MEDIENSPIEGEL 4.11.10
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)

Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Kulturtipps (DS)
- Selbstverwaltungs-Suppeznacht
- 40 Jahre Kellerkino
- Big Brother Video: Folge 3 im Stadtrat
- Big Brother Sport: Pyros legalisieren
- RaBe-Info 4.11.10
- Squat FR: Inti mit Kulturdirektorin; Hausfriedensbruchklage
- Squat ZH: Keine Einigung; Porträit; Hausdiebstahl
- Kulturstreik GE: Kulturraumnot
- Rassismus: gra.ch-Neue Chronologie
- Härtefälle: Kritik an Behörden
- Ausschaffungen: 6.11.: Ausländersammeln mit olaf + 2xNein-Aktionstag; Provo-Videos; ZH-Praxis; Knast Wauwilermoos
- Bürgerwehr: Bewaffnete in Hüttikon
- Anti-Antikapitalismus: die Weltwoche verteidigt den Klassenfeind... ☺
- G20 Südkorea: Strategie der Spannung; Handbuch gegen Proteste
- Anti-Atom: Energiewende BE; EU-Atommüll-Endlager

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REITSCHULE
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Do 04.11.10
20.30 Uhr - Kino - Ohne Frauen keinen Frieden: Snijeg - Snow, Aida Begic, Bosnien und Herzegowina 2008
20.30 Uhr - Tojo - Ein Heimspiel. Von Theater Ararat. Regie: Hanspeter Utz.
21.00 Uhr - Rössli - DJ Jane Vayne. - Broadband Spectrum

Fr 05.11.10
20.30 Uhr - Tojo - Ein Heimspiel. Von Theater Ararat. Regie: Hanspeter Utz.
21.00 Uhr - Kino - Ohne Frauen keinen Frieden: Pray the Devil Back to Hell, Gini Reticker, USA 2008
22.00 Uhr - Frauenraum - POPSHOP feat. Rubinia DJanes. Mit DJ Nordlicht und DJ Ellen V.
22.00 Uhr - Dachstock - Dubby Clubnight: FILEWILE (CH) & 340 ML (RSA/MZ), DJ Kev the Head. -- Dub, Electronica

Sa 06.11.10
18.00 Uhr - Kino - Ohne Frauen keinen Frieden: Pray the Devil Back to Hell, Gini Reticker, USA 2008
20.30 Uhr - Tojo - Ein Heimspiel. Von Theater Ararat. Regie: Hanspeter Utz.
21.00 Uhr - Kino - Ohne Frauen keinen Frieden: Sturm, Hans-Christian Schmid, D/DK/NL 2009
22.00 Uhr - Dachstock - 20 Jahre Gassenküche: DEXTER JONES CIRCUS ORCHESTRA (SWE), ZENO TORNADO (CH), EXENTERATION (CH). -- Rock, Country, Metal, Blues

So 07.11.10
09.00 Uhr - Grosse Halle - Flohmarkt und Brunch im SousLePont - bis 16.00 Uhr
13.30 Uhr - Kino - Kinderfilm am Flohmi-Sonntag: Muli - Ein Film über Menschen, Maultiere und Maulesel in der Schweiz, Schweiz 2010, Ines Meyer, Dialekt, 80 Minuten. In Anwesenheit von Maultieren
19.00 Uhr - Tojo - 1 m2 Freiheit. Von Lemon Kuliba. TOJ, Jugendarbeit Bern West. Regie: Azad Süsem.
20.00 Uhr - Rössli - JAPANESE NEW MUSIC FESTIVAL: Tatsuya Yoshida, Atsushi Tsuyama und Makoto Kawabata. -- Noise, Rock, New Music
20.15 Uhr - Kino - Zusammen TATORT gucken

Infos:
http://www.reitschule.ch
http://www.reitschulebietetmehr.ch

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Bund 4.11.10

Dexter Jones Circus

 Rock 'n' Roll statt Manegen-Zauber

 Aus Europas zweitemsigstem Pop-Exportland Schweden reist das Dexter Jones Circus Orchestra an. Doch die Show der Mannen aus Stockholm beinhaltet weder draufgängerischen Manegen-Zauber noch Spurenelemente gängiger schwedischer Popmusik - das Dexter Jones Circus Orchestra steht für herzhaften, ernsten, souligen, schweren, erdigen und doch irgendwie ohrwurmigen Rock 'n' Roll nordamerikanischer Prägung. (ane)

Reitschule Dachstock Sa, 6. Nov., 22 Uhr.

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Bund 4.11.10

Japanese New Music

 Eine Band wird zum Festival

 Dass sich die Gruppe Acid Mother's Temple wegen künstlerischer Differenzen auflösen könnte, ist auszuschliessen. Die drei Japaner haben das Projekt Japanese New Music Festival erfunden: An einem Abend treten sie dabei in sieben Kleinformationen auf - das Spektrum reicht von gregorianischem A-cappella-Gesang über psychedelischen Abenteuer-Space-Rock bis zum irrwitzigen Gebrauchtwaren-Punk. (ane)

Reitschule Dachstock So, 7. Nov., 20 Uhr.

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SELBSTVERWALTUNG
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WoZ 4.11.10

Selbstverwaltung

 Bereits zum dritten Mal organisiert Attac Bern eine Suppenznacht-Reihe. Titel in diesem Jahr: "Macht Alternativen!" Mit warmer Suppe im Bauch wird nach einer kurzen Einführung zu verschiedenen Themen diskutiert. Beim nächsten Anlass geht es um Möglichkeiten und Grenzen der Selbstverwaltung am Beispiel der Berner Reitschule.

 Bern aki, Alpeneggstrasse 5, Mi, 10. November, 19 Uhr.

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40 JAHRE KELLERKINO
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BZ 4.11.10

40 Jahre Kellerkino

 Ein Kino aus rebellischen Zeiten

 Das Kellerkino wird vierzig: Mitbegründerin Theres Scherer-Kollbrunner und Ex-Mitarbeiter Bernhard Giger erinnern sich an stürmische Zeiten. Der aktuelle Leiter Simon Schwendimann verrät, was er sich für die Zukunft wünscht.

 Mit vierzig braucht man nicht mehr gegen alles und jeden zu rebellieren. Die wilden Zeiten gehören der Vergangenheit an, die Persönlichkeit ist bestenfalls gefestigt. Auf das Kellerkino, das vor genau vierzig Jahren von zwei befreundeten Ehepaaren ins Leben gerufen wurde, trifft das jedenfalls zu.

 Zu diesen Pionieren gehört Theres Scherer-Kollbrunner, die 1941 in Bern geborene Filmproduzentin, die nach Reisen durch die ganze Welt mit ihrem Mann Heini in die Kramgasse 26 zog. Hier begann im ehemaligen Weinkeller des Hotel Bellevues die Geschichte des Kellerkinos. Im Mai 1968 sei sie in Paris gewesen und habe die Auswirkungen des Aufstands der Studenten hautnah miterlebt, erzählt Theres Scherer-Kollbrunner. In Zürich ging die Jugend derweil auf die Strasse, als das geplante Autonome Jugendzentrum im ehemaligen Globus-Provisorium nicht zustande kam.

 Brisante Premiere

 "Der erste Film, den das Kellerkino zeigte, war ‹Krawall› des Schweizer Regisseurs Jürg Hassler", so Theres Scherer-Kollbrunner. "Der Film galt als höchst brisant, da er ein klares politisches Statement für die Demonstrierenden und ihre Anliegen formulierte. ‹Krawall› wurde weder vom Schweizer Fernsehen noch von den regulären Kinos ausgestrahlt. Wir sprangen in die Bresche."

 Der damals 18-jährige Bernhard Giger ging zur Eröffnung und lernte so Theres-Scherer Kollbrunner kennen. Bald gehörte er zum Team des Kellerkinos. "Man sprach damals vom unabhängigen, anderen Kino", erinnert er sich. Viele Schweizer Filmer hätten plötzlich ihre Stimme für Unterdrückte und Randfiguren erhoben. Während seiner Tätigkeit als freier Mitarbeiter des Kellerkinos von 1973 bis 1980 schrieb Giger Dokumentationen, die jeder Kinobesucher vor dem Film erhielt. "Es ging uns darum, zu den Filmen Hintergründe mitzuliefern, dazu gehörte auch, dass wir über die Produktionsverhältnisse des Filmes aufklärten." Der gelernte Fotograf realisierte 1981 schliesslich seinen ersten eigenen Film: "Winterstadt" ist ein Stimmungsbild der Nach-80er-Bewegung, in dem ein Mann scheinbar teilnahmslos durch Bern streift. Natürlich fand die Premiere des Filmes, dessen Produzentin Theres-Scherer Kollbrunner war, im Kellerkino statt.

 Alternative Plattform

 Anlässlich des Jubiläums zeigt Simon Schwendimann, der seit Anfang 2009 das Kino leitet, diesen Film und andere, die hier einst Premiere feierten, als Reprise. "Auch ein Fassbinder und ein von Praunheim mussten im Jubiläumsprogramm dabei sein, da das Kellerkino diese Filme als erstes Kino in der Schweiz gezeigt hat." Schwendimann versteht, wie schon seine Vorgänger, das Kellerkino als Plattform, mehrheitlich für nichtkommerzielle Schweizer Filme, die in anderen Kinos keinen Platz finden. Auch Filmen, die nur ganz kurz in regulären Kinos liefen, wie zum Beispiel "Zwerge sprengen" von Christof Schertenleib, verhilft das Kellerkino zu mehr Aufmerksamkeit. Was wünscht Schwendimann dem Kino für die Zukunft? "Ich möchte, dass das Kellerkino wieder vermehrt zu einem Treffpunkt für alle jene wird, für die Kino nicht nur Unterhaltung bedeutet, sondern eine Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit und dem eigenen Selbstverständnis."
 Helen Lagger

 Jubiläumsprogramm: 4.-10. 11., Kellerkino, Kramgasse 26, Bern. http://www.kellerkino.ch.

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 Jubiläumsprogramm

 Von Göttern und Vögeln

 Das Jubiläumsprogramm (4.- 10. 11.) startet mit Götter der Pest" von Rainer Werner Fassbinder (Do, 4. 11., 20.30 Uhr). Weiter gehts mit Unsere Leichen leben noch von Rosa von Praunheim (Fr, 5. 11., 20.30 Uhr). Die Kurzfilme Der kleine Emmentalfilm von Bernhard Luginbühl, Der Vogel Flemming von Anton Grieb und Bananera Libertad von Peter von Gunten werden als Block präsentiert (Sa, 6. Nov., ab 15 Uhr). Am Samstag (18.30 Uhr) folgen Bernhard Gigers Winterstadt (20 Uhr) Sans Soleil von Chris Marker, Yossi und Jagger von Eytan Fox (22 Uhr), E Nacht lang Füürland von Remo Legnazzi und Clemens Klopfenstein (So, 7. 11., 20.30 Uhr), Fieber Zeit von Christof Schertenleib und Alpenglühn (Mo, 8. 11., 20.30 Uhr). Den Schlusspunkt setzen Max Haufler - Der Stumme von Richard Dindo (Di, 9. 11., 20.30 Uhr) und Das ganze Leben von Bruno Molls (Mi, 10. 11., 20.30 Uhr).
 hl

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BIG BROTHER VIDEO
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Bund 4.11.10

Videoreglement zum Dritten

 Das Berner Stadtparlament befasst sich heute Abend zum dritten Mal in Folge mit dem Videoreglement. Dies, nachdem es das Reglement letzte Woche knapp abgelehnt hatte. Die FDP stellte jedoch erfolgreich einen Wiedererwägungsantrag. Zankapfel ist unter anderem die Frage nach der Zuständigkeit. Ein Teil des Rates will sich die Kompetenz übertragen, selber über die Standorte von Überwachungskameras im öffentlichen Raum entscheiden zu können. Der andere Teil des Rates will dies dem Gemeinderat überlassen. Erstere Hälfte setzte sich letzte Woche mit Stichentscheid von Ratspräsident Urs Frieden (GB) durch. Auch heute sind äusserst knappe Mehrheitsverhältnisse zu erwarten. (bro)

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BIG BROTHER SPORT
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BZ 4.11.10

SP will Pyro-Fackeln legalisieren

 Regelmässig missachten Fussballfans das Pyro- Verbot. Nun will die Stadtberner SP das Abbrennen von Petarden legalisieren.

 Die Delegierten der Stadtberner SP fordern ein Pilotprojekt zum kontrollierten Ablassen von Pyro-Fackeln in Fussballstadien. "Das Pyro-Verbot nützt niemandem", steht in einer Medienmitteilung. Denn es werde missachtet und kaum geahndet.

 "Fans, die Pyros zünden, sind nicht gleichzusetzen mit den wenigen Gewalttätern im Stadion", sagt Flavia Wasserfallen, Co-Präsidentin der SP Stadt Bern. "Die Fackeln sind Teil der Fankultur. Bilder davon werden in den Medien oft verbreitet, um die gute Stimmung zu illustrieren." Gleichzeitig würden die Anwender stigmatisiert und kriminalisiert. "Das ist schizophren."

 Die SP stellt weitere Forderungen an die Politik: Die Fanarbeit Bern soll mehr finanzielle Mittel erhalten. "Weil Fans aus der ganzen Region an YB-Spiele gehen, soll auch die Regionalkonferenz einen Betrag beisteuern", sagt Wasserfallen. Zudem dürfe es für Fussballfans keine spe-zielle Rechtsprechung geben. "Schnellgerichte gehören abgeschafft oder gar nicht erst eingeführt", schreibt die Stadtpartei.
 
Tobias Habegger

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spbern.ch 3.11.10

Stärkung der Fanarbeit für eine gewaltfreie Fankultur

Die SP Stadt Bern hat an ihrer Delegiertenversammlung vom 1. November 2010 das Thema Gewalt an Sportanlässen sowie ein Positionspapier der JUSO zur Stärkung der Fanarbeit diskutiert.

Auf dem Podium waren Lukas Meier, Fanarbeiter, Dieter Schärer, stv. Chef der Regionalpolizei und Anton Lehmann, Verantwortlicher für Integration und Prävention beim Bundesamt für Sport. Die SP-Delegierten unterstützten im Anschluss an die engagierte Diskussion grossmehrheitlich die Forderungen der JUSO Bern, welche u.a. auf eine professionalisierte Fanarbeit zielen und die Fans nicht stigmatisieren wollen. Zudem wurde deutlich, dass die Clubs sich stärker an den Sicherheitskosten, die der öffentlichen Hand entstehen, beteiligen müssen.

Forderungen:

* Die Fanarbeit leistet effektive Präventionsarbeit und wirkt deeskalierend. Stadt, Region, Kanton und die Clubs müssen für die Fanarbeit Bern zusätzliche finanzielle Mittel bereitstellen.
* Die Partizipation der Fanvereine und der Fanarbeit muss bei allen fanrelevanten Entscheiden gewährleistet sein.Für Fussballfans darf es keine spezielle Rechtsprechung geben. Schnellgerichte etc. gehören abgeschafft oder gar nicht erst eingeführt.
* Eine totale Videoüberwachung und Internetpranger sind aus Datenschutzgründen abzulehnen.
* Ein Verbot von Choreographien, wie es z.B. vorübergehend in St. Gallen verhängt wurde, ist abzulehnen.
* Das so genannte Pyroverbot wird von den Fans missachtet und von der Polizei nicht geahndet. Da ein solches Verbot niemandem nützt, soll das kontrollierte und gesicherte Ablassen von Pyrotechniken in einem Pilotversuch erlaubt werden. Die Sicherheit der MatchbesucherInnen hat dabei oberste Priorität, damit auch in Zukunft keine Verletzungen durch Pyros erfolgen.
* Statt Alkohol in den Stadien zu verbieten, soll mehr auf Prävention gesetzt werden.
* Fanmärsche und Freinächte sollen sich nicht konkurrenzieren. Beides soll erlaubt sein (sofern es irgendwann mal eine Freinacht geben sollte).

SP Stadt Bern

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RABE-INFO
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Do. 4. November 2010
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_4._November_2010.mp3
http://www.rabe.ch/nc/webplayer.html?song_url=uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_4._November_2010.mp3&song_title=RaBe-%20Info%204.%20November%202010
- Kinder leiden unter Härtefallregelung- Entscheiden
- Theaterstück zum Thema Fremdsein und Heimat
- Klingende Religionen- vom Sound für Gott

Links:
http://www.beobachtungsstelle.ch/fileadmin/user_upload/pdf_divers/Berichte/Haertefallbericht_D_def.pdf
http://www.theater-ararat.ch
http://www.haus-der-religionen.ch/assets/files/NachtderReligionen_Bern_10.pdf

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SQUAT FR
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Freiburger Nachrichten 4.11.10

"Als wäre eine neue Generation am Werk"

 Das Kollektiv Raie-Manta hat bereits drei leerstehende Gebäude in der Stadt Freiburg besetzt. Die jungen Leute fordern mehr Freiraum für die Kultur. Madeleine Genoud-Page (CSP), Kulturdirektorin der Stadt Freiburg, nimmt Stellung.

 Nicole Jegerlehner

 Das Kollektiv Raie-Manta fordert mehr Freiraum für die Kultur in der Stadt Freiburg. Sehen Sie das auch so: Fehlt es in der Stadt an Raum für Künstlerinnen und Künstler?

 Wir hatten günstige und geeignete Räume für Künstler - in der Johanniterkomturei. Ende Februar mussten sie aber die Räume verlassen, weil der Kanton - ihm gehört die Komturei - dort künftig seinen Kulturgüterdienst unterbringen wird. Seither suchen diese Künstlerinnen und Künstler nach neuen, geeigneten Räumlichkeiten.

 Einer dieser Künstler ist Pierre-Alain Rolle. Als SP-Generalrat hat er in einem Vorstoss ein Haus für Kunstschaffende gefordert. Kann der Freiburger Gemeinderat da Lösungen anbieten?

 Wir haben drei, vier Ideen, wo ein solches Haus entstehen könnte. Die Verhandlungen mit den Besitzern sind aber schwierig.

 Hat der Gemeinderat bei der Suche nach geeigneten Häusern geholfen?

 Nein, das ist nicht unsere Aufgabe. Aber wir vermitteln zwischen Kunstschaffenden und Hausbesitzern.

 Dann können Sie also der Forderung des Besetzerkollektivs zustimmen: In der Stadt mangelt es an Raum für Kunstschaffende.

 Solcher Raum fehlt. Die Besetzerinnen und Besetzer haben aber einen ganz anderen Ansatz als die Kunstschaffenden der Johanniterkomturei. Letztere suchen im Dialog mit den Behörden nach neuen, günstigen Räumlichkeiten. Die Besetzerinnen und Besetzer jedoch wollen keinen Dialog und keine Zusammenarbeit mit den Behörden - sie verlangen einfach, dass sie leerstehende Gebäude gratis nutzen können.

 Verstehen Sie diese jungen Leute?

 Ja. Mir kommt es vor, als wäre da eine neue Generation am Werk - die ihre Freiräume fordert, so wie andere vor zwanzig, dreissig Jahren. Die heutige Generation ist sich nicht bewusst, was die Generation vor ihr schon alles erreicht hat. Das macht auch nichts, das gehört dazu. Allerdings verstehe ich die Strategie des Besetzerkollektivs nicht: Ohne Dialog werden sie nie ein Haus benutzen dürfen.

 In anderen Schweizer Städten setzt sich der Gemeinderat bei Besetzungen leerstehender Gebäude ein und vermittelt zwischen Besetzern und Besitzern, um Zwischennutzungen zu ermöglichen. Macht das auch die Stadt Freiburg?

 Nein, wir haben ja auch kaum leerstehende Gebäude in der Gemeinde Freiburg. Auch das Boxal, welches das Kollektiv zurzeit besetzt, steht erst seit kurzem leer. Und andere Häuser, die unbewohnt sind, dürfen aus sicherheitstechnischen Gründen nicht mehr benutzt werden.

 Ist die Stadt an den Verhandlungen mit den Besetzern beteiligt?

 Nein, das geht alles über den Oberamtmann.

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La Liberté 4.11.10

Fribourg

 Un répit pour les squatteurs de Boxal

 Claude-Alain Gaillet

 La société Metalwerke Refonda AG, propriétaire du site de Boxal, à Fribourg, a déposé hier une plainte pour violation de domicile contre le collectif Raie Manta, qui occupe une partie des locaux depuis mercredi dernier. Les squatteurs n'ont toutefois pas à redouter une expulsion immédiate, comme ce fut le cas pour les occupations à la rue de l'Industrie puis dans l'immeuble en haut de la Route-Neuve, actuellement en démolition. Explications avec le préfet de la Sarine, Carl-Alex Ridoré.

 Vous avez ordonné l'évacuation des squatteurs à deux reprises et pas dans le cas de Boxal. Pour quelles raisons?

 Contrairement à une idée reçue, le préfet n'a pas de compétence en matière d'occupation illicite. Cette compétence incombe au juge, qui peut ordonner l'expulsion. Mes précédentes interventions n'étaient pas fondées sur l'illégalité de la présence des squatteurs, mais sur d'autres raisons: l'insalubrité et le manque de sécurité des locaux occupés. Dans le cas de Boxal, la situation est différente. La présence de vapeurs de solvants, d'amiante et des normes insuffisantes en matière de police du feu justifient la fermeture du site. Toutefois, des mesures provisoires ont été prises en matière de police du feu pour prolonger le séjour des locataires afin de leur laisser le temps de retrouver de nouveaux locaux. En juillet 2009, je leur ai donc accordé un délai de quinze mois. Ce délai est échu à fin septembre. Mais les derniers locataires ont recouru auprès du Tribunal cantonal. J'attends sa décision (celle-ci est attendue pour la fin de l'année, voir "La Liberté" du 28 octobre, ndlr), qui dira si une évacuation pour cause de sécurité défaillante est justifiée.

 Avez-vous rencontré les squatteurs?

 Je les ai vus lorsqu'ils occupaient le bâtiment à la rue de l'Industrie. Lors de la deuxième occupation, ils ont demandé à me parler. Je me suis rendu sur place et je leur ai expliqué que j'allais examiner la question sous l'angle de la sécurité. Sur le volet culturel de leur démarche, je leur ai dit que j'étais à leur disposition pour en discuter. Je leur ai même écrit pour le confirmer. Personne ne m'a recontacté.

 Quel est votre sentiment personnel sur leurs revendications culturelles?

 Je suis incapable de vous répondre puisqu'ils n'ont jamais eu l'occasion de me les présenter. Lors de leur premier squat, ils ont écrit à la ville de Fribourg pour dire qu'ils étaient pacifiques et ouverts à la discussion. Je lis dans "La Liberté" qu'ils ne veulent plus dialoguer avec l'autorité. Par contre, j'ai déjà rencontré à deux reprises cette année des artistes membres d'un autre collectif pour discuter de la problématique du manque de locaux. Une troisième rencontre est prévue avant la fin de l'année. Là, les choses se passent très bien et sont très constructives. I

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SQUAT ZH
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20 Minuten 4.11.10

Keine Einigung mit Besetzern

 ZÜRICH. Zwischen dem Mieter und den Besetzern des früheren Luxushotels Atlantis ist gestern keine Einigung übers weitere Vorgehen erzielt worden. Mieter Werner Hofmann will dort bis Mitte Dezember 150 Studentenwohnungen anbieten können, die Besetzer hingegen Räume für Kultur.

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Hotelrevue 4.11.10

Atlantis wird zum Wohnhaus für Studenten

 Im ehemaligen Fünfsternehotel Atlantis am Stadtrand von Zürich gehen bald Studierende ein und aus. Das Gebäude werde an die Tescon T.S.C. AG aus Buchs ZH vermietet, lässt die Besitzerin "Neue Hotel Atlantis AG", eine Tochter der Rosebud Hotels Holding in Luxemburg, verlauten. Es geht um eine Zwischennutzung von bis zu zwei Jahren. Zwischenzeitlich wird ein Bewilligungsgesuch für die Erstellung von Stadtwohnungen vorangetrieben.

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Tagesanzeiger 4.11.10

Atlantis-Besetzer lassen Frist verstreichen

 Zürich - Die Atlantis-Besetzer haben die Frist von gestern verstreichen lassen. Statt das Feld zu räumen, luden sie zu einer Openend-Party ein.

 Bei einem Treffen am Mittwochnachmittag konnten sich die Besetzer und Atlantis-Mieter Werner Hoffmann nicht einigen. "Sie wollen ein Kulturzentrum, ich günstigen Wohnraum", sagt Hoffmann. Er könne sich vorstellen, einige Räume im Hotel für Kultur zur Verfügung zu stellen. "Doch ohne Konzept und Mietvertrag gibt es nichts." Der Unternehmer wird heute laut eigenen Angaben mit der Pinselrenovation beginnen. Er will ab Dezember Studenten und junge Leute mit tiefen Einkommen im ehemaligen Hotel wohnen lassen.

 Hoffmann gehen nach eigenen Angaben 1000 Franken pro Tag verloren, solange die Besetzer im Haus sind. Wenn diese nicht freiwillig ausziehen, schaltet der Hausbesitzer wohl die Polizei ein. Laut Marco Cortesi, Medienchef der Stadtpolizei, wird ein Haus erst dann geräumt, wenn entweder eine Abbruchbewilligung oder eine Baubewilligung vorliege. Zudem muss eine Anzeige wegen Hausfriedensbruchs erstattet werden. "Wir suchen dann das Gespräch mit den Besetzern und geben ihnen ein paar Tage Zeit, dann wird geräumt", erklärt Cortesi. Hoffmann ist zuversichtlich, dass die Besetzer noch einlenken. Dann will er ihnen helfen, eine leere Liegenschaft in einem Industriequartier in der Stadt zu finden, "wo sie ihre Kunst machen können". Für seine geplanten Zimmer hat Hoffmann bereits mehrere Interessenten. (Tagesanzeiger.ch/Newsnetz)

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Zürichsee-Zeitung 4.11.10

Hotel Atlantis Hausbesetzer lassen Deadline des Vermieters ungenutzt verstreichen

 Besetzer wollen nicht auschecken

 Am Mittwoch hätten die Besetzer des "Atlantis" Mieter Werner Hofmann ein Konzept vorlegen oder ausziehen müssen. Doch sie weigern sich und organisieren stattdessen eine Open-End-Party.

 Caroline Bossert

 Freudig tanzen die bunt maskierten Besetzer auf der Terrasse des Zürcher Hotels Atlantis herum und fideln munter auf der Geige, im Glauben, der Welt auf der Nase herumtanzen zu können. Zuvor sassen sie mit Werner Hofmann, Mieter des ehemaligen Luxushotels und Unternehmer aus Buchs, am runden Tisch, jedoch ohne Erfolg. "Unsere Meinungen sind zu verschieden. Wir sind darüber sehr traurig", erklärten die Maskierten gestern Nachmitag um vier Uhr vor den Medien. Sie wollen im "Atlantis" ein Kulturzentrum errichten, der neue Hausherr möchte billigen Wohnraum für Studenten schaffen.

 Hofmann hat der "Familie Donovan", wie sich die Besetzer nennen, angeboten, ihnen einzelne Räume für kulturelles Schaffen zu überlassen. "Ich möchte aber einen Verantwortlichen haben, der mir ein Konzept vorlegt und einen Mietvertrag unterschreibt. Etwas anderes kommt mir nicht in die Tüte." Allerdings wolle keiner der Besetzer diese Verantwortung übernehmen, erklärte er gestern Nachmittag nach den gescheiterten Verhandlungen.

 Keine sofortige Räumung

 Den Besetzern gehen Hofmanns Pläne ohnehin zu wenig weit. Einzelne Kulturräume genügen ihnen nicht. Sie bräuchten das ganze Hotel, um ihre Vision verwirklichen zu können, erklärte Besetzer Peter gestern auf Tele Züri. Darum wollen sie die Räumlichkeiten weiterhin in Beschlag nehmen und haben in der Nacht auf heute per SMS eine Open-End-Party organisiert.

 Hofmann ist weiterhin frohen Mutes. Er werde heute früh um acht Uhr für die Pinselrenovation mit den Maschinen auffahren. "Dann werden bestimmt die meisten ihre Zimmer freiwillig verlassen", ist er überzeugt. Falls nicht, müsse die Polizei einschreiten. Bis zu einer Räumung könnten allerdings noch einige Tage bis Wochen verstreichen, wie Marco Cortesi, Mediensprecher der Zürcher Stadtpolizei, gestern erklärte.

 "Ich hoffe aber, dass es auch ohne die Polizei geht. Ich habe die Besetzer bisher als friedliche Leute erlebt", betont Hofmann. Auch Sachschaden sei in der Liegenschaft bisher noch keiner entstanden. Die Besetzer haben zudem versprochen, die Bauarbeiten nicht zu behindern. Auf heute Donnerstag sind wei- tere Gespräche angesetzt.

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Landbte 4.11.10

Gespräche mit Besetzern gescheitert

 Zürich - Zwischen dem neuen Mieter und den Besetzern des 2004 geschlossenen Luxushotels Atlantis ist gestern bei einem Treffen keine Einigung erzielt worden. Der Mieter will ab Dezember Studentenwohnungen anbieten, die Besetzer wollen ihr Kulturprojekt weiterführen. Wie ein Mitarbeiter von Mieter Werner Hofmann sagte, treffen sich Hofmann und die Hoteleigentümer heute mit den Behörden und besprechen die nächsten Schritte. Hofmann will möglichst bald mit der Renovation beginnen. Er deutete auf Tele Züri aber an, dass ein Nebeneinander möglich sein könnte. Allerdings nicht zum Nulltarif. Sein Projekt dient als Zwischennutzung. Die Besitzer möchten Wohnungen im Atlantis bauen, haben aber noch kein Bauprojekt eingereicht. Die Stadtpolizei schreitet in Zürich erst ein, wenn eine (Um-)Baubewilligung vorliegt.

 Wie die Besetzer bei einem Rundgang mit dem "Landboten" im "Atlantis" sagten, sammeln sie Ideen, was mit dem inzwischen maroden Hotel künftig geschehen könnte. (sda/red) lSeite 25

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Die Hotel-Utopie der "Donovans"
 
Seraina Kobler

 Seit 13 Tagen ist das Hotel Atlantis am Fuss des Üetlibergs von Kulturaktivisten besetzt. Bei einem Rundgang erzählen sie von ihren Plänen.

 Zürich - Geisterhaft still ist es, wenn man die Strasse zum Y-förmigen Betonbau hinaufkommt. Erst die Transparente und Plakate verraten, dass hier jemand ist. Ein grosser Smiley lächelt von der Fassade. Über die Terrasse kommt man in den ersten Stock. Drinnen: elektronische Musik, Überwachungskameras, Wände voller Zeitungsartikel - kreatives Chaos.

 "Hier sind wir in der Ideenstube. Seit der Besetzung sammeln wir alle Visionen für das Hotel", erklärt ein Mitglied der "Familie Donovan", wie sich die Besetzer nennen. Die Wände sind mit Packpapier ausgekleidet. Musik, Garten, Kinder, Bildung und Neue Medien lauten einige der Überschriften, die mit Filzstift fett umrundet sind. "Im Prinzip wollen wir hier eine Plattform schaffen, auf der sich Menschen treffen, austauschen und ihre Projekte in Angriff nehmen können", sagt "Donovan". Er ist ein Mann Anfang dreissig, der sich auskennt in der Zürcher Hausbesetzerszene.

 Luxus für alle

 Das sei ein Raum für Experimente, sagt er. "Bis heute ein Künstler ins Museum kommt, ist er meistens schon tot. Ich meine, das Geld kommt meist erst dann." "Donovan" zeigt um sich: "Hier könnte ein Labor entstehen, wo jeder das einbringt, was er gut kann, mit einer Infrastruktur, die dies ermöglicht." Über 200 Ideen sind auf einem eigens eingerichteten Blog eingegangen. "Für ein Projekt dieser Grösse sind neue Medien wie Facebook oder Blogs wichtig, da viele Leute mobilisiert werden müssen." Nun werden immer wieder Sitzungen organisiert und Interessierte zusammengeführt. "So bilden sich Gruppen, die sich dann selbstständig weiterentwickeln", erklärt "Donovan". Schliesslich sei das Ziel, das Hotel komplett zu beleben.

 Breit gefächert sind die Angebote auf dem Atlantis-Blog: Einer bietet einen Kinderbetreuungsdienst für Eltern an, die keinen der raren subventionierten Plätze ergattert haben. Jemand bietet an, ein komplettes Schneideratelier einzurichten. Gastrokurse, Biogemüse, Deutschunterricht werden angeboten. Ein Radiomacher möchte einen Monat lang vom Hotel aus senden. Geld soll bei all diesen Vorhaben nicht fliessen. Luxus für alle eben.

 "Wir wollen keinen Stress"

 Noch sieht es im leeren Hotel aus wie im versunkenen Atlantis. "Wir haben vorläufig nur die oberen Stöcke besetzt", sagt "Donovan". Dem noch laufenden Liquidationsprozess sei man ausgewichen. "Wir wollen ja keinen Stress." Der Flur im zweiten Stock ist lang und schwarz. Erhellt wird er nur von einer Lichtinstallation, die Eiskristalle an die Wände projiziert.

 Zwei junge Frauen mit Reisetaschen und Papierrollen unter dem Arm kommen die Treppe hoch. "Wo sind unsere Zimmer?" Sie lachen. "Das sind schon erste Nicht-Donovan-Bewohnerinnen. Studentinnen übrigens", sagt "Donovan" und runzelt die Stirn. Es komme ihm seltsam vor, dass die Besetzer vom neuen Zwischenmieter, Werner Hofmann, nun gegen Studierende ausgespielt werden. Denn viele Aktivisten seien selbst Studenten.

 Zweifel an der Rentabilität

 In den Zimmern: bröckelnder Verputz, halb offene Steckdosen und dreckige Teppiche. Weit ist die Sicht vom Balkon, zum Limmattal bis über den Zürichsee geht der Blick. "Für uns sieht es nicht so aus, als hätte der Plan vom Studentenheim Hand und Fuss", sagt "Donovan". Auch bei einer Vollbelegung der 150 Zimmer für 400 Franken pro Zimmer vom ersten Tag an - was mitten im Semester und in der Weihnachtszeit aber eher unwahrscheinlich sei - würde die Rechnung nicht aufgehen, hat "Donovan" ausgerechnet. Verluste seien programmiert, denn rechne man einmalige Investitionen von einer halben Million und monatliche Ausgaben von über 50 000 Franken für Mietzins, Strom, Heizung, Abwart und Verwaltung zusammen, könne für Hofmann Ende Monat unmöglich eine schwarze Null stehen.

 Woher dieses doch sehr soziale Engagement komme, wisse "Donovan" nicht. "Wir vermuten aber, dass wir mit unseren eigenen Waffen geschlagen werden sollen." Lasse sich die Neue Hotel Atlantis AG doch von einer der grössten Kommunikationsagenturen des Landes beraten.

 Vor dem gestrigen Gespräch mit Hofmann (das ohne Einigung beendet wurde) hatte "Donovan" noch seine Hoffnung zum Ausdruck gebracht, dass es zu einer Lösung kommt: "Wir möchten bleiben." Anderseits kennt "Donovan" das Business. Er zuckt mit den Schultern. In den letzten Jahren seien viele besetzte Häuser geräumt worden. Temporärer Raum im halblegalen Bereich, der für die Subkultur überlebenswichtig sei, schwinde, sagt er fast resigniert.

SERAINA KOBLER

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Weltwoche 4.11.10

Menschenrecht auf Diebstahl

 Linke "Aktivisten" haben das ehemalige Hotel "Atlantis" in Zürich besetzt. Als sie vermummt an die Öffentlichkeit traten, griff die Polizei nicht ein. Die Rechtsbrecher finden in Schweizer Städten paradiesische Verhältnisse vor. Die Behörden dulden sie nicht nur, sie unterstützen sie finanziell.

 Von Philipp Gut

 Sie kamen am Freitagmorgen vor einer Woche. Eine unbekannte Anzahl sogenannter Aktivisten besetzte das "Atlantis" am Fusse des Üetlibergs, hoch über der Stadt Zürich. Das ehemalige Fünfsternehotel, erbaut Ende der 1960er Jahre vom Architekten Hans Hubacher, der auch das Strandbad Mythenquai oder die Kuppelgewächshäuser im Botanischen Garten entwarf, wurde vor sechs Jahren geschlossen. Bis im vergangenen August nutzte es die Stadt als Unterkunft für rund 200 Asylbewerber.

 Die Besetzung sorgte für Schlagzeilen, Polizei und Behörden wurden bisher nicht aktiv. Auch als sich die Besetzer vermummt an die Öffentlichkeit wandten - dies ein zusätzlicher Rechtsbruch, der kantonale Gesetze ver- letzt -, griffen sie nicht ein.

 Man reibt sich die Augen und stösst unweigerlich auf offene Fragen. Schützt die grösste Schweizer Stadt die Rechte ihrer Bürger nicht mehr? Warum greift die Polizei nicht ein? Steht dahinter vielleicht sogar eine bestimmte Politik? Und: Ist Zürich ein Spezialfall, oder stellt sich die Lage in anderen Schweizer Städten ähnlich dar?

 "Am liebsten vermöbeln"

 Recherchen bei den beteiligten Parteien, bei Behörden, Polizei, Juristen und Politikern, führen zu erschreckenden Resultaten. Offenbar ist, um es vorwegzunehmen, das Recht auf Eigentum, das am Ursprung jeder freiheitlichen Ordnung steht und eng mit dem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit (Habeas Corpus) verknüpft ist, das Papier nicht wert, auf dem es steht. Mehr noch: Es ist in Schweizer Städten gängige Praxis, dass Besetzer belohnt und Besitzer bestraft werden.

 Um mir vor Ort ein Bild zu machen und die Argumente und Beweggründe der "Aktivisten" kennenzulernen, fahre ich den Döltschiweg hinauf, bis ans Ende, die Nummer 234. Über der grosszügigen Einfahrt des "Atlantis" hängt ein Tuch mit der roten Aufschrift "Besetzt". Schilder weisen darauf hin, man solle den "Haupteingang benutzen". Doch die Türen sind verschlossen, auf Klopfen reagiert niemand.

 Es wird Abend, die Dämmerung senkt sich nieder, im grauen Betongebäude gehen einzelne Lichter an. Ein Zimmer weit oben ist grün, ein anderes blau beleuchtet. An der Frontseite gegen die Stadt hinunter hängt ein Smiley-Plakat, die Besetzer legen offenbar Wert darauf, als freundliche Menschen wahrgenommen zu werden.

 Als plötzlich zwei Gestalten aus einem alten VW-Bus aussteigen, der auf dem Parkplatz vor dem Hotel steht, ist der erste Eindruck ein anderer. Ich stelle mich als Journalist der Weltwoche vor und frage, ob ich das Gebäude betreten und mit den Besetzern reden dürfe. Der eine der beiden Typen greift zum Telefon und spricht offensichtlich mit einer Art Chef, der drinnen sitzt. "Hier ist ein Mitarbeiter von Roger Köppel", sagt er, "am liebsten würde ich ihn vermöbeln. Darf er reinkommen?"

 Die Antwort ist: Nein. "Ist er der Capo?", frage ich. "Hier sind alle Capos", erklärt der Fahrer des Busses, der vollgeladen ist mit irgendwelchen Sachen und auf dessen Dach sich ein kleines blaues Licht dreht, eine Mischung aus Stroboskop und Alarmsirene. Auch für die Besetzerszene gilt offensichtlich die alte sozialistische Weisheit: Alle sind gleich, aber einige sind gleicher.

 Das scheint sich auch an den beiden Typen zu beweisen. Während der eine, auf dem Kopf eine Mütze der Schweizerischen Kreditanstalt (SKA), trotz anfänglichem Unwillen und unverhohlener Aggression, immer mehr ins Reden kommt, fragt der andere ("Manuel"), ob er ein paar Dinge hinauftragen dürfe. Er darf.

 Sex und Sicht auf den Säntis

 Der Mann mit der Mütze geht, wie er später sagt, gegen die vierzig zu. Er trägt ein gestreiftes Sweatshirt über einem zerbeulten Kittel, unter dem SKA-Chäppi quillt lockiges dunkles Haar hervor, in seinem Atem riecht man Alkohol. Keine unsympathische Erscheinung, trotz allem.

 Ich werde eingeweiht in die Usanzen der "linken Szene", der er sich zurechnet. Die Besetzung beschreibt er als "Phänomen", das sich "wie von selber entwickelt" habe: "Plötzlich bist du drin." Am Anfang steht ein Zettel oder eine SMS: "Triemli, 9 Uhr, pünktlich."

 Der Begriff ist das Zauberwort der Szene: "Pünktlich" bedeutet für den Eingeweihten, dass es zur Sache geht. Wenn sie sonst die Werte der "Leistungsgesellschaft" verachten, wissen die "Aktivisten" doch, dass Exaktheit und Verlässlichkeit in bestimmten Situationen lebenswichtig sein können. "Wenn du allein irgendwohin kommst, und dort stehen zwei Polizisten, dann hast du ein Problem." Es geht darum, Macht durch Masse zu demonstrieren. "Die Polizei passt sich der Situation an", sprich: Sie lässt den Dingen ihren Lauf, wenn sie sich einer Übermacht gegenübersieht.

 Mein Gesprächspartner, nennen wir ihn Max, ist mit dem Verlauf der Aktion zufrieden. Er will nicht verraten, wie viele sie sind, aber es wird klar, dass sich darunter auch Frauen befinden. "Ich habe noch nie so viel Sex gehabt. Ich bin am Morgen aufgewacht und habe vom Balkon aus den Säntis gesehen. Ich wäre ja blöd, wenn ich hier nicht einziehen würde."

 Max erzählt von einem Vorfall: Er stiess mit einem Kollegen zusammen und hätte ihn am liebsten rausgeworfen. Fast wäre es zu einem Handgemenge gekommen. Die beiden beruhigten sich, und am Abend habe der andere eine Tomatensauce mit Trauben gekocht, "zauberhaft", wie Max gerührt erzählt.

 Ich störe die Idylle mit der Frage nach der Verletzung des Eigentums, will wissen, wie er zum eklatanten Rechtsbruch stehe. "Das habe ich nie überlegt, das interessiert mich nicht", sagt Max.

 Die Selbstverständlichkeit, mit der die Besetzer ihren kriminellen Akt begehen, mag überraschen, in Wirklichkeit ist sie nur folgerichtig. Die Verluderung des Rechtsgedankens wird vom Staat geduldet, wenn nicht gefördert. Besonders in den links-grün dominierten Städten, die nicht selten von Politikern regiert werden, die in der Neuen Linken der siebziger und achtziger Jahre sozialisiert wurden und mit Slogans wie "Besetzt die Häuser" oder "Wo-wo-Wonige" aufgewachsen sind.

 Die aus solchen Traditionen hervorgegangene Missachtung des Eigentums ist aktenkundig. Ein "Merkblatt" zu "Hausbesetzungen in der Stadt Zürich" stellt klar, dass Besitzer einer besetzten Liegenschaft nicht das Recht haben, dass diese geräumt und der gesetzliche Zustand wiederhergestellt wird. Dem Eigentümer, nicht den Dieben werden Auflagen gemacht. Neben einem Strafantrag müssen beispielsweise eine Abbruchbewilligung oder eine Baubewilligung inklusive Baufreigabe vorliegen. "Die unverzügliche Aufnahme der Abbruch-/Bauarbeiten muss belegt werden", heisst es lapidar.

 Mit anderen Worten: Einem Eigentümer, der seine Liegenschaft nicht sofort umbaut oder abreisst, sondern etwa Geld spart, bis er sie renovieren kann, wird der Rechtsschutz verweigert. Das wäre so, wie wenn jemand ein Auto klaut und die Polizei das gestohlene Fahrzeug den Dieben zur Nutzung überlässt. Zurückgegeben würde es nur dann, wenn der Besitzer beweisen könnte, dass er das Auto nach der Rückgabe verkauft oder verschrottet.

 "Krass rechtswidrig"

 Was Laien unmittelbar einleuchtet, sehen Juristen nicht anders. Rechtsanwalt und Hells-Angels-Verteidiger Valentin Landmann hält die Zürcher Regelung für "krass rechtswidrig". Der Schutz des Eigentums sei "nicht gewährleistet".

 Wie ein unglaublicher Fall aus der Stadt Zürich zeigt, wird Eigentümern nicht nur der Rechtsschutz verweigert, man bittet sie für das erlittene Unrecht auch noch zur Kasse. Der Zürcher Ombudsmann berichtet von einem Fall aus dem Jahr 1999. Die Wohnliegenschaft eines Ehepaars wurde im Jahr 1996 von Jugendlichen besetzt, Strom und Wasser benutzten die Einbrecher weiter, die Rechnung ging an die Besitzer. Einer Aufforderung des Ehepaars, die Lieferung abzustellen, kamen die städtischen Elektrizitäts- und Wasserwerke (EWZ) nicht nach. Die Stadt stellte sich, mit Verweis auf ein besetzerfreundliches Bundesgerichtsurteil (BGE 119 Ia), auf den Standpunkt, "ein solches Abstellen verstiesse gegen die Menschenrechte". Darauf erhielten die doppelt und dreifach geschädigten Eheleute eine Rechnung über Fr. 15 514.20.

 260 000 Franken für Illegale

 Zürich steht nicht allein, ähnliche Verhältnisse herrschen in anderen Schweizer Städten. Die Basler Hausbesetzerszene, die laut Wochenzeitung einen "festen Kern von mehr als fünfzig Personen" umfasst, hat unter anderem die Villa Rosenau in ihre Gewalt gebracht. Besitzer der Liegenschaft ist das Bundesamt für Strassen, verwaltet wird sie vom Tiefbauamt des Kantons Basel-Stadt. Die Rechnungen für Strom und Wasser, schreiben die Besetzer auf ihrer Homepage, würden "brav" von den Steuerzahlern beglichen.

 Geduldet, geschont, privilegiert werden die Rechtsbrecher auch in Bern. Die Besetzer der berüchtigten Reithalle wurden für ihr illegales Tun gleich mehrfach belohnt: Ihr Vergehen wurde erstens nicht geahndet, zweitens lega- lisiert - und drittens werden sie heute sogar subventioniert.

 Die Hände reiben dürfen sich die Bewohner der illegalen Hüttensiedlung Zaffaraya. Nachdem sie widerrechtlich Land besetzt und bebaut hatten, mussten sie ihren Platz wegen eines Autobahnzubringers räumen. Was dann passierte, scheint typisch: Zaffaraya zog um, der neue Ort - im Besitz des Bundes - ist noch widerrechtlicher als der alte, da zusätzlich mit einem Bauverbot belegt. Und was macht die Stadt? Sie finanziert die Erschliessung mit einem Kredit von 260 000 Franken.

 Grossrat Thomas Fuchs (SVP) hat in dieser Sache vor zwei Jahren eine aufsichtsrechtliche Beschwerde eingereicht. Regierungsstatthalter Christoph Lerch machte deswegen Druck bei der städtischen Baudirektion. Bis heute blieb eine Antwort aus, zuletzt mit dem Hinweis auf "Herbstferien" des Gemeinderats.

 Dieser will sogar noch weiter gehen und eine sogenannte "Zone für Wohnexperimente" schaffen, in der sich die "Stadtnomaden" und andere Besetzer-Gruppierungen niederlassen dürfen. Wiederum zahlt sich illegales Handeln aus. Allein für die Planung hat der Gemeinderat 60 000 Franken gesprochen.

 Ob sich an den rechtswidrigen Verhältnissen etwas ändern wird, darf bezweifelt werden, jedenfalls sind Behörden und Polizei mit ihrer Politik zufrieden. "Wir haben mit dieser Praxis sehr gute Erfahrungen gemacht", sagt Marco Cortesi, Medienchef der Stadtpolizei Zürich, "auch wenn möglicherweise nicht alle Juristen die Sache gleich beurteilen."

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KULTURSTREIK
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L'Hébdo 4.11.10

Vie nocturne à Genève

 MOBILISATION FESTIVE

 PAR  CLÉMENT BÜRGE  ET  SOPHIE MURITH

 LES FAITS

 La fermeture, pour des raisons de sécurité, des boîtes de nuit le MOA et le Weetamix a déclenché une vague de protestations à Genève. Lors des deux derniers week-ends, environ 3000 personnes ont participé, en pleine nuit, à des "manifestations festives". Ils dénoncent la mort de la vie nocturne genevoise, spécialement celle des milieux alternatifs.

 LES COMMENTAIRES

 Parmi la pléthore d'articles consacrés au sujet par la Tribune de Genève, un éditorial revient sur le manque de crédibilité des autorités qui "du jour au lendemain" ont estimé que ces salles étaient dangereuses. Il explique alors que "faute de lieux appropriés, les jeunes s'en iront toujours plus loin le week-end ou s'entasseront à L'Usine - un des derniers établissements alternatifs vivants -, déjà saturée. En termes de nuisances et de risques, le remède pourrait se révéler pire que le mal." Le Courrier estime que la fermeture de ces deux boîtes de nuit symbolise la "pénurie festive" qui sévit dans le canton. Le quotidien rappelle que les milieux alternatifs se mobilisaient déjà en 2008. Historiquement, cette situation a même "un air de déjà-vu: en 1989, l'association Etat d'Urgence avait obtenu L'Usine à la suite d'incessantes lettres aux autorités, manifestations et discothèques sauvages. Vingt ans plus tard, alors que plusieurs lieux alternatifs ont fermé, l'histoire se répète." Le journal soutient les manifestants dans leur lutte et avertit les autorités: "Sans promesses sérieuses, la mobilisation continuera."

 À SUIVRE

 Le manque d'anticipation politique est flagrant. Certes, plusieurs partis et politiciens ont annoncé leur soutien à la mobilisation. Mais pour l'instant, si ce n'est condamner l'attitude des manifestants ou esquisser de vagues solutions, les autorités de la ville et du canton n'ont pris aucune mesure concrète.

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Tribune de Genève 4.11.10

Rencontre avec David Simonnin

 Il veut une caserne festive

Chloé Dethurens

 C'est dans la rue, aux côtés du public de l'Usine, qu'il a fêté ses 29 ans, vendredi dernier. Président de l'Association pour la reconversion des Vernets (ARV), David Simonnin est l'un des organisateurs de ce défilé qui a réuni des milliers de manifestants. Son objectif: réclamer l'ouverture d'espaces nocturnes et culturels sur un site en particulier: celui de la caserne des Vernets, bientôt désaffecté.

 Comme la plupart des membres de l'ARV, David Simonnin n'est ni DJ ni organisateur régulier de soirées. "Je suis juste un représentant du public, explique-t-il. L'idée de l'association est née en discutant autour d'un verre. En nous demandant où nous allions sortir ce soir-là, nous avons juste constaté qu'il n'y avait rien à faire. " Alors qu'Artamis vit ses derniers instants, David Simonnin tombe sur plusieurs articles de presse concernant l'avenir de la caserne. L'idée fait son chemin, l'ARV est lancée.

 Son jeune président n'est pas qu'un noctambule: fraîchement sorti de l'EPFL, il est aussi ingénieur en environnement. Après deux mois passés en Mongolie à effectuer le diagnostic d'un réseau d'eau potable pour son travail de master, il travaille aujourd'hui à Genève: "C'était une expérience enrichissante mais difficile professionnellement. Je croyais pouvoir me rendre directement utile et efficace! Mais j'avais besoin de plus d'expérience. J'ai donc décidé de rester travailler en Suisse plutôt que de repartir directement à l'étranger. " Gestion des eaux, concepts énergétiques: des compétences utiles au projet de reconversion des Vernets. "Les membres du comité de l'ARV ont presque tous une spécialisation liée à l'aménagement du territoire, poursuit David Simonnin. Cela donne à l'association une identité propre et nous permet de dialoguer avec les politiques, d'étudier la gestion de la vie nocturne en amont. "

 Son implication dans l'associatif, son souci de l'environnement, David Simonnin les doit à son éducation, reçue au Petit-Saconnex où il vit encore aujourd'hui. "Mon père est né paysan. J'ai souvent passé mes vacances dans la ferme familiale de Porrentruy. Dès le collège, j'ai pris conscience que notre système économique n'était pas compatible avec les ressources naturelles disponibles. J'ai dès lors souhaité apprendre un métier utile de ce point de vue. "

 Entouré de 160 membres, dont une vingtaine d'actifs, David Simonnin préside l'ARV en parallèle à son métier d'ingénieur. En plus d'entraînements de basket réguliers et d'une formation en gestion énergétique, le rythme est parfois difficile à tenir: "Cela ne me laisse pas beaucoup de temps libre. Mais je ne compte pas quitter pour autant l'ARV: ce projet nécessite au moins cinq ans d'investissement. Le but n'est pas de faire un coup d'éclat puis se dissoudre. "

 Peu à peu, l'ARV fait sa place. Mandaté par la Ville, David Simonnin vient de participer, avec une dizaine de membres, à une étude sur la vie nocturne genevoise. Le projet a nécessité trois mois de travail, aboutissant à un constat peu étonnant pour l'ingénieur: "L'étude a montré qu'il existe des lieux de fête à Genève, mais qu'ils sont chers et sélectifs. Ce n'est pas surprenant: sur 350 endroits, seuls dix sont alternatifs. "

 Et concernant la caserne des Vernets? En attente d'une réponse du Canton quant à une éventuelle collaboration, l'ARV vient d'élaborer son propre projet. Le dossier fixe de nombreux objectifs quant à l'aménagement du site, notamment en termes de mètres carrés et de hauteur de plafond, nécessaires aux besoins des futures activités nocturnes et culturelles. "Nous avons consulté plusieurs associations afin d'élaborer un projet adapté, précise David Simonnin. Grâce à nos compétences, il s'agit d'un projet professionnel complet. " Actuellement, l'ARV est à bout touchant avec une école d'architecture prête à étudier le projet dans le cadre de travaux d'étudiants.

 Ce projet de caserne version ARV terminé, David Simonnin ne ralentit pas le rythme pour autant. Si son quotidien est à Genève, il n'exclut pas de repartir plus tard travailler à l'étranger. En ce moment, il vole au-dessus de l'Atlantique, direction New York. Objectif: participer avec son frère et son père au marathon!

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 David Simonnin

 Bio express

 1981Naissance le 30   octobre à Genève.

 2006Travail de master en Mongolie, afin d'effectuer le diagnostic d'un réseau d'eau potable.

 2006Août: obtention du master en sciences de l'environnement à l'Ecole polytechnique fédérale de Lausanne (EPFL).

 2008Création de l'Association pour la reconversion des Vernets (ARV).

 2009Il est engagé chez CSD Ingénieurs, à Genève. Il s'occupe de gestion des eaux et de concepts énergétiques.

 2010Participation à l'étude "Voyage au bout de la nuit". Formation postgrade en gestion énergétique.

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RASSISMUS
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gra.ch 1.11.10

Medienmitteilung

Neue Form der gedruckten Chronologie "Rassismus in der Schweiz" - Vollständige Ausgabe auf www.gra.ch

Zürich, 1. November 2010 - Die gedruckte Ausgabe der jährlich an 15'000 Opinion- Leaders in der Schweiz versandten Chronologie "Rassismus in der Schweiz" erscheint in neuer Form mit reduziertem Umfang. Die vollständigen und laufend aktualisierten Einschätzungen von Rassendiskriminierung und Rechtsextremismus sowie die rassistischen Vorfälle in der Schweiz finden sich benutzerfreundlich und mit Full-Search-Funktion unter "Chronologie" auf http://www.gra.ch.

Seit Anfang der 1990er Jahre erscheint jährlich eine von der GRA Stiftung gegen Rassismus und der GMS Gesellschaft Minderheiten in der Schweiz herausgegebene Chronologie der rassistischen Vorfälle in der Schweiz. Mit der Neugestaltung und Auffrischung des Erscheinungsbilds der webbasierten Chronologie hat sich die Benutzung durch Politiker, Medienschaffende und Studierende zunehmend auf das elektronische Medium verlagert. Dieses hat den Vorteil, dass es laufend aktualisiert wird und dass die praktische Full-Search-Funktion in Sekundenschnelle eine gezielte Suche von der Gegenwart bis zurück ins Jahr 1992 ermöglicht.

Die gedruckte Ausgabe der Chronologie "Rassismus in der Schweiz" erscheint deshalb von nun an in reduziertem Umfang. Die zweiteilige und zweisprachige Publikation auf Deutsch und Französisch erfasst einerseits alle öffentlich bekannten Vorfälle. Andererseits ordnet der Verfasser Hans Stutz, Journalist mit Schwerpunkt Rassismus und Rechtsextremismus, in einer Analyse der Hauptverursacher rassistischer Ereignisse diese Vorfälle in die gesellschaftliche Entwicklung ein. Die Chronologie wird jährlich an 15'000 Persönlichkeiten und Institutionen aus Politik, Wirtschaft, Medien, religiösen Gemeinschaften, an Bund und Kantone sowie an Schulleitungen in der ganzen Schweiz versandt.

Beim Stichtag sind letztes Jahr 112 rassistische Vorfälle erfasst worden, während es 2008 zum gleichen Zeitpunkt 92 waren. Ein Grund für diesen Anstieg kann beim Gaza-Krieg im Frühjahr des vergangenen Jahres verortet werden, welcher auch in der Schweiz verstärkt zu Manifestationen von sonst latentem Antisemitismus geführt hat. Ferner wurden Muslime und Roma 2009 Zielscheibe politischer Kampagnen des nationalkonservativen Lagers. Feindlichkeit gegen in der Schweiz lebende Deutsche ist namentlich von der Zürcher SVP auf die politische Bühne gehievt worden.

Die Chronologie 2009 "Rassismus in der Schweiz" kann beim Sekretariat der GRA zum Preis von CHF 14.50 bezogen werden. Die laufend aktualisierten Vorfälle können auf http://www.gra.ch unter "Chronologie" eingesehen werden.

Für weitere Fragen:

Dr. Ronnie Bernheim Dr. Giusep Nay
Präsident GRA Stiftung gegen
Rassismus und Antisemitismus
T +41 (0)79 662 66 50

Präsident GMS Gesellschaft
Minderheiten in der Schweiz
T +41 (0)79 610 91 21

Sekretariat GRA GMS
Postfach, 8027 Zürich T 043 344 49 66 F 043 344 49 69 infogra@gra.ch www.gra.ch

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HÄRTEFÄLLE
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NZZ 4.11.10

Kinderrechte in der Härtefallpraxis

 Erneute Kritik an den Ausländerbehörden

 C. W. · Die Schweizerische Beobachtungsstelle für Asyl- und Ausländerrecht kritisiert in einem Bericht, dass die Ausländerbehörden bei der Beurteilung von Härtefällen zu wenig auf die Situation der ganzen Familie und insbesondere auf die Rechte der Kinder achteten. Es geht dabei um Aufenthaltsbewilligungen, wie sie fünf Jahre nach Einreichen eines Asylgesuchs, nach fünfjähriger vorläufiger Aufnahme oder unter bestimmten Bedingungen nach illegalem Aufenthalt erteilt werden können. Jährlich haben ungefähr 3000 Gesuche Erfolg.

 Die Praxis, bei der die Kantone über einiges Ermessen verfügen, ist immer wieder umstritten. Letztes Jahr hatte die Flüchtlingshilfe eine Analyse publiziert, nun zeigt die Beobachtungsstelle - ein Verein unter dem Präsidium der früheren SP-Nationalrätin Ruth-Gaby Vermot - anhand einzelner Fälle die ihrer Meinung nach bestehenden Mängel auf.

 Eine Härtefallbewilligung wurde beispielsweise abgelehnt, weil der Aufenthaltsort der Gesuchsteller den Behörden nicht, wie gesetzlich gefordert, immer bekannt war oder eine Person ein Delikt begangen hatte. An manchen Beispielen fällt übrigens auf, wie unbekümmert Familien ohne Aufenthaltsrecht vergrössert werden oder wie lange Behörden untätig bleiben. Nach Ansicht der Beobachtungsstelle dürften Kinder aber gemäss Kinderrechtskonvention nicht für das Verhalten ihrer Eltern "bestraft" werden. Sie müssten zudem im Verfahren angehört werden.

 Im Weiteren berücksichtigen die Behörden zwar die Dauer der Anwesenheit, relativieren sie aber bei illegalem Aufenthalt. Dies, wird kritisiert, widerspreche dem Sinn der Härtefallregelung. Beanstandet werden auch die Unterschiede zwischen den Kantonen, etwa bei den Massstäben für die wirtschaftliche Integration. Rechtsmittel garantiert das Gesetz den Gesuchstellern nur im Zustimmungsverfahren des Bundes; so weit gelangen die Fälle aber nur nach positivem kantonalem Entscheid.

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Aargauer Zeitung 4.11.10

Härtefallpraxis: Kinderrechte nicht eingehalten

 Sarah Weber

 Die Schweizerische Beobachtungsstelle für Asyl- und Ausländerrecht (SBAA) ist besorgt: Bei Härtefallregelungen für Familien werden die Kinderrechte missachtet. Der Vorwurf der Beobachtungsstelle: In der Praxis beurteilten die Behörden nur die Situation der Eltern, kaum aber die der Kinder. So trifft eine Wegweisung besonders Minderjährige, die lange in der Schweiz leben, zur Schule gehen, Deutsch reden und integriert sind.

 Besonderes Aufsehen erregten in Vergangenheit Fälle wie beispielsweise der Maturand aus Aarau oder die Schwestern aus Zürich, bei denen sich schliesslich das soziale Umfeld gegen die drohende Ausschaffung wehrte. Deshalb fordert Claudia Dubacher, Geschäftsleiterin der Beobachtungsstelle: "Die Kinder müssen bei der Beurteilung wenigstens angehört werden." Denn: Man dürfe migrationspolitische Interessen nicht stärker gewichten als Kinderrechte.

 Handlungsbedarf auf politischer Ebene sieht deshalb auch der Schwyzer SP-Nationalrat Andy Tschümperlin. Er will in der kommenden Herbstsession eine entsprechende Motion einreichen. Darin fordert er, dass die UN-Kinderrechtskonventionen auch in der Härtefallpraxis zwingend eingehalten werden müssen. Dies würde automatisch auch die Unterschiede zwischen den Kantonen verkleinern, so Tschümperlin.

 Deutschschweizer viel strenger

 Die Härtefallbewilligung soll den Aufenthalt von illegal anwesenden oder nur vorläufig aufgenommenen Menschen legalisieren - vorausgesetzt, sie erfüllen gewisse Kriterien. "Die Anforderungskriterien in der Verordnung sind aber schwammig - das sind Gummiparagrafen", kritisiert Claudia Dubacher. Und so legen die Deutschschweizer Kantone das Gesetz trotz Harmonisierungsversuchen noch immer viel strenger aus als die Westschweizer. Die Praxis einiger Kantone treffe so besonders Familien mit Kindern unverhältnismässig hart, schreibt die Beobachtungsstelle in ihrem gestern veröffentlichten Bericht. Und befürchtet weiter: "Offizielle Zahlen gibt es nicht, aber wir stellen eine Verschärfung des Problems fest", so Dubacher.

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AUSSCHAFFUNGEN
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Bund 4.11.10

Ausländersammeln auf dem Bundesplatz

 Ein Aktionskünstler hat eine radikale Lösung für die Ausländerfrage: markieren, sammeln, ausschaffen.

 Simone Rau

 Der 47-jährige Alois Stocher trägt Anzug und Krawatte, Schnauz und Seitenscheitel. Er hat in Beirut Militärwissenschaften und Ethik studiert. Und er ist Geschäftsführer der "Organisation zur Lösung der Ausländerfrage" (OLAF). Auf der Webseite Volksbefreiung.ch wirbt der bekennende SVP-Fan für die sofortige Ausschaffung von Ausländern. Denn von diesen hält er nichts: "Jeder Ausländer in der Schweiz ist ein Ausländer zu viel!"

 Sein "Lösungsmodell" ist in drei Phasen unterteilt: "1. Markierung". Nicht nur der kriminelle, sondern jeder Ausländer stelle eine potenzielle Gefahr für die Schweizer Bevölkerung dar, schreibt Stocher. Deshalb habe OLAF "spezielle Armbinden produziert, mit denen sämtliche Ausländer markiert werden sollen". "2. Sammlung". Nachdem alle Ausländer markiert worden sind, will Stocher sie in speziellen Hallen "zwischenlagern und für ihren Abtransport in ihre Herkunftsländer" vorbereiten. "3. Ausschaffung". Zuletzt sollen die Ausländer, so Stochers Idee, in Container verfrachtet und per Zug ausser Landes gebracht werden.

 "Sammeltag für Ausländer"

 Am Samstag nun gilt es ernst: Alois Stocher ruft zum nationalen "Sammeltag für Ausländer" auf dem Bundesplatz in Bern auf. Ab 14.30 Uhr nimmt er "Ausländer aller Art und Abstammung" entgegen und verfrachtet diese in den bereitstehenden Container. Sein eindringlicher Appell an die Schweizerinnen und Schweizer: "Bringen Sie uns alle nicht mehr gewollten oder nicht mehr gebrauchten Ausländer." Wer den Ausländer lieber ausschaffen wolle, ohne dabei gesehen zu werden, könne ihn "ganz einfach und anonym in die dafür vorgesehene ‹Ausländer-Klappe› des Containers" werfen".

 Was bitterböse klingt, ist in Wirklichkeit - Satire. Und Alois Stocher die politisch unkorrekte Kunstfigur eines Zürcher Aktionskünstlers. Seinen Namen will der 34-Jährige nicht in der Zeitung lesen. "Noch nicht", wie er am Telefon sagt. Möglichst lange wolle er die Verunsicherung, die seine "Volksbefreiung" bei den Bürgern auslöse, aufrechterhalten. Denn nur so könne er deutlich machen, wie gefährlich die Ausschaffungsinitiative der SVP sei: "Wie schon bei der Minarettinitiative schürt die SVP massiv Ängste. Mit dem Bild des kriminellen Ausländers, welches das Bauchgefühl der Schweizer anspricht, will sie Rassismus in der Verfassung installieren."

 Auslöser der Aktion seien Plakate der SVP sowie die von der Partei betriebene Website Volksbefragung.ch gewesen, sagt der Künstler. Am meisten schockiert hätten ihn dort die "höchst ausländerfeindlichen" Äusserungen der Blog-User. Die bisherigen Reaktionen auf Alois Stocher seien "erschreckend": "Ganz viele Leute nehmen unsere Aktion ernst."

 Laut Marc Heeb, Leiter der städtischen Orts- und Gewerbepolizei, ist die Aktion des Künstlers bewilligt. Für den gleichen Tag sei zudem eine Bewilligung für den politischen Anlass "Nein zur Ausschaffungsinitiative" ausgestellt worden. Die Organisatoren hätten daraufhin entschieden, sich zusammenzuschliessen.

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Organisation zu Lösung der Ausländerfrage
http://olaf-schweiz.ch

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http://www.ausschaffungsinitiative-2xnein.ch/nationaler-aktionstag-2xnein-6-november-2010/

NATIONALER AKTIONSTAG 2xNEIN | 6. November

Das Komitee 2xNEIN ruft zum NATIONALEN AKTIONSTAG am 6. November auf! Stehen wir ein für das 2xNEIN und verschaffen ihm auf der Strasse kräftig, bunt und laut Gehör! Mach mit und besuche die Aktion in deiner Nähe. Detaillierte Informationen findest du hier.

Flyer:
http://www.ausschaffungsinitiative-2xnein.ch/blog/wp-content/uploads/2010/10/nationaler_aktionstag_web.jpg

Baden
Standaktion an der Badstrasse vor der Migrosbank von 9.00 bis 15.00 Uhr.
mit Ueli Leuenberger, Präsident Grüne Schweiz und Nationalrat | Yahya Hassan Bajwa, Grossrat Aargau und Delegierter European Greens | Geri Müller, Nationalrat.  Organisiert von den Grünen Aargau.

Basel
Strassentheater | Treffpunkt 13.00 Uhr | Barfüesserplatz.
Organisiert von der Juso und dem Regiokomitee Basel.

Bern
Bundesplatz Bern | ab 14.30 Uhr
Slam Poetry mit Renato Kaiser, Kilian Ziegler, Valerio Moser, Simon Chen
und Anton Meier | Konzerte mit Tsigan und Surprise Act
Info- und Platzaktionen: Schuhsammelstation für "das Schuhprojekt” | Videoecke | Projekt kreAktiv
dazu Suppe und Glühwein

MOTTO: BRING DEINE ALTEN SCHUHE MIT!
An der Schuhsammelstation werden deine alten Schuhe zum Kunstobjekt.
Organisert durch das Berner Komitee 2xNEIN.

Fribourg
Manif de rue pour le 2xNON | Départ devant le magasin Manor à 14h.
Organisé par le CCSI Fribourg et le comité 2xNON Fribourg

Frauenfeld | Kreuzlingen
Standaktion und Strassentheater. Ab 10.00 Uhr.
Organisert von der Juso TG

Genève [Flyer, 2543 KB]
http://www.ausschaffungsinitiative-2xnein.ch/wp-content/uploads/2010/10/flyer-2xnon.pdf
6 stands dans un peu toute la ville (place Grenus, Place du Molard, PLace de la Navigation, Marché aux puces, Marché de Rive, Marché de Carouge) de 10h à 16h et un rassemblement de 16h à 18h devant la poste du Mont Blanc, à la rue du même nom, juste en dessous de la gare. Organisé par Stopexclusion.

Lausanne [Flyer, 46KB]
http://www.ausschaffungsinitiative-2xnein.ch/wp-content/uploads/2010/10/tract_A5s...pdf
Manifestation | Départ: Place saint-françois à 16h45
Marche à travers la ville, pour terminer vers 18h à la Place Arlaud, où se trouve La
Fraternité. Dans cet espace, nous organisons un apéro anti-raciste. Dès 20h30: soirée à l'Espace auto-géré, et il y aura plusieurs concerts pendant toute la soirée. Organisé par le MLCR.

Luzern
Stand- und Platzaktion am Hauptbahnhof. 9.00Uhr - 12.00 Uhr
Organisiert vom Luzerner Komitee 2xNEIN

Schaffhausen
Überraschungsaktion. Organisiert von der AL Schaffhausen.

Solothurn
Stand- und Platzaktion in der Solothurner Innenstadt. ab 12.00 Uhr
Organisiert von den Jungen Grünen.

St.Gallen
Stand- und Platzaktion am Bärenplatz. Mit Etrit Hasler und anderen. Ab 13.00 Uhr
Organisert vom St.Galler Komitee 2xNEIN.

Zürich
Stand- und Platzaktionen | 9.30 Uhr bis 12.30 Uhr
Die Stände sind an folgenden Orten:
Bahnhofstr. / Rennweg / Oetenbachgasse
Bahnhofbrücke / Bahnhofquai, Brückenkopf ggü. "Coop”
Tessinerplatz
Utoplatz
Universitätsstr. 120
Marktplatz Oerlikon
Schmiede Wiedikon
Limmatplatz 7 (AL)
Seefeldstr. / Höschgasse
Scheffelstr.

Dazu: Lesung mit Charles Lewinsky, Stephan Pörtner, Petra Ivanov
ab 16.30h | Kunsthalle der "Stiftung Trudi Demut Otto Müller" | Güterbahnhof, Hohlstrasse 150, Zürich
Organisiert vom Zürcher Komitee 2xNEIN

Zug
Stand- und Platzaktion am Hauptbahnof von 9.00 Uhr bis 12.00 Uhr.
Organisert vom Zuger Komitee 2xNEIN.

Weitere Infos erhältst du bei den Regionalkomitees
http://www.ausschaffungsinitiative-2xnein.ch/werde-aktiv-regionalkomitees/

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WoZ 4.11.10

Gegen die Ausschaffungsinitiative

 Vom Umdrehen der Spiesse

 "Normalerweise provoziert die Volkspartei mit harschen Kampagnen ihre Gegner. Diese verhelfen der Partei mit ihren Reaktionen immer wieder zu Medienöffentlichkeit", schreibt das Netzwerk Kunst+Politik in einer Pressemitteilung. Und stellt fest: "Für einmal ist es um gekehrt: Mitglieder des SVP-Initiativkomitees reagieren entrüstet und offensichtlich nervös auf die Filme des Regisseurs Micha Lewinsky."

 Dreimal eine Minute Film gegen die Ausschaffungsinitiative haben genügt, um Exponenten der SVP in aller Öffentlichkeit in Rage zu versetzen: Der Walliser Nationalrat Oskar Freysinger bezeichnete die von Kunst+Politik initiierten Spots im "Kulturplatz" des Schweizer Fernsehens als "Schwachsinn", sein Zürcher Kollege Hans Fehr bezichtigte den Filmemacher der Verbreitung von Unwahrheiten.

 Mit ihren Äusserungen verhelfen Freysinger & Co. der Kampagne gegen die menschenrechtsfeindliche Initiative (und den nicht minder ausländerfeindlichen Gegenvorschlag) zu noch mehr medialer Beachtung. Die Spots "Vor die Tür!", die alle in einer Schulklasse spielen, zeigen in einfachen Dramaturgien die Folgen der Ungleichbehandlung von AusländerInnen und SchweizerInnen (siehe WOZ Nr. 42/10). Nachdem sie in einer Woche bereits über 100 000 Mal im Internet angeschaut wurden, kommt es nun im Kult.Kino Atelier in Basel zur Kinopremiere.

 Neben dem doppelten Nein der Delegierten der Sozialdemokratischen Partei zu Initiative und Gegenvorschlag ist der Zuspruch, den Lewinskys Kurzfilme in weiten Kreisen erfahren, ein weiteres positives Signal. Wo es um Grundrechte geht, haben wahlarithmetische und polittaktische Überlegungen nichts mehr verloren. adr

 "Vor die Tür" in: Basel Kult.Kino Atelier, Di,  9. November, 18 Uhr. Podium mit Jugendlichen, moderiert von Alfred Schlienger (NZZ).

 Die Spots "Vor die Tür!" anschauen und verlinken: http://www.vor-die-tuer.ch

 "Ausgeschafft!", eine Veranstaltung von Kunst+Politik, unter leibhaftiger oder anderweitiger Mitwirkung von Schweizer Künstlern, halbschlauen Literatinnen, möglicherweise Intellektuellen und waschechten Ausländern in: Zürich Theater Neumarkt, So, 14. November, 19 Uhr. Eintritt frei. http://www.kunst-und-politik.ch

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NZZ 4.11.10

Zürcher Praxis erfüllt Gegenvorschlag

 Bei Ausländern mit einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr prüft das Migrationsamt die Wegweisung

 Ausländischen Delinquenten, die zu einer Strafe von über einem Jahr verurteilt worden sind, droht im Kanton Zürich die Wegweisung. Manchmal genügen bereits kleinere Strafen.

 Dorothee Vögeli

 Gemäss Gegenvorschlag zur Ausschaffungsinitiative sollen ausländische Delinquenten, denen von Gesetzes wegen eine mindestens einjährige Freiheitsstrafe droht, ausgeschafft werden. Darunter fallen Sexual-, Drogen- und Gewaltdelikte. Bei solchen Straftaten fährt das Bundesgericht bereits heute eine harte Linie: Bei Freiheitsstrafen von über zwei Jahren stellt es das Bleiberecht in Frage, der Entzug der Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung ist auch bei einjährigen Freiheitsstrafen zugelassen. Nur ganz selten hebt es entsprechende Wegweisungsverfügungen des Zürcher Migrationsamts auf.

 600 Wegweisungen 2009

 Laut Sprecherin Bettina Dangel prüft das Migrationsamt bei allen Ausländern, die zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden sind, die Wegweisung. Letztes Jahr erhielten 113 straffällige Personen im Kanton Zürich eine Wegweisungsverfügung. Gesamtschweizerisch lag 2009 die Zahl der deswegen angeordneten Wegweisungen bei etwa 750.

 Der Anteil der Wegweisungen im Kanton Zürich, welche die Bedingungen des Gegenvorschlags erfüllen, macht allerdings nur einen kleinen Teil aller Wegweisungsverfügungen aus. Letztes Jahr widerrief das Migrationsamt in etwa 600 Fällen die Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung. Zu den Gründen für die Wegweisung von rund 490 Ausländern zählen etwa die Scheidung innerhalb von drei Jahren, Scheinehe, anhaltender Sozialhilfebezug und die "Erfüllung des Aufenthaltszwecks" wie Studienabschluss oder Beendigung einer Erwerbstätigkeit. Auch kleinere Strafen wie etwa die Verurteilung zu zwei Monaten bedingt wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand können zum Widerruf der Aufenthaltsbewilligung führen. Denn sobald mit einer schweren Gefährdung der öffentlichen Sicherheit zu rechnen ist, gilt die Bedingung einer längerfristigen Strafe nicht mehr, wie der Ausländer vertretende Zürcher Anwalt Bernhard Zollinger sagt.

 Eine Frage der Optik

 Darüber hinaus stütze das Bundesgericht auch in den meisten Fällen, bei denen die Wegweisung eine Trennung von der Familie nach sich ziehe, die kantonalen Behörden. Offiziell wiegten die Lausanner Richter zwar, wie vom europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verlangt, öffentliche sowie familiäre und private Interessen gegeneinander ab. Die Abwägung werde dem Einzelfall aber nur sehr selten gerecht. Auch bei weniger schwerwiegenden Fällen tendiere das Bundesgericht dazu, die öffentliche Sicherheit und Ordnung über das Grundrecht auf Schutz des Familienlebens zu stellen, fasst Zollinger seine Erfahrungen zusammen.

 Diese Kritik am angeblich von höchster Stelle praktizierten Automatismus bei Straftätern ist im Kreis der Zürcher Anwälte, die sich im Unterschied zu Zollinger auch politisch gegen Verschärfungen im Asyl- und Ausländerrecht engagieren, weit verbreitet. Ebenso ist man sich in der Einschätzung der Zürcher Praxis bei verurteilten Ausländern einig. Sie gilt als sehr hart, was auf der Homepage des Migrationsamts seit neustem überprüft werden kann: Die seit Anfang Oktober geltenden, internen Weisungen sind publiziert.

 Natürlich müssen die Gerichte bei Rekursen gegen Wegweisungen eine Einzelfallprüfung machen - eine solche verlangt auch der Gegenvorschlag, wie Ausländeranwalt Peter Nideröst einräumt. Dazu gehört die Berücksichtigung der Schwere des Verschuldens, des Integrationsgrads, der Anwesenheitsdauer und der persönlichen Situation. Laut Nideröst stützt das Verwaltungsgericht je nach Besetzung manchmal Beschwerden, insbesondere solche, die das Personenfreizügigkeitsabkommen betreffen.

 Beispiele aus der Praxis

 Als beispielhaft für die Zürcher Härte nennt Peter Nideröst folgenden Fall: Ein Drogenhändler wird zu siebeneinhalb Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Er ist von seiner schwer psychisch kranken Ehefrau geschieden und hat das alleinige Sorgerecht für seinen 16-jährigen Sohn. Dieser ist in der Schweiz geboren, hier zur Schule gegangen und hat das Bürgerrecht. Da der Vater weggewiesen wird, müsste der Sohn entweder allein hier bleiben oder ihm in ein gänzlich fremdes Land folgen. Der Fall ist beim Verwaltungsgericht hängig. Der Ausgang hängt davon ab, wie stark die Kinderrechtskonvention gewichtet wird.

 Gar keine Chance haben laut Peter Nideröst straffällige Secondos im Kanton Zürich, die nicht verheiratet sind, keine Familie und keine Kinder haben. Nur bei sehr langer Anwesenheit gebe es Ausnahmen. Auch andere Kantone seien hart. So hatte Nideröst einen inzwischen 40-jährigen Mandanten aus dem Kanton Thurgau, der als 15-Jähriger in die Schweiz gekommen war. Wegen Veruntreuung, Betrugs und Alimentenschulden wurde er zu einer Strafe von neun Monaten verurteilt und musste das Land verlassen. Denn eine Wegweisung lässt sich gemäss Ausländergesetz nicht nur mit einer längerfristigen Freiheitsstrafe, sondern auch mit verschiedenen kleineren Verstössen rechtfertigen.

 "Aussichtsloser Kampf"

 Caterina Nägeli ist eine Zürcher Anwältin, die in der linken Szene als bürgerlich gilt. Wie sie auf Anfrage sagte, hat sie seit dem Inkrafttreten des neuen Ausländergesetzes vor drei Jahren keine Fälle von straffälligen Migranten mehr angenommen. "Bereits vorher wurde bei Straftätern die Familiensituation ausgeblendet. Der immer gleiche, aussichtslose Kampf war frustrierend", begründet sie diesen Schritt. Unabhängig davon, ob ein Mandant mit B-Bewilligung verheiratet gewesen sei oder Kinder gehabt hätte, sei der böse Brief vom Migrationsamt umgehend gekommen, wenn eine Strafe von zwei Jahren zur Diskussion gestanden habe. Nur bei ganz speziellen Konstellationen, etwa wenn ein behindertes Kind mitbetroffen war, sei es zu Ausnahmen gekommen, hält Nägeli fest.

 So streng die Zürcher Wegweisungspraxis ist, so weit wie die Ausschaffungsinitiative geht sie trotzdem nicht. Gemäss dieser wird zum Beispiel ein Sozialhilfebezüger automatisch ausgewiesen, der einen Nebenverdienst unterschlagen hat. Gemäss heutiger Praxis ist dies nur im begründeten Wiederholungsfall möglich.

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presseportal.ch 4.11.10

Ausschaffungsgefängnis Wauwilermoos bezugsbereit

 Luzern (ots) - Nach einer intensiven Planungs- und Bauphase von rund neun Monaten können Anfangs November 2010 die Umbauarbeiten am neuen Ausschaffungsgefängnis in der Strafanstalt Wauwilermoos abgeschlossen werden.

 Wegen den anstehenden Sanierungen im bisherigen Ausschaffungsgefängnis Sursee und der im offenen Strafvollzug rückläufigen Belegung, hat der Regierungsrat des Kantons Luzern entschieden, die Ausschaffungshaft für den Kanton Luzern in die Strafanstalt Wauwilermoos zu verlegen.

 Für die Ausschaffungshaft wurde in der Strafanstalt Wauwilermoos ein bestehender Wohnpavillon so umgebaut, dass dieser den Ansprüchen des geschlossenen Vollzugs genügt. Dazu wurden die Fenster vergittert, der Eingang mit einer Zutrittsschleuse versehen, für die Bewegung im Freien ein Spazierhof erstellt und umfangreiche technische Anlagen zur Erhöhung der Sicherheit installiert.

 Das neue Ausschaffungsgefängnis verfügt über 14 Plätze in Doppelzellen. Für den offenen Strafvollzug verbleiben 58 Plätze, wobei die Zuteilung der Plätze zu den beiden Vollzugsformen ein Stück weit flexibel gehandhabt werden kann.

 Die Umbauarbeiten und die umfangreichen technischen Installationen haben Investitionen von rund Fr. 1 Mio. nötig gemacht, um den Standard für geschlossenen Freiheitsentzug zu erreichen. Die Inbetriebnahme wird in nächster Zeit erfolgen.

 ots Originaltext: Staatskanzlei Luzern Internet: www.presseportal.ch

 Kontakt: Auskunft erteilen (am 04.11.2010 von 08.00 bis 15.00 Uhr):

 Dr. Barbara E. Ludwig Leiterin der Dienststelle Militär, Zivilschutz und Justizvollzug Mobile: +41/79/711'13'57

 Andreas Naegeli Direktor der Strafanstalt Wauwilermoos Tel.: +41/41/984'24'44

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BÜRGERWEHR
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Tagesanzeiger 4.11.10

In Hüttikon patrouillieren bewaffnete Dorfbewohner

 Mit der Pistole am Gurt sorgen Freiwillige im kleinen Dorf für Ruhe und Ordnung. Dass private Gemeindesicherheitsdienste mit einer Waffe unterwegs sind, ist unüblich.

 Von Sarah Sidler

 Hüttikon - Die 700-Seelen-Gemeinde Hüttikon liegt idyllisch am Fusse des Altbergs. Doch der Schein trügt: Nach Einbruch der Dunkelheit machen dort bewaffnete Dorfbewohner Jagd auf Verbrecher: Uniformierte Mitglieder des Gemeindesicherheitsdiensts (GSD) sorgen in ihrer Gemeinde freiwillig für Ruhe und Ordnung.

 "Die Gefahr von Einbrüchen ist gross", sagt Markus Imhof, Gemeindepräsident und Sicherheitsvorstand (SVP). Und die Präsenz der Polizei am äussersten Zipfel des Kantons sei nicht besonders hoch. Mit Sicherheits- und Überwachungsmassnahmen soll der Gemeindesicherheitsdienst Verbrecher abschrecken. "Der GSD hat eine unterschwellige polizeiliche Funktion", sagt Imhof: Kommt der Patrouille eine Person verdächtig vor, kontrolliert sie diese. Die Mitglieder des Gemeindesicherheitsdienstes sind uniformiert und mit Pistolen ausgerüstet. Zum Einsatz gekommen sind diese aber noch nie: "Die Waffen sorgen für eine gewisse Sicherheit", sagt Imhof. Die Mitglieder des Gemeindesicherheitsdienstes wollen nicht Räuber und Poli spielen. "Sie sind sich ihrer Verantwortung bewusst." Imhof betont, dass die Polizei auf jeden Fall eingeschaltet würde, wenn sich ein Zwischenfall ergäbe.

 Unerlaubte Personenkontrolle

 Nur Schweizer Bürger mit einwandfreiem Leumund würden in den GSD aufgenommen. Derzeit werden zwei weitere Freiwillige gesucht für etwa zwei Patrouilleneinsätze pro Monat. Vor Dienstantritt müssen die Mitglieder einen Waffenschein erwerben. Und sie absolvieren viermal jährlich Schiesstrainings bei einer privaten Sicherheitsfirma.

 Gemäss Marcel Strebel, Chef der Informationsabteilung der Kantonspolizei Zürich, dürfen die Angehörigen des GSD Hüttikon bewaffnet patrouillieren, wenn sie eine Waffentragbewilligung des Statthalteramts besitzen und die Gemeinde sie zum Patrouillendienst ermächtigt hat. Personenkontrollen dürfen sie aber keine durchführen: "Bei Personenkontrollen handelt es sich um eine Art Zwangsmassnahme. Diese dürfen immer nur durch Angehörige der Polizei vorgenommen werden", sagt er. Zudem findet es Strebel unüblich, dass die Hüttiker Patrouillen bewaffnet unterwegs sind: "Die meisten privaten Sicherheitsdienste verüben ihre Aufgaben ohne Waffe." Peter Reinhard, Präsident des Verbands Kantonspolizei Zürich, bestätigt dies. Auch er findet das Vorgehen des Gemeindesicherheitsdienstes in Hüttikon nicht alltäglich: "Die meisten privaten Sicherheitsdienste sind unbewaffnet unterwegs." Sie sorgen allein durch Präsenz an neuralgischen Stellen für Ruhe und Ordnung im Dorf.

 Weniger Einbrüche

 Dass der GSD in Hüttikon nach neuen Mitgliedern sucht, erstaunt Reinhard: "Die Zahl der privaten GSD ist abnehmend, seitdem in den vergangenen Jahren die Gemeindepolizeiposten ausgebaut und die Zusammenarbeit mit der Kantonspolizei vertieft wurden." Gemäss Gemeindepräsident Imhof wird in Hüttikon trotz der Patrouillen eingebrochen, jedoch nicht mehr in "erschreckendem Ausmass". Die Anzahl der Einbrüche sei in der 15-jährigen Tätigkeit des GSD deutlich zurückgegangen.

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ANTI-ANTIKAPITALISMUS
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Weltwoche 4.11.10

Feinde der Gesellschaft

 Linke Politiker schiessen scharf auf "Reiche" und "Superreiche". Manager werden auf Brachial-Plakaten bis auf die Unterhosen ausgezogen. Der sozialdemokratische Amoklauf gegen die Wohlhabenden verkennt das Wesentliche: Die Schweiz verdankt gerade ihren Reichen sehr viel.

 Von Alex Reichmuth

 Die Jagd auf Reiche ist eröffnet. Es wird zum Halali auf Gutsituierte geblasen. Populistische Politiker, linke Ökonomen und ihnen zugewandte Journalisten erklären Vermögende zu Freiwild. Sie stellen Multimillionäre als Schmarotzer hin und deklarieren sie zu Feinden der Gesellschaft. "Dank automatisch sich vermehrendem Grossvermögen wächst ein Geldadel heran", warnte der Ökonom Hans Kissling. "Superreiche schaden der Wirtschaft", schrieb Philipp Löpfe vom Tages-Anzeiger. Das "Zeitalter der neuen Oligarchie" habe nun auch in der Schweiz begonnen. "Wilhelm Tell jedenfalls würde sich im Grabe umdrehen, wenn er heute diese superreichen Feudalherren in der Schweiz sähe", wird SP-Nationalrätin Margret Kiener Nellen in der NZZ zitiert.

 Jahrelang standen die "Abzocker" im Visier linker Politik - allen voran Manager, die Millionensaläre abholen. Die "Abzocker" mussten herhalten im Kampf für mehr Umverteilung und gegen die Sanierung der Sozialwerke. Ein Abzocker ist definitionsgemäss jemand, der sich zu Unrecht bereichert und damit anderen etwas wegnimmt. Im Vorfeld der Abstimmung über die Steuererhöhungs-Initiative der SP wird jetzt ein Gang zugelegt: Das Trommelfeuer gilt den Reichen per se. Statt massvoller Sozialdemokratie gibt es harten Sozialismus. Reiche sollen an allen möglichen gesellschaftlichen Problemen schuld sein: an sinkenden Reallöhnen, an hohen Immobilienpreisen, an den leeren Kassen der Sozialversicherungen. "Eigentlich", so die Botschaft dahinter, "müsste man diesen Geldsäcken all ihren Reichtum wegnehmen und ihn im Volk verteilen". Den Wohlhabenden wird das Messer an den Hals gesetzt. Man gibt sich aber konziliant: Falls sie ein Lösegeld in Form von höheren Steuern entrichten, lässt man sie am Leben - zumindest vorläufig. Die Steuerinitiative, die schweizweit verbindliche Mindeststeuersätze für Wohlhabende und Gutverdienende fordert, soll in diesem Licht als gemässigt erscheinen. "Für einmal kommt eine Volksinitiative moderat und realitätsbezogen daher", kommentierte Rudolf Strahm, ehemaliger Preisüberwacher und Ex-Nationalrat der SP. Als Zeichen eines "intakten Gerechtigkeitsempfindens" wertete die Basler Zeitung die derzeit hohe Zustimmung zur Steuerinitiative.

 Pünktlich einen Monat vor der Entscheidung über die Initiative publizierte der Basler Soziologie-Professor Ueli Mäder sein Buch "Wie Reiche denken und lenken" (Seite 42). Der ehemalige baselstädtische Parlamentarier einer Links-aussen-Partei nutzte die ihm gewährte mediale Plattform geschickt, um seine altbekannten sozialistischen Botschaften zu platzieren. "Die Reichen haben den Reichtum nicht selbst erwirtschaftet", dozierte er. "Andere haben viel dazu beigetragen." Mäder ortete "hohen Handlungsbedarf": Man könne sich diesen "einseitig angeeigneten Reichtum", der die Gesellschaft auseinanderdriften lasse, nicht mehr erlauben.

 Mäder und seine politischen Mitstreiter argumentieren jeweils mit einer Schere, die aufgehe, und dem "sozialen Frieden", der dadurch gefährdet sei: Die Reichen würden immer reicher, die Armen immer ärmer. Es wird beklagt, dass die hundert Reichsten der Schweiz ihr Geld in den letzten zwanzig Jahren verfünffacht hätten. Und dass wenige Prozent der Bevölkerung mit 48 Prozent einen Grossteil des Vermögens besässen.

 Reichtum kann vermehrt werden

 Stimmt es, dass das Vermögen, wie behauptet, immer ungleicher verteilt ist? Zeigen sich die Wohlhabenden tatsächlich unsolidarisch? Schaden die Reichen der Wirtschaft und der Gesellschaft?

 Hinter radikalen Umverteilungsforderungen, wie sie nun wieder erhoben werden, steht das falsche Bild, dass das Volksvermögen eine fixe, unveränderliche Grösse habe. Daraus folgt, dass jedem, der überdurchschnittlich viel besitzt, ein anderer gegenüberstehen muss, der entsprechend weniger hat. Reichtum ist somit per se ungerecht. Übergangen wird dabei, dass Reichtum in einer funktionierenden Wettbewerbsgesellschaft geschaffen und vermehrt werden kann, ohne dass irgendjemandem etwas weggenommen wird.

 Über 210 000 Millionäre

 Die Behauptung, die Reichsten besässen einen immer höheren Anteil des Vermögens, ist falsch, wenn man auf die letzten hundert Jahre zurückschaut. Dies zeigen die Zeitreihen des Berner Ökonomen Reto Föllmi (Grafik 1). Richtig ist zwar, dass der Vermögensanteil der Reichsten seit Anfang der achtziger Jahre gestiegen ist. Blickt man aber weiter zurück, ist der heutige Anteil nicht aussergewöhnlich. Das reichste Prozent der Bevölkerung besass oft einen deutlich höheren Anteil des Vermögens. 1913 waren es 45 Prozent, 2006 hingegen nur 38 Prozent. Das reichste Promille der Bevölkerung besitzt heute zwar einen etwas höheren Anteil als in den letzten hundert Jahren. Dieser fällt mit etwa 20 Prozent aber keineswegs aus dem Rahmen.

 Richtig ist, dass die Schweiz die höchste Millionärsdichte weltweit nach Singapur und Hongkong hat. Über 210 000 Millionäre leben in unserem Land. Ein Problem ist das aber nicht. Die Schweiz kann sich im Gegenteil glücklich schätzen über so viel Reichtum - aus sechs Gründen:

 1 Die Steuern

 Der Staat werde mehrheitlich von Unternehmen und einer kleinen Minderheit der Privatpersonen finanziert, lautete 2007 das Fazit einer Studie des Wirtschaftsdachverbandes Economiesuisse. Die bestverdienenden 20 Prozent der Bevölkerung tragen fast gleich viel zu den öffentlichen Haushalten und Sozialversicherungen bei wie die übrigen 80 Prozent. Die Zahlen der Steuerverwaltungen zeigen, dass das bestverdienende Viertel der Bevölkerung 84 Prozent der direkten Bundessteuer bezahlt. Bei der Vermögenssteuer in den Kantonen stammen 89 Prozent der Einnahmen von den reichsten 10 Prozent der Bevölkerung (Personen mit Vermögen über 500 000 Franken). Unter den Reichen tragen die sogenannt Superreichen eine besonders hohe Steuerlast: Wie die Bilanz vor zwei Jahren ermittelte, bezahlte zum Beispiel der Industrielle Thomas Schmidheiny im Steuerjahr 2007 insgesamt 77 Millionen Franken, der Unternehmer Thomas Straumann 20 Millionen und der Unternehmer André Kudelski 15 Millionen. Aus Sicht der Steuerämter ist eine möglichst ungleiche Verteilung von Einkommen und Vermögen sogar positiv: Wegen der Progression fallen dadurch die Steuereinnahmen höher aus.

 Die Reichen entziehen sich keinesfalls immer mehr ihrer überdurchschnittlichen Verpflichtung der Gesellschaft gegenüber, wie linke Politiker behaupten: 2007 zeigte eine Studie des Bundes, dass das Viertel der Steuerzahler mit den höchsten Einkommen 2004 durchschnittlich 27,8 Prozent des Einkommens in Form von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen ablieferte. Sechs Jahre vorher waren es erst 25,9 Prozent gewesen. Falsch ist auch, dass der Steuerwettbewerb zwischen Kantonen und Gemeinden ruinös wirkt: Zwischen 1990 und 2008 sind die Einkommenssteuern in der Schweiz um 73 Prozent gestiegen, was über dem Wachstum des Bruttoinlandprodukts liegt (Grafik 2). Die Vermögenssteuern haben sich sogar auf das Zweieinhalbfache erhöht. Die Steigerungen waren möglich, obwohl viele Kantone gleichzeitig die Steuersätze massiv gesenkt haben.

 Was aber passiert, wenn die Reichen vertrieben werden, musste der Kanton Baselland in den siebziger Jahren schmerzlich erfahren. Das Baselbieter Stimmvolk erhöhte 1972 auf Initiative der SP die Steuern für Gutverdienende drastisch. Ein Jahr später nahm der Kanton 10 Millionen Franken weniger Einkommenssteuern ein. Das steuerbare Vermögen war innert Jahresfrist wegen Abwanderung von 846 Millionen auf 477 Millionen gesunken. Baselland kam rasch wieder von seiner Reichtumssteuer weg.

 2 Das Kapital

 Philipp Löpfe schrieb vor einigen Tagen auf der Onlineplattform des Tages-Anzeigers, die Superreichen würden so viel Geld horten, dass sie es nicht schafften, es wieder auszugeben. Damit entzögen sie dem Wirtschaftskreislauf Geld und schadeten so der Wirtschaft. Löpfe suggerierte damit, in den Schlafzimmern der Reichen würden sich Geldkoffer stapeln. Tatsächlich ist ihr Vermögen aber zum allergrössten Teil im Wirtschaftskreislauf investiert. Viele Reiche sind Unternehmer, die es aus eigener Leistung zu viel Wohlstand geschafft haben - zum Beispiel der hundertjährige Auto- und Softwarehändler Walter Haefner. Ihr Geld steckt zum grossen Teil in der eigenen Firma und ermöglicht so Arbeitsplätze. Aber auch Reiche ohne eigene Firma haben ihr Vermögen vorwiegend in Wertpapieren und Beteiligungen angelegt - nur so wirft es etwas ab.

 Kapital, das zur Verfügung gestellt wird, ist eine der tragenden Voraussetzungen unseres Wirtschaftssystems. Nur wenn genügend Geld bereitsteht, um wirtschaftliche Wagnisse einzugehen, sind Innovation und Fortschritt möglich und entstehen Arbeitsplätze. Risikokapital muss von Leuten (und Unternehmen) kommen, die den Verlust dieses Kapitals notfalls verkraften können. Wer kaum etwas hat, kann sich keine Experimente leisten. Die Anhäufung von Vermögen ist somit zwingend. Eine Gesellschaft, die zu viel Geld für den Konsum ausgibt, aber zu wenig spart, gerät in massive Probleme - wie das Beispiel der USA zeigt.

 Der berühmte Ökonom Friedrich von Hayek stellte 1952 fest, dass Reichtum die Voraussetzung für die Entwicklung von Technik in der westlichen Welt gewesen sei. Er schrieb: "Kann ein ernster Zweifel darüber bestehen, dass wir nicht annähernd so weit wären, wenn irgendeine Weltbehörde eine gleichmässige Verteilung der Einkommen erzwungen hätte?" Der wirtschaftliche Fortschritt sei vielmehr dadurch möglich geworden, "dass die kostspielige Periode der Experimentation zunächst von einer kleinen privilegierten Schicht bestritten wurde".

 Laut dem World Economic Forum ist die Schweiz das wettbewerbsfähigste Land der Welt. Der Reichtum hierzulande ist eine Voraussetzung dafür.

 3 Der Konsum

 Leute mit hohem Einkommen geben weit mehr aus als Leute mit tiefem Einkommen. Ein Indikator dafür ist die Mehrwertsteuer, die (einigermassen) proportional zum Konsum anfällt. Diejenigen 20 Prozent der Haushalte mit dem höchsten Einkommen leisten etwa viermal mehr Mehrwertsteuer als die 20 Prozent mit dem tiefsten Einkommen - ihr Konsum ist also viermal höher. Damit ermöglichen Reiche Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze. Man kann zwar argumentieren, dass der Konsum der gesamten Bevölkerung wohl höher wäre, wenn Vermögen und Einkommen gleichmässiger verteilt wären. Allerdings liegt dieser Überlegung wiederum die falsche Annahme zugrunde, dass Volkseinkommen und Volksvermögen beschränkt sind. Wird der Reichtum vermehrt - durch höhere Leistung der einheimischen Bevölkerung oder durch Zuzug von Wohlhabenden -, steigt auch der Konsum insgesamt.

 Reiche geben aber nicht nur mehr Geld aus. Sie geben es auch anders aus. "Reichere Leute konsumieren mehr innovative Produkte, die am Anfang ihres Produktezyklus stehen", stellt der Berner Ökonomieprofessor Reto Föllmi fest. Nur wer genügend Geld hat, kann sich das modernste Handy, das neueste Auto oder die trendigste Mode leisten. Das Konsumverhalten der Reichen fördert Innovation also speziell, was letztlich wiederum der ganzen Volkswirtschaft nützt.

 4 Die Mäzene

 Viele Reiche geben Geld für wohltätige und gemeinnützige Zwecke aus. Der vor einigen Tagen verstorbene Unternehmer Branco Weiss spendete vor sechs Jahren der ETH Zürich 23 Millionen Franken für ein neues Wissenschaftszentrum für Informationstechnologien (siehe auch Seite 30). Bern konnte 2005 dank privater Finanzierung das 125 Millionen teure Zentrum Paul Klee eröffnen. In Basel wurde im letzten März bekannt, dass die Basler Mäzenin Maja Oeri 50 Millionen Franken für die Erweiterung des Basler Kunstmuseums spendet. Allgemein dürften Reiche überproportional an den 1,3 bis 1,6 Milliarden Franken beteiligt sein, die in der Schweiz jedes Jahr von Privatpersonen für wohltätige Zwecke gespendet werden.

 Ein Indikator für das Mäzenatentum Wohlhabender sind Stiftungen. Im eidgenössischen Handelsregister waren Ende 2009 über 12 000 gemeinnützige Stiftungen eingetragen. Ihr totales Kapital betrug zwischen 40 und 80 Milliarden Franken. Das Centrum für Philanthropie und Stiftungswesen der Universität Basel schätzt die Fördersumme, die jedes Jahr von diesen Stiftungen ausgeschüttet wird, auf 1 bis 1,5 Milliarden Franken. Die Zahl der Stiftungen nimmt immer schneller zu: Heute entstehen jährlich etwa 400 neue Stiftungen - doppelt so viele wie vor zwanzig Jahren.

 5 Die Perspektive für Randregionen

 Kantone und Kommunen, die abseits der grossen Zentren liegen und höchstens schöne Wohnlagen zu bieten haben, erhalten dank dem Steuerwettbewerb neue Chancen. Mit tiefen Steuersätzen können sie fehlende Zentrumsleistungen und weite Arbeitswege ausgleichen. So schafft es zum Beispiel der bergige Kanton Obwalden mit einigem Erfolg, Gutverdienende und Vermögende anzuziehen. Kann ein Kanton besonders viele Reiche anlocken (zum Beispiel wohlhabende Ausländer), profitiert davon wegen des Finanzausgleichs die ganze Schweiz. So bezahlt der Kanton Zug als ausgesprochenes Steuerparadies im kommenden Jahr voraussichtlich 2230 Franken pro Einwohner in den Finanzausgleich.

 6 Ausserordentliche Leistungen

 In einer intakten Wettbewerbsgesellschaft besteht die Chance für viele, dank Einsatz, Geschick und Glück unermesslich reich zu werden. Das spornt zu ausserordentlichen Leistungen an: Kaum ein Unternehmer wird jahrzehntelang seine ganze Zeit und sein ganzes Geld in die eigene Firma stecken, wenn er nicht die Aussicht auf Wohlstand und Reichtum für sich, seine Familie und seine Nachkommen hat.

 Eine Gesellschaft, die sich wirtschaftlich und kulturell weiterentwickeln will, ist aber auf ausserordentliche Anstrengungen Einzelner angewiesen. Werden die Erfolgreichen und Gutverdienenden unisono als Abzocker beschimpft und finanziell bestraft, schwindet jedoch ihr Elan und ihre Motivation - zum Schaden der ganzen Gesellschaft.

 Laut Boris Zürcher, Chefökonom von Avenir Suisse, weist die Schweiz im internationalen Vergleich eine relativ hohe Einkommensmobilität auf. Das bedeutet, dass das Einkommen des Einzelnen vergleichsweise stark von der eigenen Bildung und Leistung abhängt und weniger von der familiären Herkunft. Mit anderen Worten: In der Schweiz kann man auf einen grünen Zweig kommen, wenn man sich anstrengt. "In einer Gesellschaft, die dem Einzelnen den Aufstieg ermöglicht, kann auch mehr Verteilungsungleichheit akzeptiert werden", stellt Zürcher fest.

 Gerecht, aber arm

 Oft wird beklagt, der Zuzug von Reichen lasse die Immobilienpreise übermässig steigen, was den durchschnittlich Verdienenden immer mehr aufs Portemonnaie drücke. Für einige Standorte, namentlich am Zürichsee, in der Innerschweiz und am Genfersee, mag es zutreffen, dass Wohneigentum für Normalverdiener kaum mehr erschwinglich ist. Allgemein stiegen die Immobilienpreise in der Schweiz in den letzten Jahren aber weniger stark als in den meisten anderen Industriestaaten - trotz der hohen Millionärsdichte.

 Selbst wenn der Zuzug von Reichen ein Stück weit an steigenden Immobilienpreisen in der Schweiz schuld sein sollte, überwiegt der gesellschaftliche Nutzen von Vermögenden immer noch stark. Wer Reichtum prinzipiell als Problem erachtet und darum bekämpft, sägt letztlich am Ast, auf dem der Wohlstand dieses Landes wesentlich beruht. Der Kreuzzug gegen Reiche hat sich zwar mehr "Gerechtigkeit" auf die Fahnen geschrieben. Ob eine Gesellschaft aber gerecht ist, in der alle gleicher und ärmer sind, sei dahingestellt.

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Kampagnen

 "Linker Alltagsstress"

 Der Soziologe Ueli Mäder prangert die Reichen an. Wie kommt der staatlich besoldete Professor dazu?

 Von Daniel Glaus

 Das Buch ist ein Kassenschlager: "Wie Reiche denken und lenken" wurde in den ersten zwei Tagen 3000-mal verkauft, kürzlich ging die zweite Auflage in den Druck. Der Basler Soziologe und Psychologe Ueli Mäder scheint einen Nerv getroffen zu haben.

 In seiner Studie, erschienen beim linksgerichteten Rotpunkt-Verlag, schreibt er, die Schweiz habe die dritthöchste Milliardärsdichte der Welt. Drei Prozent der Bevölkerung versteuerten gleich viel Vermögen wie die restlichen 97 Prozent. Für Mäder ist klar: Die "Schere zwischen Arm und Reich ist massiv aufgegangen". Er beschreibt, wie "die Reichen" - für ihn Personen mit einem Vermögen von über 30 Millionen Franken - sich "abschotten" mit eigenen Privatschulen, Läden und Skipisten. In einem Interviewteil kommen 34 Reiche zu Wort. "Ich habe noch selten so viel Negatives über Reiche gehört wie in den Gesprächen mit Reichen", sagt Mäder im Tonfall des einfühlsamen Seelsorgers. Sein Befund ist drastisch: "Wir kommen weg vom meritokratischen Leistungsprinzip und bewegen uns Richtung Oligarchie und Feudalismus." Wer ist der Mann? Wie kam er zu solchen Einschätzungen?

 Der 59-jährige Professor der Universität Basel hat sich mit "Armutsstudien" einen Namen gemacht. Er gilt als Experte für "soziale Ungleichheiten", Verdingkinder und Gewalt. Allesamt Themen, die Mäder aus einer bewegten Vergangenheit mitbekommen hat: Der Sohn einer Aushilfsverkäuferin und eines Fabrikmetzgers ist geprägt von 1968. Nach der Wirtschaftsmatur studierte er Soziologie, Psychologie und Philosophie, arbeitete als Geschäftsführer einer Entwicklungsorganisation und spielte in der Nationalliga A Handball.

 Keine "sanfte Tour"

 Mit gut dreissig schrieb er das autobiografische Buch "Sepp. Ein Männerbericht". Sepp führt zwar ein alternatives Leben - er arbeitet halbtags als Sekretär bei einer Organisation für Entwicklungsfragen und kümmert sich in der übrigen Zeit um Haushalt und Kinder. Aber mit seinem Leistungszwang gleicht er eher einem Manager als einem Aussteiger. Sepp eilt von Sitzung zu Sitzung, von Vortrag zu Vortrag und an politische Versammlungen. Während er Kinder hütet, schreibt er Artikel, seiner Frau drückt er die Türklinke in die Hand. Von "Musse und Vergnügen" träume Sepp zwar, hiess es 1983 in der Rezension der Basler Zeitung, doch "im linken Alltagsstress verkommen diese Ideale zu Worthülsen".

 Der unermüdliche, bisweilen von missionarischem Eifer getriebene Mäder schaffte es ins Kantonsparlament: Für die Progressiven Organisationen Basel (POB) sass er im Grossen Rat. Als die POB aufgelöst wurden, war Mäder Gründungsmitglied von "Basels starker Alternative", kurz "Basta!". Politik am linken Rand.

 Der Soziologe und Linksparlamentarier avancierte zum "Experten": Im "Fest-Spezial" der Schweizer Woche äusserte er sich Mitte der neunziger Jahre etwa zum Thema "Schweizer sind keine ‹Festmuffel›". "Der Calvinismus steckt uns tief in den Knochen. Wir haben Mühe mit Formen von Glückseligkeit. Die jungen Leute haben es da einfacher. Es fällt ihnen leichter, spontan lustig und fröhlich zu sein. Sie haben noch nicht den biederen, bitteren Ernst von uns Erwachsenen", sagte er. Zur Jugendgewalt meinte Mäder 1997 in der Schweizer Familie: "Kinder, die geschlagen wurden, schlagen später zurück. Deshalb gilt die Familie als Keimzelle der Gewalt."

 Im Grossen Rat unterstützte er die Forderung einer "Gewaltsteuer für alle Männer". Die Frauenliste Basel forderte 1997 eine solche Zusatzsteuer, um eine Studie zur "Kostenfolge von Gewalttaten für das Gemeinwesen aus einer geschlechterdifferenzierten Optik" zu finanzieren. Der Vorstoss kam nicht durch. Mäder in der BaZ: "Mir geht es gegen den Strich, mir lange zu überlegen, wie ich es diplomatisch am besten anstelle, die Auseinandersetzung mit der Gewaltproblematik den Männern schmackhaft zu machen. Gerade in einem so tabuisierten Themenbereich führt uns die ‹sanfte Tour› alleine nicht weiter."

 Die "sanfte Tour" ist auch heute nicht Mäders Masche. Reichtum sieht er als etwas Problematisches an. Man bekommt den Eindruck, dass es dem Mittelstand und "den Armen" besser ginge, wenn man den Reichen nur mehr wegnehmen würde. Auf Anfrage relativiert Mäder: "Natürlich haben Armut und Reichtum viel miteinander zu tun. Aber nicht als Nullsummenspiel. Wenn jemand reich ist, dann ist deswegen nicht automatisch eine andere Person arm. Aber bei uns profitieren viele Reiche davon, dass andere so wenig verdienen." Bei der Verteilung hapere es. "Die einen haben zu viel, andere zu wenig. Das bringt Leid mit sich. Auch Spannungen. Wenn der Reichtum besser verteilt wäre, gäbe es in vielen Familien weniger Stress." Mäders Konzept: "Ich würde zuerst die unteren Löhne anheben und allen Jugendlichen eine Ausbildung ermöglichen." Mäders Streitschrift liefert geistige Munition für die linke Steuerinitiative, mit der Besserverdiener geschröpft werden sollen.

 Ueli Mäder: Wie Reiche denken und lenken. Rotpunktverlag. 448 S., Fr. 38.

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Editorial

 Linke Professoren

 Die schludrige SP-Propaganda des Basler Soziologen Ueli Mäder. Und: Warum die Schweiz wirklich reich wurde.

 Von Roger Köppel

 Wie falsch und schludrig dürfen staatlich besoldete Hochschulprofessoren forschen? Wie viel linke Ideologie kann unter dem Deckmantel der Wissenschaft verbreitet werden? Unter grossem Jubel, vom Tages- Anzeiger bis zur NZZ am Sonntag, von der Basler Zeitung bis zum Berner Bund, trägt der Basler Soziologieprofessor Ueli Mäder, ehemals Kommunist, derzeit seine jüngsten Studien zum verderblichen Einfluss der Schweizer Reichen vor. Auf seinem Triumphzug durch die Zeitungen bleiben ihm kritische Fragen erspart, und selbst wenn er offenherzig zugibt, seine mit Steuergeldern finanzierte Arbeit diene der Unterstützung der SP-Initiative zur Vertreibung der Wohlhabenden, schlägt ihm nicht Skepsis, sondern Freundlichkeit entgegen. Stellen wir uns nur für einen Moment vor, was mit einem Soziologen passierte, der eine Studie über Ausländerkriminalität herausbringen und vor Reportern Sympathien für die aktuelle Ausschaffungsinitiative der SVP enthüllen würde. Der Mann, den es bezeichnenderweise nicht gibt, würde von einem Tsunami der Empörung aus dem Amt gefegt. Rechte Neigungen kommen akademischem Selbstmord gleich.

 Mäders Thesen sind eine Mischung aus Statistiken, Interviews und linkem Stammtisch: Der Wohlstand der Schweiz ist für den Soziologen nicht die Frucht von harter Arbeit, unternehmerischem Pioniergeist und einem Staatsaufbau, der Eigenverantwortung und Freiheit fordert. Mäder sieht die Schweiz vielmehr als Parasitenstaat, der seinen Reichtum mit mafiosen Methoden zusammenräuberte: Am Anfang waren die Söldner, die im Ausland Beute machten. Dann kamen die patrizischen Oberschichten, die ihr Geld auf Kosten ihrer Untertanen rafften. Die Industrialisierung brachte den Unternehmern Geld dank Kinderarbeit und Sklavenhandel. Im 20. Jahrhundert profitierte die Schweiz von zwei Weltkriegen, den Nazis, der Apartheid, den gehorteten Milliarden ausländischer Tyrannen und der wilden Gier kranker Spekulanten, die von der eidgenössischen Finanzaufsicht gedeckt werden. Ehrliche Unternehmer kommen bei Mäder kaum vor, dafür liegt die Macht heute in den Händen einer Oligarchie der Erben in einer Schweiz am Rande des Feudalismus. Dass die düstere Aufzählung lediglich in die Forderung nach höheren Steuern mündet, überrascht, Mäder hätte konsequenterweise für Enteignung plädieren müssen.

 Was ist die Theorie wert? Nicht viel. Das zeigt sich an den Details. Die grossräumigen Deutungen sind gespickt mit Faktenfehlern. Auf Seite 44 beschreibt Mäder den Aufstieg des Industriellen Christoph Blocher: "Der Pfarrersohn, der vor seinem Betriebswirtschaftsstudium eine Ausbildung zum Landwirt gemacht hatte . . ." Falsch: Blocher studierte nicht Wirtschaft, sondern Recht. In einem anderen Kapitel wird der Werdegang des früheren CEO der UBS, Marcel Rohner, dargestellt. Seite 105: "Bekannt sind auch Urs Rohner, Präsident der Credit Suisse, sowie Marcel Rohner, ehemaliger Konzernchef der UBS und heute CEO der Uhrenfirma IWC." Wieder falsch: Nicht Marcel Rohner, sondern Georges Kern heisst der Chef der Luxusmarke aus Schaffhausen. Schliesslich kommt Mäder auch auf die Weltwoche zu sprechen und den Verfasser dieser Zeilen. Auf Seite 158 heisst es: "Bei der Weltwoche hat das finanzielle Engagement des rechtskonservativen Christoph Blocher die entsprechende Ideologisierung verstärkt." Nochmals falsch: Blocher ist mit keinem Rappen an der Weltwoche beteiligt. Das Blatt ist im Alleinbesitz des Chefredaktors, dessen unternehmerische Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit der Staatsangestellte Mäder mit Unwahrheiten diskreditieren möchte. Wie schludrig darf ein Professor forschen? Wie blind sind unsere Bildungsbehörden auf ihrem linken Auge, wenn das Fach Soziologie zum Instrument politischer Agitation unter dem Deckmantel der Wissenschaft verkommt?

 Den am Thema wirklich Interessierten sei der grosse Klassiker der Schweizer Reichtumsforschung zur Lektüre empfohlen: "Das heimliche Imperium" des früheren Weltwoche-Leitartiklers Lorenz Stucki liefert kein unkritisches, aber ein realistischeres Bild der Wohlstandsentwicklung in diesem Land. Für Stucki waren abenteuerlustige Pioniere, puritanisch veranlagte Schwerarbeiter für den Aufstieg verantwortlich. Leute, die den Mut besassen, ihre Existenz aufs Spiel zu setzen für unternehmerischen Erfolg. Zwischen der Französischen Revolution und dem Ersten Weltkrieg wurden die Grundlagen geschaffen für ein "heimliches Imperium", in dem Stucki vor allem eine Kraft am Wirken sah: "Den Perfektionismus, die Zähigkeit, den oft bis zur Sturheit getriebenen Willen, es nicht beim halbbatzigen, nicht einmal beim Fünfundneunzigprozentigen bewenden zu lassen, diesen Willen, ohne den es keine Spitzenqualität gibt." Die Schweiz wurde erfolgreich durch die Not, aus kargen Lebensumständen das Beste herauszuholen im Sinne einer einzigartigen Nischenpolitik.

 Neben Tüchtigkeit und Fleiss ermöglichte eine an Geiz grenzende Sparsamkeit die für den industriellen Aufschwung nötige Kapitalbildung. Die Schweiz verfuhr nach dem Prinzip der Verlässlichkeit und der perfekten Dienstleistung, die nichts so sehr illustriert wie die Karriere des Walliser Oberkellners Cäsar Ritz, der zum Stammvater der modernen Luxushotellerie avancierte. Wer Stuckis Studie liest, gewinnt das Bild eines Landes, das wie eine hervorragende Privatbank funktionierte: diskret im Aussenauftritt, peinlich bedacht, kein Aufsehen zu erregen, weltoffen und bauernschlau, wenn es um die Schaffung von Reichtümern ging. Interessanterweise kommt der Staat bei Stucki nur insofern vor, als er sich aus den Angelegenheiten der Bürger weitgehend heraushielt, um sich auf seine Kernfunktionen zu beschränken. Gerade dadurch schuf er die Voraussetzungen für politische, religiöse und unternehmerische Freiheiten, die "gewaltige schöpferische Kräfte freisetzten", die dann schrittweise zurückgefahren wurden. Der Glaube an den Staat habe, so Stucki 1968, den Glauben "an die unbegrenzte Freiheit der Leistung" ersetzt.

 Wer meint, die Schweiz werde dadurch reicher, dass man die Reichen durch höhere Steuern ärmer macht, muss Stucki lesen. Der brillante Autor hätte die SP-Initiative fulminant zerlegt.

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G20 SÜDKOREA
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Telepolis 29.10.10

Ex-Soldaten drohen mit militanten Protesten

Matthias Monroy 29.10.2010

Verrückte Welt in Südkorea: Der anstehende G20-Gipfel wird ein neues Superlativ mit noch mehr Polizei und militanten Demonstrationen
Pensionierte Soldaten wollen angeblich Tanker und Tanklaster in Brand setzen, um für höhere Pensionen zu kämpfen. 50.000 Polizisten und noch mehr Soldaten sollen jetzt mobilisiert werden. Südkorea folgt den auch in Westeuropa üblich gewordenen Standards bei Gipfelprotesten: Gesetzesänderungen, weiträumige Absperrungen, Datentausch und Reisesperren für Demonstranten.

(...)

Kriminalisierung von Protest

Die Europäische Union betreibt mit "EU-SEC II" ein Forschungsprogramm zu vorsorglichen Maßnahmen gegen Gipfelproteste. Ein daraus entstandenes Handbuch rät, hohe Festnahmequoten zu erzielen, die Informationshoheit in Massenmedien nicht zu verlieren sowie vor und nach Protesten Daten zu tauschen.

(...)

Mehr: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/33/33559/1.html

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http://www.statewatch.org/news/2007/jan/eu-sec-handbook-int-events.pdf

NOTE
from : Presidency
to : Police Cooperation Working Party
No. prev. doc. : 12798/06 ENFOPOL 153
5744/1/04 REV 1 ENFOPOL 14
12637/3/02 REV 3 ENFOPOL 123
Subject: Security handbook for the use of police authorities and services at international
events

Introduction
1. The current document sets out a proposal for a security handbook for the use of police
authorities and services at international events, which integrates the 2001 Security Handbook
for the use of police authorities and services at international events such as meetings of the
European Council and the 2004 Handbook for the cooperation between MS to avoid terrorist
acts at the Olympic Games and comparable sporting events. The "football handbook", a
revised version of which was approved by the Council on 4-5 December 2006 has not been
integrated.

Mehr: http://www.statewatch.org/news/2007/jan/eu-sec-handbook-int-events.pdf

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ANTI-ATOM
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20 Minuten 4.11.10

AKW-Befürworter ziehen in den Abstimmungskampf

 BERN. Mit einer höchst umstrittenen Aussage ziehen die Gegner der Atomausstiegsinitiative EnergieWendeBern in den Abstimmungskampf: Bei einem Ja würden sich die Strompreise verdoppeln, behauptet ein Komitee aus Vertretern der FDP, SVP und Wirtschaftsverbänden auf Flyern und Plakaten. Das Stadtberner Stimmvolk entscheidet am 28. November, ob es ab 2030 oder 2039 vollständig auf Atomstrom verzichten will.

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BZ 4.11.10

Energiewende

 Die Gegner werben für Doppel-Nein

 Für die Gegner der Initiative "Energiewende Bern" ist der völlige Verzicht auf Atomstrom in den nächsten 30 Jahren "ein Ding der Unmöglichkeit". Werde der Ausstieg erzwungen, drohe eine happige Erhöhung des Strompreises.

 Ab 2031 soll die Stadt Bern gänzlich ohne Atomstrom auskommen. Das wollen die rot-grünen Initianten der "Energiewende Bern" gesetzlich festschreiben. Etwas mehr Zeit - bis 2039 - will sich der Gemeinderat mit dem Ausstieg aus der Kernenergie lassen. Sein Gegenvorschlag deckt sich mit der Strategie der stadteigenen Energieversorgerin Energie Wasser Bern (EWB).

 Für ein Nein zu beiden Ausstiegsvarianten kämpft ein bürgerliches Komitee, das gestern seine Argumente präsentierte. Die Gegner aus FDP, SVP, BDP und allen Berner Wirtschaftsverbänden argumentieren hauptsächlich damit, dass ein erzwungener Wechsel von Atomstrom zu erneuerbaren Energien zu einer happigen Erhöhung des Strompreises führen würde. Dieser würde sich verdoppeln, behaupten die Gegner.

 Als Grundlage für seine Berechnungen nahm das Komitee eine von Kernkraftgegnern in Auftrag gegebene Studie für die gesamte Schweiz sowie Aussagen von EWB-Chef Daniel Schafer. Eine rein bernische Studie gebe es nicht, räumte Stadtrat Bernhard Eicher (JF) ein. Aber: "Wir haben tonnenweise Indizien, dass sich der Strompreis massiv erhöhen wird." Das sei auch logisch, argumentierte Eicher: "Fällt die günstigste Energie, der Atomstrom, weg und muss durch viel teurere Wind- oder Solarenergie ersetzt werden, spüren das die Konsumenten in ihren Portemonnaies."

 Auch die bürgerliche Seite setze sich dafür ein, dass vermehrt erneuerbare Energien genutzt würden, betonte BDP-Grossrat Mathias Tromp. "Der Ersatz von Atomstrom ist von uns nicht bestritten. Man darf ihn aber nicht gesetzlich festschreiben." Es sei "ein Ding der Unmöglichkeit", dass EWB in den nächsten 20 oder 30 Jahren sämtliche Beteiligungen an Kernkraftwerken aufgebe. Tromp plädierte dafür, weiterhin auf den "bewährten Mix" von Atomstrom und alternativen Energien zu setzen.

 Auch im Grossen Rat werde er sich für ein neues Kernkraftwerk in Mühleberg einsetzen, sagte Tromp. Es sei doch sinnvoller, in der Schweiz "sauber" produzierten Atomstrom zu kaufen als im Ausland Energie, welche in der CO2-Bilanz deutlich schlechter abschneide.
 mm

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NZZ 4.11.10

Die EU verlangt Pläne für Atommüll-Endlager

 Harmonisierte Sicherheitsstandards für hochradioaktive Abfälle

 Die EU-Kommission schlägt ein Gesetz vor, in dem die Mitgliedstaaten gezwungen werden, bis in vier Jahren verbindliche Pläne für die Endlagerung hochradioaktiver Abfälle in tiefen geologischen Schichten vorzulegen.

 Peter Winkler, Brüssel

 Mehr als 50 Jahre nach der Inbetriebnahme des ersten Atomkraftwerks auf dem Gebiet der heutigen EU existiert noch in keinem Mitgliedstaat ein Endlager für hochradioaktive Abfälle aus solchen Reaktoren, aber auch aus der Forschung und der Medizin. Es sei der Studien, Debatten und Diskussionen nun genug, meint die Brüsseler EU-Kommission. Sie will die Mitgliedstaaten mit einer neuen Richtlinie zwingen, die Planung solcher Endlager in tiefen geologischen Schichten innert vier Jahren nach der Verabschiedung der Richtlinie konkret und verbindlich an die Hand zu nehmen.

 Pläne erst in drei Ländern

 Die 143 Kernkraftwerke, die in 14 EU-Mitgliedstaaten in Betrieb sind, produzieren laut der Kommission im Schnitt rund 7000 Kubikmeter hochradioaktiven Abfall pro Jahr. Dazu kommen ausgebrannte Brennelemente und Abfälle aus Medizin und Forschung. Bis jetzt haben erst drei Mitgliedstaaten - Finnland, Frankreich und Schweden - konkrete Pläne, Endlager zwischen 2020 und 2025 in Betrieb zu nehmen.

 Die neue Richtlinie, die vom Rat der Mitgliedstaaten verabschiedet werden muss, setzt den Mitgliedstaaten keine eigene Zeitlimite, auch keine Vorgaben für die geografische Lage. Sie zwingt die EU-Staaten aber, verbindliche Pläne auszuarbeiten, wo, wie und in welchen Etappen sie Endlager bauen wollen und wie diese finanziert werden. Die Kommission kann solche Pläne zur Überarbeitung an den Absender zurückweisen. Zur Finanzierung von Endlagern empfahl Brüssel bereits 2006, Betreiber von Kernkraftwerken sollten drei bis vier Prozent der Kosten der Stromerzeugung zu diesem Zweck beiseitelegen.

 Einklagbare Standards

 Mitgliedstaaten dürfen sich gemäss dem Richtlinienentwurf für den Bau und Betrieb eines Endlagers zusammentun. Doch der Export von Atommüll aus der EU hinaus soll grundsätzlich verboten werden. Aus- und Wiedereinfuhr zum Zweck der Wiederaufarbeitung abgebrannter Brennelemente dagegen bleiben erlaubt. Heute werden hochradioaktive Abfälle in temporären Anlagen, meist in der Nähe von Atomkraftwerken, zwischengelagert. Diese stellen in der Einschätzung der Kommission aber auch ein Sicherheitsrisiko dar, da sie entweder auf oder nur wenig unter der Erdoberfläche angelegt sind.

 Es bestehe ein breiter Konsens in der Wissenschaft, dass die Lagerung in tiefen geologischen Schichten die sicherste Methode für die Entsorgung hochradioaktiver Abfälle sei. Eine einheitliche Tiefe wird nicht vorgeschrieben, da die geologischen Umstände überall verschieden seien. Das einzige Kriterium soll Sicherheit sein, die auch ohne aktive Überwachung gewahrt bleiben soll. Die neue Richtlinie will dazu internationale Standards der Atomenergieagentur in EU-Recht übernehmen und damit einklagbar machen.