Die CVP lanciert eine Petition gegen die Hüttendorfzone
Bern-West · Die Hüttendorfzone im Westen Berns wird zum
Wahlkampfthema: Die CVP lanciert eine Petition, laut der die Schaffung
einer solchen Zone in Riedbach sofort abzubrechen ist. Die
Petitionsbogen werden nächste Woche in Bümpliz und in
Bethlehem verteilt.
Der Widerstand in Berns Westen ist gross: Quartiervereine und Anwohner
wehren sich gegen die geplante Hüttendorfzone in Riedbach. In
einer sogenannten Zone für Wohnexperimente sollen auf einer
Fläche von6000 Quadratmetern ab 2014 Gruppierungen wie die
Stadtnomaden oder die Stadttauben legal ihre Bauten errichten und
wohnen dürfen.
Dass dieses heikle Thema im Wahljahr für Zündstoff sorgen
wird, war absehbar. Nun lanciert die CVP dazu eine Petition. Sie
fordert, die Schaffung einer solchen Zone in Riedbach sofort
abzubrechen. Voraussichtlich am Mittwoch wird die Petition in alle
Haushalte in Bümpliz und Bethlehem verteilt. Zudem sind
Strassenaktionen geplant, wie Parteipräsident Michael Daphinoff
sagt.
"Es ist verfehlt, irgendwelchen Gruppen entgegenzukommen, die sich
fortgesetzt illegaler Methoden bedienen, um ihre Sonderwünsche auf
Kosten der Allgemeinheit durchzusetzen", schreibt die CVP in ihrer
Petition. Der Parteipräsident präzisiert: "Wir schliessen
eine solche Zone im Westen von Bern aus. Allerdings müssen wir uns
mit alternativen Wohnformen arrangieren und eine Lösung für
diese Bevölkerungsgruppen finden."
Miete und Wasser bezahlen
Die Gruppierungen sollen "keine Sonderrechte haben, nur weil sie sich
frech genug um die Regeln foutieren." Kein Problem hätte die CVP
mit der Nutzung der Grundstücke durch die betroffenen
Gruppierungen zu den gleichen Bedingungen wie andere Stadtbewohner
auch. "Sie sollen Mietzinsen, Anschlüsse, Wege und Wasser selber
bezahlen wie alle anderen Bürgerinnen und Bürger auch",
findet Daphinoff. "Dafür braucht es keine geschenkte Sonderzone
aus Steuergeldern." Pragmatismus im Umgang mit Randgruppen sei gut.
"Aber der Gemeinderat läuft Gefahr, dass er übermässig
pragmatisch wird und dadurch Bevölkerungsgruppen ungleich
behandelt." Vor allem geht es der CVP darum, dass eine solche Zone
nicht in Bern-West entstehen soll. Dieser Stadtteil leiste bereits
heute sehr viel, um Migranten zu integrieren, steht in der Petition. Es
sei falsch, diesen Stadtteil durch die Ansiedlung von Randgruppen
weiter zu belasten. Es widerspreche zudem dem Ziel der Stadt, Berns
Westen aufzuwerten. Durch ein Hüttendorf würde der
dörfliche Charakter Riedbachs zerstört werden.
"Berns Westen soll nicht zum Slum verkommen und nicht noch mehr
Herausforderungen meistern müssen", sagt Daphinoff. Er könne
sich aber vorstellen, dass eine solche Zone andernorts akzeptiert
würde. "Neben einem Industriegebiet würde ein Hüttendorf
weniger stören als neben einem Familienquartier." Nur sei wichtig,
dass bei der Suche nach einem Platz der Fokus nicht gleich von Anfang
an auf Berns Westen gelegt werde. Das sei hier der Fall gewesen. Drei
von vier anfänglich überprüften Zonen befanden sich in
Bern-West.
Quartieranliegen aufgreifen
Eine solche Petition hätte man eher von Seiten der SVP erwartet
denn von der CVP. Gemäss Daphinoff wird die Hüttendorfzone
kein zentrales Wahlkampfthema der CVP sein. Die CVP setze sich auch im
Wahljahr primär für eine attraktive und sichere Stadt
für Familien und Unternehmen ein. Nachdem die Partei aber von
mehreren Mitgliedern auf die Hüttendorfproblematik aufmerksam
gemacht worden sei, habe man sich dieser angenommen. "Wir wollen als
Familien- und Mittepartei Quartieranliegen aufgreifen und zu konkreten
Problemen klare Positionen beziehen", sagt Daphinoff. Die bevorzugte
Behandlung alternativer Gruppierungen und das Offerieren einer
Hüttendorfzone aus Steuergeldern stehe den Zielsetzungen der CVP
diametral entgegen. Die Unterschriftensammlung werde den Sommer
hindurch andauern.
Lancierung der Petition “Keine Hüttendorfzone in Bern West”
Die CVP Stadt Bern ersucht den Stadt- und Gemeinderat mit der
Lancierung einer Petition, die Schaffung einer Zone für
"experimentelles Wohnen" in der Stadt Bern und insbesondere in Bern
West sofort abzubrechen.
Trotz kritischer Stimmen aus Bern West hält der Gemeinderat nach
wie vor an der Schaffung einer Zone für experimentelles Wohnen
fest. Mit der Petition soll der betroffenen Bevölkerung die
Möglichkeit gegeben werden, Ihre Meinung zum Ausdruck zu bringen.
Der Petitionsbogen wird Ende Mai in alle Haushalte des Quartiers
Bümpliz/Bethlehem verteilt.
Es geht der CVP primär darum, den Rechtsstaat zu wahren, Berns
Westen auf- und nicht abzuwerten, die Lasten in der Stadt fair zu
verteilen sowie das Entwicklungspotential von Bern West zu fördern.
In der vierten Folge der Aarbergergasse-Reportage beleuchtet
Telebärn das Aufeinandertreffen verschiedener Charaktere in der
Aarbergergasse. Besonders deutlich wird dieses anhand der Casa
Marcello. Bei einigen Betrieben in der Nachbarschaft stösst das
Konzept auf Unverständnis, dass in der Casa Marcello alle
willkommen sind, die sonst keine gute Stellung in der Gesellschaft
haben. Besonders Bernard Hüsser, Wirt der Gourmanderie
Moléson, zeigt sich gegenüber Telebärn wenig erfreut
über die Casa Marcello.
Auch Peschä Michel, Wirt der Casa Marcello, kommt zu Wort. "Ich
weiss, wie es ist, alleine zu sein", sagt er und erklärt damit
seinen Ansatz, auch denjenigen eine Zuflucht zu bieten, die sonst keine
haben. Im Video werden die Spannungen in der Nachbarschaft der
Aarbergergasse deutlich; ein Rückblick auf Weihnachten 2011 jedoch
zeigt auch friedliche Momente. Fazit: In dieser Gasse ist es
möglich, dass jeder seinen Platz findet, auch wenn dies oftmals
nicht einfach ist.
Campieren auf öffentlichem Grund bleibt in der Stadt Bern verboten
-
der Regierungsstatthalter hat eine Beschwerde gegen die entsprechende
Verordnung abgewiesen.
Campieren auf öffentlichem Grund bleibt in der Stadt Bern
verboten. Der
Regierungsstatthalter hat eine Beschwerde gegen diese Regelung
abgewiesen. Hintergrund der Regelung sind unter anderem politische
Manifestationen wie etwa das AKW-Protestcamp im vergangenen Jahr.
Damals zelteten mehrere Dutzend Menschen auf einem kleinen
Rasenstück
vor dem Hauptsitz des Energiekonzerns BKW und drückten damit ihren
Protest gegen die Atomenergie aus. Das Gelände wurde schliesslich
geräumt. Für Schlagzeilen sorgten in den letzten Jahren immer
wieder
auch Gruppierungen wie die Stadtnomaden oder die Stadttauben, die in
ehemaligen Bauwagen leben und von Gelände zu Gelände ziehen.
Camps als Kundgebung
Die Berner Stadtregierung erliess eine Campingverordnung, die das
Campieren auf öffentlichem Grund ausserhalb der dafür
explizit
vorgesehenen Zonen verbietet. In begründeten Fällen kann die
Stadt
Ausnahmen bewilligen. Gegen die Verordnung gingen zwei Beschwerden ein,
eine wurde nach einer Präzisierung der Regelung
zurückgezogen. Die
Beschwerdeführer der zweiten Eingabe machten geltend, dass mit dem
Campieren auf öffentlichem Grund politische und meinungsbildende
Ziele
verfolgt würden. Die Camps seien deshalb als eine Art Kundgebung
zu
sehen. Mit dem Verbot verstosse der Gemeinderat gegen die Meinungs- und
Versammlungsfreiheit.
Regierungsstatthalter Christoph Lerch teilt diese Ansicht nicht, wie
aus seiner Mitteilung vom Freitag hervorgeht. Die Campingverordnung sei
rechtmässig und mit den Grundrechten vereinbar, schreibt er.
Für die Bewilligung von Kundgebungen sei zudem das
Kundgebungsreglement
massgebend. Dieses gestatte in Kombination mit der Campingverordnung
eine Praxis, die mit den Grundrechten vereinbar sei.
Im dritten Teil der Reportage in der berühmt-berüchtigten
Aarbergergasse begleitete Telebärn die Polizei und hat Stimmen der
Partygänger eingefangen. Der dritte Teil der
Telebärn-Reportage.
Im dritten Teil der Aarbergergasse-Reportage steigt Telebärn in
den
Streifenwagen der Kantonspolizei und nimmt so die Perspektive der
Sittenwächter ein. Die Bevölkerung verlangten in einer
Abstimmung mehr
Polizeibeamte und mehr Polizeipräsenz in der Aarbergergasse. "Wir
haben
viel zu tun, regelmässig viel zu tun. Ich sage wie es ist, wir
kommen
nicht gern hier hin", sagt Thomas Verdun, Gruppenchef der
Kantonspolizei. In der Nacht ist denn auch viel los, wie einige
Nachtschwärmer vor der Kamera bestätigen. Viele seien
betrunken oder
bekifft und trauen sich dadurch mehr, erklären zwei junge Frauen.
Die Aarbergergasse nur auf Exzesse, Verhaftungen und Schlägereien
zu
reduzieren, ist jedoch falsch: Nacht für Nacht wird hier
Weltkultur
geboten - im preisgekrönten Klub "Bonsoir". "Hier geht es eben
darum
Kultur zu vermitteln", erklärt das DJ-Kombo Round Table Knights.
Die
Klubkultur sei in der Schweiz fast verpöhnt, da stelle man sich
einfach
nur Halligalli vor. Das "Bonsoir" will zeigen, dass dahinter ein
grosser, kultureller Wert stecke. "Beim Nachtleben gibt es viele
Missverständnisse und der kulturelle Wert wird von den
älteren
Generationen oft nicht verstanden", erklären sie weiter.
(cls/Telebärn)
Die Berner Reitschule ist 25 Jahre alt. Eben hat ihr die Politik das
schönste Geschenk gemacht, das sich ein AJZ wünschen kann:
Zwangsauflagen. Damit ist die schwierige Diskussion über den Sinn
der Reitschule im 21. Jahrhundert einmal mehr vertagt.
Andreas Berger stand in jener milden Mainacht vor der UBS-Filiale
unweit des Bundesplatzes und konnte es kaum fassen. Gegen 3000 junge
Demonstranten zogen an ihm vorüber mit Soundmobilen, Transparenten
und Leuchtfackeln - aber es flog kein einziger Farbbeutel gegen die
Grossbank.
"Das wäre 1987 unvorstellbar gewesen", sagt Berger. Als
Filmemacher untersucht er seit bald dreissig Jahren das alternative und
jugendbewegte Bern. Seit Anfang Mai muss Berger Überstunden
schieben.
Der Konflikt um die Reitschule ist in Bern voll entbrannt - einmal
mehr. Schuld trägt diesmal der übereifrige
Regierungsstatthalter und Sozialdemokrat Christoph Lerch. Vor drei
Wochen erliess er eine Reihe von Zwangsmassnahmen zur Reitschule. Unter
anderem müssen die Aktivisten den beliebten Vorplatz um 0.30 Uhr
räumen und Gäste wegweisen, die sich nach Polizeistunde noch
draussen aufhalten. "Wir wollen die Lärm- und Gewaltprobleme in
den Griff bekommen", erklärte Lerch.
Hehrer Wunsch
Ein hehrer Wunsch, passiert ist aber das Gegenteil. Innert Tagen hat
sich eine breite Protestbewegung gebildet. Neben der Nachtdemo gab es
unbewilligte Freiluft-Konzerte bis in die Morgenstunden, ein
Grossfeuerwerk nach Mitternacht mit Freibier-Ausschank und Kundgebungen
auf dem Vorplatz. Die Innenstadt ist gesäumt von Klebern und
Plakaten. "Nehmt ihr uns den Vorplatz, nehmen wir uns die Stadt", steht
auf den einen. Andere sind weniger prosaisch: "Figg di Herr Lerch!"
Manche munkeln schon, Bern stehe ein heisser Sommer bevor - und kichern
wie Schulmädchen vor der Turnstunde mit dem süssen Jungen aus
der Parallelklasse. Denn wenn die Jugendlichen vom Sommer 2012
sprechen, meinen sie eigentlich den Herbst 1987. Der ist längst
zum lokalen Erinnerungsort geworden. Und wie immer bedauern sich die
Zu-spät-Geborenen dafür, ihn verpasst zu haben. Nun keimt die
Hoffnung, auch sie könnten sich noch verewigen in der
Stadtchronik. Entscheiden wird es sich in den nächsten Wochen.
Erinnerungsort Zaffaraya
Was 1987 geschah? Die Polizei räumte das von Aussteigern und
Alternativen gegründete Hüttendorf Zaffaraya. Das
unzimperliche Vorgehen der Sicherheitskräfte löste eine
für Berner Verhältnisse beispiellose Protestwelle aus.
Schüler streikten, Kulturschaffende begehrten auf, Bürger
errichteten Barrikaden in der Innenstadt. Und Woche für Woche
gingen Tausende auf die Strasse, bis die Stadtregierung einlenkte und
den Jugendlichen verschämt die Schlüssel zur Reitschule
aushändigte.
Tom Locher zum Beispiel weiss noch genau, wo er sich befand an jenem
17. November 1987: in einem Büro des Betreibungsamtes, wo er als
Siebzehnjähriger eine Lehre absolvierte. Von der
Zaffaraya-Räumung erfuhr er durchs Radio. "Ich habe das damals
instinktiv daneben gefunden", sagt Locher bei einem Espresso in der
Reitschule. Was es bei ihm ausgelöst hat? "Ich bin aufmerksam
geworden." Wenige Monate später schloss sich Locher den Aktivisten
an. Heute engagiert er sich in der Mediengruppe und ist beinahe
täglich in der Reitschule anzutreffen.
"Scharfe Hunde"
Die Parallelen zu 1987 sieht auch Filmemacher Andreas Berger, der jenen
Protesten mit "Berner Beben" ein Denkmal gesetzt hat. Auch damals sei
es um Freiräume gegangen, auch damals sei der Unmut gross gewesen,
sagt er. "Doch 1987 gab es scharfe Hunde bei der Polizei und bei den
Behörden, die Fronten waren total verhärtet." Das sei heute
anders. Einerseits sei die Stadtregierung gesprächsbereit.
Andererseits, die Leute an der Nachtdemo seien "hauptsächlich
Partypeople", sagt Berger. Es klingt ein bisschen abschätzig. Als
würden sie den Ruf der Reitschule beschädigen.
Seit bald 25 Jahren bildet sie den primären Kristallisationspunkt
lokaler Gesinnungsprüfungen. Da sind die bürgerlichen
Politiker mit ihrer Dauerempörung über den "rechtsfreien
Raum" und den "Schandfleck" an der Einfallsachse in die Stadt. In
schöner Regelmässigkeit fordern sie die Schliessung oder
den Abriss des Gebäudes, um Platz zu schaffen für - wahlweise
- eine Shopping-Mall, ein Schwimmbad oder ein Parkhaus. Fünfmal
haben diese Kämpfer für Recht, Ordnung und Sitte in den
letzten zwanzig Jahren Volksinitiativen gegen die Reitschule
eingereicht. Fünfmal hat das links-grüne Bern abgelehnt,
zuletzt 2010 mit donnernden 68 Prozent.
Eine schützende Hand
Kein Wunder, wächst die Verzweiflung im bürgerlichen Lager.
Als 100 Autonome im Herbst gegen den Kapitalismus demonstrierten,
stellte sich ihnen ein breitbeiniger Rocker in den Weg. Jimy Hofer,
Anführer der Berner Motorradgang Broncos, forderte die Vermummten
auf, abzuhauen aus seiner Stadt. Sinngemäss: Sonst gehe hier
gleich ein Donnerwetter los. Die Demonstranten griffen zum Pfefferspray
und brachten den Hünen zu Fall, worauf Hofer Trost suchte bei den
lokalen Medien, die den zwielichtigen Herrn eilfertig zum Winkelried
erklärten.
Ebenso traditionell hält die rot-grüne Mehrheit der
Stadtregierung ihre schützende Hand über das Kulturzentrum.
Dass Chaoten nach gewalttätigen Demos immer wieder Unterschlupf in
der Reitschule finden, dass nirgendwo mehr Drogen umgeschlagen werden
als auf dem Vorplatz, dass alle paar Wochen Polizeifahrzeuge mit
Steinen und Flaschen angegriffen werden - geschenkt. Gelobt wird
stattdessen der Kulturbetrieb: Die Betriebe seien hochprofessionell
geführt, würden Dutzende Arbeitsplätze bieten und
mehrere Millionen Franken jährlich umsetzen. Tatsächlich
zählten Dachstock, Kino, Theater, Frauenraum und die
Rössli-Bar allein im vergangenen Jahr rund 110'000 Besucher.
Kehrseiten der Professionalisierung
Wenngleich die Verbeamtung der Reitschule nicht so weit fortgeschritten
ist wie etwa bei der Roten Fabrik in Zürich: Die
Professionalisierung hat durchaus Kehrseiten, die das Zentrum zumindest
teilweise infrage stellen. Wenn etwa die jungen Anarchisten Konzerte
gegen einen G-8-Gipfel veranstalten wollen, müssen sie damit
wortwörtlich unter die Bahnbrücke ausweichen, weil im
Dachstock schon irgendein zweitklassiger DJ gebucht wurde. Der
Kulturbetrieb frisst just jene Freiräume auf, die das
Jugendzentrum zu schützen vorgibt.
Es ist nur ein Beispiel dafür, dass es sich viele Reitschüler
in ihrer antikapitalistischen, antifaschistischen, antisexistischen
Zone gerade so gemütlich eingerichtet haben wie die
pantoffeltragenden, konsumwilligen Systemstützen, die sie so gerne
beschimpfen. 1987 war das, da sind sich viele Aktivisten sicher, noch
ganz anders.
Selbstverwaltet statt autonom
Die Unterschiede zu früher? Tom Locher hat diesen Satz schon
mehrmals diktiert. "Früher war die Reitschule autonom und
selbstbestimmt. Heute sind wir basisdemokratisch und selbstverwaltet."
Haben sich also nur die Begriffe geändert? Locher hat noch ein
Beispiel: "Früher waren alle Türen prinzipiell offen. Immer.
Auch die zum Alkohollager. Heute gibt es ein kompliziertes
Schlüsselsystem."
Also doch eine Verbürgerlichung? Locher winkt ab. Anpassungen
seien immer wieder nötig - nicht zuletzt wegen der exponierten
Lage. Trotz allem brauche Bern die Reitschule auch heute noch. Sie sei
der letzte Ort in der Stadt, an dem kein Konsumzwang herrsche. Wo
Jugendliche sich unbehelligt aufhalten könnten. Wo der neoliberale
Ausgrenzungsdruck noch nicht hinreiche. "Die Reitschule ist eine Oase
in der Wüste der Ordnung."
Die schwierigen Fragen nach dem Sinn der Reitschule im Hier und Jetzt
sind sowieso erst einmal vom Tisch. Die Reihen haben sich geschlossen,
Priorität geniesst nun der Kampf gegen Regierungsstatthalter
Lerch. Mal ehrlich: Wer braucht schon einen guten Zweck, wenn er einen
bösen Feind hat?
Am 2. Juni wird in Bern wieder demonstriert. Weit über 4000
Personen haben auf Facebook ihr Kommen angekündigt. Vielleicht
haben sie ja recht. Es könnte ein heisser Sommer werden.
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20 Minuten 25.5.12
Theo Parrish geht es nur um die Musik
BERN. Theo Parrish lernte bei DJ-Helden. Nunmehr selber eine Ikone,
bringt er Bern seine Vorstellung von Tanzmusik bei.
Patchwork-Veranstalterin Judith Pfiffiger ist ausser sich vor Freude:
"Endlich habe ich es geschafft, den grossartigen Theo Parrish nach Bern
zu holen." Zwei Jahre versuchte sie, die lebende Legende aufzubieten.
"Bisher ist es aber immer an Terminfragen gescheitert", so die
Bernerin. Nun ist also der Auftritt beschlossene Sache und der
40-Jährige legt heute Abend im Dachstock auf.
Als House-Produzent zählt Theo Parrish zu den prägenden
Figuren der vergangenen 15 Jahre. Sein Ruf als DJ ist nicht weniger
legendär: Hinter den Plattenspielern gehört die in Chicago
geborene und in Detroit ansässige Ikone zu den energiegeladeneren
und vielseitigeren Vertretern seiner Zunft, heisst es. So mischt er
seinen House-Sets gerne alte Soul-, Funk- und Disko-Tracks bei und
dreht dabei voll ab. "Ihm geht es nur um die Musik", versichert
Biffiger.
Dementsprechend gross ist die Freude über sein Engagement bei
hiesigen Musikkennern: "Das ist eine einzigartige Gelegenheit", findet
beispielsweise der langjährige Plattensammler und DJ Funky T. "Den
Spirit aus den Anfängen der elektronischen Musik kann man
heutzutage nur noch selten fast aus erster Hand erleben."
1994 hatte Parrish das DJ-Handwerk in Chicago erlernt, wo er noch
vielen Meistern des Fachs direkt auf die Finger schauen konnte.
Pedro Codes
Fr, 25.5., 23 Uhr, Patchwork Presents Theo Parrish, Dachstock.
Stadt Bern. Das Regierungsstatthalteramt stellt das Lärmverfahren
gegen den Club Bonsoir ein.
Seit 2009 lief gegen den Club Bonsoir ein Lärmverfahren.
Beschwerdeträger war ein Anwohner. Dieser wohnte in der gleichen
Liegenschaft in der Aarbergergasse und ist vor rund einem Jahr
weggezogen, nachdem er mit einer zivilrechtlichen Klage gescheitert
war. Gestern wurde nun vom Regierungsstatthalteramt in einer
Verfügung mitgeteilt, dass das Verfahren eingestellt werde - es
werden keine Verwaltungszwangsmassnahmen angeordnet. Dies wegen der
guten Kooperation und der seit 2009 getroffenen
Lärmschutzmassnahmen seitens des Bonsoir, teilen die Clubbetreiber
mit. Weiter gehende Lärmschutzmassnahmen erachte das
Regierungsstatthalteramt als unverhältnismässig. Die
Betreiber hatten zu bedenken gegeben, dass sie bei weiteren
Restriktionen ihr Lokal wohl schliessen müssten. Die Betreiber
bewerten den Entscheid als positiv. "Dennoch wollen wir uns weiterhin
aktiv an vorderster Front und mit anderen Szeneakteuren für das
Nachtleben in Bern einsetzen", teilen sie mit. Angesichts der
herrschenden Gesetze gelte für kein Lokal Rechtssicherheit. Wie
das Beispiel Sous-Soul zeige, reiche ein Kläger, um einem
Nachtlokal den Garaus zu machen. Das Nachtleben werde in Bern immer
noch als Problem betrachtet.
Claudia Salzmann/Newsnet
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20 Minuten 25.5.12
Verfahren gegen Bonsoir gestoppt
BERN. Bonsoir-Geschäftsführer Rolf Bähler atmet auf:
Gestern hat ihm das Regierungsstatthalteramt mitgeteilt, dass das
Lärmverfahren gegen den Club eingestellt wird. Dieses lief seit
2009 und war durch einen Anwohner initiiert worden, der in derselben
Liegenschaft zuhause, vor rund einem Jahr aber weggezogen war. Denn mit
einer zivilrechtlichen Klage war dieser beim Mieteramt gescheitert.
Jetzt erwartet Bähler vom Gemeinderat eine "klare
Nachtleben-Strategie", die den Machern «Rechtssicherheit bringt
und der Entfaltung des kulturellen Lebens in der Stadt Bern Raum
gibt.»
Jedes Wochenende fällt Partyvolk über die Berner Innenstadt
her. Für Anwohner ist die Ausgelassenheit ein Problem. Und
Lärmklagen werden für Clubs zur Bedrohung.
Zonenplanänderungen könnten den Konflikt nun
entschärfen.
Alexander
Tschäppät (links) und Christoph Lerch nehmen zum ersten Mal
gemeinsam zum Konflikt in der Berner Innenstadt Stellung. (SRF)
Ein boomendes Nachtleben und eine historisch gewachsenen Altstadt
passen nur schwer zusammen. Die Bausubstanz macht den Betrieb von
lauten Nachtklubs schwierig. Die Gassen sind eng. Die Masse an
Gästen gross. Viele Anwohner haben genug. Durch die späten
Öffnungszeiten der Ausgehlokale wird die Stadt über das
Wochenende quasi zur 24-Stunden-Konsumzone. Lärmklagen und Anrufe
bei der Polizei werden zur Regel.
Die Berner Innenstadt kocht...
Die Betreiber von Nachtlokalen haben mit den Lärmklagen ihre liebe
Mühe. "Eine einzige Klage kann den Betrieb eines ganzen
Clubs gefährden", erklärt Rolf Bähler vom Lokal
"Bonsoir" in der Aarbergergasse. Für Menschen die im Wissen um die
Clubs im Quartier eine Wohnung mieten und dann eine Lärmklage
einreichen, hat er kein Verständnis. Alle Betroffenen fordern,
dass der Gemeinderat handelt und sich um die Regelung des Nachtlebens
kümmert.
...das Rezept lässt auf sich warten
Die Lösung könnte in der Änderung des Zonenplans liegen,
wie Stadtpräsident Alexander Tschäppät gegenüber
dem Regionaljorunal von Radio DRS sagt. Bereits diesen Sommer soll ein
Vorschlag auf dem Tisch liegen. Die Lösung könnte darin
liegen, dass man einzelnen Stadtgebieten eine bestimmte, neue Nutzung
zuschreibt. Konkret: Gemäss dem Vorschlag des
Stadtpräsidenten könnte diese in der oberen Altstadt zulasten
des Wohnens gehen.
Tschäppät gibt jedoch zu bedenken, dass der bis jetzt
bewährte sympathische Mix aus Gewerbe und Wohnen aus dem Lot
geraten könnte. (hafj, sahm)
Nachdem die Reitschule am Mittwoch bekundete, dass ihr Betrieb
während der Tanzparade "Tanz dich frei 2.0" schliesst,
zieht die Propellerbar und das Kapitel am Bollwerk nach.
Am 2. Juni wird durch die Stadt Bern getanzt. Zur Veranstaltung "Tanz
dich frei 2.0" haben sich auf bisher rund 4600
Menschen auf Facebook angemeldet, um gegen die Einschränkung des
Nachtlebens und des öffentlichen Raumes zu protestieren. Die
Reitschule teilte am Mittwochmorgen mit, dass ihre Lokalitäten
während der Tanzparade geschlossen bleiben werden.
Zeit für ein Zeichen
Auch das "Kapitel Bollwerk" zieht mit: Laut einer
Mitteilung am Mittwochnachmittag macht ihr Lokal für die
Tanzparade ab 00.30Uhr dicht. "Wir solidarisieren uns hiermit mit
dem Aufruf der Reitschule und werden die geplante Veranstaltung
absagen." Der Betrieb des Restaurants werde bis zur ordentlichen
Polizeistunde wie gewohnt geführt.
Weiter schreiben die "Kapitel"-Betreiber, dass es nach der
Schliessung von Sous Soul und Wasserwerk und der Verfügung der
Regierungsstatthalteramt gegen die Reitschule an der Zeit sei, ein
Zeichen zu setzen: "Bern braucht ein vielfältiges
Nachtleben." Plätze wie der Vorplatz, wo Menschen ohne
Konsumzwang ihren Ausgang verbringen können, seien auch für
"gewöhnliche" Gastrobetriebe von immenser Bedeutung,
betonen sie. Sie weisen zusätzlich auf die Rechtsunsicherheiten
bezüglich der Lärmemissionen hin und dass die Stadt im
Bereich der Öffnungszeiten von Gastrobetrieben die Entwicklung
verschlafen habe.
Andere noch unschlüssig
Andere Klubs stellen ihren Betrieb nicht ein: So bleiben beispielsweise
das "Bonsoir", "Bierhübeli" und "Le
Ciel" offen. In manchen Lokalen sei man noch unschlüssig.
Wie "20Minuten" am Donnerstag schreibt, werde die Bar "Propeller" in
der Aarbergergasse in den nächsten
Tagen eine Entscheidung fällen. Laut der Tageszeitung "Bund"
blieben die Turnhalle und das ISC offen, in der
Printausgabe von "20Minuten" seien die beiden Betriebe noch
unentschlossen.
Am 2. Juni dürften wiederum Tausende durch die Innenstadt tanzen.
Nach der Reitschule beschliesst mit dem Kapitel am Bollwerk ein
weiteres Kulturlokal, am ersten Juni-Samstag den Betrieb einzustellen.
Die Kapitel-Betreiber
solidarisieren sich mit den Anliegen der Tanzdemo vom 2. Juni.
Bild: Manu Friederich
Am 2. Juni stellt die Reitschule ihren Betrieb ein, um das Strassenfest
"Tanz dich frei 2.0" zu unterstützen, um die Aktion
aktiv zu unterstützen. Auch riefen die Reitschüler in einer
Medienmitteilung weitere Veranstalter auf, "sich uns
anzuschliessen und an diesem Abend ebenfalls geschlossen zu
halten".
Nun solidarisiert sich das Kapitel Bollwerk mit dem Aufruf zum Streik -
und sagt die für den 2. Juni geplante Veranstaltung ab. Der
Betrieb des Restaurants werde aber bis zur ordentlichen Polizeistunde
geführt, schreiben die Betreiber des Lokals in einer
Medienmitteilung.
"Verhältnisse für Clubbetreiber unzumutbar"
Bern brauche ein vielfältiges Nachtleben, heisst es in der
Mitteilung des Kapitel weiter - und "Plätze wie der
Vorplatz, wo Menschen ohne Konsumzwang ihren Ausgang verbringen
können, sind auch für "gewöhnliche“ Gastrobetriebe in
Bern von immenser Bedeutung." Zudem seien Verhältnisse
für Clubbetreiber wie Veranstalter in Bern unzumutbar.
Die Betreiber des Kapitel werfen den Behörden auch vor, dass diese
im Bereich der Öffnungszeiten von Gastrobetrieben die Entwicklung
total verschlafen habe. Eine Liberalisierung der "vorgestrigen
Regelungen" sei bitter nötig.
Im zweiten Teil der Aarbergergasse-Reportage von TeleBärn wird ein
Blick auf das Gewerbe geworfen und wie sich die Gasse wirtschaftlich
entwickelt hat.
Im zweiten Teil der Aarbergergasse-Reportage zeigt Telebärn eine
Retrospektive, wie die frühere Stadt Bern ausgesehen hat und
welche Betriebe damals erfolgreich waren. Bereits in den 80er Jahren
setzte das Lädelisterben ein und immer mehr Klubs und
Gastrobetriebe zogen in die Aarbergergasse. Damals organisierte der
Aarbergergass-Leist ein Fest "Mitenang, nid gägenang".
Weiter beleuchtet Telebärn die wirtschaftlichen Aspekte und das
Gewerbe in der Aarbergergasse. Die Metzgerei Richner ist in der
Aarbergergasse seit 1918 und somit das älteste Geschäft. Doch
das Gewerbe verschindet langsam aus der Innenstadt, weil sich die
Besitzer die Raummieten nicht mehr leisten können. Auch die
Wohnqualität sank und die Nachtschwärmer vereinnahmten die
Gasse immer mehr. (cls/Telebärn)
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kulturstattbern.derbund.ch 24.5.12
Schabernack mit The Shit
Von Gisela Feuz am Donnerstag, den 24. Mai 2012, um 05:13 Uhr
Was man in einem simplen
Luftschutzkeller alles für Schabernack anstellen kann,
zeigen The Shit in ihrem neuen Video zu
"Get Out". Nicht nur das Outfit der Herren ist höchst
amüsant, sondern auch der völlig kindische (und deswegen
äusserst sympathische) Unfug, den die vier Buben anstellen. Munter
werden da neue Sportarten erfunden (Ping-Pong-Slapping und
Schlauch-Wrapping), wobei The Shit dazu gleich selber ihre
hartgekochten Frühstückseier legen. Sehr praktisch. Und
überzeugender hat wohl noch kaum jemand geblutet in der
Video-Clip-Geschichte.
Jason Brandenberg, welcher dieses
Video für The Shit gebaselt hat, beweist: Es braucht keine
millionenteure Hollywood-Produktion für ein gutes Musik-Video.
Ganz im Gegenteil wurde für "Get Out" mit minimalen
Mitteln ein Video gedreht, welches man sich getrost mehrmals anschauen
kann und dabei immer noch grinsen muss über den unsäglichen
Unsinn. Und wie gerne wäre man doch dabei gewesen, als sich die
Herren die Strumpfhosen über die haarigen Haxen zerrten.
The
Shit taufen ihre Platte "Dingleberry Fields
Forever" am Donnerstag 7. Juni im Rössli
der Reitschule. Wie sie ihren leistenbrüchigen Gitarristen bis
dahin wieder hinbekommen wollen, was genau ein Dingleberry ist und wie
es den Herren bei den Aufnahme auf der Rancho de la Luna in Kalifornien
ergangen ist in, können Sie hier nachhören.
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BZ 24.5.12
Verjüngungskur mit Baby Jail
Punk 'n' Pop · Ihre letzten Konzerte gab die Zürcher
Kultband 1994 in Bern und Solothurn. Der erste Gig ihrer Comebacktour
findet wiederum in Bern statt - Grund genug für ein warmes
"Welcome back" in der Reitschule.
Flashback: Im Zürcher Sexkino Walche spielten Baby Jail ihren
ersten Gig, es war die Neujahrsnacht 1986, und irgendwer hatte auch
noch Geburtstag. Man frönte mit etwas Brennsprit der Pyrotechnik
Marke Eigenbau, hatte jede Menge Spass und ohne Absicht schon den
ersten Hit: "Sad Movies", eine Sixties-Schnulze von Barbara
Thompson auf Züritüütsch. Bald spielte DRS-3-DJ
François Mürner die rührselige Falschtonparodie rauf
und runter. Ohne den Titel anzumelden, produzierten Baby Jail 1987 eine
Flexi-Single mit dem Song, verschickten sie 2000-mal in den frankierten
Rückantwortcouverts ihrer Start-up-Fans und umschifften so auch
die damals verpönte Hitparade. Obwohl man gegen die eigentlich
nichts hatte. Vielmehr nervte die anhaltend düstere
Achtziger-Coolness: "Alle waren bleich, schlecht gelaunt und
schwarz gewandet", erinnert sich Boni Koller, "richtig
langweilig."
Wie Kindergeburtstage
Sänger Boni, der schon in der Schule als Berufsziel "fünfter
Beatle" angegeben hatte, und Bassistin Bice
Aeberli, die bei Bands wie Clan Miller and the Hot Kotz Erfahrungen
gesammelt hatte, wollten mehr als "No Future". Unterhalten,
zum Beispiel. Dazu gehörten aufgeklebte Eiterpickel, der Einsatz
von Blockflöten und Songzeilen wie "Oma kochte Enkelkind,
denn sie wollte Sex". Nicht alle fanden Baby Jail lustig, aber
alle kamen an ihre Konzerte. Da fühlte man sich wie an einem
Kindergeburtstag ("Trau keinem über 11"), es war
fröhlich, laut, chaotisch. Und das Beste: Niemand musste sich
schämen für die eigene Anwesenheit, denn die Hofnarren des
Postpunk waren trotz allem politisch korrekt. Am liebsten spielten Baby
Jail in besetzten Häusern, wo sie dem Publikum das Gefühl
gaben, zu Hause zu sein und dennoch alles versiffen zu dürfen.
Bern ja, Züri Ost nein
Mit "Tubel Trophy", ihrem Top-Ten-Hit von 1992, reagierte
die Band auf rechtsdumpfe Stammtischpolitiker und nahm gleichzeitig das
Format der aufkommenden Realityshows ins Visier. Der Tubel wird mittels
einer Überlebensübung im Urwald entsorgt, seinen
hiergebliebenen Kollegen empfiehlt die Band: "Stönd emal i d
Schiissi, und am Griff, wos hät, deet ziehnder / Wänn ihr
nüme da sind, dänn vermisst eu nämli niemer." "Mundart
war eigentlich nicht so unser Ding", erklärt
Bice und weist auf Baby Jails zahlreiche englische Songs und deutsche
Schlager hin. Boni bestätigt: "Züri Ost wollten wir nie
sein." Lieber tat er sich nach der Auflösung Baby Jails 1994
mit dem Berner Tausendsassa Bubi Rufener (Bishop's Daughter, Boob) zur
Allschwil Posse zusammen. Ausserdem spielt Boni heute wirklich an
Kindergeburtstagen, Stärneföifi! Doch jetzt dürfen sich
auch die Erwachsenen wieder mal austoben - Baby Jail sei Dank.
Tina Uhlmann
Konzert: Do, 31. Mai, 21 Uhr, Rössli in der Reitschule Bern.
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kulturagenda.be 24.5.12
Theo Parrish am Patchwork im Dachstock
Vinyl ist Theo Parrishs Spielwiese. Seit über 20 Jahren ist er als
erfolgreicher Musiker, Produzent und DJ tätig. Gross geworden ist
der Soundtüftler mit DJ-Legenden wie Larry Levan und Ron Hardy. So
überrascht es nicht, dass Theo Parrishs Sets eine Verschmelzung
von elektronischen Beats, Jazz, Funk und Soul sind.
Dachstock in der Reitschule, Bern. Fr., 25.5., 23 Uhr
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Bund 24.5.12
Theo Parrish
Tanzbarer Sound-Flickenteppich
Seit mehreren Dekaden ist er eine DJ-Legende. Nun macht der
US-Amerikaner Theo Parrish halt im Dachstock, serviert auf seinen
Plattentellern mit House-Beats unterfütterten Jazz, Soul oder
Elektro. "Love of the Music" ist die treibende Kraft, die
den Tüftler bunte Sound-Collagen erschaffen lässt. Und diese
Liebe wird zu spüren bekommen, wer sich in der Patchwork-Nacht auf
die vibrierenden Dielen begibt. (juz)
Dachstock Freitag, 25. Mai, 23 Uhr.
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kulturagenda 24.5.12
Diskussionen über das bedingungslose Grundeinkommen
Das bedingungslose Grundeinkommen bewegt die Gemüter: Am
Donnerstag diskutieren im Frauenraum Judith Giovannelli-Blocher, Ursula
Knecht-Kaiser, Therese Wüthrich und Annemarie Sancar. Daniel
Straub und Christian Müller (Bild) stellen ein paar Tage
später ihr Buch "Die Befreiung der Schweiz" im Ono vor.
Frauenraum in der Reitschule, Bern. Do., 24.5., 20 Uhr.
Ono, Bern. Mi., 30.5., 20 Uhr
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kulturagenda.be 24.5.12
Im Tojo kochen die Emotionen
Regisseur Michael Oberer inszeniert im Tojo Theater die griechische
Tragödie "Antigone". Dabei treffen starke Gefühle, ein
Bühnenbild des Künstlers Giro Annen und Trommelwirbel von
Margrit Rieben aufeinander.
Wie aktuell ist ein 2500-jähriger Text? In Sophokles'
Tragödie "Antigone" entbrennt nach dem Tod von König
Ödipus zwischen dessen Söhnen Eteokles und Polyneikes ein
Streit um das Königreich Theben. Im Kampf töten sich die
beiden gegenseitig. Kreon (Markus Signer), der daraufhin an die Macht
kommt, bezichtigt Polyneikes des Heimatverrates und verweigert ihm das
Begräbnis. Damit verstösst er gegen die geltenden Sitten.
Polyneikes Schwester Antigone (Julia Maurer) sieht es hingegen als ihre
gottgewollte Pflicht, ihrem Bruder die letzte Ehre zu erweisen. Mit
ihrer Tat stellt sie den Willen der Götter über denjenigen
Kreons.
Immer wieder ein brisanter Stoff
"Vor 30 Jahren habe ich ‹Antigone› zum ersten Mal auf die Bühne
gebracht", sagt Regisseur Michael Oberer. Wegen des Motivs der
Auflehnung gegen das herrschende System sei das Stück damals in
Zusammenhang mit der Roten- Armee-Fraktion in Deutschland sehr beliebt
und auch brisant gewesen. Die Unruhen in Ägypten und Libyen
hätten ihn wieder daran erinnert, erklärt er. In seinen
Kernanliegen ist das Stück nach wie vor aktuell. Sophokles' Worte
behalten ihre Gültigkeit: "Ungeheuer ist viel. Doch nichts
ungeheurer als der Mensch."
Zeitlosigkeit und archaische Sprache
Das Bühnenbild im Tojo Theater in der Reitschule macht deutlich,
dass Oberer das Stück explizit weder in der Gegenwart noch in der
Vergangenheit verorten will. Der Künstler Giro Annen hat es
für die Inszenierung konzipiert: Steine und Sand verweisen auf die
Vergangenheit, Ölfässer und ein Graffito sind der Gegenwart
entnommen. Insgesamt sind die Requisiten rar, die Kostüme schlicht
gehalten.
Als Textvorlage dient Oberer Friedrich Hölderlins
"Antigone"-Übersetzung aus dem Jahr 1804. "Es ist eine archaische,
schwer verständliche Sprache", meint er dazu. Er hat daran bewusst
keine Änderungen vorgenommen. "Das Stück soll Emotionen
auslösen, ganz im Sinne des klassischen griechischen Theaters.
Insofern ist mein Ansatz altmodisch ", sagt Oberer. Mit dem Verzicht
auf ironische Brechungen will er dem Publikum die Chance geben, in das
Stück einzutauchen.
Emotionen, Tanz und Trommeln
Der Text allein reichte Oberer nicht aus, um sein Ziel zu erreichen,
nämlich die "Emotionen zum Kochen zu bringen". Mit fein
choreografierten Bewegungsabläufen werden auf der Bühne die
inneren, nonverbalen Kämpfe der Protagonisten visualisiert. Oberer
hat dafür den Choreografen Marcel Leemann hinzugezogen. Denn wenn
etwa Antigone in Todesangst auf der Bühne hin- und hergeht und
dabei immer wieder um den nächsten Schritt kämpft,
überträgt sich ihre Anspannung auch auf die Zuschauer.
Einen weiteren wichtigen Beitrag zum Stück liefert die
Perkussionistin Margrit Rieben. Immer wieder zieht sie die Zuschauer
mit rhythmischem Trommelschlägen ins Stück hinein und
stützt mal laut, mal leise die Handlungen der Schauspieler.
Die heutige Globalisierung von Musik löst apokalyptische Diskurse
aus. Doch der Musikwissenschaftler Julio Mendívil meint, dass
sie vielmehr Differenz, Vielfalt und Austausch fördert.
Von Julio Mendívil
In seinem Buch "Der achtzehnte Brumaire des Louis
Bonaparte" ironisierte Karl Marx Georg Wilhelm Friedrich Hegels
Aussage, alle grossen weltgeschichtlichen Tatsachen würden sich
zweimal ereignen. Hegel, so Karl Marx, habe vergessen
hinzuzufügen, dass sie das eine Mal als Tragödie, das andere
Mal als Farce geschähen.
Wenn Marx den Satz auf die Reaktionen der Menschen auf neue Medien
bezogen hätte, dann hätte er sich für einmal geirrt.
Schon als das gedruckte Buch gegen Ende des Mittelalters aufkam,
verkündete man den Tod der Lektüre. Ähnlich
äusserten sich ExpertInnen, als um die Wende zum 20.
Jahrhundert die technischen Medien die Aufnahme von Musik
ermöglichten. Dann beklagten MusikliebhaberInnen, dass die
Technik der Musik einen Todesstoss verpassen würde, indem sie das
Liveereignis überflüssig mache. Die apokalyptischen Diskurse,
die durch die heutige Globalisierung von Musik ausgelöst werden,
sind ein weiteres Beispiel des Misstrauens, mit dem Menschen neuen
Medien begegnen. Nur dass dieses Misstrauen keine Farce ist. Denn die
Globalisierung verändert tatsächlich die Musik.
Die Aussage ist so banal, dass es fast lächerlich ist, sie
überhaupt zu formulieren. Weniger banal erscheint die Frage nach
der Art und Weise, wie die Globalisierung die Musik verändert.
Globalisierungsprozesse in der Musik hat es immer gegeben: die
Ausbreitung des diatonischen Systems durch die koloniale
Ausbreitung Europas, die Durchsetzung auditiver Standards mit der
Einführung der Mikrofonie oder die Verbreitung von bestimmten
Rhythmen durch die Plattenindustrie et cetera. Aber keiner dieser
Prozesse lässt sich mit dem messen, was die Etablierung des
Internets und der digitalen Übertragung von Audiodateien für
die Produktion und den Vertrieb von Musik bedeutet. Wir müssen
also zuerst einmal definieren, über welchen Globalisierungsprozess
wir sprechen.
Japanisch in São Paulo
Mit "Globalisierung" bezeichnen wir heute die
transnationale Vernetzung von AkteurInnen in der postmodernen
Welt. Diese Verflechtung kann ökonomischer, kultureller oder
politischer Natur sein. Wie der britische Soziologe Anthony Giddens
anmerkt, bezieht sich die Globalisierung nicht nur auf öffentliche
Lebenssphären. Sie schliesst unsere private Welt mit ein, da sie
mittels neuer Kommunikationstechnologien unsere Beziehung zu Raum und
Zeit radikal verändert. Informationen zirkulieren dank des
Internets mit einer vorher niemals erreichten Geschwindigkeit hier,
dort und überall. Diese Veränderungen von Raum und Zeit
prägen den Konsum wie auch die Produktion von Musik.
Während Lady Gaga, Rihanna oder Taio Cruz im Westen produziert
werden, um in Neu-Delhi, Maputo oder Moskau gekauft, gehört
und imitiert zu werden, werden angeblich lokale "Produkte"
wie Mano Dibango aus Kamerun oder Juanes aus Kolumbien ebenfalls von
Zentren ausserhalb des Territoriums produziert, in dem sie konsumiert
werden. Lokalität hat an Bedeutung verloren.
Viele Musikformen leben in der Diaspora: Es gibt algerischen Raï
aus Paris, ghanaischen Highlife aus Berlin, japanische Enka-Musik aus
São Paulo oder angolanischen Kuduru aus Lissabon. Dies macht
deutlich, dass territoriale Bindungen unwichtig geworden sind.
Auch der Umlauf von Musik hat sich geändert. Vor dreissig
Jahren wäre es kaum möglich gewesen, Platten von Caetano
Veloso in Buenos Aires oder von Ryuichi Sakamoto in London zu kaufen.
Heute lässt sich Musik aus der ganzen Welt mit einem einfachen
Klick downloaden. Jede Musik zirkuliert hier, dort und überall. Es
ist ein Zeichen postmoderner Zeiten, dass Musikkulturen in Dialog
treten und sich gegenseitig beeinflussen. So etwa ist der Einfluss des
US-amerikanischen Heavy Metal in Dhaka genauso gross wie der Einfluss
des Country im brasilianischen Sertão oder des Hip-Hop in
Kathmandu. Wird die Differenz zum Mainstream?
Weltweite Diversität?
Globalisierungsgegner wie Neil Young oder Manu Chao mögen solche
Entwicklungen kritisieren, weil sie vermeintlich eine Homogenisierung
der Kultur und der Musik vorantreiben. Aber wie der französische
Soziologe Frédéric Martel in seinem Buch
"Mainstream" zeigt: Die Zukunft der Diversität ist
nicht gefährdet. Martel demonstriert, dass mit der Globalisierung
nicht nur die US-amerikanische Musik, sondern auch die chinesische, die
indische, die lateinamerikanische, die arabische oder die
südafrikanische durch die Welt ziehen. Statistiken zeigen zudem,
dass die Vereinigten Staaten den internationalen Musikmarkt nicht
erobert haben, selbst wenn Jennifer López oder Justin Bieber
überall gehört werden. Der US-amerikanische Mainstream ist in
China gescheitert, genauso wie der englische in den arabischen
Ländern. Hingegen muss das Zentrum der Musikindustrie jetzt
mit Konkurrenz aus der Peripherie rechnen. Dank Internetplattformen wie
MySpace oder YouTube können KünstlerInnen wie Michel
Teló oder Joanna Wang zum globalen Mainstream werden.
Ist das nun hegemonial oder subversiv? Gewiss ist, dass das Aufgeben
der Lokalität die Entstehung multilokaler Musik
begünstigt hat. Der peruanische Sänger Luis Ayvar nimmt
seine Songs zum Beispiel teilweise in Deutschland auf, wo er wohnt,
teilweise in Peru, wo er regelmässig auftritt und CDs massenhaft
verkauft. Seine Platten kommen auf den Markt, ohne dass die
involvierten MusikerInnen sich ein einziges Mal persönlich
getroffen haben. Die Globalisierung moderner Technologie
ermöglicht die Produktion und Zirkulation traditioneller Musik aus
Peru.
Differenz, Vielfalt, Austausch
Die Globalisierung hat unser Hörverhalten revolutioniert.
Während früher Musik allein sesshaft konsumiert wurde, wird
sie heute vor allem konsumiert, während wir uns bewegen. Formate
wie MP3 oder MPEG4, Nebenprodukte der Globalisierung, sind deswegen
ökonomischer als CDs oder Schallplatten, denn sie können
überall mitgenommen werden. Eine Konsequenz der Globalisierung
ist, dass Musik nomadisch geworden ist.
Eine der wichtigsten Neuerungen des Musikkonsums ist die negative
Rezeption. Eine Plattform wie YouTube, die jede Musikproduktion
kostenlos weltweit anbieten kann, macht es möglich, dass Musik
konsumiert wird, um verspottet zu werden. So sind die Videos von La
Tigresa del Oriente oder Rebecca Black millionenhaft angeschaut und
millionenhaft lächerlich gemacht worden -
die Globalisierung macht uns alle zu MusikexpertInnen und schafft
so eine Demokratisierung, die häufig missbraucht wird.
Die Globalisierung hat zudem ermöglicht, dass traditionelle
Musikkulturen sich der grossen Welt präsentieren. Man kann die
Technik der Nyanga-Panflöten aus Moçambique, die Tänze
der Pintupi aus Australien oder die Songs der Xingú aus
Brasilien auf YouTube oder anderen Internetseiten finden, wie all diese
Kulturen John Lennon, Aretha Franklin oder Johannes Brahms entdecken
können. Die Globalisierung fördert also nicht nur
Homogenisierung, sondern auch Differenz, Vielfalt und Austausch. Sie
verdrängt nicht nur das alte Musikleben, sie lässt auch hier,
dort und überall neue Umgangsformen mit Musik entstehen.
Der italienische Autor Umberto Eco hat daran erinnert, dass
VerfechterInnen von apokalyptischen
Antiglobalisierungsdiskursen schon oft das Ende der Welt
angekündigt haben - offensichtlich
fälschlicherweise. Ja, die Globalisierung hat die Musik
verändert. Aber, wie ein alter Schlager klugerweise
verkündet: Davon geht die Welt nicht unter.
*
Julio Mendívil ist Dozent an der Hochschule für Musik,
Theater und Medien Hannover sowie an der Universität Köln. An
den Thementagen "Musik und Globalisierung" referiert er am
Mi, 30. Mai, 10 Uhr, im Berner Progr über "Indianische Musik
als globale Nische im postmodernen Europa".
-
"Musik und Globalisierung"
Im Rahmen der Thementage "Musik und Globalisierung" treffen
sich in Bern und Zürich Wissenschaftlerinnen, Musikjournalisten
und MusikerInnen zu Vorträgen, Podien und einem öffentlichen
Gedankenaustausch. Die Reihe bietet eine Zwischenbilanz zum
Nationalfondsprojekt "Globale Nischen: Musik in einer
transnationalen Welt". Sie geht den Fragen nach, welchen
Einflüssen die Musik in einer digitalisierten und globalisierten
Welt ausgesetzt ist und welche neuen Faktoren Musikproduktion
und -vertrieb mitbestimmen. Das Programm wird jeweils
abends mit Filmvorführungen und Konzerten erweitert.
Thementage "Musik und Globalisierung" in: Bern, Progr, Di,
29. Mai, 9-17 Uhr, Vorträge und Podiumsdiskussion. Kino der
Reitschule, 20.30 Uhr, "Kings of the Gambia" (Film). Mi,
30. Mai, 9-17 Uhr, Vorträge und Podiumsdiskussion.
20.30 Uhr, Nilsa (Konzert).
Zürich, Rote Fabrik, Do, 31. Mai, 17 Uhr, Podiumsdiskussion. 18.30
Uhr, Kocher & Roza (Konzert). 21 Uhr, "The Shukar Collective
Project" (Film). 22.30 Uhr, The National Fanfare of Kadebostany
(Konzert). www.norient.com
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BZ 24.5.12
Demo "Tanz dich frei"
Reitschule und "Kapitel" schliessen
Am Samstag, 2. Juni, findet das politische Strassenfest "Tanz
dich frei" statt (wir berichteten). Die Reitschule kündigte
an, dass sie am Abend ihren Betrieb einstellen wird, um die Aktion
"aktiv zu unterstützen". Die Reitschüler riefen
gleichzeitig andere Kulturbetriebe auf, es ihr gleichzutun. Der Club
Kapitel am Bollwerk beteiligt sich teilweise, wie er mitteilte: Der
Betrieb wird ab 0.30 Uhr geschlossen, eine geplante Veranstaltung
abgesagt. Das Restaurant wird zuvor allerdings wie gewohnt
geführt.pd
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20 Minuten 24.5.12
Clubs machen für Tanzdemo dicht
BERN. Über 4300 Menschen wollen in der Nacht vom 2. Juni mit "Tanz
dich frei 2.0" durch die Stadt ziehen und für
ein freieres Nachtleben demonstrieren. Jetzt solidarisieren sich auch
zwei Kulturbetriebe mit den Organisatoren der Demo. Die Reitschule
bleibt an diesem Tag geschlossen, "weil der Kampf für eine
freie Gesellschaft nur ein gemeinsamer sein kann", wie das AJZ
mitteilt. Gleichzeitig ruft es andere Kulturbetriebe auf, dasselbe zu
tun. Als Erster zieht jetzt das Kapitel mit: "Wir sagen die
geplante Party ab und schliessen um 0.30 Uhr", so
Kapitel-Sprecher Diego Dahinden.
Andere Clubs hingegen sind sich noch uneins. "Wir werden in den
kommenden Tagen entscheiden, ob wir schliessen - grundsätzlich
stehen wir aber hinter dem Projekt", sagt Roman Bühler von
der Propeller-Bar. Die Turnhalle und das ISC sind noch
unschlüssig. Das Bonsoir aber bleibt offen. NOP
Medienmitteilung Kapitel Bollwerk zur "Tanz dich frei“ Veranstaltung
vom 2. Juni 2012
Sehr geehrte Medienschaffende
Das Kapitel Bollwerk hat Heute Mittwoch 23. Mai 2012 beschlossen den
Betrieb am Samstag 02. Juni 2012 ab 00.30Uhr zu schliessen. Wir
solidarisieren uns hiermit mit dem Aufruf der Reitschule, welcher Heute
Morgen von der Mediengruppe der Reitschule versendet wurde. Die
geplante Veranstaltung wird demnach abgesagt. Der Restaurant Betrieb
wird bis zur ordentlichen Polizeistunde von 00.30Uhr wie gewohnt
geführt.
Für ein vielfältiges Nachtleben
Nach der Schliessung von Sous Soul und Wasserwerk und der
Verfügung der Regierungsstatthalteramt gegen die Reitschule ist es
an der Zeit ein Zeichen zu setzten. Bern braucht ein vielfältiges
Nachtleben. Plätze wie der Vorplatz, wo Menschen ohne Konsumzwang
ihren Ausgang verbringen können, sind auch für
"gewöhnliche" Gastrobetriebe in Bern von immenser Bedeutung. Zudem
sind die Verhältnisse für Clubbetreiber wie Veranstalter in
Bern unzumutbar. In Bereich der Lärmthematik besteht für
Betreiber eine riesige Rechtsunsicherheit. Betriebe können nicht
nur von einem auf den anderen Tag in ihrer Existenz gefährdet
sein, sondern die aktuelle Lärmpolitik ist für die ganze
Berner Gastro- und Clubszene innovationshemmend. Im Bereich der
Öffnungszeiten von Gastrobetrieben hat die Stadt Bern die
Entwicklung total verschlafen. Eine Liberalisierung dieser vorgestrigen
Regelungen ist bitter nötig.
DEMO Statt Party in der Reitschule gibts am 2. Juni den zweiten
Protesttanz durch die Stadt.
Unter dem Motto "Mir gö z'tanz" kommt es am Samstag, 2. Juni, zur
zweiten "Tanz dich frei"- Veranstaltung. Hintergrund ist die
Verfügung von Regierungsstatthalter Christoph Lerch (SP), der den
Reithallen-Betrieb einschränken will. "Es wird einmal mehr
versucht, einen der letzten verbliebenen Freiräume in der Stadt
Bern zu ‹verreglementieren› ", schreibt die Reitschule heute in einer
Mitteilung. Sie solidarisiert sich mit der "Tanz dich frei"-Aktion und
schliesst deshalb am 2. Juni den Betrieb vollständig. Bereits am
11. Mai fand die erste Tanz-Demo statt. Damals nahmen rund 3000
Personen teil. An der zweiten Mini-Streetparade dürften es sogar
noch mehr werden. Auf Facebook haben bereits über 4000 Leute
für das "Strassenfest" zugesagt. Eine Bewilligung für die
Demonstration haben die Veranstalter nicht. ehi
Am 2. Juni werden Berns Strassen erneut zur Tanzfläche.
Während der unbewilligten Strassenparade "Tanz dich Frei
2.0" schliesst die Reitschule ihre Tore. Andere Betriebe sollen
dem Beispiel folgen.
Vorletzte Woche erlebte Bern die grösste Nachtdemo seit über
20 Jahren. Am Freitag in einer Woche dürfte sich wieder eine
Menschenschar tanzend durch Berns Strassen bewegen. Anonyme
Organisatoren haben zur "Tanz dich frei 2.0"- Parade
aufgerufen. Der Umzug ist bis jetzt nicht bewilligt.
Wie die Reitschüler am Mittwochmorgen mitteilen, bleiben
sämtliche Betriebe der Reitschule am 2. Juni geschlossen. "Wir
unterstützten und teilen die Ziele und Inhalte dieser
Aktion", schreiben die Verantwortlichen. Mit der Aktion soll
für eine freie Gesellschaft gekämpft werden und dies gehe nur
gemeinsam. Auch fordern sie andere Lokale auf, sich anzuschliessen und
ebenfalls zu schliessen.
Warm-Up an der Parade
Laut der Tageszeitung "Der Bund" hat die Reitschule
Mühe, weitere Klubs zu finden, die sich der Aktion anschliessen.
Das ISC, das Bonsoir und die Turnhalle werden ihre Lokalitäten
voraussichtlich nicht schliessen. Dies meist aus organisatorischen
Gründen. Auf Anfrage von Bernerzeitung.ch sagt Philippe Cornu von
Appaloozza Productions, dass auch das Bierhübeli offen sein wird.
"Für unsere Veranstaltung läuft der Vorverkauf.
Würden wir schliessen, verärgern wir die Gäste."
Doch da die Tanzparade früh anfange, stehe den
Bierhübeli-Gästen nichts im Wege, sich an der Parade
warmzutanzen, um danach im Klub weiterzumachen.
Auch der Klub "Le Ciel" beim Bollwerk wird wegen der
Tanzparade nicht schliessen. "Wir unterstützen die
Tanzparade im Grundsatz", sagt Jan Kamarys, Inhaber des "Le
Ciels". "Doch wir können es uns nicht leisten, an
einem Samstagabend unseren Klub zu schliessen."
Auf Facebook haben bereits über 4000 Personen angekündigt, an
der Tanzparade teilzunehmen. Ob seitens der Polizei spezielle
Sicherheitsvorkehrungen für die Parade getroffen werden, will die
Polizei noch nicht preisgeben. "Wir haben Kenntnis von der
Veranstaltung und werden die Situation laufend beobachten", sagt
Corinne Müller, Sprecherin der Kantonspolizei Bern.
"Mir gö z' tanz" -
Reitschule Bern unterstützt "Tanz Dich Frei" vom 2. Juni 2012
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Bern, 23. Mai 2012
Sehr geehrte Medienschaffende
Am 02. Juni 2012 findet in Bern zum
zweiten Mal das "Tanz dich Frei" statt:
"UNSER Problem ist, dass [..]
Aufwertungspolitik sich einzig und allein an den Bedürfnissen
eines kleinen, wohlhabenden Bevölkerungsteils orientiert, denn nur
Menschen mit Geld bringen die erwünschten Profite. [...] Obwohl
der Nutzen nur einigen Wenigen vorbehalten bleibt, wirkt sich diese
Politik im Alltag von uns Allen aus."
Dies schreiben die Veranstalter_innen
in ihrem Aufruf. Aufwertungspolitik betrifft uns alle, auch die
Reitschule. Mit der Verfügung des Regierungstatthalteramtes,
welche seit dem 11. Mai 2012 in Kraft ist, wird einmal mehr versucht
einen der letzten verbliebenen Freiräume in der Stadt Bern zu
"verreglementieren" und aus der Reitschule einen angepassten und
pflegeleichten "normalen"; Kultur- und Gastronomiebetrieb zu machen.
Etwas das die Reitschule niemals war und niemals sein will und wird!
Die Reitschule unterstützt und
teilt die Ziele und Inhalte dieser Aktion. Weil der Kampf für eine
freie Gesellschaft nur ein gemeinsamer sein kann, solidarisiert sich
die Reitschule auch aktiv mit dem "Tanz dich Frei" und hat beschlossen
am 2. Juni ihren Betrieb einzustellen.
Ebenso fordern wir andere
Veranstalter_innen und Gastrobetreiber_innen dazu auf, sich uns
anzuschliessen und an diesem Abend ebenfalls geschlossen zu halten.
Denn das Kulturleben kann nicht einfach in einige (verbliebene)
Institutionen verbannt werden, sondern findet in der gesamten Stadt
statt.
Am 2. Juni dürften erneut Tausende durch die Innenstadt tanzen.
Die Reitschule wird an diesem Abend nicht öffnen - und ruft auch
andere Lokale zum Streik auf.
Timo Kollbrunner
Es war ein deutliches Signal: Über 3000 Menschen zogen vor zehn
Tagen aus Protest gegen neue Auflagen für die Reitschule durch die
Innenstadt. Und am übernächsten Samstag wird wohl erneut eine
tanzende Tausendschaft die Strassen einnehmen. Anonyme Veranstalter
rufen für den 2. Juni zum Strassenfest "Tanz dich frei
2.0" auf, als "klares politisches Statement an Stadt und
Staat", die die Nutzung des öffentlichen Raums immer
stärker einschränkten. Über Facebook haben gegen 4000
Personen ihr Kommen angekündigt. Und heute wird sich auch die
Reitschule mit der Veranstaltung solidarisieren - das geht aus einem
Schreiben hervor, das dem "Bund" vorliegt. Die Reitschule
habe beschlossen, den Betrieb am 2. Juni einzustellen, um die Aktion
aktiv zu unterstützen, steht darin. Und: Die Reitschule ruft
weitere Veranstalter auf, "sich uns anzuschliessen und an diesem
Abend ebenfalls geschlossen zu halten".
Solidarität - mit Grenzen
Steht uns also ein kleiner Kulturstreik bevor? Werden weitere Lokale
der Reitschule folgen? Eine erste Umfrage lässt vermuten: eher
nicht. In der Café-Bar Turnhalle findet just an diesem Abend die
grosse Abschlussparty statt, bevor das Lokal geschlossen und umgebaut
wird. "Wir werden aber besprechen, in welcher Form wir uns
solidarisch zeigen können", sagt Co-Betriebsleiter Michael
Fankhauser. Im ISC ist die altbekannte Oldies-Disco traktandiert. "Ich
gehe davon aus, dass wir geöffnet haben", sagt
Urs Ruch vom ISC. Und im Club Bonsoir wird der amerikanische Produzent
und DJ Ali Shaheed Muhammad wohl wie geplant auftreten. "Wir
können einem internationalen Künstler nicht zehn Tage vorher
absagen", sagt Geschäftsführer Bobby Bähler. Aber
man werde sich Gedanken machen, wie man sich zur Aktion bekennen
könne. "Vielleicht werden wir den Club später
öffnen."
"Tanz dich frei 2.0" ist die Neuauflage der "Strassenparty", die im
April letzten Jahres erstmals
stattfand - damals mit ein paar Hundert Teilnehmern. Eine Bewilligung
einholen werden die Organisatoren nicht. "Wir wollen keine
behördliche Erlaubnis, um eben genau gegen deren Politik zu
demonstrieren", schreiben sie. Um 20 Uhr soll es vor der
Reitschule losgehen, "farbenfroh kostümiert, die Tanzbeine
schwingend und gut gelaunt".
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BZ 23.5.12
Forum
Absteller
Die Reitschule als Abfalldeponie?
"Bei der Berner Reitschule habe ich am Samstagmorgen Dutzende von
vollen schwarzen 100 -Liter-Abfallsäcken gesehen. Daneben stand
ein einziger Container. Ich frage mich, ob die Betreiber der Reitschule
ihre Kehrichtgebühren nicht wie jeder Bürger bezahlen
müssen. Auf den Säcken klebten jedenfalls keine Marken."
Rolf Tännler, Bern
Die Mediengruppe der Berner Reitschule schreibt dazu: "Die
Reitschule Bern verwendet tatsächlich keine Abfallmarken. Das
liegt zum einen daran, dass diese Marken in der Stadt Bern seit dem 1.
Januar 2008 abgeschafft sind. Und zum anderen daran, dass die
Reitschule - wie andere Grossbetriebe - ihre Abfallsäcke in
Containern der Müllabfuhr übergibt. Für deren Entleerung
und die Abfallentsorgung bezahlt sie die üblichen Tarife.
Containerleerungen finden an Feiertagen wie Auffahrt und Pfingstmontag
keine statt. Dank dem in der Reitschule seit 2006 existierenden
Mehrweggeschirr-Konzept konnten die Abfallmengen erheblich reduziert
werden. Das ist doch ein ‹Aufsteller›."
BERN. Auch Veranstalter sollen im Kanton Bern neu für illegale
Plakate gebüsst werden. So fordern es zwei Grossräte.
Partys, Openairs, Plattentaufen: Für zahlreiche Veranstaltungen
wird in der Stadt Bern mit illegal angebrachten Plakaten geworben.
Für die Entfernung des bunten Papiers muss die Stadt jährlich
bis zu 100 000 Franken aufwenden. Kosten, die nicht auf die
Veranstalter der beworbenen Events abgewälzt werden können:
"Bis jetzt können nur Leute gebüsst werden, die in
flagranti erwischt werden", so Grossrat Christoph Grimm
(Grüne). Gemeinsam mit Ratskollege Christian Hadorn (SVP) fordert
er, dass für illegale Plakatierung neu auch die Auftraggeber
belangt werden können. "Die grossen Reinigungskosten
wären dann nicht mehr Sache der Allgemeinheit." Ausserdem
solle die Änderung im Gesetz der Abschreckung dienen.
Thomas Baumgartner, Geschäftsführer der Berner
Promotionsfirma Passive Attack, fände eine solche Änderung
problematisch - wenn nicht gleichzeitig mehr legale Flächen
geschaffen würden: "Für die Veranstalter sind Plakate
ein unverzichtbares Medium."
Auf Plakate setzen auch die Organisatoren des Touch-the- Air-Festivals
in Wohlen. "Wir verteilen diese an Plakatierer. Wo sie dann die
einzelnen Exemplare aufhängen, liegt ausserhalb unserer
Kontrolle", so Sprecher Ferris Bühler. Eine Busse für
Veranstalter hält er deshalb für unangebracht.
Im ersten Teil der Aarbergergasse-Reportage von TeleBärn wird die
Schattenseite des Nachtlebens in der pulsierenden Ausgehmeile
aufgezeigt: Handgreiflichkeiten sorgen regelmässig für
Schlagzeilen.
Die Berner Aarbergergasse weist drei Gesichter auf: Sie ist eine
Flaniermeile mit Strassencafés und mediterranem Flair, manchmal
eine raue Ausgehmeile, wo an einigen Wochenenden Gewalt vorherrscht,
oder aber eine Kulturstrasse, wo Ausgehfreudige und Tanzwütige auf
ihre Kosten kommen - egal, welche musikalischen Vorlieben sie haben.
"Hier treffen vier total verschiedene Interessengruppen
aufeinander", sagt etwa Marc Hofweber vom DJ-Kollektiv Round
Table Knights. Dies bringt Probleme mit sich - macht die Gasse aber
auch aus.
Im ersten Teil der Aarbergergasse-Reportage zeigt TeleBärn die
Schattenseite des Nachtlebens. Ausserdem werden die beiden Restaurants
"Moléson" und "Casa Marcello" näher
vorgestellt. Im Moléson wird edel getafelt, im Casa Marcello
wird der Umsatz hingegen grösstenteils mit Bierausschank generiert.
chh
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bernerzeitung.ch 22.5.12
Die Aarbergergasse - Berns umstrittene Ausgehmeile
So beliebt, so farbig, so umstritten. Berns Ausgehmeile wird in den
Wochenendnächten jeweils zur Hauptschlagader der Stadt.
TeleBärn widmet Berns Partygasse eine mehrteilige Dokumentation.
Im ersten Teil der Aarbergergasse-Reportage von
TeleBärn wird die Schattenseite des Nachtlebens in der
pulsierenden Ausgehmeile aufgezeigt: Handgreiflichkeiten sorgen
regelmässig für Schlagzeilen.
Über kaum eine Berner Gasse wird mehr diskutiert
als über die
Aarbergergasse. Hier treffen verschiedenste Interessen, Kulturen und
Charaktere auf engstem Raum aufeinander.
TeleBärn hat die Geschehnisse in der Gasse über mehrere Tage
und Nächte hinweg dokumentiert. Die vierteilige
Aarbergergasse-Doku wird von Dienstag bis Freitag jeweils ab 18.15 Uhr
im Stundentakt im Rahmen der Sendung "Info" auf
TeleBärn ausgestrahlt. Am darauffolgenden Tag werden die
jeweiligen Folgen ab 9 Uhr auf www.bernerzeitung.ch abrufbar sein.
Von Benedikt Sartorius am Dienstag,
den 22. Mai 2012, um 13:47 Uhr
In einer wöchentlichen Jugendzeitschrifts-Rubrik
namens "Partytipps Berlin" fand sich unter den sogenannten "Dos" der
Punkt: "Club Mate trinken". Man darf
beruhigen: Für diese Tätigkeit muss unsereiner nun wirklich
nicht nach Berlin fliegen.
Club Mate
beinhaltet in grossen Dosen Koffein, weckt angenehm auf,
übersüsst nicht und wirkt höchstens ein bisschen
austrocknend. Diese güldene Brause, die ich gerne schon vor einem
Jahr gekannt hätte und den Übernamen "Hackerbrause"
trägt, trinkt man hierzulande
vorzüglicherweise in den Gastrobetrieben der Reitschule.
Dieses Angebot wird nicht nur bei wieso auch immer
Abstinenten rege benutzt: Musiker zügeln ganze Harassen des
kohlensäurenhaltigen Eistees in den Backstack-Bereich, auf der
Bühne dient die wiederverschliessbare Halbliter-Flasche als
Schnaps-Ersatz und für den einfachen Konsumenten zuweilen auch als
bester Freund in langen Nächten, ehe wieder die
Getränke-Palette gewechselt wird.
Und auch ich stieg als
Hinterletzter auf den neuesten komischen Getränke-Trendzug um trank
unverzüglich.
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BZ 22.5.12
Hauptsache Bern
Bern will die absolute Stille
Adrian Iten ist
Geschäftsführer und Teilhaber von Adriano's
Bar & Café in Bern.
Als ich als Bremgärterler die
Stadt entdeckte, gab es für die
Jungen die Tanzdiele und den Gaskessel. Am Samstagabend. Und dazwischen
gab es nichts. Bern hat sich in der Zwischenzeit gemacht, ein bisschen.
Ein breites Angebot an Kultur und Ausgangsmöglichkeiten ist
seither entstanden. Schön für Bern, noch schöner
für die Jungen in Bern.
Die Dampfzentrale wurde von der
Jugendbewegung aus dem
Dornröschenschlaf erweckt, und nach vielen geworfenen
Pflastersteinen wurde die Reitschule ein AJZ, ein autonomes
Jugendzentrum. Für die einen der Schandfleck von Bern, für
die (wählende) Mehrheit eine Institution, die dringend nötig
ist, und ein Ort der Erinnerungen der verschiedensten Art.
Die Jugend wurde nicht angepasst und
dröge, wie allgemein
getrauert wurde. Die Jugend hatte ihren Platz gefunden, wo sie feiern,
tanzen und kiffen konnte, ohne dass der Polizist ihr auf die Finger
schlug. Die "Kämpfe" der Achtzigerjahre waren
erfolgreich, und die Stadt Bern hatte Ruhe.
Aber Bern ist nicht zufrieden. Bern
will noch mehr Ruhe. Kein
unerlaubtes Flaschen-in-den-Container-Werfen nach 20 Uhr, kein Grillen
im Garten nach 22 Uhr, kein lautes Biertrinken vor den Clubs nach 0.30
Uhr. Das sind ja noch die lustigen Verbote. Aber auch kein
Minimalsttönchen vom Club nebenan. Töne, die für mich
schon jenseits der Wahrnehmung liegen würden. Bern will die
Stille. Die absolute Stille.
Denn Lärm macht krank. Das
wissen wir, seit wir den Lärm
messen können. Lärm macht aggressiv. Ich flippe nach einem
Konzert regelmässig aus und schlage alle Leute um mich tot. Waren
Sie schon einmal im Süden? So in Griechenland oder der
Türkei? Ist Ihnen aufgefallen, wie krank dort alle aussehen?
Unheimlich. Weil das öffentliche Leben in diesen Ländern
sicher doppelt so laut abläuft wie bei uns.
Darum haben wir ein Umweltgesetz, und
das schreibt vor, dass wir alle
in der Stille leben sollen. In der Länggasse haben sie in unserer
Wohnung damals Schallschutzlüftungen eingebaut. Dafür mussten
grosse Kernbohrungen gemacht werden. Hirnrissig!
Und jetzt kommt der Statthalter und
beschliesst, dass die
Betreiberinnen und Betreiber der Reitschule ab 0.30 Uhr die Leute auf
dem Vorplatz, einem öffentlich zugänglichen Platz, wegweisen
müssen. Denn auch sie machen Lärm unter der
Eisenbahnbrücke, eingeklemmt von drei Strassen. Da muss einer mit
dem Richtstrahlmikrofon den Lärm gesucht haben.
Ich habe die Schnauze mittlerweile
dermassen voll, dass ich etwas
machen muss, um nicht krank zu werden. Ich habe mich ein paar Leuten
angeschlossen, die mit dem Stillediktat der Stadt Bern nicht
einverstanden sind. Ich habe es in dieser Kolumne schon öfters
geschrieben: Wer in der Stadt lebt, darf nicht die Idylle von Spyris
Heidi erwarten. Lieber Alex und Kollegen, nehmt endlich eure Pflicht
wahr und stellt ein Konzept für das Berner Nachtleben auf die
Beine. Und zwar nicht zwischen dem Wankdorfstadion und dem Schermenweg.
Sondern im Zentrum. Sonst habt ihr bald ähnliche Probleme wie der
Albisetti selig.
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Bund 22.5.12
Dütschlers Deutungen
Lerch und der Balkon
Markus Dütschler
Sex sells, heisst es. Deshalb
fängt auch diese Kolumne damit an.
Vielleicht kennen Sie die Anekdote vom Zweijährigen, der den Satz
aufschnappt: "Two guys are fu..ing on the balcony." Der
Kleine hat ein Verständnisproblem und erkundigt sich: "What
is a balcony?" Daran musste ich denken, als mein Kind in der
Stadt fragte: "Was isch Lerch?" Ich schaute umher, um den
Auslöser der Frage zu suchen - und fand einen Kleber mit der
Aufschrift: "Fi.. di Lerch!" Als wäre das nicht genug,
stach mir eine weitere Botschaft ins Auge. Sie besagte sinngemäss:
"Reklamationen an XY-Strasse 00, Bern." Im
Internet-Zeitalter bedurfte es keiner Minute, um festzustellen, dass es
die Privatadresse von Regierungsstatthalter Christoph Lerch ist. Er
selbst ist zwar nicht im Telefonbuch eingetragen, aber seine Frau. Und
weil in einem demokratischen Staat kaum etwas geheim ist, sondern das
meiste daliegt wie ein offenes Buch oder eine Google-Trefferliste, ist
es auch für böse Buben eine Fingerübung, ihren Feind zu
enttarnen: den Regierungsstatthalter.
Er hat sich erfrecht, ihrer geliebten
Reitschule Einschränkungen
aufzuerlegen: Die lärmigen Saufereien auf dem Vorplatz
müssten nachts unterbunden werden. Natürlich hatte sich der
Jurist anders ausgedrückt: sachlich, fachlich, rechtlich. Weil er
kein Hardliner ist, keine Saftwurzel, kein Haudrauf und kein
berechnender Politiker, sondern eher ein abwägender Zauderer, gab
es - einmal mehr - Interpretationsspielraum. Was bedeutet die Auflage
konkret? Muss die Reitschule Leute wegweisen? Oder darf sie ihnen in
der Nacht lediglich keinen Alkohol mehr verkaufen? Lerch, immerhin ein
SP-Mann, integer, fein gesponnen, der Kunst zugetan, verhedderte sich
ungeschickt zwischen den Positionen und Interpretationen. Eigentlich
sollte zwischen ihn und die Stadtberner RGM-Regierung kein Blatt Papier
passen, doch schien es, als verstünde die Stadt den Entscheid
anders als er. Zweifellos muss Lerch einen Teil des
Kommunikationsdesasters auf seine Kappe nehmen. Andrerseits hätte
der rot-grün dominierte Gemeinderat, allen voran
Stadtpräsident Alexander Tschäppät (SP) und
Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP), die Sache nicht so bequem auf den
Regierungsstatthalter abschieben dürfen, um so im Wahljahr Distanz
zum heiklen Thema zu markieren (Leitartikel im gestrigen "Bund").
Absolut unentschuldbar aber sind die
Ausfälligkeiten eines Teils
der Reitschul-Klientel, der sich wie ein niederträchtiges Pack
aufführt. Selber operiert man vor unbewilligten Demonstrationen
gern im Schutz anonymer Komitees und fällt Entscheide in
geschlossenen Hinterzimmerversammlungen. Subventionen aus der Hand des
Schweinestaates nimmt man gern entgegen. Aber wenn sich dieser Staat
traut, Regeln anzumahnen, deren Einhaltung für alle andern eine
Selbstverständlichkeit ist, gibt es Zoff. Das Foulspiel auf Lerch,
der als Berufsmann nur seinen Job erledigt, ist widerlich und muss
sofort aufhören.
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BZ 22.5.12
Schliesst das Bonsoir?
Nachtleben · Der
preisgekrönte Club Bonsoir würde wohl schliessen,
falls eine Verfügung des Regierungsstatthalters nicht sistiert
wird.
Die Betreiber des Clubs Bonsoir
warten auf den Donnerstag. Dann
erhalten sie von Regierungsstatthalter Christoph Lerch (SP) eine
Verfügung, wie Bonsoir-Geschäftsführer Rolf Bähler
bestätigt. Was
drinstehe, wisse er noch nicht. Möglich seien eine
Einschränkung der
Öffnungszeiten, eine Reduktion der Lautstärke auf 80 Dezibel
oder
verordnete bauliche Massnahmen. Auslöser der Verfügung ist
die
Lärmklage eines Anwohners, der mittlerweile weggezogen ist. Dieses
Szenario muss aber nicht eintreffen. Bähler erachtet es als
"wahrscheinlich", dass die Verfügung sistiert wird. "Da der
Anwohner
weggezogen ist, haben wir seit einem Jahr keine Lärmklagen mehr
erhalten", sagt er. Zudem verfüge Regierungsstatthalter Lerch
über
einen Ermessensspielraum - er könne die Interessen abwägen.
"Und wenn
die Person, die sich gestört fühlte, weggezogen ist,
überwiegt doch
klar unser Interesse." Falls es keine Sistierung geben sollte, plant
Rolf Bähler, gegen die Verfügung Beschwerde einzureichen. Der
mehrfach
preisgekrönte Club würde schliessen, falls der Betrieb
eingeschränkt
werden müsste. "Eine Lärmgrenze von 80 Dezibel oder eine
Verkürzung der
Öffnungszeiten wären so grosse Wettbewerbsnachteile, dass der
Club
nicht mehr führbar wäre." jek/Newsnet
---
bernerzeitung.ch 21.5.12
"Wird der Betrieb eingeschränkt,
müssen wir schliessen"
Jessica King
Regierungsstatthalter Christoph Lerch
wird am Donnerstag dem Club
Bonsoir eine Verfügung übergeben. Möglicherweise wird
diese sistiert.
Falls nicht, droht der preisgekrönte Club mit der Schliessung.
Die Betreiber des Clubs Bonsoir
warten ungeduldig auf den Donnerstag.
Dann erhalten sie nämlich von Regierungsstatthalter Christoph
Lerch
(SP) eine Verfügung, wie Bonsoir-Geschäftsführer Rolf
Bähler auf
Anfrage bestätigt. Was drin stehe, wisse er noch nicht.
Möglich seien
aber beispielsweise eine Einschränkung der Öffnungszeiten,
eine
Reduktion der Lautstärke auf 80 Dezibel oder verordnete bauliche
Massnahmen. Auslöser der Verfügung ist die Lärmklage
eines Anwohners,
der mittlerweile weggezogen ist.
Wahrscheinlich wird Verfügung
sistiert
Dieses Szenario müsste aber
nicht eintreffen. Bähler erachtet es
nämlich als "wahrscheinlich", dass die Verfügung sistiert
wird. "Da der
Anwohner weggezogen ist, haben wir seit einem Jahr keine
Lärmklagen
mehr erhalten", sagt er. Zudem verfüge Regierungsstatthalter Lerch
über
einen Ermessensspielraum - er könne die verschiedenen Interessen
abwägen. "Und wenn die Person, die sich gestört fühlte,
weggezogen ist,
überwiegt doch klar unser Interesse."
Falls es keine Sistierung geben
sollte, plant Rolf Bähler, gegen die
Verfügung Beschwerde einzureichen. Der mehrfach preisgekrönte
Club
("Best Specialized Club", Swiss Nightlife Award) würde
nämlich
schliessen, falls der Betrieb eingeschränkt werden müsste.
"Eine
Lärmgrenze von 80 Dezibel oder eine Verkürzung der
Öffnungszeiten wären
so grosse Wettbewerbsnachteile, dass der Club nicht mehr führbar
wäre",
betont Bähler.
Die Entwicklung verpasst
Die Verfügung hat Rolf
Bähler sehen kommen. "Aus meiner Sicht haben die
Behörden die Entwicklung der letzten zehn Jahre verpasst", sagt
er. So
würden Städte immer belebter, dazu komme es immer mehr zur
24-Stunden-Gesellschaft. Das Ausgehverhalten habe sich ebenfalls
verändert: "Ein Club muss heutzutage bis um 4.30 oder 5 Uhr
morgens
geöffnet sein", so Bähler. Es könne nicht sein, dass
Clubs und
Gastrobetriebe trotz dieser Entwicklung keine Rechtssicherheit
hätten.
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kulturstattbern.derbund.ch 21.5.12
Kulturbeutel 21/12
Von Gisela Feuz am Montag, den 21. Mai 2012, um 05:02 Uhr
(...)
Herr Sartorius empfiehlt:
Lunch-Kino mit Wes Andersons "Moonrise Kingdom", der ab
Donnerstag dann auch regulär im Programm zu sehen ist. Die
Fan-Presse war schon zweimal dort und wird dann auf diesem Kanal
genauer berichten. Weiter gehts am Freitag mit einer alten
Garage-Soul-Legende: Andre Williams aus Detroit macht im Thuner Mokka
halt und grüsst zu seinem 75. Geburi. Zurück in Bern,
stolpern Sie im Anschluss dann in den Dachstock, um mit Theo
Parrish weiter in die Geschichte
der Motor City einzudringen - oder
Sie prüfen im Bonsoir, ob Geezer Mike Skinner, besser bekannt als
ehemaliger The Streets, auch über einige Skills an den
Plattentellern verfügt.
---
BZ 21.5.12
Der ewige zivile Ungehorsam aus Theben
Antigone · Regisseur Michael
Oberer inszeniert Sophokles
Antigone als Performance mit Tanz- und Klangelementen. Starke
Charaktere agieren in einer eigenwilligen Bühnenarchitektur und
vermögen uns die universell gültige Geschichte eines
Aufstandes in heutiger Form zu erzählen.
Ein Sandhügel,
Ölfässer, der Ansatz einer Mauer und ein
Graffito an der Wand. Die von Multimediakünstler Giro Annen
geschaffene Bühne ist ein regelrechter Spielplatz. Gespielt wird
"Antigone", die Sage rund um einen missglückten
Aufstand. Sophokles' Tragödie, die um 442 v. Christus
uraufgeführt wurde, ist ein Stoff, der nichts an Dringlichkeit und
Aktualität eingebüsst hat.
Erzählt wird vom zivilem
Ungehorsam einer mutigen Heldin. Antigone
stellt ihr eigenes Gewissen über das Gesetz, als sie beschliesst
ihren Bruder würdig zu begraben. Dieser wird von König Kreon
als Vaterlandsverräter angesehen und soll deshalb keine Bestattung
erhalten. Ein Bote sieht Antigone beim Ausführen der Totenrituale,
verrät sie und bringt sie zu Kreon. Dieser lässt die
Verräterin lebendig begraben. Doch wie es sich für eine
griechische Tragödie gehört, ist sie nicht die Einzige, die
am Ende sterben muss.
Gothische Geister
Wie man das viel gespielte Stück
texttreu und doch heutig
inszenieren kann, zeigt das Tojo Theater auf eindrückliche Art und
Weise. Unter Regie von Michael Oberer mutieren Sophokles' Figuren zu
niemals ruhenden Geistern, die ihre Geschichte in einem Loop
erzählen. Diese "Antigone" ist mehr Performance als
Theater und bezieht alle Sinne mit ein. Klangkünstlerin Margrit
Rieben sorgt mit unheilvollen Percussions für einen stimmigen
Soundteppich. Die Schauspieler und Schauspielerinnen werden
gegeneinander handgreiflich, lassen sich über den Boden schleifen
oder krümmen sich vom Schmerz gebeutelt zusammen. Der Choreograf
Marcel Leemann hat die Truppe bei diesem physisch herausfordernden
Spiel unterstützt.
So kämpft Antigone (Julia
Maurer) als sublim schöner
Racheengel im gothischen Kostüm gegen Kreon (Marcus Signer) nicht
nur mit Worten, sondern auch mit eindrücklichen Gesten.
Schliesslich lässt sie sich wie eine leblose Puppe von ihm auf den
Sandhügel mitten auf der Bühne werfen. Sie akzeptiert ihr
Todesurteil, nicht aber Kreons Gesetz. Dieser Fatalismus macht den
Machthaber umso wütender. Erst als sein eigener Sohn (Simon
Derksen) und seine während des ganzen Stücks unter einem
Trauerschleier sitzende Frau (Patricia Bornhauser) sterben, stirbt auch
sein Grössenwahn. Er steckt wortwörtlich den Kopf in den Sand.
Starke Sinnbilder
Giro Annens Bühne lässt
starke Sinnbilder und Bezüge zur
Jetztzeit zu. Der Sandhügel ist gleichzeitig Grab, Olymp oder -
wenn man so will - bis heute heiss umkämpfter Tempelberg im nahen
Osten. Die Ölfässer deuten an, dass hier eigentlich mehr um
Ressourcen, denn um Ehre gekämpft wird. Das Graffito mit dem
Schriftzug Obey kann als Anspielung auf die rebellierende Jugend
gelesen werden. Antigone gehorcht nicht - und bezahlt dafür mit
dem Tod. Helen Lagger
Diese "Antigone" ist mehr Performance
als Theater und
bezieht alle Sinne mit ein.
Kommende Vorstellungen: Di, 22. , Mi,
23., Fr 25., und Sa, 26. Mai, im
Tojo Theater, Reitschule Bern. www.tojo.ch.
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Bund 21.5.12
Leitartikel
Dass er als Sündenbock für
die Reitschul-Massnahmen herhalten
muss, dafür kann der Statthalter wenig. Dass er sich nicht heraus
manövrieren kann, daran ist er selber schuld.
Statthalter Lerch hat sich
selber geschadet
Simon Jäggi
Das Verhalten von
Regierungsstatthalter Christoph Lerch (SP) nahm
letzten Freitag kuriose Züge an. Am Morgen verschickte er
gemeinsam mit dem Stadtberner Gemeinderat eine Medienmitteilung - mit
zwei Kernaussagen. Erstens: Die Wegweisungspflicht ist vom Tisch.
Zweitens: Im Dossier Reitschule gibt es zwischen Gemeinderat und
Regierungsstatthalter keine inhaltlichen Differenzen. Am selben Tag
aber wechselte Lerch im umstrittensten Punkt - in der Frage der
Wegweisungspflicht - zweimal seine Meinung. Am Nachmittag sagte er, die
Wegweisungspflicht bleibe bestehen. Am Abend erklärte er - wie der
Gemeinderat -, sie sei vom Tisch. Um 23 Uhr schrieb er seine Antwort in
der entscheidenden Frage im "Bund"-Interview nochmals um -
und wich von der gemeinsamen Position ab. Zum zweiten Mal innerhalb von
acht Tagen versuchten die Behörden am Freitag Klarheit zu
schaffen. Zum zweiten Mal stifteten sie Konfusion.
Was gilt denn jetzt eigentlich? In
der Verfügung, die noch immer
Gültigkeit hat, steht schwarz auf weiss: "Gäste, die
Getränke nach 0.30 Uhr im Freien (inkl. Innenhof) konsumieren,
sind wegzuweisen." Bereits vorletzte Woche präzisierte Lerch
den Satz. Gemeint sei lediglich, dass die Reitschule ihre Gäste
nach der Polizeistunde ins Innere komplementieren solle. Letztlich eine
Wortklauberei: Man kann den Begriff "wegweisen" auch mit "auffordern,
ins Innere zu gehen" ersetzen. Es ändert
nichts an der Tatsache, dass die Wegweisungspflicht de facto weiterhin
besteht. Theoretisch gilt also: Die Reitschüler müssten nach
dem Zapfenstreich die manchmal 500 bis 1000 Besucher auf dem Vorplatz
kontrollieren. Wer ein Bier aus der Reitschule in der Hand hält
und damit "Gast" ist, müsste ins Innere gehen; wer aus
einer im Bahnhof gekauften Bierdose trinkt, dürfte sitzen bleiben.
Der Gemeinderat hat eingesehen, dass dieses absurde Szenario nicht
umgesetzt werden kann. Stand der Dinge ist: Die Verfügung gilt,
der Gemeinderat wird sie aber im Punkt der Wegweisungspflicht nicht
umsetzen.
Kommunikatorischer Eiertanz
Dass Lerch am Freitag einen
derartigen Zickzackkurs gefahren ist, hat
wohl damit zu tun, dass er in einem politisch-juristischen Dilemma
steckt: Hätte er die Wegweisungspflicht fallen gelassen, wäre
er auf die Linie des Gemeinderats eingespurt - die Behörden
hätten also endlich die erwünschte geschlossene Front
gebildet. Damit hätte der Statthalter aber seiner eigenen
Verfügung (die von der Reitschule juristisch auch noch angefochten
wird) widersprochen und diese konsequenterweise zurückziehen
müssen. Daher wohl Lerchs kommunikatorischer Eiertanz.
Seit letztem Freitag ist der Fall
Vorplatz endgültig auch zum Fall
Lerch geworden. Und daran ist der Statthalter inzwischen selber schuld.
Mit Betonung auf inzwischen. Dass es überhaupt zu diesem
Trauerspiel gekommen ist, daran trägt der Stadtberner Gemeinderat
eine grosse Mitverantwortung. Seit Mitte letzten Jahres besteht zur
Reitschule eine Behördenkoordination. Anfang 2012 hat sich der
Gemeinderat aber ausgeklinkt. Die Begründung ist entlarvend: Im
Wahljahr will sich niemand exponieren. Die beiden zuständigen
Gemeinderäte - Stadtpräsident Alexander Tschäppät
(SP) und Polizeidirektor Reto Nause (CVP) - haben Lerch vorgeschickt
und sind in Deckung gegangen.
Aus heutiger Sicht kann man
feststellen: Hätte es eine
Pressekonferenz gegeben, an der Statthalteramt und Gemeinderat die
Massnahmen und deren Umsetzung gemeinsam erklärt hätten,
wäre es nie zu der jetzt herrschenden Konfusion gekommen. Die
Behörden hätten sich auch im Detail abstimmen müssen.
Und der Unmut der 3000 Personen, die vorletzte Woche an der Nachtdemo
teilgenommen haben, hätte sich nicht gegen Lerch alleine
gerichtet. Lerch ist von Amtes wegen in die Rolle des Sündenbock
gerutscht.
Heikelster Punkt unterschlagen
Der Statthalter hätte aber
mehrere Möglichkeiten gehabt, sich
aus dieser Position zu manövrieren - es gelang ihm mehrmals nicht.
Nachdem Lerch die vorgesehenen Zwangsmassnahmen kommuniziert hatte,
schrieb diese Zeitung, dass die Reitschule "Besucher"
wegweisen müsse. Wie Lerch richtig entgegnet, ist dadurch der
falsche Eindruck entstanden, dass die Reitschule alle Personen, die
sich nach 0.30 Uhr auf dem Vorplatz befinden, fortschicken muss. Dazu
muss man aber auch festhalten: 1. Lerch hat den umstrittensten Punkt in
seiner ersten Medienmitteilung schlicht unterschlagen. 2. Auf Anfrage
hat er die Möglichkeiten nicht wahrgenommen, präzise zu
formulieren, was Sache ist. Und obwohl der Aufschrei gross war,
schaffte Lerch die Unklarheit in den folgenden Tagen nicht aus der
Welt. Es folgten die grösste Reitschule-Demo seit den
Achtzigerjahren und die zwei kläglich gescheiterten Versuche von
Gemeinderat und Regierungsstatthalter, die Widersprüche zu
klären.
Glaubwürdigkeit hat gelitten
Ein Regierungsstatthalter muss
Entscheide fällen, die von grosser
Tragweite sind. Er muss schwierige Entscheide aus einer starken
Position fällen können, seine Glaubwürdigkeit ist daher
ein hohes Gut. Christoph Lerch hat seine Position selber untergraben -
und damit auch der Glaubwürdigkeit seines Amtes geschadet.