozess gecoacht wird.

 Gleichzeitig hat die Regierung auch die Leistungsvereinbarung mit dem Liechtenstein Institut in Bendern zum Monitoring der Rechtsextremismussituation in Liechtenstein genehmigt. Mit der Leistungsvereinbarung werden die Dokumentation sowie die regelmässige Berichterstattung über relevante Themen und Vorfälle im Zusammenhang mit Rechtsextremismus in Liechtenstein durch eine unabhängige Einrichtung gewährleistet. Die jährliche Berichterstattung soll eine kontinuierliche Beurteilung der Rechtsextremismussituation in Liechtenstein ermöglichen, um rechtszeitig auf neue Entwicklungen reagieren zu können. Die Leistungsvereinbarung ist für die Dauer von fünf Jahren abgeschlossen und kann verlängert werden.

 Kontakt: Ressort Inneres Jules Hoch, Vorsitzender Gewaltschutzkommission T +423 236 78 70

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G8/G20-GIPFEL
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Newsnetz 23.6.10

"Eine bewaffnete Festung, wie ich sie noch nie gesehen habe"

afp / jak

 Die Ausrichtung des G-8- und G-20-Gipfeltreffens in Kanada verschlingt 130 Millionen Euro. Die Kosten für die Sicherheitsvorkehrungen übersteigen diese Summe um das Sechsfache.

 Kritiker werfen der kanadischen Regierung vor, sie habe bei der Planung der G-8- und G-20-Gipfel jedes Mass verloren. Für die Ausrichtung der beiden Gipfel von Freitag bis Sonntag sind umgerechnet 130 Millionen Euro veranschlagt. Für die Sicherheitsvorkehrungen ist zusätzlich die gewaltige Summe von 760 Millionen Euro vorgesehen. Um die Gipfelgäste zu schützen, setzt Kanada eine regelrechte Armee in Bewegung: Etwa 20'000 Sicherheitskräfte werden im Einsatz sein, kündigt die Polizei an.

 Die Einsatzkräfte müssen gleich zwei Tagungsorte schützen. Am Freitag und Samstag treffen sich in einem exklusiven Hotel am Ufer eines Sees nahe der Kleinstadt Huntsville die Chefs der G-8-Länder - also der sieben grossen Industrienationen und Russlands. Am Samstag und Sonntag soll der Kreis um die Staats- und Regierungschefs der wichtigsten Schwellenländer zum G-20-Gipfel erweitert werden. Weil dafür in der waldumrahmten Ortschaft Huntsville nicht genug Platz ist, verlagert sich das Gipfelspektakel in ein Konferenzzentrum in die mehr als 200 Kilometer entfernte Millionenstadt Toronto.

 "Wir mobilisieren Polizisten aus ganz Kanada"

 Um beide Tagungsorte haben die Organisatoren einen doppelten zaunbewehrten Sicherheitsring ziehen lassen. Kampfjets werden die Flugverbotszone über den Tagungszentren kontrollieren, Scharfschützen der kanadischen Armee mit Einsatzerfahrung in Afghanistan werden auf umliegenden Dächern Stellung beziehen, die Innenstadt von Toronto wird weitgehend abgeriegelt. "Wir mobilisieren Kräfte aus ganz Kanada", sagt Polizeisprecher Leo Monbourquette.

 Zahlreiche globalisierungskritische Gruppen haben für das Gipfelwochenende zu Kundgebungen in Toronto aufgerufen. "In der Mitte unserer Stadt bekommen wir nun eine bewaffnete Festung, wie ich sie noch nie gesehen habe", kritisiert Sid Ryan vom Gewerkschaftsbund der Provinz Ontario, der zu Demonstrationen aufruft. Das Baseballteam Toronto Blue Rays hat eigens ein geplantes Heimspiel verlegt, und örtliche Ladenbesitzer fürchten Einbrüche beim Umsatz. "Wir werden eine volle Woche lang keine Lieferungen bekommen", sagt Salik Raja, der einen Lebensmittelladen im Zentrum Torontos betreibt

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ANTI-ATOM
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L'Express/L'Impartial 23.6.10

VOTATION

 L'argent des FMB pour Mühleberg

 En novembre 2009, deux Vaudois sur trois s'étaient prononcés contre la prolongation illimitée de l'autorisation d'exploitation de la centrale nucléaire de Mühleberg à l'occasion d'une votation consultative. Une campagne dans laquelle BKW FMB Energie SA - dont le canton de Berne est actionnaire majoritaire - avait investi 500 000 francs, dénonçait le député Roland Näf (PS, Muri) dans l'interpellation qu'il avait déposée en décembre.

 "De tels financements sont incompatibles avec notre système démocratique", assénait l'élu. Il jugeait en effet inadmissible de voir les consommateurs d'électricité opposés à l'énergie nucléaire contraints de soutenir une propagande qu'ils désapprouvent en payant leurs factures d'électricité. En effet, rappelait l'auteur de l'interpellation, la plupart des Bernois sont pieds et poings liés avec les FMB en ce qui concerne leur fourniture d'électricité.

 Sur le fond, le gouvernement bernois est lui aussi d'avis que les FMB, majoritairement en mains publiques, "ne devraient pas financer de campagnes d'information et de communication lors de votations". Il indique que le conseil d'administration a fixé certaines règles en matière d'information lors de votation. S'agissant de la votation vaudoise, FMB affirme que sa direction était compétente.

 Le Conseil exécutif assure encore qu'il n'était pas au courant du demi-million investi dans la campagne. /pou-réd

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St. Galler Tagblatt 23.6.10

St. Galler Tagblatt SG-Stadt

 SP zieht Atom-Initiative nicht zurück

 In seiner Sitzung von vergangener Woche hat das Stadtparlament dem Gegenvorschlag des Stadtrats zur SP-Initiative "Stadt ohne Atom" zugestimmt. Dieser sieht vor, dass die Stadt den Bezug der Atomenergie schrittweise reduziert und spätestens bis ins Jahr 2050 den Atomausstieg realisiert hat.

 Auswahl für Stimmvolk

 Die SP schreibt nun in einer Medienmitteilung, sie nehme erfreut zur Kenntnis, dass sich infolge der SP-Initiative alle Fraktionen für einen Atomausstieg ausgesprochen hätten. Man erwarte nun, dass sich im Vorfeld der Abstimmung vom 28. November alle Parteien für den Gegenvorschlag einsetzen und so zu einem Ja an der Urne beitragen würden, heisst es weiter.

 Trotz der Unterstützung des Parlaments für den Gegenvorschlag sieht die SP aber keinen Grund, ihre Initiative zurückzuziehen. Obschon sich auch die SP-Fraktion im Parlament grossmehrheitlich für den Gegenvorschlag ausgesprochen habe, habe man beschlossen, die Initiative "Stadt ohne Atom" an die Urne zu bringen. Denn mit der gleichzeitigen Abstimmung über Initiative und Gegenvorschlag biete sich dem Stimmvolk die Gelegenheit, zwischen zwei Varianten des Atomausstiegs auszuwählen.

 "Vages Ausstiegsversprechen"

 Neben dem "vagen Ausstiegsversprechen" des Gegenvorschlages stehe somit ein konkreter Plan, heisst es weiter. Die Initiative verlangt, bestehende Verträge zum Bezug von Atomenergie nicht zu verlängern und keine neuen einzugehen. (pd/kl)

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Handelszeitung 23.6.10

Kein Geld für zweites AKW?

 Strom Zwei neue Kernkraftwerke braucht es, um die drohende Verknappung des Stroms abzuwenden. Doch jetzt irritiert der Stromriese Alpiq mit der Aussage, dass das Geld vorerst nur für eines reiche.

 Jürg Meier

 "Wir werden zwei Kernkraftwerke kaum gleichzeitig bauen können", warnt Kurt Baumgartner, Chief Financial Officer von Alpiq, dem grössten Elektrizitätsversorger der Schweiz. Laut Baumgartner ist der Schweizer Finanzmarkt zu klein, um gleichzeitig zwei der bis zu 9 Mrd Fr. teuren Werke zu verdauen. "Das spricht für eine zeitliche Staffelung der Projekte", so Baumgartner gegenüber der "Handelszeitung". Ein zweites Atomkraftwerk könnte erst nach Fertigstellung des ersten gebaut werden, also frühestens ab 2025. Damit zieht Alpiq die Machbarkeit der Neubaupläne ihrer Konkurrenten Axpo und BKW in Zweifel, die in Beznau und Mühleberg zwei Werke gleichzeitig errichten wollen. Axpo-CEO Heinz Karrer widerspricht Alpiq: "Die Finanzierung unserer beiden Projekte ist gewährleistet."

 MEHR ZUM THEMA

 • Interview Alpiq-CFO Seite 10

 • Die Reaktion der Axpo Seite 11

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Kernkraft Warum Axpo und BKW zwei Kernkraftwerke für finanzierbar halten | Welche Risiken aus Sicht der Banken bestehen | Weshalb die Strompreise steigen, wenn nur ein neues Kernkraftwerk gebaut wird

 Widerspruch von Axpo und BKW

 Finanzierung - Axpo-CEO Heinz Karrer widerspricht Alpiq: Die Finanzierung von zwei neuen Werken in der Schweiz sei "gewährleistet". Auch Experten halten den Bau von zwei Atomkraftwerken für möglich, Banken hingegen zeigen sich vorsichtig.

 Jürg Meier

 Drei Gesuche für den Bau neuer Atomkraftwerke liegen auf dem Tisch. Mindestens zwei Werke braucht es nach Einschätzung von vielen Experten, um der drohenden Stromverknappung in der Schweiz zu begegnen. Doch nun erklärt der Stromkonzern Alpiq, für den gleichzeitigen Bau zweier Werke fehle vorerst das Geld. Diese Aussage stösst bei der Konkurrenz und bei Energieexperten auf Skepsis.

 "Gute Schuldner"

 Axpo-CEO Heinz Karrer widerspricht Alpiq rundweg: Die Finanzierung der beiden von Axpo und BKW gemeinsam geplanten neuen Kernkraftwerke in Beznau und Mühleberg sei "gewährleistet"; laut Karrer sollen die beiden Werke praktisch gleichzeitig gebaut werden. Karrer hält den Schweizer Kapitalmarkt für genügend gross, die beiden Projekte zu finanzieren. Zudem ist für ihn der Zugang zum europäischen Kapitalmarkt eine "sehr reale Möglichkeit" - auch dies steht ganz im Gegensatz zur Ansicht von Konkurrentin Alpiq.

 Zweifel an den Aussagen von Alpiq äussern auch Energieexperten. "Aus unserer Sicht ist der Schweizer Finanzmarkt genügend gross, um gleichzeitig mehrere Kernkraftwerke zu finanzieren", erklärt Urs Näf von Economiesuisse. Die Rahmenbedingungen könnten in der Schweiz ja fast nicht besser sein, meint er: Das Land sei stabil, die Stromversorger gehörten mehrheitlich der öffentlichen Hand und hätten somit eine Staatsgarantie. "Ich wüsste kaum einen besseren Schuldner", meint Näf. Erteile das Volk den Kernkraftwerken grünes Licht, herrschten so gute Rahmenbedingungen wie in kaum einem anderen Land, so Näf. Sie seien darum eine sehr sichere Anlagemöglichkeit.

 Urs Meister, Energieexperte des Think Tanks Avenir Suisse, widerspricht Alpiq ebenfalls. Dass sich die Stromversorger bei der Finanzierung von Kernkraftwerken auf den schweizerischen Kapitalmarkt beschränken müssten, sei ein "krudes Argument", so Meister. Die Finanzmärkte seien heute ohnehin international ausgerichtet.

 Es stelle sich viel eher die Frage, so Meister weiter, ob sich in der Schweiz Kernkraftwerke ohne ausländische Beteiligung überhaupt realisieren lassen. "Die bislang in der Schweiz gebauten Kernkraftwerke sind deutlich kleiner als die jetzt geplanten. Sowohl beim Bau als auch beim Betrieb könnten Kooperationen mit ausländischen Partnern sinnvoll und nötig sein", sagt Meister. Für internationale Stromkonzerne wie EDF, E.on oder GDF sei eine Beteiligung interessant. Die Versorgungssicherheit - ein oft gehörtes Argument für neue Atomkraftwerke - wäre in einem solchen Fall nicht gefährdet. "Die Werke stehen ja in der Schweiz - und nur das zählt", so Meister.

 Urs Näf und Urs Meister vertreten die Meinung, dass die Schweiz zwei Atomkraftwerke brauche. Würde nur eines gebaut, stiege der Importbedarf längerfristig an. "Im Kontext des europäischen Grosshandels wären höhere Preise in der Schweiz die Folge", warnt Urs Meister. Im Marktgleichgewicht würde der Preis nach Ansicht von Meister auf das weit höhere italienische Niveau ansteigen - wie heute bereits während den Wintermonaten.

 Ein dicker Brocken

 Hinter vorgehaltener Hand räumen Kreditspezialisten allerdings ein, dass die gleichzeitige Finanzierung von zwei Kernkraftwerken ein grosser Brocken sei. Die Stromversorger müssen Geld aufnehmen, um nur schon auf das angestrebte Eigenkapital von 40% zu kommen. Und der gleichzeitige Bau von zwei Werken könnte die Kapitalbeschaffung auf dem eher kleinen Schweizer Markt zumindest verteuern, was wiederum die Rentabilität in Frage stellen würde. Weiche man hingegen nach Europa aus, müsse man mehr Zinsen bezahlen - und handle sich ein Währungsrisiko ein.

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 Ausgangslage

 Alte Kernkraftwerke müssen vom Netz

 Versorgung

Heute produzieren in der Schweiz fünf Kernkraftwerke Strom. Zudem hat die Schweiz das Recht, Energie von drei französischen Meilern zu beziehen. Voraussichtlich ab 2020 gehen die ersten Schweizer Anlagen vom Netz, zudem laufen erste Lieferverträge mit Frankreich aus.

 Ersatz

Derzeit liegen die Rahmenbewilligungsgesuche für drei Kernkraftwerke beim Bund: Alpiq will im Niederamt beim bestehenden KKW Gösgen ein neues Werk mit einer Leistung von maximal 1600 MW bauen. Zwei weitere Reaktoren planen die Axpo und die BKW gemeinsam, welche die Werke Beznau I und II sowie Mühleberg ersetzen wollen. Die beiden Kernkraftwerke haben eine Leistung von maximal je 1600 MW. Die Schweiz gehört zu einer Reihe von Ländern, die mehrere neue Kernkraftwerke planen (siehe Grafik).

 Anzahl

Doch wie viele Kernkraftwerke braucht es tatsächlich? "Für den Erhalt der Versorgungssicherheit in der Schweiz sind zwei Ersatzkraftwerke nötig", sagt Axpo-CEO Heinz Karrer. Darum, so Karrer, solle der Bundesrat in seiner Botschaft zu den Rahmenbewilligungsgesuchen den Bau von zwei Atomkraftwerken vorsehen, und nicht nur von einem.

 Reihenfolge

Welche der drei Projekte sollen gebaut werden? Axpo und BKW argumentieren mit der "natürlichen Reihenfolge": Die Kernkraftwerke sollen entsprechend ihrem Alter ersetzt werden, zuerst Beznau I und II (Axpo), dann Mühleberg (BKW) und zum Schluss Gösgen (Alpiq). Axpo und BKW wollen ihre beiden Werke laut Karrer ungefähr im Abstand von zwei Jahren bauen und sie im Zeitraum ab 2020 in Betrieb nehmen. Die beiden Werke sollen typengleich gebaut werden, um Synergien zu nutzen, so Karrer.

 Alpiq aussen vor

Alpiq würde sich zwar an den Projekten Beznau und Mühleberg beteiligen, gemäss dem Argument der "natürlichen Reihenfolge" wäre ihr Vorhaben in Gösgen aber wohl überflüssig. Alpiq behält ihr Projekt aber im Rennen - auch darum, weil eines der anderen scheitern könnte.

 Kosten

In Finnland steht der Reaktor Olkiluoto 3 im Bau (Bild). Er gilt den Kernenergiegegnern wegen Verzögerungen und Kostenüberschreitungen als Beweis dafür, dass Kernkraftwerke immer teurer werden, als ursprünglich geplant.

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Unternehmen

 Essay Walter Krämer über die fehlschlüsse der Kernenergie-Gegner

 Wer hat Angst vor dem AKW?

 Seit einem Vierteljahrhundert sehen sich die Betreiber von Kernkraftwerken als Krebsverursacher angeklagt. Nach einem von der Bundestagsfraktion der deutschen Grünen in Auftrag gegebenen neueren Gutachten gibt es etwa im Umkreis von Kernkraftwerken "signifikant" mehr Leukämie bei Kindern als anderswo. Auch verschiedene andere Studien kamen nach den in der Tat sehr auffälligen Häufungen von Kinderleukämie im Umkreis des Kraftwerks Krümmel in der Elbmarsch, das nach ähnlichen Häufungen um das Kraftwerk Sellafield in Grossbritannien das Thema auch in Deutschland in die Medien brachte, zu dem gleichen Resultat. Und schuld daran, so die Auftraggeber, sind natürlich die Kraftwerke selbst. "AKW erhöhen das Leukämierisiko", liessen die Grünen in einer Pressemitteilung verbreiten.

 Dieser Schluss aus den unbestreitbaren lokalen Häufungen ist falsch. Richtig ist allein, dass Leukämie bei Kindern weltweit sehr unregelmässig auftritt. Im Fachjargon der Epidemiologen spricht man auch von "Clustern". So ist etwa in gewissen deutschen Landkreisen die Leukämiehäufigkeit pro 1000 Kinder fast viermal so hoch wie in anderen, und längst nicht immer ist ein Kernkraftwerk in der Nähe. Und wo tatsächlich Kraftwerke und Leukämie zusammenfallen, sind vermutlich andere Ursachen dafür verantwortlich zu machen. So beobachtet man etwa bei erwachsenen deutschen Männern eine hohe negative Korrelation zwischen dem Einkommen und der Zahl der Haare auf dem Kopf: Je weniger Haare, desto mehr Geld. Aber nicht, weil Glatzen den beruflichen Aufstieg förderten, sondern weil mit wachsendem Alter die Haare ausfallen und das Einkommen steigt.

 Und so missachtet auch die Grünen-Leukämiestudie systematisch wichtige weitere Faktoren, die zu einer Häufung von Leukämiefällen bei Kindern führen können. In den USA zum Beispiel findet man eine fast doppelt so hohe Zahl an Leukämieerkrankungen bei weissen im Vergleich zu schwarzen Kindern.

 Und weltweit nimmt die Leukämiegefahr bei Kindern mit dem Einkommen der Eltern zu. Als Ursache wird vermutet, dass Kinder aus begüterten Verhältnissen isolierter aufwachsen und damit in frühen Jahren weniger Kontakte mit Altersgenossen und damit weniger Möglichkeiten zur Entwicklung von Antikörpern haben. In Schottland etwa beträgt die Differenz der Leukämieraten zwischen den reichsten und den ärmsten Gegenden unabhängig von Kernkraftwerken an die 50%. Auch scheinen abnormale Bevölkerungsbewegungen die Kinderleukämie zu fördern. Nach einer englisch-chinesischen Studie etwa hat die Kinderleukämie in Hongkong nach dem jüngsten Zuzug von Millionen Neubürgern spürbar zugenommen. Und in den USA gehen oft die lokalen Leukämieraten in die Höhe, wenn irgendwo ein neuer Luftwaffenstützpunkt eingerichtet wird. So wäre also auch bei Kraftwerken, in deren Nähe tatsächlich erhöhte Leukämieraten festgestellt worden sind, zunächst einmal festzustellen, ob dort auch andere Faktoren aus dem Rahmen fallen. Besonders auffällig ist dies beim Atomkraftwerk San Onofre in Südkalifornien, mit dem die ganze Grünen-Studie steht oder fällt - hier ist der Überhang der beobachteten über die erwarteten Leukämiefälle von allen betrachteten Kraftwerken am grössten. Aber in dieser Ecke Kaliforniens leben auch überdurchschnittlich viele reiche und mobile Leute. Und in der dem Kraftwerk am nächsten gelegenen Stadt San Clemente beträgt der Anteil der Afroamerikaner an der Gesamtbevölkerung weniger als 1%.

 Dagegen leben in dieser Gegend überdurchschnittlich viele Menschen mit hispanischem Migrationshintergrund. Und bei dieser Bevölkerungsgruppe ist die Leukämieanfälligkeit der Kinder am grössten: Laut Recherchen des amerikanischen National Cancer Institute erkranken pro Jahr 49 von 1 Mio spanischstämmigen Kindern und Jugendlichen unter 20 an Leukämie, verglichen mit 42 weissen und 26 schwarzen. Vermutlich würde man daher in der Gegend des Kraftwerks San Onofre auch dann mehr Leukämie beklagen, hätte man statt eines Kraftwerks dort einen Golfplatz angelegt. Schliesst man aber dieses Kraftwerk aus der Zusammenfassung aus und nimmt einige weitere, in der Grünen-Studie übersehene neuere Arbeiten mit auf, so verkehren sich die Aussagen der Studie in ihr Gegenteil. Wurden vorher bei Kindern unter fünf Jahren in der Nähe der betrachteten Kraftwerke weltweit 103 Leukämiefälle mehr gezählt, als zu erwarten waren, so sind es jetzt 40 Fälle weniger.

 Auch die Rolle des Zufalls ist nicht zu unterschätzen. Selbst bei Abwesenheit jeglicher Ursachen werden um einige Kraftwerke rein durch Zufall mehr Leukämiefälle auftreten als anderswo, bei anderen dagegen weniger. In den USA gibt es mehrere Atomkraftwerke, in deren Umgebung lange Jahre kein einziger Leukämiefall bei Kindern aufgetreten ist. Und auch in Deutschland liegen die Erkrankungsraten für Kinder bis 14 Jahre in der Nähe der Kraftwerke Brokdorf, Brunsbüttel, Grohnde, Gundremmingen, Stade, Philippsburg, Lingen und Würgassen unter dem Landesdurchschnitt. Dahinter steht wohl niemand anderes als der Zufall, genauso wie vermutlich auch hinter vielen der erhöhten Raten anderswo. Glückliche wie unglückliche Ereignisse sind nur selten gleichmässig verteilt; auch Lottogewinner sind in einigen Gegenden Deutschlands häufiger als in anderen, genauso wie Olympiasieger oder Beinprothesenträger.

 Die Grünen-Studie behauptet zwar mit viel statistischem Säbelrasseln, den Zufall als Ursache ausgeschaltet zu haben. Aber die Argumente überzeugen nicht. Es handelt sich hier um eine sogenannte Metaanalyse, die nicht Daten selbst erhebt, sondern vorhandene Studien zusammenfasst. Und das noch nicht einmal vollständig, eine Reihe von Negativresultaten fehlen, vielleicht waren sie den Verfassern der Studie nicht bekannt. Rechnet man dann noch hinzu, dass Negativergebnisse ("kein Effekt vorhanden") sehr viel schwerer den Weg in wissenschaftliche Journale finden als Studien, die irgendwelche Zusammenhänge herstellen, so bleibt von der behaupteten "Signifikanz" kaum etwas übrig.

 Und eine Kausalbeziehung wird erst recht nicht etabliert. Zwar weist das Gutachten selbst ausdrücklich darauf hin: "Aus den Ergebnissen einer Metaanalyse kann zweifelsohne keine Kausalbeziehung zwischen möglichen Emissionen der Kernkraftwerke und der ermittelten Risikoerhöhung abgeleitet werden." Aber dennoch wurde diese Studie sowohl von den Auftraggebern als auch von den Medien genau im Sinne dieser Kausalbeziehung interpretiert und als Argument gegen Kernkraft ausgenutzt.

 Spätestens hier entlarvt sich der zutiefst unwissenschaftliche Ansatz der Anti-Kernkraft-Lobby: Ein Wissenschaftler sucht die Wahrheit, ein Glaubender hat sie schon. Wissenschaftlich nachgewiesen ist allein, dass extreme Strahlendosen Krebs erzeugen. Im Normalbetrieb von Kernkraftwerken werden diese auch nicht annähernd erreicht. Und bei keinem der betrachteten Kraftwerke wurden jemals Strahlendosen registriert, die nach Mehrheitsmeinung aller Wissenschaftler, auch der meisten Kernkraftgegner selbst, auch nur ansatzweise Krebs erzeugen könnten. Was wirklich, wenn nicht der Zufall, hinter den erhöhten Leukämieraten in der Nähe ausgewählter Kernkraftwerke steht - das Immunsystem, die Gene, die Ernährung? -, ist derzeit noch nicht geklärt.

 Der bekannte amerikanische Mathematiker Alexander Dewdney hat die grünen Zahlentricks beim Konstruieren von Indizien gegen Kernkraft und die Scheinheiligkeit der darauf begründeten Argumente in seinem Bestseller "200% von nichts" einmal als "numerischen Terrorismus beim Atomkraftwerk" bezeichnet. Und so ist es auch: Die eigentliche Gefahr für unsere künftige Energieversorgung sind nicht irgendwelche Bombenleger aus dem Morgenland, sondern unwissenschaftlich argumentierende Anhänger eines vermeintlich wahren Glaubens, die in den Daten vorzugsweise das sehen, was sie sehen wollen.

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 Walter Krämer ist Professor für Wirtschafts- und Sozialstatistik an der Technischen Universität Dortmund. Daneben ist er Autor zahlreicher populärer Sachbücher, mit denen er die Bestsellerlisten erobert, unter anderem mit dem "Lexikon der populären Irrtümer". Damit löste Krämer eine Welle weiterer Irrtums-Lexika aus. Sein Werk "So lügt man mit Statistik" ist gerade in der elften Auflage erschienen. 1997 gründete Krämer den Verein Deutsche Sprache, als dessen Vorsitzender er sich besonders gegen die Verwendung von "Denglisch" einsetzt. Daneben ist Krämer Sprecher des Stiftungsvorstands der Stiftung Deutsche Sprache.

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KOMMENTAR

 Die Schweiz braucht zwei neue AKW

 Bisher war man davon ausgegangen, dass von den drei vorliegenden AKW-Projekten zwei realisiert werden und dass die entscheidende Frage sei, welche beiden Projekte das sind. Mit den brisanten Aussagen des Stromgigangen Alpiq ändert sich die Ausgangslage: Die Frage stellt sich nun auch, ob nur ein Atomkraftwerk gebaut werden kann, und ein zweites erst Jahre oder vielleicht Jahrzehnte später.

 Hinter den Aussagen von Alpiq steckt auch Kalkül. Ersetzen die Konkurrenten von Axpo und BKW zügig ihre Ende der 70er Jahre gebauten Kraftwerke in Beznau und Mühleberg, wäre Alpiq zwar finanziell am Neubau beteiligt. Doch der von Alpiq geplante Ersatz des rund zehn Jahre später gebauten Werks Gösgen wäre wohl endgültig vom Tisch, weil sich drei neue Kernkraftwerke in der Schweiz kaum realisieren lassen. Wird hingegen zu Anfang nur ein Kernkraftwerk gebaut, hat Alpiq mit seinem Standort Gösgen viel bessere Chancen.

 Manche mögen darum die von Alpiq angestossene Auseinandersetzung als Hahnenkampf unter den Stromriesen abtun. Doch das wäre übereilt: Man darf nicht so naiv sein zu glauben, dass sich in der Schweiz problemlos zwei der Milliardenprojekte realisieren lassen.

 Klar ist: Um die Strommengen zu ersetzen, die heute aus schweizerischen und französischen Atomkraftwerken fliessen, muss die Schweiz zwei neue Atomkraftwerke bauen. Scheitert sie an dieser Aufgabe, wird sie dauerhaft zur Stromimporteurin. Das hat viel höhere Strompreise zur Folge. Und es bringt uns in eine fatale Abhängigkeit vom Ausland: In der Not ist sich jeder selbst der Nächste und schaltet den Strom zuerst beim Nachbarn ab.

 Mit strategischem Geplänkel gefährden Politik und Strombranche Versorgungssicherheit und Preisstabilität. Ist die Finanzierung von zwei Werken tatsächlich gefährdet, dann müssen Lösungen her, und zwar sofort: Etwa, indem die Schweizer Stromfirmen ihren Anspruch aufgeben, die AKW ohne Beteiligung ausländischer Konzerne zu bauen. Oder indem sich Bund und Kantone dazu aufraffen, sich finanziell stärker zu beteiligen, um bei potenziellen Fremdkapitalgebern Vertrauen zu schaffen.
 Jürg Meier

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Bund 22.6.10

Regierungsrat will keine BKW-Abstimmungspropaganda

Im Zusammenhang mit der Volksabstimmung Ende 2009 im Kanton Waadt zur Betriebsverlängerung für das Kernkraftwerk Mühleberg wurde bekannt, dass sich die Betreiberin BKW mit 500 000 Franken im Abstimmungskampf engagiert hatte. Dass ein staatlicher Energiekonzern Abstimmungspropaganda betreibt, stiess den AKW-Gegnern im Kanton Bern sauer auf. SP-Grossrat Roland Näf lancierte daher einen Vorstoss, um solches in Zukunft zu verhindern. Gestern wurde die Stellungnahme der Regierung publiziert. "Der Regierungsrat ist klar der Auffassung, dass Unternehmen wie die BKW, welche mehrheitlich der öffentlichen Hand gehören, bei Abstimmungen grundsätzlich keine Kommunikationsmassnahmen finanzieren sollen", heisst es darin. Direkt verbieten könne er dies aber nicht, so der Regierungsrat. Er werde sich aber im Verwaltungsrat für Zurückhaltung einsetzen.

Soll dies Wirkung zeigen, muss sich der Regierungsrat sputen. Im Februar nächsten Jahres kann sich das Berner Volk zum Bau eines neuen Kernkraftwerks äussern. Die BKW hat bereits klar gemacht, dass sie in den Abstimmungskampf eingreifen will. (rw)

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BZ 22.6.10

Regierungsrat

BKW soll nicht für AKW werben

Zwischen Regierungsrat und dem Stromkonzern BKW bahnt sich ein neuer Streit an: Es geht um Abstimmungspropaganda.

"Auch der Regierungsrat ist klar der Auffassung, dass Unternehmen wie die BKW, welche mehrheitlich der öffentlichen Hand gehören, bei Volksabstimmungen grundsätzlich keine Informations- und Kommunikationsmassnahmen finanzieren sollen." Das schreibt die rot-grüne bernische Kantonsregierung in der Antwort auf einen Vorstoss von SP-Grossrat und -Vizepräsident Roland Näf (Muri). Der SP passt es überhaupt nicht, dass sich die BKW im vergangenen Herbst im Kanton Waadt in die Abstimmung über die unbefristete Betriebsbewilligung für das Atomkraftwerk Mühleberg eingemischt hat. Die BKW unterstützte die Pro-Kampagne mit 500 000 Franken. Die Regierung wusste davon im Voraus nichts. Die SP möchte der BKW derartige Propaganda verbieten - und erhält jetzt Unterstützung von der Regierung.

Regierung wusste nichts

Diese will sich im Verwaltungsrat der BKW "dafür einsetzen, dass die ‹Grundsätze zur BKW-Information bei Volksabstimmungen› durch den Verwaltungsrat überprüft werden". Diese Grundsätze hat der BKW-Verwaltungsrat 1987 erlassen. Sie sehen vor, dass die BKW die Bevölkerung vor eidgenössischen, kantonalen und kommunalen Volksabstimmungen informieren kann, wenn das Unternehmen betroffen ist.

BKW sieht sich im Recht

Die BKW denkt denn auch nicht daran, in Zukunft - insbesondere im Hinblick auf die Abstimmungen über den Bau eines neuen AKW in Mühleberg - darauf zu verzichten. Ende Mai sagte der abgetretene BKW-Verwaltungsratspräsident Fritz Kilchenmann im Abschiedsinterview mit dieser Zeitung: "Die BKW muss sich zwingend in den Abstimmungskampf einschalten." Der BKW könne dies gar nicht verboten werden, erklärte Kilchenmann: "Das Bundesgericht entschied mehrmals, dass sich Direktbetroffene bei Abstimmungen engagieren dürfen."

Aus der Antwort der Regierung auf Näfs Vorstoss geht weiter hervor, dass die BKW gemäss eigenen Angaben in den vergangenen Jahren keine Beiträge an politische Parteien oder Wahlkomitees bezahlt hat. Und der Stromkonzern will dies auch künftig nicht tun. Das ist im Sinne der Regierung, die sich im BKW-Verwaltungsrat auch dafür starkmachen will.

Der Einfluss der Regierung

Ihr Einfluss dort ist allerdings begrenzt. Der Kanton ist zwar mit einem Anteil von 52,5 Prozent Mehrheitsaktionär der BKW. Doch im Verwaltungsrat stellt er nur zwei der elf Sitze: mit Energiedirektorin Barbara Egger (SP) und Finanzdirektorin Beatrice Simon (BDP). Die Regierung schreibt denn auch, dass sie "über keine direkten Eingriffsmöglichkeiten" verfüge. Allerdings: Notfalls könnte sie den Verwaltungsrat auswechseln.

Seit Rot-Grün die Mehrheit im Regierungsrat innehat, gibt es immer wieder Konflikte zwischen Regierung und BKW. So intervenierte der Regierungsrat zum Beispiel 2008 scharf und forderte den Verzicht auf den Bau neuer Kohlekraftwerke.
drh