MEDIENSPIEGEL 21. - 27. MAI 2012

BZ 26.5.12
http://www.bernerzeitung.ch/region/bern/Die-CVP-lanciert-eine-Petition-gegen-die-Huettendorfzone/story/23189237

Die CVP lanciert eine Petition gegen die Hüttendorfzone

Bern-West · Die Hüttendorfzone im Westen Berns wird zum Wahlkampfthema: Die CVP lanciert eine Petition, laut der die Schaffung einer solchen Zone in Riedbach sofort abzubrechen ist. Die Petitionsbogen werden nächste Woche in Bümpliz und in Bethlehem verteilt.

Der Widerstand in Berns Westen ist gross: Quartiervereine und Anwohner wehren sich gegen die geplante Hüttendorfzone in Riedbach. In einer sogenannten Zone für Wohnexperimente sollen auf einer Fläche von6000 Quadratmetern ab 2014 Gruppierungen wie die Stadtnomaden oder die Stadttauben legal ihre Bauten errichten und wohnen dürfen.

Dass dieses heikle Thema im Wahljahr für Zündstoff sorgen wird, war absehbar. Nun lanciert die CVP dazu eine Petition. Sie fordert, die Schaffung einer solchen Zone in Riedbach sofort abzubrechen. Voraussichtlich am Mittwoch wird die Petition in alle Haushalte in Bümpliz und Bethlehem verteilt. Zudem sind Strassenaktionen geplant, wie Parteipräsident Michael Daphinoff sagt.

"Es ist verfehlt, irgendwelchen Gruppen entgegenzukommen, die sich fortgesetzt illegaler Methoden bedienen, um ihre Sonderwünsche auf Kosten der Allgemeinheit durchzusetzen", schreibt die CVP in ihrer Petition. Der Parteipräsident präzisiert: "Wir schliessen eine solche Zone im Westen von Bern aus. Allerdings müssen wir uns mit alternativen Wohnformen arrangieren und eine Lösung für diese Bevölkerungsgruppen finden."

Miete und Wasser bezahlen

Die Gruppierungen sollen "keine Sonderrechte haben, nur weil sie sich frech genug um die Regeln foutieren." Kein Problem hätte die CVP mit der Nutzung der Grundstücke durch die betroffenen Gruppierungen zu den gleichen Bedingungen wie andere Stadtbewohner auch. "Sie sollen Mietzinsen, Anschlüsse, Wege und Wasser selber bezahlen wie alle anderen Bürgerinnen und Bürger auch", findet Daphinoff. "Dafür braucht es keine geschenkte Sonderzone aus Steuergeldern." Pragmatismus im Umgang mit Randgruppen sei gut. "Aber der Gemeinderat läuft Gefahr, dass er übermässig pragmatisch wird und dadurch Bevölkerungsgruppen ungleich behandelt." Vor allem geht es der CVP darum, dass eine solche Zone nicht in Bern-West entstehen soll. Dieser Stadtteil leiste bereits heute sehr viel, um Migranten zu integrieren, steht in der Petition. Es sei falsch, diesen Stadtteil durch die Ansiedlung von Randgruppen weiter zu belasten. Es widerspreche zudem dem Ziel der Stadt, Berns Westen aufzuwerten. Durch ein Hüttendorf würde der dörfliche Charakter Riedbachs zerstört werden.

"Berns Westen soll nicht zum Slum verkommen und nicht noch mehr Herausforderungen meistern müssen", sagt Daphinoff. Er könne sich aber vorstellen, dass eine solche Zone andernorts akzeptiert würde. "Neben einem Industriegebiet würde ein Hüttendorf weniger stören als neben einem Familienquartier." Nur sei wichtig, dass bei der Suche nach einem Platz der Fokus nicht gleich von Anfang an auf Berns Westen gelegt werde. Das sei hier der Fall gewesen. Drei von vier anfänglich überprüften Zonen befanden sich in Bern-West.

Quartieranliegen aufgreifen

Eine solche Petition hätte man eher von Seiten der SVP erwartet denn von der CVP. Gemäss Daphinoff wird die Hüttendorfzone kein zentrales Wahlkampfthema der CVP sein. Die CVP setze sich auch im Wahljahr primär für eine attraktive und sichere Stadt für Familien und Unternehmen ein. Nachdem die Partei aber von mehreren Mitgliedern auf die Hüttendorfproblematik aufmerksam gemacht worden sei, habe man sich dieser angenommen. "Wir wollen als Familien- und Mittepartei Quartieranliegen aufgreifen und zu konkreten Problemen klare Positionen beziehen", sagt Daphinoff. Die bevorzugte Behandlung alternativer Gruppierungen und das Offerieren einer Hüttendorfzone aus Steuergeldern stehe den Zielsetzungen der CVP diametral entgegen. Die Unterschriftensammlung werde den Sommer hindurch andauern.

Sandra Rutschi

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cvp-stadtbern.ch 26.5.12
http://www.cvp-stadtbern.ch/lancierung-der-petition-keine-huttendorfzone-in-bern-west/

Lancierung der Petition “Keine Hüttendorfzone in Bern West”

Die CVP Stadt Bern ersucht den Stadt-­ und Gemeinderat mit der Lancierung einer Petition, die Schaffung einer Zone für "experimentelles Wohnen" in der Stadt Bern und insbesondere in Bern West sofort abzubrechen.

Trotz kritischer Stimmen aus Bern West hält der Gemeinderat nach wie vor an der Schaffung einer Zone für experimentelles Wohnen fest. Mit der Petition soll der betroffenen Bevölkerung die Möglichkeit gegeben werden, Ihre Meinung zum Ausdruck zu bringen. Der Petitionsbogen wird Ende Mai in alle Haushalte des Quartiers Bümpliz/Bethlehem verteilt.

Es geht der CVP primär darum, den Rechtsstaat zu wahren, Berns Westen auf- und nicht abzuwerten, die Lasten in der Stadt fair zu verteilen sowie das Entwicklungspotential von Bern West zu fördern.

Medienmitteilung Petition “Keine Hüttendorfzone”
Petitionsbogen Hüttendorf
Unterschreiben Sie die Petition

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bernerzeitung.ch 26.5.12
http://www.bernerzeitung.ch/region/bern/Gesellschaftliche-Vielfalt-in-der-Aarbergergasse-/story/29844184

Gesellschaftliche Vielfalt in der Aarbergergasse

Im vierten Teil der Reportage in der berühmt-berüchtigten Aarbergergasse steht der Konflikt rund um den Betrieb in der Casa Marcello im Vordergrund.

http://www.bernerzeitung.ch/video/?video_id=129753&channel_id=41&page=1

In der vierten Folge der Aarbergergasse-Reportage beleuchtet Telebärn das Aufeinandertreffen verschiedener Charaktere in der Aarbergergasse. Besonders deutlich wird dieses anhand der Casa Marcello. Bei einigen Betrieben in der Nachbarschaft stösst das Konzept auf Unverständnis, dass in der Casa Marcello alle willkommen sind, die sonst keine gute Stellung in der Gesellschaft haben. Besonders Bernard Hüsser, Wirt der Gourmanderie Moléson, zeigt sich gegenüber Telebärn wenig erfreut über die Casa Marcello.

Auch Peschä Michel, Wirt der Casa Marcello, kommt zu Wort. "Ich weiss, wie es ist, alleine zu sein", sagt er und erklärt damit seinen Ansatz, auch denjenigen eine Zuflucht zu bieten, die sonst keine haben. Im Video werden die Spannungen in der Nachbarschaft der Aarbergergasse deutlich; ein Rückblick auf Weihnachten 2011 jedoch zeigt auch friedliche Momente. Fazit: In dieser Gasse ist es möglich, dass jeder seinen Platz findet, auch wenn dies oftmals nicht einfach ist.

dln/Telebärn

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derbund.ch 25.5.12
http://www.derbund.ch/bern/stadt/Regierungsstatthalter-beharrt-auf-Campingverbot/story/12447248

Regierungsstatthalter beharrt auf Campingverbot

Campieren auf öffentlichem Grund bleibt in der Stadt Bern verboten - der Regierungsstatthalter hat eine Beschwerde gegen die entsprechende Verordnung abgewiesen.

Campieren auf öffentlichem Grund bleibt in der Stadt Bern verboten. Der Regierungsstatthalter hat eine Beschwerde gegen diese Regelung abgewiesen. Hintergrund der Regelung sind unter anderem politische Manifestationen wie etwa das AKW-Protestcamp im vergangenen Jahr.

Damals zelteten mehrere Dutzend Menschen auf einem kleinen Rasenstück vor dem Hauptsitz des Energiekonzerns BKW und drückten damit ihren Protest gegen die Atomenergie aus. Das Gelände wurde schliesslich geräumt. Für Schlagzeilen sorgten in den letzten Jahren immer wieder auch Gruppierungen wie die Stadtnomaden oder die Stadttauben, die in ehemaligen Bauwagen leben und von Gelände zu Gelände ziehen.

Camps als Kundgebung

Die Berner Stadtregierung erliess eine Campingverordnung, die das Campieren auf öffentlichem Grund ausserhalb der dafür explizit vorgesehenen Zonen verbietet. In begründeten Fällen kann die Stadt Ausnahmen bewilligen. Gegen die Verordnung gingen zwei Beschwerden ein, eine wurde nach einer Präzisierung der Regelung zurückgezogen. Die Beschwerdeführer der zweiten Eingabe machten geltend, dass mit dem Campieren auf öffentlichem Grund politische und meinungsbildende Ziele verfolgt würden. Die Camps seien deshalb als eine Art Kundgebung zu sehen. Mit dem Verbot verstosse der Gemeinderat gegen die Meinungs- und Versammlungsfreiheit.

Regierungsstatthalter Christoph Lerch teilt diese Ansicht nicht, wie aus seiner Mitteilung vom Freitag hervorgeht. Die Campingverordnung sei rechtmässig und mit den Grundrechten vereinbar, schreibt er.

Für die Bewilligung von Kundgebungen sei zudem das Kundgebungsreglement massgebend. Dieses gestatte in Kombination mit der Campingverordnung eine Praxis, die mit den Grundrechten vereinbar sei.

(rym/sda)

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bernerzeitung.ch 25.5.12
http://www.bernerzeitung.ch/region/bern/Aarbergergasse--mehr-als-nur-Exzesse/story/13644473

Aarbergergasse - mehr als nur Exzesse

Im dritten Teil der Reportage in der berühmt-berüchtigten Aarbergergasse begleitete Telebärn die Polizei und hat Stimmen der Partygänger eingefangen. Der dritte Teil der Telebärn-Reportage.

http://www.bernerzeitung.ch/video/?video_id=129655&channel_id=41&page=1

Im dritten Teil der Aarbergergasse-Reportage steigt Telebärn in den Streifenwagen der Kantonspolizei und nimmt so die Perspektive der Sittenwächter ein. Die Bevölkerung verlangten in einer Abstimmung mehr Polizeibeamte und mehr Polizeipräsenz in der Aarbergergasse. "Wir haben viel zu tun, regelmässig viel zu tun. Ich sage wie es ist, wir kommen nicht gern hier hin", sagt Thomas Verdun, Gruppenchef der Kantonspolizei. In der Nacht ist denn auch viel los, wie einige Nachtschwärmer vor der Kamera bestätigen. Viele seien betrunken oder bekifft und trauen sich dadurch mehr, erklären zwei junge Frauen.

Die Aarbergergasse nur auf Exzesse, Verhaftungen und Schlägereien zu reduzieren, ist jedoch falsch: Nacht für Nacht wird hier Weltkultur geboten - im preisgekrönten Klub "Bonsoir". "Hier geht es eben darum Kultur zu vermitteln", erklärt das DJ-Kombo Round Table Knights. Die Klubkultur sei in der Schweiz fast verpöhnt, da stelle man sich einfach nur Halligalli vor. Das "Bonsoir" will zeigen, dass dahinter ein grosser, kultureller Wert stecke. "Beim Nachtleben gibt es viele Missverständnisse und der kulturelle Wert wird von den älteren Generationen oft nicht verstanden", erklären sie weiter. (cls/Telebärn)

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Tageswoche 25.5.12
http://www.tageswoche.ch/de/2012_21/schweiz/425514/die-streitschule-von-bern.htm

Die Streitschule von Bern

Christoph Lenz

Die Berner Reitschule ist 25 Jahre alt. Eben hat ihr die Politik das schönste Geschenk gemacht, das sich ein AJZ wünschen kann: Zwangsauflagen. Damit ist die schwierige Diskussion über den Sinn der Reitschule im 21. Jahrhundert einmal mehr vertagt.

Andreas Berger stand in jener milden Mainacht vor der UBS-Filiale unweit des Bundesplatzes und konnte es kaum fassen. Gegen 3000 junge Demonstranten zogen an ihm vorüber mit Soundmobilen, Transparenten und Leuchtfackeln - aber es flog kein einziger Farbbeutel gegen die Grossbank.

"Das wäre 1987 unvorstellbar gewesen", sagt Berger. Als Filmemacher untersucht er seit bald dreissig Jahren das alternative und jugendbewegte Bern. Seit Anfang Mai muss Berger Überstunden schieben.

Der Konflikt um die Reitschule ist in Bern voll entbrannt - einmal mehr. Schuld trägt diesmal der übereifrige Regierungsstatthalter und Sozialdemokrat Christoph Lerch. Vor drei Wochen erliess er eine Reihe von Zwangsmassnahmen zur Reitschule. Unter anderem müssen die Aktivisten den beliebten Vorplatz um 0.30 Uhr räumen und Gäste wegweisen, die sich nach Polizeistunde noch draussen aufhalten. "Wir wollen die Lärm- und Gewaltprobleme in den Griff bekommen", erklärte Lerch.

Hehrer Wunsch

Ein hehrer Wunsch, passiert ist aber das Gegenteil. Innert Tagen hat sich eine breite Protestbewegung gebildet. Neben der Nachtdemo gab es unbewilligte Freiluft-Konzerte bis in die Morgenstunden, ein Grossfeuerwerk nach Mitternacht mit Freibier-Ausschank und Kundgebungen auf dem Vorplatz. Die Innenstadt ist gesäumt von Klebern und Plakaten. "Nehmt ihr uns den Vorplatz, nehmen wir uns die Stadt", steht auf den einen. Andere sind weniger prosaisch: "Figg di Herr Lerch!"

Manche munkeln schon, Bern stehe ein heisser Sommer bevor - und kichern wie Schulmädchen vor der Turnstunde mit dem süssen Jungen aus der Parallelklasse. Denn wenn die Jugendlichen vom Sommer 2012 sprechen, meinen sie eigentlich den Herbst 1987. Der ist längst zum lokalen Erinnerungsort geworden. Und wie immer bedauern sich die Zu-spät-Geborenen dafür, ihn verpasst zu haben. Nun keimt die Hoffnung, auch sie könnten sich noch verewigen in der Stadtchronik. Entscheiden wird es sich in den nächsten Wochen.

Erinnerungsort Zaffaraya

Was 1987 geschah? Die Polizei räumte das von Aussteigern und Alternativen gegründete Hüttendorf Zaffaraya. Das unzimperliche Vorgehen der Sicherheitskräfte löste eine für Berner Verhältnisse beispiellose Protestwelle aus. Schüler streikten, Kulturschaffende begehrten auf, Bürger errichteten Barrikaden in der Innenstadt. Und Woche für Woche gingen Tausende auf die Strasse, bis die Stadtregierung einlenkte und den Jugendlichen verschämt die Schlüssel zur Reitschule aushändigte.

Tom Locher zum Beispiel weiss noch genau, wo er sich befand an jenem 17. November 1987: in einem Büro des Betreibungsamtes, wo er als Siebzehnjähriger eine Lehre absolvierte. Von der Zaffaraya-Räumung erfuhr er durchs Radio. "Ich habe das damals instinktiv daneben gefunden", sagt Locher bei einem Espresso in der Reitschule. Was es bei ihm ausgelöst hat? "Ich bin aufmerksam geworden." Wenige Monate später schloss sich Locher den Aktivisten an. Heute engagiert er sich in der Mediengruppe und ist beinahe täglich in der Reitschule anzutreffen.

"Scharfe Hunde"

Die Parallelen zu 1987 sieht auch Filmemacher Andreas Berger, der jenen Protesten mit "Berner Beben" ein Denkmal gesetzt hat. Auch damals sei es um Freiräume gegangen, auch damals sei der Unmut gross gewesen, sagt er. "Doch 1987 gab es scharfe Hunde bei der Polizei und bei den Behörden, die Fronten waren total verhärtet." Das sei heute anders. Einerseits sei die Stadtregierung gesprächsbereit. Andererseits, die Leute an der Nachtdemo seien "hauptsächlich Partypeople", sagt Berger. Es klingt ein bisschen abschätzig. Als würden sie den Ruf der Reitschule beschädigen.

Seit bald 25 Jahren bildet sie den primären Kristallisationspunkt lokaler Gesinnungsprüfungen. Da sind die bürgerlichen Politiker mit ihrer Dauer­empörung über den "rechtsfreien Raum" und den "Schandfleck" an der Einfallsachse in die Stadt. In schöner Regelmässigkeit fordern sie die Schlies­sung oder den Abriss des Gebäudes, um Platz zu schaffen für - wahlweise - eine Shopping-Mall, ein Schwimmbad oder ein Parkhaus. Fünfmal haben diese Kämpfer für Recht, Ordnung und Sitte in den letzten zwanzig Jahren Volksinitiativen gegen die Reitschule eingereicht. Fünfmal hat das links-grüne Bern abgelehnt, zuletzt 2010 mit donnernden 68 Prozent.

Eine schützende Hand

Kein Wunder, wächst die Verzweiflung im bürgerlichen Lager. Als 100 Autonome im Herbst gegen den Kapitalismus demonstrierten, stellte sich ihnen ein breitbeiniger Rocker in den Weg. Jimy Hofer, Anführer der Berner Motorradgang Broncos, forderte die Vermummten auf, abzuhauen aus seiner Stadt. Sinngemäss: Sonst gehe hier gleich ein Donnerwetter los. Die Demonstranten griffen zum Pfefferspray und brachten den Hünen zu Fall, worauf Hofer Trost suchte bei den lokalen Medien, die den zwielichtigen Herrn eilfertig zum Winkelried erklärten.

Ebenso traditionell hält die rot-grüne Mehrheit der Stadtregierung ihre schützende Hand über das Kulturzentrum. Dass Chaoten nach gewalttätigen Demos immer wieder Unterschlupf in der Reitschule finden, dass nirgendwo mehr Drogen umgeschlagen werden als auf dem Vorplatz, dass alle paar Wochen Polizeifahrzeuge mit Steinen und Flaschen angegriffen werden - geschenkt. Gelobt wird stattdessen der Kulturbetrieb: Die Betriebe seien hochprofessionell geführt, würden Dutzende Arbeitsplätze bieten und mehrere Millionen Franken jährlich umsetzen. Tatsächlich zählten Dachstock, Kino, Theater, Frauenraum und die Rössli-Bar allein im vergangenen Jahr rund 110'000 Besucher.

Kehrseiten der Professionalisierung

Wenngleich die Verbeamtung der Reitschule nicht so weit fortgeschritten ist wie etwa bei der Roten Fabrik in ­Zürich: Die Professionalisierung hat durchaus Kehrseiten, die das Zentrum zumindest teilweise infrage stellen. Wenn etwa die jungen Anarchisten Konzerte gegen einen G-8-Gipfel veranstalten wollen, müssen sie damit wortwörtlich unter die Bahnbrücke ausweichen, weil im Dachstock schon irgendein zweitklassiger DJ gebucht wurde. Der Kulturbetrieb frisst just jene Freiräume auf, die das Jugendzentrum zu schützen vorgibt.

Es ist nur ein Beispiel dafür, dass es sich viele Reitschüler in ihrer antikapitalistischen, antifaschistischen, antisexistischen Zone gerade so gemütlich eingerichtet haben wie die pantoffeltragenden, konsumwilligen Systemstützen, die sie so gerne beschimpfen. 1987 war das, da sind sich viele Aktivisten sicher, noch ganz anders.

Selbstverwaltet statt autonom

Die Unterschiede zu früher? Tom Locher hat diesen Satz schon mehrmals diktiert. "Früher war die Reitschule autonom und selbstbestimmt. Heute sind wir basisdemokratisch und selbstverwaltet." Haben sich also nur die Begriffe geändert? Locher hat noch ein Beispiel: "Früher waren alle Türen prinzipiell offen. Immer. Auch die zum Alkohollager. Heute gibt es ein kompliziertes Schlüsselsystem."

Also doch eine Verbürgerlichung? Locher winkt ab. Anpassungen seien immer wieder nötig - nicht zuletzt wegen der exponierten Lage. Trotz allem brauche Bern die Reitschule auch heute noch. Sie sei der letzte Ort in der Stadt, an dem kein Konsumzwang herrsche. Wo Jugendliche sich unbehelligt aufhalten könnten. Wo der neoliberale Ausgrenzungsdruck noch nicht hinreiche. "Die Reitschule ist eine Oase in der Wüste der Ordnung."

Die schwierigen Fragen nach dem Sinn der Reitschule im Hier und Jetzt sind sowieso erst einmal vom Tisch. Die Reihen haben sich geschlossen, Priorität geniesst nun der Kampf gegen Regierungsstatthalter Lerch. Mal ehrlich: Wer braucht schon einen guten Zweck, wenn er einen bösen Feind hat?

Am 2. Juni wird in Bern wieder demonstriert. Weit über 4000 Personen haben auf Facebook ihr Kommen angekündigt. Vielleicht haben sie ja recht. Es könnte ein heisser Sommer werden.

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20 Minuten 25.5.12

Theo Parrish geht es nur um die Musik

BERN. Theo Parrish lernte bei DJ-Helden. Nunmehr selber eine Ikone, bringt er Bern seine Vorstellung von Tanzmusik bei.

Patchwork-Veranstalterin Judith Pfiffiger ist ausser sich vor Freude: "Endlich habe ich es geschafft, den grossartigen Theo Parrish nach Bern zu holen." Zwei Jahre versuchte sie, die lebende Legende aufzubieten. "Bisher ist es aber immer an Terminfragen gescheitert", so die Bernerin. Nun ist also der Auftritt beschlossene Sache und der 40-Jährige legt heute Abend im Dachstock auf.

Als House-Produzent zählt Theo Parrish zu den prägenden Figuren der vergangenen 15 Jahre. Sein Ruf als DJ ist nicht weniger legendär: Hinter den Plattenspielern gehört die in Chicago geborene und in Detroit ansässige Ikone zu den energiegeladeneren und vielseitigeren Vertretern seiner Zunft, heisst es. So mischt er seinen House-Sets gerne alte Soul-, Funk- und Disko-Tracks bei und dreht dabei voll ab. "Ihm geht es nur um die Musik", versichert Biffiger.

Dementsprechend gross ist die Freude über sein Engagement bei hiesigen Musikkennern: "Das ist eine einzigartige Gelegenheit", findet beispielsweise der langjährige Plattensammler und DJ Funky T. "Den Spirit aus den Anfängen der elektronischen Musik kann man heutzutage nur noch selten fast aus erster Hand erleben."

1994 hatte Parrish das DJ-Handwerk in Chicago erlernt, wo er noch vielen Meistern des Fachs direkt auf die Finger schauen konnte.
Pedro Codes

Fr, 25.5., 23 Uhr, Patchwork Presents Theo Parrish, Dachstock.

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BZ 25.5.12
http://www.bernerzeitung.ch/region/bern/Laermverfahren-gegen-Bonsoir-eingestellt/story/27714349

Verfahren gegen den Club Bonsoir wird eingestellt

Stadt Bern. Das Regierungsstatthalteramt stellt das Lärmverfahren gegen den Club Bonsoir ein.

Seit 2009 lief gegen den Club Bonsoir ein Lärmverfahren. Beschwerdeträger war ein Anwohner. Dieser wohnte in der gleichen Liegenschaft in der Aarbergergasse und ist vor rund einem Jahr weggezogen, nachdem er mit einer zivilrechtlichen Klage gescheitert war. Gestern wurde nun vom Regierungsstatthalteramt in einer Verfügung mitgeteilt, dass das Verfahren eingestellt werde - es werden keine Verwaltungszwangsmassnahmen angeordnet. Dies wegen der guten Kooperation und der seit 2009 getroffenen Lärmschutzmassnahmen seitens des Bonsoir, teilen die Clubbetreiber mit. Weiter gehende Lärmschutzmassnahmen erachte das Regierungsstatthalteramt als unverhältnismässig. Die Betreiber hatten zu bedenken gegeben, dass sie bei weiteren Restriktionen ihr Lokal wohl schliessen müssten. Die Betreiber bewerten den Entscheid als positiv. "Dennoch wollen wir uns weiterhin aktiv an vorderster Front und mit anderen Szeneakteuren für das Nachtleben in Bern einsetzen", teilen sie mit. Angesichts der herrschenden Gesetze gelte für kein Lokal Rechtssicherheit. Wie das Beispiel Sous-Soul zeige, reiche ein Kläger, um einem Nachtlokal den Garaus zu machen. Das Nachtleben werde in Bern immer noch als Problem betrachtet.

Claudia Salzmann/Newsnet

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20 Minuten 25.5.12

Verfahren gegen Bonsoir gestoppt

BERN. Bonsoir-Geschäftsführer Rolf Bähler atmet auf: Gestern hat ihm das Regierungsstatthalteramt mitgeteilt, dass das Lärmverfahren gegen den Club eingestellt wird. Dieses lief seit 2009 und war durch einen Anwohner initiiert worden, der in derselben Liegenschaft zuhause, vor rund einem Jahr aber weggezogen war. Denn mit einer zivilrechtlichen Klage war dieser beim Mieteramt gescheitert. Jetzt erwartet Bähler vom Gemeinderat eine "klare Nachtleben-Strategie", die den Machern «Rechtssicherheit bringt und der Entfaltung des kulturellen Lebens in der Stadt Bern Raum gibt.»

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regibern.ch 24.5.12
http://www.drs1.ch/www/de/drs1/nachrichten/regional/bern-freiburg-wallis/341880.mit-neuen-zonenplaenen-gegen-berner-nachtlaerm.html

Mit neuen Zonenplänen gegen Berner Nachtlärm

Jedes Wochenende fällt Partyvolk über die Berner Innenstadt her. Für Anwohner ist die Ausgelassenheit ein Problem. Und Lärmklagen werden für Clubs zur Bedrohung. Zonenplanänderungen könnten den Konflikt nun entschärfen.


Alexander Tschäppät (links) und Christoph Lerch nehmen zum ersten Mal gemeinsam zum Konflikt in der Berner Innenstadt Stellung. (SRF)

Ein boomendes Nachtleben und eine historisch gewachsenen Altstadt passen nur schwer zusammen. Die Bausubstanz macht den Betrieb von lauten Nachtklubs schwierig. Die Gassen sind eng. Die Masse an Gästen gross. Viele Anwohner haben genug. Durch die späten Öffnungszeiten der Ausgehlokale wird die Stadt über das Wochenende quasi zur 24-Stunden-Konsumzone. Lärmklagen und Anrufe bei der Polizei werden zur Regel.

Die Berner Innenstadt kocht...

Die Betreiber von Nachtlokalen haben mit den Lärmklagen ihre liebe Mühe. "Eine einzige  Klage kann den Betrieb eines ganzen Clubs gefährden", erklärt Rolf Bähler vom Lokal "Bonsoir" in der Aarbergergasse. Für Menschen die im Wissen um die Clubs im Quartier eine Wohnung mieten und dann eine Lärmklage einreichen, hat er kein Verständnis. Alle Betroffenen fordern, dass der Gemeinderat handelt und sich um die Regelung des Nachtlebens kümmert.

...das Rezept lässt auf sich warten

Die Lösung könnte in der Änderung des Zonenplans liegen, wie Stadtpräsident Alexander Tschäppät gegenüber dem Regionaljorunal von Radio DRS sagt. Bereits diesen Sommer soll ein Vorschlag auf dem Tisch liegen. Die Lösung könnte darin liegen, dass man einzelnen Stadtgebieten eine bestimmte, neue Nutzung zuschreibt. Konkret: Gemäss dem Vorschlag des Stadtpräsidenten könnte diese in der oberen Altstadt zulasten des Wohnens gehen.

Tschäppät gibt jedoch zu bedenken, dass der bis jetzt bewährte sympathische Mix aus Gewerbe und Wohnen aus dem Lot geraten könnte. (hafj, sahm)

Beitrag und Gespräch
Hören (18:23)
http://www.drs1.ch/www/de/drs1/nachrichten/regional/bern-freiburg-wallis/341880.mit-neuen-zonenplaenen-gegen-berner-nachtlaerm.html
(Link unten)

Verantwortlich für diesen Beitrag:
Joël Hafner und Michael Sahli

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bernerzeitung.ch 24.5.12
http://www.bernerzeitung.ch/region/bern/Tanzdemo-Auch-Kapitel-schliesst/story/14932355

Tanzdemo: Auch "Kapitel" schliesst

Nachdem die Reitschule am Mittwoch bekundete, dass ihr Betrieb während der Tanzparade "Tanz dich frei 2.0" schliesst, zieht die Propellerbar und das Kapitel am Bollwerk nach.

Am 2. Juni wird durch die Stadt Bern getanzt. Zur Veranstaltung "Tanz dich frei 2.0" haben sich auf bisher rund 4600 Menschen auf Facebook angemeldet, um gegen die Einschränkung des Nachtlebens und des öffentlichen Raumes zu protestieren. Die Reitschule teilte am Mittwochmorgen mit, dass ihre Lokalitäten während der Tanzparade geschlossen bleiben werden.

Zeit für ein Zeichen

Auch das "Kapitel Bollwerk" zieht mit: Laut einer Mitteilung am Mittwochnachmittag macht ihr Lokal für die Tanzparade ab 00.30Uhr dicht. "Wir solidarisieren uns hiermit mit dem Aufruf der Reitschule und werden die geplante Veranstaltung absagen." Der Betrieb des Restaurants werde bis zur ordentlichen Polizeistunde wie gewohnt geführt.

Weiter schreiben die "Kapitel"-Betreiber, dass es nach der Schliessung von Sous Soul und Wasserwerk und der Verfügung der Regierungsstatthalteramt gegen die Reitschule an der Zeit sei, ein Zeichen zu setzen: "Bern braucht ein vielfältiges Nachtleben." Plätze wie der Vorplatz, wo Menschen ohne Konsumzwang ihren Ausgang verbringen können, seien auch für "gewöhnliche" Gastrobetriebe von immenser Bedeutung, betonen sie. Sie weisen zusätzlich auf die Rechtsunsicherheiten bezüglich der Lärmemissionen hin und dass die Stadt im Bereich der Öffnungszeiten von Gastrobetrieben die Entwicklung verschlafen habe.

Andere noch unschlüssig

Andere Klubs stellen ihren Betrieb nicht ein: So bleiben beispielsweise das "Bonsoir", "Bierhübeli" und "Le Ciel" offen. In manchen Lokalen sei man noch unschlüssig. Wie "20Minuten" am Donnerstag schreibt, werde die Bar "Propeller" in der Aarbergergasse in den nächsten Tagen eine Entscheidung fällen. Laut der Tageszeitung "Bund" blieben die Turnhalle und das ISC offen, in der Printausgabe von "20Minuten" seien die beiden Betriebe noch unentschlossen.

Claudia Salzmann

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derbund.ch 24.5.12
http://www.derbund.ch/bern/stadt/Auch-Kapitel-schliesst-fuer-die-Tanzdemo/story/20319635

Auch Kapitel schliesst für die Tanzdemo

Am 2. Juni dürften wiederum Tausende durch die Innenstadt tanzen. Nach der Reitschule beschliesst mit dem Kapitel am Bollwerk ein weiteres Kulturlokal, am ersten Juni-Samstag den Betrieb einzustellen.


Die Kapitel-Betreiber solidarisieren sich mit den Anliegen der Tanzdemo vom 2. Juni.
Bild: Manu Friederich

Am 2. Juni stellt die Reitschule ihren Betrieb ein, um das Strassenfest "Tanz dich frei 2.0" zu unterstützen, um die Aktion aktiv zu unterstützen. Auch riefen die Reitschüler in einer Medienmitteilung weitere Veranstalter auf, "sich uns anzuschliessen und an diesem Abend ebenfalls geschlossen zu halten".

Nun solidarisiert sich das Kapitel Bollwerk mit dem Aufruf zum Streik - und sagt die für den 2. Juni geplante Veranstaltung ab. Der Betrieb des Restaurants werde aber bis zur ordentlichen Polizeistunde geführt, schreiben die Betreiber des Lokals in einer Medienmitteilung.

"Verhältnisse für Clubbetreiber unzumutbar"

Bern brauche ein vielfältiges Nachtleben, heisst es in der Mitteilung des Kapitel weiter - und "Plätze wie der Vorplatz, wo Menschen ohne Konsumzwang ihren Ausgang verbringen können, sind auch für "gewöhnliche“ Gastrobetriebe in Bern von immenser Bedeutung." Zudem seien Verhältnisse für Clubbetreiber wie Veranstalter in Bern unzumutbar.

Die Betreiber des Kapitel werfen den Behörden auch vor, dass diese im Bereich der Öffnungszeiten von Gastrobetrieben die Entwicklung total verschlafen habe. Eine Liberalisierung der "vorgestrigen Regelungen" sei bitter nötig.

bs

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bernerzeitung.ch 24.5.12
http://www.bernerzeitung.ch/region/bern/Laedelisterben-in-der-Aarbergergasse/story/19394167

"Lädelisterben" in der Aarbergergasse

Im zweiten Teil der Aarbergergasse-Reportage von TeleBärn wird ein Blick auf das Gewerbe geworfen und wie sich die Gasse wirtschaftlich entwickelt hat.

http://www.bernerzeitung.ch/video/?video_id=129565&channel_id=41&page=1

Im zweiten Teil der Aarbergergasse-Reportage zeigt Telebärn eine Retrospektive, wie die frühere Stadt Bern ausgesehen hat und welche Betriebe damals erfolgreich waren. Bereits in den 80er Jahren setzte das Lädelisterben ein und immer mehr Klubs und Gastrobetriebe zogen in die Aarbergergasse. Damals organisierte der Aarbergergass-Leist ein Fest "Mitenang, nid gägenang".

Weiter beleuchtet Telebärn die wirtschaftlichen Aspekte und das Gewerbe in der Aarbergergasse. Die Metzgerei Richner ist in der Aarbergergasse seit 1918 und somit das älteste Geschäft. Doch das Gewerbe verschindet langsam aus der Innenstadt, weil sich die Besitzer die Raummieten nicht mehr leisten können. Auch die Wohnqualität sank und die Nachtschwärmer vereinnahmten die Gasse immer mehr. (cls/Telebärn)

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kulturstattbern.derbund.ch 24.5.12

Schabernack mit The Shit

Von Gisela Feuz am Donnerstag, den 24. Mai 2012, um 05:13 Uhr

Was man in einem simplen Luftschutzkeller alles für Schabernack anstellen kann, zeigen The Shit in ihrem neuen Video zu "Get Out". Nicht nur das Outfit der Herren ist höchst amüsant, sondern auch der völlig kindische (und deswegen äusserst sympathische) Unfug, den die vier Buben anstellen. Munter werden da neue Sportarten erfunden (Ping-Pong-Slapping und Schlauch-Wrapping), wobei The Shit dazu gleich selber ihre hartgekochten Frühstückseier legen. Sehr praktisch. Und überzeugender hat wohl noch kaum jemand geblutet in der Video-Clip-Geschichte.



Jason Brandenberg, welcher dieses Video für The Shit gebaselt hat,
beweist: Es braucht keine millionenteure Hollywood-Produktion für ein gutes Musik-Video. Ganz im Gegenteil wurde für "Get Out" mit minimalen Mitteln ein Video gedreht, welches man sich getrost mehrmals anschauen kann und dabei immer noch grinsen muss über den unsäglichen Unsinn. Und wie gerne wäre man doch dabei gewesen, als sich die Herren die Strumpfhosen über die haarigen Haxen zerrten.

The Shit taufen ihre Platte "Dingleberry Fields Forever" am Donnerstag 7. Juni im Rössli der Reitschule. Wie sie ihren leistenbrüchigen Gitarristen bis dahin wieder hinbekommen wollen, was genau ein Dingleberry ist und wie es den Herren bei den Aufnahme auf der Rancho de la Luna in Kalifornien ergangen ist in, können Sie hier nachhören.

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BZ 24.5.12

Verjüngungskur mit Baby Jail

Punk 'n' Pop · Ihre letzten Konzerte gab die Zürcher Kultband 1994 in Bern und Solothurn. Der erste Gig ihrer Comebacktour findet wiederum in Bern statt - Grund genug für ein warmes "Welcome back" in der Reitschule.



Flashback: Im Zürcher Sexkino Walche spielten Baby Jail ihren ersten Gig, es war die Neujahrsnacht 1986, und irgendwer hatte auch noch Geburtstag. Man frönte mit etwas Brennsprit der Pyrotechnik Marke Eigenbau, hatte jede Menge Spass und ohne Absicht schon den ersten Hit: "Sad Movies", eine Sixties-Schnulze von Barbara Thompson auf Züritüütsch. Bald spielte DRS-3-DJ François Mürner die rührselige Falschtonparodie rauf und runter. Ohne den Titel anzumelden, produzierten Baby Jail 1987 eine Flexi-Single mit dem Song, verschickten sie 2000-mal in den frankierten Rückantwortcouverts ihrer Start-up-Fans und umschifften so auch die damals verpönte Hitparade. Obwohl man gegen die eigentlich nichts hatte. Vielmehr nervte die anhaltend düstere Achtziger-Coolness: "Alle waren bleich, schlecht gelaunt und schwarz gewandet", erinnert sich Boni Koller, "richtig langweilig."

Wie Kindergeburtstage

Sänger Boni, der schon in der Schule als Berufsziel "fünfter Beatle" angegeben hatte, und Bassistin Bice Aeberli, die bei Bands wie Clan Miller and the Hot Kotz Erfahrungen gesammelt hatte, wollten mehr als "No Future". Unterhalten, zum Beispiel. Dazu gehörten aufgeklebte Eiterpickel, der Einsatz von Blockflöten und Songzeilen wie "Oma kochte Enkelkind, denn sie wollte Sex". Nicht alle fanden Baby Jail lustig, aber alle kamen an ihre Konzerte. Da fühlte man sich wie an einem Kindergeburtstag ("Trau keinem über 11"), es war fröhlich, laut, chaotisch. Und das Beste: Niemand musste sich schämen für die eigene Anwesenheit, denn die Hofnarren des Postpunk waren trotz allem politisch korrekt. Am liebsten spielten Baby Jail in besetzten Häusern, wo sie dem Publikum das Gefühl gaben, zu Hause zu sein und dennoch alles versiffen zu dürfen.

Bern ja, Züri Ost nein

Mit "Tubel Trophy", ihrem Top-Ten-Hit von 1992, reagierte die Band auf rechtsdumpfe Stammtischpolitiker und nahm gleichzeitig das Format der aufkommenden Realityshows ins Visier. Der Tubel wird mittels einer Überlebensübung im Urwald entsorgt, seinen hiergebliebenen Kollegen empfiehlt die Band: "Stönd emal i d Schiissi, und am Griff, wos hät, deet ziehnder / Wänn ihr nüme da sind, dänn vermisst eu nämli niemer." "Mundart war eigentlich nicht so unser Ding", erklärt Bice und weist auf Baby Jails zahlreiche englische Songs und deutsche Schlager hin. Boni bestätigt: "Züri Ost wollten wir nie sein." Lieber tat er sich nach der Auflösung Baby Jails 1994 mit dem Berner Tausendsassa Bubi Rufener (Bishop's Daughter, Boob) zur Allschwil Posse zusammen. Ausserdem spielt Boni heute wirklich an Kindergeburtstagen, Stärneföifi! Doch jetzt dürfen sich auch die Erwachsenen wieder mal austoben - Baby Jail sei Dank.
Tina Uhlmann

Konzert: Do, 31. Mai, 21 Uhr, Rössli in der Reitschule Bern.

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kulturagenda.be 24.5.12

Theo Parrish am Patchwork im Dachstock

Vinyl ist Theo Parrishs Spielwiese. Seit über 20 Jahren ist er als erfolgreicher Musiker, Produzent und DJ tätig. Gross geworden ist der Soundtüftler mit DJ-Legenden wie Larry Levan und Ron Hardy. So überrascht es nicht, dass Theo Parrishs Sets eine Verschmelzung von elektronischen Beats, Jazz, Funk und Soul sind.
Dachstock in der Reitschule, Bern. Fr., 25.5., 23 Uhr

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Bund 24.5.12

Theo Parrish

Tanzbarer Sound-Flickenteppich

Seit mehreren Dekaden ist er eine DJ-Legende. Nun macht der US-Amerikaner Theo Parrish halt im Dachstock, serviert auf seinen Plattentellern mit House-Beats unterfütterten Jazz, Soul oder Elektro. "Love of the Music" ist die treibende Kraft, die den Tüftler bunte Sound-Collagen erschaffen lässt. Und diese Liebe wird zu spüren bekommen, wer sich in der Patchwork-Nacht auf die vibrierenden Dielen begibt. (juz)

Dachstock Freitag, 25. Mai, 23 Uhr.

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kulturagenda 24.5.12

Diskussionen über das bedingungslose Grundeinkommen

Das bedingungslose Grundeinkommen bewegt die Gemüter: Am Donnerstag diskutieren im Frauenraum Judith Giovannelli-Blocher, Ursula Knecht-Kaiser, Therese Wüthrich und Annemarie Sancar. Daniel Straub und Christian Müller (Bild) stellen ein paar Tage später ihr Buch "Die Befreiung der Schweiz" im Ono vor.
Frauenraum in der Reitschule, Bern. Do., 24.5., 20 Uhr.
Ono, Bern. Mi., 30.5., 20 Uhr

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kulturagenda.be 24.5.12

Im Tojo kochen die Emotionen

Regisseur Michael Oberer inszeniert im Tojo Theater die griechische Tragödie "Antigone". Dabei treffen starke Gefühle, ein Bühnenbild des Künstlers Giro Annen und Trommelwirbel von Margrit Rieben aufeinander.

Wie aktuell ist ein 2500-jähriger Text? In Sophokles' Tragödie "Antigone" entbrennt nach dem Tod von König Ödipus zwischen dessen Söhnen Eteokles und Polyneikes ein Streit um das Königreich Theben. Im Kampf töten sich die beiden gegenseitig. Kreon (Markus Signer), der daraufhin an die Macht kommt, bezichtigt Polyneikes des Heimatverrates und verweigert ihm das Begräbnis. Damit verstösst er gegen die geltenden Sitten. Polyneikes Schwester Antigone (Julia Maurer) sieht es hingegen als ihre gottgewollte Pflicht, ihrem Bruder die letzte Ehre zu erweisen. Mit ihrer Tat stellt sie den Willen der Götter über denjenigen Kreons.

Immer wieder ein brisanter Stoff

"Vor 30 Jahren habe ich ‹Antigone› zum ersten Mal auf die Bühne gebracht", sagt Regisseur Michael Oberer. Wegen des Motivs der Auflehnung gegen das herrschende System sei das Stück damals in Zusammenhang mit der Roten- Armee-Fraktion in Deutschland sehr beliebt und auch brisant gewesen. Die Unruhen in Ägypten und Libyen hätten ihn wieder daran erinnert, erklärt er. In seinen Kernanliegen ist das Stück nach wie vor aktuell. Sophokles' Worte behalten ihre Gültigkeit: "Ungeheuer ist viel. Doch nichts ungeheurer als der Mensch."

Zeitlosigkeit und archaische Sprache

Das Bühnenbild im Tojo Theater in der Reitschule macht deutlich, dass Oberer das Stück explizit weder in der Gegenwart noch in der Vergangenheit verorten will. Der Künstler Giro Annen hat es für die Inszenierung konzipiert: Steine und Sand verweisen auf die Vergangenheit, Ölfässer und ein Graffito sind der Gegenwart entnommen. Insgesamt sind die Requisiten rar, die Kostüme schlicht gehalten.
Als Textvorlage dient Oberer Friedrich Hölderlins "Antigone"-Übersetzung aus dem Jahr 1804. "Es ist eine archaische, schwer verständliche Sprache", meint er dazu. Er hat daran bewusst keine Änderungen vorgenommen. "Das Stück soll Emotionen auslösen, ganz im Sinne des klassischen griechischen Theaters. Insofern ist mein Ansatz altmodisch ", sagt Oberer. Mit dem Verzicht auf ironische Brechungen will er dem Publikum die Chance geben, in das Stück einzutauchen.

Emotionen, Tanz und Trommeln

Der Text allein reichte Oberer nicht aus, um sein Ziel zu erreichen, nämlich die "Emotionen zum Kochen zu bringen". Mit fein choreografierten Bewegungsabläufen werden auf der Bühne die inneren, nonverbalen Kämpfe der Protagonisten visualisiert. Oberer hat dafür den Choreografen Marcel Leemann hinzugezogen. Denn wenn etwa Antigone in Todesangst auf der Bühne hin- und hergeht und dabei immer wieder um den nächsten Schritt kämpft, überträgt sich ihre Anspannung auch auf die Zuschauer.
Einen weiteren wichtigen Beitrag zum Stück liefert die Perkussionistin Margrit Rieben. Immer wieder zieht sie die Zuschauer mit rhythmischem Trommelschlägen ins Stück hinein und stützt mal laut, mal leise die Handlungen der Schauspieler.

Nelly Jaggi

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Tojo Theater in der Reitschule, Bern
Mi., 23., Fr.,

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WoZ 24.5.12

Globalisierte Musik

Davon geht die Welt nicht unter

Die heutige Globalisierung von Musik löst apokalyptische Diskurse aus. Doch der Musikwissenschaftler Julio Mendívil meint, dass sie vielmehr Differenz, Vielfalt und Austausch fördert.

Von Julio Mendívil

In seinem Buch "Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte" ironisierte Karl Marx Georg Wilhelm Friedrich Hegels Aussage, alle grossen weltgeschichtlichen Tatsachen würden sich zweimal ereignen. Hegel, so Karl Marx, habe vergessen hinzuzufügen, dass sie das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce geschähen.

Wenn Marx den Satz auf die Reaktionen der Menschen auf neue Medien bezogen hätte, dann hätte er sich für einmal geirrt. Schon als das gedruckte Buch gegen Ende des Mittelalters aufkam, verkündete man den Tod der Lektüre. Ähnlich äusserten sich Expert­Innen, als um die Wende zum 20. Jahrhundert die technischen Medien die Aufnahme von Musik ermöglichten. Dann beklagten Musik­liebhaberInnen, dass die Technik der Musik einen Todesstoss verpassen würde, indem sie das Liveereignis überflüssig mache. Die apokalyptischen Diskurse, die durch die heutige Globalisierung von Musik ausgelöst werden, sind ein weiteres Beispiel des Misstrauens, mit dem Menschen neuen Medien begegnen. Nur dass dieses Misstrauen keine Farce ist. Denn die Globalisierung verändert tatsächlich die Musik.

Die Aussage ist so banal, dass es fast lächerlich ist, sie überhaupt zu formulieren. Weniger banal erscheint die Frage nach der Art und Weise, wie die Globalisierung die Musik verändert. Globalisierungsprozesse in der Musik hat es immer gegeben: die Ausbreitung des diatonischen Systems durch die kolonia­le Ausbreitung Europas, die Durchsetzung auditiver Standards mit der Einführung der Mikrofonie oder die Verbreitung von bestimm­ten Rhythmen durch die Plattenindustrie et cetera. Aber keiner dieser Prozesse lässt sich mit dem messen, was die Etablierung des Internets und der digitalen Übertragung von Audiodateien für die Produktion und den Vertrieb von Musik bedeutet. Wir müssen also zuerst einmal definieren, über welchen Globalisierungsprozess wir sprechen.

Japanisch in São Paulo

Mit "Globalisierung" bezeichnen wir heute die transnationale Vernetzung von Akteur­Innen in der postmodernen Welt. Diese Verflechtung kann ökonomischer, kultureller oder politischer Natur sein. Wie der britische Soziologe Anthony Giddens anmerkt, bezieht sich die Globalisierung nicht nur auf öffentliche Lebenssphären. Sie schliesst unsere private Welt mit ein, da sie mittels neuer Kommunikationstechnologien unsere Beziehung zu Raum und Zeit radikal verändert. Informationen zirkulieren dank des Internets mit einer vorher niemals erreichten Geschwindigkeit hier, dort und überall. ­Diese Veränderungen von Raum und Zeit prägen den Konsum wie auch die Produktion von Musik.

Während Lady Gaga, Rihanna oder Taio Cruz im Westen produziert werden, um in Neu-Delhi, Maputo oder Moskau gekauft, ge­hört und imitiert zu werden, werden angeblich lokale "Produkte" wie Mano Dibango aus Kamerun oder Juanes aus Kolumbien ebenfalls von Zentren ausserhalb des Territoriums produziert, in dem sie konsumiert werden. Lokalität hat an Bedeutung verloren.

Viele Musikformen leben in der Diaspora: Es gibt algerischen Raï aus Paris, ghanaischen Highlife aus Berlin, japanische Enka-Musik aus São Paulo oder angolanischen Kuduru aus Lissabon. Dies macht deutlich, dass territoriale Bindungen unwichtig geworden sind.

Auch der Umlauf von Musik hat sich ge­ändert. Vor dreissig Jahren wäre es kaum möglich gewesen, Platten von Caetano Veloso in Buenos Aires oder von Ryuichi Sakamoto in London zu kaufen. Heute lässt sich Musik aus der ganzen Welt mit einem einfachen Klick downloaden. Jede Musik zirkuliert hier, dort und überall. Es ist ein Zeichen post­moderner Zeiten, dass Musikkulturen in Dialog treten und sich gegenseitig beeinflussen. So etwa ist der Einfluss des US-amerikanischen Heavy Metal in Dhaka genauso gross wie der Einfluss des Country im brasilianischen Sertão oder des Hip-Hop in Kathmandu. Wird die Differenz zum Mainstream?

Weltweite Diversität?

Globalisierungsgegner wie Neil Young oder Manu Chao mögen solche Entwicklungen kritisieren, weil sie vermeintlich eine Homogenisierung der Kultur und der Musik vorantreiben. Aber wie der französische Sozio­loge Frédéric Martel in seinem Buch "Mainstream" zeigt: Die Zukunft der Diversität ist nicht gefährdet. Martel demonstriert, dass mit der Globalisierung nicht nur die US-amerikanische Musik, sondern auch die chinesische, die indische, die lateinamerikanische, die arabische oder die südafrikanische durch die Welt ziehen. Statistiken zeigen zudem, dass die Vereinigten Staaten den internationalen Musikmarkt nicht erobert haben, selbst wenn Jennifer López oder Justin Bieber überall gehört werden. Der US-amerikanische Mainstream ist in China gescheitert, genauso wie der englische in den arabischen Ländern. Hingegen muss das Zentrum der Musik­industrie jetzt mit Konkurrenz aus der Peripherie rechnen. Dank Internetplattformen wie MySpace oder YouTube können KünstlerInnen wie Michel Teló oder Joanna Wang zum globalen Mainstream werden.

Ist das nun hegemonial oder subversiv? Gewiss ist, dass das Aufgeben der Lokalität die Entstehung multilokaler Musik begüns­tigt hat. Der peruanische Sänger Luis Ayvar nimmt seine Songs zum Beispiel teilweise in Deutschland auf, wo er wohnt, teilweise in Peru, wo er regelmässig auftritt und CDs massenhaft verkauft. Seine Platten kommen auf den Markt, ohne dass die involvierten MusikerInnen sich ein einziges Mal persönlich getroffen haben. Die Globalisierung moderner Technologie ermöglicht die Produktion und Zirkulation traditioneller Musik aus Peru.

Differenz, Vielfalt, Austausch

Die Globalisierung hat unser Hörverhalten revolutioniert. Während früher Musik allein sesshaft konsumiert wurde, wird sie heute vor allem konsumiert, während wir uns bewegen. Formate wie MP3 oder MPEG4, Nebenprodukte der Globalisierung, sind deswegen ökonomischer als CDs oder Schallplatten, denn sie können überall mitgenommen werden. Eine Konsequenz der Globalisierung ist, dass Musik nomadisch geworden ist.

Eine der wichtigsten Neuerungen des Musikkonsums ist die negative Rezeption. Eine Plattform wie YouTube, die jede Musikproduktion kostenlos weltweit anbieten kann, macht es möglich, dass Musik konsumiert wird, um verspottet zu werden. So sind die Videos von La Tigresa del Oriente oder Rebecca Black millionenhaft angeschaut und millionenhaft lächerlich gemacht worden   -   die Globalisierung macht uns alle zu Musik­expertInnen und schafft so eine Demokratisierung, die häufig missbraucht wird.

Die Globalisierung hat zudem ermög­licht, dass traditionelle Musikkulturen sich der grossen Welt präsentieren. Man kann die Technik der Nyanga-Panflöten aus Moçambique, die Tänze der Pintupi aus Australien oder die Songs der Xingú aus Brasilien auf YouTube oder anderen Internetseiten finden, wie all diese Kulturen John Lennon, Aretha Franklin oder Johannes Brahms entdecken können. Die Globalisierung fördert also nicht nur Homogenisierung, sondern auch Differenz, Vielfalt und Austausch. Sie verdrängt nicht nur das alte Musikleben, sie lässt auch hier, dort und überall neue Umgangsformen mit Musik entstehen.

Der italienische Autor Umberto Eco hat daran erinnert, dass VerfechterInnen von apo­ka­lyp­tischen Antiglobalisierungsdiskur­sen schon oft das Ende der Welt angekündigt haben   - offensichtlich fälschlicherweise. Ja, die Globalisierung hat die Musik verändert. Aber, wie ein alter Schlager klugerweise verkündet: Davon geht die Welt nicht unter.
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Julio Mendívil ist Dozent an der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover sowie an der Universität Köln. An den Thementagen "Musik und Globalisierung" referiert er am Mi, 30. Mai, 10 Uhr, im Berner Progr über "Indianische Musik als globale Nische im postmodernen Europa".

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"Musik und Globalisierung"

Im Rahmen der Thementage "Musik und Globalisierung" treffen sich in Bern und Zürich Wissenschaftlerinnen, Musikjournalisten und MusikerInnen zu Vorträgen, Podien und einem öffentlichen Gedankenaustausch. Die Reihe bietet eine Zwischenbilanz zum Nationalfondsprojekt "Globale Nischen: Musik in einer transnationalen Welt". Sie geht den Fragen nach, welchen Einflüssen die Musik in einer digitalisierten und globalisierten Welt ausgesetzt ist und welche neuen Faktoren Musikproduktion und   -vertrieb mitbestimmen. Das Programm wird jeweils abends mit Filmvorführungen und Konzerten erweitert.

Thementage "Musik und Globalisierung" in: Bern, Progr, Di, 29. Mai, 9-17 Uhr, Vorträge und Podiumsdiskussion. Kino der Reitschule, 20.30 Uhr, "Kings of the Gambia" (Film). Mi, 30. Mai, 9-17   Uhr, Vorträge und Podiumsdiskussion. 20.30   Uhr, Nilsa (Konzert).

Zürich, Rote Fabrik, Do, 31. Mai, 17 Uhr, Podiumsdiskussion. 18.30 Uhr, Kocher & Roza (Konzert). 21 Uhr, "The Shukar Collective Project" (Film). 22.30 Uhr, The National Fanfare of Kadebostany (Konzert). www.norient.com

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BZ 24.5.12

Demo "Tanz dich frei"

Reitschule und "Kapitel" schliessen

Am Samstag, 2. Juni, findet das politische Strassenfest "Tanz dich frei" statt (wir berichteten). Die Reitschule kündigte an, dass sie am Abend ihren Betrieb einstellen wird, um die Aktion "aktiv zu unterstützen". Die Reitschüler riefen gleichzeitig andere Kulturbetriebe auf, es ihr gleichzutun. Der Club Kapitel am Bollwerk beteiligt sich teilweise, wie er mitteilte: Der Betrieb wird ab 0.30 Uhr geschlossen, eine geplante Veranstaltung abgesagt. Das Restaurant wird zuvor allerdings wie gewohnt geführt.pd

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20 Minuten 24.5.12

Clubs machen für Tanzdemo dicht

BERN. Über 4300 Menschen wollen in der Nacht vom 2. Juni mit "Tanz dich frei 2.0" durch die Stadt ziehen und für ein freieres Nachtleben demonstrieren. Jetzt solidarisieren sich auch zwei Kulturbetriebe mit den Organisatoren der Demo. Die Reitschule bleibt an diesem Tag geschlossen, "weil der Kampf für eine freie Gesellschaft nur ein gemeinsamer sein kann", wie das AJZ mitteilt. Gleichzeitig ruft es andere Kulturbetriebe auf, dasselbe zu tun. Als Erster zieht jetzt das Kapitel mit: "Wir sagen die geplante Party ab und schliessen um 0.30 Uhr", so Kapitel-Sprecher Diego Dahinden.

Andere Clubs hingegen sind sich noch uneins. "Wir werden in den kommenden Tagen entscheiden, ob wir schliessen - grundsätzlich stehen wir aber hinter dem Projekt", sagt Roman Bühler von der Propeller-Bar. Die Turnhalle und das ISC sind noch unschlüssig. Das Bonsoir aber bleibt offen. NOP

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kapitel.ch 23.5.12
https://www.facebook.com/#!/pages/KAPITEL-Bollwerk/290686317625664

Medienmitteilung Kapitel Bollwerk zur "Tanz dich frei“ Veranstaltung vom 2. Juni 2012

Sehr geehrte Medienschaffende

Das Kapitel Bollwerk hat Heute Mittwoch 23. Mai 2012 beschlossen den Betrieb am Samstag 02. Juni 2012 ab 00.30Uhr zu schliessen. Wir solidarisieren uns hiermit mit dem Aufruf der Reitschule, welcher Heute Morgen von der Mediengruppe der Reitschule versendet wurde. Die geplante Veranstaltung wird demnach abgesagt. Der Restaurant Betrieb wird bis zur ordentlichen Polizeistunde von 00.30Uhr wie gewohnt geführt.

Für ein vielfältiges Nachtleben

Nach der Schliessung von Sous Soul und Wasserwerk und der Verfügung der Regierungsstatthalteramt gegen die Reitschule ist es an der Zeit ein Zeichen zu setzten. Bern braucht ein vielfältiges Nachtleben. Plätze wie der Vorplatz, wo Menschen ohne Konsumzwang ihren Ausgang verbringen können, sind auch für "gewöhnliche" Gastrobetriebe in Bern von immenser Bedeutung. Zudem sind die Verhältnisse für Clubbetreiber wie Veranstalter in Bern unzumutbar. In Bereich der Lärmthematik besteht für Betreiber eine riesige Rechtsunsicherheit. Betriebe können nicht nur von einem auf den anderen Tag in ihrer Existenz gefährdet sein, sondern die aktuelle Lärmpolitik ist für die ganze Berner Gastro- und Clubszene innovationshemmend. Im Bereich der Öffnungszeiten von Gastrobetrieben hat die Stadt Bern die Entwicklung total verschlafen. Eine Liberalisierung dieser vorgestrigen Regelungen ist bitter nötig.

Kapitel Bollwerk

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Blick am Abend 23.5.12
http://issuu.com/blickamabend/docs/23.05.2012_be/11

Reithalle schliesst am 2. Juni

DEMO  Statt Party in der Reitschule gibts am 2. Juni den zweiten Protesttanz durch die Stadt.

Unter dem Motto "Mir gö z'tanz" kommt es am Samstag, 2. Juni, zur zweiten "Tanz dich frei"- Veranstaltung. Hintergrund ist die Verfügung von Regierungsstatthalter Christoph Lerch (SP), der den Reithallen-Betrieb einschränken will. "Es wird einmal mehr versucht, einen der letzten verbliebenen Freiräume in der Stadt Bern zu ‹verreglementieren› ", schreibt die Reitschule heute in einer Mitteilung. Sie solidarisiert sich mit der "Tanz dich frei"-Aktion und schliesst deshalb am 2. Juni den Betrieb vollständig. Bereits am 11. Mai fand die erste Tanz-Demo statt. Damals nahmen rund 3000 Personen teil. An der zweiten Mini-Streetparade dürften es sogar noch mehr werden. Auf Facebook haben bereits über 4000 Leute für das "Strassenfest" zugesagt. Eine Bewilligung für die Demonstration haben die Veranstalter nicht. ehi

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bernerzeitung.ch 23.5.12
http://www.bernerzeitung.ch/region/bern/Reitschule-waehrend-Tanzdemo-geschlossen/story/21456315

Reitschule während Tanzdemo geschlossen

Am 2. Juni werden Berns Strassen erneut zur Tanzfläche. Während der unbewilligten Strassenparade "Tanz dich Frei 2.0" schliesst die Reitschule ihre Tore. Andere Betriebe sollen dem Beispiel folgen.



Vorletzte Woche erlebte Bern die grösste Nachtdemo seit über 20 Jahren. Am Freitag in einer Woche dürfte sich wieder eine Menschenschar tanzend durch Berns Strassen bewegen. Anonyme Organisatoren haben zur "Tanz dich frei 2.0"- Parade aufgerufen. Der Umzug ist bis jetzt nicht bewilligt.

Wie die Reitschüler am Mittwochmorgen mitteilen, bleiben sämtliche Betriebe der Reitschule am 2. Juni geschlossen. "Wir unterstützten und teilen die Ziele und Inhalte dieser Aktion", schreiben die Verantwortlichen. Mit der Aktion soll für eine freie Gesellschaft gekämpft werden und dies gehe nur gemeinsam. Auch fordern sie andere Lokale auf, sich anzuschliessen und ebenfalls zu schliessen.

Warm-Up an der Parade

Laut der Tageszeitung "Der Bund" hat die Reitschule Mühe, weitere Klubs zu finden, die sich der Aktion anschliessen. Das ISC, das Bonsoir und die Turnhalle werden ihre Lokalitäten voraussichtlich nicht schliessen. Dies meist aus organisatorischen Gründen. Auf Anfrage von Bernerzeitung.ch sagt Philippe Cornu von Appaloozza Productions, dass auch das Bierhübeli offen sein wird. "Für unsere Veranstaltung läuft der Vorverkauf. Würden wir schliessen, verärgern wir die Gäste." Doch da die Tanzparade früh anfange, stehe den Bierhübeli-Gästen nichts im Wege, sich an der Parade warmzutanzen, um danach im Klub weiterzumachen.

Auch der Klub "Le Ciel" beim Bollwerk wird wegen der Tanzparade nicht schliessen. "Wir unterstützen die Tanzparade im Grundsatz", sagt Jan Kamarys, Inhaber des "Le Ciels". "Doch wir können es uns nicht leisten, an einem Samstagabend unseren Klub zu schliessen."

Auf Facebook haben bereits über 4000 Personen angekündigt, an der Tanzparade teilzunehmen. Ob seitens der Polizei spezielle Sicherheitsvorkehrungen für die Parade getroffen werden, will die Polizei noch nicht preisgeben. "Wir haben Kenntnis von der Veranstaltung und werden die Situation laufend beobachten", sagt Corinne Müller, Sprecherin der Kantonspolizei Bern.

Claudia Salzmann

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reitschule.ch 23.5.12

Reitschule Bern
Postfach 5053
3001 Bern
www.reitschule.ch

Medienmitteilung

"Mir gö z' tanz" - Reitschule Bern unterstützt "Tanz Dich Frei" vom 2. Juni 2012

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Bern, 23. Mai 2012

Sehr geehrte Medienschaffende

Am 02. Juni 2012 findet in Bern zum zweiten Mal das "Tanz dich Frei" statt:

"UNSER Problem ist, dass [..] Aufwertungspolitik sich einzig und allein an den Bedürfnissen eines kleinen, wohlhabenden Bevölkerungsteils orientiert, denn nur Menschen mit Geld bringen die erwünschten Profite. [...] Obwohl der Nutzen nur einigen Wenigen vorbehalten bleibt, wirkt sich diese Politik im Alltag von uns Allen aus."

Dies schreiben die Veranstalter_innen in ihrem Aufruf. Aufwertungspolitik betrifft uns alle, auch die Reitschule. Mit der Verfügung des Regierungstatthalteramtes, welche seit dem 11. Mai 2012 in Kraft ist, wird einmal mehr versucht einen der letzten verbliebenen Freiräume in der Stadt Bern zu "verreglementieren" und aus der Reitschule einen angepassten und pflegeleichten "normalen"; Kultur- und Gastronomiebetrieb zu machen. Etwas das die Reitschule niemals war und niemals sein will und wird!

Die Reitschule unterstützt und teilt die Ziele und Inhalte dieser Aktion. Weil der Kampf für eine freie Gesellschaft nur ein gemeinsamer sein kann, solidarisiert sich die Reitschule auch aktiv mit dem "Tanz dich Frei" und hat beschlossen am 2. Juni ihren Betrieb einzustellen.

Ebenso fordern wir andere Veranstalter_innen und Gastrobetreiber_innen dazu auf, sich uns anzuschliessen und an diesem Abend ebenfalls geschlossen zu halten. Denn das Kulturleben kann nicht einfach in einige (verbliebene) Institutionen verbannt werden, sondern findet in der gesamten Stadt statt.

Wir sehen uns auf der Strasse

Mit freundlichen Grüssen

Auch dabei beim "Tanz dich Frei"
Reitschule Bern


Link:
Tanz Dich Frei 2.0 - Strassenfest in Bern am 2. Juni
https://www.facebook.com/#!/events/411812292173107/



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Bund 23.5.12
http://www.derbund.ch/bern/stadt/Reitschule-schliesst-fuer-Tanzdemo/story/28952250

Reitschule schliesst für Tanzdemo

Am 2. Juni dürften erneut Tausende durch die Innenstadt tanzen. Die Reitschule wird an diesem Abend nicht öffnen - und ruft auch andere Lokale zum Streik auf.

Timo Kollbrunner

Es war ein deutliches Signal: Über 3000 Menschen zogen vor zehn Tagen aus Protest gegen neue Auflagen für die Reitschule durch die Innenstadt. Und am übernächsten Samstag wird wohl erneut eine tanzende Tausendschaft die Strassen einnehmen. Anonyme Veranstalter rufen für den 2. Juni zum Strassenfest "Tanz dich frei 2.0" auf, als "klares politisches Statement an Stadt und Staat", die die Nutzung des öffentlichen Raums immer stärker einschränkten. Über Facebook haben gegen 4000 Personen ihr Kommen angekündigt. Und heute wird sich auch die Reitschule mit der Veranstaltung solidarisieren - das geht aus einem Schreiben hervor, das dem "Bund" vorliegt. Die Reitschule habe beschlossen, den Betrieb am 2. Juni einzustellen, um die Aktion aktiv zu unterstützen, steht darin. Und: Die Reitschule ruft weitere Veranstalter auf, "sich uns anzuschliessen und an diesem Abend ebenfalls geschlossen zu halten".

Solidarität - mit Grenzen

Steht uns also ein kleiner Kulturstreik bevor? Werden weitere Lokale der Reitschule folgen? Eine erste Umfrage lässt vermuten: eher nicht. In der Café-Bar Turnhalle findet just an diesem Abend die grosse Abschlussparty statt, bevor das Lokal geschlossen und umgebaut wird. "Wir werden aber besprechen, in welcher Form wir uns solidarisch zeigen können", sagt Co-Betriebsleiter Michael Fankhauser. Im ISC ist die altbekannte Oldies-Disco traktandiert. "Ich gehe davon aus, dass wir geöffnet haben", sagt Urs Ruch vom ISC. Und im Club Bonsoir wird der amerikanische Produzent und DJ Ali Shaheed Muhammad wohl wie geplant auftreten. "Wir können einem internationalen Künstler nicht zehn Tage vorher absagen", sagt Geschäftsführer Bobby Bähler. Aber man werde sich Gedanken machen, wie man sich zur Aktion bekennen könne. "Vielleicht werden wir den Club später öffnen."

"Tanz dich frei 2.0" ist die Neuauflage der "Strassenparty", die im April letzten Jahres erstmals stattfand - damals mit ein paar Hundert Teilnehmern. Eine Bewilligung einholen werden die Organisatoren nicht. "Wir wollen keine behördliche Erlaubnis, um eben genau gegen deren Politik zu demonstrieren", schreiben sie. Um 20 Uhr soll es vor der Reitschule losgehen, "farbenfroh kostümiert, die Tanzbeine schwingend und gut gelaunt".

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BZ 23.5.12

Forum

Absteller

Die Reitschule als Abfalldeponie?

"Bei der Berner Reitschule habe ich am Samstagmorgen Dutzende von vollen schwarzen 100 -Liter-Abfallsäcken gesehen. Daneben stand ein einziger Container. Ich frage mich, ob die Betreiber der Reitschule ihre Kehrichtgebühren nicht wie jeder Bürger bezahlen müssen. Auf den Säcken klebten jedenfalls keine Marken."

Rolf Tännler, Bern

Die Mediengruppe der Berner Reitschule schreibt dazu: "Die Reitschule Bern verwendet tatsächlich keine Abfallmarken. Das liegt zum einen daran, dass diese Marken in der Stadt Bern seit dem 1. Januar 2008 abgeschafft sind. Und zum anderen daran, dass die Reitschule - wie andere Grossbetriebe - ihre Abfallsäcke in Containern der Müllabfuhr übergibt. Für deren Entleerung und die Abfallentsorgung bezahlt sie die üblichen Tarife. Containerleerungen finden an Feiertagen wie Auffahrt und Pfingstmontag keine statt. Dank dem in der Reitschule seit 2006 existierenden Mehrweggeschirr-Konzept konnten die Abfallmengen erheblich reduziert werden. Das ist doch ein ‹Aufsteller›."

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20 Minuten 23.5.12
http://www.20min.ch/schweiz/bern/story/Veranstalter-sollen-zahlen-24497231

Wildplakatieren: Jetzt sollen Veranstalter zahlen

BERN. Auch Veranstalter sollen im Kanton Bern neu für illegale Plakate gebüsst werden. So fordern es zwei Grossräte.

Partys, Openairs, Plattentaufen: Für zahlreiche Veranstaltungen wird in der Stadt Bern mit illegal angebrachten Plakaten geworben. Für die Entfernung des bunten Papiers muss die Stadt jährlich bis zu 100 000 Franken aufwenden. Kosten, die nicht auf die Veranstalter der beworbenen Events abgewälzt werden können: "Bis jetzt können nur Leute gebüsst werden, die in flagranti erwischt werden", so Grossrat Christoph Grimm (Grüne). Gemeinsam mit Ratskollege Christian Hadorn (SVP) fordert er, dass für illegale Plakatierung neu auch die Auftraggeber belangt werden können. "Die grossen Reinigungskosten wären dann nicht mehr Sache der Allgemeinheit." Ausserdem solle die Änderung im Gesetz der Abschreckung dienen.

Thomas Baumgartner, Geschäftsführer der Berner Promotionsfirma Passive Attack, fände eine solche Änderung problematisch - wenn nicht gleichzeitig mehr legale Flächen geschaffen würden: "Für die Veranstalter sind Plakate ein unverzichtbares Medium."

Auf Plakate setzen auch die Organisatoren des Touch-the- Air-Festivals in Wohlen. "Wir verteilen diese an Plakatierer. Wo sie dann die einzelnen Exemplare aufhängen, liegt ausserhalb unserer Kontrolle", so Sprecher Ferris Bühler. Eine Busse für Veranstalter hält er deshalb für unangebracht.

Nathalie Jufer

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Der Link zur Motion:
http://www.gr.be.ch/gr/de/index/geschaefte/geschaefte/suche/geschaeft.gid-a9945191302c4698a238fdbc7a0318b6.html
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bernerzeitung.ch 23.5.12
http://www.bernerzeitung.ch/region/bern/Das-haessliche-Gesicht-der-Aarbergergasse/story/18580313

Das hässliche Gesicht der Aarbergergasse

Im ersten Teil der Aarbergergasse-Reportage von TeleBärn wird die Schattenseite des Nachtlebens in der pulsierenden Ausgehmeile aufgezeigt: Handgreiflichkeiten sorgen regelmässig für Schlagzeilen.

http://www.bernerzeitung.ch/video/?video_id=129439&channel_id=41&page=1

Die Berner Aarbergergasse weist drei Gesichter auf: Sie ist eine Flaniermeile mit Strassencafés und mediterranem Flair, manchmal eine raue Ausgehmeile, wo an einigen Wochenenden Gewalt vorherrscht, oder aber eine Kulturstrasse, wo Ausgehfreudige und Tanzwütige auf ihre Kosten kommen - egal, welche musikalischen Vorlieben sie haben.

"Hier treffen vier total verschiedene Interessengruppen aufeinander", sagt etwa Marc Hofweber vom DJ-Kollektiv Round Table Knights. Dies bringt Probleme mit sich - macht die Gasse aber auch aus.

Im ersten Teil der Aarbergergasse-Reportage zeigt TeleBärn die Schattenseite des Nachtlebens. Ausserdem werden die beiden Restaurants "Moléson" und "Casa Marcello" näher vorgestellt. Im Moléson wird edel getafelt, im Casa Marcello wird der Umsatz hingegen grösstenteils mit Bierausschank generiert.

chh

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bernerzeitung.ch 22.5.12

Die Aarbergergasse - Berns umstrittene Ausgehmeile

So beliebt, so farbig, so umstritten. Berns Ausgehmeile wird in den Wochenendnächten jeweils zur Hauptschlagader der Stadt. TeleBärn widmet Berns Partygasse eine mehrteilige Dokumentation.

Im ersten Teil der Aarbergergasse-Reportage von TeleBärn wird die Schattenseite des Nachtlebens in der pulsierenden Ausgehmeile aufgezeigt: Handgreiflichkeiten sorgen regelmässig für Schlagzeilen.

Über kaum eine Berner Gasse wird mehr diskutiert als über die Aarbergergasse. Hier treffen verschiedenste Interessen, Kulturen und Charaktere auf engstem Raum aufeinander.

TeleBärn hat die Geschehnisse in der Gasse über mehrere Tage und Nächte hinweg dokumentiert. Die vierteilige Aarbergergasse-Doku wird von Dienstag bis Freitag jeweils ab 18.15 Uhr im Stundentakt im Rahmen der Sendung "Info" auf TeleBärn ausgestrahlt. Am darauffolgenden Tag werden die jeweiligen Folgen ab 9 Uhr auf www.bernerzeitung.ch abrufbar sein.

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kulturstattbern.derbund.ch 22.5.12

Goldene Brause

Von Benedikt Sartorius am Dienstag, den 22. Mai 2012, um 13:47 Uhr

In einer wöchentlichen Jugendzeitschrifts-Rubrik namens "Partytipps Berlin" fand sich unter den sogenannten "Dos" der Punkt: "Club Mate trinken". Man darf beruhigen: Für diese Tätigkeit muss unsereiner nun wirklich nicht nach Berlin fliegen.

Club Mate beinhaltet in grossen Dosen Koffein, weckt angenehm auf, übersüsst nicht und wirkt höchstens ein bisschen austrocknend. Diese güldene Brause, die ich gerne schon vor einem Jahr gekannt hätte und den Übernamen "Hackerbrause" trägt, trinkt man hierzulande vorzüglicherweise in den Gastrobetrieben der Reitschule.

Dieses Angebot wird nicht nur bei wieso auch immer Abstinenten rege benutzt: Musiker zügeln ganze Harassen des kohlensäurenhaltigen Eistees in den Backstack-Bereich, auf der Bühne dient die wiederverschliessbare Halbliter-Flasche als Schnaps-Ersatz und für den einfachen Konsumenten zuweilen auch als bester Freund in langen Nächten, ehe wieder die Getränke-Palette gewechselt wird.

Und auch ich stieg als Hinterletzter auf den neuesten komischen Getränke-Trendzug um trank unverzüglich.

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BZ 22.5.12

Hauptsache Bern

Bern will die absolute Stille

Adrian Iten ist Geschäftsführer und Teilhaber von Adriano's Bar & Café in Bern.

Als ich als Bremgärterler die Stadt entdeckte, gab es für die Jungen die Tanzdiele und den Gaskessel. Am Samstagabend. Und dazwischen gab es nichts. Bern hat sich in der Zwischenzeit gemacht, ein bisschen. Ein breites Angebot an Kultur und Ausgangsmöglichkeiten ist seither entstanden. Schön für Bern, noch schöner für die Jungen in Bern.

Die Dampfzentrale wurde von der Jugendbewegung aus dem Dornröschenschlaf erweckt, und nach vielen geworfenen Pflastersteinen wurde die Reitschule ein AJZ, ein autonomes Jugendzentrum. Für die einen der Schandfleck von Bern, für die (wählende) Mehrheit eine Institution, die dringend nötig ist, und ein Ort der Erinnerungen der verschiedensten Art.

Die Jugend wurde nicht angepasst und dröge, wie allgemein getrauert wurde. Die Jugend hatte ihren Platz gefunden, wo sie feiern, tanzen und kiffen konnte, ohne dass der Polizist ihr auf die Finger schlug. Die "Kämpfe" der Achtzigerjahre waren erfolgreich, und die Stadt Bern hatte Ruhe.

Aber Bern ist nicht zufrieden. Bern will noch mehr Ruhe. Kein unerlaubtes Flaschen-in-den-Container-Werfen nach 20 Uhr, kein Grillen im Garten nach 22 Uhr, kein lautes Biertrinken vor den Clubs nach 0.30 Uhr. Das sind ja noch die lustigen Verbote. Aber auch kein Minimalsttönchen vom Club nebenan. Töne, die für mich schon jenseits der Wahrnehmung liegen würden. Bern will die Stille. Die absolute Stille.

Denn Lärm macht krank. Das wissen wir, seit wir den Lärm messen können. Lärm macht aggressiv. Ich flippe nach einem Konzert regelmässig aus und schlage alle Leute um mich tot. Waren Sie schon einmal im Süden? So in Griechenland oder der Türkei? Ist Ihnen aufgefallen, wie krank dort alle aussehen? Unheimlich. Weil das öffentliche Leben in diesen Ländern sicher doppelt so laut abläuft wie bei uns.

Darum haben wir ein Umweltgesetz, und das schreibt vor, dass wir alle in der Stille leben sollen. In der Länggasse haben sie in unserer Wohnung damals Schallschutzlüftungen eingebaut. Dafür mussten grosse Kernbohrungen gemacht werden. Hirnrissig!

Und jetzt kommt der Statthalter und beschliesst, dass die Betreiberinnen und Betreiber der Reitschule ab 0.30 Uhr die Leute auf dem Vorplatz, einem öffentlich zugänglichen Platz, wegweisen müssen. Denn auch sie machen Lärm unter der Eisenbahnbrücke, eingeklemmt von drei Strassen. Da muss einer mit dem Richtstrahlmikrofon den Lärm gesucht haben.

Ich habe die Schnauze mittlerweile dermassen voll, dass ich etwas machen muss, um nicht krank zu werden. Ich habe mich ein paar Leuten angeschlossen, die mit dem Stillediktat der Stadt Bern nicht einverstanden sind. Ich habe es in dieser Kolumne schon öfters geschrieben: Wer in der Stadt lebt, darf nicht die Idylle von Spyris Heidi erwarten. Lieber Alex und Kollegen, nehmt endlich eure Pflicht wahr und stellt ein Konzept für das Berner Nachtleben auf die Beine. Und zwar nicht zwischen dem Wankdorfstadion und dem Schermenweg. Sondern im Zentrum. Sonst habt ihr bald ähnliche Probleme wie der Albisetti selig.

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Bund 22.5.12

Dütschlers Deutungen

Lerch und der Balkon

Markus Dütschler

Sex sells, heisst es. Deshalb fängt auch diese Kolumne damit an. Vielleicht kennen Sie die Anekdote vom Zweijährigen, der den Satz aufschnappt: "Two guys are fu..ing on the balcony." Der Kleine hat ein Verständnisproblem und erkundigt sich: "What is a balcony?" Daran musste ich denken, als mein Kind in der Stadt fragte: "Was isch Lerch?" Ich schaute umher, um den Auslöser der Frage zu suchen - und fand einen Kleber mit der Aufschrift: "Fi.. di Lerch!" Als wäre das nicht genug, stach mir eine weitere Botschaft ins Auge. Sie besagte sinngemäss: "Reklamationen an XY-Strasse 00, Bern." Im Internet-Zeitalter bedurfte es keiner Minute, um festzustellen, dass es die Privatadresse von Regierungsstatthalter Christoph Lerch ist. Er selbst ist zwar nicht im Telefonbuch eingetragen, aber seine Frau. Und weil in einem demokratischen Staat kaum etwas geheim ist, sondern das meiste daliegt wie ein offenes Buch oder eine Google-Trefferliste, ist es auch für böse Buben eine Fingerübung, ihren Feind zu enttarnen: den Regierungsstatthalter.

Er hat sich erfrecht, ihrer geliebten Reitschule Einschränkungen aufzuerlegen: Die lärmigen Saufereien auf dem Vorplatz müssten nachts unterbunden werden. Natürlich hatte sich der Jurist anders ausgedrückt: sachlich, fachlich, rechtlich. Weil er kein Hardliner ist, keine Saftwurzel, kein Haudrauf und kein berechnender Politiker, sondern eher ein abwägender Zauderer, gab es - einmal mehr - Interpretationsspielraum. Was bedeutet die Auflage konkret? Muss die Reitschule Leute wegweisen? Oder darf sie ihnen in der Nacht lediglich keinen Alkohol mehr verkaufen? Lerch, immerhin ein SP-Mann, integer, fein gesponnen, der Kunst zugetan, verhedderte sich ungeschickt zwischen den Positionen und Interpretationen. Eigentlich sollte zwischen ihn und die Stadtberner RGM-Regierung kein Blatt Papier passen, doch schien es, als verstünde die Stadt den Entscheid anders als er. Zweifellos muss Lerch einen Teil des Kommunikationsdesasters auf seine Kappe nehmen. Andrerseits hätte der rot-grün dominierte Gemeinderat, allen voran Stadtpräsident Alexander Tschäppät (SP) und Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP), die Sache nicht so bequem auf den Regierungsstatthalter abschieben dürfen, um so im Wahljahr Distanz zum heiklen Thema zu markieren (Leitartikel im gestrigen "Bund").

Absolut unentschuldbar aber sind die Ausfälligkeiten eines Teils der Reitschul-Klientel, der sich wie ein niederträchtiges Pack aufführt. Selber operiert man vor unbewilligten Demonstrationen gern im Schutz anonymer Komitees und fällt Entscheide in geschlossenen Hinterzimmerversammlungen. Subventionen aus der Hand des Schweinestaates nimmt man gern entgegen. Aber wenn sich dieser Staat traut, Regeln anzumahnen, deren Einhaltung für alle andern eine Selbstverständlichkeit ist, gibt es Zoff. Das Foulspiel auf Lerch, der als Berufsmann nur seinen Job erledigt, ist widerlich und muss sofort aufhören.

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BZ 22.5.12

Schliesst das Bonsoir?

Nachtleben · Der preisgekrönte Club Bonsoir würde wohl schliessen, falls eine Verfügung des Regierungsstatthalters nicht sistiert wird.

Die Betreiber des Clubs Bonsoir warten auf den Donnerstag. Dann erhalten sie von Regierungsstatthalter Christoph Lerch (SP) eine Verfügung, wie Bonsoir-Geschäftsführer Rolf Bähler bestätigt. Was drinstehe, wisse er noch nicht. Möglich seien eine Einschränkung der Öffnungszeiten, eine Reduktion der Lautstärke auf 80 Dezibel oder verordnete bauliche Massnahmen. Auslöser der Verfügung ist die Lärmklage eines Anwohners, der mittlerweile weggezogen ist. Dieses Szenario muss aber nicht eintreffen. Bähler erachtet es als "wahrscheinlich", dass die Verfügung sistiert wird. "Da der Anwohner weggezogen ist, haben wir seit einem Jahr keine Lärmklagen mehr erhalten", sagt er. Zudem verfüge Regierungsstatthalter Lerch über einen Ermessensspielraum - er könne die Interessen abwägen. "Und wenn die Person, die sich gestört fühlte, weggezogen ist, überwiegt doch klar unser Interesse." Falls es keine Sistierung geben sollte, plant Rolf Bähler, gegen die Verfügung Beschwerde einzureichen. Der mehrfach preisgekrönte Club würde schliessen, falls der Betrieb eingeschränkt werden müsste. "Eine Lärmgrenze von 80 Dezibel oder eine Verkürzung der Öffnungszeiten wären so grosse Wettbewerbsnachteile, dass der Club nicht mehr führbar wäre." jek/Newsnet

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bernerzeitung.ch 21.5.12

"Wird der Betrieb eingeschränkt, müssen wir schliessen"

Jessica King

Regierungsstatthalter Christoph Lerch wird am Donnerstag dem Club Bonsoir eine Verfügung übergeben. Möglicherweise wird diese sistiert. Falls nicht, droht der preisgekrönte Club mit der Schliessung.

Die Betreiber des Clubs Bonsoir warten ungeduldig auf den Donnerstag. Dann erhalten sie nämlich von Regierungsstatthalter Christoph Lerch (SP) eine Verfügung, wie Bonsoir-Geschäftsführer Rolf Bähler auf Anfrage bestätigt. Was drin stehe, wisse er noch nicht. Möglich seien aber beispielsweise eine Einschränkung der Öffnungszeiten, eine Reduktion der Lautstärke auf 80 Dezibel oder verordnete bauliche Massnahmen. Auslöser der Verfügung ist die Lärmklage eines Anwohners, der mittlerweile weggezogen ist.

Wahrscheinlich wird Verfügung sistiert

Dieses Szenario müsste aber nicht eintreffen. Bähler erachtet es nämlich als "wahrscheinlich", dass die Verfügung sistiert wird. "Da der Anwohner weggezogen ist, haben wir seit einem Jahr keine Lärmklagen mehr erhalten", sagt er. Zudem verfüge Regierungsstatthalter Lerch über einen Ermessensspielraum - er könne die verschiedenen Interessen abwägen. "Und wenn die Person, die sich gestört fühlte, weggezogen ist, überwiegt doch klar unser Interesse."

Falls es keine Sistierung geben sollte, plant Rolf Bähler, gegen die Verfügung Beschwerde einzureichen. Der mehrfach preisgekrönte Club ("Best Specialized Club", Swiss Nightlife Award) würde nämlich schliessen, falls der Betrieb eingeschränkt werden müsste. "Eine Lärmgrenze von 80 Dezibel oder eine Verkürzung der Öffnungszeiten wären so grosse Wettbewerbsnachteile, dass der Club nicht mehr führbar wäre", betont Bähler.

Die Entwicklung verpasst

Die Verfügung hat Rolf Bähler sehen kommen. "Aus meiner Sicht haben die Behörden die Entwicklung der letzten zehn Jahre verpasst", sagt er. So würden Städte immer belebter, dazu komme es immer mehr zur 24-Stunden-Gesellschaft. Das Ausgehverhalten habe sich ebenfalls verändert: "Ein Club muss heutzutage bis um 4.30 oder 5 Uhr morgens geöffnet sein", so Bähler. Es könne nicht sein, dass Clubs und Gastrobetriebe trotz dieser Entwicklung keine Rechtssicherheit hätten.

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kulturstattbern.derbund.ch 21.5.12

Kulturbeutel 21/12

Von Gisela Feuz am Montag, den 21. Mai 2012, um 05:02 Uhr

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Herr Sartorius empfiehlt:
Lunch-Kino mit Wes Andersons "Moonrise Kingdom", der ab Donnerstag dann auch regulär im Programm zu sehen ist. Die Fan-Presse war schon zweimal dort und wird dann auf diesem Kanal genauer berichten. Weiter gehts am Freitag mit einer alten Garage-Soul-Legende: Andre Williams aus Detroit macht im Thuner Mokka halt und grüsst zu seinem 75. Geburi. Zurück in Bern, stolpern Sie im Anschluss dann in den Dachstock, um mit Theo Parrish weiter in die Geschichte der Motor City einzudringen - oder Sie prüfen im Bonsoir, ob Geezer Mike Skinner, besser bekannt als ehemaliger The Streets, auch über einige Skills an den Plattentellern verfügt.

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BZ 21.5.12

Der ewige zivile Ungehorsam aus Theben

Antigone · Regisseur Michael Oberer inszeniert Sophokles Antigone als Performance mit Tanz- und Klangelementen. Starke Charaktere agieren in einer eigenwilligen Bühnenarchitektur und vermögen uns die universell gültige Geschichte eines Aufstandes in heutiger Form zu erzählen.

Ein Sandhügel, Ölfässer, der Ansatz einer Mauer und ein Graffito an der Wand. Die von Multimediakünstler Giro Annen geschaffene Bühne ist ein regelrechter Spielplatz. Gespielt wird "Antigone", die Sage rund um einen missglückten Aufstand. Sophokles' Tragödie, die um 442 v. Christus uraufgeführt wurde, ist ein Stoff, der nichts an Dringlichkeit und Aktualität eingebüsst hat.

Erzählt wird vom zivilem Ungehorsam einer mutigen Heldin. Antigone stellt ihr eigenes Gewissen über das Gesetz, als sie beschliesst ihren Bruder würdig zu begraben. Dieser wird von König Kreon als Vaterlandsverräter angesehen und soll deshalb keine Bestattung erhalten. Ein Bote sieht Antigone beim Ausführen der Totenrituale, verrät sie und bringt sie zu Kreon. Dieser lässt die Verräterin lebendig begraben. Doch wie es sich für eine griechische Tragödie gehört, ist sie nicht die Einzige, die am Ende sterben muss.

Gothische Geister

Wie man das viel gespielte Stück texttreu und doch heutig inszenieren kann, zeigt das Tojo Theater auf eindrückliche Art und Weise. Unter Regie von Michael Oberer mutieren Sophokles' Figuren zu niemals ruhenden Geistern, die ihre Geschichte in einem Loop erzählen. Diese "Antigone" ist mehr Performance als Theater und bezieht alle Sinne mit ein. Klangkünstlerin Margrit Rieben sorgt mit unheilvollen Percussions für einen stimmigen Soundteppich. Die Schauspieler und Schauspielerinnen werden gegeneinander handgreiflich, lassen sich über den Boden schleifen oder krümmen sich vom Schmerz gebeutelt zusammen. Der Choreograf Marcel Leemann hat die Truppe bei diesem physisch herausfordernden Spiel unterstützt.

So kämpft Antigone (Julia Maurer) als sublim schöner Racheengel im gothischen Kostüm gegen Kreon (Marcus Signer) nicht nur mit Worten, sondern auch mit eindrücklichen Gesten. Schliesslich lässt sie sich wie eine leblose Puppe von ihm auf den Sandhügel mitten auf der Bühne werfen. Sie akzeptiert ihr Todesurteil, nicht aber Kreons Gesetz. Dieser Fatalismus macht den Machthaber umso wütender. Erst als sein eigener Sohn (Simon Derksen) und seine während des ganzen Stücks unter einem Trauerschleier sitzende Frau (Patricia Bornhauser) sterben, stirbt auch sein Grössenwahn. Er steckt wortwörtlich den Kopf in den Sand.

Starke Sinnbilder

Giro Annens Bühne lässt starke Sinnbilder und Bezüge zur Jetztzeit zu. Der Sandhügel ist gleichzeitig Grab, Olymp oder - wenn man so will - bis heute heiss umkämpfter Tempelberg im nahen Osten. Die Ölfässer deuten an, dass hier eigentlich mehr um Ressourcen, denn um Ehre gekämpft wird. Das Graffito mit dem Schriftzug Obey kann als Anspielung auf die rebellierende Jugend gelesen werden. Antigone gehorcht nicht - und bezahlt dafür mit dem Tod. Helen Lagger

Diese "Antigone" ist mehr Performance als Theater und bezieht alle Sinne mit ein.

Kommende Vorstellungen: Di, 22. , Mi, 23., Fr 25., und Sa, 26. Mai, im Tojo Theater, Reitschule Bern. www.tojo.ch.

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Bund 21.5.12

Leitartikel

Dass er als Sündenbock für die Reitschul-Massnahmen herhalten muss, dafür kann der Statthalter wenig. Dass er sich nicht heraus manövrieren kann, daran ist er selber schuld.

Statthalter Lerch hat sich selber geschadet

Simon Jäggi

Das Verhalten von Regierungsstatthalter Christoph Lerch (SP) nahm letzten Freitag kuriose Züge an. Am Morgen verschickte er gemeinsam mit dem Stadtberner Gemeinderat eine Medienmitteilung - mit zwei Kernaussagen. Erstens: Die Wegweisungspflicht ist vom Tisch. Zweitens: Im Dossier Reitschule gibt es zwischen Gemeinderat und Regierungsstatthalter keine inhaltlichen Differenzen. Am selben Tag aber wechselte Lerch im umstrittensten Punkt - in der Frage der Wegweisungspflicht - zweimal seine Meinung. Am Nachmittag sagte er, die Wegweisungspflicht bleibe bestehen. Am Abend erklärte er - wie der Gemeinderat -, sie sei vom Tisch. Um 23 Uhr schrieb er seine Antwort in der entscheidenden Frage im "Bund"-Interview nochmals um - und wich von der gemeinsamen Position ab. Zum zweiten Mal innerhalb von acht Tagen versuchten die Behörden am Freitag Klarheit zu schaffen. Zum zweiten Mal stifteten sie Konfusion.

Was gilt denn jetzt eigentlich? In der Verfügung, die noch immer Gültigkeit hat, steht schwarz auf weiss: "Gäste, die Getränke nach 0.30 Uhr im Freien (inkl. Innenhof) konsumieren, sind wegzuweisen." Bereits vorletzte Woche präzisierte Lerch den Satz. Gemeint sei lediglich, dass die Reitschule ihre Gäste nach der Polizeistunde ins Innere komplementieren solle. Letztlich eine Wortklauberei: Man kann den Begriff "wegweisen" auch mit "auffordern, ins Innere zu gehen" ersetzen. Es ändert nichts an der Tatsache, dass die Wegweisungspflicht de facto weiterhin besteht. Theoretisch gilt also: Die Reitschüler müssten nach dem Zapfenstreich die manchmal 500 bis 1000 Besucher auf dem Vorplatz kontrollieren. Wer ein Bier aus der Reitschule in der Hand hält und damit "Gast" ist, müsste ins Innere gehen; wer aus einer im Bahnhof gekauften Bierdose trinkt, dürfte sitzen bleiben. Der Gemeinderat hat eingesehen, dass dieses absurde Szenario nicht umgesetzt werden kann. Stand der Dinge ist: Die Verfügung gilt, der Gemeinderat wird sie aber im Punkt der Wegweisungspflicht nicht umsetzen.

Kommunikatorischer Eiertanz

Dass Lerch am Freitag einen derartigen Zickzackkurs gefahren ist, hat wohl damit zu tun, dass er in einem politisch-juristischen Dilemma steckt: Hätte er die Wegweisungspflicht fallen gelassen, wäre er auf die Linie des Gemeinderats eingespurt - die Behörden hätten also endlich die erwünschte geschlossene Front gebildet. Damit hätte der Statthalter aber seiner eigenen Verfügung (die von der Reitschule juristisch auch noch angefochten wird) widersprochen und diese konsequenterweise zurückziehen müssen. Daher wohl Lerchs kommunikatorischer Eiertanz.

Seit letztem Freitag ist der Fall Vorplatz endgültig auch zum Fall Lerch geworden. Und daran ist der Statthalter inzwischen selber schuld. Mit Betonung auf inzwischen. Dass es überhaupt zu diesem Trauerspiel gekommen ist, daran trägt der Stadtberner Gemeinderat eine grosse Mitverantwortung. Seit Mitte letzten Jahres besteht zur Reitschule eine Behördenkoordination. Anfang 2012 hat sich der Gemeinderat aber ausgeklinkt. Die Begründung ist entlarvend: Im Wahljahr will sich niemand exponieren. Die beiden zuständigen Gemeinderäte - Stadtpräsident Alexander Tschäppät (SP) und Polizeidirektor Reto Nause (CVP) - haben Lerch vorgeschickt und sind in Deckung gegangen.

Aus heutiger Sicht kann man feststellen: Hätte es eine Pressekonferenz gegeben, an der Statthalteramt und Gemeinderat die Massnahmen und deren Umsetzung gemeinsam erklärt hätten, wäre es nie zu der jetzt herrschenden Konfusion gekommen. Die Behörden hätten sich auch im Detail abstimmen müssen. Und der Unmut der 3000 Personen, die vorletzte Woche an der Nachtdemo teilgenommen haben, hätte sich nicht gegen Lerch alleine gerichtet. Lerch ist von Amtes wegen in die Rolle des Sündenbock gerutscht.

Heikelster Punkt unterschlagen

Der Statthalter hätte aber mehrere Möglichkeiten gehabt, sich aus dieser Position zu manövrieren - es gelang ihm mehrmals nicht. Nachdem Lerch die vorgesehenen Zwangsmassnahmen kommuniziert hatte, schrieb diese Zeitung, dass die Reitschule "Besucher" wegweisen müsse. Wie Lerch richtig entgegnet, ist dadurch der falsche Eindruck entstanden, dass die Reitschule alle Personen, die sich nach 0.30 Uhr auf dem Vorplatz befinden, fortschicken muss. Dazu muss man aber auch festhalten: 1. Lerch hat den umstrittensten Punkt in seiner ersten Medienmitteilung schlicht unterschlagen. 2. Auf Anfrage hat er die Möglichkeiten nicht wahrgenommen, präzise zu formulieren, was Sache ist. Und obwohl der Aufschrei gross war, schaffte Lerch die Unklarheit in den folgenden Tagen nicht aus der Welt. Es folgten die grösste Reitschule-Demo seit den Achtzigerjahren und die zwei kläglich gescheiterten Versuche von Gemeinderat und Regierungsstatthalter, die Widersprüche zu klären.

Glaubwürdigkeit hat gelitten

Ein Regierungsstatthalter muss Entscheide fällen, die von grosser Tragweite sind. Er muss schwierige Entscheide aus einer starken Position fällen können, seine Glaubwürdigkeit ist daher ein hohes Gut. Christoph Lerch hat seine Position selber untergraben - und damit auch der Glaubwürdigkeit seines Amtes geschadet.