MEDIENSPIEGEL
23. - 29. JANUAR 2012
Bund 28.1.12
Kurz & kritisch Theater 1231: "Dumm und dick"
Als das Schreiben geholfen hat
"Der liebe Gott hat uns beide vergessen", sagt die junge Frau zu ihrer
ersten grossen Liebe. Der junge Mann bleibt stumm. Er ist der Sohn
eines reichen Bauern, sie die Tochter eines armen Trunkenbolds. Dass
der liebe Gott ihr keine grosse Hilfe ist, hat sie früh erfahren
müssen. Er hat zugelassen, dass sie als dumm und dick verspottet
und von der eigenen Mutter abgelehnt wurde. Der früh verstorbene
Vater, gefangen in seinem eigenen Unglück, war der Einzige, der
sie wie einen Menschen behandelt hatte. Geholfen hat das Schreiben.
Eine eigene Sprache findet die Frau, mit ihr bannt sie das Grauen der
jahrelangen Verletzungen und Demütigungen, das an ihr klebt wie
eine zweite Haut und das abzuschütteln sie so lange vergeblich
versucht hat.
Unter dem Motto "Was ist der Mensch?" bringt der Berner Schriftsteller
Werner Wüthrich das Schicksal von Rosmarie Buri (1930-1994) auf
die Bühne. Ein vielschichtiges Unterfangen, denn Wüthrich,
der Rosmarie Buri gut gekannt hat, ist nicht der Versuchung erlegen,
das alte Klischee des dummen dicken Mädchens durch ein neues
scheinwerfertaugliches zu ersetzen. Gar märchenhaft ist
nämlich die Story der Bestsellerautorin, dieser Hausfrau aus
Burgdorf, deren Erinnerungen "Dumm und dick" (1990) sich mehr als 300
000 Mal verkauften, nachdem sie acht Jahre lang vergeblich einen Verlag
gesucht hatte. In Wüthrichs Stück, das in einer Inszenierung
des Theaters 1231 (Regie Peter Incondi) in der Nydeggkirche zur
Uraufführung kommt, tritt zwar ein aalglatter Talkmaster auf. In
allerlei quotenträchtige Fallen versucht dieser die
Sechzigjährige zu locken, um dem Publikum erst
skandalträchtige Enthüllungen und dann ein
Bilderbuch-Happy-End präsentieren zu können. Doch die Rose,
die sich da erinnert, lässt sich vom Rampenlicht nicht
verführen. Sie hat weit mehr als ein Gesicht, und welches das
wahre ist, ist eine Frage, die sich ihr nicht stellt. Sie traut nur
ihrer ganz eigenen Sprache, mit der sie sorgsam und unbeirrbar die
Konturen ihrer Existenz nachzieht. Zwei Darstellerinnen, die
unterschiedlicher nicht sein könnten, spielen sich durch die
verschiedenen Stadien dieser Frau, die sich so hartnäckig sucht
und manchmal findet: abgeklärt, elegant und blond die eine,
unförmig, kindlich und grauhaarig die andere.
Wüthrich versucht nicht, die Leerstellen zu füllen, die Buri
in ihren Erinnerungen ausgespart hat, zum Beispiel die fast vierzig
Jahre Ehe mit einem Bauarbeiter oder die Beziehung zu ihren Kindern. Er
zeigt vielmehr eine Frau, für die das Wunder der Sprache zur
Offenbarung geworden ist.Die Differenziertheit von Wüthrichs Text
unterlegt das Theater 1231 mit schlichten holzschnittartigen Szenen.
Zum herben Passionsspiel wird so die Inszenierung in den
Rückblenden zu Rosmarie Buris leidvoller Jugend. In der
kirchlichen Kulisse garantiert dies zwar ein paar eindrückliche
Momente. Doch wird dadurch die Figur der Rose genau zu jener Schablone,
die man in Werner Wüthrichs subtilem Text vergeblich sucht.
Brigitta Niederhauser
Aufführungen: 3. 2. Ref. Kirche Lyss; 3. 3. Stadtkirche Thun; 11.
3. Ökumenisches Zentrum Kehrsatz; 23. 3. Ref. Kirche
Muri-Gümligen; 26./27./28. 4. Grosse Halle Reitschule in Bern;
3./4. 5. Stadtkirche Burgdorf. www.theater1231.ch
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Bund 28.1.12
Meinungen
Perspektiven
Wenn die Agenda "Randale" heisst
Artur K. Vogel
Die Demonstration fand nicht statt und hallt trotzdem nach. Vor einer
Woche wollten in Bern ein paar Hundert Leute gegen die WEF-Jahrestagung
in Davos protestieren. Die Polizei verhinderte mit einem Grossaufgebot
die unbewilligte Manifestation. Seither wird darüber gestritten,
ob deren Einsatz verhältnismässig gewesen sei.
Die Verhältnismässigkeit ist jedoch nicht das erste Thema,
das einem in den Sinn kommt. Relevant sind viel mehr folgende Fragen:
Ist das Demonstrationsrecht verletzt worden? Wie grenzt sich dieses
gegen andere Rechte ab? Wie weit soll ein Gemeinwesen wie die Stadt
Bern illegale Aktionen von gewaltbereiten Minderheiten tolerieren?
Welche politischen Schlüsse müssen gezogen werden?Das
Demonstrationsrecht. Das Recht, seine Meinung öffentliche
kundzutun, gehört zu jeder Demokratie. Oder umgekehrt: Wird das
Demonstrationsrecht so weit eingeschränkt, dass Kundgebungen
praktisch unmöglich sind - momentan etwa in Russland zu beobachten
-, muss man sich ernsthafte Gedanken über den Zustand einer
Demokratie machen.
Hingegen ist das Demonstrationsrecht nicht absolut. Um zu
demonstrieren, wird öffentlicher Raum für Zwecke belegt,
für die er nicht geschaffen ist. Juristisch nennt man das einen
"gesteigerten Gemeingebrauch", und dieser kann Regeln unterstellt
werden, zum Beispiel einer Bewilligungspflicht. Gemäss
Bundesgerichtsurteil kann eine Demonstration zudem "nur in den durch
die Rechtsordnung und die öffentliche Ordnung aufgestellten
Schranken durchgeführt werden". In ihrer Arbeit über
"Demonstrationsfreiheit und Rechte Dritter" formulieren es Professor
Yvo Hangartner und Andreas Kley-Situller so: "Das Randalieren, das
Bekleben von Schaufenstern, Einschlagen von Scheiben, die
Beschädigung von Autos, die Stilllegung des Verkehrs oder die
Belästigung von Passanten" stellten "keine grundrechtlich
geschützte Ausübung des Demonstrationsrechts dar".
Fazit: Das Demonstrationsrecht wird nicht verletzt, wenn man eine
unbewilligte Demonstration auflöst, zumal eine, in deren Vorfeld
schon zu Gewalt aufgerufen wurde.
Die politischen Konsequenzen. Nicht verständlich ist, dass
Vertreter und Vertreterinnen linker und grüner Parteien oft
reflexartig die Position der Krawallmacher vertreten. Linke und
Grüne, wenn ich sie richtig verstehe, wollen die Welt verbessern
und zu einem menschenwürdigeren Ort machen. Der harte Kern
illegaler Demonstrationen hingegen hat nur vordergründig eine
politische Agenda - Kampf gegen die Globalisierung zum Beispiel.
Tatsächlich geht es diesem harten Kern - der immer wieder auch
Umzüge zum 1. Mai und ähnliche Manifestationen für
Ausschreitungen missbraucht -, vor allem um eines: Randale. Hätte
man eine friedliche Absicht: wozu dann Angriffswerkzeug und
Vermummungsmaterial an die Demo mitbringen?
Wenn sich linke Nachwuchsgruppierungen und zum Teil sogar gestandene
Politiker aus dem linken Lager rituell mit Krawallmachern
solidarisieren, muss man sich deshalb fragen, ob sie wirklich dazu
taugen, eine Stadt wie Bern zu regieren. Denn deren Bevölkerung
hat Anspruch darauf, dass ihre Regierung - die von den Steuergeldern
dieser Bürgerinnen und Bürger lebt - ihre legitimen
Interessen achtet und notfalls durchsetzt; das Recht auf Privateigentum
zum Beispiel oder das Recht auf körperliche
Unversehrtheit.Verhältnismässigkeit. Es war also richtig, die
unbewilligte Demonstration im Keim zu ersticken. War es auch
verhältnismässig? Im Nachhinein ist man stets klüger,
und es ist möglich, dass die paar Grüppchen am letzten
Samstag mit geringerem polizeilichem Aufwand hätten aufgelöst
werden können. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass
die Stadtregierung unbewilligte Manifestationen, die jeweils in
Sachbeschädigungen und Chaos ausarten, unterbinden und dass sie
der Polizei die Mittel, die dazu notwendig sind, bewilligen muss.
Besonders kurios ist die Forderung, man hätte im Voraus mitteilen
sollen, dass die unbewilligte Demonstration nicht toleriert werde. Dann
wären viele Teilnehmer gar nicht erst gekommen. Das kommt mir ein
bisschen vor wie einer, der auf der Autobahn mit überhöhter
Geschwindigkeit geblitzt wird und sich beklagt, dass man ihn nicht
vorher über die Existenz des Radargeräts informiert habe; er
hätte dann das Auto zu Hause gelassen.
Nein: Es war höchste Zeit für die links-grün dominierte
Stadtregierung, ihre Verantwortung wahrzunehmen und gewaltbereiten
Grüppchen klarzumachen, dass die Stadt ein Ort für alle ist,
wo Anarchie und Zerstörungswut nicht toleriert werden. Wer
demonstrieren will, soll dies tun, aber im Rahmen der für alle
geltenden Regeln. Und er soll die Verantwortung dafür
übernehmen, statt sich hinter Palästinensertüchern zu
verstecken.
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BZ 28.1.12
Neuer Aufruf zur Demo
Stadt Bern. Nach der verhinderten Anti-WEF-Demo von letztem Samstag
wird für heute in einer Woche zur "Wiederholung" aufgerufen.
"Wir lassen uns nicht einschüchtern, weder von den
Polizeihundertschaften noch von den Politikern, die deren Angriff gegen
uns befohlen haben", steht in einer Mitteilung mit dem Absender Anti
WEF. Am letzten Samstag, als die Polizei eine unbewilligte
Anti-WEF-Demo im Keim erstickte, sei die Stadt "polizeilich besetzt"
gewesen. Für heute in einer Woche, am Samstag, 4. Februar, wird
deshalb zur "Demowiederholung" in der Innenstadt aufgerufen. Dies sei
nötig, weil die Polizei die Demoteilnehmer daran gehindert habe,
Kritik zu äussern, finden die Aktivisten. Die Demonstranten seien
"gefesselt, weggeschleift, weggesperrt, bedroht und geschlagen" worden.
Die "angebliche Gewaltdrohung" im Vorfeld sei ein Vorwand für die
Polizei gewesen, um radikale Kritik zu kriminalisieren.
Bis gestern Nachmittag ging bei der Stadt keine Anfrage für eine
Bewilligung ein. wrs
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bernerzeitung.ch 27.1.12 (15.05 Uhr)
http://www.bernerzeitung.ch/region/bern/Bisher-keine-Bewilligung-fuer-neue-AntiWEFDemo-in-Bern/story/22689388
Bisher keine Bewilligung für neue Anti-WEF-Demo in Bern
Nach der verhinderten Anti-WEF-Demo von letztem Samstag wird laut
Recherchen der Berner Zeitung für Samstag in einer Woche zur
"Wiederholung" aufgerufen. Polizei und Stadt Bern haben den Aufruf zur
Kenntnis genommen.
"Wir lassen uns nicht einschüchtern, weder von den
Polizeihundertschaften noch von den Politikern, die deren Angriff gegen
uns befohlen haben", steht in einer Mitteilung mit dem Absender
Anti-WEF. Am letzten Samstag, als die Polizei eine angekündigte,
aber unbewilligte Anti-WEF-Demo im Keim erstickte, sei die Stadt
"polizeilich besetzt" gewesen.
Demo-Aufruf für den 4. Februar
Für Samstag, 4. Februar, wird deshalb zu einer Wiederholung der
Kundgebung in der Berner Innenstadt aufgerufen.
Dies sei nötig, weil ein riesiges Polizei die Demonstranten daran
gehindert habe, Kritik zu äussern. Vielmehr seien die
Demonstranten "gefesselt, weggeschleift, weggesperrt, bedroht und
geschlagen" worden.
Die angebliche Gewaltdrohung im Vorfeld der Demo sei wie schon oft
lediglich ein Vorwand gewesen, um radikale Kritik zu kriminalisieren
und zu schwächen.
Noch keine Bewilligung für Anti-WEF-Demo
Der Berner Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP) sagte am Freitag
gegenüber Bernerzeitung.ch/Newsnet, dass die Stadt Bern Kenntnis
von der angekündigten Anti-WEF-Demo vom 4. Februar genommen habe.
Es sei jedoch noch keine Anfrage für eine Bewilligung eingegangen.
Nause schliesst aber nicht aus, dass dies heute Freitag noch geschehe.
Auch die Kantonspolizei Bern hat Kenntnis von der angekündigten
Anti-WEF-Demo vom 4. Februar genommen. "Wir können aber im Vorfeld
keine Auskunft über das Vorgehen geben", sagte Polizeisprecher
Michael Fichter.
Die Polizei hatte am 21. Januar 2012 eine erste unbewilligte
Anti-WEF-Demo in Bern im Keim erstickt und damit erst gar nicht
zugelassen. (cls, per, wrs)
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bernerzeitung.ch 27.1.12
http://www.bernerzeitung.ch/region/bern/AntiWEFDemo-in-Bern-soll-wiederholt-werden/story/22689388
Anti-WEF-Demo in Bern soll "wiederholt" werden
Nach der verhinderten Anti-WEF-Demo von letztem Samstag wird laut
Recherchen der Berner Zeitung für Samstag in einer Woche zur
"Wiederholung" aufgerufen. Die Polizei hat den Aufruf zur Kenntnis
genommen.
"Wir lassen uns nicht einschüchtern, weder von den
Polizeihundertschaften noch von den Politikern, die deren Angriff gegen
uns befohlen haben", steht in einer Mitteilung mit dem Absender
Anti-WEF. Am letzten Samstag, als die Polizei eine angekündigte,
aber unbewilligte Anti-WEF-Demo im Keim erstickte, sei die Stadt
"polizeilich besetzt" gewesen.
Demo-Aufruf für den 4. Februar
Für Samstag, 4. Februar, wird deshalb zu einer Wiederholung der
Kundgebung in der Berner Innenstadt aufgerufen.
Dies sei nötig, weil ein riesiges Polizei die Demonstranten daran
gehindert habe, Kritik zu äussern. Vielmehr seien die
Demonstranten "gefesselt, weggeschleift, weggesperrt, bedroht und
geschlagen" worden.
Die angebliche Gewaltdrohung im Vorfeld der Demo sei wie schon oft
lediglich ein Vorwand gewesen, um radikale Kritik zu kriminalisieren
und zu schwächen.
Polizei hält sich bedeckt
Die Kantonspolizei Bern hat Kenntnis von der angekündigten
Anti-WEF-Demo vom 4. Februar genommen. "Wir können aber im Vorfeld
keine Auskunft über das Vorgehen geben", sagte Polizeisprecher
Michael Fichter auf Anfrage.
Die Polizei hatte am 21. Januar 2012 eine erste unbewilligte
Anti-WEF-Demo in Bern im Keim erstickt und damit erst gar nicht
zugelassen. (cls, per, wrs)
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derbund.ch 27.1.12
http://www.derbund.ch/bern/WEFGegner-wollen-Demo-wiederholen/story/31997379
WEF-Gegner wollen Demo "wiederholen"
WEF-Gegner rufen in einer Mitteilung zu einer "Wiederholung" der
verhinderten Demo vom vergangenen Samstag auf. Die "Neuauflage" soll am
4. Februar stattfinden.
"Nein, wir lassen uns nicht einschüchtern, weder von den
Polizeihundertschaften noch von den Politiker_innen, die deren Angriff
gegen uns befohlen haben", schreiben die WEF-Gegner in einer
Medienmitteilung. Sie kündigen an, am 4. Februar wieder auf die
Strasse gehen zu wollen, um die Demonstration vom 21. Januar zu
"wiederholen".
153 Personen angezeigt
Am vergangenen Samstag konnte die Polizei mit einem Grossaufgebot die
unbewilligte Anti-Wef-Demo im Keim ersticken. Aktivisten wurden bereits
auf dem Weg zum geplanten Besammlungsort am Bahnhof eingekesselt.
Im Nachgang an die Demonstration hat die Kantonspolizei insgesamt 153
Personen wegen Landfriedensbruch angezeigt. (bs)
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Bund 27.1.12
Verbalscharmützel über das "Schlechte in der Reitschule"
Dem Gastrobetrieb in der Reitschule drohen Zwangsmassnahmen. Die
Bürgerlichen im Berner Stadtrat drängen auf Umsetzung.
"Mir geht es um die Rechtsgleichheit", sagte gestern Alexander Feuz
(FDP) im Stadtrat. Es könne nicht sein, dass die Gastrobetriebe in
der Reitschule besser behandelt würden als gewerbliche
Kleinbetriebe. Feuz hatte sich in einer Interpellation unter anderem
nach der Anzahl der Interventionen und Anzeigen der Gewerbepolizei im
Gastgewerbebetrieb der Reitschule erkundigt. Gemäss schriftlicher
Antwort des Gemeinderates ist es in der Zeit von Januar bis November
2011 zu über 80 Meldungen wegen Lärms sowie zu mehreren
Strafanzeigen wegen Verstössen gegen das Gastgewerbegesetz
gekommen. Am 15. November hat das Polizeiinspektorat beim
Statthalteramt einen Antrag auf Schliessung des Gastrobetriebes sowie
auf den Erlass von Verwaltungszwangsmassnahmen gestellt ("Bund" vom 10.
Januar).
Gleichzeitig mit der Interpellation Feuz wurde gestern auch ein
Vorstoss der Fraktion BDP/CVP behandelt, die sich danach erkundigte,
auf welcher Rechtsgrundlage der Gemeinderat der Reitschule die Miete
fürs erste Quartal 2012 auszahlen liess, obwohl die Betreiber eine
Unterzeichnung des Leistungsvertrages bis anhin verweigert haben.
Wasserfallen kündigt Umzug an
"Es ist kein schönes Bild der Verhältnisse in der Reitschule,
das der Gemeinderat in seiner Antwort auf den Vorstoss von Alexander
Feuz entwirft", sagte GFL/EVP-Fraktionschef Peter Künzler. Der
skandalisierende Unterton der Vorstösse von FDP und BDP/CVP mache
ihm jedoch Mühe. Künzler wies darauf hin, dass das
Stadtparlament im Wahljahr wohl kaum zum letzten Mal übers Thema
Reitschule debattieren werde. Er verknüpfte diesen Hinweis mit der
Hoffnung, dass sich das Verhältnis zwischen Reitschul-Betreibern
und Polizei künftig bessern werde. Hart ins Gericht mit dem
Gemeinderat ging Roland Jakob (SVP). Er sei "sehr, sehr traurig", dass
der Gemeinderat nicht fähig sei, "das Schlechte aus der Reitschule
zu verbannen". Das Gastgewerbegesetz müsse auch für das
Kulturzentrum gelten. Wenn die Rechtsgleichheit im Fall Reitschule
nicht gewährleistet werden könne, werde man im Stadtrat immer
wieder über die Reitschule reden müssen. Der Ex-SVPler Peter
Wasserfallen kündigte gar seinen Wegzug aus der Stadt Bern auf
Ende Jahr an. Es sei ein Jammer, dass letztes Jahr sogar die SVP
für den Leistungsvertrag mit der Reitschule gestimmt habe, sagte
Wasserfallen. Als Bürgerlicher könne man nur gegen die
Reitschule sein.
Annette Lehmann (SP) vermutete, dass es nur noch um ein "Bashing" der
Reitschule gehe. Die Antworten der Gemeinderates auf die Fragen von
Stadtrat Feuz seien schlüssig, auf die Einleitung von
Verwaltungszwangsmassnahmen habe das Parlament keinen Einfluss.
"Wie jeder andere Gastrobetrieb"
"Der Gemeinderat hat in seiner Antwort die ganze Vorgeschichte
umfassend dargelegt", sagte Gemeinderat Reto Nause (CVP). Für den
Gemeinderat sei klar, dass die Reitschule wie jeder andere
Gastrobetrieb behandelt werden müsse. Seit dem Antrag auf
Verwaltungszwangsmassnahmen könne man nicht mehr von
Rechtsungleichheit sprechen. Eine Arbeitsgruppe aus Stadt, Kanton und
Statthalteramt sei seit Ende Dezember dabei, das Vorgehen
bezüglich Einhaltung des Gastgewerbegesetzes zu koordinieren,
sagte Nause. Stadtpräsident Alexander Tschäppät (SP)
wies darauf hin, dass der Stadtrat den Leistungsvertrag samt Mietkredit
genehmigt habe. Die Auszahlung der Miete fürs erste Quartal sei
somit rechtens. (bob)
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BZ 27.1.12
"Jeden Monat einmal wird die Reitschule ein Thema"
Stadtrat · Gelten für die Reitschule die gleichen Regeln
wie für andere Gastrobetriebe in Bern? Der Stadtrat geriet sich ob
dieser Frage einmal mehr in die Haare. Im Wahljahr dürfte es nicht
das letzte Mal gewesen sein.
GFL-Stadtrat Peter Künzler betätigte sich gestern Abend als
Hellseher: "Ich sage euch, dass wir im Wahljahr mindestens einmal pro
Monat eine Grundsatzdebatte zum Thema Reitschule führen werden",
prophezeite er seinen Ratskollegen. Aus diesem Grund werde die
Grüne Freie Liste einen Standardtext vorbereiten, den er
künftig immer verlesen werde.
Zwei Vorstösse hatten die erneute Reitschule-Debatte
ausgelöst. Der Freisinnige Alexander Feuz warf dem Gemeinderat
vor, er bevorzuge die Reitschule gegenüber anderen
Gastrobetrieben. Zudem "unterschlage" die Regierung bewusst
Informationen. "Der Gemeinderat hätte dem Stadtrat sagen
müssen, dass vom Polizeiinspektorat beim Regierungsstatthalter ein
Antrag auf Verwaltungszwangsmassnahmen vorliegt." Im zweiten Vorstoss
störten sich Martin Schneider (BDP) und Béatrice Wertli
(CVP) daran, dass der Gemeinderat der Reitschule die erste Mietzinsrate
bezahlte, obschon die Reitschule den Leistungsvertrag mit der Stadt
nicht unterzeichnet hatte.
"Die Reitschule wird gleich behandelt"
Es folgte eine Grundsatzdebatte mit den bekannten Positionen zur
Reitschule und der Versicherung von Gemeinderat Reto Nause (CVP), dass
für die Reitschule keine Sonderregeln gelten würden. "Sie
wird gleich behandelt wie jeder andere Gastrobetrieb", betonte er. Wenn
der Regierungsstatthalter Zwangsmassnahmen prüfe, sei es nicht
statthaft, von Rechtsungleichheit zu sprechen. Stadtpräsident
Alexander Tschäppät (SP) fragte sich, wo wohl der von
Stadtrat Feuz geortete "Skandal" zu finden sei. "Der Stadtrat selber
hat schliesslich das Geld gesprochen, das wir der Reitschule ausbezahlt
haben." Mirjam Messerli
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BZ 27.1.12
Anti-WEF-Aktion mit grossem Polizei-Aufgebot
Stadt Bern. Eine friedliche Anti-WEF-Aktion auf dem Bahnhofplatz
löste gestern Abend ein grosses Polizeiaufgebot aus.
In der Oberen Innenstadt stand gestern Abend ein grosses Aufgebot von
Polizisten in Bereitschaft. In der Spitalgasse, beim Bahnhof, aber auch
etwa in der Hodlergasse waren Dutzende Polizisten platziert, einige
Mannschaftswagen standen bereit. Das Aufgebot stand in Zusammenhang mit
einer Aktion von Anti-WEF-Gegnern unter dem Baldachin auf dem
Bahnhofplatz. Dort hatten sich gegen 18 Uhr zwischen 30 und 40 Personen
versammelt. Sie demonstrierten mit einem symbolischen Schachspiel gegen
das WEF. Die Aktion verlief ruhig, kurz nach 19 Uhr zogen sich die
Demonstranten in die Reithalle zurück. jsp
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Bund 27.1.12
Rücktrittsforderung nach der Anti-WEF-Demonstration
Die Juso Bern und die Jungen Grünen Bern fordern in einer
gemeinsamen
Medienmitteilung Stefan Blättler, Kommandant der Kantonspolizei
Bern,
zum Rücktritt auf. Sie stören sich an dieser Aussage
Blättlers im
Interview mit dem "Bund" von vorgestern Mittwoch: "Wenn Sie bei diesem
Umzug mitlaufen und sich nicht blitzartig entfernen, machen Sie sich
strafbar." Dies bedeute, so die beiden Jungparteien, dass sich die
Polizei "von der Unschuldsvermutung verabschiedet". Die Teilnahme an
einer unbewilligten Demonstration in der Stadt Bern sei nicht strafbar.
(pd)Stadt Bern
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Indymedia 26.1.12
https://switzerland.indymedia.org/de/2012/01/85158.shtml
Demo in Bern wird wiederholt: ANTI-WEF Demo 2.0
AutorIn : NoWEF Bündnis
Samstag 04.02.2012 um 15.00 Uhr bei der Heiliggeistkirche in Bern.
Nein, wir lassen uns nicht einschüchtern, weder von den
Polizeihundertschaften noch von den Politiker_innen, die deren Angriff
gegen uns befohlen haben. Wir werden wieder und wieder auf die Strasse
gehen, bis die Gründe für Umweltzerstörung, Ausbeutung,
Hunger und Unterdrückung beseitigt sind! Nicht weil wir uns gerne
den polizeilichen Demütigungen und Schikanen aussetzen, sondern
weil wir die alltäglichen Zumutungen und die Zerstörung des
Planeten und die Ausbeutung seiner Bewohner_innen satt haben und nicht
mehr schweigend hinnehmen.
Wir kennen ihre Machenschaften. Es ist nicht das erste Mal, dass sie
uns mit einem riesigen Polizeiaufgebot daran gehindert haben, Kritik zu
äussern. Dass sie uns gefesselt, weggeschleift und weggesperrt
haben. Dass sie uns bedroht und geschlagen haben. Dass sie uns den Gang
auf die Toilette verweigert haben. Dass sie uns befohlen haben, die
Kleider auszuziehen. Dass sie uns mit Tränengas eingesprüht
haben. Dass sie die Stadt polizeilich besetzt haben. Dass sie unsere
Transparente, Flugblätter und Broschüren beschlagnahmt haben.
Wir wissen, warum sie es getan haben. Nicht wegen den angeblichen
"Gewaltdrohungen" haben sie uns am Samstag geschlagen, verhaftet,
gefesselt und eingesperrt. Mit Gewalt haben diese Herren und Damen
nämlich kein Problem. Im Gegenteil: Gewalt üben sie selber
aus um unsere Bewegung, die radikale Kritik an diesen
Verhältnissen übt, zu kriminalisieren und zu schwächen.
Die angebliche "Gewaltdrohung" war, wie schon oft, ein Vorwand. Die
Repression gegen unliebsame Kritikäusserung wird in Bern schon
länger systematisch vorangetrieben: Das Anti-AKW-Camp wurde
geräumt, Demonstrierende einer Solidaritätsdemo samt Tram
"gekidnappt", die Anti-Repressionsdemo angegriffen, die SVP wurde mit
schier unvorstellbaren Ressourcen beschützt und die Berner
Bevölkerung dabei schikaniert... Dass Polizei und Politik jedes
Mittel recht ist, um ihre Massnahmen zu rechtfertigen, zeigen die
Lügengeschichten rund um die prügelnden Zivilfahnder in der
Reitschule. Warum sie das tun ist klar: Sie verteidigen das herrschende
System dogmatisch, kompromisslos!
Wir wissen, warum wir es tun. Weil wir nicht schweigen wollen, wenn
sich Bonzen_innen und Politiker_innen mit Kulturheinis und sonstigen
Berühmtheiten umgeben und sich als die Retter_innen inszenieren,
die mit "neuen Modellen die Welt verbessern" wollen, während sie
in Wahrheit die Agenten_innen und Organisatoren_innen der herrschenden
Verhältnisse sind. Die Brandstifter_innen präsenteiern sich
als Feuerwehr, die Ausbeuter_innen als Wohltäter_innen, die
Unterdrücker_innen als Befreier_innen. Sie sprechen in ihrer
noblen Schwatzbude darüber, wie sie die Probleme lösen
könnten, die sie selber täglich von neuem reproduzieren. Sie
werden nicht müde zu wiederholen, wie schwer sie an ihrer
Verantwortung tragen, während sie uns die Löhne kürzen,
die Mieten erhöhen, die Jobs kündigen, die Sozialleistungen
zusammenstreichen…
Wir scheissen auf das WEF, weil es nicht Teil der Lösung, sondern
Teil des Problems ist. Weil sich dort die Eliten der kapitalistischen
Welt treffen und austauschen und weil wir wissen, dass wir von diesen
nichts Gutes zu erwarten haben.
Wir rufen dich auf, gemeinsam mit uns zu protestieren, wenn du nicht
schweigen willst, während sich Mörder_innen, Ausbeuter_innen
und Unterdrücker_innen im verschneiten Davos zur ihrer
Selbstbeweihräucherung treffen. Wenn du genug hast, vom Druck auf
der Baustelle, von den Arbeitszeiterhöhungen in der Fabrik, vom
Mobbing im Büro, vom Stress im Spital, von den Polizeikontrollen
und Schikanen, von der Hetze in den Medien, vom Leistungsdruck in der
Schule und an der Uni, von der Umweltzerstörung, von der
alltäglichen Konkurrenz, von Burnout, Verdrängung,
Welthunger, Ausgrenzung, Rassismus, Sexismus, Krieg und Krise. Wir
haben nämlich längst genug davon!
Wir sehen uns am 04.02.2012 um 15.00 bei der Heiliggeistkirche in Bern.
"Wollen wir es schnell erreichen,
brauchen wir noch dich und dich.
Wer im Stich lässt seinesgleichen,
lässt ja nur sich selbst im Stich."
(Berthold Brecht)
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Indymedia 26.1.12
https://switzerland.indymedia.org/de/2012/01/85157.shtml
WEF schachmatt setzen
AutorIn : No WEF Bern
Wie angekündigt, fand heute, dem 26. Januar, im Rahmen der
Anti-Wef-Aktionswoche ein Menschenschachspiel in Bern statt. Ca. 100
Leute versammelten sich um die 32 menschlichen Schachfiguren auf dem
Bahnhofsplatz in Bern und verfolgten das spannende Spiel.
Die Schachspieler symbolisierten das Geld, das auf der Welt regiert und
nachdem wir unser aller Handeln richten.
Die Schachfiguren stellten gesellschaftliche Charaktermasken dar. Die
Bauern waren einfache Arbeiter_innen, wie zum Beispiel
Sanitärinstalateur_innen, Kaufmännische Angestellte,
Bäcker_innen, etc. Die Könige repräsentierten Finanz-
und "Real-" kapital, vertreten durch die UBS und Nestlé. Die
Damen, Pferde, Türme und Läufer stellten die Armee,
Politiker, Polizei und Manager dar.
Trotz grossgekotztem Polizeiaufgebot konnte die Aktion in Ruhe
durchgeführt werden. Über Megafon wurden Informationen zum
WEF und zu unserer Aktion mitgeteilt.
Das Schachspiel endete, als die Arbeiter_innen es Leid waren, nur
einfache Spielfiguren zu sein, welche für fremde Zwecke geopfert
werden. Die Arbeiterschaft vereinigte sich zu einer Revolution,
stürzte die Schachspieler und beendete das traurige Spiel.
Unsere Schachpartie ist vorbei doch das globale Game, das Spiel mit
unserem Leben, geht vorerst weiter.
Hilf auch du die Schachspieler zu stürzen, nehmen wir unser Leben
in die eigenen Hände.
STOP RESHAPING CAPITALISM – ABORT IT! WIPE OUT WEF!
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bernerzeitung..ch 26.1.12
http://www.bernerzeitung.ch/region/bern/WEFGegner-demonstrieren-unter-dem-Baldachin/story/20292378
WEF-Gegner demonstrieren unter dem Baldachin
In der Spitalgasse, beim Burgerspital und beim Bahnhof standen am
Donnerstagabend einige Dutzend Polizisten in Bereitschaft. Auch
Mannschaftswagen fuhren vor. Der Grund: WEF-Gegner führten eine
unbewilligte Kundgebung durch.
Das Polizeiaufgebot wurde wegen einer Aktion von WEF-Gegnern getroffen.
Unter dem Baldachin auf dem Berner Bahnhofplatz hatten sich 30 bis 40
Personen versammelt, die mit einem symbolischen Schachspiel gegen das
WEF demonstrierten. Laut Augenzeugen nahm das Aufgebot der Polizei
stetig zu. Es standen auch Beamte in der Hodlergasse bereit.
Michael Fichter, ein Polizeisprecher, bestätigte die Demonstration
auf Anfrage von Bernerzeitung.ch/Newsnet. "Eine Kundgebung findet unter
dem Baldachin statt und wir haben ein entsprechendes Dispositiv an
Polizisten vor Ort im Einsatz", erklärte Fichter. Zur genauen
Anzahl der eingesetzten Polizeikräfte machte er keine Aussagen.
Nach der Kundgebung haben sich die Aktivisten zur Reitschule
zurückgezogen. Die Polizei markiert mit Patrouillen Präsenz.
(wrs, cls, jsp, met)
---
derbund.ch 26.1.12
http://www.derbund.ch/bern/Schachspiel-gegen-das-WEF/story/10220185
"Schachspiel" gegen das WEF
WEF-Gegner versammelten sich am Donnerstagabend unter dem Baldachin, um
mit einem symbolischen Schachspiel gegen den Kapitalismus zu
demonstrieren.
Kurz nach 18 Uhr demonstrierten am Donnerstagabend WEF-Gegner unter dem
Berner Baldachin mit einem symbolischen "Menschen-Schach". Die
Aktivisten protestierten mit dem Rollenspiel gegen den Kapitalismus.
Die Polizei war wegen der Aktion in der Stadt mit einem grossen
Aufgebot präsent. (bs
---
jungegruene.ch 26.1.12
Welches Ziel verfolgt denn die Polizei?
26.01.2012, Junge Grüne Bern, Philipp Zimmermann
Gemeinsame Medienmitteilung der JUSO Bern und der jungen grünen
bern
In einem ausführlichen Interview mit dem "Bund" bestätigt
Stefan Blättler die Vermutung der JUSO und der jungen grünen:
der Kommandant der Kantonspolizei Bern ist mit seinem Job
überfordert und versteht die Thematik nicht. Wer so wenig
Fingerspitzengefühl hat und nicht bereit ist, seine eigene Arbeit
zu hinterfragen, muss zurücktreten.
Nach dem völlig überrissenen Einsatz der Kantonspolizei im
Rahmen der Anti-WEF-Demonstration am Samstag, 21. Januar 2012,
rechtfertigt Stefan Blättler den Einsatz seiner Kriegsmaschinerie:
"Wenn Sie bei diesem Umzug mitlaufen und sich nicht blitzartig
entfernen, machen Sie sich strafbar. So ist das Gesetz". Dass die
Polizei sich dabei von der Unschuldsvermutung verabschiedet und
vergisst, dass die Teilnahme an einer unbewilligten Demonstration in
der Stadt Bern nicht strafbar ist, interessiert den Herrn Kommandaten
wenig: "Darüber müssen Sie nicht mit mir diskutieren".
Die JUSO und die jungen grünen kritisieren gemeinsam den massiven
Einsatz der Polizei am Samstag. Weder hat die Polizei
verhältnismässig gehandelt, noch hat sie versucht, die
Situation zu entschärfen. Statt auf das Angebot eines friedlichen
Rückzuges der Demonstrierenden einzugehen, hat die mit einem
Grossaufgebot aufmarschierte Polizei provoziert und versucht, die
Situation zur Eskalation zu bringen. Denn nur so könnte sie im
Nachhinein die Fehleinschätzungen und die überrissenen
Einsatzkosten rechtfertigen. Dieses Vorgehen entspricht nicht einer
Demokratie. Sowohl der Kommandant der Kantonspolizei als operatives
Organ als auch Wahlkämpfer Nause vom Gemeinderat als strategischer
Zuständiger haben ihre Positionen missbraucht.
Maske zum Selbstschutz; Polizei rüstet sich auf
Der Einsatz vom Samstag hat einmal mehr bewusst gemacht, wie sich die
Polizei immer mehr zur Kampfmaschinerie aufrüstet. Nause und
Blättler haben ihr Arsenal gezeigt, und mit diesem
sicherheitspolitischen Machtanspruch deutlich gemacht: entweder ihr
vertretet unsere Meinung und tanzt nach unserer Pfeife, oder wir wenden
Gewalt an.
So ist es nur logisch, dass die DemonstrantInnen sich selbst
schützen wollen: "Ich trug eine Maske und eine Schutzbrille
für Handwerker. Nicht, weil ich mein Gesicht nicht zeigen wollte,
sondern weil ich schon beobachtet hatte, wie Polizisten entgegen der
Vorschriften Gummischrot aus kurzer Distanz auf Kopfhöhe
abgefeuert hatten. Weil ich ein Transparent mitzutragen half, wäre
ich bei den ersten gewesen, die von diesen gefährlichen Waffen
getroffen worden wären", berichtet ein Demonstrant von den
Vorkommnissen an der Anti-WEF-Demonstration (Name der JUSO und den
jungen grünen bekannt; Bericht auf Nachfrage erhältlich).
Was für ein Ziel verfolgt denn die Polizei, wenn sie sich gegen
(bis zum Zeitpunkt der Einkesselung) völlig friedliche
DemonstrantInnen bewaffnet? Derselbe Vorwurf von Blättler an den
DemonstrantInnen muss auch der Polizei mit ihrem Grossaufgebot gemacht
werden.
Die JUSO und die jungen grünen sind überzeugt: solche
Aussagen wie im Interview mit dem "Bund" und diese operative
Unfähigkeit von Stefan Blättler bezeugen, dass er den
falschen Job erwischt hat. Wir fordern deshalb von Blättler den
sofortigen Rücktritt als Kommandant der Kantonspolizei.
Bern, 26. Januar 2012
---
kulturagenda.be 26.1.12
Gute Nacht?
Das Berner Nachtleben kommt nicht aus den Schlagzeilen. Clubs werden
geschlossen, Partys untersagt - es entsteht aber auch Neues. Die
Dauerthemen bleiben: Streit zwischen Veranstaltern und Anwohnern.
Probleme mit Rauchern, Littering, Ruhestörungen. Auf der anderen
Seite stehen Behörden, die Gummiparagrafen hart und nicht immer
nachvollziehbar auslegen, etwa im Fall der Lärmgrenzwerte.
In einer Interview-Serie befragen wir in den nächsten Ausgaben
Betroffene beider Seiten sowie Experten und Politiker. Den Anfang macht
Fabian Wyssbrod von Ammonit, dem Veranstalter, dessen
Kornhausforum-Partys nach einem Entscheid der städtischen
Liegenschaftsverwaltung nicht mehr stattfinden können. Seite 3
-
Gute Nacht? - Meinungen zur Berner Clubszene
Nach zwölf Jahren Gastrecht kann der Berner Veranstalter Ammonit
im Kornhausforum keine Partys mehr durchführen. Wegen
ungelöster Probleme mit dem Fumoir verfügte die
städtische Immobilienverwaltung, dass es im Kornhausforum
künftig keine Tanzanlässe mehr geben soll. Nach der
Schliessung des Sous Soul und dem (herausgezögerten) Ende des
Wasserwerks stellen wir die Frage: Wie weiter mit dem Berner
Nachtleben? Fabian Wyssbrod von Ammonit macht den Anfang in unserer
Serie "Gute Nacht?".
Herr Wyssbrod, Ammonit muss nach zwölf Jahren raus aus dem
Kornhaus. Wie schlimm ist das für das kulturelle Angebot der
Stadt?
Die Stadt Bern verliert mit dem Kornhausforum einen Ausgehort, der sich
in seiner Art vom Angebot in den Clubs abgehoben hat. Es war hier
möglich, dem Publikum an zentraler Lage in einem
wunderschönen, historischen Raum internationale Top-Acts zu
präsentieren. Die Leute verstehen den Entscheid der
Liegenschaftsverwaltung nicht und sehen die Schliessung als weiteren
Schlag ins Gesicht.
Sie veranstalten auch Partys in der Grossen Halle der Reitschule, wieso
nicht immer dort?
Die Grosse Halle ist total anders als das Kornhausforum. Es gibt Stile
der elektronischen Musik, die im Kornhaus funktionieren, in der Grossen
Halle aber undenkbar sind. Man darf die Grosse Halle nicht
unterschätzen. In Bern 2000 Gäste für eine Veranstaltung
zu gewinnen, ist ein Kraftakt.
Berner Clubs müssen schliessen, nun folgt das Aus der
Kornhaus-Partys. Was geschieht jetzt? Muss sich die Stadt auf mehr
illegale Partys gefasst machen?
Es ist in der momentanen Situation absolut nachvollziehbar, dass in
Bern gewisse "revolutionäre Kräfte" geweckt werden. Es gibt
junge, gut vernetzte Veranstalter- Labels, die auf diese Art und Weise
aktiv werden könnten. Gefragt ist allerdings viel
Kreativität. Einfach ein paar Boxen in den Wald zu stellen, dazu
eine Bar zu improvisieren und noch einen saftigen Eintritt zu verlangen
- das mag kurzfristig funktionieren, wird langfristig aber nicht
belohnt. Ammonit hat stets versucht, mit den zuständigen
Behörden zusammenzuarbeiten. Wer in einer Stadt wie Bern
erfolgreich bestehen will, kann sich nicht gegen die Behörden
stellen.
Sind denn die Sorgen von Anwohnern, Hausbesitzern, Gesetzgebern nicht
berechtigt?
Die Innenstadt muss ein lebendiger Ort sein, dies meiner Meinung nach
rund um die Uhr. Wer hier leben will, muss ein gewisses Mass an
Lärm akzeptieren.
Zur gemeinhin als gültig empfundenen Aufgabe des Staats
gehört es, Schwache zu schützen. Zum Beispiel Lärmopfer.
Sind da die Club-Betreiber nicht zu uneinsichtig?
Wenn dabei eine Tyrannei der Minderheit entsteht wie in Bern,
müssen die institutionellen Strukturen überprüft werden.
Es kann nicht sein, dass ein in seiner Ruhe gestörter Anwohner
über die Existenz eines Clubs entscheiden kann.
Das Handeln der Behörden scheint repressiver zu werden. Liegt dem
etwas anderes zugrunde als Lärm, Littering und Rauchverbote? Sehen
Sie eine gesellschaftliche Entwicklung? Die Entwicklung scheint zu
sein, dass für jede Eventualität eine gesetzliche Regelung
gesucht wird. In unserem Fall entscheiden Leute über die Umsetzung
der gesetzlichen Grundlage, die von den Konsequenzen überhaupt
nicht betroffen sind.
Auch Interessengruppen wie die Kultur-Dachorganisation Bekult oder Pro
Nachtleben Bern befassen sich mit dem "Clubsterben". Was ist von ihnen
zu erwarten?
Es braucht sie, um auf politischer Ebene Wege zu beschreiten, die sich
nicht in Luft auflösen oder kontraproduktiv sind. Leider sind aber
die Bedürfnisse der einzelnen Kulturveranstalter sehr
unterschiedlich, und es dürfte für die Dachverbände
schwierig sein, die Interessen zu bündeln und als ein Sprachrohr
für alle zu fungieren.
Was halten Sie von "Ausgehmeilen" oder "Partyzonen" in der Stadt?
Von einer solchen Ghettoisierung halte ich nichts!
Sehen Sie andere Lösungsansätze?
Mehr Dialog, weniger Reglementierung, mehr gegenseitige
Rücksichtnahme und Verständnis.
Interview: Michael Feller
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kulturagenda.be 26.1.12
Dachstock Darkside: schnörkellose Beats und Bässe
Zum zweiten Mal steht der ungarische DJ und Produzent Zero Method im
Dachstock hinter den Plattentellern, diesmal mit seiner neuen "Cold
War"-EP im Gepäck. Er hat sich in den letzten Jahren mit seinem
minimalen Drum'n'Bass einen Namen gemacht. Unterstützt wird er von
Deejaymf (UTR, Bild), Submerge (Beatsnpics) und 4k (Inter Vibez).
Dachstock in der Reitschule, Bern. Sa., 28.1., 23 Uh
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kulturagenda.be 26.1.12
5vor12 Productions mit "Eine Art Alaska" im Tojo
Die 16-jährige Deborah schläft ein und erwacht erst dreissig
Jahre später wieder. Dieser Geschichte liegt nicht das
Märchen von Dornröschen zugrunde, sondern die
Europäische Schlafkrankheit, die in den 20er-Jahren viele Menschen
das Leben kostete. Musikalisch untermalt wird das Schauspiel mit Cello
und Live-Elektronik.
Tojo Theater, Bern. Fr., 27., und Sa., 28.1., 20.30 Uhr, So., 29.1., 19
Uhr
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Bund 26.1.12
"Eine Art Alaska"
Nicht einschlafen, bitte
Fünf Millionen Menschen sollen vor knapp hundert Jahren an der
Europäischen Schlafkrankheit gestorben sein - einer Art
Hirnhautentzündung. Harold Pinter hat dazu das Kurzstück
"Eine Art Alaska" geschrieben, in dem eine Frau nach fast 30 Jahren aus
dem Dämmerzustand erwacht. Das Stück wird dank einer
Komposition von Marcel Saegesser zum interdisziplinären Kunstwerk.
(reg)
Tojo-Theater Reitschule Fr, 27., Sa, 28. Jan., 20.30 Uhr. So, 29. Jan.,
19 Uhr.
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BZ 26.1.12
Böses Erwachen aus dem Dornröschenschlaf
Bühne · Stéphanie Maurers interdisziplinäres
Projekt "Eine Art Alaska / Sumpf I und II" kombiniert Harold Pinters
Theaterstück rund um eine Frau, die nach dreissigjährigem
Schlaf wieder erwacht, mit einer Musikperformance.
"Ich sprach mit Menschen, die mich nicht hören konnten. Es waren
überall Glaswände um mich herum." Solch beklemmende
Geständnisse macht Deborah im Stück "Eine Art Alaska" des
britischen Autors Harold Pinters, als sie nach dreissig Jahren aus
einem mysteriösen Dornröschenschlaf erwacht. Sie ist
mittlerweile 45 Jahre alt und lebt im Haus ihrer Schwester, fühlt
sich aber noch immer wie ein Teenager. Dass der Schwager gleichzeitig
ihr Arzt ist und sie heimlich mehr liebt als die Schwester, sorgt
für zusätzliche Probleme. Fasziniert von diesem Stoff,
fügt die St. Galler Kunstschaffende Stéphanie Maurer dem
Drama eine weitere Dimension hinzu. Gemeinsam mit dem Komponisten
Marcel Saegesser - den sie an der Hochschule der Künste, an der
sie sich in Cello, Schauspiel und Gesang ausbilden liess, traf -
entwickelte sie ein interdisziplinäres Konzept. Die Musik,
bestehend aus elektronischen Klängen und Maurers eigenem
Cellospiel, evoziere die subversive Welt der Schlafenden, so die
Dreissigjährige. Sie selbst spielt zudem die Schwester Pauline,
eine tragische Figur, die sich für Deborah (Petra Schmidig) ein
Leben lang aufgeopfert hat. Mit Florian Rexer als Regisseur konnte
Maurer zudem einen vielseitigen Theaterschaffenden ("Comedy Hochzeit")
verpflichten.
Weisses Schlummerland
Doch braucht ein Stück von Harold Pinter überhaupt eine
musikalische Erweiterung? Maurer, die versichert, das Bühnenwerk
würde Wort für Wort wiedergegeben, meint: "Das Kurzdrama, das
wie ein Blick in einen Schaukasten wirkt, ergibt allein noch kein
abendfüllendes Programm." Die Musik übersetze die
Gefühlswelt der während Jahren in ihrem eigenen Körper
gefangenen Protagonistin. Als Auftakt des spartenübergreifenden
Theaterabends referiert ein fiktiver Arzt (Adrian Furrer) über
Deborahs Krankheit. Sie leidet an der sogenannten Europäischen
Schlafkrankheit, die Anfang des 20. Jahrhunderts über fünf
Millionen Menschen dahinraffte und manche zu jahrelangem
Dahindämmern verdammte. Ab 1969 wurden die Patienten mit einer
Vorstufe des Wirkstoffes Dopamin behandelt und erwachten. Mit den
Fällen beschäftigte sich der Neurologe Oliver Sacks in "Zeit
des Erwachens", einer Forschungsstudie, die Harold Pinter zu seinem
Stück inspiriert haben soll. Tief schlafen lässt es sich wohl
auch auf der Bühne von Stéphanie Maurers Version. Weisse
Tücher bilden eine Art Schlummerland, in dem die historisch
gekleideten Protagonisten auf träumerischen Pfaden wandeln. Helen
Lagger
Aufführungen: am 27. und 28. 1. um 20.30 Uhr und am 29. 1. um 19
Uhr, im Tojo-Theater, Reitschule Bern.
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BZ 26.1.12
Aktivisten rächen sich
Bümpliz · Weil Aktivisten am Samstag die Anti-WEF-Demo
nicht
durchziehen konnten, haben sie nun Farbbeutel gegen den
Polizeistützpunkt Bümpliz geschleudert.
"In der Nacht vom 24. auf den 25. Januar haben wir den Bullenposten in
Bümpliz mit Farbe verschönert!" So bekennen sich
Linksaktivisten auf "indymedia.ch" zu ihrer Vergeltungstat, weil die
Polizei am Samstag die
Anti-WEF-Demo in Bern verhindert hat. "Wir verstehen unsere Aktion
nicht nur als eine Reaktion auf die Polizeirepression, sondern
kritisieren deren Funktion als solche", schreiben sie im Internet
weiter. jsp
---
Bund 26.1.12
Polizeiposten in Bümpliz mit Farbbeuteln beworfen
In der Nacht auf gestern haben Linksautonome den Polizeistützpunkt
in
Bümpliz mit fünf Farbbeuteln beworfen. Sie hätten "den
Bullenposten in
Bümpliz mit Farbe verschönert", um gegen die zunehmende
Repression zu
kämpfen, steht auf dem Internetportal Indymedia.ch, wo implizit
auch zu
weiteren Aktionen aufgerufen wird: "Ihr seid eingeladen, die
Farbenpracht in Bümpliz zu bewundern und euch davon inspirieren zu
lassen." (tik)
---
20 Minuten 26.1.12
Anschlag auf Polizeiwache
BERN. Mit Farbbeuteln haben Chaoten in der Nacht auf gestern einen
Anschlag auf den Bümplizer Polizeiposten verübt.
"Bullenstaat,
Bonzenstaat - wir haben dich zum Kotzen satt!", heisst es in einem
Bekennerschreiben. Die Aktion richte sich gegen Polizeirepression.
Ebenfalls zu den Nachwehen der Anti-Wef-Demo vom Samstag gehört
ein
Vorstoss, den Corinne Schärer (Grüne) im Kantonsparlament
eingereicht
hat. Sie stellt die Rechtmässigkeit und
Verhältnismässigkeit des
Polizeieinsatzes infrage. Es sei bereits der dritte innerhalb eines
halben Jahres, der zu Diskussionen führe.
---
WoZ 26.1.12
Kommentar
Die unheimliche Strategie der A. S.
Von Dinu Gautier
Sie, Andrea Stauffacher, sind Galionsfigur des Revolutionären
Aufbaus
Zürich. Von der Gratispresse zu Unrecht als "Terrorgrosi"
bezeichnet,
haben Sie am Samstag in Bern eindrücklich gezeigt, dass Sie noch
nicht
zum alten Eisen gehören. Zusammen mit Ihrer Gefolgschaft und ein
paar
Berner Autonomen sind Sie zu einer Demonstration angetreten. Ihr
Ziel?
Anlässlich des bevorstehenden Weltwirtschaftsforums in Davos
wollten
Sie den Embryo namens Kapitalismus abtreiben, der in uns allen steckt
("Wipe out Wef - Abort Capitalism").
Zweihundert Meter weit ist die Demo gekommen, dann hat die Polizei von
allen Seiten dichtgemacht. Polizeikessel. Sie wussten, dass es so weit
kommen würde - es war offensichtlich. Fehlte nur noch, dass die
massiv
auftretende Staatsmacht ein Transpi gemalt und im Bollwerk
aufgehängt
hätte: "Liebe Frau Stauffacher, wir planen, Sie hier zu kesseln.
Wenn
Sie so freundlich wären, pünktlich um 14 Uhr zu erscheinen …"
Jedenfalls war Erstaunliches zu beobachten, nachdem Sie mit den
rund
achtzig anderen DemonstrantInnen in den traditionellen schwarzen
Demotrachten pünktlich im Kessel eingetroffen waren. Am
Lautsprecher
blühten Sie richtiggehend auf, waren dermassen unterhaltsam, dass
sogar
ein paar Polizisten und ein reaktionärer Reporter der "Berner
Zeitung"
lachen mussten. Um Sie herum wurde plötzlich getanzt und gefeiert.
Und
Sie haben verkündet, solche Repressionserlebnisse würden die
Anwesenden
nur stärken.
Mit Verlaub: Würde das stimmen, die Anti-Wef-Bewegung wäre in
den
Kesselorgien des letzten Jahrzehnts dermassen kräftig geworden,
dass
Wef-Chef Klaus Schwab schon längst zitternd das Weite gesucht
hätte.
Das Gegenteil ist passiert. Nun kann man das bei weitem nicht Ihnen
allein in die Schuhe schieben. Aber man kann feststellen, dass Sie kaum
eine Gelegenheit ausgelassen haben, mit offenen Armen in die
Polizeihinterhalte (physischer und kommunikativer Natur) reinzulaufen.
Nein, Sie sind nicht dumm. Viel schlimmer: Sie machen das mit voller
Absicht. Sie wollen keine breite Bewegung, Sie wollen überhaupt
keine
Bewegung ausserhalb des Revolutionären Aufbaus. Und wenn sich auch
nur
ein Jugendlicher nach erlebter Polizeigewalt Ihren Reihen anschliesst,
dann ist Ihre Strategie aufgegangen.
---
Blick am Abend 25.1.12
"Wir sind auch in der Verantwortung"
EINSICHT
"Ist es wirklich nötig, dass ...?" Die Berner Partygänger
sind durchaus selbstkritsch.
peter.pflugshaupt@ringier.ch
Die Stadtberner Nächte in diesem Winter: erst das Ende des Sous
Soul und aktuell das Theater um das Kornhausforum. Die
Nachtschwärmer haben es in der Bundesstadt nicht einfach. Thomas
Berger, Präsident des Vereins Nachtleben Bern, gibt zu, dass die
Nachtschwärmer auch ihren "Beitrag" zu den Problemen beigetragen
haben: "Ist es nötig, vor dem Club fremde Leute anzupöbeln?
Ist es zu viel verlangt, den Müll ein paar Meter zum nächsten
Abfallkübel zu tragen? Hätten wir Freude, wenn wir
regelmässig menschliche Hinterlassenschaften im Hauseingang finden
würden?"
Gleichzeitig fordert der Verein Nachtleben Bern von der Stadt mehr
Engagement zugunsten des Nachtlebens. "Die Verantwortlichen verstecken
sich hinter Paragrafen und Gesetzen." Sinnbildlich sei das
Kornhausforum. Eine Auflage liess sich aufgrund einer anderen nicht
erfüllen. Wegen der Liegenschaftsverwaltung war kein Einbau eines
Fumoirs möglich, was aber die Gewerbepolizei forderte. Obwohl die
Gewerbepolizei nun doch nicht auf ein Fumoir pocht und
grundsätzlich im Kornhausforum wieder Partys steigen können,
bleibt Skepsis. Berger: "Es herrscht für Betreiber keine
Rechtssicherheit, was jahrelang erlaubt oder toleriert war, wird
plötzlich verboten. Und dass es mit dem Sous Soul und dem
Kornhausforum ausgerechnet zwei vorbildliche Veranstalter getroffen
hat, macht das Problem deutlich. Es gibt eine gewisse
Behördenwillkür."
Der Verein Nachtleben Bern, ursprünglich nur für die
Einreichung der gleichnamigen Petition gegründet, will sich jetzt
weiterhin einsetzen. Die Strukturen des Vereins, in dem sich auch
Politiker und Clubbesitzer engagieren, sollen rasch professionalisiert
werden. Bergers Ziel: "Mehr Öffentlichkeitsarbeit für die
‹laute› Kultur."
---
Bund 25.1.12
Polizei-Kommandant verteidigt Einsatz
Kantonspolizei-Kommandant Stefan Blättler verteidigt im
"Bund"-Interview das massive Aufgebot vom letzten Samstag, als die
Polizei eine Anti-WEF-Demonstration in Bern verhindert und 153 Personen
angezeigt hat. Auch bei früheren Einsätzen der
Kantonspolizei, die für Kritik sorgten - rund um das SVP-Wahlfest
etwa oder in der Reitschule -, sei die Verhältnismässigkeit
gewahrt worden, sagt der Kommandant. (tik) - Seite 21
-
"Wer sich bewaffnet, verfolgt ein Ziel"
Stefan Blättler, Kommandant der Kantonspolizei Bern, äussert
sich zum Einsatz an der Anti-WEF-Demo vom Samstag, zu Forderungen nach
mehr Transparenz und zum Videobeweis in der Reitschule.
Interview: Timo Kollbrunner
Sind Sie mit dem Polizeieinsatz vom Samstag zufrieden?
Ich bin zufrieden mit der Leistung unserer Mitarbeitenden. Ich denke,
als Bürger könnte man nur dann zufrieden sein, wenn
Demonstrationen keinen Polizeieinsatz erforderten.
Der Polizeieinsatz erschien vielen als unverhältnismässig.
Es ist immer einfach, im Nachhinein zu sagen, man hätte es mit
weniger Leuten machen können. Aber man muss doch die
Ursprünge anschauen. Diesen Einsatz hat es gegeben, weil im
Vorfeld keine Bewilligung eingeholt wurde und ganz klare Aufrufe zur
Gewalt zirkulierten. Das führt automatisch zu solchen
Grossaufgeboten.
Das ist doch nicht einfach ein Automatismus. Sie machen doch eine
differenzierte Lagebeurteilung.
Wir haben eine sehr intensive Beurteilung gemacht und sind mit dem
Gemeinderat zum Entscheid gekommen, diese Demonstration zu unterbinden.
Die Teilnehmer waren dann vermummt, mit Pfefferspray, Helmen und
Schutzbrillen ausgerüstet. Und sie haben Gewalt gegen Polizisten
angewendet. Das gibt unserer Lagebeurteilung vollkommen recht.
153 Leute wurden wegen Landfriedensbruch angezeigt. Können Sie
ausschliessen, dass darunter solche sind, die nicht gedachten, Gewalt
anzuwenden?
Wir haben diese Leute angezeigt. Es gilt die Unschuldsvermutung, ein
Richter wird die Anzeigen zu beurteilen haben.
Aber ich bin nicht so naiv, dass ich glaube, der Grossteil dieser Leute
habe einen friedlichen Samstagnachmittag verbringen wollen. Wer sich
für eine Demonstration bewaffnet, verfolgt ein bestimmtes Ziel.
Und wer bei einer Ansammlung dabei ist, bei der Gewalt ausgeübt
wird, begeht Landfriedensbruch. Da reicht ein einziger Flaschenwurf.
Wenn Sie bei diesem Umzug mitlaufen und sich nicht blitzartig
entfernen, machen Sie sich strafbar. So ist das Gesetz. Das Gesetz habe
nicht ich geschrieben.
Aber die Leute konnten sich ja gar nicht entfernen. Sie wurden
eingekesselt und verhaftet mit der Begründung, ihre Personalien
würden kontrolliert. Sie sassen dann bis zu zehn Stunden in der
Zelle, und nun werden sie angezeigt.
Das Ziel war es, eine Personenkontrolle vorzunehmen. Dann kam es zu
Würfen mit Petarden und anderen Gegenständen gegen
Polizisten, und deshalb hat man entschieden, die Personenkontrolle im
Neufeld vorzunehmen und die Personen anzuzeigen. Rund um die
Heiliggeistkirche, wo es nicht zu Ausschreitungen kam, haben wir die
allermeisten Leute weder festgenommen noch verzeigt, sondern vor Ort
wieder entlassen. Und kleinere Gruppen haben am Samstag ja auch
friedlich demonstriert. Wir haben durchaus differenziert.
Wenn man eine Demonstration mit Vermummten einkesselt, wird immer
irgendetwas geflogen kommen. So hätte man schon bei manchen
Demonstrationen alle Teilnehmenden anzeigen können. Gab es hier
einen Paradigmenwechsel?
Nein. Jede Veranstaltung wird einzeln beurteilt. 2008 haben wir
ähnlich viele Anzeigen gemacht, als die Antifa demonstrieren
wollte. Und auch im letzten Sommer bei einer Kundgebung, bei der es zu
Sachbeschädigungen kam.
Warum sagt man denn nicht im Vorfeld, dass man die Demonstration nicht
tolerieren und Teilnehmende verhaften wird? Das hätte vielleicht
einige davon abgehalten.
Wir müssen doch den Leuten nicht sagen, wann sie sich strafbar
machen. Jeder Bürger muss wissen, was er macht. Und nochmals: Wir
haben dieses Vorgehen gemeinsam mit dem Gemeinderat beschlossen.
Aber die Teilnahme an einer unbewilligten Demonstration alleine ist
nicht strafbar. Es gingen wohl tatsächlich viele dieser Leute
davon aus, sie täten nichts Verbotenes.
Darüber müssen Sie nicht mit mir diskutieren. Da müssen
sie den Richter fragen. Aber warum widmen wir uns überhaupt
solchen Diskussionen, wenn sich die Veranstalter einfach darum foutiert
haben, eine Bewilligung einzuholen?
Der Fakt, dass sich die Demonstrierenden falsch verhielten, entbindet
Sie nicht von der Diskussion, ob ihr Einsatz verhältnismässig
war.
Der war absolut verhältnismässig. Ich richte doch nicht mit
der grossen Kelle an, wenn es nicht zwingend ist.
Nach dem letzten Samstag wurde wie auch schon nach Ihrem Einsatz rund
um das SVP-Fest und in der Reitschule eine unabhängige
Untersuchung gefordert.
Ich bin der Erste, der daran interessiert ist, dass Einsätze
aufgearbeitet werden. Jeder Grosseinsatz wird aufgearbeitet, und ich
lege gegenüber jeder Aufsichtsbehörde alles transparent auf
den Tisch. Es gibt keine Institution, die so stark beaufsichtigt wird
wie die Polizei. Das ist auch richtig, weil sie das Gewaltmonopol hat.
Ich werde von meiner Direktion kontrolliert, von der Justiz, von der
Oberaufsichtskommission des Grossen Rates. Damit kann ich gut leben.
Denn es schafft Transparenz und Vertrauen.
Reichen diese Aufsichtsorgane aus?
Das muss nicht ich beurteilen. Das ist eine politische Frage. Ich habe
das Gefühl, dass ich genügend beaufsichtigt werde. Und diese
Aufsicht funktioniert ja ganz offensichtlich auch. Sie sprechen die
Beschwerde gegen die Wegweisung eines Jugendlichen am Rande des
SVP-Festes an, die der Regierungsrat gutgeheissen hat. Sind Sie nach
wie vor der Meinung, der Einsatz damals sei verhältnismässig
gewesen? Ja. Die Beschwerde hat mit dem Einsatz per se nichts zu tun.
Sie betrifft eine einzelne Massnahme.
Doch. Denn es liegt auf der Hand, dass weitere Wegweisungen nicht
rechtens waren, die per vorgedrucktem Formular ausgestellt wurden.
Das ist möglich, ich kann das nicht beurteilen. Aber diese
Fernhalteverfügungen sind längst abgelaufen,
Akteneinträge bestehen keine mehr. Wir werden das weitere Vorgehen
in diesen Fällen mit unseren Aufsichtsinstanzen anschauen.
Für mich ist wichtig, dass wir unsere Lehren gezogen haben und
bereits letzten Samstag die Verfügungen, die wir ausstellten, von
einer Juristin überprüfen liessen. Das zeigt, dass wir eine
lernbereite Organisation sind.
Letzten Sommer wurden Sie kritisiert, weil sich Aktivisten auf dem
Posten ausziehen mussten. Der Gemeinderat hat von Ihnen verlangt, die
Praxis zu überprüfen. Ist das geschehen?
Unser Vorgehen ist ganz klar im Polizeigesetz und in der
Strafprozessordnung geregelt. Kontrolliert werden Personen, bei denen
Gefahr besteht, dass sie gefährliche Gegenstände auf sich
tragen oder solche, die beschlagnahmt werden müssten. Es ist ganz
klar: Es gibt keinen generellen Auftrag, die Leute auszuziehen. Um
Gottes willen.
Auch der Einsatz in der Reitschule am 22. September gab zu reden. War
der verhältnismässig?
Selbstverständlich.
Gilt das auch für die Gewaltanwendungen einzelner Beamter?
Da muss ich Ihnen widersprechen. Was Sie auf dem Video gesehen haben,
ist ein Ausschnitt, nicht der Gesamteinsatz.
Diese Argumentation hinkt. Das Video beginnt bei der Festnahme. Sie
schrieben, Sie seien dann in der Folge von 30 bis 40 Personen
angegriffen worden. Was in der Folge passiert ist, ist auf dem Video.
Sie sind nicht angegriffen worden.
Sehen Sie, mit der Diskussion über den Polizeieinsatz lenkt man
einzig von den Problemen ab, die in der Reitschule bestehen. Gewalt an
Polizisten wird heute schon als normal angesehen. Aber wenn dann so
eine Sequenz eines Films gezeigt wird, ist das höchst interessant.
Wenn sich Informationen der Polizei als tendenziös herausstellen,
ist das interessant.
Unsere Sichtweise beruht auf den Aussagen mehrerer Mitarbeiter, die vor
Ort waren. In dieser Sache läuft eine Strafuntersuchung. Wir
werden sehen, was dabei herauskommt.
-
Unabhängige Untersuchungen gefordert
Diese Polizeieinsätze gaben in den letzten Monaten zu reden
Am letzten Samstag erstickte die Polizei die unbewilligte Anti-WEF-Demo
im Keim. Sie kesselte die Demonstranten beim Bollwerk ein, nahm sie
fest und brachte sie in den Festhalte- und Warteraum im Neufeld. 172
Personen wurden festgenommen, gegen 153 Personen wird Anzeige wegen
Landfriedensbruch erhoben. Unter anderen die SP und das Grüne
Bündnis stellen die Verhältnismässigkeit des Einsatzes
infrage und fordern eine Untersuchung. In den letzten Monaten kam
mehrmals scharfe Kritik an Polizeieinsätzen auf. So im Sommer, als
sich im Juni Anti-AKW-Aktivisten und im August GSoA-Aktivisten auf dem
Polizeiposten nackt ausziehen mussten. Sicherheitsdirektor Reto Nause
verlangte danach von der Polizei, die Praxis betreffend die Entkleidung
zu überprüfen. Am 10. September hielt die Polizei rund um das
SVP-Familienfest 55 Personen an, 37 wurden weggewiesen, weil sie an
"Anti-SVP- Protestaktionen" teilgenommen hätten. Der Regierungsrat
hiess kürzlich die Beschwerde gegen die Wegweisung eines
Jugendlichen gut. Eine Untersuchung wurde auch gefordert, nachdem die
Polizei mitgeteilt hatte, am 22. September bei einer Verhaftung in der
Reitschule massiv angegriffen worden zu sein. Ein von einem Gast
gedrehtes Video, auf dem ein Teil der Aktion zu sehen ist, zeigt ein
anderes Bild. Im Fall der GSoA befasst sich derzeit die
Oberaufsichtskommission des Grossen Rates mit dem Vorgehen der Polizei.
Sollte es Hinweise auf systemische Mängel geben, könnte die
Untersuchung ausgeweitet werden. Im Grossen Rat ist eine Motion von
Flavia Wasserfallen (SP) hängig, die eine unabhängige
Untersuchung der umstrittenen Polizeieinsätze fordert. Auch
Corinne Schärer (Grüne) hat diese Woche einen Vorstoss
eingereicht, in dem sie eine Aufarbeitung der Einsätze fordert.
(tik)
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BZ 25.1.12
"Ich denke, die Botschaft ist angekommen"
Polizei · Stefan Blättler, Berner Polizeikommandant, nimmt
Stellung zum Demoeinsatz am Samstag und zur Kritik an
Polizeieinsätzen.
Er ist zufrieden mit dem Einsatz seiner Polizisten. Im Interview zieht
Stefan Blättler aus Sicht der Polizei eine positive Bilanz zur
Anti-WEF-Demo. Die Botschaft sei angekommen, sagt er und nimmt auch
Stellung zu den Forderungen nach Untersuchungen von
Polizeieinsätzen. Blättler betont, dass es keine staatliche
Behörde gebe, die bereits so oft und intensiv kontrolliert werde
wie die Polizei. "Das ist auch richtig so, denn die Polizei hat das
Gewaltmonopol." Er wehre sich nicht gegen weitere Kontrollen, sagt der
Polizeikommandant weiter. "Es muss aber auch allen bewusst sein: Wenn
jeder Schritt kontrolliert wird, lähmt das den Betrieb." rahSeite
2 + 3
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Polizeikommandant Stefan Blättler
"Sportevents verursachen viel mehr Aufwand als Demos"
Wer sich von Gewalt distanziere, könne in Bern in aller Ruhe
demonstrieren, sagt Stefan Blättler, Kommandant der
Kantonspolizei, und begründet so den Grosseinsatz am letzten
Samstag. Er weist zudem darauf hin, dass Sportveranstaltungen die
Polizei weit mehr auf Trab halten als Demos.
Herr Blättler, die Polizei hat am Samstag die Anti-WEF-Demo
bereits im Keim erstickt. Wie ist Ihr Fazit des Einsatzes?
Stefan Blättler: Als Polizeikommandant bin ich zufrieden. Es war
ein Grosseinsatz, der aufgrund einer sehr intensiven Lagebeurteilung in
dieser Grösse nötig war. Leider mussten wir davon ausgehen,
dass höchstes Gewaltpotenzial besteht, wenn die unbewilligte Demo
stattfindet. Als Bürger aber finde ich es schade, dass es nicht
möglich ist, seine Anliegen friedlich auf die Strasse zu tragen,
in Form einer ordentlichen Demonstration.
Was wäre denn anders gelaufen, wenn die Organisatoren bei der
Stadt ein Gesuch für die Demo eingereicht hätten?
Das hätten wir im konkreten Fall angeschaut. Vor dem
Anti-WEF-Anlass kamen wir aber gemeinsam mit der Stadt zur
Einschätzung, dass wir aufgrund der massiven Gewaltandrohungen den
Zug nicht laufen lassen wollten.
In Bern liess man schon einige Demozüge laufen, trotz Aufrufen zu
Gewalt. Hat die Polizei ihre Strategie nun grundsätzlich
geändert?
Nein. Aber in diesem Fall hatten wir derart klare Anzeichen, dass uns
nur diese Variante blieb. Bei früheren Gewaltaufrufen, die weniger
drastisch waren, konnten wir annehmen, dass es ruhig bleibt. Das war
dann auch oft so. Die Gruppe allerdings, die wir am Samstag am Bollwerk
anhielten, erbrachte letztlich den Beweis dafür, dass unsere
Einschätzung richtig war. (Anmerkung der Red.: Die Polizei stellte
Helme, Schutzbrillen und Pfeffersprays sicher).
Was war denn der Unterschied zu früheren Aufrufen?
Es gab nicht nur die Aufrufe im Internet. Wir hatten auch Hinweise aus
anderen Kantonen. Diese Infos flossen in die Lagebeurteilung mit ein.
Wollten Sie mit dem Gross- einsatz auch eine abschreckende Wirkung
erzielen? Ich denke, unsere Botschaft ist angekommen. Wer sich von
Gewalt distanziert, kann in Bern in aller Ruhe demonstrieren. Es geht
hier nicht um das Grundrecht auf Demonstrieren oder um
Meinungsfreiheit. Ich bin froh, wenn solche Einsätze nicht an der
Regel sind. Wir haben in Bern eine gut ausgebildete und hohe
Demokultur. 95 Prozent der Demos laufen ohne Polizei ab, und das ist
gut so.
172 Personen wurden am Samstag angehalten, 153 sollen angezeigt werden.
Das bedeutet, dass 19 Personen fälschlicherweise angehalten wurden?
Nein, das bedeutet es nicht. Wir haben ja deutlich mehr Personen
kontrolliert und viele vor Ort entlassen. 172 wurden in den Festhalte-
und Warteraum gebracht. Das heisst noch nicht, dass sie sich etwas
zuschulden kommen liessen. Wenn nichts vorliegt, lassen wir sie in
kürzestmöglicher Zeit wieder gehen. Wir bemühen uns,
speditiv vorzugehen. Ich kann nachvollziehen, wenn sich jemand
darüber beschwert, dass er angehalten wird und deswegen etwa
seinen Zug verpasst. Aber in Einzelfällen lässt sich das
leider nicht komplett ausschliessen.
Wo wurden diese Personen denn angehalten? Mitten in der Stadt?
Das Gros kam aus der Gruppe am Bollwerk. Beim Baldachin hielten wir
zudem 7 Personen an. Dazu kamen einige wenige, die wir unterwegs
angehalten haben, also auf dem Weg zu einer der beiden Gruppen.
Wie bereits einige Male im letzten Jahr kam auch jetzt rasch die Kritik
am Einsatz und der Ruf nach einer Untersuchung. Wie werten Sie dieses
Misstrauen gegenüber der Polizeiarbeit?
Die Forderung nach einer Untersuchung ist schon fast ein Stereotyp.
Aber: Es gibt keine staatliche Behörde, die bereits so oft und
intensiv kontrolliert wird wie die Polizei. Das ist auch richtig so,
denn die Polizei hat das Gewaltmonopol.
Welche Kontrollen sprechen Sie an?
Wir werden kontrolliert von unserer Direktion, vom Parlament und von
der Oberaufsichtskommission des Grossen Rats. Dazu kommt die
institutionelle Kontrolle, denn wir bewegen uns mit Anzeigen wie nach
dieser Demo im gerichtspolizeilichen Bereich. Wer soll da noch
zusätzlich kontrollieren?
Wehren Sie Sich gegen weitere Kontrollen?
Nein. Ich habe absolut nichts dagegen. Was wir machen, muss transparent
sein, nachvollziehbar.
Muss sich die Polizei fast rechtfertigen für ihre Arbeit?
Man ruft heute effektiv schnell nach Kontrolle - oft bereits bevor man
den Gesamtzusammenhang kennt. Das ist das gute Recht jedes
Bürgers. Und jeder Grosseinsatz wird ja auch von uns selber
analysiert. Es muss aber auch allen bewusst sein: Wenn jeder Schritt
kontrolliert wird, lähmt das den Betrieb.
Viele Kontrollen halten die Polizei von ihrem Grundauftrag ab?
Das nicht. Aber man muss den Gesamtzusammenhang sehen: Die Arbeit der
Polizei wird immer stärker verrechtlicht. Was man vor fünf
Jahren noch mündlich verfügen konnte, muss heute schriftlich
erfolgen. Dazu kommen Verschärfungen im Bundesrecht. Es scheint
oft, als sind sich nationale Parlamentarier nicht bewusst, was
Gesetzesänderungen an Mehraufwand bringen. Dies alles führt
dazu, dass ein Polizist seine Zeit noch mehr im Büro verbringen
muss und nicht mehr auf der Strasse ist. Das bringt uns in ein Dilemma.
Dieser Eindruck wurde in einer Umfrage im September bestätigt.
Eine Mehrheit im Kanton Bern fand, die Polizei solle wieder sichtbarer
sein.
Ich teile diese Aussage, wir müssen uns aber einfach die
Realität vor Augen halten. Die Polizeiarbeit wird immer mehr
verreglementiert. Dabei haben wir in der Schweiz ein
Kriminalitätsniveau, das dem europäischen Mittel entspricht.
Und wegen der Präsenz: Junge finden, es habe zu viel Polizisten -
weil sie sich oft an den Hotspots aufhalten.
Ein solcher Hotspot ist in Bern die Reitschule. Im Zusammenhang mit dem
umstrittenen Polizeieinsatz letzten September lehnte Polizeidirektor
Hans-Jürg Käser eine Untersuchung ab. Bedauern Sie das?
Ich nehme es zur Kenntnis. Wie auch den Entscheid der Polizeidirektion,
dass eine Wegweisung beim SVP-Wahlfest von unserer Seite nicht
gerechtfertigt war. Aber im Fall Reitschule läuft ein
Strafverfahren. Das heisst, die Staatsanwaltschaft muss sich mit dem
Einsatz auseinandersetzen.
Eine unabhängige Unter- suchung hätte den Polizei- einsatz im
besten Fall für Sie legitimieren können.
Ich stelle einfach generell fest, dass es bei der Reitschule viele
Vorfälle gab, bei denen die Polizeiarbeit behindert wurde. Nun
suchen Gemeinde, Statthalter und Polizei bekanntlich Lösungen. Ich
begrüsse das ausdrücklich. Es geht ja nicht um die Reitschule
als Institution, sondern darum, Gewalt und strafbare Handlungen
einzudämmen.
Was nützen Massnahmen wie Einschränkungen der Gastro-
bewilligungen, die im Gespräch sind, für die Polizeiarbeit?
Es geht um Regeln und Bewilligungen, die durchgesetzt werden
können. Im Idealfall ist die Reitschule ein Gastrobetrieb wie
jeder andere.
Regeln gibt es schon bisher, aber sie werden nicht durchgesetzt.
Verwaltungsrechtliche Auflagen fehlen bisher in dieser expliziten Form.
Das würde Polizeieinsätze legitimieren. Im Extremfall
könnte der Gastrobetrieb gar nicht mehr geführt werden. So
etwas lässt sich durchsetzen.
Es dürfte aber nichts an der Grundproblematik ändern. Bei den
Flaschenwürfen Anfang Jahr auf vorbeifahrende Autos etwa betonte
die Polizei einmal mehr Schwierigkeiten bei Einsätzen rund um die
Reitschule.
Es gibt tatsächlich Situationen, bei denen wir aufgrund der
Gesamtsituation entscheiden, nicht in die Reitschule zu gehen. Etwa,
wenn wir damit rechnen müssen, dass ein Einsatz in einer
Massenschlägerei endet. Aber es gibt kein Verbot, in die
Reitschule zu gehen.
Dennoch: Das ist doch Kapitulation.
Nein, eine Frage der Verhältnismässigkeit. Wenn die
Bedingungen nicht stimmen, muss man im Einzelfall genau abwägen,
welcher Einsatz möglich ist und welcher zu einer
unüberschaubaren Situation führt.
Wie läuft diesbezüglich die Zusammenarbeit mit den
Behörden, etwa mit der Stadt?
Mit der Stadt Bern läuft sie ebenso gut wie mit allen Gemeinden im
Kanton. Genaueres wird die Evaluation über Police Bern zeigen, die
gegen Ende Jahr fertig gestellt wird.
In wenigen Tagen beginnt die Fussballmeisterschaft wieder. Ähnlich
wie bei der Reitschule versuchen die Behörden seit langem,
Lösungen zu finden, um Ausschreitungen zu verhindern. Was erhoffen
Sie Sich davon?
Bis jetzt gilt das Konkordat der Konferenz der kantonalen Justiz- und
Polizeidirektorinnen und -direktoren. Nun sieht eine neue Fassung eine
Verschärfung der jetzigen Praxis im Umgang mit renitenten
Fussball-anhängern vor. Die Politik muss entscheiden, ob sie der
Verschärfung zustimmen will.
Welche Anlässe verursachen den grösseren Polizeiaufwand:
Sportveranstaltungen oder die Demos mit Grossaufgeboten?
Man muss sehen: Kein Kanton ist von Sportanlässen so belastet wie
Bern. Wir haben sieben Vereine, für die es regelmässig ein
Dispositiv braucht. Daran lässt sich erkennen: Der Polizeiaufwand
für Sportveranstaltungen im Kanton ist wesentlich höher als
jener für Demonstrationen. Da hilft ein Fantrennungszaun, wie wir
ihn beim Stade de Suisse aufstellten, enorm viel. Er hilft schlicht und
einfach, Mannstunden zu sparen.
Erkennen Sie Fortschritte in einem gemeinsamen Auftritt der beteiligten
Parteien?
Ja, tatsächlich. Nehmen Sie die Verschiebung von YB - Basel von
Freitag auf Donnerstag als Beispiel. Sogar die Liga war einverstanden.
Solche Entscheide erleichtern unsere Arbeit ungemein.
Interview: Wolf Röcken, Ralph Heiniger
---
Bündner Tagblatt 25.1.12
Occupy WEF: Kritik und tägliche Aktionen
Die Occupy-Bewegung bedauert, dass die am Wochenende in Bern
durchgeführte Kundgebung gegen das WEF durch massives
Polizeiaufgebot im Keim erstickt worden ist, wie sie in einer
Mitteilung schreibt. Die Vorgänge in Bern werden von der Bewegung
als Versuch gedeutet, die freie Meinungsäusserung massiv
einzuschränken, da nur schon der Verdacht auf eine Teilnahme am
Protest genügt habe, um verhaftet zu werden. So seien zwei Frauen
der Bewegung direkt auf dem Bahngleis festgenommen worden mit der
Begründung, dass der türkisfarbene Schal als
Vermummungsmaterial dienen würde. Zudem verurteilt Occupy WEF die
Anzeigen wegen Landfriedensbruchs gegen 153 Demonstranten als klaren
Einschüchterungsversuch sowie als Kriminalisierung der
Protestierenden.
Mit täglichen Aktionen will die Occupy-Bewegung, die auf dem
Parkplatz der Parsennbahnen ein Iglu-Protestcamp errichtet hat, nun
weltweit auf das ihrer Meinung nach "antidemokratische WEF" in Davos
aufmerksam machen. Bereits im Vorfeld wurden mit Sirup in grossen
Lettern die Leitsprüche der Bewegung in Bezug auf das WEF in den
Schnee gemalt. Es sind Botschaften wie "Respect Existence or Expect
Resistance", "Don't Let Them Decide For You", "Another World Is
Possible", "WEF = Democracy?" oder - in Anspielung auf das Motto des
WEF - "Great Transformation = Great Revolution", die laut Mitteilung
nun gross und für alle sichtbar in Davos in den Schnee geschrieben
sind. Des Weiteren ruft die Bewegung dazu auf, "die Ungerechtigkeiten
des WEF nicht länger zu tolerieren und nach Davos zu reisen, um
gewaltlos und kreativ auf die Missstände aufmerksam zu machen".
Von der Polizei wiederum werde erwartet, dass sie Protestierenden ihre
demokratisch garantierte freie Meinungsäusserung nicht beschneide
und alle Menschen nach Davos reisen lasse.
Occupy WEF solidarisiert sich gemäss Mitteilung mit der weltweiten
Protestbewegung, die sich gegen das global marode Finanzsystem auflehnt
und für neue Lösungen im wirtschaftlichen, politischen und
gesellschaftlichen Zusammenleben einsteht. (bt)
---
BZ 25.1.12
Doch wieder Partys?
Kornhaus · Nun braucht es offenbar doch kein Fumoir im Kornhaus.
Ob das heisst, dass wieder Partys stattfinden, soll ein runder Tisch
klären.
Im Kornhausforum kann grundsätzlich doch weitergefeiert werden -
dies nachdem letzte Woche noch das Aus für Partys verkündet
worden war. Die Gewerbepolizei beharre nun nicht mehr auf einem Fumoir,
sagte Gemeinderat Reto Nause gegenüber dem "Bund". Damit
wären Partys wieder möglich - wenn im Haus nicht geraucht
wird und die Security draussen für Ruhe sorgt. Ob es aber
tatsächlich wieder Partys gibt, ist unklar. "Wir wollen zuerst mit
allen Beteiligten an einen Tisch sitzen", sagt Bernhard Giger, Leiter
des Kornhausforums. Gleich tönt es beim bisherigen Veranstalter
Ammonit, wo man die Nachricht "erfreut, aber auch mit Skepsis"
aufgenommen hat. Der Anlass an Ostern ist in die Grosse Halle der
Reitschule umgebucht worden, sagt Fabian Wyssbrod von Ammonit. Für
die weitere Zukunft warte man nun die Gespräche ab. wrs
---
20 Minuten 25.1.12
Nause: Ja zu Kornhaus-Partys
Bern. Der Verein Nachtleben Bern ist überrascht von der Kehrtwende
im Fall Kornhaus-Partys. Wie Gemeinderat Reto Nause gestern im "Bund"
eröffnete, dürfen die Partys weiterhin stattfinden. Zufrieden
ist der Verein deswegen aber nicht: Dem Lippenbekenntnis müssten
die Behörden nun Taten folgen lassen und Rechtssicherheit
schaffen. Auch Veranstalter Simon Ragaz lässt sich damit nicht
ködern: Vorerst kehren seine Partys nicht zurück.
---
Indymedia.ch 25.1.12
https://switzerland.indymedia.org/de/2012/01/85133.shtml
Bullenposten Bümpliz eingefärbt
AutorIn : Deckt jedes Bullenschwein mit Farbe ein
In der Nacht vom 24. auf den 25. Januar haben wir den Bullenposten in
Bümpliz mit Farbe verschönert!
Insbesondere im letzten Jahr hatten wir zunehmend mit Repression zu
kämpfen. Der Staat lässt keine Kritik am System zu.
Gewaltvolle Auflösungen von Demonstrationen waren keine
Seltenheit. (Antirep-Demo, Solikundgebung vor Spanischer
Botschaft/Tramdemo, Anti-WEF Demo). Hinzu kamen die Räumung des
AKW-Camps, das Grossaufgebot und die damit verbundenen Schikanen am
SVP-Fest sowie Übergriffe von Zivilpolizisten in der Reitschule.
Dies sind nur einige nennenswerte Beispiele.
Wir verstehen unsere Aktion aber nicht nur als eine Reaktion auf die
Polizeirepression, sondern kritisieren deren Funktion als solche.
Durch das Gewaltmonopol der Polizei ist der Staat in der Lage seine
Interessen, wie Eigentumsansprüche oder Gesetze, zu schützen
und durchzusetzen. Der "Schutz" der Bevölkerung steht dabei jedoch
im Hintergrund.
Ihr seid eingeladen die Farbenpracht in Bümpliz zu bewundern und
euch davon inspirieren zu lassen (Anti-WEF Aktionswoche).
Bullenstaat, Bonzenstaat - wir haben dich zum Kotzen satt!
---
facebook.com 24.1.12
https://www.facebook.com/pages/Stoppt-das-Clubsterben-Pro-Nachtleben-Bern/259094640782865
Stoppt das Clubsterben - Pro Nachtleben Bern
Zugeständnis Kornhausforum - den Lippenbekenntnissen Taten folgen
lassen
Positiv überrascht hat der Verein "Nachtleben Bern" die Wende im
Fall Kornhaus zur Kenntnis genommen. Es liegt nun an den
zuständigen Behörden, diesen Lippenbekenntnissen Taten folgen
zu lassen. Denn nach wie vor sehen sich Kulturschaffende in der
Hauptstadt mit übertriebener Bürokratie und fehlender
Rechtssicherheit konfrontiert.
Taten folgen lassen - Rechtssicherheit schaffen
Die teilweise widersprüchlichen und vielschichtigen Auflagen
zeigten sich nach den Geschehnissen rund um Sous Soul und Wasserwerk
auch im Kornhausforum. Mit der geltenden Praxis fehlt den Betreibern
und Veranstaltern von Lokalen, Clubs und Bars jegliche
Rechtssicherheit. Der Wille, Investitionen zu tätigen wird durch
die ständige Ungewissheit, ob der Betrieb aufrechterhalten werden
kann, eingeschränkt.
Partymeilen schaffen neue Probleme ohne die bestehenden zu lösen
Die Antwort des Gemeinderates auf die letzte Woche beantwortete
Interpellation "Lässt der Gemeinderat das Berner Nachtleben - und
damit die Klubkultur - einfach "vor die Hunde gehen" oder gedenkt er
jetzt endlich das Heft in die Hand zu nehmen?" lässt leider
erahnen, dass der "lauten Kultur" auch künftig nicht genügend
Rechnung getragen wird. Insbesondere der darin enthaltene Vorschlag zur
Schaffung weiterer "Partymeilen" wäre ein Schritt in die falsche
Richtung. Die Schaffung solcher Ausgehmeilen klingt im ersten Moment
verlockend, wirft aber Fragen auf und schafft neue Probleme ohne die
bestehenden zu lösen:
Auch mit der Schaffung weiterer Ausgehmeilen wären elementare
Forderungen der Petition "pro Nachtleben Bern" bzw. entsprechende
Bedürfnisse der Kulturschaffenden nicht berücksichtigt. Auch
in Ausgehmeilen können mehrjährige Rechtsstreits angestossen
werden. Zudem treffen hier die unterschiedlichsten Clubs mit der
unterschiedlichsten Klientel zusammen - dies birgt sozio-kulturellen
Sprengstoff. Und die Zukunft für all jene Lokale, welche
ausserhalb dieser neuen Ausgehmeilen liegen, wäre weiterhin
unsicher.
Aktion vorerst vertagt
Die letzte Woche angekündigte Aktion wird vorerst auf später
verlegt. Dies gibt den Organisatoren Zeit, die Aktion sauber
vorzubereiten, möglichst breit abzustützen und mit einer
entsprechend klaren Botschaft zu versehen. Den eines ist klar: Die
Geschehnisse der letzten Tage waren ein Tropfen auf den heissen Stein,
nicht mehr und nicht weniger. Wir erwarten weiterhin die Umsetzung der
in der Petition geäusserten Forderungen!
---
derbund.ch 24.1.12
Keine kurzfristige Rückkehr der Kornhaus-Partys
Im Kornhausforum darf nach der Aufhebung der Fumoir-Pflicht weiter
gefeiert werden. Trotzdem werden die beliebten Partyreihen kurzfristig
nicht zurückkehren - und der Verein Pro Nachtleben äussert
sich skeptisch.
Im Kornhausforum darf weiter gefeiert werden: Die Gewerbepolizei
beharre nicht länger auf einem Fumoir, sagt Gemeinderat Reto Nause
im "Bund"-Interview. Somit könnten die Partys auch ohne Fumoir
weiterhin stattfinden.
Trotz diesem Entscheid der Gewerbepolizei werden die Partyreihen der
Berner Eventfirma Ammonit kurzfristig nicht ins Kornhausforum
zurückkehren.
Rundumschlag machte vieles kaputt
Simon Ragaz von Ammonit zeigt sich zwar erfreut über die
Rückendeckung der Gewerbepolizei und des
Regierungsstatthalteramts. Doch der Rundumschlag der
Liegenschaftsverwaltung, die das Kornhausforum vermietet, habe letzte
Woche zu viel kaputt gemacht. "Da wir langfristige Verträge zu
erfüllen haben, mussten wir uns nach Ersatzlocations umsehen
für die Veranstaltungen vom Frühling und Herbst", sagt Ragaz
auf Anfrage von DerBund.ch/Newsnet.
Im Frühling werden die Ammonit-Partys nun in der Grossen Halle der
Reitschule stattfinden - mit einem der grösseren Location
angepassten Programm. Für die Herbst-Partys werde noch ein Ort
gesucht.
Keine Auswirkung aufs Buskers
Ähnlich fallen die Reaktionen beim Kornhausforum aus. Der Leiter
Bernhard Giger zeigt sich gegenüber DerBund.ch/Newsnet positiv
überrascht: "Das ist eine wahnsinnige Wende, die wir nicht
erwartet hätten. Es ist toll zu spüren, dass uns doch
Vertrauen entgegengebracht wird."
Die Reaktion der Gewerbepolizei sei so prompt gekommen, dass man nun
wieder neu planen müsse. "Wir wollen an einem runden Tisch mit
allen Beteiligten sprechen." Giger geht aber grundsätzlich davon
aus, dass durch diesen Entscheid künftigen Partys im Kornhausforum
nichts im Wege steht.
Dies ist auch aus finanzieller Sicht wichtig für die Institution.
Die Veranstaltungsreihe generierten rund einen Drittel der
Mieteinnahmen des Kornhausforums, so Giger.
Für das Strassenmusikfestivals Buskers, das jeweils sein
Abschlussfest im Kornhausforum abhält, gibt Giger grünes
Licht: "Ich denke nicht, dass es für diese Veranstaltung Probleme
gibt."
Aktion am Samstagabend - voraussichtlich
Etwas skeptischer gibt sich Thomas Berger vom Verein Pro Nachtleben
Bern. Für ihn ist es mit dem Fumoir-Verzicht noch nicht getan: "Es
ist ein Schritt in die richtige Richtung. Doch diese Lippenbekenntnisse
müssen jetzt in die Tat umgesetzt werden."
Um dieser Forderung Nachdruck zu verleihen, steht nach wie vor eine
Aktion im Raum, die auf die Missstände im Berner Nachtleben
hinweisen soll. Heute Abend trifft sich der Verein zu einer Sitzung, um
zu beschliessen, ob der Event durchgeführt wird.
Falls sich der Verein dafür entscheidet, würde die Aktion am
kommenden Samstagabend stattfinden. Ein solcher Anlass habe auch nach
Reto Nauses Ankündigung ihre Berechtigung, so Thomas Berger. Denn
nach wie vor fehle die Sicherheit, dass es "morgen nicht den
nächsten Club in Bern erwischt".
(bs/dam/)
---
Bund 24.1.12
Im Kornhaus darf weiter gefeiert werden
Gemeinderat Reto Nause (CVP) hat eine gute Nachricht für alle
Berner Nachtschwärmer: Im "Bund"-Interview erklärt er, dass
die Gewerbepolizei nicht länger auf einem Fumoir für das
Kornhausforum beharrt. Das bedeutet, dass das letzte Woche vermeldete
Ende der beliebten Partyreihe hinfällig ist. Jedoch weist Nause
auch darauf hin, dass Lösungen nicht überall so einfach zu
bewerkstelligen sind.
Den Einsatz der Polizei an der Anti-Wef-Demo beurteilt Nause weiterhin
als Erfolg. "Es gab keine Sachbeschädigungen." Nause widerspricht
auch dem Vorwurf, Bern sei von Polizeikräften lahmgelegt worden.
(len) - Seite 20
-
"Die Dichte an Clubs ist beträchtlich"
Bern sei für Partyveranstalter und Clubbetreiber kein schlechtes
Pflaster, stellt Gemeinderat Reto Nause im Interview fest.
Jüngster Beweis: Im Fall des Kornhausforums hat die Gewerbepolizei
eingelenkt.
Interview: Hanna Jordi, Christoph Lenz
Herr Nause, in den letzten Wochen haben mit dem Sous-Soul und dem
Kornhausforum gleich zwei Kulturveranstalter die Segel gestrichen. Ist
es für Partyveranstalter und Clubbetreiber schwieriger geworden,
in der Stadt Bern zu geschäften?
Diesen Eindruck habe ich nicht. Das Sous-Soul ging zwar zu, derweil
sind aber auch neue Clubs entstanden, etwa im Bollwerk. Wer sich an
einem Samstagabend in der Stadt bewegt, der registriert massenhaft
Partygänger - Bern ist ein Publikumsmagnet in dieser Hinsicht. Die
Dichte an Bars, Restaurants und Clubs ist beträchtlich für
eine Stadt mit 138 000 Einwohnern. Die Veranstalter sehen sich zum Teil
aber mit grotesken Situationen konfrontiert, aktuell das Kornhausforum:
Während die Gewerbepolizei ein Fumoir verlangt, untersagt es die
städtische Liegenschaftsverwaltung. Ich habe nichts dagegen, wenn
man im Kornhausforum ein Fumoir einbaut. Häufig entstehen
Nutzungskonflikte zwischen Anwohnern und Clubbetreibern dann, wenn sich
ein Betrieb verändert: Was vielleicht früher eine Lounge mit
Hintergrundmusik war, ist heute ein Club, der laute Musik spielt und
eine Tanzfläche hat. Die Massnahmen, die das
Regierungsstatthalteramt verfügt - etwa bauliche Anpassungen oder
Lärmbegrenzungen - sind dazu da, die Nutzungskonflikte zu
verringern.
Im Fall des Sous-Souls musste allerdings ein Club weichen, weil eine
neu hinzugezogene Mieterin den Lärm beklagte. Besteht hier nicht
ein Missverhältnis?
Das ist tatsächlich eine schwierige Ausgangssituation. Allerdings
sind uns die Hände gebunden: Das Umweltrecht hält fest, dass
jeder Anwohner ein Lärmbeschwerderecht hat. Ob er sich über
Kirchenglocken beschwert oder zu laute Musik, spielt keine Rolle. Wird
ein gewisser Lautstärkepegel überschritten, kommt es zu einem
regulären Verfahren. Umgehen liesse sich dieser Ablauf nur, wenn
im betreffenden Gebiet die Wohnzonen eliminiert würden. Aber
dafür würde sich - gerade in der unteren Altstadt - wohl
keine Mehrheit finden.
Muss, wer neben einen Club zieht, nicht mit Lärmemissionen rechnen?
Vielmehr muss ein Veranstalter in der Stadt Bern damit rechnen, dass
ein Mieter klagt: Betriebe mit Überzeitbewilligung sind in der
unteren Altstadt eigentlich zonenfremd - es handelt sich um eine
gemischte Wohnzone der Lärmempfindlichkeitsstufe II. 2006 haben
die Bernerinnen und Berner in der revidierten Bauordnung entschieden,
dass die bestehenden Betriebe entgegen dem Zonenplan bleiben
dürfen.
Im Fall des Bonsoirs ist der klagende Mieter ausgezogen - und trotzdem
behandelte das Regierungsstatthalteramt die Lärmklage weiter.
Stört Lärm auch dann, wenn niemand da ist, den es stört?
Nein, das würde ich nicht sagen. Aber die Stadt hat die Pflicht,
den Beschwerden von Anwohnern nachzugehen. Die grosse Kunst am
Nachtleben ist es, die verschiedenen Interessen aneinander
vorbeizubringen.
Wie, glauben Sie, können Wohnen und Nachtleben in Einklang
gebracht werden?
Es braucht eine gute Zusammenarbeit zwischen Clubbetreibern und
Liegenschaftsverwaltung, Investitionen in die Infrastruktur, ein
Securitykonzept und es gilt, das Vertrauen der Anwohner zu gewinnen.
Fühlen sich die Nachbarn ernst genommen, sind die Probleme mit den
Clubs meist minim.
Offenbar zieht der Gemeinderat eine neue Ausgehmeile nach dem Vorbild
der Aarbergergasse in Erwägung. Wo könnte eine solche liegen?
Wir prüfen derzeit, ob es möglich ist, den Ausgang in Berns
Stadtplanung einzubeziehen: Denkbar sind Gewerbezonen nach dem Vorbild
des Bahnhofs oder des Wankdorfs, in denen Clubs relativ ungestört
und wenig störend wirtschaften können. Bern hat da einiges
Potenzial. Das liegt dann allerdings in der Kompetenz der Stadtplanung.
Auch in Partymeilen bleiben die Probleme nicht aus - im Gegenteil.
Trägt das Sicherheitskonzept in der Aarbergergasse bereits
Früchte?
Es ist natürlich noch zu früh, um eine verbindliche Aussage
zu machen. Die Zusammenarbeit entwickelt sich aber vielversprechend:
Die Clubbetreiber nehmen ihre Verantwortung wahr und sorgen dafür,
dass die Gasse als Ganzes aufgewertet wird. Eine ähnliche
Strategie liesse sich vermutlich auch in anderen Stadtteilen anwenden.
Der Gemeinderat will nun prüfen, ob die Kornhausforum-Betreiber
doch noch ein Fumoir einbauen dürfen. Wie schätzen Sie die
Chance ein?
Da gibt es Neues zu vermelden: Die Gewerbepolizei beharrt beim
Kornhausforum nicht länger auf einem Fumoir - sofern die
Veranstalter sicherstellen, dass die Security ab fünf Uhr morgens
für Ruhe vor dem Haus sorgt.
Das heisst, die Partyreihe kann auch ohne Fumoir weiterhin stattfinden?
Ja, die Veranstalter wurden am Montagmorgen informiert.
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20 Minuten 24.1.12
http://www.20min.ch/news/bern/story/Zwangsraeumung-fuer-Reitschule--22781396
Zwangsräumung für Reitschule?
BERN. Noch immer keine Lösung für die Reitschule: Rechte
Politiker
fordern den sofortigen Rausschmiss und auch der Kanton übt Kritik
am
Vorgehen der Stadt.
Noch immer ziert keine Unterschrift den verkürzten
Leistungsvertrag der
Reitschule. Während die Betreiber mit der Stadt verhandeln, wird
die
Kritik immer lauter - vor allem weil die Stadt trotz fehlender
Unterschrift die Miete fürs erste Quartal überwiesen hat.
Auch beim Kanton ist man offenbar nicht sehr glücklich über
den
Beschluss der Stadt: "Ich hätte mir vorstellen können, dass
man einen
anderen Entscheid fällen würde", so Regierungsrat
Hans-Jürg Käser im
Interview mit der "Berner Zeitung".
Andere Politiker fordern den sofortigen Rausschmiss der
Reitschüler.
SVP-Grossrat und Reitschul-Gegner Erich Hess: "Es ist eine Frechheit,
dass die Stadt überhaupt noch verhandelt." Er werde das Geschehen
verfolgen und allenfalls mit Vorstössen auf kantonaler Ebene Druck
machen. "Ohne Leistungsvertrag kein Geld", findet auch SVP-Stadtrat
Roland Jakob. "Wenn die Reitschule die Bedingungen nicht erfüllt,
muss
man das Gesetz walten lassen." In einer Motion fordert er die
Kündigung
des Mietverhältnisses und falls nötig eine
Zwangsräumung. Weiter
verweist er auf den Stapi: "Alexander Tschäppät sollte
endlich Farbe
bekennen."
Reitschule und Stadt schweigen derweil weiterhin und verweisen auf die
laufenden Verhandlungen.
Nathalie Jufer
-
Neues Theater statt Flickwerk
Bern. Klein, aber fein: so stellt sich die Berner Stadträtin
Daniela
Lutz-Beck (GFL) das neue Stadttheater vor. Sie verlangt mit einem
Vorstoss, dass der Gemeinderat neben der Sanierung des maroden
Gebäudes
auch einen Neubau ins Auge fasst. "Vielleicht sogar auf der
Schützenmatte, so entstünde vom Kunstmuseum bis zur
Reitschule eine
Kulturmeile", sagt Lutz-Beck. Das vor 110 Jahren erbaute Stadttheater
werde den heutigen Anforderungen weder ökologisch und
betriebstechnisch
noch bezüglich der Zuschauerbedürfnisse gerecht. "Es reichen
halb so
viele Sitzplätze, dafür mit mehr Komfort und besserer Sicht."
Wichtig
sei der öffentliche Zugang: "Es braucht einen Theatershop und ein
Café
oder Restaurant, das täglich durchgehend geöffnet ist."
Für einen
Neubau sprechen laut Lutz-Beck auch verschiedene Studien, die von
weiteren Investitionen in das bestehende Haus abraten. MAr
---
Bund 24.1.12
Anti-WEF-Demonstration
Sicherheitsstrategie: Kein Patentrezept für künftige Demos
Ob die Festnahmen im Zusammenhang mit der Anti-WEF-Demo rechtens
verliefen, kann Sicherheitsdirektor Reto Nause nicht beurteilen.
Für rund hundert Teilnehmer der Anti-WEF-Demo vom Samstag endete
die Kundgebung bereits am Bollwerk; bis zum Abend waren insgesamt 172
Personen im Warte- und Festhalteraum im Neufeld untergebracht, wo es
schliesslich zu Tumulten kam (siehe "Bund" von gestern). 153 Personen
wurden wegen Landfriedensbruch verzeigt.
Trotz dieser Nebengeräusche bekräftigte der
Sicherheitsdirektor gestern auf Anfrage seinen positiven Eindruck vom
samstäglichen Polizeieinsatz: "Das Ziel, keine unbeteiligten
Dritten zu Schaden kommen zu lassen und Sachschäden zu verhindern,
haben wir erreicht", sagt Reto Nause (CVP).
Erinnerungen an das SVP-Fest
Wird die Sicherheitsstrategie vom Samstag nun zum Patentrezept für
potenziell eskalierende Demonstrationen erhoben? Nause verneint. Jede
künftige Demo werde als Einzelfall behandelt: "Das Vorgehen
hängt davon ab, welche Dynamik im Vorfeld erwartet werden kann."
Die Anti-WEF-Demo als Kundgebung mit einer "einschlägigen
Vergangenheit", was das Gewaltpotenzial angeht, habe ein
Polizeiaufgebot von mehreren Hundert Polizisten erfordert. Erst letzte
Woche sorgte ein ähnliches Grossaufgebot der Polizei für
einen harschen Verweis von oben: Regierungsrat Hans-Jürg
Käser rügte das Vorgehen der Polizei am SVP-Fest im September
scharf. Um mögliche Gegendemonstrationen im Keim zu ersticken,
hatte die Polizei unter anderem Wegweisungen verfügt - dies, ohne
die Betroffenen über den Grund ihrer Wegweisung zu unterrichten.
Ob der Kantonspolizei am Samstag ähnliche Fehler unterliefen,
vermochte Nause gestern nicht zu beurteilen - für die Details zum
Polizeieinsatz verweist er an die Kantonspolizei. Allerdings habe die
Kritik der Vorwoche bereits für Anpassungen bei der Polizei
gesorgt: "Meines Wissens wurde die interne juristische Kontrolle
personell verstärkt", so Nause. (hjo)
---
BZ 24.1.12
Deshalb konnte Stauffacher demonstrieren
Anti-wef-Demo · Aktivistin Andrea Stauffacher wurde im November
vom Bundesstrafgericht wegen Sprengstoffdelikten verurteilt. Weil das
Urteil noch nicht rechtskräftig ist, konnte sie am Samstag in Bern
demonstrieren.
Ihr Gesicht ist in der linksextremen Szene bekannt: Mit Andrea
Stauffacher war am Samstag die wohl prominenteste Exponentin des
Revolutionären Aufbaus Schweiz an der Anti-WEF-Demo beteiligt. Im
November 2011 wurde sie vom Bundesstrafgericht zu einer unbedingten
Freiheitsstrafe von 17 Monaten verurteilt.
Das Bundesstrafgericht sprach die 61-Jährige wegen Gefährdung
durch Sprengstoff beim Spanischen Generalkonsulat in Zürich und
einem Gebäude der Zürcher Kantonspolizei schuldig. Dieses
Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig. Deshalb konnte sie
am Samstag an der Anti-WEF-Demo teilnehmen. Die schriftliche
Urteilsbegründung liegt bis dato nicht vor. Gemäss
Bundesstrafgericht wird diese voraussichtlich im Februar an die
Parteien verteilt. Danach kann Stauffacher innert 30 Tagen Beschwerde
vor dem Bundesgericht einlegen.
Kurz nach dem Schuldspruch im November haben Unbekannte die Fassade der
Bundeskriminalpolizei in Zürich mit roter Farbe verschmiert. Die
Polizei vermutet, dass die Täter aus dem linksautonomen Umfeld
stammen.
Nause: "Nicht entscheidend"
Für Berns Sicherheitsdirektor Reto Nause war aber Stauffachers
Auftritt an der Anti-WEF-Demo nicht entscheidend für den Einsatz
der Polizei. "Entscheidend waren die vielen Gewaltaufrufe im Internet
und dass sich Demonstranten nie von diesen Aufrufen distanziert haben."
Auch die Kontaktaufnahme mit den Organisatoren via E-Mail - in anderen
Fällen ein erfolgreiches Vorgehen - habe nicht geklappt. Die
Anwesenheit von Stauffacher sei ein Beleg für die Militanz der
Demonstranten, so der Sicherheitsdirektor. "Für diejenigen, welche
die Polizei beim Bollwerk angehalten hat, standen nicht politische
Motive im Vordergrund", sagt er und verweist auf ihr Equipment: Die
Polizei hat Helme, Masken, Petarden und Pfeffersprays beschlagnahmt.
Ein Monat bis mehrere Jahre
Insgesamt hat die Polizei 153 Anzeigen wegen Landfriedensbruchs in
Aussicht gestellt. Laut Gesetz macht sich jemand des Landfriedensbruchs
strafbar, der an einer "öffentlichen Zusammenrottung teilnimmt,
bei der mit vereinten Kräften gegen Menschen oder Sachen
Gewalttätigkeiten begangen werden". Einige Demonstranten werden
sich zudem wegen Gewalt und Drohung gegen Beamte, Verstosses gegen das
Waffengesetz und Widerhandlungen gegen das Vermummungsverbot
verantworten müssen (wir berichteten). Wie Christof Scheurer,
Sprecher der Berner Staatsanwaltschaft, sagt, muss jeder Fall einzeln
behandelt werden. Einige werden innert einem Monat erledigt sein,
andere dürften Jahre dauern. Ralph Heiniger
---
Bund 24.1.12
Leserbriefe
Anti-WEF-Demo Polizei so weit das Auge reicht, "Bund" vom 23. Januar
"Überdimensionierter Einsatz"
Welchen Zweck verfolgt die Polizei mit solchen Vorgehen?
Drei Tage nachdem der Berner Regierungsrat Hans-Jürg Käser
die Kantonspolizei wegen willkürlichen Verhaltens anlässlich
der SVP-Veranstaltung vom vergangenen Oktober zurückgepfiffen hat,
leistet sich die Polizei bereits wieder einen Akt der vollkommenen
Willkür.
Ich frage mich: Was gibt der Polizei das Recht, Übergriffe wie am
letzten Samstag auszuüben, noch bevor eine Demonstration
überhaupt angefangen hat? Das völlig überdimensionierte
Polizeiangebot wirkte gegenüber der kleinen Zahl
demonstrationswilliger Personen geradezu grotesk. Welchen Zweck
verfolgt die Polizei mit einem solchen Vorgehen?
Ich werde den Verdacht nicht los, dass es gezielt darum geht,
Jugendliche einzuschüchtern und sie anschliessend zu
kriminalisieren. Jugendliche, die Demonstrationen als Weg
benützen, ihre freie Meinung über etwas wie ein WEF zu
äussern, müssen damit rechnen, dass sie im Strafregister
eingetragen werden. Dass dies zur Hypothek für ihre beruflichen
Karrieren und zum Hindernis bei der Suche einer Wohnung werden kann,
gehört offenbar zum Kalkül.
Das dürfen wir nicht zulassen. Die Polizei muss einen anderen,
konstruktiven Weg der Annäherung zu demonstrierenden Jugendlichen
finden. Ich bin überzeugt, sie hätte die Mittel dazu.
Anna Paula Sardenberg, Bern
Übertriebene Peinlichkeit
Der überdimensionierte Einsatz der Polizei am letzten Samstag vor
der Heiliggeistkirche war, wenn man die Tragik dieser
Machtdemonstration mal ausser Acht lässt, von einer kaum zu
überbietenden Peinlichkeit.
Da stand ein Grüppchen offensichtlich nicht gewaltbereiter
Menschen, von der Polizei willkürlich zusammengepfercht und
eingekesselt, einer Übermacht an offensichtlich durchaus
gewaltbereiten Staatsbeamten gegenüber. Und anstatt auf diese
kolossale Fehleinschätzung mit der einzig vernünftigen Aktion
zu reagieren, nämlich diese Einkesselung aufzuheben, wurde per
Megafon mitgeteilt, dass jetzt eine Personenkontrolle (mit Arme heben
und abtasten) durchgeführt werde. Worauf die ersten - O-Ton:
"Frauen und Kinder zuerst" - einzeln raus durften. Das zog sich dann
noch mehr als eine Stunde hin und gipfelte für jede einzelne
Person in einer Wegweisung aus der Innenstadt bis Sonntag früh.
Auch für jene wohlgemerkt, die es nur zufällig erwischt hatte
und die mit der Anti-WEF-Demo gar nichts am Hut hatten. Und das waren
nicht wenige der Eingekesselten. Das waren Personen, die zur "falschen
Zeit" vom Loeb Richtung Bahnhof unterwegs waren; die also nicht
wussten, was ihnen hier geschieht.
Ich bin für absolute Gewaltlosigkeit, aber wenn die Polizei so
weiter macht, gehen mir langsam die Argumente aus.
Armin Kopp, Bern
---
BZ 24.1.12
Online
Anti-WEf-Demo in Bern
Lob und Tadel wegen Polizeieinsatz
Die Polizei hat am Samstag mit einem massiven Aufgebot die
Anti-WEF-Demo in Bern im Keim erstickt. Dies hat zu zahlreichen
Kommentaren auf dem Onlineportal Bernerzeitung.ch geführt:
Martin Lerch: Eine halbe Million Franken für den Polizeieinsatz
dividiert durch 150 verhaftete Chaoten = 3000 Stutz und etwas Ungerades
pro Person. Die Adressen sind bekannt, also verschickt die Rechnung.
Ronnie König: Schicken Die die Rechnung doch ans WEF. Was glauben
Sie eigentlich, was uns das WEF eigentlich kostet? Für
Bedürftige hat es immer weniger Geld, und für die
Mächtigen und Reichen tut man alles. Also auf diese Rechnung kommt
es dort nicht an.
Bernhard Eicher: Das polizeiliche Aufgebot war leider nötig,
kursierten im Vorfeld doch massive Gewaltandrohungen. Friedliche
WEF-Kritiker dürfen in Bern selbstverständlich demonstrieren,
Krawallmacher darf man aber nicht durch die Stadt ziehen lassen. Was
gerne vergessen geht: Hunderte von Polizistinnen und Polizisten haben
ihren Samstag für Berns Sicherheit geopfert: Dafür herzlichen
Dank!
Sven Weber: Kompliment. Mit massivem Polizeiaufgebot und Riesenaufwand
ein paar verstreute linke Krawallmacher dingfest gemacht: Das
dürfte auch ganz im Sinne derjenigen Eliten sein, welche die
arbeitende Bevölkerung um Milliarden betrügen. Natürlich
ungestraft. Die Behörden sind ja voll damit ausgelastet,
heimtückische Aktivisten zu jagen.
Andreas Fankhauser: Die Demo, für welche kein Gesuch gestellt
worden ist, wurde unterbunden, und es gab keine
Sachbeschädigungen. Ziel erreicht. Weiter so!
Mona Kosnac: Haben die Demonstranten Gewalt in irgendeiner Form
tatsächlich angewendet? Nein, ein klares Nein einer Augenzeugin.
Die Demo verlief 100 Prozent friedlich. Bis die Polizei zum "Handeln"
aufbrach…
René Reinhard: Seltsam. Warum kamen mir nach dem Lesen der
Artikel spontan Länder wie etwa Russland oder die Ukraine in den
Sinn?
Fabian Bader: Es erstaunt mich, dass noch niemand das grosse
Polizeiaufgebot kritisiert hat. Genau diejenigen, welche letztes Jahr
das Polizeiaufgebot am Familienfest der SVP kritisierten, sollten doch
jetzt schon längst einen Kommentar geschrieben haben.
Carlo Schneider: Die grosse Schweizer Januarrevolution wurde unblutig
niedergeschlagen - das WEF kann kommen.
Manuel C. Widmer: Am erschreckendsten an der ganzen Diskussion ist, wie
viele Leute in puren Schwarz-Weiss-Schemen denken, fremde Ansichten
für falsch, statt für anders halten und die eigene für
die einzig richtige.
Gery Weibel: Für einmal hat eine unbewilligte Demo nicht riesige
Schäden verursacht, sondern ist schlicht und einfach in die Hose
gegangen. Ich mag mich darüber nicht aufregen.
---
derbund.ch 23.1.12
"Die Stadt war keineswegs lahmgelegt"
Interview: Hanna Jordi, Christoph Lenz.
Sicherheitsdirektor Reto Nause verteidigt den Polizeieinsatz vom
Samstag: Gerade bei einer Anti-WEF-Demo müsse die Polizei
gewappnet sein.
Herr Nause, nach dem Polizeieinsatz bei der Anti-WEF-Demo vom Samstag
wurde Kritik laut: Sie hätten auf Kosten der Steuerzahler
Wahlkampf betrieben. Was sagen Sie dazu?
Das ist ein happiger Vorwurf. Es bestanden Anzeichen, dass dieser
Anlass nicht friedlich verlaufen würde: Zum Beispiel gab es
Gewaltaufrufe im Vorfeld. Die Polizei stellte dann auch entsprechendes
Material sicher. Ausserdem hat vonseiten der Organisatoren niemand den
Versuch unternommen, eine Bewilligung für die Demo einzuholen. Am
Freitag wollten wir Kontakt mit den Organisatoren aufnehmen, doch dies
misslang.
Mit Ihrer Strategie haben Sie die Stadt für mehrere Stunden
lahmgelegt - wegen 300 Demonstranten.
Die Stadt war keineswegs lahmgelegt. Ich war vor Ort: Zehntausende
Personen gingen ihrem gewöhnlichen samstäglichen Einkauf nach
und wurden von der Demonstration und dem Polizeieinsatz nicht
behelligt. Mit Ausnahme natürlich von den Beeinträchtigungen
des öffentlichen Verkehrs, der teilweise nicht zirkulieren konnte.
Die Polizei hat bewusst nur dort eingegriffen, wo vermutet werden
musste, dass es zu Sachbeschädigungen kommt: beim militanten Teil
der Demo, der dann im Bollwerk eingekesselt wurde.
Wäre für die Unbeteiligten der Nachmittag nicht viel
reibungsloser verlaufen, wenn man die übrigen, nicht militanten
Demonstranten ihren Umzug hätte machen lassen und auf das Katz-
und Maus- Spiel in der oberen Altstadt verzichtet hätte?
Nein, denn im Vornherein weiss man nicht, ob 50, 300 oder 800 Leute
nach Bern zum Demonstrieren kommen. Und um situationsgerecht reagieren
zu können, braucht es ein genügend grosses Polizeiaufgebot.
Die Erfahrung zeigt, dass bei solchen Demonstrationen jederzeit eine
unvorhergesehene Wendung eintreten kann: Am Samstag zum Beispiel rief
eine Gruppe auf Facebook den Bundesplatz als neuen Besammlungsort aus.
Als wir dort ankamen, war zwar niemand da, doch das kann man im
Vornherein nicht wissen. Gerade bei einer Anti-WEF-Demo - eine
Veranstaltung mit einschlägiger Vergangenheit - muss die Polizei
gewappnet sein.
Werden Sie künftig bei Anti-WEF-, Antifa- oder
Antirep-Demonstrationen immer ein solches Sicherheitsdispositiv
anordnen, sofern den Veranstaltungen die Bewilligungen fehlt?
Nein. Jede Demo wird als Einzelfall behandelt, sowohl von der
Sicherheitsdirektion wie auch der Kantonspolizei. Das Vorgehen
hängt davon ab, welche Dynamik im Vorfeld erwartet werden kann.
Egal, wie man sich entscheidet, die Kritik lässt nicht lange auf
sich warten: Als wir einen Demozug bewilligten, obwohl kein
entsprechendes Gesuch vorlag, wurden wir kritisiert. Jetzt wird
bemängelt, wir hätten viel zu viel Polizisten aufgeboten.
Vermutlich muss ich mit der Kritik leben lernen.
Bürgerliche Politiker fordern, jede Demo ohne Bewilligung solle
sofort aufgelöst werden. Davon halten Sie nichts?
Rein politisch wäre es einfach: Hingehen und sagen, wenn eine
Bewilligung fehlt, wird die Demo aufgelöst. In der Praxis
würde ein solches Vorgehen der Sicherheit wohl nicht immer dienen.
Wir ziehen es vor, im Einzelfall zu entscheiden, wie wir vorgehen
wollen.
Rein rechtsstaatlich gibt es auch noch das Grundrecht der Versammlungs-
und Meinungsäusserungsfreiheit.
Wer seine Meinung äussern will und eine Demo organisiert, kann
meiner Meinung nach gut vorher bei der Gewerbepolizei eine Bewilligung
einholen.
Erst letzte Woche erst hat Regierungsrat Hans-Jürg Käser die
Polizeiarbeit am SVP-Fest scharf kritisiert. Was hat die Kantonspolizei
für Massnahmen getroffen, um bei den 153 Anzeigen vom Wochenende
ähnliche Fehler zu vermeiden?
Meines Wissens wurde die interne juristische Kontrolle personell
verstärkt. Details müssen Sie bei der Kantonspolizei
nachfragen.
Finden Sie als Sicherheitsdirektor nicht beunruhigend, wenn über
170 Personen in der Stadt Bern festgenommen werden, teilweise, ohne den
Grund dafür zu erfahren?
Ich finde es beunruhigender, wenn über 170 Personen, teils
vermummt, teils Petarden abfeuernd, auf die Innenstadt zulaufen. Da ist
es richtig zu sagen, diesen Zug können wir nicht durch die
Innenstadt marschieren lassen. (DerBund.ch/Newsnet)
---
derbund.ch 23.1.12
In den Zellen eskalierte die Situation
Dominik Steiner
Im Rahmen des Polizeieinsatzes gegen die Anti-WEF-Demo vom Samstag sind
über 170 Personen in Festhalteräume im Parkhaus Neufeld
gebracht worden. Dort geriet die Lage zwischenzeitlich ausser Kontrolle.
Insgesamt 172 Personen verhaftete die Kantonspolizei am Samstag beim
Einsatz gegen die unbewilligte Anti-WEF-Demonstration. Die Personen
wurden zu einer Personenkontrolle in den Festhalte- und Warteraum (FWR)
im Parkhaus Neufeld gebracht. Der WFR ist ein Provisorium, das
regelmässig zum Einsatz kommt, wenn die Polizei zusätzliche
Plätze benötigt.
Eine der 172 Personen, die sich am Samstag in diesen Gitterzellen
wiederfanden, war der 25-jährige Student M. (Name der Redaktion
bekannt). Er geriet nach eigenen Angaben ungewollt in die Demonstration
und wollte diese verlassen. Dennoch wurde er zu einer Personenkontrolle
in den FWR gebracht. Und verbrachte neun Stunden in der Gitterzelle.
Die Zellen sind rund 25 Quadratmeter gross. Darin befindet sich eine
Toilette. M. sagt gegenüber , bis zu 25 Personen hätten sich
eine Zelle teilen müssen. Michael Fichter, Mediensprecher der
Kantonspolizei, konnte keine genauen Angaben dazu machen, wie viele
Personen in eine Zelle gesperrt wurden. Er sagt zur Platzsituation: "Es
gab genügend Platz, so dass sich die Leute auf den Boden setzen
konnten. In einigen Zellen konnte man sich hinlegen." Die Zellen
entsprächen den gesetzlichen Vorgaben: "Es wurden verschiedene
Berichte erstellt, zuletzt von der ehemalige Regierungsstatthalterin
Regula Mader", so Fichter.
Aufruhr in den Zellen
Das Provisorium im Neufeld habe sich in der Vergangenheit bewährt,
hält Fichter weiter fest. Am Samstag allerdings eskalierte die
Situation im Festhalteraum. "Es war wie ein Gefängnisaufstand",
sagt der Verhaftete M. Michael Fichter spricht von "Aufruhr in den
Zellen". Unstrittig ist, dass die Eskalation in einem Einsatz von
Hunden und Pfefferspray durch die Polizei endete. Die Schilderungen der
Ereignisse gehen jedoch weit auseinander.
Gemäss M. war die Polizei überfordert und habe nicht mit den
Verhafteten kommuniziert: "Ich versuchte die ganze Zeit zu erfahren,
mit welcher Begründung ich festgehalten werde, wie lange es noch
dauere." Doch die Polizisten hätten ihn ignoriert, in einigen
Fälle sei man "von Polizistinnen und Polizisten ausgelacht" worden.
Auch die Verpflegung sei mangelhaft gewesen. Es gab kein Wasser und
Brot, sondern Wasser und Schokoladenriegel. Das bestätigt Michael
Fichter auf Anfrage von .
Die Enge in den Zellen und der aufkommende Hunger hätten die Lage
angespannt: "Wenn so viele Leute in einem engen Raum sind, entsteht
eine Dynamik." Einige Insassen begannen zu hüpfen und an die
Gitterstangen zu schlagen. Aufgrund der instabilen Konstruktion der
Zellen habe sich ein Balken zwischen der Decke und dem Gitter
gelöst - und eine Zellentür sei aufgesprungen.
Die Lage geriet ausser Kontrolle. "Die Polizisten reagierten panisch
und kamen mit Hunden, welche aufgrund des Lärms völlig
durchdrehten. Und es wurde massiv Pfefferspray eingesetzt, welcher sich
im ganzen Raum verteilte."
Zur Sicherheit der Verhafteten
Michael Fichter widerspricht dem Vorwurf, die Polizei habe
ungenügend kommuniziert. Im Gegenteil. Man habe die Insassen
mehrfach mündlich aufgefordert, sich zu beruhigen. " Nachdem
diesen Aufforderungen nicht nachgekommen wurde, kamen Hunde und
Pfefferspray zum Einsatz." Den Spray habe man allerdings sehr
zurückhaltend eingesetzt, indem man an die Decke zielte.
Natürlich sei ihm klar, dass sich Pfefferspray in einem Raum rasch
verteile. Doch es sei die einzige Alternative gewesen, nachdem die
verbalen Mittel ausgeschöpft gewesen seien, so Fichter. Man
hätte die Sicherheit der Insassen garantieren müssen: "Es
hätte passieren können, dass sich die Türen verklemmen
und dann wäre auch eine allfällige Evakuation nicht
möglich gewesen." Schliesslich legte man den Inhaftierten wieder
Handfesseln an.
Entlassung erst nach Mitternacht
Der Vorfall habe die Abläufe zusätzlich verzögert, so
Michael Fichter von der Kantonspolizei. Auch darum seien einzelne
Personen erst nach Mitternacht entlassen worden.
Auch M. verliess das Parkhaus im Neufeld erst nach Mitternacht. Dann
wurde ihm auch mitgeteilt, dass es sich nicht nur um eine
Personenkontrolle gehandelt hätte. Die Polizei sagte ihm, dass er
wegen Landfriedensbruch und dem Verstoss gegen das Vermummungsgesetz
angezeigt werde. M. streitet ab, sich zu irgendeinem Zeitpunkt vermummt
zu haben.
Die zweite Anschuldigung weist er ebenfalls zurück. Laut Gesetz
macht sich jemand des Landfriedensbruchs strafbar, der an einer
"öffentlichen Zusammenrottung teilnimmt, bei der mit vereinten
Kräften gegen Menschen oder Sachen Gewalttätigkeiten begangen
werden".
Es gibt Filmmaterial
Für die Polizei ist dieser Straftatbestand gegeben, weshalb 153
Personen angezeigt würden. Letzlich sei es an der Justiz zu
entscheiden, ob die Einzelpersonen schuldig sind oder nicht.
Die Polizei wird die Vorkommnisse vom Samstag auswerten. Mehrere Beamte
haben die Demonstranten und den Einsatz auf Video festgehalten. Es
existiert auch Filmmaterial von den Ereignissen im Festhalteraum. Dort
gäbe es zwar "keine konstante Kamera", so Fichter, doch eine
mobile Kamera habe Szenen aus dem FWR mitgefilmt. Das Filmmaterial
werde in die Evaluation einfliessen.
---
Bund 23.1.12
Grossaufgebot der Polizei erstickt Anti-WEF-Kundgebung im Keim
Die Zahl der Anti-WEF-Demonstranten erreicht längst nicht mehr das
Niveau früherer Jahre: Insgesamt waren es am Samstag weniger als
500, die in Bern ohne Bewilligung gegen das Davoser Wirtschaftsforum
protestieren wollten.
Gleiches lässt sich vom Polizeiaufgebot nicht behaupten: Mehrere
Hundert Polizisten standen im Einsatz. Es gelang dem Grossaufgebot, die
Vorgaben von Polizeikommando und Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP)
zu erfüllen: Ein Umzug durch die Innenstadt wurde im Keim
erstickt. Dabei nahm die Polizei 172 Personen fest; die meisten von
ihnen hätten sich einer Straftat schuldig gemacht, so die
Kantonspolizei. Bis Sonntag sind keine Meldungen über
Sachbeschädigungen im Rahmen der Kundgebung eingegangen. (phi) -
Seite 21
-
Anti-WEF-Proteste: Polizei, so weit das Auge reicht
Gemeinderat Nause wehrt sich gegen den Vorwurf, der massive
Polizeieinsatz sei eine Wahlkampfaktion.
Philipp Schori
Hundert Personen, fünf Transparente und ein mit Boxen beladenes
Auto machen sich von der Reitschule auf den Weg zur Heiliggeistkirche.
Sie wollen an den Besammlungsort der Anti-WEF-Demonstration. Doch dort
werden sie an diesem Samstagnachmittag nie ankommen. Stattdessen werden
sie allesamt von der Polizei festgenommen und in die Zivilschutzanlage
Neufeld gebracht (vgl. Text unten). Dafür hat der zuständige
Berner Gemeinderat Reto Nause (CVP) gesorgt. Linke und Grüne
kritisieren den Polizeieinsatz als unverhältnismässig,
Bürgerliche begrüssen ihn.
Materialschlacht
Beim Bollwerk, nach wenigen Metern Marsch, kesselt die Polizei die
Anti-WEF-Aktivisten ein. Es gibt kein Durchkommen: Vor ihnen stehen
fünfzig Polizisten, hinter ihnen stehen fünfzig Polizisten.
Auch die Seitenstrassen sind weiträumig abgeriegelt, dort sind
wiederum Dutzende Polizisten postiert. Sie sind zum Teil von weither
angereist: aus den Kantonen Genf, Basel, Zürich und Waadt. Mehrere
Hundert seien es, aber weniger als während des SVP-Familienfests
im September, mehr verrät Polizeisprecher Michael Fichter nicht.
Die SP will es genauer wissen: "Die Bevölkerung hat das Recht zu
erfahren, ob der Einsatz verhältnismässig war", schreibt die
Partei in einer Medienmitteilung.
Weitere Polizisten und Dutzende Militär- und Polizeifahrzeuge
stehen andernorts in Bern im Einsatz: etwa beim Bahnhof, wo ebenfalls
hundert Personen umzingelt werden - unter anderem shoppingwillige junge
Frauen, die aber rasch wieder freikommen. Nicht nur die Polizei ist gut
ausgerüstet, sondern auch die WEF-Gegner sind es: Im Fahrzeug der
Aktivisten und in einem Kanalisationsschacht beim Bollwerk seien
"Vermummungsmaterial, Pfeffersprays, Schutzbrillen, Helme, Spraydosen
und Filzstifte" gefunden worden, schreibt die Polizei am Abend in einem
Communiqué. Zudem hätten die Demonstrierenden beim Bollwerk
die Einsatzkräfte mit Petarden beworfen.
Wahlschlacht
Sicherheitsdirektor Nause zieht am späten Nachmittag eine positive
Bilanz des Polizeieinsatzes. "Am Freitag unternahmen wir einen letzten
Versuch, per E-Mail mit den Organisatoren in Kontakt zu treten", sagt
Nause vor Ort. "Doch es kam nichts zurück." Daraufhin habe er
gemeinsam mit der Polizei entschieden, dass ein Umzug durch die
Innenstadt nicht toleriert werde, was gelungen sei.
Die Junge Alternative (JA) wirft Nause tags darauf vor, auf
Staatskosten Wahlkampf zu betreiben. Mit der polizeilichen
Machtdemonstration habe der CVP-Gemeinderat rechte Kreise
besänftigen und damit seine Wiederwahl in zehn Monaten sichern
wollen.Tatsächlich gelangte der potenzielle
FDP-Gemeinderatskandidat Bernhard Eicher im Vorfeld der Demonstration
an die Medien und forderte ein entschiedenes Durchgreifen. Eicher und
Nause wären Konkurrenten um einen Sitz im Gemeinderat: Wäre
der Polizeieinsatz nicht nach bürgerlichem Gusto verlaufen,
hätte sich Eicher als der fähigere zukünftige
Sicherheitsdirektor anpreisen können.Nause mag auf die Mutmassung
nicht konkret eingehen: "Es gab im Vorfeld der Kundgebung Aufrufe zur
Gewalt, die wir ernst nehmen mussten", sagt er. Dass die Sache ernst
war, lasse sich schon daran ablesen, dass Andrea Stauffacher an der
Aktion teilnahm, von der Nause eigentlich dachte, sie sei im
Gefängnis. Stauffacher ist eine linksradikale Zürcher
Politaktivistin, die Ende letzten Jahres vom Bundesstrafgericht zu
einer 17-monatigen unbedingten Freiheitsstrafe verurteilt worden war.
Stadträte, überall Stadträte
Mario Imhof, ebenfalls ein möglicher FDP-Gemeinderatskandidat,
observiert die Umzinglung der Aktivisten vom Reitschulvorplatz aus: "So
muss das aussehen", sagt er zu seinen Stadtratskollegen Simon Glauser
(SVP) und Henri-Charles Beuchat (CVP). Dank den Demonstranten habe man
heute einen autofreien Samstag; Imhof lacht, an seiner Jeansjacke
prangt ein Ferrari-Pin. Derweil schiesst Beuchat mit seiner
Digitalkamera Bilder der Polizisten in Kampfmontur, die er später
Reto Nause zeigen wird. Dieser wiederum hat den besten Platz, um den
Polizeieinsatz zu beobachten: Er steht auf der Bollwerk-Passerelle,
neben ihm BDP-Stadträtin Sonja Bietenhard, die als
Präsidentin der Stadtratskommission für Finanzen, Sicherheit
und Umwelt Reto Nause den ganzen Tag über begleitet. Ihr Fazit am
späteren Nachmittag: Die Polizei habe sich sehr professionell
verhalten; "der Einsatz war nie übermässig intensiv".
Anders sieht dies Hasim Sancar, Stadtrat des Grünen
Bündnisses - auch er ist vor Ort. Er stuft den Einsatz als
unverhältnismässig ein. Er selbst sei heute einmal beinahe in
einen Kessel der Polizei geraten. Nur weil der Chef der Regionalpolizei
Bern, den er kenne, zufällig danebengestanden sei, habe er einer
Festnahme entgehen können. Die Kantonspolizei hat insgesamt 172
Personen über mehrere Stunden festgehalten: vorwiegend Männer
aus Bern und Zürich.
-
172 Festgenommene
Hunde und Pfefferspray im Neufeld
Die Polizei nahm am Samstag 172 Personen fest und brachte sie in den
sogenannten Warte- und Festhalteraum im Berner Neufeld. Dort eskalierte
die Situation:
Einer, der sich in den Gitterzellen wiederfand, war der 25-jährige
Student M. (Name der Redaktion bekannt). M. berichtet, bis zu 25
Personen hätten sich eine bloss 25 Quadratmeter grosse Zelle
teilen müssen. Die Enge und das Verhalten der Polizei hätten
zur Eskalation geführt. Das Provisorium sei mangelhaft gebaut: Als
eine Person die Gitter bewegte, sprang bei einer Zelle die Tür
auf. Die Polizisten hätten panisch reagiert: mit Hunden und
Tränengas.
Polizeisprecher Michael Fichter widerspricht der Darstellung, die
Polizei sei überfordert gewesen. Es sei zu Aufruhr in den Zellen
gekommen. Die Polizei habe die Insassen mündlich aufgefordert,
sich zu beruhigen. "Nachdem diesen Aufforderungen nicht Folge geleistet
wurde, kamen Hunde und Pfefferspray zum Einsatz." Schliesslich seien
den Personen wieder Handfesseln angelegt worden. Fichter rechtfertigt
den Einsatz mit der Sicherheit der Insassen. (dam)
---
BZ 23.1.12
153 Anzeigen nach Demo
Stadt bern. Mit einem Grossaufgebot hat die Polizei am Samstag die
unbewilligte Demo von WEF-Gegnern bereits im Keim erstickt. 153
Personen werden wegen Landfriedensbruchs angezeigt. Im Festhalteraum
setzte die Polizei Tränengas ein.
Zum geplanten Umzug durch die Stadt kam es nicht: Hunderte Polizisten
kesselten eine kleine Gruppe Demonstranten bereits am Bollwerk ein und
hinderten sie daran, weiterzuziehen. Unter den Demonstranten war auch
die radikale Zürcher Linksaktivistin Andrea Stauffacher. Die meist
vermummten Aktivisten forderten die Polizei vergeblich auf, den
"friedlichen Umzug" zuzulassen. Die Demonstranten wurde kontrolliert
und in Festhalteräume im P+R Neufeld transportiert. Dort wollten
mehrere Personen die Räume aufbrechen, worauf die Polizei
Tränengas einsetzte. Bei den Demonstranten und in einem Versteck
in der Kanalisation stellte die Polizei Vermummungsmaterial und
Petarden sicher. Total wurden 172 Personen angehalten; 153 Personen
sollen wegen Landfriedensbruchs angezeigt werden. Der städtische
Polizeidirektor Reto Nause (CVP) zog eine positive Bilanz. "Im Vorfeld
gab es Aufrufe zur Gewalt, die wir ernst nehmen mussten." Mit den
Organisatoren Kontakt aufzunehmen, sei misslungen. Wie Nause bezeichnet
auch der kantonale Polizeidirektor Hans-Jürg Käser (FDP) das
Grossaufgebot der Polizei als "absolut gerechtfertigt". Angesichts der
Gewaltaufrufe sogar "mehr als gerechtfertigt", so Käser. Er stand
nach eigenen Angaben "in engem Kontakt" mit dem Berner Gemeinderat.
Für einmal hatte die Polizei nicht den Auftrag, deeskalierend zu
wirken. "Wir wollten von Anfang an sicherstellen, dass der Umzug gar
nicht stattfindet." Weder Versammlungsfreiheit noch Demonstrationsrecht
seien infrage gestellt, so Käser. "Aber die Gewaltaufrufe
erfüllten den Tatbestand des Landfriedensbruchs." Bürgerliche
Parteien begrüssten das Durchgreifen. Die Linke bezeichnet den
Einsatz als masslos und ungerechtfertigt und fordert eine Untersuchung.
Kleinere Anti-WEF-Aktionen in der Stadt gab es doch noch. Sie verliefen
friedlich, die Po-lizei liess diese Aktivisten ge-währen.wrsSeite
2 + 3
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Polizei kesselte vermummte und bewaffnete Demonstranten am Bollwerk ein
Erstmals hat die Polizei eine Anti-WEF-Kundgebung durch die Innenstadt
bereits im Entstehen verhindert. Sie kesselte Demonstranten beim
Bollwerk ein. Aktivisten versteckten Waffen und Vermummungsmaterial in
der Kanalisation.
Bereits um 12 Uhr, zwei Stunden vor Demobeginn, stehen einige hundert
Polizisten im und rund um den Bahnhof in Bereitschaft. Rigoros
kontrollieren sie Passanten. Auch in den Gassen zwischen der Innenstadt
und der Reitschule stehen einige Hundert Polizisten aus Bern,
Zürich, Basel und Genf bereit. Der öffentliche Verkehr durch
die Innenstadt und über die Lorrainebrücke ist unterbrochen.
Busse und Trams werden umgeleitet.
Punkt 14 Uhr öffnet sich das grosse Tor der Reitschule. Etwa
hundert meist vermummte Demonstranten marschieren geschlossen über
den Vorplatz Richtung Bollwerk. Die Aktivisten zünden
Knallpetarden. Kaum sind sie bei der Abzweigung Speichergasse vorbei,
rückt die Polizei vom Kleeplatz her mit Wasserwerfern,
Gitterfahrzeugen und Grenadierkordons vor. Gleichzeitig fahren auch von
der Aarbergergasse Polizeifahrzeuge vor und blockieren das Bollwerk.
Vermummte legten Masken und Tücher ab
Der unbewilligte Demozug steht still. Die eingekesselten Aktivisten
werfen Flaschen gegen Polizisten und lassen erneut Petarden krachen.
Die Vermummten reissen sich Masken und Tücher vom Gesicht.
Über den Lautsprecher bettelt die Demospeakerin, zur Reitschule
zurückkehren zu dürfen. Doch die Polizei löst die
Blockaden nicht auf. "Wir führen jetzt eine Personenkontrolle
durch", ertönt aus dem Polizeimagafon. Die Demonstranten gehen
dazu freiwillig in die Speichergasse. Hier hat die Polizei mit den
Gitterabsperrfahrzeugen Warteräume errichtet. Jede Frau und jeder
Mann wird durchsucht. Die meisten lassen sich ohne Widerstand die
Hände mit Kabelbindern auf dem Rücken fesseln.
Im Bus in den Warte- und Festhalteraum Neufeld
Nach der Kontrolle und der Durchsuchung der Effekten führen
Polizisten die Festgenommenen zu den Transportern, welche in den Warte-
und Festhalteraum im P + R Neufeld fahren (vgl. Text unten). Dafür
setzt die Polizei sogar einen Car ein. Gleichzeitig kesselt die Polizei
auch bei der Heiliggeistkirche rund 100 Demonstranten ein und
kontrolliert sie. Ausser sieben Personen werden alle zu einer
friedlichen Demonstration durch die Stadt entlassen (siehe Kasten
"Friedlicher Protest"). Um 17 Uhr holt die Polizei aus dem Restaurant
Cowboys an der Speichergasse eine Gruppe Demonstranten, die sich dort
verschanzt hatte. Auch sie werden zum Teil abgeführt. Jürg
Spori
-
Rechtliche Folgen und Bilanz
Die Polizei zeigt 153 Personen an, 140 erhielten eine
Fernhalteverfügung. Ob die Angeschuldigten einen Eintrag ins
Strafregister erhalten, entscheidet der Richter.
Von den 37 Frauen und 135 Männern, welche die Polizei
kontrollierte, sollen 153 angezeigt werden. Eine Person wurde
polizeilich gesucht. Ob es sich dabei um die von Sicherheitsdirektor
Reto Nause gesehene Andrea Stauffacher handelt, wollte Polizeisprecher
Michael Fichter nicht sagen: "Zu konkreten Personen machen wir keine
Angaben." In den News von "Telezüri" beantwortete Stauffacher,
eingekesselt beim Bollwerk, einige Fragen. Die Zürcher
Öko-Aktivistin wurde am 7. November 2011 vom Bundesstrafgericht in
Bellinzona wegen Sprengstoffanschlägen zu einer unbedingten
17-monatigen Freiheitsstrafe verurteilt. Die verzeigten Personen - sie
stammen mehrheitlich aus den Kantonen Bern und Zürich -
müssen sich laut Communiqué der Polizei wegen
Landfriedensbruchs vor dem Richter verantworten. Landfriedensbruch kann
mit Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren oder einer Geldstrafe geahndet
werden. Einige müssen sich zusätzlich wegen Gewalt und
Drohung gegen Beamte, Verstösse gegen das Waffengesetz und
Widerhandlungen gegen das Vermummungsverbot verantworten. Insgesamt
wurden 140 von Juristin Laura Marinello überprüfte
Fernhalteverfügungen ausgestellt. Die betroffenen Personen durften
bis um sechs Uhr am Sonntagmorgen die Innenstadt nicht mehr betreten.
Bei mehreren Minderjährigen informierte die Polizei die
Eltern.Unter anderem Pfeffersprays, Petarden, Schutzbrillen und Helme
wurden sichergestellt. Momentan sind die arrestierten Personen mit Bild
und Personalien registriert. Die Daten jener, die nicht angezeigt
werden oder welche die Justiz freispricht, werden gemäss den
gesetzlichen Fristen vernichtet, wie Fichter sagt. Die verurteilten
Personen erhalten einen Eintrag ins Strafregister. Der Polizei liegen
keine Meldungen über Sachbeschädigungen vor. Michael Fichter
zur Anti-WEF-Kundgebung: "Nach einer ersten Bilanz verlief der
Polizeieinsatz deshalb positiv." cab
-
Reaktionen
Die SP stellt die Verhältnismässigkeit des Polizeieinsatzes
infrage. Die Demonstrierenden hätten mehrmals angeboten, die Demo
abzubrechen. Die Frage sei deshalb, ob eine deeskalierende Strategie
nicht zu einem früheren Abbruch der ganzen Übung geführt
hätte. Von Polizeidirektor Nause erwartet die SP Bereitschaft zur
Aufarbeitung. Das Grüne Bündnis (GB) fordert eine
Untersuchung von unabhängiger Stelle. Auch bei Demos ohne
Bewilligung müsse der Polizei-Einsatz verhältnismässig
bleiben. Das sei nicht der Fall gewesen. Eine Untersuchung der
Verhältnismässigkeit und der Kosten will auch die Junge
Alternative JA! Sie wirft Polizeidirektor Nause (CVP) vor, Wahlkampf
mit Steuergeld zu betreiben, und kritisiert den Polizeieinsatz scharf.
Aus Sicht der PdA wurde das demokratische Grundrecht auf freie
Meinungsäusserung verhöhnt. Für die Organisation AntiRep
war der Polizeieinsatz ungerechtfertigt und masslos. Offenbar reiche
schon die Möglichkeit nichtkonformen Verhaltens dafür aus, um
Opfer von Repression zu werden. Die CVP begrüsst, dass die
unbewilligte Demo unterbunden worden und dass es zu keinen
Ausschreitungen gekommen sei. So habe eine "unerwünschte und
gewaltbereite Eigendynamik" verhindert werden können. Die SVP
dankt der Polizei für den "beherzten Einsatz für Recht und
Ordnung" und fordert, dass auch künftig keine unbewilligten Demos
zugelassen werden.wrs
-
Friedlicher Protest
Neben dem Umzug, der von der Polizei eingekesselt wurde, bildeten sich
kleinere Gruppen, die friedlich durch die Innenstadt zogen und hier und
dort friedliche Platzkundgebungen abhielten - oft mit Musik. Diese
Protestaktionen verliefen ebenso problemlos wie die Veranstaltungsreihe
"Tour de Lorraine". In 17 Lokalen gab es Konzerte, Vorträge und
Workshops zum Thema "Wachstumswahnsinn loswerden". Das Festival war
einst eine Mobilisierungsplattform gegen das WEF. Bei der
diesjährigen Austragung fehlte ein direkter Hinweis auf das
Wirtschaftsforum. Das Datum, am Wochenende vor dem Wirtschaftsanlass in
Davos, erinnert allerdings an den Hintergrund der Tour de Lorraine.wrs
-
BZ Kommentar
Deutliche Sprache
Jürg Spori Reporter
Bei den meisten Anti-WEF-Demos in Bern kam es in den letzten Jahren zu
Krawallen und Sachbeschädigungen. Die von der Reitschule aus
ausgerückten Chaoten lieferten sich mit der Polizei jeweils ein
Katz-und-Maus-Spiel. Der Wille der rot-grünen Regierung fehlte
offenbar, um präventiv gegen Vermummte und Bewaffnete vorzugehen.
Man setzte auf Deeskalation, liess die Demozüge marschieren, nahm
so aber auch Scharmützel in Kauf.
Mit dem Einsatz am letzten Samstag hat die Polizei nun ein anderes
Signal ausgestrahlt. Sie hat gezeigt, dass sie sich von Chaoten nicht
auf der Nase herumtanzen lässt, wenn sie vom Gemeinderat
grünes Licht dazu erhält. Die Einkesselung der Teilnehmer der
unbewilligten Demo zeigt ein neues Vorgehen der Polizei auf. Bisher
rannten Polizisten den Vermummten nach, weil sie überrumpelt
wurden. Nicht so am Samstag: Die Polizei setzte ihre Strategie
konsequent durch. Auffallend ist auch: Die Polizei war im Vergleich zu
früheren Demos mit Gewaltpotenzial gut vorbereitet, klar
organisiert und gut aufgestellt. Das Polizeiaufgebot war in der Tat
immens. Vor der Demo jedoch kursierten Aufrufe zu Gewalt. Die Polizei
fand zudem verstecktes Vermummungsmaterial, Petarden und Spraydosen -
was nicht auf friedliche Absichten hinweist. Und im Demozug war die
radikale Zürcher Linksaktivistin Andrea Stauffacher, die in den
letzten Jahren mit Aufrufen zu Gewalt aufgefallen war.
Die Aufgabe der Politik wird es sein, für künftige
Kundgebungen jeweils das richtige Einsatzdispositiv der Polizei
abzusegnen. Dabei gilt es unbedingt Augenmass zu wahren. Am Samstag
aber war das Grossaufgebot gerechtfertigt.
Mail: juerg.spori@bernerzeitung.ch
Diskussion: blog.bernerzeitung.ch/ leserblog
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20 Minuten 23.1.12
Wef-Gegner eingekesselt, abgeführt und angezeigt
Bern. Die Polizei hat die illegale Anti-Wef-Demo in Bern am Samstag im
Keim erstickt. Für diesen Einsatz erntet sie Applaus und
Entrüstung.
"Es war unser Ziel, Sach- und Personenschäden zu verhindern. Das
haben wir erreicht", zieht Sicherheitsdirektor Reto Nause ein erstes
Fazit. Ein riesiges Aufgebot ging am Samstag gegen die unbewilligte
Kundgebung vor. Beim Bollwerk kesselte die Polizei die Wef-Gegner ein
und nahm ihnen Petarden, Pfeffersprays, Schutzbrillen, Helme und Masken
ab. Insgesamt wurden 172 Demonstranten abgeführt. 153 müssen
mit einer Anzeige wegen Landfriedensbruch rechnen. Einige wurden bis
tief in die Nacht festgehalten. "Mehrere Personen waren gezwungen,
gefesselt in die eigenen Kleider zu urinieren", klagt das
Anti-Rep-Kollektiv. Die Polizei bestätigt, dass sie in den
Festhalteräumen Pfefferspray einsetzte, weil die Gefangenen mit
Gewalt versucht hätten auszubrechen.
Dass seit seinem Amtsantritt vermehrt Kundgebungen gestoppt werden,
beruhe nicht auf einer starren Polizeidoktrin, sondern auf
Risikoanalysen, erklärt Nause: "Die Chancen, dass der
Anti-Wef-Marsch friedlich verlaufen wäre, tendierten gegen null."
Während bürgerliche Politiker von SVP, CVP und FDP diese
Einschätzung teilen, hagelt es Kritik von linker Seite: Den
Demonstranten sei zu Unrecht ein erhöhtes Gewaltpotential
unterstellt worden - gestützt auf einen anonymen Aufruf, der nicht
von den Organisatoren stamme.
"Wir müssen solch übertriebene Polizeieinsätze
verhindern", sagt Stadtrat Hasim Sancar (GB). Er verlangt, dass die
Ereignisse von einer unabhängigen Stelle untersucht und die
Einsatzkosten offengelegt werden.
Patrick Marbach
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Blick 23.1.12
Wer gegen das WEF protestiert, leidet
Bern / Davos GR - Während im Bündnerland friedliche
Occupy-Aktivisten bei eisiger Kälte mit dem Aufbau des Iglu-Dorfs
begannen, versuchten in Bern weit über 100 militante Demonstranten
aus Anlass des World Economic Forum (WEF) einen Saubannerzug durch die
Innenstadt zu veranstalten. Doch die Polizei machte ihnen einen dicken
Strich durch die Rechnung. Das Grüne Bündnis und die Junge
Alternative (JA) kritisierten gestern den Polizei-Einsatz als
unverhältnismässig. Lob gabs dagegen von CVP, FDP und SVP.
Stossrichtung: Endlich hätten Stadt und Kanton ein klares Signal
gesendet, dass man gewaltbereite Demonstranten nicht toleriere.
172 Personen, 37 Frauen und 135 Männer, wurden für genauere
Abklärungen angehalten. Weil sie sich einer Straftat schuldig
gemacht oder verbotene Gegenstände bei sich getragen hätten,
so die Polizei. 153 Personen wurden Anzeigen wegen Landfriedensbruchs
in Aussicht gestellt. Die teils vermummten Demonstranten kamen aus der
Reithalle. Die Polizei kesselte sie beim Bahnhof Bern ein. Von dort
wurden sie zum Festhalteraum, der Park+Ride-Anlage Neufeld,
abtransportiert. In Einzelfällen waren die Demonstranten bis zehn
Stunden in Polizeigewahrsam.
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Kommentar
Rezept nicht nur gegen WEF-Chaoten
Urs Helbling Blattmacher
urs.helbling@ringier.ch
Das Demonstrationsrecht ist eine der wesentlichen Errungenschaften
unserer Gesellschaft. Es gibt gute Gründe, sich kritisch mit dem
World Economic Forum (WEF) auseinanderzusetzen. Manchmal wünschte
man sich, es würde wieder mehr über Sinn und Unsinn von Davos
diskutiert und demonstriert.
Abgewürgt haben den Diskurs ein paar Hundert Chaoten. Sie
missbrauchten die Kundgebungen regelmässig für Gewaltexzesse.
Und das über Jahre.
Jetzt scheint der Polizei der finale Schlag gegen die WEF-Hooligans
gelungen zu sein. Mit grosser Entschlossenheit ging sie am Samstag
gegen die gewaltbereiten Demonstranten vor. Das Signal ist klar: Wer in
kriegerischer Montur an einer illegalen Kundgebung teilnimmt, muss mit
ernsthaften Repressalien rechnen. Einfach so durch die Gassen abhauen -
das geht nicht mehr!
Übertriebene Härte? In Einzelfällen kann man sich gewiss
fragen, ob es Sinn macht, Leute, die (noch) nichts getan haben,
stundenlang festzuhalten. Aber diese Einzelfälle müssen im
Gesamtinteresse in Kauf genommen werden. Es geht darum,
Innenstädte zu schützen und wieder chaotenfreie Demos zu
ermöglichen.
In Bern waren nicht klassische Hooligans das Problem. Aber die Berner
WEF-Strategie könnte ein Rezept sein, wie man die
unerwünschten Elemente von Sportveranstaltungen fernhalten
könnte. Wer das will, muss der Polizei die Mittel für den
schwierigen Kampf geben!
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BZ 23.1.12
Der Mann fürs Grobe
Hans-Jürg Käser. Er ist in Berns Regierung der Mann fürs
Grobe: FDP-Polizeidirektor Hans-Jürg Käser hat der Gewalt von
Sportfans ebenso den Kampf angesagt wie der Anarchie rund um die
Reitschule. Im Interview erklärt er, was Kantone, Justiz und
Polizei gegen Hooligans unternehmen und wer diese Bemühungen
bremst. Der Schweizerische Fussballverband etwa habe bislang weitgehend
nur Lippenbekenntnisse abgegeben. Der FDP-Politiker aber redet
Klartext. Etwa beim Asylwesen, das zu seinen Aufgaben gehört: "Im
Kanton Bern wird es kein weiteres Bundeszentrum geben."asSeite 12
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"Unsere Polizei hat schon öfter Hooligans an ihrem Arbeitsplatz
abgeholt"
Hans-Jürg Käser ist in der Berner Regierung der Mann
fürs Grobe: Der Polizeidirektor will bei der Reitschule und den
Hooligans durchgreifen und sagt, den Eindruck, dass es in der Reithalle
einen rechtsfreien Raum gebe, gelte es mit aller Konsequenz zu
bekämpfen.
Herr Käser, Ihre St. Galler Amts- und Parteikollegin Karin
Keller-Sutter wurde zur Politikerin 2011 gewählt. Freut Sie das?
Hans-Jürg Käser: Ja, sehr. Vor allem, weil sie für den
Kampf gegen den Hooliganismus ausgezeichnet wurde.
Dafür hätten auch Sie ausgezeichnet werden können, wenn
Sie im Kanton Bern vorwärtsgemacht hätten.
Die Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren (KKJPD)
macht sehr stark vorwärts. Andere bremsen.
In der öffentlichen Wahrnehmung passiert nicht viel.
Die KKJPD hat viel getan. Wir haben beispielsweise erreicht, dass die
Gewalttäter mit Foto in der Hooligandatenbank erfasst werden.
In St. Gallen werden Hooligans verurteilt.
Bei uns auch. Wir machen gestützt auf die Gesetze das
Mögliche. Unsere Polizei hat schon öfter Gewalttäter an
ihrem Arbeitsplatz abgeholt. Das war ziemlich unangenehm für die
Betreffenden. Auch haben wir Gewalttäter im Internet
ausgeschrieben und so dingfest gemacht. Wir machen unsere Arbeit sehr
wohl. Es gibt andere, die bremsen.
Wer?
Vonseiten des Schweizerischen Fussballverbands waren bislang weitgehend
blosse Lippenbekenntnisse zu hören.
Der Grosse Rat hat letzten September Ja gesagt zur Einführung von
standardmässigen Schnellgerichten. Wie weit ist man da?
Die Justiz hat ihre Hausaufgaben gemacht und eine Gruppe von
Staatsanwälten bezeichnet, die in den Stadien zugegen ist und
Urteile fällt, wenn entsprechende Verbrechen oder Vergehen
vorliegen. Sehen Sie, der Begriff "Schnellgericht" klingt gut.
Allerdings liegt die Beweispflicht bei der Polizei. Die Hooligans
wissen, dass das schwierig ist, wenn sie vermummt sind.
Ihr Regierungskollege Christoph Neuhaus (SVP) hatte letzten Sommer
genug und kündigte an, das Hooliganproblem mit einer eigenen
Berner Rechtsgrundlage für Spielabbrüche und Geisterspiele zu
lösen.
Die ist in Arbeit - gewissermassen als Rückfallposition, wenn
keine nationale Lösung gefunden werden sollte. Ich bin jedoch
zuversichtlich, dass die Kantone der von der KKJPD beschlossenen
Verschärfung zustimmen. Diese sieht unter anderem eine Pflicht zur
Bewilligung von Sportgrossanlässen vor.
Letztes Jahr führte die Bundespolizei gemeinsam mit dem SCB
Pilotversuche durch, bei denen die Zuschauer nur mit einer ID oder
einem Pass Zutritt zum Stadion hatten. Sind diese Versuche
abgeschlossen?
Die Auswertung dazu liegt noch nicht vor. Ich habe mich gefreut, dass
der SCB dazu Hand geboten hat. Im Eishockey ist das Problem allerdings
wesentlich kleiner, weil wir zumindest mit den Berner Clubs
Lösungen gefunden haben, die wirklich funktionieren.
Gewalt und Vandalismus sind nicht nur in den Stadien ein Problem. Auch
die Reitschule ist deswegen immer wieder in den Schlagzeilen. An
Silvester warfen Leute vom Areal der Reitschule aus volle Bierflaschen
auf vorbeifahrende Autos.
In der Silvesternacht passieren leider solche Sachen auch anderswo.
Anderswo verfolgt die Polizei die Täter. Es gab den Vorfall, dass
zwei Polizisten in Zivil einen Verdächtigen bis in die Reitschule
verfolgten. Danach gab es den Videoclip, der zeigen sollte, wie
unverhältnismässig die Polizei reagiert haben soll.
Und deshalb bleibt die Polizei lieber draussen.
Die Reitschule ist ein Hotspot, weil die Bewilligungspraxis
bezüglich Gastgewerbe und Überzeit zu wenig klar und zu wenig
restriktiv ist. Es darf nicht sein, dass es in der Reithalle einen
rechtsfreien Raum gibt.
Das ist es heute aber.
Es gab einzelne Vorfälle, bei denen man diesen Eindruck bekommen
konnte. Diesen gilt es mit aller Konsequenz zu bekämpfen.
Dennoch: Die Polizei geht nicht rein.
Doch, aber das ist nicht ganz einfach.
Warum?
Weil es in der Reitschule Leute gibt, die den Kampf gegen den Staat
inszenieren. Wenn sich bei der Reitschule beispielsweise ein
Verkehrsunfall ereignet, ist es schon vorgekommen, dass die Polizisten,
die den Unfall aufnehmen mussten, aus der Reitschule attackiert wurden.
Auf der anderen Seite ist die Reitschule eine etablierte
Kulturinstitution…
…die von der Stadt eine Stange Geld bekommt und sich trotzdem nicht an
die Regeln hält.
Über die Diskussion im Stadtrat zum Leistungsvertrag bin ich nicht
nur glücklich. Bei einer Leistungsvereinbarung muss es auf der
anderen Seite Verantwortliche geben und nicht ein Kollektiv. Auch muss
die Sicherheit im Vertrag verankert sein. Eine Leistungsvereinbarung,
die diese Elemente nicht erfüllt, verdient diesen Namen nicht.
Aber das muss die Stadt verantworten.
Unlängst hat die Reitschule die Leistungsvereinbarung nicht so
akzeptiert, wie dies der Stadtrat vorgesehen hat. Trotzdem bekommt sie
von der Stadt Geld. Haben Sie dafür Verständnis?
Ich hätte mir vorstellen können, dass man einen anderen
Entscheid fällen würde.
Der Verdacht liegt nahe, dass die Stadt der Polizei verbietet, in die
Reitschule zu gehen.
Das ist nicht so.
Sie haben sich mit einer Delegation des Gemeinderats getroffen. Was ist
das Resultat?
Dass man in Zusammenarbeit mit dem Regierungsstatthalter darauf
hinwirkt, die Bewilligung so zu erlassen, dass klar ist, was auf dem
Areal wo erlaubt ist. Wenn das klar ist, kann man durchgreifen.
Wer soll durchgreifen?
Die Polizei.
Das soll sie doch heute schon.
Ja, sicher! Aber die Rechtsgrundlagen sind heute zu unklar.
Letztes Jahr wurde der Ausbau des Polizeikorps aus Spargründen
gestoppt. Wie weiter?
Im Zusammenhang mit dem Entlastungspaket verzichten wir nur 2012 auf
die Aufstockung. 2013 müssen wir diese wie beschlossen
wiederaufnehmen. Allerdings muss das Budget auch dann eine schwarze
Null aufweisen.
Im Asylwesen wird offenbar zu wenig diskutiert: Vor Weihnachten wies
das Bundesempfangszentrum in Basel aus Platzgründen Asylbewerber
ab. Gleichzeitig stand das Bundeszentrum auf dem Jaunpass halb leer.
Vor Weihnachten haben wir dem Bundesamt für Migration angeboten,
etwa 50 Personen vorübergehend aufzunehmen, und dies dann auch
gemacht.
Wie liesse sich die Misere im Asylwesen beheben?
Mit Bundeszentren, wie sie Justizministerin Simonetta Sommaruga nach
holländischem Vorbild einrichten will. In diesen Zentren läge
die Verantwortung für die Asylsuchenden beim Bund. Gleichzeitig
hätte er die Möglichkeit, die Verfahren, die ja ohnehin alle
vom Bund bearbeitet werden, zu beschleunigen. Das fordern ja auch die
Kantone. Trotzdem sind sie offenbar nur zögerlich bereit, solche
Zentren zu schaffen. Das verstehe ich nicht. Denn wenn es keine
Bundeszentren gibt, werden die Asylsuchenden gemäss
Verteilschlüssel auf die Kantone verteilt und sind auch in den
Gemeinden, allerdings unter der vollen Verantwortung der Kantone. Dann
beginnt faktisch die Integration. Dies, obschon erfahrungsgemäss
gegen 90 Prozent aller Gesuche nicht zum Status des anerkannten
Flüchtlings führen.
Sie haben mit dem Jaunpass und mit Tschorren als Einziger Hand für
eine Lösung geboten. Tun Sie das auch weiterhin, etwa für den
Bau eines Bundeszentrums in Belp?
Belp war im Notfallkonzept des BFM lediglich als Beispiel genannt.
Konkrete Pläne gibt es nicht. Ich bin zuversichtlich, dass in den
nächsten Monaten in zwei bis drei Kantonen Bundeszentren
spruchreif werden.
Im Kanton Bern?
Ganz klar nein. Bei uns wird es kein weiteres Bundeszentrum geben.
Sind die Bundeszentren Jaunpass und Tschorren wirklich befristet?
Ja, jenes auf dem Jaunpass wird Ende Januar schliessen. Das Zentrum
Tschorren wird während des Sommers betrieben und dann geschlossen.
In Syrien verschärft sich die Lage, viele verlassen das Land.
Merkt man das bereits im Kanton Bern?
Ja, die Zahl syrischer Gesuche ist seit Sommer 2011 gestiegen. Wir
müssen mit mehr Asylbewerbern aus diesem Raum rechnen. In einer
Fernsehreportage habe ich Syrer gesehen, die sagten, dass sie Angst
hätten. Interessanterweise sind die sogenannten Flüchtlinge
meist junge Männer. Fürchten sich denn syrische Frauen nicht?
Ihre Migrationsdienstleiterin Iris Rivas sagte in einem Interview mit
der BZ, dass es sich oft um Wanderarbeiter handle, die unser Asylsystem
ausnützten.
Das ist eindeutig so. Viele Tunesier sprechen Italienisch, weil sie
jahrelang in Italien gelebt haben. Sie kommen zu uns, um hier den
Winter zu verbringen. Das ist aber nicht die Idee der humanitären
Flüchtlingshilfe, hinter der ich explizit stehe.
Wie müsste man mit diesen Leuten verfahren?
So, wie es das Dublin-Abkommen vorsieht: Wer in einem anderen Land
einen Antrag gestellt hat, muss dorthin zurück. Zudem müssen
Rückreisewillige schnell in ihr Heimatland geschickt werden, auch
mit einer finanziellen Unterstützung. Das ist immer noch viel
billiger, als wenn sie hierbleiben.
Was offensichtlich nicht funktioniert.
Sagen wir, es funktioniert nicht so, wie es sollte. Mir ist klar, dass
es für Erstaufnahmeländer wie Italien nicht einfach ist. Ich
erwarte aber, dass das Land wie vereinbart seine Pflicht wahrnimmt.
Zudem muss die EU ihre angedachte Unterstützung zum Beispiel
für Italien umsetzen.
Nordafrikaner machten in Lyss Probleme. Mittlerweile hat man die
Sicherheit dort wieder im Griff. Wie sieht es in den anderen Zentren im
Kanton aus?
Es geht einfach nicht an, dass man in ein Land kommt, einen Asylantrag
stellt und dann einfach in den Supermarkt spaziert und sich bedient.
Die Schweiz mag ein Schlaraffenland sein, aber kriminelle
Aktivitäten sind nicht tolerabel. Deshalb haben wir alle 25
Zentren überprüft und wo nötig die
Sicherheitsvorkehrungen mit Polizei und Securitas angepasst.
Was kostet das?
Eine Zweierpatrouille der Securitas mit Hund kostet pro Monat etwa 30
000 Franken. Mit zehn Patrouillen sind wir bei 300 000 Franken.
Wie viel zahlt der Bund?
Der Bund zahlt eine Pauschale pro Asylbewerber - diese deckt die Kosten
jedoch oft nicht. Etwa dann, wenn die Sicherheit erhöht werden
muss oder wenn die Leute trotz abgewiesenem Asylgesuch hierbleiben.
Hier fordern die Kantone vom Bund mehr Geld. Die entsprechenden
Gespräche laufen noch.
Immer wieder scheitern Ausschaffungen, weil die Herkunftsländer
ihre Bürger nicht zurücknehmen.
Hier muss die Schweiz Druck machen und diesen Ländern klarmachen,
dass für uns ein Zusammenhang besteht zwischen Entwicklungsgeldern
und Asylwesen. Wir geben etwas, aber wir wollen auch etwas dafür.
Der Ansatz der Migrationspartnerschaften seitens des Bundes ist richtig
und müsste ausgebaut werden.
Eine Forderung, die immer wieder laut wird. Passiert ist indes nichts.
Bewegt sich überhaupt etwas im Asylwesen?
Ob der Bund auf der aussenpolitischen Schiene nichts tut, kann ich
nicht beurteilen. Auf Bundesebene haben wir ein Logistikproblem, was
Plätze und Zentren sowie die Abwicklung der Asylgesuche angeht.
Bei Letzterem spielt die Justiz eine grosse Rolle. Doch wir haben die
Gewaltentrennung: Die Politik kann der Justiz nicht das Tempo vorgeben.
In Holland funktioniert es: Im Asylverfahren müssen sich auch die
Gerichte an Fristen halten. Warum soll das in der Schweiz nicht gehen?
Ich stelle einfach fest, dass sich das Bundesverwaltungsgericht
besonders viel Zeit lässt mit der Beurteilung von Asyldossiers.
Das ist störend, weil 80 bis 90 Prozent der Asylbewerber den
Gerichtsweg beschreiten.
Ein weiteres unangenehmes Thema ist die FDP des Kantons Bern.
(lacht) Schreiben Sie das so?
Ja, es steht schlecht um die FDP.
Dass die FDP in den nationalen Wahlen zwei von vier Sitzen verloren
hat, war ernüchternd. Auch dass die Kantonalpartei nur noch einen
Wähleranteil von 8,6 Prozent erreicht hat.
Die FDP ging am Samstag in Klausur - was sind die Gründe für
das schlechte Abschneiden?
Bei der Analyse waren wir uns einig: Einer der Gründe liegt im
Spannungsfeld zwischen der nationalen FDP und den Kantonalparteien. Auf
nationaler Ebene wird die FDP als Partei wahrgenommen, die sich
schwergewichtig um Themen der Hochfinanz kümmert. Das hat
Auswirkungen auf die Kantonalparteien. Mit der Gründung der BDP
haben Leute, die neben SVP auch FDP wählten, eine Option mehr.
Auch wenn sich die Partei als neue Kraft verkauft und mit der alten
SVP-Garde antritt.
Wo soll sich die FDP positionieren?
Wir müssen eigene Schwerpunkte setzen, zurück zu unseren
liberalen Wurzeln gehen und unseren Platz klar im bürgerlichen
Spektrum haben. Wir setzen uns für einen schlanken Staat, soziale
Sicherheit und gute Rahmenbedingungen für KMU ein. Auch die
Nachhaltigkeit muss Platz haben, und wir müssen wir uns definitiv
vom Image einer "Abzockerpartei" lösen.
Wer soll die FDP künftig führen?
Die Ergebnisse der Klausur sind die Basis für die Debatte an der
Delegiertenversammlung im Mai. Noch sind keine Namen gefallen. Ich bin
zuversichtlich, dass wir eine schlagkräftige Leitung finden und
dass die Leute und auch Unternehmer wieder bereit sind, die FDP zu
unterstützen und auch finanziell vorwärtszubringen.
Sie sind 61, treten Sie 2014 nochmals an?
Für diesen Entscheid ist es noch zu früh. Ich will nun erst
mithelfen, die FDP so aufzustellen, dass sie im Kanton wieder eine
tragende Rolle spielen kann.
Seit über 16 Jahren sind Sie als Exekutivpolitiker an
Apéros und Essen. Wie schaffen Sie es, schlank zu bleiben?
Das ist Veranlagung. Meine Eltern waren schlank.
Sie können also so viel essen und trinken, wie Sie wollen, ohne
zuzunehmen.
Ich trinke nicht so viel, wie ich will (lacht). Im Ernst, ich habe gern
ein Glas Wein, esse gern und mag Süsses, aber ich weiss
masszuhalten. Der Rest ist Veranlagung, ich muss mich nicht
quälen, um meine Form zu behalten.
No sports, wie der einstige englische Premierminister Winston Churchill
zu sagen pflegte?
Ich wüsste nicht, woher ich die Zeit dafür nehmen sollte.
Über Sie konnte man schon lesen, dass Sie England lieben. Was
fasziniert Sie so?
Der "English way of life" ist von einer individuellen Freiheit
geprägt, die grösser ist als jene in der Schweiz. Freude habe
ich am englischen Humor, der manchmal sarkastisch und oft
selbstironisch ist, am Reichtum der englischen Sprache sowie an der
Landschaft, der Kultur und der Geschichte. Ich bewundere, was die
Engländer politisch und wirtschaftlich erreicht haben, und ich
bedaure, dass das Land einen solchen Niedergang erlebte, dass mein Auto…
…ein Jaguar…
…aus einem Konzern kommt, der jetzt einem Inder gehört.
Dann haben Sie Respekt für das "No" des britischen
Premierministers David Cameron zur europäischen Schuldenbremse?
Ich habe Verständnis dafür. Zwar hat er seine
Koalitionspartner verärgert. Aber er hat wohl das Bauchgefühl
der Mehrheit der Engländer getroffen.
Als England-Fan wissen Sie sicher, wie man den Tee richtig trinkt.
Natürlich. Milch und Zucker kommen zuerst in die Tasse.
Warum?
Das weiss ich auch nicht. Wissen Sie, das ist eben das Interessante an
England. Sie fragen mich immer nach dem Warum. Der Engländer
dagegen sagt: "Why not?" Interview: Andrea Sommer
-
Zur Person
Hans-Jürg Käser (61) ist seit 2006 Polizei- und
Militärdirektor des Kantons Bern. In seinem Büro an der
Kramgasse 20 in der Berner Altstadt hängt Pfeifenrauch in der
Luft. Der fast einzige, dafür auffällige Schmuck sind eine
Berner und eine Schweizer Flagge vor dem Pult.
Käser ist in Langenthal aufgewachsen und hat - abgesehen von
Auslandaufenthalten und einer Anstellung in Küssnacht am Rigi -
immer dort gewohnt. Vor seiner Wahl in den Regierungsrat war er
Stadtpräsident, Gemeinderat und Mitglied des Gemeindeparlaments
von Langenthal. Er ist FDP-Mitglied. Vor seiner Tätigkeit als
Stadtpräsident war Käser 17 Jahre lang Sekundarlehrer. In
seiner Freizeit wirkte er in der Fasnachtgesellschaft, beim SC
Langenthal und beim Modelleisenbahn-Club mit. Käser, der ein
grosser Garten- und Blumenfreund ist, hat ein Faible für Literatur
und für den "English way of life". Er ist verheiratet.as/jh
-
Kurz gefragt
Wann haben Sie das letzte Mal gelacht?
Jetzt. Ich lache oft, bin ein fröhlicher Mensch.
Geweint?
Das ist schon länger her, an einer Beerdigung, als ein guter
Bekannter zu Grabe getragen wurde.
Gelogen?
Ich rede Klartext. Politiker sollten nicht lügen.
Lieblingsessen?
Fast alles. Sehr gerne esse ich ein feines Rindsfilet à point
mit guter Beilage.
Lieblingsbuch?
Ich lese gern gute Krimis.
Lieblingsort?
Kramgasse 20. Den Charme der unteren Altstadt finde ich ganz
hervorragend.as