Seeds of Precarity - November 2022


  Spielfilm von Mohammad Rasoulof, Iran, 2017, OV/d, 117 Minuten

A man of integrity



Rasoulof zögert nicht: Von den ersten Bildern an macht er spürbar, dass in der beschaulichen Region, in der er seinen Film angesiedelt hat, ein Drama schlummert. Reza bekommt von einem Bankangestellten erklärt, wie er die Regeln umgehen kann und seine Schulden nicht zurückzahlen muss. Man kann sich den Mut vorstellen, den es für die gesamte Filmequipe braucht, sich in ein Projekt zu stürzen, das so brennend aktuelle und heisse Themen anspricht wie die Korruption im Land. Auch hier in der iranischen Provinz, die so friedlich ausschaut, während jeder seine Spiele treibt –zum schieren Überleben. Der Direktheit, in der Mohammad Rasoulof erzählt und Dinge anspricht, die anzusprechen tabu sind, gebührt Respekt; die visuelle Kraft und die packende Erzählung tragen 6dazu bei, dass der Film auch weltweit wahrgenommen wird. Der Filmemacher begnügt sich nicht mit der Beschreibung eines sozio-politischen Zustands. Seine Figuren wirken real, aus dem Leben gegriffen und im Leben kämpfend. Im Fall von Reza und seiner Frau: um die schiere Würde. Wie können sie reagieren und sich verteidigen angesichts der Angriffe, denen sie ausgesetzt sind?

Zu Rasoulofs Kunst gehört es, die privaten Konflikte mit den ökonomischen in Beziehung zu setzen. So wird A Man of Integrity auch zu einem Genrefilm voller Suspense, in dem die Figuren ums Überleben kämpfen. Die Erzählung wird getragen von naturalistischen Bildern und einer ultra-minimalistischen Tonspur, die mit den Geräuschen der Natur arbeitet und uns die Chance gibt, uns auf das Geschehen einzulassen. Es ist ein Film, der tief verwurzelt ist im iranischen Leben, der aber gleichzeitig eine universelle Reflexion entwickelt, indem er fragt: Wie weit kann ein Mensch seine Integrität behalten, wenn er gegen ein korruptes System antreten muss?