MEDIENSPIEGEL 2.9.10
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)
Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Kulturtipps (Kino, DS, GH)
- Reitschule bietet mehr: GLP-Nein; Hitparade, Baldachin
- (St)Reitschule: Ruhe vor der Antifasturmzeitungsente
- BernAktuell: gegen Antifademo, Wagenburg + Reitschule
- Fuchshess gegen alle(s): Antifademo, Wagenburg + Reitschule
- RaBe-Info 1.9.10
- Biennale "Wut"
- KuFa Lyss: Wiedereröffnung
- Squat ZH: 1993-2005; Luxusklinik Küsnacht wieder leer
- 30 Jahr Kaserne Basel: Kultur und K(r)ampf
- Big Brother Sport: Runder Tisch Fanarbeit; Hooligangesetz;
Polizeikosten Lakers
- Datenschutz und Gigantismus
- Weggesperrt: Kriminalisierung von Jugendlichen
- Drogen: Gassen-Bistrot Lausanne; Bussenmodel Hanfkonsum
- Sexwork: Einreisesperren illegal; Bger schützt
Strassenstrich
- ArbeiterInnen-Bewegung: Ostschweiz; Trotzki
- Novartis: Neue Anschläge
- "Eidgenossen": Böser Bube mit Rechtsparole
- Liechtenstein ganz rechts: Vergangenheitsbewältigung
- Stadtentwicklung: Hamburg wehrt sich
- Ausschaffungen: Verletzte Vorschriften
- Asyl: Griechenland-Connection
- Migration Control: Ghadhafis Service
- Anti-Atom: Bözberg; Ausstieg NW; Leibstadt; Mühleberg
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REITSCHULE
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Do 02.09.10
20.30 Uhr - Tojo - "Kurtli VII" Die Trash-Revue zum
verflixten Siebten
22.00 Uhr - Rössli - Roy de Roy (SL)
Fr 03.09.10
20.30 Uhr - Tojo - "Kurtli VII" Die Trash-Revue zum
verflixten Siebten
22.00 Uhr - Frauenraum - Popshop mit DJ Anouk Amok und
Support, Disco
22.00 Uhr - Dachstock - Wax Tailor (Lab?oratoire/FRA).
Support: TAKE
(Alpha Pup/USA), Studer TM (Bonzzaj/BE) - Hiphop, Triphop, Dub,
Electronica
Sa 04.09.10
0-24 Uhr - ganze Stadt - Aktionstag "Reitschule bietet
mehr" - siehe
Tagespresse und www.reitschulebietetmehr.ch
17.00 Uhr - Reitschule - Öffentliche Führung
durch die
Reitschule (Treffpunkt beim Tor)
20.30 Uhr - Tojo - "Kurtli VII" Die Trash-Revue zum
verflixten Siebten
22.00 Uhr - Dachstock - Benfay Plattentaufe "Hey, what?s
wrong baby!"
Live: Benfay (MPC, Synths), Simon Baumann (Drums) & Jan Galega
(Bassclarinet, Sax, Electronics) + Special Guests. DJs: Round Table
Knights & Jay Sanders - Electronica, Techno
So 05.09.10
09.00 Uhr - Grosse Halle - Flohmarkt und Brunch im
SousLePont bis 16.00
Uhr
13.30 Uhr - Kino - Kinderfilm am Flohmi-Sonntag: Pippi
Langstrumpf,
Olle Hellbom, Astrid Lindgren, S/D 1969
17.00 Uhr - Reitschule - Öffentliche Führung
durch die
Reitschule (Treffpunkt beim Tor)
20.15 Uhr - Kino - TATORT REITSCHULE:
Tatort-Direktübertragung (ab
19.00)
Infos:
http://www.reitschule.ch
http://www.reitschulebietetmehr.ch
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Schusswechsel in der Reitschule
In der Reitschule regiert das Verbrechen - zumindest im Kino.
Mit
Derrick, Tatort und Markus Imbodens "Mörder auf Amrum" huldigt die
Reihe "Tatort Reitschule" dem Krimi. Einen Seitenhieb auf die
Reitschule-Initivative will man sich nicht verkneifen.
Wenige Wochen vor der Abstimmung zur Reitschulinitiative tut
etwas
Zerstreuung inmitten des Kampfs um den Kulturort wohl. Lilo Spahr vom
Kino Reitschule hat gemeinsam mit Eva Hardmeier und Catherine Weber das
Programm "Tatort Reitschule" zusammengestellt, das sich mit dem
Filmgenre Krimi befasst. Als Tatort, als Ort des Verbrechens sehen die
Gegner die Reitschule, während sie für die Kulturszene als
Begegnungsort unerlässlich geworden ist. Ein Ort, an dem viel
Schräges Platz hat, was sich auch im Programm der
Veranstaltungsreihe zeigt. So flimmert am kommenden Sonntag
sinnigerweise der "Tatort" über die Leinwand des Reitschul-Kinos.
"Wir wollen zum gemeinsamen Fernsehschauen animieren", erklärt
Lilo Spahr. Die 1970 gestartete Fernsehproduktion ist die älteste
und beliebteste Krimireihe im deutschen Sprachraum. "Tatort-Fans gibt
es in allen Schichten der Gesellschaft, er verbindet die
unterschiedlichsten Menschen", ist Lilo Spahr überzeugt.
Tatort-Fans schätzten die Nähe zur Realität und die
authentischen Figuren.
Mord auf der Insel
Glaubwürdigkeit ist auch dem Filmemacher Markus Imboden
(siehe
Interview) sehr wichtig. Im Rahmen von "Tatort Reitschule" wird im
Beisein des Regisseurs sein Film "Mörder auf Amrum" gezeigt. Auf
der beschaulichen, kargen Nordseeinsel ist die Hölle los: Der
einfache Polizist Helge Vogt muss über sich hinauswachsen, denn
Mitglieder der russischen Mafia wollen eine Moldawierin umbringen, eine
Zeugin im Zeugenschutzprogramm, die sich auf die Insel
zurückgezogen hat. Hilfe vom Festland kann er wegen eines Orkans
nicht holen. Es gibt kein Entkommen.
Nonsensunterhaltung aus losem Mundwerk
Wenn es um Mord und Totschlag geht, darf natürlich auch der
für seine Tränensäcke, seinen BMW und seine Rolex
berühmte Kommissar Stephan Derrick nicht fehlen. Zwei
Derrick-Specials stehen auf dem Programm. Die Gruppe Sisters Funky
Tongue, bestehend aus den Bernerinnen El Khoury und Claudia Lozano,
werden alte Folgen mit dem Kultdarsteller Horst Trappert (1923- 2008)
live synchronisieren. Das Werkzeug der beiden Frauen ist ihr Mundwerk,
die Einsätze werden via Handzeichen oder Blickkontakt vereinbart.
Was entsteht ist "Nonsensunterhaltung" mit garantiert skurrilen
Momenten.
Der zweite Beitrag zu Derrick stammt von Michael Schaak. Seine
Comicverfilmung "Derrick - die Pflicht ruft" ist eine Parodie auf die
Vorlage. Auf Klamauk und Schenkelklopfhumor wird hierbei ebenso wenig
verzichtet wie in dem berühmten Film "Werner - Gekotzt wird
später!" des gleichen Regisseurs. Diesen Film darf man trotz
Schusswechseln getrost bereits ab sechs Jahren schauen.
Helen Lagger
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Kino in der Reitschule, Bern
Gemeinsam Tatort gucken: So., 5.9., 20.15 Uhr
Derrick-Special: Sa., 11.9., 20 Uhr
"Mörder auf Amrum": Do., 16.9., 19 Uhr
http://www.reitschulebietetmehr.ch
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Imbodens Western-Krimi
Markus Imboden, Ihr Film "Mörder auf Amrum" spielt auf
einer
Nordseeinsel. Was war das reizvolle an diesem Drehort?
Die Geschichte verlangt nach dieser Abgeschiedenheit, die den
Polizisten und die Killer einschliesst. Speziell an Amrum sind sowohl
die karge Landschaft wie auch die Verschlossenheit der Insel-Bewohner.
Das sind Flachländler, gewöhnt an die Launen der Natur, die
ein wenig den Berglern in der Schweiz ähneln.
"Mörder auf Amrum" wurde auch als Western bezeichnet. Wie
stark
halten Sie sich an Genre-Regeln?
Genre-Konventionen finde ich völlig blöd, dagegen
kämpfe
ich an. Sie nehmen jeder Geschichte die Möglichkeit, sich zu etwas
Spannendem zu entwickeln. Ich glaube, es sind eher die Kritiker, die in
Genres denken und nicht die Filmer und Schauspieler.
Was ist denn das Geheimnis einer guten Geschichte?
Der Plot muss simpel sein, so dass man sich auf die Figuren und
deren
Motive kümmern kann. Mir persönlich ist auch die
Glaubwürdigkeit sehr wichtig. Ich informiere mich bei der Polizei,
um deren Alltag zu verstehen, oder frage Mediziner, ob man bei einem
Schuss in dieses oder jenes Körperteil überlebt und wie die
Wunden aussehen.
Interview: hel
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kulturagenda.be 2.9.10
Kurtli-Ensemble mit neuem Theater im Tojo
Seine sieben Sachen packen, über sieben Brücken gehen,
ein
Siebensiech - die Zahl Sieben ist überall. Auch bei der Trashrevue
Kurtli: Es geht in die siebte Runde. "Das verflixte Siebte" heisst das
neue Stück der Berner Kunstschaffenden und ist ein Mix aus
schrägen, schrillen und manchmal auch schmerzhaften Nummern.
Kurtli macht vor menschlichen Abgründen nicht Halt und reisst sein
Publikum durch rasantes Tempo mit. Sensible Gemüter müssen
sich gut wappnen.
Tojo Theater in der Reitschule, Bern. Do., 2., Fr., 3. und Sa.,
4.9.,
20.30 Uhr
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Bund 2.9.10
Sounds Wax Tailor
Filmreife Grooves
Die Welt hätte nicht auf den Sommerhit 2010 warten
müssen, um die erfolgreiche Verquickung von retrophilen Samples
mit zeitgenössischer Musik zu erfahren. Denn einer hat das schon
lange vor den Machern von "We No Speak Americano" getan - und erst noch
besser. In Frankreich sind die Konzerte von Wax Tailor regelmässig
mehr als ausverkauft, spätestens seit 2005, als der Produzent sein
Album "Tales of the Forgotten Melodies" veröffentlichte, ein
Sampling-Prachtstück, das Filmmelodien und historische Soundfetzen
elegant mit Hip-Hop-Grooves unterfütterte - so hip hat "Que Sera"
noch nie geklungen.
Später verfolgte Wax Tailor sein Konzept der
historischen
Musik-Mélange, das er "Cinematic Hip-Hop" nannte, weiter in
Richtung Sixties-Soul. Und auf dem jüngsten Album "In the Mood for
Life" (2009) verquirlt Wax Tailor die verschiedenen Genres und
Zeitalter gar im selben Track. Nach Bern kommt Wax Tailor mit seiner
ganzen Band; als Ersatz für die früher angekündigten
Breakestra und Chali2na - was alles andere als eine
Verlegenheitslösung ist. (reg)
Reitschule Dachstock Freitag, 3. September, 22 Uhr. Zweiter
Live-Act:
Take (USA).
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BZ 2.9.10
Toptipps
Träumen mit Tailor
Wenn Wax Tailor in Frankreich ein Konzert gibt, ist es
ausverkauft. Seine Liveshows haben dort mittlerweile Kultstatus.
Hierzulande gilt der Songwriter allerdings noch als Geheimtipp. Seine
Musik basiert auf Einflüssen aus Soul, Funk, Hip-Hop und dem Pop
der 60er-Jahre. pdKonzert: Fr, 3. 9., 22 Uhr, Dachstock in der
Reitschule, Bern.
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Bund 2.9.10
Sounds Benfay
Kunst und Krempel
In einem Keller, zwischen Gerümpel und einer geerbten
Plattensammlung, entstand Benfays neues Album, auf dem der Elektroniker
ein Faible für Melodien zeigt.
Regula Fuchs
Man muss sich das etwa so vorstellen: Weihnachten, ein
idyllischer Ort in der Zentralschweiz, draussen Sonne, Schnee und See,
die Begleiterinnen sind auf Skitour - und der Musiker steigt ganz
alleine hinab in den Keller, um da zwischen Tonnen, Autoreifen und
Tennisbällen nach Klängen zu stöbern. So ist die
jüngste LP von Benjamin Fay, der sich als Künstler Benfay
nennt, entstanden. "Ich wollte schon immer ein Album auf diese Weise
entwerfen: irgendwo in der Abgeschiedenheit mit einem portablen
Aufnahmegerät Klänge suchen und daraus Musik bauen", sagt
Benfay. Als ihm eine Freundin anbot, ihr Haus in Wilen bei Sarnen
dafür zu nutzen, stand diesem Vorhaben nichts mehr im Wege.
Der Musiker und Produzent aus Bern, der neben seiner
Solo-Arbeit
auch bei Jagged und den Round Table Knights mittut, wusste, dass er
nicht der Erste ist, der mit vorgefundenen Klängen arbeitet. "Ich
habe mich immer ein wenig davor gescheut, da ein Matthew Herbert dieses
Verfahren zur Meisterschaft gebracht hat. Aber irgendwann dachte ich:
Egal, ich tu das, was ich tun will."
Ein Ohr für die Klassik
Benfay hat zunächst vor allem perkussives Material
zusammengetragen - erzeugt auf Gefässen verschiedenster Art - und
sich dann hinter die Plattensammlung der Hausherrin gemacht, die diese
von ihren Eltern geerbt hatte. "Darunter war viel klassische Musik, die
ich gesampelt habe", so Benfay. Und so kamen zu den knackenden,
knisternden Beats einige Melodiebögen - mal von einer
ätherischen Frauenstimme gesungen, mal in eine verschnupfte
Bassklarinette geblasen. Es ist kein Zufall, dass Benfay auf "Hey,
what's wrong baby!" (Everest Records) ein Ohr für die Klassik
beweist - das hat er schon seit seiner Ausbildung zum Kontrabassisten
am Konservatorium Bern.
Was jedoch genau von den gefundenen Platten stammt, welche
Melodien Benfay selber dazu geschrieben und aus welchen
Gegenständen er die Beats geklopft hat - das ist am Ende nicht
mehr herauszuhören. Was für den Urheber kein Problem ist:
"Mein Konzept bewährt sich für mich musikalisch. Ich empfand
es als extrem erfrischend, für einmal mit andersartigen Sounds zu
arbeiten." Zufrieden ist Benfay auch mit dem Resultat, er spricht sogar
davon, dass dieses Album der Höhepunkt seiner bisherigen
Solo-Arbeit sei. "Viele, denen ich die Musik vorgespielt habe, fanden
sie zugänglicher und weniger sperrig als mein voriges Album
‹Replay Life›. Und doch scheine ich meine eigene musikalische Ecke
gefunden zu haben."
Die Nische, die sich Benfay stilistisch zimmert,
fasziniert vor
allem dann, wenn er eine fragile Balance zwischen melodiöser
Schönheit und rhythmischer Gebrochenheit findet. So zerlegt er
etwa im Stück "Nice biscuits" den Klang einer traurigen Geige, um
deren klagende Melodie dann später unangetastet auszubreiten und
mit ratternden Beats zu unterlegen. Sowieso klingen viele der Tracks
wie aparte kleine Maschinen, die rattern, knacken, zirpen, klappern und
schnaufen. In Sachen Beat verfügt Benfay in der Regel über
mehr Geschmackssicherheit als in Sachen Melodik - gerade, wenn hohe
Frauenstimmen im Spiel sind.
Und dann ist da noch John Carpenters konsumkritischer
Sci-Fi
"They Live" aus dem Jahr 1988, den sich Benfay anschaute, um den
Albumtitel zu finden - was er in der allerletzten Szene auch tat. Zudem
hat das Stück "Obey" eine der versteckten Botschaften zum Titel,
mit denen Carpenters Aliens die Herrschaft über die Menschheit
gewinnen wollen. Bei Benfays wunderbar relaxtem Song könnte man
meinen, das sei schon geschehen. Und dass das gar nichts ausmache,
solange es solche Musik gibt.
Reitschule Dachstock Plattentaufe: Sa, 4. 9., 22 Uhr.
Gäste: Simon
Baumann, Jan Galega.
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kulturagenda.be 2.9.10
Benfay tauft im Dachstock sein neues Album
"Hey, what's wrong baby!" heisst das Album des Berner
Musiktüftlers Benfay. Darauf finden sich rohe Klänge aus
mehreren musikalischen Welten.
Jäger und Sammler
Als musikalischer Kopf der Round Table Knights hat sich Benfay
vor
allem in der Elektro-Musik einen Namen gemacht. Doch auf seinem Album
sind auch Einflüsse aus Jazz und Klassik zu hören - und viele
Gastmusiker.
Im Keller klopfte er hier auf eine Tonne, trommelte da auf einem
Plastikfass herum und nahm alle Geräusche und Klänge auf.
Für seine neuste Platte "Hey, what's wrong baby!" (Everest
Records) zog sich Benfay letzten Winter für zwei Wochen an einen
abgelegenen Ort in der Innerschweiz zurück. Mit dabei hatte er ein
Aufnahmegerät und einen Sampler, aber keinerlei vorproduzierte
Sounds. Die Klänge suchte er mit dem Aufnahmegerät in der
Hand im Haus zusammen: im Keller, in der Küche oder im Wohnzimmer
aus der Sammlung alter Klassikplatten. Mit diesem Material entwarf
Klangjäger und -sammler Benfay die vierzehn Tracks des Albums, die
er, zurück im Berner Studio, ausarbeitete. Eine Reihe von
Gastmusikerinnen und -musiker steuerten ihrerseits Melodielinien,
Klänge und Beats bei.
"Eine Art Schmelztiegel"
Entstanden ist so ein Album, das zwischen elektronischer Musik,
Jazz
und Klassik pendelt. Wohl fühlt sich Benfay in all diesen Welten.
Er studierte Kontrabass an der Musikhochschule, hat sich aber als
Produzent der Round Table Knights und als Mitglied von Jagged
insbesondere in der elektronischen Musikszene einen Namen gemacht. Von
den unterschiedlichen Einflüssen zeugen etwa der hymnische Opener
"Obey" und die klagende Geigenlinie auf "Nice Biscuits" oder die
nervösen Beats auf "No Thoughts". "Das Album ist eine Art
Schmelztiegel der verschiedenen Welten: der elektronischen, der
klassischen und der Jazzwelt", charakterisiert Benfay sein Album. Die
Instrumentalaufnahmen sind in der Regel unbeschönigt
wiedergegeben. Das ist in der elektronischen Musik eher
ungewöhnlich. Die Schlagzeugparts von Simon Baumann wurden in
voller Länge eingespielt und nicht etwa als Samples
zusammengebastelt.
So passt es auch, dass Benfay seine Musik nicht als Partymusik
für
die Tanzfläche verstanden wissen will, dazu ist sie zu
anspruchsvoll. "Die perfekte Umgebung für mein Album ist definitiv
das ruhige Wohnzimmer", meint er. "Am besten auf einer guten
Stereoanlage.
"
Dachstock heisst die gute Stube
Mit seinem heimeligen Holzgebälk ist der Dachstock der
Reitschule,
wo die Releaseparty über die Bühne geht, ein guter
Stuben-Ersatz. Mit dabei sind einige der auf dem Album vertretenen
Musikerinnen und Musiker: Der Klarinettist und Saxofonist Jan Galega
Brönnimann, Simon Baumann am Schlagzeug und die Sängerin
Gwendolyn Masin. Weitere Gäste, deren Namen Benfay noch nicht
verraten will, unterstützen den Produzenten ebenfalls. Benfay
freut sich auf jeden Fall schon jetzt darauf, "wenn die Stücke zum
ersten Mal über die Anlage donnern".
David Loher
\ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \
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Dachstock in der Reitschule, Bern Plattentaufe mit Benfay und
Gästen sowie den DJs Round Table Knights und Jay Sanders.
Sa., 4.9., 22 Uhr
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kulturagenda.be 2.9.10
Film & Musik 2010
In der Grossen Halle
Reitschule Bern
DO/09.09/20.30/PRAED trifft NORIENT: Audio-visuelle Performances
Die Norient Performance "SONIC TRACES: FROM THE ARAB WORLD"
SA/11.09/20.30/GRASS A Nations Battle for Life. USA 1925, R:
Merian C.
Cooper, Ernest B. Schoedsack
Dokumentarisch - Nomaden-Kino mit Live-Vertonung
SO/12.09/17.00/BISS ZUM ORIGINAL - NOSFERATU Berner Symphonie
Orchester
Stummfi lm mit Live-Musik
MI/15.09/20.00/Sextett TRAVESÍAS & Jugendorchester
und -chor
Escuela Paulita Concepción
Ergänzt mit visuellen Eindrücken der Probephase in
Havanna.
FR/17.09/20.30/Harakiri von Fritz Lang. Komposition und
Begleitung:
Marco Dalpane, Bologna
SA/18.09/16.00/Die Kleinen Strolche Kino für die Ohren und
Musik
für die Augen
SA/18.09/20.30/The General Buster Keaton und Musica nel buio,
Bologna
SO/19.09/20.00/SMS from Shangri-La Film und Konzert. Film:
Dieter
Fahrer und Lisa Röösli
Musik: Wege Wüthrich.
http://www.grossehalle.ch
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Blick 1.9.10
PEOPLE
VIP talk …
… mit Kasongo (29) Sänger der Gamebois
"Leute sollen Sex haben zu unserer Musik"
tino.bueschlen@ringier.ch
Kasongo, seit wann sind Sie wieder auf freiem Fuss?
Wie bitte? Ich war doch nie im Gefängnis. Das muss
sich um
ein böses Gerücht handeln.
Ich spreche Ihre Guerilla-Tour durch die Schweiz an.
Ah, okay. Das war schon abenteuerlich: In einer Woche
haben wir
in rund 20 Städten kurze Konzerte gegeben. Wir sind jeweils mit
einem Lieferwagen auf einem bevölkerten Platz vorgefahren, haben
die Plane raufgerollt und mit Band losgelegt.
Wie waren die Reaktionen?
Die Leute waren begeistert. Gestresste Geschäftsleute
haben
kurz angehalten, Japaner fotografierten wie wild und die Leute auf den
Balkons haben uns zugejubelt. Nur die Polizei war manchmal nicht ganz
so begeistert.
Gabs viele Bussen?
Es ist einiges zusammen gekommen. Das Schlimmste war, als
sie uns
in Zürich gedroht haben, die Instrumente zu beschlagnahmen, falls
wir wieder irgendwo in der Stadt unerlaubt auftreten würden.
Mit "Loops" haben Sie Ihr zweites Album aufgenommen. Was
kann der
Hörer erwarten?
Klassische Soul-Musik mit Ecken und Kanten und
elektronischen
Einflüssen. Produzent Pablo Nouvelle war zuständig für
die Beats, ich für die Texte.
Und was erhofft Ihr euch?
Dass "Loops" die Hörer in allen Lebenslagen begleitet
- auch
in den horizontalen. Die Leute sollen Sex haben zu unserer Musik. Am
liebsten den besten Sex ihres Lebens. Ich denke, dann haben wir etwas
richtig gemacht.
Loops
Gamebois, überall im Handel. Plattentaufe 11.
September,
Dachstock, Bern
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REITSCHULE BIETET MEHR
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Bund 2.9.10
GLP sagt Ja zur Kulturinstitution Reitschule
Die Grünliberale Partei (GLP) der Stadt Bern
empfiehlt
für die Abstimmungen vom 26. September ein Nein zum Verkauf der
Reitschule und ein Ja zur Kreditaufstockung Wankdorf City. Gemäss
Mitteilung zeichnet sich die "Kulturinstitution Reitschule" aus durch
ein "urbanes, vielseitiges Kulturangebot mit grosser Innovationskraft
und Ausstrahlung weit über die Stadt Bern hinaus". Die GLP
erwartet von den Reitschulbetreibern allerdings auch, "dass sie sich
als verantwortliche und verlässliche Partner verhalten". (pd)
---
Blick am Abend 1.9.10
Müslüm in der Hitparade
Hit -> Der Berner Komiker Müslüm stürmt auch
die
Schweizer Charts: Zweitbester Neueinsteiger.
Von Youtube, über den iTunes-Store direkt in die Schweizer
Hitparade. Ob politisch motiviert, wegen der Reithallen-Abstimmung oder
aus musikalischer Überzeugung - die Menschen lieben
Müslüm auch ausserhalb von Bern. Sein Anti-SVP-Song "Erich,
warum bisch du nid ehrlich?" entert die Schweizer Charts als
zweitbester Neueinsteiger hinter dem grossen US-Rapper Usher - Platz
46. In der Deutschschweizer Hitparade vom Sonntag figuriert der Hit
sogar auf Platz 34.
Müslüm ist begeistert, doch will er auf dem fliegenden
Teppich bleiben: "Nur weil ich jetzt in der Hitparade bin, macht mich
das noch lange nicht zu einem besseren Menschen. Viel wichtiger ist,
dass wir miteinander Liebe machen."
pp
---
http://www.hitparade.ch/showitem.asp?interpret=M%FCsl%FCm&titel=Erich%2C%20warum%20bisch%20du%20nid%20ehrlich%3F&cat=s
http://www.hitparade.ch/showitem.asp?titel=Reitschule+beatet+mehr&cat=a
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Bund 1.9.10
Reitschule
Eine Idee ad absurdum geführt: Reitschule-Aktivisten
versteigerten
gestern den Baldachin auf dem Berner Bahnhofplatz an den
Meistbietenden. Christian Brönnimann
Verkauft für sechs Milliarden
Führen Philosophen eine Aussage oder eine These "ad
absurdum", dann zeigen sie auf, dass aus ihr ein logischer Widerspruch
folgt. Daraus schliessen sie, dass die These unsinnig beziehungsweise
unwahr ist. Wie eine solche indirekte Beweisführung in der Praxis
aussieht, demonstrierten Aktivistinnen und Aktivisten aus dem Komitee
"Reitschule bietet mehr" gestern Mittag auf dem Berner Bahnhofplatz. In
Anlehnung an die SVP-Initiative zum Verkauf der Reitschule, über
die am 26. September abgestimmt wird, inszenierten sie eine - fiktive -
Versteigerung des Baldachins. Ziel der unbewilligten Aktion: sichtbar
machen, wie "absurd" es aus ihrer Sicht ist, die Reitschule an den
Meistbietenden zu veräussern.
Wer an der Versteigerung teilnehmen wollte, konnte sich
ein
Schild mit dem Logo eines Weltkonzerns oder dem Konterfei eines
SVP-Lokalpolitikers schnappen und in deren Namen mitbieten. Schnell
schnellte der fiktive Kaufpreis auf fünf, zehn, hundert Millionen
Franken. Passanten blieben stehen und fragten sich kurz, ob auf dem
"Vorplatz des Bahnhofs" (Zitat Auktionator) tatsächlich ein
Riesendeal eingefädelt wird - bis sie die pinkfarbenen
Reitschule-Flaggen am Auktionspodest erblickten. Derweil legten die
Bieterinnen und Bieter am Mikrofon dar, was sie mit dem Baldachin
anstellen möchten - neue Fenster für einen Firmenhauptsitz
herstellen, zum Beispiel. Erwartet wurden solche Ideen explizit nicht:
"Sie müssen keinen Plan haben, was sie mit dem Baldachin machen
wollen. Das Höchstgebot reicht, um ihn zu kaufen", mahnte der
Auktionator mehrmals lauthals.
Den Zuschlag erhielt zum Schluss übrigens ein
Konsortium von
UBS, BP und weiteren Konzernen. Nach über einer halben Stunde war
der Kaufpreis des Baldachins auf "absurde" sechs Milliarden Franken
gestiegen.
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BZ 1.9.10
Bahnhofplatz
Baldachin wurde "versteigert"
Das Komitee "Reitschule bietet mehr" will in den
nächsten
Monaten das Münster, den Zytglogge, das Bundeshaus und den
Bärenpark versteigern. An der gestrigen Versteigerungsaktion
"Heute der Baldachin - morgen die Reitschule?" auf dem Bahnhofplatz
musste der Baldachin "dranglauben". Mit dem höchsten Gebot an
Herzblut habe das Komitee den Baldachin gleich selbst ersteigert. Die
Aktion sei ein "voller Erfolg" gewesen.
pd
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20 Minuten 1.9.10
Baldachin kommt "unter den Hammer"
BERN. Zum Ersten, zum Zweiten, zum Dritten, verkauft: Das
Komitee
"Reitschule bietet mehr" hat gestern auf dem Bahnhofplatz den Baldachin
versteigert - allerdings nur symbolisch. Die Aktion ist Teil der
Mobilmachung gegen den Verkauf der Reitschule. Das Komitee will bis zur
Abstimmung am 26. September noch weitere Berner Wahrzeichen wie das
Münster oder den Bärenpark versteigern. Foto: nc
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BZ 1.9.10
"Subventionierter Terror"
Die Reitschule bietet Kriminellen als rechtsfreier Raum
nicht nur
ein "Versteck" vor der Polizei, sondern auch Kunst im Anblick des
Grauens: Abfall, der sich beim kleinsten Windstoss überall
verteilt, verwahrloste Junkies, Schlägereien,
blutüberströmte Opfer. Das diese "Kultur" nur dank
Steuergeldern überlebt, wundert niemand und stört die
Reitschüler noch weniger. Nur Eigentümer der Reitschule
können dafür zur Verantwortung gezogen werden - deshalb ein
Ja zur Reitschul-Initiative am 26. September 2010.
Mirjam Stähli Bern
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kanalk.ch 20.8.10
http://www.google.com/url?sa=X&q=http://kanalk.ch/Portals/0/Musikredaktion/Playhits/K-Tracks-Playlist%2520Woche%252034-2010.pdf&ct=ga&cad=:s7:f2:v1:d1:i1:lt:e0:p0:t1283335955:&cd=CKMZWX5j6jw&usg=AFQjCNELUBQ8x2J-_5rEtzfbINpH_AAh3g
K-Tracks-Playlist Woche 34 23.08.-29.08.2010
CH - ALBUM DER WOCHE
VARIOUS ARTISTS - REITSCHULE BEATET MEHR
Musik und Politik treffen sich immer dann, wenn Politiker Musik
verunmöglichen oder sie für Promotionszwecke nutzen wollen.
In Bern ist derzeit ersteres der Fall: Die unzähligen Underground-
Acts, die in und um die Berner Reitschule ihr musikalisches Daheim
haben, befürchten, dass Berner Stimmvolk wolle das Gelände
verkaufen. Deshalb erbeben sie - die Musiker, nicht die
Stimmbürger - jetzt ihre Stimme auf einer Compilation. Neben
Untergrund-Künstlern wie Reverend Beat Man, Lily Yellow, Copy
& Paste oder The Jackets haben auch zahlreiche bekannte(re) Namen
wie Tomazobi, Kummerbuben, Patent Ochsner, Sophie Hunger, Züri
West oder Kutti MC Songs zur Sammlung beigetragen. Insgesamt wurden 14
der 20 Songs extra für den Sampler released - und es sind ein paar
echte Trouvaillen darunter. (…) So wird "Reitschule beatet mehr"
definitiv zu einem Genuss auch für all jene, die weder in Bern
abstimmen können, noch sich für die örtlichen
politischen Ränkespiele interessieren. (Quelle: trespass.ch)
http://www.reitschulebietetmehr.ch
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Songtext + Klingelton
http://www.magistrix.de/lyrics/M%C3%BCsl%C3%BCm/Erich-Warum-Bisch-Du-Nid-Ehrlich-1086062.html
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(ST)REITSCHULE
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Bund 2.9.10
Antifa-Demo eine Woche nach Abstimmung
Negativschlagzeilen aus dem Umfeld der Reitschule sind
selten
geworden. Hat sich die Sicherheitssituation tatsächlich
entschärft oder herrscht bloss Ruhe vor dem Sturm wegen der
Abstimmung vom 26. September?
Christian Brönnimann
Das grosse, schwarze Transparent über dem Eingangstor
zur
Reitschule ist nicht zu übersehen. Es ruft zur Teilnahme am
Antifaschistischen Abendspaziergang vom 2. Oktober auf. Die 10. Ausgabe
der alljährlichen Demonstration gegen Faschismus und Kapitalismus
findet also just eine Woche nach der Abstimmung über den Verkauf
der Reitschule statt - so spät im Jahr wie noch nie zuvor. Ein
Zufall? "Bei der Wahl des Datums spielen verschiedene Faktoren eine
Rolle. Das Datum der Reitschul-Abstimmung war einer dieser Faktoren",
schreibt das Bündnis Alle gegen Rechts (BAgR) auf Anfrage. Seit
1990 organisiert das BAgR die Antifa-Abendspaziergänge. Nicht
immer blieb der Demonstrationszug so friedlich wie im letzten Jahr.
"Negative Schlagzeilen vermeiden"
Reitschul-Skeptiker befürchten, dass die derzeitige
Ruhe
rund um die Reitschule trügt. "Man bemüht sich, negative
Schlagzeilen vor der Abstimmung zu vermeiden", sagt FDP-Stadtrat
Philippe Müller. Dass der Antifa-Spaziergang erst am 2. Oktober
stattfinde, sei ein deutliches Anzeichen dafür. Auch von Angriffen
auf Blaulichtorganisationen bei der Reitschule höre man kaum mehr.
Dies stehe "ganz klar" im Zusammenhang mit der Abstimmung. Und es
zeige, dass die Verantwortlichen die Gewaltproblematik in den Griff
bekommen könnten, wenn sie denn wollten, so Müller. Dass
Linksautonome eher nach als vor Reitschul-Abstimmungen Probleme
bereiteten, habe die Vergangenheit gezeigt.
Tatsächlich ist der erste Antifa-Spaziergang nach der
letzten Reitschul-Abstimmung vom November 2005 (siehe Kasten)
gründlich aus dem Ruder gelaufen. Am 1. April 2006 lieferten sich
Demonstranten eine wüste Strassenschlacht mit der Polizei, nachdem
der Umzug im Jahr zuvor ohne grössere Zwischenfälle verlaufen
war. Berns Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP) schlägt die
Bedenken der Skeptiker aber in den Wind: "Objektiv gesehen gibt es
keine Anzeichen dafür, dass ein erhöhtes Eskalationspotenzial
besteht." Die derzeitige Situation rund um die Reitschule bezeichnet
Nause als "stabil und deutlich besser als vor zwei Jahren". Der Kontakt
zwischen Stadt und Reitschule habe sich bewährt und funktioniere
gut. Dass dies nur wegen der bevorstehenden Abstimmung so sei, "ist
pure Spekulation".
Die Kantonspolizei gibt keine Auskünfte darüber,
wie
sie die aktuelle Situation im Perimeter Schützenmatte beurteilt.
Auch Zahlenmaterial zur Anzahl der Einsätze in diesem Gebiet ist
nicht erhältlich. Ein Indiz dafür, dass es rund um die
Reitschule ruhiger geworden ist, liefert die Sanitätspolizei. Vor
genau zwei Jahren wurde ein Fall bekannt, in dem sie nur unter dem
Schutz von zwei Polizeipatrouillen auf die Schützenmatte hat
ausrücken können. Auch von Angriffen auf die Feuerwehr war
damals die Rede. Im ganzen letzten Jahr habe bei der Reitschule nie
Polizeischutz angefordert werden müssen, sagt
Sanitätspolizei-Kommandant Peter Salzgeber heute. "Wir haben
unsere Arbeit immer uneingeschränkt verrichten können."
"Taktische Unterstellung"
Die Reitschule selber reagiert gelassen auf die Vermutung,
dass
die derzeitige Ruhe der Abstimmung zu verdanken ist. "Das ist eine
abstimmungstaktische Unterstellung der Bürgerlichen", schreibt die
Mediengruppe auf Anfrage. Gleichzeitig stellt die Mediengruppe klar:
"Wir haben in den letzten Jahren wiederholt darauf hingewiesen, dass
die Reitschule ein Kultur- und Begegnungszentrum ist und kein Ort
für Strassenschlachten (...) sein will. In der Regel wurde dieses
Anliegen von den meisten Teilnehmenden nach Demos auch respektiert." In
die Organisation des Antifa-Spaziergangs sei die Reitschule nicht
involviert, sie unterstütze den Spaziergang aber inhaltlich. Zur
allgemeinen Verbesserung der Situation auf dem Vorplatz hätten
dessen Belebung durch Aktivitäten der Reitschule und die
Gespräche mit der Stadt beigetragen.
Demo-Verhandlungen laufen
Laut der Berner Orts- und Gewerbepolizei besteht
übrigens
bereits Kontakt mit dem Bündnis Alle gegen Rechts. Über die
Bedingungen für den Abendspaziergang werde verhandelt, sagt der
stellvertretende Leiter Roland Thür. Das Bündnis seinerseits
schreibt, dass es kein Bewilligungsgesuch einreichen werde.
--
Reitschule: Fünf Abstimmungen in 20 Jahren
Am 26. September stimmen die Bernerinnen und Berner
über
eine Initiative der SVP ab, die die Schliessung und den Verkauf der
Reitschule "an den Meistbietenden" verlangt. Stadtrat und Gemeinderat
haben sich klar gegen die Initiative ausgesprochen. Das Stimmvolk
seinerseits hat die Reitschule seit 1990 bereits vier Mal
unterstützt:
2. Dezember 1990: Per Initiative fordert die Nationale
Aktion den
Abbruch der Reitschule. An deren Stelle soll ein Sportzentrum
entstehen. Die Initiative erleidet Schiffbruch bei einem
Nein-Stimmen-Anteil von 57,6 Prozent.
13. Juni 1999: Der Sanierungskredit für die
Reitschule
findet bei der Bevölkerung eine äusserst knappe Mehrheit - 85
Stimmen machen den Unterschied. Damit stehen der Reitschule 7,7
Millionen Franken zur Verfügung, um die Gebäudehülle und
die Infrastruktur zu erneuern. Bereits vier Jahre zuvor hatte der
Stadtrat einen Sanierungskredit von 1,5 Millionen Franken gesprochen.
24. September 2000: Die Volksinitiative "Reitschule
für
alle" wird wuchtig, mit mehr als einer Zweidrittelmehrheit abgelehnt.
Als Alternativnutzung hatten die Initianten ein Einkaufszentrum
vorgeschlagen. Der Titel des "Bund"-Kommentars nach der Abstimmung:
"Und sie lebt halt doch".
27. November 2005: Die Initiative "Keine Sonderrechte
für
die Reitschule" verlangt, dass die Reitschüler für das
Gebäude ortsübliche Mietzinse und Nutzungsgebühren
bezahlen müssen. 65 Prozent der Abstimmenden sagen Nein dazu.
Dieses Mal betitelt der "Bund" den Kommentar mit: "Das wars dann wohl."
Er hat nicht recht behalten. Keine drei Jahre später beginnt die
Unterschriftensammlung für die aktuelle Initiative. (bro)
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FUCHS-HESS
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bernaktuell.ch 2.9.10
Pressemitteilung vom 2. September 2010
Vereinigung BernAktiv greift ein: Verbot der Antifademo,
Entfernung der
Wagenburg im Wankdort und Inseratekampage JA zur Räumung der
Reitschule
Die Vereinigung BernAktiv hat mit grossem Befremden zur Kenntnis
genommen, dass die linksautonome Wagenburg mit ihren abgefrackten
Wohnwagen und Traktoren wieder im Wankdorf aufgetaucht ist und dort
erneut ohne jegliche sanitären Einrichtungen haust. Das bereits
viele Monate dauernden Katz- und Mausspiel muss nun durch die
zuständigen Behörden endlich beendet werden, bevor es
vollends zu einer Kapitulation der Behörden vor einer Horde linker
Jugendlicher wird.
Die Vereinigung BernAktiv wird als Zeichen des Protestes gegen
diese
dauernden Provokationen aus dem Umfeld der Reitschule die Kampagne
für ein JA zur Räumung und zum Verkauf der Reitschule
mit 10‘000 Franken unterstützen und wird dazu mit Bärni dem
Strassenwischer eine Inseratekampagne mitfinanzieren. Der Schandfleck
Reitschule als erster schäbiger Eindruck von Bern für alle
Zugsreisenden muss endlich und endgültig beseitigt werden.
Eine Woche nach der Abstimmung ist bereits eine
ANTIFA-Demonstration
angesagt. Diese Unverfrorenheit seitens der Reitschulaktivisten ist
inakzeptabel. Die Vereinigung BernAktiv fordert den Gemeinderat der
Stadt Bern sowie die Polizei auf, diesen Saubannerzug durch die Stadt
Bern nicht zu bewilligen und notigenfalls polizeilich aufzulösen.
Die Unternehmen der Stadt Bern werden aufgefordert, ihre Geschäft
gegen die Antifa-Demo zu schützen.
Bärni, der Strassenwischer
http://www.bernaktuell.ch/
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RABE-INFO
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Mi. 1. September 2010
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_1._September_2010.mp3
http://www.rabe.ch/nc/webplayer.html?song_url=uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_1._September_2010.mp3&song_title=RaBe-%20Info%201.%20September%202010
- Geologische Tiefenlager für radioaktive Abfälle -
Öffentliche Anhörung beginnt
- Riesige Süsswasserfische in Gefahr - China gefährdet
Biodiversität mit dem Bau eines neuen Staudamms /
- Im Frauenraum der Berner Reitschule
Links:
http://www.radioaktiveabfaelle.ch/anhoerung
http://www.atommuell.ch
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BIENNALE
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Bund 1.9.10
Berner Kunstfestival setzt auf starke Emotionen
"Wut": So lautet das Thema der Biennale Bern 2010 von 10.
bis18.
September.
Alexander Sury
Hier hat jemand gewütet: Im Foyer des Berner
Stadttheaters
stehen kaputte Sofas und ramponierte Stühle neben den gediegenen
Plüschmöbeln, der repräsentative Spiegel ist zum Teil
mit Karton überklebt. Hier entsteht das Festivalzentrum der alle
zwei Jahre durchgeführten Biennale, die "Bar Rage", wo jeweils ab
21.30 Uhr ein Late-Night-Programm (u. a. mit Greis und Mani Porno) auch
junges Publikum anziehen soll.
"Wut hat heute einen schlechten Ruf", stellte Roman
Brotbeck, der
Leiter des Kuratoriums der Biennale Bern, anlässlich der
Programmpräsentation fest. Auch von der Kultur erwarte man eher
"Abgehobenes als die schonungslose Direktheit eines Wutausbruchs".
Brotbeck betonte, dass das Biennale-Festival seit seiner Erstausgabe
2001 - damals noch schwerpunktmässig der Musik gewidmet - in Bern
ständig an Akzeptanz bei grossen und vielen kleineren
Kulturinstitutionen vom Stadttheater über das Symphonieorchester,
Kunstmuseum, Zentrum Paul Klee bis zum Schlachthaus-Theater und der
Dampfzentrale gewonnen habe: "Es geht den Beteiligten für einmal
um den Austausch und eine Bündelung der Kräfte."
Willkür und Rachedurst
Zwischen 80 und 90 Prozent des Budgets der Biennale
stellen denn
auch die beteiligten Institutionen. Im Programm der Ausgabe 2010 machen
die musikalischen Produktionen noch gut ein Viertel aus.
Stadttheater-Intendant Marc Adam, seines Zeichens auch Präsident
des Vereins Biennale Bern, hatte vor zweieinhalb Jahren den Anstoss
gegeben, das Thema "Wut" für die Ausgabe 2010 zu wählen. Als
Schweizer Erstaufführung schlug er die Oper "Wut" des Basler
Komponisten Andrea Lorenzo Scartazzini vor. Auf der Suche nach einem
"archaischen Stoff" stiess Scartazzini auf die verbürgte
Geschichte des späteren portugiesischen Königs Pedro I., der
im 14. Jahrhundert nach dem gewaltsamen Tod seiner Geliebten zu einem
schrecklichen Rachefeldzug aufbrach. Aus der historischen Tragödie
öffnet das Werk mit einer "zeitgenössischen Musiksprache" den
Blick in die Gegenwart schrankenlos wütender Diktatoren.
Der Willkür sind auch die "modernen Sklaven" oft
ausgeliefert. In einem dreiteiligen, aus einem Film-, Tanz-, Musik- und
Sprechtheater bestehenden Projekt "To Serve" - mit den Spielorten
Dampfzentrale, Kino im Kunstmuseum und Haus der Universität -
setzen sich die Choreografin Simone Aghterlony und der Filmemacher
Jorge León mit Dienstverhältnissen aller Art auseinander.
"Anger Release Machine"
Die Künstlergruppe "400asa" präsentiert ein
Projekt,
das vom Film "La Céremonie" von Claude Chabrol inspiriert ist,
im Schlachthaus-Theater beginnt und als mobile Theaterperformance im
Stadttheater endet. Ein Stadtrundgang der besonderen Art unternimmt der
Verein Stattland, der "Wutschichten" freilegt und an Orte führt,
die in der Vergangenheit Debatten provozierten.
Ein weiterer "wütender" Höhepunkt ist die
Projektion
des Stummfilmklassikers "Nosferatru" mit Livemusik des Berner
Symphonieorchesters. Im Schlachthaus-Theater erforscht das Stück
"Explodierende Innereien", ausgehend von Interviews, das Spektrum
Berner und internationaler Wut. Das Kunstmuseum Bern und das Zentrum
Paul Klee zeigen ausgewählte Kunstwerke zum Thema "ira" (Zorn,
Wut) aus der gemeinsamen Ausstellung über die sieben
Todsünden (ab 15. Oktober). Und im Botanischen Garten kann Gross
und Klein "wütenden Pflanzen" wie der Tollbeere oder dem
Stinkteufel begegnen.
Roman Brotbeck hofft, dass es der Biennale mit ihrem
Programm
gelingt, "die Liebhaber der unterschiedlichen Kunstsparten
zusammenzubringen und in fruchtbare Dialoge zu verwickeln". Zu einem
Publikumsmagneten könnte die "Anger Release Machine" avancieren,
die, an einen Selecta-Automat erinnernd, im Stadttheater auf Kundschaft
wartet. Angestaute Wut findet hier ein Ventil, indem nicht etwa
Süssigkeiten, sondern Geschirr und Gläser zum lustvollen
Zerschlagen im Angebot sind.
http://www.biennale-bern.ch
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KUFA LYSS
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BZ 2.9.10
Festival zur Eröffnung
Jetzt hat Lyss seine Kulturfabrik zurück
Das Seeland hat wieder eine Kulturfabrik (Kufa). Das neue
Konzertlokal in Lyss wird mit einem dreitägigen Festival
eröffnet.
Vor über drei Jahren musste die Kulturfabrik Lyss
ihre Tore
schliessen. Nach einer knapp einjährigen Bauphase wird die
Kulturfabrik nun wiedereröffnet. "Mit dem Eröffnungsprogramm
wollen wir die kulturelle Vielfalt aufzeigen, die nachher in der Kufa
geboten wird", erklärt der Leiter Ben Arn. Von Rock über
Hip-Hop bis Theater soll in der neuen Veranstaltungshalle alles geboten
werden.
Die Kulturhalle ist zwischen einer bestehenden Baumallee
und
einem kleinen Waldstück eingebettet. Der Bau mit einer Halle
für 700 Personen und einem Club für 200 Besucher liegt im
Erdgeschoss. Die Wandelhalle im 1. Obergeschoss dient, nebst der
farbigen Fernwirkung, als unbeschallter Aufenthaltsraum. Zurzeit ist
sie nicht beheizt und gilt daher als regen- und windgeschützter
Aussenraum.
Das neue Gebäude liegt direkt an der Autobahnausfahrt
Lyss-Nord. Für Gäste stehen Gratisparkplätze zur
Verfügung. Für Konzertbesucher ohne Auto befindet sich die
Moonliner-Haltestelle der Linie Bern-Biel (M10) vor der Kulturfabrik.
Am dreitägigen Eröffnungsevent treten heute
Männer
am Meer auf. Gefolgt von den Bernern Round Table Knights und dem
Emmentaler Duo Wooden Travel. Das Highlight am Freitag, 3. September,
sind Dog Eat Dog aus den USA. Im Vorfeld werden Steff la Cheffe, The
Mahones aus Kanada, Hiliyuma aus der Region und Red Charly aus
Zürich auf der Kufa-Bühne stehen. Der letzte Festivaltag,
Samstag, 4. September, wird von dem DJ-Duo Smith & Smart, der
deutschen Band Caracho, der Soultruppe The Gamebois, der Reggae-Combo
Team an Faiah und weiteren Bands aus der Region bestritten.
Tickets für die Eröffnungsfeier sind als
Einzeltageseintritte ab 19 Franken oder als Dreitagepass für 59
Franken bei Starticket erhältlich. Ein Tag vor der Eröffnung
hat die Kufa bereits mehrere Hundert Tickets verkauft.
Martina Maurer
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SQUAT ZH
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Indymedia 1.9.10
Hausbesetzungsbewegung 1993 bis 2005 (Teil 5 der Serie)
AutorIn : Nick W.: http://fm5ottensheim.blogspot.com
Nach der Räumung der Wohlgroth am 23. November 1993, bei
der "das
ganze Arsenal militärisch-polizeilicher Gewaltmittel in einem
Ausmass [eingesetzt wurde], dass damit für die Schweiz neue
Massstäbe gesetzt wurden", kam es zwei Nächte lang zu
gewalttätigen Protesten mit über einer halben Million Franken
Sachschäden in der Innenstadt. Die gewalttätigen Proteste
wurden von manchen Zeitungen übrigens schon vor deren Eintreten
"herbeigeschrieben". (Stahel, S. 334; Zitat aus Flugblatt "Alles wird
Wohlgroth", Dezember 1993, nach Stahel, S. 356) Zahlreiche
Tageszeitungen berichteten über die Räumung und die
Ausschreitungen, die Rede war teilweise auch von "Berufs-Chaoten aus
dem Ausland" (wohl eine Abwandlung des bei reaktionären
Kräften und Medien allseits beliebten "deutschen
Berufsdemonstranten").
Zu Teil 5 der Serie "Wohnungsnot und Hausbesetzungen in
Zürich":
http://fm5ottensheim.blogspot.com/2010/09/wohnungsnot-und-hausbesetzungen-in.html
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Tagesanzeiger 1.9.10
Besetzer von Küsnachter Klinik zogen ab
Pünktlich zum Ablauf des Ultimatums haben die
Besetzer der
Raphael-Klinik das Gebäude übergeben. Die Eigentümer
verlangen jetzt mehr Polizei-Patrouillen.
Von Lorenzo Petrò und Patrik Berger
Küsnacht - Wie die typischen Hausbesetzer aus der
linken
Szene benahmen sich die zehn Künstler bei ihrem erzwungenen Auszug
aus der Küsnachter Raphael-Klinik nicht. Gestern Abend um 17.30
Uhr, eine halbe Stunde vor Ablauf des Ultimatums, trugen sie
Abfallsäcke zum Container im Hof, fein säuberlich mit
Küsnachter Gebührenmarken versehen. "Sie benehmen sich
vernünftig", rapportierte Hauswart Walter Tinner.Ihn hatte Beat
Badertscher, der Verwaltungsratspräsident der Klinik Pyramide am
See, der Eigentümerin der Raphael-Klinik, zur Kontrolle
hergeschickt. Auch den Schlüssel, über den die Besetzer
verfügten, erhielt Tinner zurück.
Wie sie zu dem Schlüssel gekommen seien, wollten die
Besetzer nicht sagen. "Wir haben aber fest damit gerechnet, im Haus
vorübergehend wohnen und arbeiten zu dürfen", sagte der
Sprecher der Truppe. "Sonst hätten wir die Klinik nicht besetzt."
Man habe seit dem Einzug Ende Juli viel investiert und diverse
Handwerker ins Haus bestellt.
Nächste Besetzer stehen bereit
Dass die Küsnachter Baukommission die Pläne der
Besitzer und Besetzer als nicht zonenkonform zurückwies (TA vom
13. 8.) habe beide überrascht. Die von den Besitzern gesetzte
Auszugsfrist sei danach zu kurz gewesen, um einen alternativen
Nutzungsvertrag auszuhandeln. Ein Anwalt hätte bereits einen
Vertrag zur zonenkonformen Nutzung der leer stehenden Klinik als reines
Atelier aufgesetzt gehabt. "Wir hätten sie gerne als
Sommerakademie für Künstler genutzt und Lesungen
organisiert." Die nächsten Besetzer würden nun bestimmt bald
einziehen.
"Gestern Nacht wurde eine Scheibe eingeschlagen. Die sind
bestimmt am Auskundschaften", sagt der Sprecher der abgezogenen
Klinik-Besetzer. Badertscher hat noch gestern die Schlösser
ausgewechselt. Er fordert jetzt von der Gemeinde regelmässige
Polizei-Patrouillen.
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Zürichsee-Zeitung 1.9.10
Küsnacht Kunststudenten verlassen Klinik St. Raphael nach
einmonatiger Besetzung
Besetzer halten ihr Versprechen
Die Klinik St. Raphael steht wieder leer. Fristgerecht
haben die
zehn Besetzer aus der Kunstszene das Feld geräumt.
Daniel Fritzsche
Gerade mal einen Monat hat die Besetzung der
altehrwürdigen
Klinik St. Raphael in Küsnacht gedauert. Zehn Kunststudenten
nutzten die ehemalige Privatklinik währenddessen als "Lebens- und
Arbeitsraum" - zu Unrecht, wie die Gemeinde Küsnacht deutlich
machte. Aus baupolizeilichen Gründen sei eine Wohnnutzung strikt
verboten.
Die Eigentümerin der Liegenschaft, die Zürcher
Pyramide-Gruppe, gab den Besetzern bis 31. August Zeit, das Feld zu
räumen. Die Kunststudenten willigten ein. Wie ein Augenschein vor
Ort zeigte, haben sich die Hausbesetzer an die Abmachung gehalten.
Die Hausregeln befolgt
Bereits gestern Mittag stand die Klinik oberhalb des
Rumensees
wieder leer. Das grosse "Besetzt"-Schild, das zuvor vor dem Haupthaus
befestigt war, wurde entfernt. Im Eingangsbereich der Klinik haben die
Studenten, die sich "Collective Saint Raphael" nannten, eine Nachricht
hinterlassen. "Durchgefallen!", schrieben sie mit schwarzem Filzstift
an die Wand. Daneben nagelten sie ihre "Hausregeln", welche die von
allen Seiten als "anständig" beschriebenen Besetzer während
dem letzten Monat befolgt haben. Unter anderem bürgten sie
dafür, die Liegenschaft sauber zu halten sowie ihre Nachbarn zu
respektieren und nach 22 Uhr keinen Lärm mehr zu machen. Ebenso
wollten sie "absolut niemandem" den Zutritt zum Haus gewähren.
Beat Badertscher, Verwaltungsratspräsident der Pyramide-Gruppe,
hofft, dass mit dem Auszug nun Ruhe einkehrt. Die Diskussion mit der
Künstlertruppe sei stets von gegenseitigem Respekt geprägt
gewesen. Stutzen musste Badertscher aber, als die Studenten in den
letzten Tagen einen Anwalt einschalteten, der mit der Gemeinde und der
Pyramide-Gruppe anscheinend verhandeln wollte. "Darauf sind wir aber
nicht eingetreten", erklärt Badertscher.
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Szenen einer "zahmen" Besetzung
Das "Besetzt"-Schriftband liegt zusammengerollt im
Schrank. Die
Fenster sind unversehrt. Die Wände weiss. Die Böden sauber.
Kaum etwas weist darauf hin, dass in der Küsnachter Klinik St.
Raphael bis vor kurzem zehn junge Besetzer hausten. Nur wer genauer
hinschaut, entdeckt noch vereinzelt Spuren der Kunststudenten, die
einen Monat lang in der Klinik wohnten: zum Beispiel ein
Türschloss, das sie abgeschraubt und im Gartenschopf liegen
gelassen haben. Oder ein weisser Arztkittel mit Kliniklogo, den sie
anscheinend gerne trugen, wenn sie die verlassenen Spitalflure entlang
trotteten. Oder eine CD mit Liedern von Mani Matter, die sie sich
gelegentlich anhörten. In einigen Zimmern stehen Blumentöpfe
mit mittlerweile verdorrten Pflanzen. Auf dem Boden vor den
Gemeinschaftsduschen liegen durchgelesene Zeitungen. Und in der
Klinikküche, sauber geordnet, etwa zwei Dutzend leere
Weinflaschen. Dass es sich bei den Küsnachter Besetzern nicht um
anarchistische Pogo-Punks handelt, wird auf einen Blick ersichtlich. Im
Haupttrakt finden sich allerhand Reinigungsutensilien: Besen,
Schaufeln, Eimer und Putzmittel. Die Studenten waren auf Sauberkeit und
Ordnung bedacht. Sogar Abfallmarken haben sie gekauft, um ihren
Müll legal zu entsorgen. Auch von draussen sieht die Klinik St.
Raphael unbeschädigt aus. Keine Graffiti sind zu erkennen. Die
Fensterläden sind fast überall geschlossen und die Türen
verriegelt. Und der idyllische Garten mit Parkbänken liegt genauso
verträumt da wie vor der "zahmen" Besetzung des kurzlebigen
"Collective Saint Raphael". (dfr)
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KASERNE BASEL
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Basler Zeitung 1.9.10
Dreissig Jahre Kaserne Basel
Umbrüche und Ansprüche
MARC KREBS
Die Kaserne Basel feiert vom 2. bis 4. September ihr
dreissigjähriges Bestehen: Das Dreispartenhaus steht für
Kultur, Kampf und zeitweise auch für Krampf. Dasselbe lässt
sich über das gesamte Areal sagen.
Als Queen Elizabeth II 1980 die Gartenschau Grün 80
eröffnete, stand Basel ein heisser Sommer bevor. Zürich
brannte bereits. Und auch in Basel loderte das Feuer. Die bewegte
Jugend forderte Freiräume mit Megafonen und Molotowcocktails. Das
gepflegte Gartengrün am Stadtrand stand in herbem Kontrast zum
Wildwuchs, der sich an Demonstrationszügen in der Innenstadt
manifestierte. Wildwuchs herrschte zu dieser Zeit auch auf dem
Kasernenareal.
Seit der Waffenplatz 1966 aufgelöst worden war,
hatten hier
Künstler Unterschlupf gefunden, ebenso ein Globus-Provisorium. Die
Stadt stritt sich über die künftige Nutzung der
brachliegenden Militärgebäude. Ideen wurden gewälzt, der
Kompromiss aber lautete: "Ent-stoh-loo". Man entband das Areal seiner
ursprünglichen Funktion, liess Neues entstehen - und die alten
Gebäude stehen. In den ehemaligen Stallungen nistete sich 1980 der
Verein Kulturwerkstatt Kaserne ein und eröffnete ein alternatives
Kulturzentrum. Ein autonomes Jugendzentrum entstand Monate später
auf Grossbasler Seite, die Punks riefen dieses an der Hochstrasse aus.
Alternative
Die Zeichen der Zeit standen auf Sturm und Drang. Die
Kulturwerkstatt
gehörte politisch betrachtet zu den Nutzniessern der Situation.
Sie erhielt bereits 1981 erstmals Subventionen für den Betrieb
zugesprochen: 130 000 Franken für ein Programm, das in den
Bereichen Tanz, Theater und Musik eine Alternative zu den Angeboten des
Bürgertums bot.
Seither haben die Subventionen und die Anzahl
Veranstaltungen
markant zugenommen - ebenso die Ansprüche an die Kaserne und die
Kritik. Denn wie das gesamte Kasernenareal ist auch der Kulturbetrieb
ein Flickwerk, sowohl inhaltlich als auch baulich. Um nur ein Beispiel
zu nennen: Allein die Reithalle musste innert 15 Jahren zweimal saniert
werden. Dennoch weist sie weiterhin akustische Mängel auf und
steht für hohe Kosten der Bühnenumbauten zwischen den
Produktionen. Strukturprobleme sind ein Dauerthema.
Vom Begriff Kulturwerkstatt, der ganz den Geist der
achtziger
Jahre atmet, sich heutzutage aber anhört wie die Bezeichnung
für eine geschützte Bastelstunde, hat sich der Verein nicht
verabschiedet. Ebenso wenig von der Trägerschaftsform Verein, die
sich mit der Professionalisierung eines Unternehmens, das heute von den
Halbkantonen mit jährlich 1,6 Millionen Franken unterstützt
wird, schwierig vereinbaren lässt.
Eine professionelle Instanz wäre wünschenswert,
dasselbe lässt sich zum gesamten Areal sagen, diesem Stiefkind der
Stadtplanung. Zahlreiche private und öffentliche Mieter verfolgen
hier seit Jahren ihre eigenen Interessen, was zu Streitereien um
Territorien und zugleich zu einer Blockade der Entwicklung des gesamten
Areals geführt hat.
Absturz
Vor dem Stillstand stand die Kultur-Kaserne in den letzten zehn
Jahren
auch selber. Was dazu führte, dass der Betrieb viel zu sehr mit
sich selber als mit seinem Programm beschäftigt war.
Misswirtschaft und Finanzierungsprobleme, häufige
Führungswechsel und permanente Interessenkonflikte (Tanz/Theater
versus Musik) führten mehrmals an den Rand des Abgrunds. Und
ansatzweise (wir erinnern uns an die Idee eines Popkultur-Tempels) gar
beinahe zu einem Umsturz.
Immer wieder griff die Politik der angeschlagenen
Kultur-Kaserne
unter die Arme. Mitunter zum Unmut der Bevölkerung, die sich der
langen Leidensgeschichte überdrüssig ist. Noch vor zwei, drei
Jahren wurde in autonomen Kreisen gar über eine Besetzung
nachgedacht. Vollzogen wurde sie nicht. Das spricht dafür, dass
die Kaserne ihre Berechtigung hat - auch wenn sie manchen Alternativen
inzwischen zu wenig alternativ ist.
Annex
Die Diskussionen über das Areal, über einen Abriss
oder
Durchbruch des Kopfbaus, drehen sich seit Jahren im Kreis. Was sich
aber in den letzten dreissig Jahren geändert hat, ist die
Bedeutung der Annexbauten, in denen Konzerte und Tanz- sowie
Theateraufführungen stattfinden. Diese in die Luft zu sprengen,
steht nicht zur Diskussion. Stattdessen wird die Idee einer
Öffnung des gesamten Areals neu debattiert.
In Zürich geht das geflügelte Wort "die tote
Fabrik"
um. Die Rote Fabrik, einst Pendant zur Kaserne, hat (wie die Berner
Reitschule) in der öffentlichen Wahrnehmung an kultureller
Bedeutung eingebüsst. Sie liegt nicht nur geografisch, sondern
auch inhaltlich an der Peripherie der pulsierenden Limmatstadt. Das
lässt sich von der Kaserne nicht sagen: Sie liegt an bester,
zentraler Kleinbasler Lage, wird an lauen Abenden von Hundertschaften
frequentiert, drinnen die Performance-, draussen die
Gesprächskultur. Ein wichtiger Treff-, Anziehungs- und Ausgehpunkt.
Zum Jubiläum lädt die Kaserne von Donnerstag bis
Samstag zur Reise in die Vergangenheit. "Zeitmaschine" heisst eine
Reihe von Kurzperformances, mit denen Musiker, Schauspieler und
Tänzer die letzten dreissig Jahre Revue passieren lassen. Den
Auftakt macht Regisseur Michael Koch mit einem Werktitel, der an jene
Zeit erinnert, als nebst dem Park im Grünen auch der Wildwuchs in
Basel aufblühte: "Queen Elizabeth II".
> Diskussion über die Zukunft des Kasernenareals:
Seiten
32, 33.
> Jubiläumsprogramm: http://www.kaserne-basel.ch
--
Unternutzt und eingekesselt: Wie weiter mit der Basler Kaserne?
Ein Round-Table-Gespräch über das Potenzial der
Kaserne, staatliche Pläne betreffend Arealentwicklung und die
Wünschbarkeit von einem oder mehreren Durchbrüchen zum Rhein
Gesprächsleitung: Christoph Heim/Marc Krebs
Vor dreissig Jahren wurde die Kaserne von der alternativen
Kulturszene Basels in Beschlag genommen. Jetzt steht das Kasernenareal
vor einem Umbruch: Diskutiert werden Durchbruch oder Abriss des
Hauptgebäudes am Rhein sowie verschiedene Nutzungskonzepte.
Wir diskutieren mit der Grossrätin Mirjam Ballmer
(Grüne Partei), der Kasernendirektorin Carena Schlewitt, dem
Tattoo-Produzenten Erik Julliard, Christoph Stratenwerth,
Mitbegründer der Kulturwerkstatt Kaserne, Manuel Herz, Architekt,
und Thomas Kessler, Kantonsentwickler im Präsidialdepartement.
BaZ: Was ist, in einem Satz gesagt, die Kaserne für
Sie?
Thomas Kessler: Aus Sicht des Kantonsentwicklers ist die
Kaserne
eine Perle genau im Zentrum der metropolitanen Region Basel, am
bestmöglichen Standort. Mit einem nächsten Projekt kann dann
dieser Platz komplett mit dem Kasernenareal verbunden werden.
Manuel Herz: Die Kaserne ist ein Zentrum, dessen
Aktivitäten
ich sehr schätze, dessen Aufenthaltsqualität aber aufgrund
der städtebaulichen Figur grosse Mängel hat. Diese Diskrepanz
muss man lösen.
Christoph Stratenwerth: Ich unterscheide zwischen dem
Kulturbetrieb, der etwa zehn Prozent der Fläche bespielt, und dem
restlichen Areal. Der Ort ist wie damals, als wir ihn vor dreissig
Jahren in Besitz genommen haben, sehr lebendig: ein Stück
Brachland mitten in der Stadt mit einem enormen Potenzial.
Erik Julliard: Die Kaserne, vor allem das
Hauptgebäude,
gehört zum Stadtbild, ob mit oder ohne Basel Tattoo. Die Kaserne
ist für das Basel Tattoo matchentscheidend und gibt unserem Anlass
die adäquate Kulisse.
Carena Schlewitt: Die Kaserne ist ein spannender Ort
für
Kultur - auch als Produktionsort - und ein grosser Stadtpark. Das
Potenzial der Kaserne ist aber bei Weitem nicht ausgeschöpft. Das
gilt für die Nutzung der Gebäude wie auch für die
Zusammenarbeit unter den Betrieben auf dem Areal.
Mirjam Ballmer: Die Kaserne ist für mich ein Kultur-
und
Stadtzentrum in Kleinbasel, das sehr rege genutzt wird. Die Kaserne hat
ein Potenzial, zu einem noch offeneren Stadtplatz zu werden.
Herr Julliard, hat das Areal in Ihren Augen auch ein
Potenzial
oder sind die Gebäude einfach Kulisse für Ihre Veranstaltung?
Julliard: Für mich gibt es dieses Potenzial auch.
Aber als
Produzent des Tattoo kann ich nicht für einen Abbruch des
Hauptbaus votieren. Mir hat auch noch niemand erklären
können, wie die Nutzungsqualitäten des Areals durch einen
Abbruch des Hauptbaus gesteigert werden könnten.
Schlewitt: Sie sprechen vom Abriss des gesamten Kopfbaus.
Die
Vorschläge gehen aber heute eher in Richtung Teilabriss oder
Durchbruch in den unteren Etagen.
Stratenwerth: Das Hauptproblem ist der Kopfbau dieser
ehemaligen
Kaserne. In der Struktur des Gebäudes steckt eine Geschlossenheit.
Wenn man die nächste Generation von Umnutzung derartiger Areale
anschaut, Stichwort Gundeldingerfeld, dann lernt man, dass man mit
einer Art Generalplan beginnen muss, der öffentliche und private
Flächen organisiert. Die oberste Regel ist dabei: Das Parterre ist
öffentlich und die oberen Etagen werden immer privater. Solche
Setzungen, was ist öffentlich, was ist privat, was ist Foyer, was
ist Funktion, konnten bei der Kaserne nicht stattfinden, weil das Areal
in einer Art Guerillataktik erobert wurde. Gegen den Willen der
Verwaltung, die immer wieder Wettbewerbe für Parkhäuser und
Einkaufszentren durchführte. Heute könnte man alles
abreissen, aber es sehen alle, dass in den vergangenen dreissig Jahren
etwas entstanden ist. Der Platz gehört zu den lebendigsten in
unserer Stadt. Man muss nun die Entwicklungen beschleunigen, das Areal
zum Rhein hin öffnen. Man muss den Kopfbau nicht abreissen, aber
das Erdgeschoss sollte öffentlich zugänglich sein. Die ganze
Modebranche, die sich im Kleinbasel angesiedelt hat, könnte man
dort ansiedeln. Kommt dazu, dass man mit ein paar Eingriffen einige
Achsen öffnen muss. Ich bin sehr erstaunt, dass gerade aus der
grünen Partei dieser Vorschlag kommt. So ein Gebäude kann ja
auch, man denke an die Diskussionen um den Stuttgarter Bahnhof, sehr
identitätsstiftend sein.
Ballmer: Die Initiative von "Kulturstadt jetzt" fordert
nicht den
Abriss des Kopfbaus, sie fordert lediglich eine grosszügige
Öffnung. Das kann der Abriss eines Teils des Kopfbaus, das kann
aber auch der Durchbruch im Parterre sein. Es braucht eine
öffentliche Nutzung im Parterre und eine Durchlässigkeit zum
Rhein hin, beides befruchtet sich gegenseitig.
Herz: Warum fordern wir denn nicht den Abriss des
Hauptbaus?
Städtebaulich muss man doch konstatieren, dass Basel zwar sehr
stark durch den Rhein geprägt wird, aber einen überaus
schlechten Zugang zum Rhein hat. Auf der Grossbasler Seite hat die
Stadt überhaupt keinen Platz, der dem Rhein zugewandt ist.
Vielleicht die Schifflände…
Ballmer: …auch der Rheinpark ist eher ein negatives
Beispiel…
Herz: …ja. Dabei sieht man, mit welcher Dankbarkeit jeder
Eingriff von der Bevölkerung angenommen wird. Wenn man den Rhein
entlang Betonstufen baut, wird das als grossartig empfunden und sofort
auch intensiv genutzt. Ein Platz, der sich grosszügig dem Rhein
hin zuwendet, wäre städtebaulich die interessanteste
Lösung, die man sich vorstellen kann: um die Stadt zum Rhein zu
bringen, um den Rhein zur Stadt zu bringen. Natürlich kann man
sich streiten, wie gross die Öffnung sein soll. Der
Kasernenhauptbau an sich ist aber bauhistorisch nicht von grossem Wert.
Der Staat will nun eine ganz kleine Öffnung machen,
indem
der Gebäudeteil zwischen Kirche und Hauptgebäude abgerissen
wird. Ist das nicht einfach ein schlechter Kompromiss?
Kessler: Die Regierung möchte ermöglichen und
dynamisieren und dort Akzente setzen, wo es jetzt geht und nicht erst
in fünf Jahren. Wir verstehen die Seitenöffnung als
Initialzündung, die sinnlich vorführt, wie ein Durchgang zum
Rhein hin sich auf das Kasernenareal auswirkt. Kombiniert wird der
Durchbruch mit einem neuen Restaurant, das ausstrahlt bis ins Kloster.
Das Klingentalweglein wird geöffnet. Der historische Kitsch, der
sich dort befindet, etwa das Gitter, kommt weg. Es gibt eine
Öffnung bis hinauf zu den Restaurants Ballade und Klingental.
Wenn man über das Entwicklungspotenzial des
Kasernenareals
redet, muss man unbedingt auch über den Bezug zum Quartier reden.
Auch die Rheinpromenade muss erneuert werden. Wir haben dort eine
Pseudoidylle mit Rabatten, die zum Park im Grünen entstanden sind
und nicht mehr der heutigen Nutzung entsprechen. Unsere
Entwicklungsideen im Kern der Metropole Basel zielen auf eine
höhere Ausstrahlung der Kaserne ab und wollen die
Wechselbeziehungen zwischen Areal und Kleinbasel verstärken. Was
mit dem Hauptbau geschieht, das ist jetzt Thema einer Initiative;
darüber wird die Bevölkerung demokratisch abstimmen
können.
Das heisst: Im Grunde genommen ist die Kaserne ein
Flickwerk, und
die Stadt geht jetzt wieder mit einer Salamitaktik vor?
Kessler: Nach dreissig Jahren Diskussion über die
Kaserne
soll nun etwas geschehen. Diese Stadtbrache ist völlig unternutzt.
Das Hauptgebäude steht am besten Ort der ganzen Region. In jeder
anderen Stadt gäbe es an einem solchen Ort dem Rhein entlang
zwanzig wunderbare Restaurants. In Basel gibt es einen Container, der
als Buvette dient. Dieser Ort braucht jetzt einen Impuls und nicht
nochmals eine fünfjährige Debatte.
Bereits 1989 entschied sich eine Wettbewerbsjury für
ein
Projekt, das eine Umgestaltung und einen Durchbruch zum Rhein vorsah.
Doch die Stadt konnte die erforderlichen 3,7 Millionen Franken nicht
aufbringen.
Stratenwerth: "Die Wiese zwingt den Rhein ins Knie" hiess
das
Projekt, und es ist in der Tat aus finanziellen Gründen nicht
realisiert worden.
Kessler: Was die Regierung dem Parlament im November
vorlegen
wird, kostet drei bis vier Millionen Franken und umfasst den WC-Trakt
in der Kaserne, die Abwartswohnung, die Rheinpromenade und reicht der
Kirche entlang bis hinauf zum Platz vor dem "Ballade". Dabei werden
alle Bedürfnisse für mehr optische Verbindung, Sicherheit und
Rollstuhlgängikeit berücksichtigt. Man verbaut sich mit
dieser Umgestaltung gar nichts.
Herr Julliard, können Sie mit dem seitlichen
Durchbruch
leben?
Julliard: Jeder Eingriff in die Kulisse ist ungünstig
für uns. Zu den Plänen der Regierung muss man freilich
anerkennend sagen: Man hat einfach an alles gedacht. An die Aufwertung
des Wegleins, an den Einbau eines Restaurants, an den Lichteinfall.
Aber wenn man bedenkt, was ein Durchbruch im Parterre bedeutet: Der
Niveauunterschied Kasernenplatz-Rheinpromenade beträgt eineinhalb
Stockwerke. Das macht eine Verbindung nicht einfach.
Interessant ist ja, dass das Tattoo einen Grossteil des
Hauptbaus
durch eine eigene Kulisse verdeckt.
Julliard: Nein, sicher nicht die ganze Fassade, sondern
nur die
ersten drei Meter, die bei Renovationsarbeiten schlecht abgedeckt
wurden. Dies kann man nicht als mehrheitlich abgedeckt bezeichnen.
Zudem wird die Kaserne rheinseitig von so vielen Bäumen verdeckt,
dass sie das Stadtbild nicht wirklich stören kann.
Noch etwas zu den geplanten Durchbrüchen: Wären
die
Musiker, wir denken da an die Mexikaner beim letzten Tattoo, nicht
dankbar, wenn sie durch solche Öffnungen im Gebäude auf die
Bühne stürmen könnten? Beim letzten Tattoo mussten sie
sich ja regelrecht hineindrängeln.
Julliard: Logistisch gesehen ist das Tattoo ein Albtraum.
Wir
haben jeden Abend 10 000 Personen auf dem Platz, und zwar nur auf der
asphaltierten Hälfte. Wir werden bestimmt die Öffnung, die
jetzt geplant ist, ausnützen.
Also hat es Vorteile für Sie?
Julliard: Die Liste der Nachteile ist länger. Wenn
der
Hauptbau stehen bleibt, hat das visuelle und akustische Vorteile. Wir
haben jetzt keine Lärmprobleme mit den Anwohnern.
Herz: Ich kenne Leute, die wohnen in der Umgebung und die
erleben
während des Tattoo qualvolle Abende.
Julliard: Ausserhalb der Kaserne hört man vom Tattoo
nichts.
Herz: Wenn Sie die Musik mögen, mag das stimmen!
Julliard: Sie waren gar nie da!
Herz: Ich beziehe mich auf die Aussagen von Anwohnern.
Julliard: Wir machen unsere Veranstaltung, wo sie
historisch
gesehen auch hingehört, nämlich im Vorhof der Kaserne!
Schlewitt: Ich bin ja vor zwei Jahren gekommen. Schon
damals
hiess es, die Schulen würden ausziehen. Der Kopfbau würde
frei und eine Öffnung zum Rhein hin werde kommen. Die Termine
für den Auszug der Schulen werden aber dauernd verschoben. Es
zieht und zieht und zieht sich.
Was mir auffällt: Es wird ständig über
etwas
geredet, aber nie konkret. Seit der Studie von Martin Heller, welche
die Kaserne als "Brutstätte" bezeichnete, gibt es keine
Überlegungen mehr, was das eigentlich heisst. Auch die
Visualisierungen zur Öffnung der Kaserne, die "Kulturstadt jetzt"
vorgelegt hat, sind bloss mögliche, unverbindliche Varianten. Es
fand kein Architekturwettbewerb statt. Alles bleibt unkonkret bis auf
den Vorschlag der Regierung, eine seitliche Öffnung zu machen.
Für mich wirkt der Vorschlag, als ob man neben dem Areal eine
Fläche frei machen möchte.
Warum spricht man immer über Abbruch und nie
über die
Inhalte?
Stratenwerth: Wir haben uns vor dreissig Jahren
überlegt, wo
gehen wir hin mit einem Kulturzentrum? Wir sind vor dem Kasernenareal
damals zuerst zurückgeschreckt. Schon damals gab es die
unterschiedlichsten Ideen für dieses Areal. Was wiederum mit dem
Quartier zu tun hat, das unglaublich dicht bebaut ist und intensiv
genutzt wird. Wenn man die vergangenen dreissig Jahre ansieht, kann man
sagen, dass die Beteiligten alle einen Weg gefunden haben, wie sie
miteinander einigermassen fair umgehen können. Sie, Herr Julliard,
kommen im Jahr 25 dieser Kaserne und stellen ihre Kiste hinein und
werden noch freundlich aufgenommen.
Die Schlüsselfrage ist, wie finden die
Planungsprozesse
statt? Ist der städtebauliche Ansatz so, dass ich eine schöne
Vision habe, die ich dann im Computer visualisiere? Oder sollte es
nicht zuerst um die Inhalte gehen? Was macht Habitat und Bollag am
Wiesenplatz? Die beiden privaten Initiativen reanimieren den
Wiesenplatz. Wer hat die Rheingasse reanimiert? Der Staat? Nein,
private Initiativen. Wer hat das Gundeldingerfeld reanimiert? Gegen den
Widerstand der Verwaltung ist dieses Projekt entstanden. Viele
lebendige Orte in dieser Stadt sind nicht über städtebauliche
Prozesse entstanden, sondern dank risikofreudigen Privaten. Die Frage
ist: Ermöglicht die Politik solche Initiativen? Sie muss uns nicht
zeigen, wie wir zu leben haben.
Ballmer: Unsere Initiative sagt ja nicht, dass mit einem
Durchbruch alle Probleme gelöst sind. Es braucht die baulichen
Voraussetzungen, damit etwas entstehen kann. Gleichzeitig braucht es
die privaten Initiativen. Umgekehrt wird kein Schuh draus: Man kann
nicht sagen, wir wollen das und das, ohne dass die baulichen
Voraussetzungen dafür geschaffen werden.
Stratenwerth: In der Kaserne läuft ja nicht der
Prozess ab,
den man von Berlin und Hamburg her kennt: Künstler gehen in ein
Areal rein, das Areal wird aufgewertet und damit plötzlich
für die Immobilienentwickler interessant, die mit ihren
Investitionen die Künstler vertreiben. Bei der Kaserne geht es um
etwas völlig anderes: Das Areal ist in seiner baulichen Substanz
vielleicht zu zwanzig Prozent genutzt. Wenn die Schule aus dem Kopfbau
auszieht, ist der grösste Teil leer.
Welche Rolle spielt der Staat bei der Kaserne?
Kessler: Die Behörden sind Ermöglicher: Nach dem
Durchbruch geht es um ein Nutzungskonzept für das gesamte Areal.
Wir sind auch der Ansicht, dass niemand vom Areal vertrieben werden
muss. Wir sind uns aber bewusst, dass die Stadt über zu wenig
Wohnungen und Hotels verfügt. Wenn der Roche-Turm kommt, haben wir
dagegen ein Überangebot an Geschäftsräumen.
Sollen im Kopfbau Luxuswohnungen entstehen?
Kessler: Der Kopfbau ist zu klein für eine solche
Wohnungsdiskussion.
Die Lage ist extrem teuer. Verschwendet der Staat nicht
seinen
Besitz, wenn er den Kopfbau mit Ateliers und Proberäumen
füllen will?
Kessler: Die Regierung wird übergeordnete Interessen
geltend
machen: Da ist zum einen der Schutz der Kulturräume, zum anderen
sind es soziale Überlegungen. Die Kaserne muss weiterhin für
das Quartier wichtige Funktionen übernehmen. Es kann also sein,
dass die Regierung sagt, dass Wohnungen auf dem Areal nicht infrage
kommen, da die Nutzungskonflikte offensichtlich sind.
Herz: Ich denke, nicht alle Nutzungen sollen erhalten
bleiben. Es
steht ja immer noch die Idee im Raum, einen Konzertsaal auf der Kaserne
zu bauen. Damit könnte das Areal aufgewertet werden, was wiederum
auf das ganze Quartier seine Auswirkungen hätte. Auf den ersten
Blick scheint eine rein kleinteilige Nutzung sympathisch zu sein, sie
hat aber vermutlich nicht genügend städtebauliche Kraft.
Stratenwerth: Ich glaube in diesem Falle nicht an das
Leuchtturmkonzept, das davon ausgeht, dass mit einem hochwertigen
Kulturbau eine positive Entwicklung für ein Quartier initiiert
werden kann. Das braucht es nicht für diesen Ort. Die Kaserne ist
eine urbane, vielfältige, schöne Situation, die von der
Bevölkerung geschätzt wird. Das muss man stützen.
Kessler: Die Leuchttürme gibt es ja schon. Der
Kopfbau hat
zwei Türme, die sich hervorragend für einen Barbetrieb
eignen. Die Aussicht ist schlicht hinreissend.
Aus den Reihen von "Kulturstadt jetzt" kommt der
Vorschlag, ein
Hotel im Kopfbau unterzubringen.
Kessler: Eine solche Nutzung passt sehr gut zu dieser
Lage. Mit
einem Hotel könnte man auch eine Querfinanzierung erzielen.
Ballmer: Auch bei einem Hotel hat man Nutzungskonflikte:
Der
Hotelgast hat das Bedürfnis auf eine ruhige Nacht. Im Kopfbau
könnte ja auch so was wie ein kreativer Thinktank für die
Stadt entstehen. Man könnte dort Tagungsräume für die
Kreativwirtschaft einrichten.
Kessler: Man muss den Perimeter weit ziehen. Vielleicht
sind die
Tagungsräume sinnvoller im "Balade"? Ich gebe zu bedenken, dass
wir immer mehr leere Büroräume in der Stadt bekommen. Die
Idee, die Kulturadministration in die Kaserne zu verlegen, halte ich
jedenfalls nicht für sinnvoll. Wenn man den Perimeter grösser
zieht, dann kommt in den Kern, also in die Kaserne, das Wichtigste,
Wertvollste, Intensivste.
--
30 Jahre Kaserne
Die Kaserne Basel wird dreissig. Das wird mit einem
dreitägigen Fest gefeiert. Mit einer grossen "Zeitmaschine", an
der rund dreissig Musikerinnen, Theater-, Tanz- und
Performancekünstler beteiligt sind, reist das Publikum in sechs
Stunden durch drei Jahrzehnte.
Gezeigt wird "Die Zeitmaschine" zweimal - einmal
vorwärts
und einmal rückwärts. Hier eine mehr oder weniger
zufällige Auswahl der dreissig Kurzperformances:
1980: Michael Koch, Theater- und Filmregisseur, mit "Queen
Elizabeth II"; 1982: Thom Lutz, Musiker und Regisseur, mit einer
"kurzen Gedenkfeier zu den Anfängen der elektronischen
Partnervermittlung"; 1986: die Theatergruppe Matterhorn-Produktionen
mit "Grüsse aus Tschernobyl"; 1990: Les Reines Prochaines mit
"Tiere als Frisur"; 1996: Regisseur Sebastian Nübling und
Theaterkritikerin Renate Klett mit "Wie kam die Welt nach Basel?";
2001: Die Musikerin Anna Aaron mit "Die Verlorenen Ritter der
Phantastischen Popmusik"; 2008: Die Theatergruppe Capriconnection mit
"Wahrscheinlich wird die Welt an diesem Mittwoch nicht untergehen".
An allen Vorstellungstagen ist zudem die Installation
"Feiertage
- Jahrgang 1980" zu sehen. Das Langzeitprojekt von Mats Staub kreist um
Alltag, Erinnerung und Imagination. Staub stellt dabei BaslerInnen des
Jahrgangs 1980 Fragen zu ihrem Lebenslauf.
Zu hören sind ausserdem Konzerte von Matthias von
Hartz und
dem Jugendsymphonieorchester Regio Basiliensis, dem französischen
Hip- und Trip-Hopper Wax Tailor und einer nicht ganz unbekannten
Reggaeband aus Basel, die sich für die Uraufführung ihres
Bühnenprogramms, das eigens für das Kaserne-Jubiläum
erarbeitet wurde, hinter dem Namen Chipotle Away verbirgt. adr
"30 Jahre Kaserne Basel" in: Basel Kaserne, Do, 2., bis
Sa, 4.
September. http://www.kaserne-basel.ch
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BIG BROTHER SPORT
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admin.ch 2.9.10
Gegen Gewalt im Umfeld von Sportveranstaltungen: Runder Tisch
verabschiedet Rahmenkonzept für Fanarbeit in der Schweiz
Bern, 02.09.2010 - Auf Einladung von Sportminister Bundesrat
Ueli
Maurer versammelten sich heute Vertreter von Sportverbänden, Bund,
Kantonen, Städten und von Fanarbeit Schweiz (FaCH) zum achten
Runden Tisch gegen Gewalt im Umfeld von Sportveranstaltungen. Sie
verabschiedeten das "Rahmenkonzept Fanarbeit in der Schweiz" als
Arbeitsgrundlage und Finanzierungsempfehlung für sämtliche
Massnahmen im Bereich der präventiven Fanarbeit.
Das "Rahmenkonzept Fanarbeit in der Schweiz" regelt die
Koordination
und Zusammenarbeit der Beteiligten und beschreibt Modelle einer
nachhaltigen Fanarbeit auf lokaler Ebene. Es formuliert methodische
Grundsätze der klubbezogenen Fanarbeit (Fandelegierte und
Fanverantwortliche als Angestellte oder Mandatsträger der Klubs)
und der sozioprofessionellen Fanarbeit (unabhängige Fan- und
Sozialarbeitende im Auftrag der öffentlichen Hand und der Klubs),
definiert Anforderungsprofile und Aufgaben der verschiedenen Akteure
und weist ihnen eine klare Rolle in der Bekämpfung von Gewalt im
Umfeld von Sportveranstaltungen zu.
Das Konzept schafft ebenfalls die Basis für die
mögliche
Schaffung eines nationalen Kompetenzzentrums Fanarbeit. Dieses soll die
verschiedenen Akteure vernetzen und begleiten, die Interessen der
öffentlichen Hand und der Sportverbände in der Fanarbeit
konsolidieren sowie Aus- und Weiterbildungsmodule für die
verschiedenen Akteure der Fanarbeit anbieten.
Es ist vorgesehen, dass bis Ende 2012 jeder Klub der Axpo Super
League
(Fussball) auf der Grundlage des Rahmenkonzepts ein Modell für die
Fanarbeit entwickelt. In einem zweiten Schritt sollen die Klubs der
Challenge League folgen. Die NL GmbH (Eishockey) beabsichtigt
ihrerseits, per Herbst 2010 ein Mandat für Fanarbeit zu vergeben
und damit die Klubs der National League A und B beim Aufbau der
Fanarbeit zu unterstützen.
Das Rahmenkonzept Fanarbeit Schweiz wurde unter der Leitung von
Fanarbeit Schweiz (FaCH) in Zusammenarbeit mit Akteuren aus dem Bereich
der Fanarbeit und Verantwortlichen des Bundes und der
Sportverbände Fussball und Eishockey entwickelt.
Umsetzung der Massnahmen auf Kurs
Die Teilnehmer des Runden Tischs nahmen weiter Kenntnis vom
Umsetzungsstand in den verschiedenen Massnahmenfeldern. An fast allen
Standorten der Klubs der Axpo Super League sind Gespräche
über den Abschluss lokaler Vereinbarungen zwischen den
Sicherheitsbehörden und den Klubs im Gang. In Basel, St. Gallen,
Luzern und Bern liegen bereits Vereinbarungen und Reglemente oder
ausformulierte Entwürfe vor. Im Eishockey verfügen zum
heutigen Zeitpunkt zwei Drittel der NL A-Klubs über eine lokale
Vereinbarung. Die übrigen Klubs stehen in Verhandlungen mit den
zuständigen Behörden.
Es ist das Ziel der NL GmbH, dass bis Ende der Saison 2010/11
alle 22
Klubs eine Vereinbarung abschliessen, die auf der Mustervereinbarung
der KKJPD basiert.
Weit fortgeschritten sind auch die Arbeiten im Bereich Aus- und
Weiterbildung von Sicherheits- und Fanverantwortlichen der Klubs sowie
im Datenaustausch und in der Harmonisierung der Stadionverbotslisten.
In den Bereichen Alkoholprävention erfolgt die Umsetzung
gemäss Planung.
Adresse für Rückfragen:
Matthias Remund
Direktor Bundesamt für Sport BASPO
Tel. 032 327 62 18
---
Basellandschaftliche Zeitung 2.9.10
Hand in Hand gegen die Chaoten
Das neue Hooligangesetz ist in Kraft, nur wissen die
Vereine noch
nichts davon
Die Stadionverbote in der Schweiz wurden ausgedehnt. Neu
sind
sanktionierte Chaoten für alle Ligen im Fussball und im Eishockey
gesperrt. Und auch Amateurvereine dürfen Platzverbote beantragen.
Fabian Kern
Gewaltprävention beginnt im Kopf. Und genau da hat
der
Schweizerische Fussball-Verband (SFV) in Zusammenarbeit mit dem
Schweizerischen Eishockey-Verband den Hebel angesetzt. Seit dem 1. Juli
muss sich ein potenzieller Chaot gut überlegen, ob er die
Konsequenzen einer Schlägerei oder eines Vandalenaktes tragen will
- und sei es "nur" bei einem 4.-Liga-Spiel.
Der deutsche und der englische Fussball haben gezeigt, was
geschehen kann, wenn man die Hooligans aus den Profiligen verbannt: Sie
wüten in den unteren Spielklassen weiter. Auch in der Schweiz hat
man solche Tendenzen beobachtet. "Besonders bei den U21-Teams der
Super-League-Klubs in der 1. Liga sind bereits Ausschreitungen
vorgekommen", sagt Ulrich Pfister, Sicherheitschef des SFV. Der Verband
hat mit einem neuen Hooligan-Gesetz reagiert, das es den
1.-Liga-Vereinen genau wie jenen aus der Super- oder der Challenge
League erlaubt, selbst Stadionverbote auszusprechen. Die unterklassigen
Amateurvereine bekommen zudem die Möglichkeit, beim Verband ein
Platzverbot gegen fehlbare Personen zu beantragen. Die nach dem 1. Juli
ausgesprochenen Zutrittsverbote wurden auch weiter ausgedehnt als
bisher. Ein Stadion- oder Platzverbot gilt schweizweit, für alle
Ligen sowohl im Fussball als auch im Eishockey. Autsch. "Wir wollen ein
klares Signal setzen, dass Gewalt nicht toleriert wird", erklärt
Pfister.
Die Absicht ist löblich, die Stossrichtung klar. Doch
bisher
wurde es verpasst, die Vereine über ihre neuen, bereits seit zwei
Monaten bestehenden Rechte aufzuklären. "Ich kenne das Gesetz
bisher nur vom Hörensagen", sagt Andrea Marescalchi. Der
Präsident des 2.-Ligisten FC Aesch findet die Massnahmen
vernünftig. Allerdings kann sich Marescalchi noch nicht
vorstellen, wie Personen mit einem Stadionverbot identifiziert werden
sollten, zumal der SFV keine "schwarze Liste" aushändigen wird.
Dieser Punkt ist auch Rolf Tschan noch nicht klar. "Wenn
wir
nicht wissen, wie die Leute aussehen, können wir sie auch nicht am
Matchbesuch hindern", meint der Vizepräsident des EHC
Zunzgen-Sissach. Die Oberbaselbieter lösen Probleme mit
Störenfrieden traditionell auf ihre eigene Art. "Wir handeln
deeskalierend. Reden reicht meist, um zu schlichten", sagt Tschan. Und
sonst seien genügend ehemalige Hockeyaner zur Stelle. Tschan sieht
keine grosse Gefahr, dass Hooligans aus Ba-sel nach Zunzgen
"ausweichen" könnten. Insofern sei das Gesetz in erster Linie gut
für die National League A und B.
Es bleibt abzuwarten, wie man sich die Umsetzung von
Verbandsseite vorstellt. Auf der Verbandswebsite des SFV ist das neue
Reglement aufgeschaltet. "Wir arbeiten an einem Merkblatt für die
Vereine", sagt Willy Frey von der Amateurliga. Auf Mitte September
schätzt das Mitglied der Kommission zum Stadionverbot den
Zeitpunkt, an dem die Vereine das Dokument erhalten sollen. Jene
Kommission dient in Zukunft als Ombudsstelle für die Klubs.
Hoffentlich bekommt sie nicht zu viel zu tun.
---
St. Galler Tagblatt 2.9.10
Für die Lakers zahlt der Kanton
Mehr Sicherheit, weniger Kosten: Dafür haben der
Kanton St.
Gallen, Rapperswil-Jona und der Eishockeyclub RJ Lakers eine
Vereinbarung unterzeichnet. Die Lakers zahlen - anders als der FCSG -
nur einen Bruchteil der hohen Polizeikosten.
Urs-Peter Zwingli
Rapperswil-Jona. Der Eishockeyclub Rapperswil-Jona Lakers
(bis
2005 SC Rapperswil-Jona) ist marketingtechnisch auf Kurs. Vor fünf
Jahren gab's einen modernen Namen, aufgepeppte Clubfarben und das
renovierte Stadion Diners Club Arena (bis 2006 Lido). Bis zu 6100
Zuschauer finden darin Platz - und einige passen nicht ins Bild des
Clubs: die "randalierenden Hooligans", wie sie Benedikt Würth
(CVP), Stadtpräsident von Rapperswil-Jona, nennt. Seit Jahren
würden diese immer mehr Probleme machen.
Eine Million Franken ist zu viel
Neu sind diese Probleme rund um Eishockey- und
Fussballspiele in
der Schweiz nicht; neu ist, dass die Lakers mit ihrer Stadt und dem
Kanton St. Gallen eine Vereinbarung unterzeichnet haben. Diese regelt
die Sicherheit im Umfeld der Lakers-Spiele ab der Saison 2010/11 - und
soll so weniger Polizeikräfte nötig machen. Denn die gehen
ins Geld: 2009 wendete der Kanton St. Gallen 10 800 Polizeistunden oder
eine Million Franken für die Sicherheit rund um die Diners Club
Arena auf.
Schnellverfahren auch in Rappi
Die gestern präsentierte Vereinbarung orientiert sich
an der
Mustervereinbarung, die im Frühling 2010 von der Konferenz der
kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren (KKJPD) entworfen wurde. Deren
Vizepräsidentin Karin Keller-Sutter, zugleich Vorsteherin des
Sicherheits- und Justizdepartements St. Gallen und aktuelle
Bundesratskandidatin der FDP, erklärte denn auch gleich, um was es
geht: Die Lakers Sport AG und die Kantonspolizei erarbeiten ein
Sicherheitskonzept, wobei die Polizei federführend ist. Kommt es
zu Straftaten, so "hat die Identifikation der Täter höchste
Priorität", so Keller-Sutter. Die Videoüberwachung in und ums
Stadion bis hin zum Bahnhof soll darum hochauflösende Bilder
produzieren und wird dafür aufgerüstet. Kein Gesicht soll
mehr in der Masse untergehen.
Die gewonnenen Daten werden bei Straftaten von der Lakers
Sport
AG an die Polizei weitergegeben und "so schnell wie möglich
ausgewertet" - für Schnellverfahren, die man im Umfeld der St.
Galler AFG Arena bereits kennt. Zudem wird bei Heimspielen erst gar
nicht in die Diners Club Arena gelassen, wer unter Alkohol- oder
Drogeneinfluss steht. Bei Hochrisikospielen kann die Polizei den
Alkoholausschank im Stadion auch ganz verbieten.
Weitere Massnahmen umfassen polizeiliche "Spotter" und
Fanarbeiter, die die Anhänger an Auswärtsspiele begleiten,
strengere Hausregeln im Stadion - oder im Extremfall den Unter- oder
Abbruch eines Spiels durch die Polizei.
Kanton zahlt grossen Brocken
In der Vereinbarung ist von Geld nicht die Rede - bis auf
der
letzten Seite: Die Lakers Sport AG beteilige sich mit einer
Grundpauschale von 35 000 Franken pro Saison an den Sicherheitskosten,
heisst es. Diese betrugen 2009 wie erwähnt eine Million - und
dürften laut Keller-Sutter erst "längerfristig", also falls
die Vereinbarung in ein paar Jahren greift, sinken. Zum Vergleich: Der
FC St. Gallen soll der Stadt St. Gallen laut einem neuen Szenario
künftig pro Saison 360 000 Franken weniger an die
Sicherheitskosten zahlen; bei Gesamtkosten von bis zu 1,5 Millionen
bleiben einige Hunderttausend Franken übrig. Gekoppelt ist das
Szenario an eine Vereinbarung mit der Stadtpolizei St. Gallen, die rund
um die AFG Arena für die Sicherheit zuständig ist.
Keller-Sutter erklärt diese ungleichen Rechnungen
damit,
dass der Kanton "auf die finanzielle Situation der Lakers und des
Eishockeys allgemein" Rücksicht nehme - während
Stadtpräsident Würth die Lakers, die mit einem Budget von 9,5
Millionen operieren, als "wirtschaftlich solide" bezeichnete. Eine
Etikette, die dem FC St. Gallen momentan wohl niemand ernsthaft
anheften würde.
---
Südostschweiz 2.9.10
Stärkere Allianz gegen Gewalt
Die Lakers, der Kanton St. Gallen und die Stadt
Rapperswil-Jona
informierten gestern über ihre Sicherheits-vereinbarung. Zudem
zogen sie eine positive Zwischenbilanz zum Projekt "Gewaltfreier Sport
- Sport als Vergnügen".
Von Matthias Hobi
St. Gallen/Rapperswil-Jona. - Nun ist Tatsache, was einige
Lakers-Fans seit langem befürchteten: "Bei Hochrisikospielen kann
die Kantonspolizei St. Gallen in Absprache mit der Lakers Sport AG
für die aus den Stehplatzsektoren zugänglichen
Ausschankstellen ein generelles Alkoholverbot anordnen." Dies ist
allerdings nur eine von zahlreichen Massnahmen in der neuen
Vereinbarung zwischen Rapperswil-Jona, Kanton St. Gallen und den Lakers.
"Aus der Anonymität holen"
Ebenfalls geregelt wird der Informationsaustausch zwischen
den
Parteien. "Zentral ist, dass gewaltbereite Fans aus ihrer
Anonymität herausgeholt und bestraft werden", so
Regierungsrätin Karin Keller-Sutter. Dieser umfasse den Austausch
von Bildern, Videoaufzeichnungen oder dokumentierte Aussagen und
Täterbeschreibungen.
Die getroffene Vereinbarung beruht auf einer
Mustervereinbarung
der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren (KKJPD).
Weitere Punkte der Vereinbarung sind die Zusammenarbeit der Akteure
sowie die Durchsetzung der Sicherheitsbestimmungen. Erstmals wurde eine
solche Vereinbarung in der Eishockey National League A abgeschlossen.
Symbolische finanzielle Beteiligung
Ziele der Vereinbarung sind: Spiele der Rapperswil-Jona
Lakers in
einer von Anstand geprägten Atmosphäre, die fühlbare
Sicherheit der Matchbesucher, die Senkung des Sicherheitsaufwands der
Kantonspolizei und der Kosten bei den Lakers, sowie deren Beteiligung
an den finanziellen Mehrkosten. Im Vertrag wird klar festgelegt, dass
sich die Lakers Sport AG an den Sicherheitskosten der öffentlichen
Hand beteiligt. In der kommenden Saison 2010/11 gemäss einer
Vereinbarung vom Juni 2004 zwischen dem damaligen Schlittschuhclub
Rapperswil-Jona und der Kantonspolizei St. Gallen. Ab der Saison
2011/12 mit einer Grundpauschale von 35 000 Franken. "Diese Beteiligung
an den erhöhten Sicherheitskosten des Staates zeigt, dass die
Lakers das Problem der Risikofans nicht einfach delegieren", so
Keller-Sutter. Doch müsse klar sein, dass dieser Betrag niemals
den Mehrkosten von über einer Million Franken (100 Franken mal 10
800 Ordnungsdienststunden zugunsten der Lakers im Jahr 2009) entspreche.
Neben den im Vertrag festgelegten Massnahmen will der
Kanton St.
Gallen weitere bewährte Mittel einsetzen. Etwa die
Schnellverfahren der Staatsanwaltschaft, welche bei Spielen des FC St.
Gallen erprobt wurden. Auch soll ein polizeiliches Beweissicherungs-
und Festnahmeelement (BFE) zum Einsatz kommen. Dieses soll
gewährleisten, dass Bildmaterial zur Verfügung steht und
Gewalttäter aus der Menge gegriffen und der Staatsanwaltschaft
zugeführt werden können.
Erfolgreiche Kameras
Vor eineinhalb Jahren lancierten Rapperswil-Jona, der
Kanton St.
Gallen und die Lakers das Projekt "Gewaltfreier Sport - Sport als
Vergnügen". Nach dem ersten Drittel des dreijährigen Projekts
präsentierten die Verantwortlichen eine positive Bilanz. "Die
Sicherheitszonen, das Busparking und der mobile Zaun haben massgeblich
zu mehr Sicherheit beigetragen", so Projektleiterin Katharina Ganz.
Bewährt habe sich auch die Videoüberwachungsanlage.
Auseinandersetzungen zwischen Fans, Beschimpfungen von
Spielern
und Schiedsrichtern sowie Würfe von Gegenständen auf das
Spielfeld hätten massiv abgenommen. Deshalb sei die Anlage auf die
Sitzplätze ausgeweitet worden, so dass jeder Fan aufgezeichnet und
identifiziert werden könne. "Davor haben die Leute wahnsinnigen
Respekt", bestätigt Reto Klaus, Geschäftsführer der
Lakers Sport AG.
---
Zürichsee-Zeitung 2.9.10
Eishockey Zusammenarbeit von Kanton, Stadt und Klub soll
Lakers-Spiele
familienfreundlicher machen
Pöbelfans geht es an den Kragen
Die Lakers werden künftig mehr an die Polizeikosten
zahlen.
Mit besserer Zusammenarbeit will man aggressive Fans unschädlich
machen.
Sarah Gaffuri
Sichtbar alkoholisierte oder unter Drogen stehende
Hockeyfans
haben keine Chance mehr auf Einlass in die Diners Club Arena, das
Heimstadion der Rapperswil-Jona Lakers. Die Stehplatzzone kann für
ein Spiel auch mal gesperrt werden, oder es kann sein, dass die von
dort zugänglichen Bars keinen Alkohol verkaufen, wenn eine Partie
als Risikospiel eingestuft wird. Und die Lakers Sport AG bezahlt
jährlich 35 000 statt 11 000 Franken an die Kosten der Polizei.
Dies alles sind Details aus der Vereinbarung, die gestern
Vertreter des Kantons St. Gallen, der Stadt Rapperswil- Jona und der
Lakers Sport AG unterzeichneten. Im Fussball kennt man solche
Verträge, deren Vorlage die Konferenz der kantonalen
Polizeidirektoren und -direktorinnen erarbeitet hat, schon länger.
Die Lakers sind der erste Eishockeyklub, der sich darauf einlässt.
Die Vereinbarung tritt ab der kommendenen Saison, die am 9. September
startet, in Kraft.
Keine Lücken mehr bieten
Man zeigte sich an der Medienkonferenz zufrieden, die
Akteure
lobten einander für die Zusammenarbeit. Dabei ist es noch nicht
lange her, dass man sich gegenseitig für die Ausschreitungen vor,
während und nach Hockeyspielen in Rapperswil-Jona beschuldigte.
Damit ist nun Schluss: "Die gewaltbereiten Fans suchen Lücken in
der Koordination", sagt Katharina Ganz, Projektleiterin von
"Gewaltfreier Sport - Sport als Vergnügen". Mit dem
Schulterschluss zwischen Kantonspolizei, Stadt und Hockeyklub will man
ihnen diese Lücken nicht mehr bieten; gemeinsam wurde 2009 deshalb
das Projekt ins Leben gerufen.
Zentral in der neuen Vereinbarung ist die Regelung, wer wo
wofür zuständig ist, und wie erhobene Daten von
Pöbelfans zu den anderen Parteien gelangen. Die Federführung
liegt bei der Kantonspolizei. Die Stadt und die SBB überwachen den
Weg vom Bahnhof zum Stadion und andere neuralgische Punkte mit
Videokameras. Die Lakers filmen in der Halle und speichern die
Aufnahmen. Diese Daten werden zwischen Polizei und Sicherheitsleuten
der Lakers künftig ausgetauscht. Stadion- oder Rayonverbote werden
weiterhin direkt vor Ort ausgesprochen, und neu wird die Einhaltung
solcher Verbote auch an Auswärtsspielen überwacht. Hier orten
sowohl Reto Klaus, Geschäftsführer der Lakers Sport AG, als
auch Verwaltungsratsdelegierter Christian Stöckling
Verbesserungspotenzial. Deshalb werden sogenannte Spotter der
Kantonspolizei St. Gallen auch an Auswärtsspielen im Einsatz sein.
Ausserdem werden die Fans zu diesen Partien immer von einem Fanbetreuer
begleitet.
Mit baulichen Massnahmen am eigenen Stadion habe man das
Ziel
friedlicher Spiele zuhause bereits erreicht, erklärten die
Lakers-Vertreter. Die räumliche Trennung der gegnerischen Fans
schon vor dem Spiel bewähre sich. Helfen soll auch "Jack der Fan",
eine neue Figur, die in einer handlichen Broschüre die
Stadionregeln erklärt.
Umbau der Fankurve möglich
Seitens der Stadt Rapperswil-Jona zeigte man sich
zufrieden
über die Vereinbarung: "Das Gewaltproblem könnte für den
Klub existenzielle Folgen haben", sagte Stadtpräsident Benedikt
Würth. "Als Eigentümerin des Stadions muss die Stadt die
Mittel schützen, die sie im Jahr 2000 in die Sanierung des
Stadions gesteckt hat." Ausserdem leide das Sicherheitsimage unter den
randalierenden Hooligans. Brigitte Bruhin, Sicherheitschefin von
Rapperswil-Jona, ergänzte: "Sollte es aus Sicherheitsgründen
erforderlich sein, wird für die Saison 2011/2012 auch ein Umbau
der Stehplatzkurve in Erwägung gezogen." Der Entscheid werde mit
dem Klub gefällt; die benötigten 120 000 Franken sollen
über die Bürgerversammlung im Dezember ins Budget gelangen.
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20 Rayonverbote
10 800 Ordnungsdienststunden für die Lakers leistete
die
Polizei im letzten Jahr. 2001 waren es noch 812 Stunden.
"Vorläufig wird der grosse Polizeieinsatz notwendig bleiben",
bedauerte Polizeidirektorin Karin Keller-Sutter. Dass letztes Jahr rund
20 Rayonverbote und 24 Stadionverbote ausgesprochen worden seien,
spreche für das konsequente Durchgreifen der
Sicherheitskräfte. Mit den getroffenen Massnahmen sollten auch die
Ausschreitungen und so die investierten Stunden der Polizei
zurückgehen. Damit spare man sowohl Geld der Steuerzahler als auch
der Lakers Sport AG. "Und die Polizeikräfte können dann
andernorts gebraucht werden." (sga)
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20 Minuten 2.9.10
Mit "Big Brother" gegen die Eishockey-Hooligans
RAPPERSWIL-JONA. An Spielen der Rappi-Jona Lakers werden
Hooligans künftig nicht mehr geduldet. Klub, Stadt und Kanton
wollen das Problem mit totaler Überwachung eindämmen.
Bei Heimspielen der Rapperswil-Jona Lakers gab es in der
Vergangenheit immer wieder Zoff seitens der Heim- und Gästefans:
"Bei jedem dritten Heimspiel gab es Ausschreitungen", präzisiert
Harald Düring, Sicherheitschef der St. Galler Kapo, die Situation.
Der Verein, die Stadt und der Kanton gehen deshalb ab 9. September mit
einer totalen Videoüberwachung gegen die gewaltbereiten Fans vor:
"Von der Ankunft am Bahnhof bis zum Stadion und zurück stehen die
Fans künftig unter Videoüberwachung", sagt Benedikt
Würth, Stadtpräsident von Rapperswil-Jona. Dafür sind
zehn neue Videokameras installiert worden. Die Diners Club Arena selbst
wird seit 2009 schon komplett per Video überwacht - mit 30 Kameras.
In der neuen sogenannten Mustervereinbarung, die in dieser
Form
ein Novum im Eishockey-Sport darstellt, sind auch strengere Hausregeln
vorgesehen: Vermummten oder stark betrunkenen Fans wird der Einlass
verweigert und Littering nicht mehr geduldet. Zudem sollen ab der neuen
Saison, die nächste Woche startet, auch erstmals Schnellverfahren
zum Einsatz kommen.
PASCAL BROTZER
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DATENSCHUTZ
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WoZ 2.9.10
Datenschutz-Dank wachsender technischer Möglichkeiten
werden
gigantische Datenmengen beschafft, gespeichert und ausgewertet.
Freibeuter und Fischer
Von Jan Jirát
"Fischen im Datenmeer" hiess der Titel des 15. Symposiums
über Datenschutz und Sicherheit, das am Dienstag im
Hauptgebäude der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH)
in Zürich stattfand. Und plötzlich grinste der Filmpirat Jack
Sparrow den über hundert TeilnehmerInnen von der Leinwand
entgegen. Beat Rudin, Datenschutzbeauftragter des Kantons Basel-Stadt
und gemeinsam mit seinem Zürcher Arbeitskollegen Bruno Baeriswyl
Gastgeber des Anlasses, erläuterte: "Im riesigen Datenmeer fischen
auch Freibeuter, sie gilt es zu stoppen. Aber längst nicht alle
Fischer sind Freibeuter. Wir wollen heute gemeinsam herausfinden,
welche Regeln für das Fischen im Datenmeer gelten."
Privatwirtschaft ist weiter
Im ersten Teil standen die technischen Aspekte von zwei
Methoden
im Vordergrund. Andreas Meier, Wirtschaftsinformatiker an der
Universität Freiburg, stellte das "Data Warehousing" vor, das
zentrale Speichern und Sammeln von Daten aus unterschiedlichen Quellen
innerhalb eines Unternehmens, das über eine nachfolgende Analyse
Antworten über Umsatzmöglichkeiten, Verkaufspreise,
Marktanteile, MitarbeiterInnenzufriedenheit oder Kundenmanagement geben
kann. Meier sagte: "Kein mittleres und schon gar kein grosses
Unternehmen kommt heute ohne Data Warehousing aus." Stefan Rüping
vom deutschen Fraunhofer-Institut für Intelligente Analyse- und
Informationssys teme äusserte sich zum "Data Mining". Dabei wird
ein bereits vorhandener Datenbestand - nicht selten eben Data
Warehouses - statistisch-mathematisch ausgewertet mit dem Ziel der
Mustererkennung. Zur Anwendung kommt Data Mining vorwiegend in der
Privatwirtschaft, die beim Fischen im Datenmeer schon viel weiter ist
als die (öffentliche) Verwaltung. Ein Beispiel sind die
Kundenempfehlungen beim Versandhaus Amazon. Aber auch Banken,
Versicherungen oder Krankenkassen wenden Data Mining an, um
beispielsweise Aufschluss über allfälliges Betrugs- oder
Missbrauchspotenzial zu erhalten.
Globales Datenschutzgesetz fehlt
Im zweiten Teil wurden die beiden erwähnten Methoden
aus der
Sicht von Datenschützern beurteilt. Das Spannungsfeld war bald
einmal abgesteckt: Den immer ausgeprägteren technischen
Möglichkeiten stehen juristische Rahmenbedingungen gegenüber.
Die entscheidende Frage bleibt allerdings, wie die Rechtswirklichkeit
aussieht. Wenn Google beispielsweise eine Firma aufkauft, die über
eine Datenbank mit personenbezogenen Daten verfügt, darf Google
diese dann für seine Zwecke benutzen? Die Frage führte
sogleich zum nächsten Problem: Noch gibt es kein einheitliches,
globales Datenschutzgesetz, wie also soll man mit sogenannten Global
Players umgehen? Die eingangs aufgeworfene Frage, welche Regeln
für das Fischen im Datenmeer gelten, musste so unbeantwortet
bleiben.
In der abschliessenden Paneldiskussion wurden aber doch
Lösungsansätze präsentiert: Während Sanktionen eher
kritisch bewertet wurden - "eine Busse von 300 000 Euro bezahlt Google
doch aus der Portokasse" -, war man sich einig, dass künftig
für die Erhebung von Daten eine Deklarationspflicht und die
Einwilligung der Kunden nötig seien.
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WEGGESPERRT
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Bund 1.9.10
Die alte Zeit war nicht gut
Jahrelang haben die Behörden Jugendliche eingesperrt,
nur
weil sie "nicht recht taten". Und zwar ohne Anhörung und
Gerichtsbeschluss. Jetzt trifft sich Bundesrätin Eveline
Widmer-Schlumpf mit ihnen.
Mathias Ninck
Christoph Pöschmann trägt etwas Schweres mit
sich
herum. Die Vergangenheit. Der Mann ist 50, im besten Alter, wie man
sagt, er flickt Bagger, Kräne, Schneeschleudern.
Baumaschinenmechaniker ist er, ein Einmannunternehmen. Und er ist
Grossvater: Er hat drei Söhne, und die haben selber schon wieder
Kinder. Pöschmann redet nicht viel, er ist einsilbig, noch vor
zwei Jahren wussten die Söhne kaum etwas über ihn. "Manchmal
habe ich eine grosse Gefühlskälte", sagt er. "Meine Jugend
bestand nur aus Härte und Disziplin. Das hat mich selber hart
gemacht, viel zu hart."
Diese Sätze hat Christoph Pöschmann einmal zu
einem
Redaktor des "Beobachters" gesagt, zu Dominique Strebel. Und der hat
daraus jetzt ein Buch gemacht. Es ist ein Buch über Menschen, die
man weggesperrt hat. Christoph Pöschmann wurde nämlich
eingesperrt, aus nichtigem Grund, wie man heute weiss, "administrativ
versorgt", wie es damals hiess, das war im Oktober 1976 gewesen, er war
16 Jahre alt. Pöschmann war einer von Zehntausenden.
Dominique Strebel erzählt im Buch "Weggesperrt" die
Geschichten von fünf Menschen, die in ihrer Jugend abgewichen sind
von der sogenannten Normalität und dafür mit der harten Hand
der Gemeindebehörden abgestraft wurden. Liederliche,
Arbeitsscheue, Haltlose, wie man sie damals nannte. Junge Frauen etwa,
die unehelich ein Kind geboren hatten. Junge Männer, die tranken.
Das war legal, doch: Das alte Zivilgesetzbuch sah vor, dass die
Behörden "zum Schutz des Kindes geeignete Vorkehrungen" treffen;
sie konnten ein Kind den Eltern wegnehmen und "in angemessener Weise in
einer Familie oder Anstalt unterbringen". Kind war man damals bis 20.
Das Ziel: Nacherziehen
Der Gemeinderat von Aarburg im Kanton Aargau, irgendjemand
dort,
hatte das Gefühl, Christoph Pöschmann stehe "in Gefahr,
geistig und sittlich zu verwahrlosen". So steht es jedenfalls im
Protokoll des Gemeinderats vom 5. Oktober 1976: "Unter einem Zigeuner
wird in der Regel ein Mensch verstanden, der ruhelos auf der
Wanderschaft ist, sich und die Seinen dabei aber mit ehrlicher Arbeit
durchs Leben bringt, ohne der Öffentlichkeit zur Last zu fallen.
Das Wort Zigeuner hat aber noch einen andern, weniger vorteilhaften
Sinn. Mit einem Menschen dieses Schlages hat sich der Gemeinderat zu
befassen: Christoph Pöschmann." Der Gemeinderat beschloss, den
jungen Mann in die Anstalt Dietisberg im Baselbiet zu bringen, in der
"charakterlich schwache Menschen" nacherzogen wurden, vor allem, indem
man sie wie Hunde schuften liess. "Mit Erziehung hatte das rein gar
nichts zu tun", sagt Pöschmann.
Was war passiert? Er war 1960 in Zürich geboren
worden, mit
eineinhalb Jahren hatte ihn die Mutter in eine Pflegefamilie gegeben,
zu Bauern im Thurgau. In der fünften Klasse hatte Christoph
Pöschmann zufällig entdeckt, dass er nicht der Sohn seiner
Eltern war. Er zieht dann zu der "richtigen" Mutter nach Rheinfelden,
Kanton Aargau; als er 16 Jahre alt ist, drückt ihm diese fremde
Frau, die ihn geboren hat, eine Hunderternote in die Hand und sagt:
"Schau, wie du im Leben zurechtkommst."
Er geht nach Hamburg, will zur See fahren, findet
tatsächlich einen Kapitän - was er noch braucht: ein Dokument
aus der Schweiz. Er wartet und trampt derweil durch Deutschland, jobbt
in München auf dem Jahrmarkt, wird aufgegriffen, die Polizei nimmt
Kontakt auf mit der Gemeinde Aarburg. Oktober 1976: Der Fall Christoph
Pöschmann wird an der Sitzung des Gemeinderats behandelt, der
Beschluss lautet gemäss Protokoll: "Der Leiter des Sozialdienstes
wird den jungen Mann in St. Margrethen abholen und der Arbeitskolonie
Dietisberg zuführen. Der Gemeinderat ist sich bewusst, dass dieses
Verfahren nicht über jeden Zweifel erhaben ist, sieht sich aber zu
dieser Massnahme durch das Verhalten des jungen Mannes veranlasst. Er
scheint nicht begriffen zu haben, dass es ohne ernsthafte Arbeit nicht
geht. Daran muss er gewöhnt werden."
Das Delikt: Herumstreunen
Pöschmanns Lebensgeschichte ist, wie die anderen im
Buch
aufgerollten Biografien auch, unfassbar, beklemmend. Das Gefühl
des Weggesperrtwerdens gehört ohnehin zu den schlimmen
Gefühlen; jeder Gefängniswärter kann von Männern
erzählen, auch ganz harten Kerlen, die zusammenbrechen in den
ersten Stunden der Haft. Noch viel schlimmer ist, wenn man nicht von
einem Gericht verurteilt worden ist, also nicht weiss, warum man im
Gefängnis sitzt und für wie lange. Christoph Pöschmann
ist weder verurteilt worden, noch war er bevormundet oder bebeistandet,
er war bloss ein herumstreunender Jugendlicher.
Bereits 1938 kritisierte der Journalist Carl Albert
Loosli, wie
man mit diesen Jugendlichen umging. Er schrieb (im "Beobachter"): "Die
öffentliche Meinung unseres Landes entrüstet sich mit voller
Berechtigung über die Institution der sogenannten
Konzentrationslager im diktatorisch regierten Ausland. Je nun - es
steht uns in der Schweiz kein Recht zu, uns darob zu entrüsten.
Zwei Drittel sämtlicher Insassen in Korrektions-, Arbeits- und
Zwangserziehungsanstalten bestehen aus administrativ Enthaltenen,
dagegen nur ein Drittel aus gerichtlich gesetz- und regelmässig
Verurteilten." Loosli brandmarkt, wie Strebel in seinem mit
historischem Hintergrund gut ausgestatteten Buch schreibt, das geltende
Recht als Klassengesetz, weil es vor allem die Mittellosen treffe, und
fordert die Abschaffung dieser "Willkürjustiz".
Ernst genommen wird Loosli vorerst nicht, er bleibt ein
Einzelkämpfer. Heute weiss man es besser. Heute fragt man: Wer
trägt die Verantwortung? Dominique Strebel stellt gleich zu Beginn
die Frage nach der moralischen Schuld. Das macht das Buch heikel und
zusätzlich interessant, denn es geht darum, ob man im Nachhinein
etwas verurteilen darf, was in jener Zeit gar nicht verboten war. Es
gab für die Behörden zwar einen Ermessensspielraum, aber zu
jeder Zeit herrscht eben auch eine für sie typische Grundstimmung.
Das Fürsorgeverständnis der Fünfziger- und
Sechzigerjahre folgte einer - aus heutiger Sicht - himmelschreienden
Vulgärpädagogik. Damals kämpften die Behörden
für die "soziale Heilung" der Abweichler, man fand, wer arm sei
oder alkoholsüchtig oder einen unmoralischen Lebenswandel
führe, der sei selber schuld und zeige damit nur, dass er mit der
Freiheit nicht umgehen könne. "Der Zweck der Anstaltsversorgung
ist die Besserung dieser Leute, ihre Angewöhnung an ehrbare,
regelmässige Arbeit und geordnete Lebensführung. Sie sollen
ordentlich verwahrt sein, das heisst, vor Verwahrlosung und
Kriminalität geschützt werden", zitiert Strebel das Handbuch
zur Armenfürsorge aus dem Jahr 1955.
Der Umgang: Wie mit Vieh
Ja, man hat diese unangepassten Menschen jahrzehntelang
wie Vieh
behandelt. Den Angepassten wars egal. Erst die 68er haben dann etwas
Grundlegendes begriffen: Wie gut eine Gesellschaft funktioniert, zeigt
sich daran, wie sie mit Menschen am Rand der Gesellschaft umgeht. Sie
fanden: Man darf dem Menschen alles nehmen, nur nicht die Würde.
Am 23. September 1972 griff Moritz Leuenberger in der
"National-Zeitung" (heute "Basler Zeitung") unter dem Titel "Wenn das
Zuchthaus als Heilanstalt gilt" in die Tasten und kritisierte: "Nicht
nur schwere Kriminelle, sondern auch lästige Asoziale werden in
geschlossenen Anstalten verwahrt." Neun Jahre später wurde das
damalige Fürsorgegesetz abgeschafft.
Und heute? Nach monatelangem Hin und Her haben sich
Vertreter der
Sozialbehörden, der Kantone und des Bundes geeinigt: Ja, doch, es
braucht eine Wiedergutmachung. Nächste Woche, am 10. September,
wird sich Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf im
Frauengefängnis Hindelbank (wo viele Frauen administrativ versorgt
wurden) mit Opfern treffen. Mit dabei sind auch der Berner
Polizeidirektor Hans-Jürg Käser und sein Zürcher
Amtskollege Hans Hollenstein. Widmer-Schlumpf wird dort ihr Bedauern
ausdrücken, vielleicht sich entschuldigen. Oder wird sie gar
Entschädigungszahlungen ankündigen? Ihre Rede wird auf jeden
Fall ein Präjudiz schaffen, denn nebst den administrativ
Versorgten warten auch Tausende von Verdingkindern und
Zwangssterilisierten auf einen emotionalen (und allenfalls
finanziellen) Ausgleich für erlittenes Elend.
Der Vorwand: Sicherheit
Im Kern verweist Strebels Buch auf die Grundrechte. Immer
sind
sie in Gefahr, immer wieder neu wird die Freiheit bestimmter
Menschengruppen unter dem Deckmantel übergeordneter Interessen
eingeschränkt. Wieder aktuell: die Jugendlichen. Ihnen wird heute
eine zunehmende Gewaltbereitschaft unterstellt, man unterwirft sie
Präventionsprogrammen, verbietet Killerspiele und Alkohol.
Disziplinierungsversuche allüberall. Oder die Verwahrten, denen
man eine hohe Gefährlichkeit unterschiebt. Man stellt Mutmassungen
an über ihr künftiges Verhalten. Man sperrt sie ein, obwohl
sie ihre Strafe abgesessen haben, es ist ein vorsorgliches Wegsperren
unter dem Vorwand der öffentlichen Sicherheit. Keine Frage:
"Weggesperrt" ist ein wichtiges Buch.
Dominique Strebel: Weggesperrt. Beobachter-Buchverlag,
Zürich 2010, 144 Seiten, 29 Franken.
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DROGEN
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Bund 2.9.10
Waadtländer Wahlmanöver um Bistro für
Drogensüchtige
Die Lausanner Rechte will bei den Wahlen von der
verfahrenen
Drogenpolitik des Stadtrats profitieren.
Richard Diethelm, Lausanne
Für viele Geschäftsinhaber und Passantinnen sind
die
Alkoholiker und Drogensüchtigen, die mitten in Lausanne
herumhängen, ein Ärgernis. Die Stadtregierung versuchte
bisher erfolglos, die Randständigen von der Place de la Riponne
wegzubringen. Im Juli 2007 lehnten 54,6 Prozent der stimmenden
Lausanner die Einrichtung eines Fixer-Stüblis ab. Seither hat der
städtische Sozialdirektor Jean-Christophe Bourquin (SP) in der
Sache glück- und mutlos agiert.
Im Sommer 2008 forderte das Stadtparlament die Exekutive
auf,
"möglichst rasch" eine Vorlage für ein kleines Restaurant
auszuarbeiten, in dem Drogensüchtige sich tagsüber aufhalten
können. Ein solches Bistro social war zwar in dem Massnahmenpaket,
das Bourquin ein halbes Jahr später vorschlug, enthalten. Aber die
Vorlage überzeugte nicht. Die Stadtregierung ging über die
Bücher und stellte im vergangenen Mai ein überarbeitetes
Drogenkonzept vor, das ein Bistro social neu als zweijähriges
Pilotprojekt vorsieht.
Helfen oder unterdrücken?
Wie das Fixer-Stübli polarisiert auch das Bistro
social,
obschon von harten Drogen Abhängige in diesem Lokal keine sauberen
Spritzen erhalten würden, sondern nur Alkohol ausgeschenkt
würde. Die SP und die Grünen wollen die Drogenabhängigen
mit einer besseren Betreuung von der Strasse wegbringen. Auf der
Rechten überwiegt die Meinung, die Drogenpolitik müsse
repressiver und auf Abstinenz ausgerichtet sein. Die Lausanner SP
verlor in der Zwischenzeit die Geduld mit dem Sozialvorsteher, der
ihrer Ansicht nach in diesem und anderen Dossiers zu sehr lavierte.
Ende Mai entzog der Parteivorstand dem 52-jährigen Bourquin das
Vertrauen und zwang ihn damit, nach nur einer Legislatur bei den Wahlen
im März 2011 nicht wieder zu kandidieren. Denn als stärkste
Partei in Lausanne will die SP bei den Lokalwahlen ihre Macht
verteidigen. Zudem hofft sie, nach dem im Jahr 2013 erwarteten
Rücktritt des Grünen Daniel Brélaz, das
Stadtpräsidium zurückzuerobern.
Um diese Ziele zu erreichen, darf sich die SP keine
Schwäche
und keine schwachen Stadträte leisten. Deshalb liess sie Bourquin
über die Klinge springen. Rot-grün stellt heute sechs der
sieben Stadträte. Diese Dominanz ist bei den kommenden Wahlen
infrage gestellt. Die SP hat ihre drei Sitze nicht auf sicher und wird
nun versuchen, zwei Mandate mit neuen Gesichtern zu verteidigen.
Die Handschrift Maillards
Als Bourquin ausgebootet wurde, vermuteten Beobachter, der
starke
Mann in der Kantonsregierung und ehemalige Vizepräsident der SP
Schweiz, Pierre-Yves Maillard, habe seine Hände im Spiel. Dem
Taktiker Maillard war nicht entgangen, dass die verfahrene
Drogenpolitik in Lausanne den Bürgerlichen Munition für den
Wahlkampf liefern und die SP die bevorzugte Zielscheibe abgeben
dürfte. Vor zwei Wochen durchkreuzte Maillard die Wahlstrategie
der Rechten. Als Waadtländer Sozial- und Gesundheitsdirektor
vereinbarte er mit der Lausanner Exekutive, drei in der Prävention
und der Therapie der Alkohol- und Drogensucht ausgewiesene kantonale
Institutionen sollten das Bistro social betreiben.
Die bürgerlichen Parteien sahen die Einmischung des
Kantons
als wahltaktischen Schachzug der Linken. Daher hiess die
bürgerliche Mehrheit im Kantonsrat am Dienstag eine Resolution der
SVP gut, die den Staatsrat auffordert, er müsse der "kategorischen
Ablehnung" eines Lokals für die Injektion von Spritzen und eines
sozialen Bistros durch den Souverän Rechnung tragen. Der Lausanner
Stadtrat und grüne Grossrat Jean-Yves Pidoux entgegnete, das Nein
der Lausanner habe 2007 nur dem Fixer-Stübli gegolten und nicht
dem Bistro social. Maillard sekundierte: "Wir sind überzeugt, dass
wir den Lausanner Volkswillen respektieren." Die beiden legen das
Ergebnis jenes Urnengangs allerdings frei aus. Die Frage auf dem
Stimmzettel lautete nämlich: Nehmen Sie den Beschluss des
Gemeinderates vom 15. Mai 2007 an, einen Raum für die Konsumation
von Drogen sowie ein Bistro social zu eröffnen und das Konzept
über den Umgang mit Drogensüchtigen anzupassen?
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Basler Zeitung 2.9.10
Das Drogengesetz ist das Grundproblem
Mit dem geplanten Bussenmodell für Hanfkonsum will
sich die
Politik der Wirklichkeit annähern
Mischa Hauswirth
In Reinform wendet Basel-Stadt das
Betäubungsmittelgesetz
nicht mehr an. Polizei und Staatsanwaltschaft fokussieren sich bei
Cannabis auf Dealer und Jugendschutz.
Die Schweiz nimmt einen neuen Anlauf: Nachdem 2004 die
Betäubungsmittelgesetz-Revision und 2008 auch die Initiative
für die Hanfliberalisierung scheiterten, wurde es still um die
Pflanze mit der botanischen Bezeichnung Cannabis sativa. 2010 schafft
es der Hanf erneut, Anhänger wie Gegner zu positionieren.
Die Stadt Zürich strebt die Legalisierung des Konsums
sowie
eine staatliche Abgabe von Marihuana an, und in Basel steht ein gleich
gelagerter Vorstoss auf der politischen Agenda. Im Kanton St. Gallen
verteilen Polizisten bereits Ordnungsbussen, wenn jemand beim
Cannabisrauchen ertappt wird. Und am vergangenen Dienstag empfahl die
Subkommission Drogenpolitik der nationalrätlichen
Gesundheitskommission, den Konsum von Hanfkraut künftig nicht mehr
als Vergehen, sondern als Übertretung zu ahnden (die BaZ
berichtete).
Kompromiss
Im Klartext heisst das: Die Politiker wollen die Konsumenten
entkriminalisieren und sie auf eine Stufe mit Falschparkern,
Wildpinklern und Gurtenmuffeln stellen. Aber so mutig sind die meisten
Politiker doch nicht, dass sie Haschraucher 60 bis 100 Franken bezahlen
lassen wollen - wie für Ordnungsbussen üblich: Weil niemand
sich dem Vorwurf aussetzen will, den Jugendschutz zu
vernachlässigen, soll die Strafe 200 Franken betragen.
Jean Henri Dunant, Basler SVP-Nationalrat und Mitglied der
Subkommission Drogenpolitik, stimmte dem neuen Bussenmodell zu: "Es ist
ein gesellschaftlicher Kompromiss", sagt er und verweist auf die rund
500 000 Menschen, die in der Schweiz schon einmal Cannabis konsumiert
haben oder dies regelmässig tun. Allerdings konnte Dunant sich mit
seinem Antrag, 18 Jahre als Mindestalter zu nehmen, nicht durchsetzen.
Die Kommission schlägt 15 Jahre als Untergrenze vor.
Von der Signalwirkung einer hohen Busse ist Dunant dennoch
überzeugt: "Wenn ein Jugendlicher einen solchen Betrag bezahlen
muss, führt das zu Diskussionen mit den Eltern."
Priorität
In Basel haben sich SP, Grüne, FDP, CVP, und EVP bereits
positiv
zu einer staatlich kontrollierten Marihuanaabgabe an über
18-Jährige geäussert. Selbst wenn Legalisierungsanträge
innerhalb der SVP chancenlos wären, sieht Dunant Cannabiskonsum
nicht nur als Gefahr. "Das sind nicht alles Kriminelle", sagt er.
Am klarsten wäre eine Änderung des
Betäubungsmittelgesetzes, das seit 1975 nicht mehr revidiert
worden ist; doch das dürfte in absehbarer Zeit kaum passieren. So
lange aber bleibt der Artikel 19 (a bis c) das Richtmass, wonach
Konsum, Besitz und Handel von Hanfkraut verboten sind. Die Strafe kann
von Busse bis Gefängnis reichen. Die Strafverfolgungsbehörden
haben keinen Spielraum.
Für die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt hat die
Bekämpfung von Heroin, Kokain sowie des gewerblichen Handels mit
Cannabis Priorität. Ein Verstoss gegen das
Betäubungsmittelgesetz mit Hanf zieht nicht zwingend ein Verfahren
nach sich. Staatsanwälte beurteilen bereits heute, ob sie bei
kleineren Mengen oder ein paar Hanfpflanzen auf dem Balkon für den
Eigenkonsum ein Verfahren eröffnen wollen. Oder einen
Haschischkonsumenten mit einer Busse bestrafen. Melzl: "Wir
eröffnen bei einem geringeren Vergehen erst dann ein Verfahren,
wenn jemand innerhalb eines Jahres zweimal wegen Cannabis verzeigt
wird."
Der Basler SVP-Grossrat Eduard Rutschmann bezeichnet sich
selber
als "strikten Drogengegner", hält es aber für falsch, wenn
die Polizei Cannabiskonsumenten "nachrennt". Rutschmann: "Wer im Garten
für den Eigenbedarf ein paar Pflanzen zieht, sollte nicht mit
allen Mitteln verfolgt werden, ebenso wenig der Besitz bis zwanzig
Gramm. Die Polizei hat Besseres zu tun."
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Basler Zeitung 1.9.10
Der Polizist, dein Alleskönner
Die Polizei soll in Zukunft junge Kiffer auf ihr
Suchtpotenzial
einschätzen
Philipp Loser, Bern
Geht es nach dem Willen der Subkommission Drogenpolitik im
Nationalrat, müssen Polizisten bei kiffenden Jugendlichen
künftig deren Suchtpotenzial einschätzen. Eine Kiffer-Idee,
findet die Polizei.
Die Szene ist folgende: Auf einer gammligen Strassenbank
in
irgendeiner Schweizer Stadt zieht sich ein 17-Jähriger einen Joint
rein. Ein Polizist entdeckt den Kiffer, schaut ihm tief in die Augen
und sagt: "Mein junger Mann, das scheint mir nicht so bedenklich zu
sein." Der Polizist zückt den Bussenblock und verdonnert den
Kiffer zu einer Strafe von 200 Franken.
Geht es nach dem Willen der Subkommission Drogenpolitik im
Nationalrat, werden solche Szenen in zwei Jahren Realität. Anfang
Woche hat die Kommission beschlossen, dass im neuen
Ordnungsbussensystem nur noch gegen Kiffer zwingend ein Strafverfahren
eingeleitet werden soll, die unter 15 Jahre alt sind. Erwischt die
Polizei Kiffer im Alter von 15 bis 18 Jahren, hat sie zwei
Möglichkeiten: Wenn die Polizei bei der Kontrolle einen
"problematischen Konsum" feststellt, leitet sie ein Strafverfahren ein.
"Wenn der Polizist hingegen die Einschätzung macht, dass keine
weitere Gefährdung besteht, kann er es bei einer Busse belassen",
sagte die Präsidentin der Kommission, Bundesratskandidatin
Jacqueline Fehr, gestern gegenüber Radio DRS.
Polizei überfordert
Bei Suchtfachleuten wird die Idee der Subkommission
Drogenpolitik
verhalten positiv aufgenommen. Dass über 18-jährige Kiffer in
Zukunft nur noch gebüsst werden sollen und nicht mehr ein
Strafverfahren durchstehen müssen, findet Markus Theunert,
Generalsekretär des Fachverbands Sucht, in Ordnung. Bussen bei
unter 18-Jährigen seien hingegen ungünstig. Kiffen bei
Jugendlichen könne Ausdruck einer normalen, stufengerechten
Entwicklung sein. Oder Ausdruck einer psychosozialen Gefährdung.
"Die Frage ist: Wer kann das eine vom anderen unterscheiden? Sicher
nicht der Polizist an der Front."
In der Tat stösst das Vorhaben der Subkommission
dort, an
der Front, auf heftigen Widerstand. "Was sollen wir denn alles noch
sein? Ärzte? Sozialmenschen?", fragt Max Hofmann,
Generalsekretär des Verbands Schweizerischer Polizeibeamter. In
den fünf Minuten, die eine Kontrolle normalerweise dauere,
könne man doch nicht wirklich erwarten, dass ein Polizist eine
ernsthafte Gefährdung erkenne. Der Basler Polizeisprecher Klaus
Mannhart hält es gar für "frivol und höchst
fragwürdig", wenn nach einem kurzen Augenschein ein definitiver
Entscheid in die eine oder in die andere Richtung gefällt
würde.
Die Basler SP-Nationalrätin Silvia Schenker hat den
Antrag
in der Subkommission unterstützt. Ihr gehe es grundsätzlich
darum, den Konsum von Cannabis so weit wie möglich zu
legalisieren. Die Einschätzung, ob der Konsum eines Jugendlichen
problematisch sei, müsse aber vom Lehrer oder Lehrmeister gemacht
werden - "nicht von der Polizei".
Hier sieht auch Markus Theunert den "dritten Weg". Bei der
Revision des Betäubungsmittelgesetzes im Jahr 2008 wurde neu eine
"erweiterte Meldebefugnis" im Gesetz verankert. Bis zur Inkraftsetzung
des Gesetzes im nächsten Frühling müssen die Kantone
Abklärungsstellen benennen, wohin sich Lehrer oder Arbeitgeber bei
einem problematischen Cannabis-Konsum eines ihrer Schützlinge
wenden können. "Das ist unsere Perspektive", sagt
Verbandssekretär Theunert, "dort sind Fachpersonen am Werk."
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SEXWORK
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BZ 2.9.10
Einreisesperre
Gericht gibt zwei Prostituierten recht
Illegale Prostituierte dürfen nicht mit einer
Einreisesperre
belegt werden. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden.
Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt für
Migration
(BFM) zurückgepfiffen und die Beschwerde von zwei
Frauen aus Bulgarien und Rumänien gegen eine Einreisesperre
gutgeheissen. Die Schwyzer Kantonspolizei hatte im Oktober 2008 in
einem Saunaklub zwei Prostituierte aus Bulgarien und Rumänien
angehalten, die über keine gültige Aufenthalts- oder
Arbeitsbewilligung verfügten. Die beiden wurden dafür mit je
500 Franken gebüsst.
Keine Einschränkung
Das BFM verhängte gegen die beiden Frauen
darüber
hinaus ein zweijähriges Einreiseverbot. Das
Bundesverwaltungsgericht hat ihre dagegen erhobenen Beschwerden nun
gutgeheissen. Laut den Richtern in Bern sind die Einreisesperren unter
der Geltung des Ausländergesetzes zwar nicht zu beanstanden. Die
EU-Mitglieder Rumänien und Bulgarien seien jedoch auf den 1. Juni
2009 in das Freizügigkeitsabkommen (FZA) einbezogen worden.
Ausnahmen vom freien Personenverkehr dürfen gemäss dem
Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften nur sehr restriktiv
gemacht werden.
Vorausgesetzt sei dabei eine tatsächliche und schwere
Gefährdung eines Grundinteresses der Gesellschaft. Das sei bei der
Prostitution nicht der Fall. Diese Tätigkeit werde, sofern von
Schweizer Staatsangehörigen ausgeübt, von den Behörden
weder strafrechtlich noch anderweitig irgendwie verfolgt oder
bekämpft.
Der Umstand, dass ein FZA-Ausländer die
Aufenthaltserlaubnis
nicht einhole, rechtfertige ebenfalls keine Einreisesperre. Für
Staatsangehörige aus Rumänien und Bulgarien sei die
Bewilligung zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit bis auf
weiteres zwar Pflicht und nicht nur Formsache wie bei den
Angehörigen anderer FZA-Staaten. Selbst in diesem Fall reiche eine
Zuwiderhandlung in der Regel aber nicht für die Verhängung
eines Einreiseverbotes. Nach den Weisungen des BFM solle dies vielmehr
nur in Fällen von ausserordentlich schwerer Schwarzarbeit
möglich sein.
Die Urteile können noch beim Bundesgericht
angefochten
werden.
sda
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Bewilligungen
Berner Praxis bleibt
Vor rund einem Jahr hat der Kanton Bern die
Bewilligungspraxis
für osteuropäische Prostituierte verschärft. Die Frauen
müssen den Behörden unter anderem mit einem Businessplan
beweisen, dass sie selbstständig erwerbend sind. Der Entscheid des
Bundesverwaltungsgerichts habe keinen Einfluss auf die Praxis des
Kantons Bern, sagt der Leiter des kantonalen Migrationsdienstes,
Florian Düblin. Denn diese befasse sich nicht mit Fragen der
Einreise, sondern lediglich mit arbeitsmarktrechtlichen Fragen. "Wir
knüpfen die Bewilligung an Bedingungen, aber schaffen weder
schwarzarbeitende Frauen aus, noch schränken wir die Reisefreiheit
ein."
As
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NLZ 2.9.10
Die Einreisesperre gegen zwei "Zeus"-Prostituierte war
unzulässig
Urs-Peter Inderbitzin
Bei einer Razzia im "Zeus" erwischt die Polizei Frauen,
die
illegal anschaffen - und verhängt Einreisesperren. Zu Unrecht.
Gegen Frauen aus Bulgarien oder Rumänien, die in der
Schweiz
illegal der Prostitution nachgehen, können keine Einreisesperren
verfügt werden. Zu diesem Schluss kommt das
Bundesverwaltungsgericht in Bern. Gemäss einem neuen, gestern
veröffentlichten Urteil gefährdet die illegale Prostitution
die öffentliche Ordnung nicht in einem Masse, die eine
Einreisesperre rechtfertigen könnte.
Vor rund zwei Jahren nahm die Kantonspolizei Schwyz im
Sauna-Club
Zeus in Küssnacht eine Milieukontrolle vor. Bei der
Hausdurchsuchung traf die Polizei auf eine Reihe von
Ausländerinnen, darunter auch eine 29-jährige Bulgarin und
eine 31-jährige Rumänin. Für die Behörden war klar,
dass sich die beiden Frauen im einschlägig bekannten Sauna-Club
prostituiert hatten. Das Bezirksamt Küssnacht verurteilte die
beiden Südländerinnen deshalb wegen rechtswidriger Einreise
und rechtswidrigem Aufenthalt sowie wegen illegaler
Erwerbstätigkeit zu einer Busse von je 500 Franken. Gleichzeitig
verhängte das Bundesamt für Migration gegen die beiden
Liebesdienerinnen ein zweijähriges Einreiseverbot.
Nur in schweren Fällen
Eine dagegen eingereichte Beschwerde der beiden Frauen hat
das
Bundesverwaltungsgericht nun teilweise gutgeheissen. Die Einreisesperre
war nur bis Ende Mai 2009 gültig erlassen worden. Bis zu diesem
Zeitpunkt war für Personen aus Bulgarien und Rumänien das
Ausländerrecht anwendbar. Seit dem 1. Juni 2009 gilt
demgegenüber das Freizügigkeitsabkommen zwischen der Schweiz
und der Europäischen Union auch für die neuen EU-Staaten
Bulgarien und Rumänien. Personen aus diesen Ländern
dürfen grundsätzlich in die Schweiz einreisen und hier auch
arbeiten. Fernhaltemassnahmen dürfen dabei nur bei schwersten
Zuwiderhandlungen gegen unsere Rechtsordnung verfügt werden. Die
Prostitution von Frauen aus Bulgarien oder Rumänien und auch aus
den übrigen EU-Ländern stellt laut dem Urteil jedoch keine
tatsächliche und schwere Gefährdung der öffentlichen
Ordnung dar. Der Erlass einer Einreisesperre nach dem 1. Juni 2009 war
deshalb unzulässig.
Das Bundesamt für Migration kann den Entscheid des
Bundesverwaltungsgerichtes noch beim Bundesgericht anfechten.
Hinweis: Urteil C-7549/2008
redaktion@neue-sz.ch
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10vor10 1.9.10
Prostituierte dürfen einreisen
Das Bundesverwaltungsgericht hat heute in einem Urteil
festgestellt,
dass ausgewiesene Prostituierte wieder in die Schweiz einreisen
dürfen. Bei den Migrationsämtern herrscht wenig Freude
über den Entscheid.
http://videoportal.sf.tv/video?id=ff480f4d-4de5-41c8-9fa8-4fec3fa141f6
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sf.tv 1.9.10
Freizügigkeit gilt auch für Prostituierte
sda/horm
Illegale Prostituierte aus Osteuropa dürfen nur in
schweren
Fällen mit einer Einreisesperre belegt werden. Das
Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt für Migration
zurückgepfiffen und die Beschwerde von zwei Frauen aus Bulgarien
und Rumänien gutgeheissen.
Die Schwyzer Kantonspolizei hatte im Oktober 2008 in einem
Saunaklub zwei Prostituierte aus Bulgarien und Rumänien
angehalten, die über keine gültige Aufenthalts- oder
Arbeitsbewilligung verfügten. Die zwei Damen wurden dafür mit
je 500 Franken gebüsst.
Keine Einschränkung der Freizügigkeit
Das Bundesamt für Migration (BFM) verhängte
gegen die
beiden Frauen darüber hinaus ein zweijähriges Einreiseverbot.
Das Bundesverwaltungsgericht hat ihre dagegen erhobenen Beschwerden nun
gutgeheissen. Laut den Richtern in Bern sind die Einreisesperren unter
der Geltung des Ausländergesetzes zwar nicht zu beanstanden.
Die EU-Mitglieder Rumänien und Bulgarien seien jedoch
auf
den 1. Juni 2009 in das Freizügigkeitsabkommen (FZA) einbezogen
worden. Ausnahmen vom freien Personenverkehr dürften gemäss
dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften nur sehr
restriktiv gemacht werden.
Vorausgesetzt sei eine tatsächliche und schwere
Gefährdung eines Grundinteresses der Gesellschaft. Dass sei bei
der Prostitution nicht der Fall. Diese Tätigkeit werde, sofern von
Schweizer Staatsangehörigen ausgeübt, von den Behörden
weder strafrechtlich noch anderweitig irgendwie verfolgt oder
bekämpft.
Bewilligung ist Pflicht
Der Umstand, dass ein FZA-Ausländer die
Aufenthaltserlaubnis
nicht einhole, rechtfertige ebenfalls keine Einreisesperre. Für
Staatsangehörige aus Rumänien und Bulgarien sei die
Bewilligung zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit bis auf
weiteres zwar Pflicht und nicht nur Formsache wie bei den
Angehörigen anderer FZA-Staaten.
Selbst in diesem Fall reiche eine Zuwiderhandlung in der
Regel
aber nicht für die Verhängung eines Einreiseverbotes. Nach
den Weisungen des BFM solle dies vielmehr nur in Fällen von
ausserordentlich schwerer Schwarzarbeit möglich sein. Die Urteile
können noch beim Bundesgericht angefochten werden.
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Tagesanzeiger 1.9.10
Das Bundesgericht schützt den Strassenstrich
In der CVP kommt der Ruf nach einem generellen
Strassenstrich-Verbot auf. Aber das Bundesgericht hat in einem Urteil
von 1998 ein Verbot nicht zugelassen.
Von Maria Rodriguez und Stefan Hohler
Zürich - Die CVP diskutiert über ein allgemeines
Verbot
der Strassenprostitution. Treibende Kraft ist die Stadtzürcher
Kantonsrätin Nicole Barandun. Für sie hat die Situation am
Sihlquai Ausmasse erreicht, die eine härtere Gangart durchaus
legitimieren: "Die momentane Situation am Sihlquai ist für die
Prostituierten und die Anwohner unwürdig. Ein Verbot des
Strassenstrichs ist durchaus ein Thema, das wir parteiintern
diskutieren." Sie versucht nun innerhalb der Kantonalpartei eine
Mehrheit zu erreichen, die sie bei einer parlamentarischen Initiative
unterstützen würde. Ob dies juristisch möglich ist,
bleibt aber fraglich. Wie der Regierungsrat in einer Antwort auf das
Postulat von Barandun und ihrem Fraktionskollegen Lorenz Schmid zum
Strassenstrich geschrieben hat, können Kantone Vorschriften
über Ort, Zeit und Art der Ausübung der Prostitution
erlassen. In Zürich hat der Kanton die Kompetenzen den Gemeinden
übertragen. In der Stadt existiert eine entsprechende Verordnung
mit "Strichplan", sie wird im Rahmen des Projekts "Rotlicht" auf Ende
Jahr überarbeitet.
Bordelle als Alternative
Der Regierungsrat betont aber, dass das Bundesgericht
entschieden
hat, dass solche Vorschriften die Prostitution nicht
übermässig behindern dürfen. "Ein allgemeines Verbot der
Strassenprostitution würde dem Bundesrecht widersprechen", ist der
Regierungsrat überzeugt. Nicole Barandun betont, dass es ihr nicht
darum geht, den Strassenstrich einfach für illegal zu
erklären, sondern die Stadt müsse Alternativen bieten:
"Kontrollierte Bordelle oder wenigstens der Nachweis, dass die
anschaffenden Frauen ein Zimmer zur Verfügung haben, wären
Möglichkeiten."
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ARBEITERINNENBEWEGUNG
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WoZ 2.9.10
Sachbuch
"Links aufmarschieren"-Die erste Gesamtdarstellung zur
Geschichte
der Ostschweizer Arbeiterbewegung erzählt von Massenarmut und
Kinderarbeit, vom zähen Aufstieg der Linken und ihrem Kampf gegen
Willkür.
Die schwierige neue Freiheit
Von Andreas Fagetti
In den Anfängen der Industrialisierung lebte ein
Grossteil
der Landbevölkerung in elenden Verhältnissen. Die
Kindersterblichkeit war hoch, die Lebenserwartung tief. Ein
Fünftel der Neugeborenen überlebte das erste Lebensjahr
nicht, bloss etwa zehn Prozent der Menschen erreichten das 60.
Lebensjahr, wie eine Studie über die Innerschweiz belegt. Die
Industrialisierung sprengte die alten Gesellschaftsordnungen,
entwurzelte Menschen und senkte die Einkünfte mancher
ArbeiterInnen. Die Fabrikanten beuteten Kinder aus und schädigten
sie in ihrer Entwicklung, sie mussten zwölf Stunden und mehr
arbeiten, aber auch familiäre Kleinstbetriebe der Heimsticker
setzten auf sie als Billigarbeitskräfte. Erst das
eidgenössische Fabrikgesetz von 1877 verbot Kinderarbeit. Bis es
durchgesetzt war, dauerte es freilich Jahre.
Während die unmittelbaren Profiteure der
Industrialisierung,
die Fabrikherren und ihre freisinnigen Sekundanten, die sozialen
Verwerfungen verharmlosten oder ihnen mit Almosen glaubten begegnen zu
können, drängten fortschrittliche und selbst konservative
Kreise auf politische Lösungen und gesetzlich verankerte
Schutzmassnahmen. Den Interessen der arbeitenden Bevölkerung
verhalf aber letztlich erst die Arbeiterbewegung zum Durchbruch -
Linksparteien, allen voran die Sozialdemokratische Partei,
Gewerkschaften und Genossenschaften formierten sich allmählich zu
einer Gegenmacht.
Langwierige Rekonstruktion
Der Rorschacher Historiker Louis Specker leuchtet die
Lebensverhältnisse in der Ostschweiz des 19. Jahrhunderts aus und
zeichnet den zunächst zähen Aufstieg der Linken und ihrer
Organisationen nach. Seine eben im Chronos-Verlag erschienene
Frühgeschichte über die Ostschweizer Arbeiterbewegung
untersucht den Zeitraum von den Anfängen Mitte des 19.
Jahrhunderts bis zum Ersten Weltkrieg. Der frühere Direktor des
Historischen Museums in St. Gallen ist mit der regionalen
Arbeitergeschichte vertraut wie kaum ein anderer. Bekannt wurde er mit
seiner Biografie über den Weberpfarrer und späteren
Nationalrat Howard Eugster-Züst, der die StickerInnen in
Ausserrhoden organisierte.
Der St. Galler Gewerkschaftsbund und die
Bildungsgemeinschaft
beauftragten Specker mit der Aufarbeitung dieser Geschichte bereits
Anfang der achtziger Jahre. Die Rekonstruktion die ser
Frühgeschichte war angesichts des vergleichsweise quellenarmen 19.
Jahrhunderts nur möglich, weil Specker in jahrelangen Recherchen
eine einzigartige Fülle von Zeitschriften, Archiven und weiteren
Quellen zusammentrug. Entsprechend facettenreich präsentiert sich
nun sein Buch.
In der Ostschweiz waren es in ers ter Linie
Grütlivereine,
vaterländisch gesinnte und bildungsbeflissene Arbeitervereine, und
die linksliberalen Demokraten, die sich zunächst der sozialen
Frage und der Interessen der ArbeiterInnen annahmen. Sie setzten auf
Bildung und einen Reformkurs, der die bürgerlich-kapitalistische
Ordnung nicht in Frage stellte. Unterstützt wurden sie dabei auch
im konservativen Lager von christlichen Sozialreformern und
Philanthropen. Erst die revolutionär gesinnten
sozialdemokratischen Parteien, in denen schliesslich Demokraten und
Grütlianer aufgingen, die sonst marginalisiert wurden, stellten
die Systemfrage und kämpften letztlich mit Erfolg auch für
eine ökonomische Besserstellung der Lohnabhängigen.
In der Ostschweiz war die Organisation der ArbeiterInnen
aus
verschiedenen Gründen schwierig. Hier fehlten grosse
Industriezentren. Die alles beherrschende Textil- und
Stickereiindustrie war dezentral organisiert, neben den Fabriken
bediente ein Heer von HeimarbeiterInnen den Markt. Obwohl abhängig
von den Fabrikanten, verstanden sie sich als UnternehmerInnen. Hinzu
kam eine von Obrigkeitsgläubigkeit und Fatalismus geprägte
Haltung. Specker beschreibt, wie die Industrialisierung
überkommene Bindungen aufhob und die Menschen den Umgang mit den
neuen "Freiheiten" erst lernen mussten: Wer in den kurzen Boomphasen
plötzlich etwas mehr Geld zur Verfügung hatte, verschuldete
sich und kaufte ein Haus oder gab es für andere Verlockungen der
aufkeimenden Konsumgesellschaft aus. Auch davon profitierten die
Kapitalisten.
Streikbrecher und Krawalle
Ende des 19. Jahrhunderts verschärften sich die
sozialen
Gegensätze; die arbeitenden Menschen begannen sich zu
organisieren. Nun waren sie nicht mehr bloss Opfer der
Verhältnisse, sondern AkteurInnen. 1871 streikten in St. Gallen
die Beschäftigten der Firma Messmer‘schen Appretur. Sie forderten
eine Arbeitszeitverkürzung auf zwölf Stunden pro Tag, konnten
sich aber nicht durchsetzen. Wer sich wehrte, dem drohte die
Entlassung. In industriellen Zentren wie Rorschach oder Arbon kam es zu
Arbeitskämpfen. Legendär war der durch Streikbrecher
ausgelöste "Giesserkrawall" 1905 in Rorschach. Die Behörden
setzten Militär ein, Streikende wurden abgeurteilt und aus dem
Kanton ausgewiesen. Wer "kommunistische" Ideen verfolgte, musste mit
massiver staatlicher Repression rechnen. Zwischen 1880 und 1914 wurden
in der Ostschweiz 23 Mal Truppen zur Niederschlagung von Streiks
aufgeboten. Etwas kurios wirkt der Umstand, dass der bedeutende
Rickentunnelstreik von 1904 bloss in einer Fussnote abgehandelt wird.
Die Ostschweiz war aber auch Schauplatz internationaler
sozialistischer Kongresse. 1887 gewährte sie Exponenten der
verbotenen deutschen SPD Gastrecht, die in St. Gallen heimlich einen
Kongress abhielt. Linke Grössen wie Eduard Bernstein, August Bebel
oder Wilhelm Liebknecht waren damals in St. Gallen. In Chur tagte ein
sozialistischer Weltkongress.
Specker bietet über weite Strecken eine
aufschlussreiche
Lektüre. Allerdings ist der Text stilistisch nicht aus einem Guss,
mitunter schlägt Specker einen etwas antiquierten Ton an.
Schildert er radikale Linke, sind es "Hitzköpfe", etwa in seiner
Schilderung der auch in der Ostschweiz aktiven Anarchisten. Er
reduziert den Anarchismus auf die Propaganda der Tat und bedient das
Klischee von den Bombenlegern und Terroristen. Dagegen stimmt er immer
wieder ein Loblied auf die "nüchternen" Ostschweizer und ihren
Pragmatismus an.
Louis Specker: "Links aufmarschieren. Aus der
Frühgeschichte
der Ostschweizer Arbeiterbewegung". Chronos Verlag. Zürich 2010.
470 Seiten. 68 Franken.
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WoZ 2.9.10
"Trotzki als junger Revolutionär"
Leo Trotzki und der Kehrichthaufen
Die Stimmung war geladen im Smolny-Institut in Petrograd,
wo der
Zweite Allrussische Rätekongress der Arbeiter- und
Soldatendeputierten im Herbst 1917 Sitzung hielt. Die Abgeordneten
verschiedener sozialistischer Fraktionen aus ganz Russland diskutierten
hitzig das weitere Vorgehen. Die Bolschewiki um Lenin sahen die Zeit
für einen Umsturz gekommen. Sozialrevolutionäre und
Menschewiki sprachen sich gegen ein übereiltes Vorgehen aus und
verliessen aus Protest den Saal. "Ihr seid Bankrotteure, eure Rolle ist
ausge spielt", rief ihnen der Vorsitzende nach: "Schert euch hin, wohin
ihr von nun an gehört: auf den Kehrichthaufen der Geschichte."
Flüssig und anschaulich
Der Deputierte, der dieses Urteil fällte, war Leo
Trotzki -
ein feuriger Revolutionär, brillanter Redner, gewiefter
Theoretiker des Marxismus und neben Lenin wohl die zentrale Figur der
Russischen Revolution und eine der bedeutendsten Persönlichkeiten
des 20. Jahrhunderts überhaupt. Er sollte recht behalten: Die
Oktoberrevolution, an deren Vorabend der Kongress tagte, sollte sich
tatsächlich als epochenmachende Zäsur in die Annalen der
Weltgeschichte einschreiben. Auch Trotzkis eigener Stern war im
Aufsteigen begriffen: 1917 wurde er erster Aussenminister Sowjetruss
lands, 1918 baute er als Kriegsminister die Rote Armee auf und
führte sie 1920 im Bürgerkrieg zum Sieg. Die Rolle der
zögernden Sozialrevolutionäre und Menschewiki dagegen
verblasste.
Das ist alles schon lange her. Vor zwanzig Jahren war es
die
bankrotte Sowjetunion selbst, die auf dem "Müllhaufen der
Geschichte" landete. Trotzkis Schicksal besiegelte sich noch
früher: Stalin wollte auch Jahre, nachdem Trotzki im Machtkampf
gegen ihn unterlegen war und Russland hatte verlassen müssen, den
Tod seines ehemals gefährlichsten Gegenspielers. Am 21. August
1940 erlag Trotzki im mexikanischen Exil den Verletzungen, die ihm
durch einen von Stalin gesandten Attentäter zugefügt worden
waren.
Brandaktuelle Grundsätze
Aber gehört nicht Trotzki selber schon längst
auf den
von ihm beschworenen Kehrichthaufen? Dagegen argumentiert Jürg
Ulrich, emeritierter Professor für Neuropathologie am
Universitätsspital Basel, in seiner populärwissenschaftlichen
Trotzki-Biografie, die kürzlich neu aufgelegt wurde. Sehr
flüssig und anschaulich beschreibt Ulrich den Lebensweg des
Revolutionärs. Über seine Rolle als Staatsmann, der nach der
Revolution als kalter Machtmensch versucht, seine theoretischen
Konzepte auf die sowjetische Wirklichkeit anzuwenden und dabei tragisch
scheitert, erfahren wir leider nur im Epilog.
Das Ziel von Ulrichs auf sympathische Weise
persönlich
gehaltener Studie ist es, "jungen politisch interessierten Menschen die
Entwicklung sozialistischer Ideen und Bewegungen" zu zeigen und sie
"über ein Stück Geschichte [zu] informieren, das meiner
eigenen Generation von Sozialisten (Jahrgang 1930)
selbstverständlich war". In dieser Absicht gründet wohl auch
der etwas lehrbuchhafte Duktus, in dem das Werk zuweilen gehalten ist -
mit dem Ulrich aber auch einen verständlichen, soliden und
undogmatischen Einblick in die marxistische Theorie und in Trotzkis
Konzept der permanenten Revolution bietet. Grundsätze wie der,
dass sich die Produktionsweise "nicht mehr durch den
grösstmöglichen Profit, sondern durch das menschliche
Bedürfnis leiten lassen" sollte, damit sich die Gesellschaft aus
dem "unheilvollen Zyklus von Konjunktur und Krise" befreien kann,
bleiben jedenfalls brandaktuell. Problematisch erscheint allerdings,
dass Ulrich seine Erzählung stark auf Trotzkis autobiografischen
Schriften stützt und diese nicht immer mit der gebührenden
Kritik hinterfragt.
Die eindeutige Stärke Ulrichs ist seine
Fähigkeit,
Trotzkis Lebenslauf in die gesellschaftlichen und politischen
Strömungen seiner Zeit einzubetten. Seine lesenswerte Studie
belegt jedenfalls eindrücklich, dass Geschichte - jenseits der
kurzfristigen Wahrnehmung ihrer "Sieger" oder "Verlierer" - mehr
Fundgrube als Müllhaufen ist. Thomas Bürgisser
Jürg Ulrich: "Trotzki als junger Revolutionär".
VSA-Verlag. Hamburg 2010. 160 Seiten. Fr. 29.50.
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NOVARTIS
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Bund 1.9.10
Neue Anschläge auf Novartis-Manager und -Einrichtungen
In Mexiko, Russland und Spanien sind Farb- und
Sprengstoffanschläge verübt worden.
Maurice Thiriet
Novartis hat nach wie vor ein Sicherheitsproblem. Seitdem
militante Tierschützer vor rund einem Jahr die Asche von Daniel
Vasellas Mutter vom Friedhof in Chur entwendet haben, sind mindestens
vier weitere Anschläge auf Einrichtungen oder Manager von Novartis
verübt worden.
Der jüngste Anschlag ereignete sich am 1. August in
Barcelona. Aktivisten verwüsteten nachts die Fassade des Hauses
einer Novartis-Geschäftsführerin. Die Tierschützer
füllten das Schloss der Haustür laut einem Bekennerschreiben
mit Leim und warfen vier Farbbeutel. Neben den Farbschäden prangte
der Slogan "M. S. F. quält Tiere. Novartis = HLS". Die Aktivisten
wollen mit ihren Aktionen erreichen, dass Novartis die Zusammenarbeit
mit dem umstrittenen Tierversuchslabor Huntingdon Life Sciences (HLS)
einstellt, was ihnen im Fall des zweiten Schweizer Pharmariesen Roche
mit ähnlichen Methoden gelungen ist.
Bereits am 27. April attackierten militante
Tierschützer ein
Bürohaus in Moskau, in dem Novartis-Einrichtungen untergebracht
sind, mit Steinen, Rauchpetarden und Farbbomben. Und am 19. Mai fand
die mexikanische Polizei in Guadalajara eine Rohrbombe vor einer
Novartis-Niederlassung, die offenbar kurz vor der Explosion stand. Wie
mexikanische Medien berichteten, war an der gleichen Stelle bereits am
22. September 2009 ein Sprengsatz aus Dynamit und Butangas explodiert.
Ein Novartis-Sprecher bestätigt die Vorfälle, präzisiert
indes, der Anschlag vom 22. September habe in Mexico City
stattgefunden. Laut den einschlägigen Internetforen der
Tierschutzaktivisten scheint es in keinem der Fälle zu
Verhaftungen gekommen zu sein. Novartis wollte sich dazu nicht
äussern.
Einen Erfolg erzielten die Ermittler jedoch Ende Juli in
England.
Die Polizei nahm zwei Aktivisten der losen Gruppierung Militant Forces
Against Huntingdon (MFAH) fest. Sie hatten mutmasslich die Fahrzeuge
einer Tierfarm in Brand gesetzt, die mit Huntingdon Life Sciences
zusammenarbeitet.
Die MFAH bekannte sich auch zu den Anschlägen auf
Daniel
Vasella im letzten Jahr. Die Staatsanwaltschaft Graubünden hat die
Ermittlungen im Fall vorübergehend eingestellt. "Daran hat sich
bis jetzt nichts geändert, aber die Verbindungen zu den englischen
Gruppierungen werden weiterverfolgt", sagt Maurus Eckert vom
Untersuchungsrichteramt Graubünden. Das Bundesamt für Polizei
Fedpol wollte aus ermittlungstaktischen Gründen nicht darüber
Auskunft geben, ob man mit den Engländern in Kontakt stehe.
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EIDGENOSSEN
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Tagesanzeiger 1.9.10
"Schweizer kann jeder werden, Eidgenosse nicht"
Schwingidol Christian Stucki irritiert mit einer alten
rechtsextremen Parole. Alles nur ein Missverständnis, sagt sein
Manager.
Von Maurice Thiriet
Man sah sie nur vereinzelt am Eidgenössischen
Schwing- und
Älplerfest in Frauenfeld. Besucher, die rote T-Shirts trugen mit
weissem Kreuz und der Aufschrift "Ich bin stolz, ein Eidgenosse zu
sein, Schweizer kann jeder werden". Der T-Shirt-Aufdruck ist eine
abgewandelte Form einer Songzeile der Neonazi-Band Indizier um den
bekennenden Rechtsextremen Dominic Lüthard und die Gebrüder
Rohrbach. Im Song "Wir sind Eidgenossen" auf dem Album "Die letzte
Bastion" (2007) heisst es: "Hör gut zu, mein Freund, hier kannst
du was lernen: Wir sind Eidgenossen, Schweizer kann man werden." Es
gibt mittlerweile nicht nur T-Shirts, sondern auch Facebook-Gruppen
unter diesem Motto, und die SVP bereitet dem Slogan mit ihrer
Terminologie der "Masseneinbürgerung" weiterhin den ideologischen
Boden.
Eidgenosse im Sinn des Sports
Nun hat sich Christian Stucki, Schwinger des Berner
Kantonalverbandes und Drittplatzierter am Eidgenössischen in
Frauenfeld, mit einer Interviewaussage in die Nesseln gesetzt, in der
er den Slogan zitiert. Auf die Frage des SBB-Magazins "Via": "In Ihrem
Selbstverständnis: Sind Sie zuerst Schweizer oder Berner?",
antwortet Stucki: "Zuerst bin ich Eidgenosse. (Lacht) Nein, das ist
immer ein heikles Thema, weil es schnell heisst, man sei
ausländerfeindlich. Aber Schweizer kann jeder werden, Eidgenosse
nicht."
Christian Stucki wollte seine Aussage gegenüber dem
TA nicht
persönlich kommentieren. Stuckis Manager bei der internationalen
Sportvermarkterin IMG, Rolf Huser, bezweifelte erst, dass Stucki so
etwas gesagt und ohne Präzisierungen autorisiert haben soll, was
"Via" aber klar belegen kann.
Stucki sei in keiner Weise fremdenfeindlich eingestellt,
sagt
Huser. Die Äusserung stehe im Zusammenhang mit dem Schwingsport,
wo "Eidgenosse für sportliche Herausforderung und Erfolg" stehe.
"Es kann nicht jeder als Schwingerkönig oder Kranzgewinner vom
Platz gehen und dann als eidgenössischer Kranzgewinner gelten,
denn hierzu benötigt es die Verbindung als Athlet in diesem
Ur-Sport, Talent, Fleiss und weitere Stärken, um erfolgreich
diesen Sport auszuüben. In diesem Sinne kann wirklich nicht jeder
Eidgenosse werden", sagt Huser.
Doris Angst, Geschäftsleiterin der
Eidgenössischen
Kommission gegen Rassismus (EKR), hat das Interview ebenfalls gelesen
und einen anderen Eindruck gewonnen. "Es ist schade, dass der Stolz auf
das Eigene mit der Abwertung anderer einhergehen muss, die den
gewünschten Standard gar nicht erreichen können. Schliesslich
haben die anderen Kulturen genauso ihre selbst erworbenen
Qualitäten, die mindestens gleichwertig sind", sagt Angst.
Die deutsche Discounterkette Lidl, Stuckis Hauptsponsor,
wollte
sich nicht zu Stuckis Abwertung uneidgenössischer Schweizer
äussern. Ziel von Stuckis Verpflichtung war, der Marke zu mehr
"Swissness" zu verhelfen.
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Christian Stucki
1,98 m gross und 140 Kilogramm schwer. Erreichte beim
Eidgenössischen 2010 den dritten Rang. Er kam damit bei seinem
dritten Eidgenössischen in die Kranzränge.
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LIECHTENSTEIN GANZ RECHTS
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WoZ 2.9.10
Liechtenstein und Nationalsozialismus-Ein neuer Krimi stochert
in der
antisemitischen Geschichte des Fürstentums.
Bürgerlich-konservative Kreise wollten die Veröffentlichung
behindern.
Die "roten Herren" und ihr Tabu
Von Robert Best
Vaduz, Liechtenstein: Ein Autor spricht von Zensur und
Boykott.
Davon, dass eine ganze Gesellschaft Probleme habe mit der Verarbeitung
der eigenen Geschichte. Von mächtigen Männern, die heikle
Themen abwürgen statt sie zu diskutieren.
Armin Öhri hat ein Buch geschrieben über ein
Kapitel
der liechtensteinischen Geschichte, an das sich nicht alle gern
erinnern lassen. Es ist eine Erzählung, eine Fiktion. Aber sie
kreist um eine Begebenheit, die als heftigster Ausbruch des
Nationalsozialismus in Liechtenstein gilt: der Überfall auf die
Brüder Fritz und Alfred Rotter am 5. April 1933.
Im Berlin der Weimarer Republik waren die Rotters
gefeierte
Theaterdirektoren und besassen mehrere Schauspielhäuser. Hier lief
seichte Unterhaltung. Den Nationalsozialisten waren die Brüder
Inkarnation von "Verjudung" und Unmoral. 1931 erwarben die zwei die
liechtensteinische Staatsbürgerschaft, 1933 meldeten sie ihre
Theater bankrott und flohen nach Vaduz. Die Nazis verlangten vergeblich
ihre Auslieferung, die deutsche Presse überzog das Land mit einer
Schmutzkampagne.
Die "Rotter-Affäre"
Doch auch im Fürstentum gab es Leute, die ein
"judenfreies"
Land wollten. Namentlich der Künstler und Hotelbesitzer Rudolf
Schädler und der rechtsgewendete Architekt Franz Roeckle, der noch
1908 die Westend-Synagoge in Frankfurt gebaut hatte. Mit einer Handvoll
Komplizen lockten sie die Rotters, die in Begleitung zweier Damen
erschienen, in Schädlers Hotel auf Gaflei. Der Plan: die
Brüder überfallen und im Auto über die Grenze bringen.
Das scheiterte an der Gegenwehr der Rotters. Bei der anschliessenden
Verfolgungsjagd im Gebirge wurden Alfred Rotter und seine Gattin
Gertrud zu Tode gehetzt.
Der folgende Prozess geriet zum Schmierenstück. Der
Zürcher Anwalt der Rotters durfte kein Plädoyer halten. Man
lachte ihn aus. 700 Liech ten stei ner In nen unterschrieben ein
Gnadengesuch für die Täter. Diese bekamen Haftstrafen von
vier Monaten bis zu einem Jahr, die sie nur zum Teil verbüssten.
Im Juni 1933 wurde die NSDAP-Ortsgruppe Liechtenstein gegründet.
Schädler wurde "Landesleiter" der Volksdeutschen Bewegung, die den
Anschluss ans Deutsche Reich forderte.
"Nenn es Zensur …"
So viel ist historisch gesichert und wird heute von
niemandem
mehr bestritten. Doch es scheint immer noch schwierig zu sein,
darüber zu sprechen oder zu schreiben. Die grösste Zeitung
des Landes, das "Vaterland", verweigerte Öhri schon vor
Veröffentlichung seines Buches ein Interview oder eine
Besprechung. Dass es sich hierbei um eine politische Entscheidung
handelt, offenbaren E-Mails aus der Redaktion an Öhri. Die
"Rotter-Affäre", wird ihm mitgeteilt, "war, ist und bleibt immer
ein Tabuthema". Und: "Nenn es Zensur oder wie du willst, wir
können uns nicht vertieft mit der Rotter-Affäre befassen. …
Wir sind nun mal eine Parteizeitung, und die alten roten Herren sitzen
(noch) am längeren Hebel."
Die roten Herren - damit sind im Liechtensteinischen jene
gemeint, die der Regierungspartei Vaterländische Union nahestehen
(entstanden ist diese 1936 aus dem Zusammenschluss der 1918
gegründeten, christlich-sozial ausgerichteten Liechtensteiner
Volkspartei mit dem deutschnational ausgerichteten Liechtensteiner
Heimatdienst). Ein solcher "Roter" ist "Vaterland"-Chefredaktor
Günther Fritz. Er verteidigte in einem Leitartikel seine "einsame
Entscheidung", Öhri weder Interview noch Besprechung
einzuräumen, mit dem "Eindruck, dass sensible Themen in
Liechtenstein mit besonderem Fingerspitzengefühl behandelt werden
sollten". Beiträge zur "Rotter-Affäre" hätten immer
Kritik der LeserInnen zur Folge gehabt. Den Unmut des Volkes bekam denn
auch Öhri zu spüren. In (meist) anonymen E-Mails wurde er als
"Verräter" beschimpft und bedroht.
Dennoch: Das gesellschaftliche Klima sei heute entspannter
und
offener als früher, sagt Peter Geiger, bis vor fünf Jahren
Leiter einer Historikerkommission zu Liechtensteins NS-Geschichte. Es
herrsche heute reges Interesse an der Vergangenheit, die rechtsextreme
Szene sei eine - wenn auch ernst zu nehmende - Randerscheinung.
Vor einer Woche ist Öhris Buch erschienen. Ihm ist zu
wünschen, dass geschieht, was Geiger bei seiner historischen
Interviewarbeit herausgefunden hat: "Sobald man detailliert über
diese Zeit schreibt und ernsthaft fragt, verliert das Tabu seine
magische Wirkung."
Armin Öhri: "Die Entführung". Van Eck Verlag.
Triesen
FL 2010. 120 Seiten. Fr. 19.80.
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STADTENTWICKLUNG
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WoZ 2.9.10
Hamburg-Seit Jahren wird saniert und "aufgewertet", die
Gentrifizierung
in der Hansestadt ufert aus, und der Widerstand in der
Bevölkerung wächst. Bringt der neue Bürgermeister die
Wende?
Kein Recht auf Stadt
Von Rainer Kreuzer, Hamburg
"Es ist hier nicht so Mainstream, sondern viel
individueller und
alternativer", sagt eine junge Frau, die durch das Schanzenviertel in
Hamburg spaziert. In der Innenstadt gebe es nur Geschäfte, die sie
ebenso gut in Frankfurt finden könne.
Ob das im Schanzenviertel auch so bleiben wird, ist
ungewiss. Die
Schanze ist zum Paradebeispiel einer Turbogentrifizierung geworden;
ImmobilienmaklerInnen bewerben sie mittlerweile als "absolute
Trendlage". Anfang der neunziger Jahre wurde dort noch vielerorts mit
Kohle geheizt, und der Putz blätterte von den Fassaden. Doch das
änderte sich allmählich mit der Sanierung eines Teils der
Schanze, die vor knapp zwanzig Jahren begann. Die Besetzung der Roten
Flora 1998, eines Theaters, das heute ein autonomes Kulturzentrum
beherbergt, machte das Viertel dann erstmals bundesweit berühmt.
Und für die Werbebranche plötzlich interessant.
Image für den Wettbewerb
Dazu kam der New-Economy-Hype in den neunziger Jahren -
die
Mieten stiegen noch schneller. Wo einst Tante-Emma-Läden,
Alternativkneipen und türkische GemüsehändlerInnen das
Strassenbild bestimmten, reihen sich heute Boutiquen, Bars, Restaurants
und Werbeagenturen aneinander. Und wenn am Wochenende Tausende Besucher
Innen aus dem Umland kommen, wird gefeiert wie auf Mallorca.
"Stadtteile wie die Schanze unterstützen ein Image als weltoffene
und tolerante Stadt", steht in einem Senatsbericht - die Stadt sieht
sich im globalen Wettbewerb um Inves torinnen, Touristen und
Unternehmen. Im Städteranking der Organisation Initiative Neue
Soziale Marktwirtschaft rangiert Hamburg in Deutschland, was
Wettbewerbsfähigkeit, Wohlstand und Sozialniveau angeht, auf Platz
drei.
Im neuen Stadtteil Hafencity werden Wohnungen für bis
zu 11
000 Euro pro Quadratmeter gehandelt, und im einstigen Drogenviertel St.
Georg werden stuckverzierte Altbauwohnungen auf 6000 Euro den
Quadratmeter hochspekuliert. Der eins tige sozialdemokratische
Bürgermeis ter Klaus von Dohnanyi verkündete schon 1983 das
Programm "Unternehmen Hamburg". Die Stadt sollte für die
Wirtschaft attraktiver werden und bei den Sozialausgaben sparen: weg
von der sorgenden und hin zur konkurrierenden Stadt.
Doch dieser Unternehmensgeist gerät zunehmend in
Verruf.
"Die Innenstadt wird zum Erlebnisraum für neu angesiedelte
Gutverdiener", kritisiert Johanna Adler vom Bündnis "Recht auf
Stadt", das sich dem Erhalt des öffentlichen Raumes verschrieben
hat.
Die Stadt hat ihre Grundstücke seit Jahren an die
meistbietenden Investor Innen verkauft, denen es nur um Profit ging.
Sozialwohnungen rentierten nicht, und so ist ihr Bestand seit 1993 um
mehr als die Hälfte geschrumpft. Der Bürobau hingegen
führte zu einer immer grösseren Immobilienblase. Inzwischen
stehen über eine Million Quadratmeter Bürofläche leer,
für die reihenweise historische Bauwerke abgerissen wurden. Als
dann die niederländische Investorengruppe Hanzevast 2006 plante,
auch noch die Überreste des 300 Jahre alten Gängeviertels in
Büros und Eigentumswohnungen zu verwandeln, war das zu viel. Die
letzten KünstlerInnen im Quartier weigerten sich 2009, als es
ernst wurde, zu gehen. Seither halten sie die Gebäude besetzt.
"Das war unglaublich, wie viele Menschen in leitenden Positionen in der
Stadtverwaltung das be grüsst haben - inoffiziell natürlich",
sagt Chris tine Ebeling, Sprecherin der Initiative "Komm in die
Gänge", die damals zwischen Kulturschaffenden und Behörden
vermittelte. Als dann sogar die Springer-Presse die BesetzerInnen
lobte, lenkte der Senat ein: Die Stadt kaufte 14 Backsteinhäuser
zurück und verhandelt seitdem mit den rund 200 BesetzerInnen
über deren Sanierung.
Auch in anderen Stadtteilen brodelt es: 16 Initiativen
haben sich
im Bündnis "Recht auf Stadt" zusammengeschlossen. 260
Kulturschaffende haben sich letztes Jahr mit dem Manifest "Not In Our
Name, Marke Hamburg!" dagegen gewehrt, als ImageträgerInnen von
der Stadt instrumentalisiert zu werden.
Die Grünen ringen um ihr Profil
Mit den Rücktritten des Bürgermeis ters Ole von
Beust
und drei weiterer CDU-SenatorInnen begann letzte Woche ein neuer
Abschnitt in Hamburgs Politik. Ob dieser aber die erhoffte Wende
bringt, ist fraglich. Die Grün-Alternative Liste (GAL) hat die
Koalition mit der CDU fortgesetzt und dazu sogar den bisherigen
Innensenator und konservativen Hardliner Christoph Ahlhaus zum neuen
Bürgermeister gewählt; auch hat die GAL ihre
Wählerhochburgen in den neu yuppisierten Stadtteilen Schanze, St.
Pauli und St. Georg.
Doch die Grünen ringen um ihr Profil und versuchen,
Stimmen
zu gewinnen, dort, wo ihnen die Linkspartei eifrig den Rang
abläuft: bei der neuen Bewegung "Recht auf Stadt". So versprachen
die Grünen, alles für den Erhalt des Gängeviertels zu
tun. Auch sollen öffentliche Grundstücke nicht mehr nur nach
der Höhe des Gebots verkauft werden, und für St. Georg und
St. Pauli wird geprüft, ob weitere Luxusmodernisierungen und
Umwandlungen von Miet- in Eigentumswohnungen unterbunden werden
können. Tatsächlich: Bis zur Wahl des Landesparlaments 2012
brauchen die Grünen dringend den Erfolg, der ihnen bislang mit der
CDU verwehrt geblieben ist.
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AUSSCHAFFUNGEN
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WoZ 2.9.10
Tod bei Ausschaffung
Verletzte Vorschriften
Der Tod von Joseph Ndukaku Chiakwa bleibt weiterhin
ungeklärt. Der 29-jährige Nigerianer hätte am 17.
März vom Flughafengefängnis Zürich nach Lagos, Nigeria,
ausgeschafft werden sollen. Doch das Flugzeug mit den sechzehn weiteren
Ausschaffungshäftlingen hob nie ab. Chiakwa starb, als man ihn
für die Zwangsausschaffung fesselte.
Ende Juni hatte die Zürcher Staatsanwaltschaft
mitgeteilt,
dass die Todesursache geklärt sei. Chiakwa habe an einer
"schwerwiegenden Vorerkrankung des Herzens" gelitten, die nicht bekannt
und "bei Lebzeiten praktisch nicht diagnostizierbar" gewesen sei. Vor
zwei Wochen kritisierte der Anwalt des Verstorbenen das
rechtsmedizinische Gutachten scharf. Er hatte das Gutachten anderen
Ärzten zur Prüfung übergeben. Diese kamen zum Schluss,
dass die Diagnose Herzfehler "keineswegs gesichert" sei.
Anfang dieser Woche nun bestätigte der
zuständige
Staatsanwalt Christian Philipp einen Bericht der "NZZ am Sonntag",
wonach die Behörden verschiedene Vorschriften missachtet haben.
Chiakwa hatte sich nicht - wie anfänglich von der Polizei
behauptet - einige Tage, sondern mindestens 45 Tage im Hungerstreik
befunden. Das gehe aus dem Gutachten des Instituts für
Rechtsmedizin hervor, das der Ehemann der Asylhardlinerin und
Bundesratskandidatin Karin Keller-Sutter verfasst hat.
Einigen Aussagen zufolge sei der
Ausschaffungshäftling gar
76 Tage lang im Hungerstreik gewesen. Dabei hatte er 33 Kilogramm
abgenommen, mehr als ein Drittel seines Körpergewichts. Obwohl im
Gutachten festgehalten wird, dass es sich hierbei um eine "ernsthafte
körperliche Störung" handelte, wurde Chiakwa vor dem
Ausschaffungsflug von den Behörden nicht medizinisch untersucht.
Derzeit wird abgeklärt, ob der Gefängnisarzt oder andere
Personen ihre Pflichten verletzt haben. ch
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ASYL
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WoZ 2.9.10
Asylpolitik-Das Bundesamt für Migration überstellt
Asylsuchende nach Griechenland, wo sie keine Chance auf ein faires
Asylverfahren haben. Die Rechtsanwältin Victoria Banti kritisiert
diese Praxis.
"Es ist ein Teufelskreis"
Interview: Jan Jirát
WOZ: Victoria Banti, in Ihrem Bericht, den Sie im Auftrag
von
Amnesty International verfasst haben, üben Sie schärfste
Kritik am griechischen Asylwesen.
Victoria Banti: Die bürokratischen Hürden
für die
Asylsuchenden, von denen die meisten aus Ländern wie Afghanistan,
Irak, Iran, Somalia und Sudan stammen, sind viel zu hoch. Das beginnt
beim Asylantrag selbst, auf den jeder Asylsuchende gesetzlich ein Recht
hat. Im Grossraum Athen gibt es beispielsweise nur eine einzige
Dienststelle, die für die Annahme von Asylanträgen
verantwortlich ist. Derzeit werden dort etwa zwanzig Anträge pro
Tag geprüft, während vor den Toren bis zu 2000 Perso nen
warten. Zwei Menschen sind im Oktober 2008 und im Januar 2009 vor der
Dienststelle gestorben, als eine Panik unter den Wartenden ausgebrochen
ist.
Hinzu kommen weitere inakzeptable Punkte: Die
Anerkennungsquote
von Asylsuchenden liegt aufgrund der beschriebenen Behördenpraxis
praktisch bei null - im Jahr 2008 waren es gerade einmal 0,05 Prozent.
Ausserdem herrscht ein grosser Mangel an DolmetscherInnen und
Informationen zum Asylverfahren. Viele Asylsuchende haben unter diesen
Umständen keine Chance auf ein faires Asylverfahren. Sie enden als
Sans-Papiers auf der Strasse oder in einem Park und können
jederzeit festgenommen werden. Die Dublin-II-Verordnung geht davon aus,
dass alle Dublin-Staaten gleich faire Asylverfahren anbieten. Das ist
ein grosser Irrtum, wie das Beispiel Griechenland zeigt.
Welche Behörde ist in Griechenland eigentlich
für das
Asylverfahren zuständig?
Das ist ein weiterer Kritikpunkt. Nach griechischem Recht
ist
dies nämlich einzig und allein die Polizei, was wir für
völlig inakzeptabel halten. Der Polizei fehlt es in hohem Masse an
geschultem und spezialisiertem Personal. Uns sind mehrere Fälle
von polizeilichen Misshandlungen zugetragen worden. Die Asylsuchenden
haben keinerlei Chance, sich dagegen zu wehren. Ausserdem sind seit
Anfang des Jahres keine Vertreter des Uno-Flüchtlingswerkes mehr
ins Verfahren eingebunden. Wir verlangen deshalb eine neue,
unabhängige Instanz, die für das Asylverfahren zuständig
ist.
In Ihrem Bericht kritisieren Sie auch, dass die
griechischen
Behörden vor Abschiebungen nicht zurückschrecken, obwohl sie
wissen, dass die Betroffenen etwa aus Ländern wie der Türkei
weiter abgeschoben werden.
Ja. Es handelt sich bei solchen Kettenabschiebungen um ein
klar
völkerrechtswidriges Verfahren. Die Gefahr besteht aber nicht nur
für Dublin-II-Überstellte, sondern allgemein für
Asylsuchende in Griechenland. Im Laufe meiner Untersuchung habe ich
mehrere Asylsuchende interviewt, die von der griechischen Polizei
einfach in die Türkei abgeschoben wurden. Sie berichteten, wie sie
gezwungen wurden, mitten in der Nacht auf kleinen Booten einen Fluss in
die Türkei zu überqueren, wo sie dann die dortige Polizei
festgenommen und später in ihre Herkunftsländer abgeschoben
hat, obschon ihre Rechte dort nicht genügend geschützt sind.
Auf welchen Grundlagen vollziehen die Behörden
eigentlich
eine Dublin-II-Überstellung?
Im Normalfall über den Eintrag in der
europäischen
Fingerabdruck-Datenbank Eurodac. Für die Überstellung nach
Griechenland braucht es teilweise sogar weniger als einen
Fingerabdruck. Es genügt, dass jemand erwähnt, er sei durch
Griechenland gereist, auch wenn es keinerlei Anzeichen dafür gibt
- keinen offiziellen Antrag, keinen Fingerabdruck, rein gar nichts. Ich
erinnere mich an den Fall einer Asylsuchenden aus Georgien. Sie konnte
in Russland ein gefälschtes griechisches Visum auftreiben und
reiste damit in die Niederlande, wo bereits Familienangehörige
lebten. Sie war in ihrem ganzen Leben kein einziges Mal in Griechenland
gewesen, die niederländischen Behörden schickten sie unter
der Dublin-II-Verordnung trotzdem dahin, weil das Visum entsprechend
ausgestellt war.
Haben Sie für Ihre Untersuchung auch mit
Dublin-II-Überstellten aus der Schweiz gesprochen?
Ja. Eine der befragten Personen war ein christlicher
Asylsuchender aus dem Iran, der Ende 2009 aus der Schweiz nach
Griechenland überstellt worden war. Während fast eines Jahres
lebte er in der Schweiz, wo er einen Sprachkurs besuchte und in Kontakt
mit mehreren nichtstaatlichen Organisationen sowie Schweizer
Bürgern stand. Er fühlte sich hier sicher. Sein Asylantrag
wurde aber abgelehnt, weil er bereits in Griechenland registriert war.
Im Gegensatz zu den meisten anderen Asylsuchenden war er eigentlich in
einer glücklichen Position: Sein Asylantrag war zwar abgelehnt
worden, aber er hätte die Möglichkeit gehabt, einen
Rechtsbehelf einzulegen. Wir versuchten ihn zu überzeugen, von
diesem Recht Gebrauch zu machen, doch er hat abgelehnt. Er gab an, kein
Vertrauen ins griechische System zu haben und dass er versuchen
würde, zurück in die Schweiz zu gelangen.
Wissen Sie, was aus ihm geworden ist?
Nein. Das letzte Mal habe ich ihn an der Ecke einer
reformierten
Kirche gesehen, ohne Job, ohne nichts. Ich kann versuchen, ihn
anzurufen. (Victoria Banti wählt eine Nummer auf ihrem Handy und
wartet. Keine Antwort.) Wer weiss, vielleicht ist er bereits in Italien
...
Kommt es öfter vor, dass Dublin-II-Überstellte
erneut
aus Griechenland fliehen?
Im Laufe meiner Untersuchungen habe ich drei Personen
interviewt,
die bereits das zweite Mal nach Griechenland überstellt worden
sind. Es ist also beileibe kein Einzelfall. In den beiden grössten
Häfen Griechenlands mit Verbindungen zu Italien, Patras und
Igoumenitsa, warten Hunderte Asylsuchende darauf, sich auf ein Schiff
zu schmuggeln. Es ist ein Teufelskreis.
Bei aller Kritik am Asylsystem in Griechenland gab es
jüngst
doch auch Erfolge. Das Flüchtlingslager Pagani auf der Insel
Lesbos ist Ende 2009 geschlossen worden, nachdem schockierende Bilder
von den dortigen Bedingungen aufgetaucht waren.
Ja, die Schliessung von Pagani war ein Erfolg. Der Fall
hat viel
Aufmerksamkeit in den Medien und in der Öffentlichkeit erhalten,
der Druck war schliesslich zu gross für die Behörden. Aber es
gibt andere Lager in Griechenland, wo es noch schlimmer ist als in
Pagani. Besonders im Norden des Landes, an der Grenze zur Türkei,
ist die Lage schlimm. Die dortigen Internierungslager sehen zwar wie
Häuser oder Warenhäuser aus, sind aber in Tat und Wahrheit
Gefängnisse. Wir sind sehr besorgt darüber, was dort
geschieht, uns sind Fälle über Misshandlungen zugetragen
worden. Die Bedingungen sind miserabel, die Asylsuchenden leben dort
eng zusammengepfercht, können sich nicht frei bewegen, Kinder und
Erwachsene, Frauen und Männer, alles ist durchmischt.
Sie fordern grundlegende Refor men.
Wir haben aufgrund der Erkenntnisse unserer Untersuchung
eine
Reihe von Empfehlungen an die griechischen Behörden, aber auch an
die Dublin-Staaten und EU-Institutionen abgegeben. Griechenland braucht
ein umfassendes Asylsystem, das den Normen für den Schutz und die
Aufnahme von Asylsuchenden gerecht wird. Dazu gehört, dass der
Zugang zu einem fairen und effektiven Asylverfahren für alle
schutzbedürftigen Personen garantiert und auf Kettenabschiebungen
verzichtet wird. Wir haben mit der neuen Regierung bereits
Gespräche geführt. Sie ist sich des Problems durchaus
bewusst, und wie es scheint, hat sie gute Absichten, doch in der Praxis
ist bisher nichts geschehen.
Auf der europäischen Ebene fordern wir eine Reform
des
Dublin-II-Sys tems, um eine ausgewogenere Verantwortung zwischen den
Mitgliedstaaten zu erreichen. Das heutige System benachteiligt die
südeuropäischen Länder stark. Heute können die
Länder des Nordens verhindern, dass eine grosse Anzahl von
Asylsuchenden an ihre Türen klopft. Es ist vor allem aus einer
humanitären Perspektive unfair, denn die Asylsuchenden in
Griechenland finden dort nicht die gleichen Möglichkeiten vor wie
in den meisten anderen europäischen Ländern.
--
Vergeblicher Brief an Widmer-Schlumpf
Im März 2010 wandte sich Amnesty International per
Brief an
Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf und ersuchte sie, das
Bundesamt für Migration anzuweisen, Dublin-II-Überweisungen
nach Griechenland per sofort einzustellen, solange dort kein Zugang zu
einem fairen Asyl- und Beschwerde verfahren gewährleistet sei.
Einen Monat später traf die Antwort der Bundesrätin ein:
Griechenland sei der Europäischen Menschenrechts- und der
Flüchtlingskonvention sowie der Uno-Folterkonvention beigetreten
und deshalb verpflichtet, diese einzuhalten. Das Bundesamt für
Migration verfüge über keinerlei konkrete Indizien, die
dafür sprächen, dass Griechenland seine Verpflichtungen
verletze. Die Furcht, die Asylgründe von nach Griechenland
überstellten Personen würden nicht untersucht, sei nicht
begründet.
Das Bundesamt habe jedoch beschlossen, verletzliche
Personen
(Familien mit minderjährigen Kindern, unbegleitete Jugendliche,
Kranke und betagte Personen) nicht nach Griechenland
zurückzuschicken, weil sie dort keine geeignete Betreuung erwarten
könnten.
Amnesty International hat den Entscheid des Bundesamtes,
verletzliche Personen nicht mehr nach Griechenland zu schicken,
begrüsst, verlangt allerdings einen vollständigen Stopp der
Dublin-II-Überweisungen.
Nachdem das Bundesamt für Migration - wenig
überraschend - trotz der inakzeptablen Situation im griechischen
Asylwesen offenbar keinen Handlungsbedarf sieht, liegen die Hoffnungen
beim Bundesverwaltungsgericht. Dieses fällt bis Ende Herbst den
Entscheid in der Frage, ob die Schweiz weiterhin Asylsuchende -
gestützt auf die Dublin-II-Verordnung - nach Griechenland
überweisen darf. Bereits im Februar 2010 hat das
Bundesverwaltungsgericht eine bis dahin gängige Praxis bei der
Umsetzung von Dublin-II-Verfahren für rechtswidrig erklärt:
Die Asylsuchenden erhielten erst unmittelbar vor der Abschiebung
Bescheid darüber und wurden so der Möglichkeit beraubt, eine
Beschwerde einzureichen.
Jan Jirát
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MIGRATION CONTROL
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Bund 1.9.10
Ghadhafi erpresst EU mit Immigranten
Der libysche Staatschef Muammar al-Ghadhafi hat von der EU
"jährlich mindestens fünf Milliarden Euro" für den Kampf
gegen illegale Einwanderer aus Afrika gefordert. Gehe die EU nicht
darauf ein, könne Europa "schon morgen zu einem zweiten Afrika
werden". Die EU wollte Ghadhafis Aussage nicht kommentieren, man setze
weiterhin auf den Dialog, hiess es aus Brüssel. (sda/aus)
Berichte Seite 3, Kommentar Seite 10
--
Ghadhafi erpresst die EU
Libyens Revolutionsführer bringt die Europäische
Union
mit seiner Geldforderung in Verlegenheit.
Stephan Israel, Brüssel
Der Revolutionsführer stösst mit seiner neusten
Eskapade in Brüssel auf wenig Gegenliebe: "Wir können die
Erklärungen von Herrn Ghadhafi nicht kommentieren", sagte gestern
EU-Kommissionssprecher Matthew Newman. Libyens Staatschef Muammar
al-Ghadhafi hat am Rande seines Besuchs in Rom von der EU eine
Entschädigung von fünf Milliarden Euro jährlich
dafür gefordert, dass er afrikanische Einwanderer auf dem Weg nach
Europa stoppt. Libyen sei das Einfallstor für unerwünschte
Einwanderer nach Europa, mahnte Ghadhafi. Er bezeichnete es am Rande
des Staatsbesuchs in Rom als ganz im Interesse der EU, auf seine
Forderungen einzugehen. Europa könnte sonst zu einem zweiten
Afrika werden. Die "unerwünschte Immigration" aus Afrika in die EU
könne nur an der Grenze zu Libyen gestoppt werden. Nur so
könne Europa sicherstellen, dass es "nicht schwarz" werde.
Ghadhafi weiss um seinen Preis. Er hat bewiesen, dass er
Migrationsströme steuern und für seine Interessen nutzen
kann. Seit Libyens Staatschef vor zwei Jahren mit Berlusconi ein
"Freundschaftsabkommen" geschlossen hat, sind kaum mehr afrikanische
Flüchtlinge über Italien in die EU gelangt. Berlusconi hatte
bereits damals im Gegenzug fünf Milliarden Euro als
Entschädigung für die italienische Kolonialherrschaft
überweisen müssen.
Der Erpressungsversuch des libyschen Diktators
überrascht
bei der EU-Kommission nicht. Es ist nicht das erste Mal, dass Ghadhafi
damit droht, die Schleusen wieder zu öffnen. Zuletzt tat er das im
Frühjahr, um in der Konfrontation mit der Schweiz die EU unter
Druck zu setzen und auf seine Seite zu ziehen. Der
Revolutionsführer ist in Brüssel als schwieriger
Gesprächspartner bekannt, deshalb wird noch stärker als sonst
jedes Wort abgewogen.
"Die Kommission ist der Auffassung, dass die EU durch
Dialog und
umfassende Zusammenarbeit die Lage an Ort und Stelle verbessern kann",
sagte Matthew Newman gestern diplomatisch. Die EU unternehme jede
Anstrengung, um den Dialog mit den libyschen Stellen zu verbessern,
besonders bei der Verhinderung illegaler Wanderungsströme aus
Afrika. Konkret verhandelt die EU seit Ende 2008 mit Libyen über
ein sogenanntes Rahmenabkommen, in dem die Beziehungen zum
Mittelmeeranrainer auf eine neue Grundlage gestellt werden sollen.
"Anbiederung" an Ghadhafi
Bereits in den letzten zwei Jahren hat die EU das
Ghadhafi-Regime
mit einstelligen Millionenbeträgen dabei unterstützt, etwa
die Grenzkontrollen Richtung Niger oder die Aufnahmekapazitäten
für Flüchtlinge auf libyschem Territorium zu verbessern.
Italiens Politik gegenüber Ghadhafi und die Zurückhaltung der
EU gegenüber dem libyschen Regime stossen auf Kritik von
internationalen Menschenrechtsorganisationen. Zwischen Europa und einer
menschenverachtenden Diktatur dürfe es keine Zusammenarbeit geben,
kritisiert Pro Asyl. Die Hilfsorganisation kritisiert die "Anbiederung"
an Ghadhafi und die Tatsache, dass bereits jetzt Millionenbeträge
für die Fluchtabwehr geflossen sind.
Kommentar Seite 10
--
Reaktion der katholischen Kirche
"Rom ist die Hauptstadt des Katholizismus"
Italiens Bischöfe kritisieren das Bekehrungsspektakel
Ghadhafis in Rom - und auch das italienisch-libysche
Flüchtlingsabkommen.
René Lenzin, Mailand
Die Kritik am Auftritt des libyschen Staatschefs Muammar
al-Ghadhafi ("Bund" von gestern) riss auch am dritten und letzten Tag
seines Staatsbesuchs in Italien nicht ab. Mit ungewöhnlich
scharfen Worten rügte "Avvenire", die Tageszeitung der
italienischen Bischofskonferenz, die Bekehrungsshow des libyschen
Diktators. "Es gibt wohl nicht manches Land, in dem so etwas
überhaupt möglich wäre", hiess es im Frontkommentar von
Chefredaktor Marco Tarquinio. Und weiter hinten sagte der Jesuit und
Islamwissenschafter Samir Khalil: "Ich möchte daran erinnern, dass
Rom nicht der Speakers' Corner im Hyde Park ist, sondern die Hauptstadt
des Katholizismus. Wir müssen aufwachen: Welches Europa wollen
wir? Soll nur die Wirtschaft Wert und Einfluss haben?"
Tarquinio wiederholte auch die bereits früher
geäusserte Kritik der italienischen Bischöfe am
italienisch-libyschen Flüchtlingsabkommen. Es sei zwar schön,
dass man das Elend der Boatpeople im südlichen Mittelmeer habe
stoppen können, schrieb er. Aber die "Aus den Augen, aus dem
Sinn"-Mentalität vieler italienischer Politiker erfüllten
einen mit Schmerzen. Er spielte damit auf den Umstand an, dass die
Bootsflüchtlinge Libyen seit der Unterzeichnung des Abkommens gar
nicht mehr verlassen können oder sofort dorthin
zurückgeschafft werden. Und dann irgendwo in der Wüste in
Lagern landeten, wo "weder Menschlichkeit noch die Gesetze der
zivilisierten Welt Geltung haben".
Flüchtlingselend in der Wüste
Bereits im vergangenen Jahr gab es Medienberichte, wonach
Flüchtlinge vor allem aus Eritrea in libyschen Lagern systematisch
gefoltert und vergewaltigt würden. Nach einem Besuch in einem
Lager mit 600 bis 700 Flüchtlingen aus Eritrea, Somalia, Nigeria
und Mali berichtete Amnesty International von misslichsten
Zuständen. Das Lager sei völlig überfüllt, die
hygienische Situation unhaltbar, und die Flüchtlinge seien der
Willkür der libyschen Sicherheitskräfte ausgeliefert. Die
Menschenrechtsorganisation erinnerte daran, dass Libyen die Genfer
Flüchtlingskonvention von 1951 bis heute nicht unterzeichnet habe
und auch nicht über ein rechtsstaatlich korrektes Asylverfahren
verfüge. Zudem müssten die Flüchtlinge mit der
Rückschaffung nach Eritrea rechnen, wo ihnen Gefängnis,
Folter und die Misshandlung ihrer Angehörigen drohten.
Das sei kein Problem zwischen Italien und Libyen, hatte
ein
Sprecher des Aussenministeriums damals abgewiegelt. Und es sei auch
nicht einzusehen, weshalb sich immer nur Italien um diese
Flüchtlinge kümmern müsse. Anlässlich von Ghadhafis
Staatsbesuch haben sich Italiens Premier Silvio Berlusconi und sein
Innenminister Roberto Maroni von der Lega Nord erneut für das
Abkommen auf die Schulter geklopft, weil der Ansturm auf die
Mittelmeerinsel Lampedusa endlich gestoppt worden sei. Tatsächlich
gehörten die Badestrände der Insel diesen Sommer erstmals
seit mehreren Jahren wieder den Touristen und standen nicht mehr im
Scheinwerferlicht der internationalen Medien.
Maroni will das Abkommen nun gar auf weitere Staaten
ausdehnen.
Er reagiert damit auf neue Routen, welche die Schlepper einschlagen, um
die strengeren Kontrollen an der nordafrikanischen Küste zu
umgehen ("Bund" vom 23. August). Im Visier hat er vor allem die
Türkei und Griechenland, von wo afghanische, kurdische, iranische,
irakische und syrische Flüchtlinge vermehrt nach dem italienischen
Festland übersetzen (siehe Karte). Allerdings wären auch
diese erweiterten Abkommen nur ein Tropfen auf den heissen Stein. Denn
vier von fünf Flüchtlingen gelangen illegal auf dem Landweg
oder mit einem Touristenvisum nach Italien, bevor sie abtauchen.
Daher verlangen kirchliche und andere
Nichtregierungsorganisationen seit langem, Italien müsse die
Einwanderungsfrage endlich grundsätzlich angehen, statt sich mit
solchen Abkommen kurzfristig Luft zu verschaffen. Am
italienisch-libyschen Festspektakel fanden solche Forderungen jedoch
kein Gehör.
--
Meinungen
Libyen Ghadhafis Drohung an Europa.
Der Spuk ist nicht vorbei
Luciano Ferrari
Die Schweiz hat die Libyen-Affäre inzwischen bereits
wieder
verdrängt. Innenpolitisch laboriert man zwar noch daran herum -
eine Parlamentskommission untersucht die Rolle von Bundesrätin
Micheline Calmy-Rey. Aussenpolitisch jedoch ist die Krise als
"unangenehmer Zwischenfall" abgehakt. Das dürfte sich als
Fehleinschätzung erweisen. Denn der libysche Wüstenfürst
Ghadhafi ist zurück.
Keine 600 Kilometer von der Schweizer Grenze entfernt hat
er in
Rom erneut seine Zelte aufgeschlagen. Und wieder droht er. Diesmal der
EU - und indirekt auch der Schweiz: Er werde Europa in ein zweites
Afrika verwandeln, es schwarz werden lassen, wenn er nicht
jährlich 5 Milliarden Euro für den Kampf gegen die illegalen
Einwanderer erhalte.
Ghadhafi, der sein Regime bisher mit den Öl- und
Gasvorkommen zu
festigen wusste, hat ein neues Druckmittel gefunden. Feinsinnig hat der
Despot die steigende Angst vor Einwanderern im wirtschaftlich
angeschlagenen Europa registriert - die Roma-Debatte in Frankreich oder
die Sarrazin-Affäre in Deutschland zeugen davon -, und er will sie
nutzen.
Dabei soll ihm die frühere Kolonialmacht Italien
helfen.
Bereits in der Rezession Mitte der Siebzigerjahre "rettete" der
libysche Oberst das Vorzeigeunternehmen des Landes, Fiat, indem er
Kapital einschoss und einen Aktienanteil von 9,5 Prozent übernahm.
Jetzt hat er mit massiven Investitionen der grössten
Bank
Italiens, Unicredit, unter die Arme gegriffen, die sich in Osteuropa
verspekuliert hatte. Gleichzeitig stockte er seine Beteiligung am
grössten italienischen Unternehmen auf, dem Energieriesen Eni.
Dieser Ausverkauf der "heimatlichen Wirtschaft" wird nicht nur von der
rechtspopulistischen Lega Nord kritisiert. Auch der Vatikan und die
Oppositionsparteien sind besorgt über das immer unverfrorenere
Auftreten Ghadhafis in Rom und seinen wachsenden Einfluss auf die
italienische Politik.
Als Schengen-Mitglied ist auch die Schweiz von seinen
Drohungen
betroffen. Bern sollte deshalb mit der Europäischen Union die
Lehren aus der Geiselaffäre ziehen. In den Beziehungen zu Libyen
ist grösste Zurückhaltung geboten. Europa darf sich nicht
noch stärker abhängig und damit erpressbar machen.
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ANTI-ATOM
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NLZ 2.9.10
Tiefenlager für radioaktive Abfälle
Anwohner in Bözberg sind tief besorgt
Ein Endlager will wohl niemand in seiner Region - das
zeigte eine
Veranstaltung des Bundes in Bözberg.
sda/mm. Für die Suche nach einem Tiefenlager für
radioaktive Abfälle in der Schweiz kommen noch sechs Regionen in
Frage. Zum Abschluss der ersten Etappe der Standortsuche beginnt nun
eine dreimonatige öffentliche Anhörung. Den Auftakt machte
gestern die Region Bözberg (AG). 250 Anwohner kamen in die
Gemeindeturnhalle, um ihre Anliegen kundzutun. Ihnen versuchten die
Referenten vom Bundesamt für Energie aufzuzeigen, weshalb der
Bözberg überhaupt als Standort auserkoren wurde - und sie
stiessen auf grosse Skepsis. "Ein atomares Tiefenlager ist für
unsere Region eine Gefährung von unglaublichem Ausmass", sagte
etwa eine Anwohnerin.
Am Montag, 20 September, findet die gleiche Veranstaltung
in
Stans statt - dann geht es um den Standort Wellenberg.
Seite 5
--
Atom-Endlager Bözberg
"Dann will hier niemand mehr wohnen"
Von Christoph Reichmuth
Der Bözberg im Kanton Aargau ist einer von sechs
möglichen Standorten für ein Atom-Endlager. Gestern fand eine
Orientierung statt. Die Emotionen gingen hoch.
Die hügelige Landschaft rund um Unterbözberg
wirkt in
der abendlichen Herbstsonne malerisch. Unweit der Kleingemeinde mit
ihren 744 Einwohnern findet sich das Gasthaus Vierlinden, von dem man
sagt, es biete sich von dort die schönste Aussicht über den
Kanton Aargau. Diese Idylle ist in den Augen der Dorfbewohner bedroht,
der Bund sucht nämlich ein Tiefenlager für radioaktive
Abfälle. Einer der möglichen Standorte ist neben dem
Wellenberg der Bözberg.
250 Anwohner strömten gestern Abend in dïe
Turnhalle,
um ihre Bedenken, Anliegen und Ängste den Vertretern des Bundes,
der Kantonsregierung und der Nationalen Genossenschaft für die
Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) kundzutun. Die Referenten
vom Bundesamt für Energie (BFE), Michael Aebersold und
BFE-Direktor Walter Steinmann, sowie Thomas Ernst, Direktor der Nagra,
versuchten aufzuzeigen, weshalb der Bözberg aus geologischer und
raumplanerischer Sicht als Standort für das Tiefenlager
überhaupt in Frage kommt.
Verbreitete Skepsis
Doch die Voten der Bevölkerung verrieten die Skepsis.
"Der
Kanton Aargau hat schon die Atomkraftwerke, müssen wir zur Strafe
nun auch noch all die atomaren Abfälle bei uns entsorgen?",
ereiferte sich eine Frau. Eine andere warnte: "Wer will dann hier noch
freiwillig wohnen?" Kritik gab es auch für die knappe Frist bis
Ende November, die das BFE der Gemeinde einräumt, um zu den
Standortvorschlägen Stellung zu beziehen. Dem pflichtete sogar der
auf dem Podium sitzende Aargauer Regierungsrat Peter C. Beyeler bei.
"Wir wären dankbar, wenn uns Bern mehr Zeit einräumen
würde." In Zweifel gezogen wurde auch die Unabhängigkeit der
Nagra. Sie hänge "am Tropf der AKW", war zu hören.
christoph.reichmuth@neue-lz.ch
--
Wellenberg
Am 20. September Diskussion in Stans
Für die Suche nach einem Tiefenlager für
radioaktive
Abfälle in der Schweiz wurden zahlreiche Berichte und Gutachten
erstellt. Sechs Regionen kommen in Frage. Das Bundesamt für
Energie (BFE) führt dazu Informationsveranstaltungen durch. Den
Auftakt machte gestern ein Diskussionsabend für die Region
Bözberg. Am Montag, 20. September, geht es um den Wellenberg.
Diese Informationsveranstaltung beginnt um 19 Uhr im Schulzentrum
Turmatt in Stans.
--
SVP Nidwalden
"Die SP-Initiative ist Fantasiererei"
Kurt Liembd
Die SVP ist klar gegen den Ausstieg des Kantons aus der
Atomenergie. Dies bekam der SP-Vertreter deutlich zu spüren.
Den Parolen der SVP Nidwalden für die Abstimmungen
vom 26.
September fehlt es nicht an Deutlichkeit. Die Volksinitiative der SP
Nidwalden über den schrittweisen Ausstieg aus der Atomenergie wird
massiv verworfen, klar unterstützt wird hingegen die nationale
Initiative über die Arbeitslosenversicherung (Ausgabe von gestern).
Alt Landrat Georg Niederberger hatte sich an der
SVP-Versammlung
für die Atomausstiegs-Initiative seiner Partei stark gemacht. Er
betonte, dass es zahlreiche Alternativen zur Kernenergie gebe wie
Wasserkraft, Sonnenenergie, Windenergie, Biomasse, Geothermie und auch
Energie-Effizienz. Er bezeichnete die Initiative langfristig als
"riesige Chance fürs EWN", zumal der gänzliche Verzicht auf
Atomstrom erst bis zum Jahr 2039 erfolgen solle. Niederbergers Kritik:
"Die Strategie des EWN ist nicht zukunftsgerichtet und steht im
Widerspruch zur Haltung im Zusammenhang mit dem Endlager am Wellenberg."
Anders sah es Regierungsrat Ueli Amstad: "Die Kernenergie
schont
Umwelt und das Klima", sagte der Umweltdirektor. Zudem gab er zu
bedenken, dass sich bei einer Annahme der Initiative der Strompreis in
Nidwalden etwa verdreifachen würde. "Bei einem Ja wäre das
EWN in seiner Existenz gefährdet", so Amstads Befürchtung.
Auch in der Diskussion blies Georg Niederberger ein rauer Wind
entgegen, obwohl er seine Argumente sehr sachlich darlegte.
Vorstandsmitglied ist alleine
So bezeichnete der Oberdorfer SVP-Landrat Toni
Niederberger die
Initiative als "unrealistisch und Fantasiererei". Es folgte eine
energiepolitische Diskussion mit zahlreichen engagierten Voten. Toni
Niederberger machte einen Link zur Bildungspolitik und kritisierte,
dass es zu wenige Ingenieure gebe, die Alternativenergie zu
fördern imstande seien. Die Linken hätten es mit ihrer
Bildungspolitik versäumt, genügend Ingenieure auszubilden.
"Wir brauchen Vernunft statt Fantasiererei", sagte auch Leonhard Zrotz
an die Adresse der Initianten. Als einziger Votant sprach sich
SVP-Vorstandsmitglied Peter Kuster für die Initiative aus. Er
bezeichnete die Situation des Kantons als "schizophren", denn man wolle
Atomstrom und wehre sich gegen ein Endlager, so Kuster. Bei der
Parolenfassung blieb er allerdings als Einziger auf der Seite der
Initianten.
redaktion@neue-nz.ch
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CVP Nidwalden
Das EWN sieht sich in Gefahr
Von Markus von Rotz
SP-Landrat Beat Ettlin fand bei der CVP nur wenige
Sympathisanten
für die Atomausstiegs-Initiative. Heftigen Gegenwind gab der
Vertreter des EWN.
In der kurzen Diskussion vor der Parolenfassung wies
Hanspeter
Niederberger, alt Bauernpräsident, die Delegierten auf den
Widerspruch hin, den Atomausstieg und gleichzeitig das
Wellenberg-Endlager abzulehnen. "Heute brauchen wir den Atomstrom, weil
es so aufgegleist ist, aber man sollte die Richtung wieder
ändern." Er blieb der einzige Redner, der der SP
Unterstützung gewährte. Die CVP fasste mit 48:7 (10
Enthaltungen) die Nein-Parole (siehe Ausgabe von gestern).
Es entstünden Arbeitsplätze
Beat Ettlin kritisierte, das Elektrizitätswerk
Nidwalden und
die Regierung würden die Zeichen der Zeit nicht erkennen. "Wir
müssen die Strategie ändern und in Richtung erneuerbarer
Energien gehen. Nidwalden braucht keine Atomenergie." Er erinnerte an
die Gefahren von Atomkraftwerken und die ungelöste
Entsorgungsfrage für den atomaren Abfall (Wellenberg). Ettlin
meinte, es sei auch bei steigendem Energieverbrauch "alles nur eine
Frage des politischen Willens". Er erwähnte, dass ganz neu die
Neuenburger Regierung beschlossen habe, 50 Windräder zu bauen, mit
denen 200 Gigawattstunden Energie produziert oder 70 Prozent der
Haushalte versorgt werden könnten. Ettlin erinnerte daran, dass
erneuerbare Energien anders als Atomkraftwerke willkommene neue
Arbeitsplätze in diversen Branchen schaffen würden.
Als Unternehmen gefährdet
Hart ins Gericht mit Ettlin ging Silvio Boschian, seit
Juli
Verwaltungsratspräsident des EWN. "Schweden, Finnland und Italien
proben den Ausstieg aus dem Ausstieg", begann er. Erneuerbare Energien
seien richtig, aber sie könnten nie und nimmer den Atomstrom
ersetzen, der gerade in kälteren Monaten für die Versorgung
Nidwaldens unerlässlich sei. Der Energieverbrauch steige dauernd,
Elektroautos und die neuen Kommunikationsmittel bedingten ebenfalls
mehr Strom. "Das EWN wäre als Unternehmen mittelfristig
gefährdet, falls die Initiative angenommen würde", betonte
Boschian.
Er erinnerte daran, dass 296 Personen die SP-Initiative
unterschrieben hätten, aber nur 69 EWN-Kunden bereit seien, auf
Atomenergie zu verzichten, nämlich jene, die einen Regiomix ohne
Kernenergie bestellt hätten. Diese Zahlen würden für
sich sprechen.
Trotz der Niederlage endete es versöhnlich: "Wir sind
anständige Gastgeber und haben noch etwas Energie besorgt", sagte
Kantonalpräsident André Scherer und überreichte den
zwei SP-Referenten Beat Ettlin und Brigitte Gut Honig.
markus.vonrotz@neue-nz.ch
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20 Minuten 2.9.10
Tiefenlager: Bund beginnt Anhörung
UNTERBÖZBERG AG. Der Bund hat zum Abschluss der
ersten
Etappe der Standortsuche nach einem Tiefenlager eine Anhörung
gestartet. Bis im November können sich Bevölkerung, Parteien,
Organisationen, Kantone und Nachbarstaaten zur ersten Etappe des
Sachplans geologisches Tiefenlager äussern. Den Auftakt machte
gestern die Region Bözberg (AG). Mitte 2011 wird der Bundesrat
vermutlich entscheiden, welche Standorte weiter im Auswahlverfahren
bleiben.
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Bund 2.9.10
Taucher im AKW leicht verstrahlt
Leibstadt - Bei der Jahreshauptrevision im Atomkraftwerk
Leibstadt AG ist es am Dienstag zu einem Zwischenfall gekommen. Ein
Mitarbeiter wurde bei Taucharbeiten an der Hand verstrahlt. Dabei wurde
der Jahresdosisgrenzwert für Hände überschritten. Der
Mitarbeiter werde nach ersten ärztlichen Untersuchungen
voraussichtlich keine bleibenden gesundheitlichen Schäden
davontragen, teilte das AKW gestern mit.
Der Grenzwert für die Ganzkörperdosis sei nicht
überschritten worden. Zum Zwischenfall kam es während
Instandhaltungsarbeiten im Transferbecken für Brennelemente. Der
Taucher habe einen Gegenstand vom Boden des Beckens aufgehoben und ihn
in einen Behälter gelegt.
Beim Hochziehen dieses Behälters - noch unter der
Wasseroberfläche - habe die Raumstrahlungsüberwachung Alarm
ausgelöst. Darauf sei der Behälter wieder ins Wasser
abgelassen worden. (sda)---
WoZ 2.9.10
AKW Beznau
Niemand kontrolliert die Kontrolleure
Das Atomkraftwerk Beznau darf unbehelligt weiterlaufen.
Das
Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek)
hat acht Organisationen und Parteien abblitzen lassen. Diese
hatten im November vom Uvek verlangt, das AKW unverzüglich
stillzulegen, nachdem bekannt geworden war, dass das Notstromsystem
nicht richtig funktioniert und das Eidgenössische
Nuklearsicherheitsinspektorat (Ensi) nichts dagegen unternimmt. Das
Uvek gibt nun dem Ensi formal recht, weil es sich vom Verfahren her
richtig verhalten hat.
Das bedeutet aber nicht, dass Beznau sicher ist. Das
Notsystem
hatte in den neunziger Jahren nachträglich installiert werden
müssen. Ein Kadermann, der an der Nachrüstung beteiligt war,
sagte gegenüber der WOZ, das Notsystem könne im Notfall gar
nicht funktionieren, weil es - aus technischen Gründen - nicht
richtig installiert werden konnte. Die Vorwürfe wurden aber nie
richtig untersucht. Das Ensi verlangt heute grössere
Sicherheitsnachrüstungen in Beznau, die aber erst in vier Jahren
installiert sein müssen. sb
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Handelszeitung 1.9.10
Markt
KKW Mühleberg in Revision
Das Kernkraftwerk Mühleberg der BKW FMB Energie AG
(BKW) ist
am 15. August 2010 planmässig für die jährlich
wiederkehrenden Revisionsarbeiten und die Auswechslung von
Brennelementen abgeschaltet worden. Die Revision dauert rund vier
Wochen. Im Hinblick auf Langfristbetrieb führt die BKW
verschiedene wichtige Erneuerungs- und Unterhaltsarbeiten durch. In der
vergangenen Betriebsperiode von Anfang September 2009 bis Mitte August
2010 produzierte das Kernkraftwerk brutto 3136 Mio kWh (2008/09: 3119
Mio kWh) während 8163 Betriebsstunden CO2-freien Strom ins
BKW-Netz ein. Damit erzielte das KKM den besten Betriebszyklus seit der
Inbetriebnahme.