MEDIENSPIEGEL 29.6.10
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)

Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Kulturtipps (Tojo)
- Reitschule bietet mehr: Erich und die Subventions-Millionen
- Police BE: YB absorbiert
- Antifa BE: Royal Aces Tattoo-Bar: Tätowierer unter dem Hakenkreuz
- Stadtratssitzung 1.7.10: Bundesterrasse, Nachtleben, Demorecht
- RaBe-Info 29.6.10
- Bleiberechts-Camp Kleine Schanze; Demo gegen Ausgrenzung + Rassismus
- Ausschaffungen: BfM-Reise nach Nigeria; Ausschaffungstod durch Herzfehler; Sonderflüge
- Narrenkraut: BDP Stadt BE will legalsieren
- Drogen: ältere Drogentote, Junge mit Speedpillen; Koks aus Peru
- 30 Jahre Züri brännt: Alfred Gilgen schaut zurück; neues Buch
- 1968: Jimi Hendrix in ZH
- Reclaim Uster
- Homohass: Beenie Man in Genf
- Rael Seke: gegen Hakenkreuz-Verbot
- Pnos BS: Eglin tritt zurück
- Sempach: Feier-Debatte; JSVP-Motzerei; farbiges Denkmal
- G8/G20: Schallkanonen gegen Demo; Gipfelsoli 26.6.10

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REITSCHULE
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Mi 30.06.10
11.30 Uhr - SousLePont - WM-Beiz im Hof
20.00 Uhr - Kino - Südafrika jenseits des WM-Taumels: Vortrag zur Geschichte der Apartheid
20.30 Uhr - Tojo - "Die Dällebach-Macher" Das Musical zum Musical von/mit: Pascal Nater, Michael Glatthard

Do 01.07.10
11.30 Uhr - SousLePont - WM-Beiz im Hof
20.30 Uhr - Tojo - "Die Dällebach-Macher" Das Musical zum Musical von/mit: Pascal Nater, Michael Glatthard
20.30 Uhr - Kino - Südafrika jenseits des WM-Taumels: Amandla! A Revolution in Four Part Harmony, Südafrika 2002

Fr 02.07.10
11.30 Uhr - SousLePont - WM-Beiz im Hof

Sa 03.07.10
11.30 Uhr - SousLePont - WM-Beiz im Hof
22.30 Uhr - Innenhof - Eugene Chadbourne (USA) - solo: "Soccer-Punch: Dr. Chadbournes Take on Football"

So 04.07.10
9.00 Uhr - Grosse Halle - Flohmarkt und Brunch im SousLePont
11.30 Uhr - SousLePont - WM-Beiz im Hof
19.00 Uhr - Tojo - "Die Dällebach-Macher" Das Musical zum Musical von/mit: Pascal Nater, Michael Glatthard

Infos:
http://www.reitschule.ch
http://www.reitschulebietetmehr.ch

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kulturagenda.be 1.7.10

Das Musical "Die Dällebach-Macher" im Tojo

Der Dällebach Kari gehört zu den grossen Figuren der Berner Geschichte, ist längst zum Mythos geworden, verkörpert von Karl Lüönd, besungen von Mani Matter. Da hat jeder seine eigene Auslegung der Geschichte. Um die verschiedenen Versionen geht es in diesem Zwei-Mann-Musical - und ein bisschen um den Neid, nicht auf der grossen Bühne der Thuner Seespiele zu stehen.
Tojo, Bern. Do., 1.7., Mo., 5.7., 20.30 Uhr, und So., 4.7., 19 Uhr

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REITSCHULE BIETET MEHR
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Blick am Abend 25.6.10

"Reitschule ist kein Kloster"

 ABSTIMMUNG

 Erich J. Hess wetzt die Klingen: Das Volk werde hintergangen, die Reitschule müsse weg.

 Jean-claude.galli @ringier.ch

 Das Verdikt war deutlich: Nach dem Gemeinderat sprach sich gestern auch der Stadtrat nach langer Debatte gegen die Reitschul-Abschaffungsinitiative der Rechtsbürgerlichen aus - mit 53 zu 13 Stimmen. Initiant Erich J. Hess (SVP) musste dabei harte Kritik einstecken. Conradin Conzetti (GFL) etwa sprach von einer "Ignorierung des Volkswillens". Und auch Stadtpräsident Alex Tschäppät (SP) setzte sich für die Reitschule ein: "Etwas Gutes hat die Initiative: DieBernerinnen und Berner können einmal mehr sagen, was sie von der Reitschule halten."

 Erich J. Hess will sich aber nicht unterkriegen lassen. "Wir werden einen aktiven Abstimmungskampf betreiben", sagt er zu Blick am Abend. Kritik übt er vor allem an ider Abstimmungsbotschaft der Stadt. "Die tatsächlichen Realitäten werden ausgeblendet, die Reitschule wird als Kloster dargestellt. Kein negatives Wort, nur Schönfärberei. Hier wird eindeutig das Volk hintergegangen." Im Hinblick auf die Abstimmung vom 26. September sieht sich Hess stark benachteiligt. "Wir haben ganz klar die kürzeren Spiesse. Ich finde es schlichtweg eine Sauerei, dass der Abstimmungskampf aus Steuergeldern finanziert wird." Gemäss seiner Darstellung fliesst ein Teil der Reitschul-Subventionen ins Budget der Initiativ-Gegner.

 Den Entscheid des Stadtrats will Hess nicht zu hoch bewerten. "Es hat sich schon oft gezeigt, dass der Rat nicht die Volksmeinung repräsentiert. Was er aber eigentlich sollte." Die SVP will erst nach den Sommerferien intensiv Werbung für ihren Standpunktbetreiben, vor allem mit Flyern und Plakaten. "Die Chancen für einen Sieg an der Urne sind intakt. Und wir haben mit der Initiative immerhin schon erreicht, dass es zurzeit keine unliebsamen Vorfälle in und um die Reithalle gibt."

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POLICE BE
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BZ 26.6.10

Sicherheit

 Polizeipräsenz leidet wegen YB-Spielen

 Wegen Einsätzen rund um das Stade de Suisse musste die Polizei ihre Präsenz in der Innenstadt reduzieren. Für die FDP ein Affront.

 600 Polizisten mussten am 16. Mai rund um die Finalissima zwischen YB und dem FC Basel "ran". Im Grossen Rat musste Polizeidirektor Hans-Jürg Käser (FDP) danach die Frage beantworten, was solche Einsätze den Kanton kosten. Seine Antwort: nichts - dies werde kompensiert etwa durch geringere Polizeipräsenz in den Stadtzentren (wir berichteten).

 Eine ähnliche Aussage findet sich im Jahresbericht 2009 der Stadt: Die rund um die Fussballspiele "zusätzlich geleisteten Stunden gingen zulasten der ordentlichen Präsenz". Tatsächlich wurden im letzten Jahr mit 63 400 Stunden rund 1600 Stunden weniger Präsenzstunden geleistet als budgetiert. Gegenüber 2008 sank die Präsenz gar um 8000 Stunden.

 "Volk will mehr Präsenz"

 Dies stört FDP-Stadt- und -Grossrat Philippe Müller: "Das ist nicht im Sinne der Stadtberner Bevölkerung." Die Stimmberechtigten hätten sich im März für mehr uniformierte Präsenz in der Innenstadt ausgesprochen, sagt der Vorkämpfer für mehr Polizeipräsenz in Bern. Er hat darum eine Interpellation im Stadtrat eingereicht. "Für die 28 Millionen Franken, welche die Stadt aktuell dem Kanton bezahlt, darf sie verlangen, dass sie die budgetierten 65 000 Präsenzstunden auch wirklich erhält - und nicht weniger."

 Müller argumentiert, dass 2007 beim Verhandeln des Ressourcenvertrags zwischen Stadt und Kanton ganz klar gewesen sei, dass Grossereignisse nicht durch die ordentliche Polizeipräsenz abzudecken seien: "Die Vorgaben betreffend die sichtbare, uniformierte Polizeipräsenz beziehen sich nicht auf Kundgebungen oder andere Einzelereignisse", steht denn auch im Factsheet des Gemeinderats zum Ressourcenvertrag.

 Zu wenig Polizisten

 Die Polizeistunden an den Matches würden nicht der Präsenz angerechnet, beruhigt Martin Albrecht, Generalsekretär der städtischen Sicherheitsdirektion. Käsers Aussage habe seines Erachtens einen anderen Hintergrund: "Dass die Sportevents die Präsenz reduziert haben, ist keine Frage der Finanzierung oder Steuerung, sondern eine der personellen Ressourcen - die Polizisten konnten schlicht nicht überall sein."

 Er erinnert daran, dass 2006 bis 2008 mehr Präsenz geleistet wurde als budgetiert: "Das gleicht sich über die Jahre aus." Im Übrigen sei für 2010 mit 72 000 Stunden deutlich mehr Präsenz budgetiert. "Damit diese von der Polizei auch wirklich geleistet werden kann, müssen wir um die Stadien Gegensteuer geben", sagt Albrecht. Die Stadt habe darum mit YB und SCB letzten Herbst ein Massnahmenpaket erarbeitet.

 Adrian Zurbriggen

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ANTIFA BE
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Indymedia 29.6.10
http://ch.indymedia.org/de/2010/06/76572.shtml (mit Fotos)

"Royal Aces Tattoo-Bar" neu mit Hakenkreuz-Tätowierer ::

AutorIn : Antifa Bern         
    
Seit dem 25. Juni 2010 verfügt die rechtsextreme "Royal Aces Tattoo-Bar" in Burgdorf über ein Tattoo-Studio - ein Angebot, das es in sich hat: Der Tätowierer Christian Riegel präsentiert sich auf Facebook als Bilderbuch-Neonazi.

Medienmitteilung der Antifa Bern

Seit dem 25. Juni 2010 verfügt die rechtsextreme "Royal Aces Tattoo-Bar" in Burgdorf über ein Tattoo-Studio - ein Angebot, das es in sich hat: Der Tätowierer Christian Riegel präsentiert sich auf Facebook als Bilderbuch-Neonazi.

Christian Riegels Facebook-Profil spricht Klartext: Der 30-Jährige ist gut vernetzt in der rechtsextremen Szene. Unter seinen 105 Facebook-Freunden finden sich gestandene Naziaktivisten wie Adrian Segessenmann (Avalon-Gemeinschaft), Michael Herrmann (Partei National Orientierter Schweizer PNOS) oder Alex Rohrbach (Gitarrist der Rechtsrock-Band "Indiziert"). Bei "Politischer Einstellung" in der Rubrik "Info" prangt ein Hakenkreuz.

Der Blick in Riegels Facebook-Fotoalben dürfte den letzten Zweifler/die letzte Zweiflerin überzeugen: Christian Riegel zeigt sich als Waffennarr und posiert mit einem Kameraden vor einer Hakenkreuzfahne. Seine Brust ziert ein frisch gestochenes Hakenkreuz-Tattoo samt Revolver. Auf weiteren Fotos sind Riegel als Tätowierer und das Logo der Crew 38, des internen Unterstützungsnetzwerks der Hammerskin-Nation, zu sehen.

Die besonders delikaten Fotos hat Christian Riegel mittlerweile aus seinem Facebook-Profil entfernt. Mit gutem Grund: Die "Royal Aces Tattoo-Bar" will sich den Anschein einer Normalo-Bar geben und befindet sich medial in der Defensive.

Kein Raum für Nazis! Die "Royal Aces Tattoo-Bar" dichtmachen!

Antifa Bern

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STADTRAT
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Stadtratssitzung (Traktanden)
Donnerstag, 01. Juli 2010 17.00 Uhr und 20.30 Uhr
Sitzungssaal im Rathaus

NEUE LISTE____Die Stadtratssitzungen sind öffentlich zugänglich (Besuchertribüne)

Traktanden

(...)
 
16.     Postulat Fraktion SP/JUSO (Gisela Vollmer, SP): Bundesterrasse in der Nacht schliessen? (SUE: Nause) 09.000331
http://www.bern.ch/stadtrat/sitzungen/termine/2010/09.000331/gdbDownload

17.     Interpellation Manuel C. Widmer (GFL), Claude Grosjean (GLP), Martin Schneider (parteilos), Simon Glauser (SVP), Henri-Charles Beuchat (CVP), Bernhard Eicher (JF): Schluss mit lustig? Wie stellt sich die Stadt dazu, dass das Regierungsstatthalteramt das Nachtleben in der Hauptstadt abzuwürgen versucht? (SUE: Nause) 09.000344
http://www.bern.ch/stadtrat/sitzungen/termine/2010/09.000344/gdbDownload

(...)
 
21. Interpellation Luzius Theiler (GPB-DA): Zur Einschränkungen der Meinungsäusserungsfreiheit vor der iranischen Botschaft (SUE: Nause) 09.000404
http://www.bern.ch/stadtrat/sitzungen/termine/2010/09.000404/gdbDownload

22. Interpellation Fraktion GB/JA! (Hasim Sancar, GB): Recht auf Protest wird durch Police Bern verletzt! (SUE: Nause)     09.000405
http://www.bern.ch/stadtrat/sitzungen/termine/2010/09.000405/gdbDownload

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RABE-INFO
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Di. 29. Juni 2010
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_info_29._Juni_2010.mp3
- Sans- Papiers- Camp: bis Freitag bewilligt
http://www.bleiberecht.ch/
- Kirchliche Gassenarbeit: Auftrag unbequem zu sein
http://www.gassenarbeit-bern.ch/
- Musical zum Musical: Theaterproduktion hinterfragt Theaterproduktion
http://www.reitschule.ch/reitschule/tojo/tojo_progdetail.shtml#dalle

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Mo. 28. Juni 2010
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_info_28._Juni_2010.mp3
- Für eine Regularisierung der Sans- Papiers: Protestcamp auf der kleinen Schanze
http://www.bleiberecht.ch/
- Für eine andere Drogenpolitik: Viktor Gorgé und sein Einsatz für Veränderung
http://www.gassenarbeit-bern.ch/

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BLEIBERECHT
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bleiberecht.ch 29.6.10

Kollektive Regularisierung jetzt - Demo heute!

Treffpunkt: Mittwoch, 30. Juni 2010, 14.30 Uhr, Sans-Papiers-Camp (Kleine Schanze, Bern)

Wir nehmen die unmenschliche Schweizer Asyl- und Migrationspolitik nicht länger widerstandslos hin. Deshalb besetzen wir seit letzten Samstag die kleine Schanze in Bern.

Jetzt rufen wir zu einer grossen Demonstration auf.

Wir gehen zum Bundesamt gegen Migration und besuchen die verantwortliche Bundesrätin Evelyne Widmer-Schlumpf.

Alle zur Demo!

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bleiberecht.ch 29.6.10

Kleine Schanze: Aktualisiertes Programm

Vorbeikommen (Lageplan) | Solidaritätserklärung

Bild: Video "Papierlose Besetzung" von A-Films

Dienstag, 29. Juni 2010
Keine Apartheids-Justiz! Schluss mit der Kriminalisierung von MigrantInnen!

12h30 Vollversammlung

15h Heiner Busch, Solidarité sans frontières (www.sosf.ch):
2x NEIN zur Apartheids-Justiz! - Workshop zur Ausschaffungsinitiative und zum Gegenvorschlag

18h Vokü/Abendessen

20h Konzert von Liedermacher Niels van der Waerden, Zürich
Mittwoch, 30. Juni 2010
Nieder mit der Festung Europa!

10h30 Vollversammlung

13h Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und Migrantinnen, München (http://carava.net/): Europäische Grenzschutzagentur Frontex - Aufrüstung an den Rändern Europas

15h Protestspaziergang zum Bundesamt gegen Migration in Wabern/BE: Briefübergabe mit unseren Forderung

18h Vokü/Abendessen

20h Mischa Wyss, Mundartchansonier, Bern

2130h Kurzfilme aus dem Videoworkshop der Autonomen Schule Zürich
Donnerstag, 1. Juli 2010
Wir haben eine Stimme und werden immer lauter!

10h30 Vollversammlung

14h Deutschkurs auf dem Bundesplatz

16h30 Diskussion mit VertreterInnen von alternativen Bildungsprojekten:
- Planet 13, Basel (http://www.planet13.ch)
- Autonome Schule Zürich, Verein Bildung für alle (http://alles-fuer-alle.jimdo.com)
- Denkmal, Bern (http://www.denk-mal.info/)

17h30 Diskussion mit Dario Lopreno (vpod Genf):
Was heisst denn hier Integration?

18h Vokü/Abendessen

19h30 Christophe Tafelmacher (SOS Asile Vaud und Solidarité sans Frontières): Humanitäre Regularisierungen in der Schweiz - kollektive Kämpfe und individuelle Fallbearbeitung (Härtefallregelung)

21h Konzert mit Son de Corazon, Mexico/Zürich/Bern

22h Live-Schaltung ins Theaterhaus Gessnerallee Zürich zu " Wir retten Zürich - Eine Evakuierung "

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Bund 29.6.10

Sans-Papiers bleiben auf der Kleinen Schanze

 Die Stadt Bern toleriert das Zeltlager der Aktivisten bis am kommenden Freitag.

 Timo Kollbrunner

 Die Sans-Papiers und ihre Unterstützer, die seit vergangenem Samstag als "Bleiberecht-Kollektiv" die Kleine Schanze in Bern besetzt halten, haben sich mit dem bernischen Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP) geeinigt: Am kommenden Freitag wollen sie den Platz im Stadtzentrum aus freien Stücken verlassen - bis dahin werden sie geduldet. Ein erstes Ultimatum hatten die Aktivisten gestern nicht befolgt.

 Sollten die Aktivisten die Kleine Schanze nicht wie vereinbart verlassen, werde die Stadt "die Aktion beenden", machte Nause klar. Von einer Räumung am Montag habe man abgesehen, weil das Camp bisher friedlich verlaufen sei. Die Aktivisten bezeichneten die Einigung als "ersten Erfolg" und kündeten an, das Verlassen der Kleinen Schanze bedeute nicht, "dass damit die Aktion beendet sein wird". Von Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf verlangen sie, zu ihrer Forderung Stellung zu beziehen - einer "kollektiven Regularisierung" aller Menschen, die ohne legalen Status in der Schweiz leben. (tik) - Seite 21

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Sans-Papiers bleiben bis am Freitag

 Die Aktivisten, die in Bern die Kleine Schanze besetzt halten, werden von der Stadt noch bis am Freitagmorgen geduldet. Vom Bund verlangen sie eine Reaktion auf ihre Forderungen.

 Timo Kollbrunner

 Sadou Bah zieht seinen Kopf ein und presst die Arme an den Körper. So sei er Sicherheitsdirektor Reto Nause (siehe Interview rechts) gegenübergestanden, erzählt der Mann aus Guinea. Mit zwei weiteren Aktivisten des "Bleiberecht-Kollektivs" hatte sich Bah kurz zuvor zum Büro des bernischen Sicherheitsdirektors begeben, um mit diesem zu verhandeln - darüber, wie es weitergehen soll mit dem Zeltdorf auf der Kleinen Schanze, das am Samstag im Anschluss an eine Demonstration gegen die schweizerische Asylpolitik aufgebaut wurde. Er habe "nicht sehr viel" gesagt, erzählt Bah, "ich hatte etwas Angst".

 Sadou Bah hat Gründe, vorsichtig zu sein. Vor siebeneinhalb Jahren kam er in die Schweiz, sein Asylgesuch wurde abgewiesen. Er ist "ein Kriminalisierter", wie er und seine Mitstreiter sagen würden, für bürgerliche Kreise ist er "ein Illegaler". Jederzeit könnte er aus dem Land gewiesen werden - doch Bah mag sich nicht mehr verstecken. "Wenn sie mich wollen, kriegen sie mich auch", sagt er, da könne er sich gleich offen für das Anliegen der Sans-Papiers einsetzen.

 Sans-Papiers wagen sich nicht

 Sadou Bah ist eine Ausnahme. Die Allermeisten, die sich in der Schweiz ohne legalen Status aufhalten, bleiben aufgrund der permanenten Angst, entdeckt zu werden, lieber im Verborgenen. Eine der Hauptsorgen der Aktivsten ist es deshalb, ob sie die Betroffenen überhaupt dazu bringen, sich auf der Kleinen Schanze zu zeigen - ihre unterirdischen Zivilschutzanlagen zu verlassen, um die Bevölkerung mit ihrer Anwesenheit zu konfrontieren. "Sie zu überzeugen, ist nicht einfach", sagt Bah. So sind es mindestens ebenso viele Einheimische wie "Illegalisierte", die hier campen, Wasserpfeife rauchen oder Bücher lesen.

 Sie geben an diesem Montagnachmittag insgesamt ein beschauliches, farbiges Bild ab, das nur aufgrund all der Transparente als politisch erkannt wird. "Das Camp stört unseren Tagesablauf in keiner Weise", sagt auch Dominic Gilgen, stellvertretender Geschäftsführer des Restaurants Kleine Schanze, während seine Gäste wenige Meter neben den bunten Zelten der Aktivisten ihre Sommermenüs geniessen.

 Plötzlich kommt allerdings etwas Hektik auf - der Grund liegt in einem unerwarteten Besuch: Alard du Bois-Reymond, der Direktor des Bundesamtes für Migration, ist aufgetaucht. Für einige hier ist er wohl geradezu die Personifizierung ihres Feindbildes - spätestens, seit er sich pauschalisierend über die Kriminalität von Nigerianern geäussert hat. Sofort scharen sich Journalisten um ihn, filmen seine Unterredung mit einigen Aktivisten. "Der will sich nur präsentieren", sagt jemand, "es ist Zufall, dass jetzt Kameras da sind", beteuert derweil du Bois-Reymond. Er habe sich lediglich ein Bild machen wollen, wer hinter dieser Aktion stehe. Nicht mit ihm wollten sie sprechen, sondern mit seiner "Chefin" Eveline Widmer-Schlumpf, wird dem Besucher beschieden. Er verspricht, es auszurichten, und ist bald wieder weg.

 "Ein erster Erfolg"

 Nach der Unterredung von Bah und seinen Mitstreitern mit Nause wird im Plenum besprochen, wie man sich nun verhalten will. Die Organisatoren befinden sich in einem Dilemma: Einerseits möchten sie nicht versprechen, am Freitag abzuziehen, ohne ein Zugeständnis in der Sache zu erhalten. Für ihr Anliegen - eine "kollektive Regularisierung" aller Menschen ohne legalen Status - ist jedoch nicht die Stadt Bern, sondern der Schweizer Staat zuständig. "Wenn wir versprechen, am Freitag zu gehen, können wir bis dahin in Ruhe weitermachen", sagt eine junge Frau. Man müsse sich auch bewusst sein, dass es bereits ein grosser Erfolg sei, auf einem solch zentralen Platz eine ganze Woche sein Anliegen vertreten zu können, erinnert eine andere. "Aber am Freitag ist nicht einfach fertig", warnt ein Mann, dessen dürre Konstitution durch einen Blick auf das Schild, das er um den Hals trägt, als keineswegs anlagebedingt erkannt wird: "Hungerstreik" steht darauf geschrieben.

 Schliesslich entscheidet sich das Kollektiv, folgendermassen zu kommunizieren: Man verspricht, die Kleine Schanze am Freitag zu verlassen, was aber nicht heisse, dass damit die Aktion beendet sei. Die Einigung mit der Stadt Bern sei "ein erster Erfolg". Ihre Forderungen aber richteten sich an die Bundesbehörden. Bundesrätin Widmer-Schlumpf wird aufgefordert, persönlich zu diesen Stellung zu nehmen.

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 Räumung oder Solidarität?

 Die illegale Besetzung der Kleinen Schanze stösst bei den Parteien auf unterschiedliches Echo. Das Grüne Bündnis der Stadt Bern etwa solidarisiert sich mit der Bewegung der Sans-Papiers. Zudem verlangt die Partei, dass auf nationaler Ebene nach politischen Lösungen gesucht wird. Auch die Grüne Partei der Schweiz unterstützt die Aktion. "Die friedliche Besetzung der Kleinen Schanze leistet einen Beitrag zur Debatte über diese Mitmenschen, die in der Schweiz in der Illegalität leben müssen", schreibt sie in einer Mitteilung.

 Die SVP der Stadt Bern dagegen fordert die sofortige Räumung der Kleinen Schanze. Zudem will sie, dass die sich auf dem Platz befindenden Personen durch die Polizei kontrolliert werden. Die Kosten der Räumung seien allen beteiligten Personen und Organisationen in Rechnung zu stellen. Die Partei nimmt die Besetzung als Anlass, ihrem Unmut über den Gemeinderat Luft zu machen. Ähnlich argumentiert die Vereinigung Bern Aktiv, die ebenfalls die Räumung fordert. Sie befürchtet, Bern könnte seinen "Ruf des politischen Berns" aufs Spiel setzen. (reh)

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"Die Stadt kommt sehr weit entgegen"

 Herr Nause, Sie hatten den Aktivisten bis gestern Montag Zeit gegeben, die Kleine Schanze zu verlassen. Nun haben Sie ihr Ultimatum auf den Freitag verschoben. Wieso haben Sie nachgegeben?

 Es waren zähe Verhandlungen. Eine unnötige Eskalation wollten wir auf keinen Fall riskieren. Für die Stadt ist diese Frist am Rande des Vertretbaren. Die Aktivisten haben sich verpflichtet, die Kleine Schanze bis spätestens am Freitagmorgen um 10 Uhr zu verlassen. Sie haben versichert, die Nachtruhe einzuhalten und ihren Abfall zu beseitigen. Nun erwarte ich, dass sie sich auch daran halten.

 Die Aktivisten haben die erste Frist verstreichen lassen, dennoch gewähren Sie ihnen vier weitere Tage. Wieso?

 In der Tat wurde hier ein Präzedenzfall geschaffen. Die Stadt ist den Aktivisten sehr, sehr weit entgegengekommen. Für mich stand im Vordergrund, einen gemeinsamen Weg zu finden, damit der Park so rasch als möglich wieder der Bevölkerung übergeben werden kann. Wir haben von Beginn an eine deeskalative Strategie verfolgt. Der Hauptgrund, warum wir von einer Räumung am Montag abgesehen haben, ist, dass die Aktion bisher friedlich verläuft - rein aufgrund von Sicherheitsbedenken war eine Räumung nicht angezeigt.

 War es für Sie ein schwieriger Entscheid, das Ultimatum zu verlängern? Und wird der Entscheid vom Gesamtgemeinderat mitgetragen?

 Ich habe diesen Entscheid mit Zähneknirschen gefällt. Ich habe meine Kollegen telefonisch informiert, die Verhandlungen mit einer Delegation der Aktivisten habe ich selbst geführt. Ich hoffe einfach, dass am Freitagmorgen nun wirklich Schluss ist.

 Welche Reaktionen auf die Verlängerung des Ultimatums erwarten Sie von bürgerlicher Seite her?

 Eine Vorstossflut.

 Und was geschieht, wenn die Aktivisten am Freitagmorgen die Kleine Schanze nicht verlassen?

 Eine dritte Frist wird es nicht geben. In diesem Fall müsste die Stadt die Aktion beenden. (tik)

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BZ 29.6.10

Zeltlager nicht geräumt

 Das Camp der Sans-Papiers kann bis am Freitag auf der Kleinen Schanze bleiben. Die Stadt bietet Hand zu einem Kompromiss.

 Eigentlich hätten sie gestern Morgen abziehen sollen, doch am Nachmittag drangen die auf der Kleinen Schanze campierenden Sans-Papiers mit ihrem Vorschlag durch: Sie dürfen bis am Freitag um 10 Uhr bleiben. Für den Berner Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP) ist das an der "Schmerzgrenze". Bis jetzt sei das Camp aber friedlich. FDP und SVP fordern trotzdem die sofortige Räumung. Die SVP foppte, es sei beschämend, wie sich die Regierung von illegalen Aktionen übertölpeln lasse. Das Camp wird derweil für den Austausch genutzt. Sadou Bah und Mohammad Moradi erzählen von ihrem Los als Unerwünschte.
 hae/cab

 Seite 23

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Sans-Papiers auf der Kleinen Schanze

 "Prekäre Zustände legalisieren"

 Seit Sonntag besetzt ein Kollektiv die Kleine Schanze und fordert ein Bleiberecht für abgewiesene Flüchtlinge und Sans- Papiers. Zwei Betroffene erzählen, warum sie sich mitten in der Stadt mit ihrer Botschaft exponieren.

 "Regularisieren heisst Menschenwürde verleihen", sagt Sadou Bah, ein Papierloser aus dem westafrikanischen Guinea. Er engagiert sich seit dessen Anfängen 2007 im Bleiberecht-Kollektiv, das seit Sonntag einen Teil der Kleinen Schanze besetzt. Auf Flugblättern und Transparenten fordert das Kollektiv ein Bleiberecht für abgewiesene Flüchtlinge und die geschätzten 100 000 Sans-Papiers in der Schweiz.

 Sadou Bah lebt seit über sieben Jahren in der Schweiz. Er erzählt in sorgfältig gewählten Worten. "Viele Sans-Papiers leben in grosser Angst und werden immer unsicherer." Es sei schwierig, solche Menschen für Aktionen zu mobilisieren. Selber mag er sich nicht verstecken. Er schöpfe den Mut dazu aus ständiger Beschäftigung. Ob bei der Zürcher Asylkoordination, für Hilfswerke oder in der Autonomen Schule Zürich: "Es fühlt sich so gut an, etwas Sinnvolles zu machen."

 Besuch vom Chefbeamten

 Die Aktivisten der Bleiberecht-Kollektive würden lieber mit Inland- als mit Lokaljournalisten sprechen. Das Gerangel (siehe Kasten rechts) um die Kleine Schanze ist für sie ein Nebenschauplatz. Ihre Forderungen betreffen die Asyl- und Migrationspolitik, besetzt wird nicht zufällig neben dem Bundeshaus.

 Plötzlich steht Alard du Bois-Reymond, der Direktor des Bundesamtes für Migration (BFM), in der Zeltstadt. Besetzer und Medien umringen ihn, ein Aktivist wirft ihm vor, mit Ausschaffungen Menschen in den Tod zu schicken. Du Bois-Reymond gibt sich auf Deutsch und Französisch eloquent, bis eine Aktivistin unterbricht. Er sei nicht der richtige Ansprechpartner, sagt sie: "Wir wollen mit Frau Bundesrätin Widmer-Schlumpf reden." Er richte es aus, wisse aber nicht, ob die Ministerin am Dienstag Zeit habe, entgegnet der Direktor. Bevor er geht, sagt er in Fernseh- und Radiomikrofone: "Die Forderungen der Aktivisten sind natürlich emotional. Aber unsere Politik ist richtig."

 Verfügung immer dabei

 Ein Produkt dieser Politik ist das Stück Papier, das Mohammad Moradi immer auf sich trägt: Die Zwischenverfügung des Bundesverwaltungsgerichts vom November 2007 bescheinigt, dass in seinem Fall Wiedererwägung geprüft und er bis zum Abschluss des Verfahrens nicht ausgeschafft werde. Das akkurat gefaltete Dokument fällt nächstens auseinander. Doch im Gegensatz zu Sans-Papiers hat er damit etwas vorzuweisen, "wenn mich die Polizei wegen meiner Hautfarbe anhält".

 Mohammad Moradi flüchtete aus politischen Gründen von Afghanistan nach Europa, erzählt er. Den schweizerischen Behörden habe er schriftlich belegt, dass ihm bei einer Rückkehr nach Afghanistan lebenslange Haft drohe. "Ich bin ein normaler Mensch, ich will bloss leben wie ein normaler Mensch", sagt er. Stattdessen würden Leute wie er in teils unterirdische Unterkünfte gepfercht. Vom Staat erhalten Mohammad Moradi und Sadou Bah Fr. 8.50 Nothilfe pro Tag, abgegeben als Migros-Gutscheine. Sadou Bah: "Ohne das Netz aus politischen Gruppen und Einzelpersonen könnten wir nicht leben."

 Von politischer Seite solidarisieren sich das Grüne Bündnis der Stadt Bern und der Gewerkschaftsbund der Stadt Bern und Umgebung mit den Bleiberecht-Kollektiven. Laut Gewerkschaftsbund finde ein grosser Teil der Sans-Papiers Arbeit unter prekären Verhältnissen und ohne jede Rechte. Es sei nämlich nicht so, dass nur gut qualifizierte Ausländer in diesem Land gebraucht werden.

 Vollversammlung bespricht

 Schliesslich treffen sich die Anwesenden, rund 60 Flüchtlinge und Aktivisten, zur Vollversammlung. Thema ist das Angebot der Stadt, bis am Freitagvormittag bleiben zu können. "Lehnen wir dieses Angebot ab, lässt die Stadt räumen. Wann und wie dies geschehen würde, hat Reto Nause nicht gesagt", berichtet eine Aktivistin aus der Verhandlung mit dem städtischen Sicherheitsdirektor. Die Voten gerinnen schliesslich zu einer einheitlichen Position: Es sei ein Erfolg, neben dem Bundeshaus eine Woche lang auf die Forderungen aufmerksam machen zu können. Und: "Wir bleiben bis Freitag, dann gehen wir." Sei die Besetzung bis Freitag gesichert, wolle man weitere Betroffene zum Mitmachen motivieren. Ob die Besetzung am Freitag an anderer Stelle weitergeführt werde, liessen die Aktivisten offen.

Christoph Hämmann

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Bund gegen Kantone

 Selbst Sans-Papiers haben AHV-Ausweise

 Sans-Papiers, die arbeiten, haben oft AHV-Ausweise. Dass Illegale tätig sind, wissen die kantonalen Migrationsbehörden nicht.

 "Es ist mir bekannt, dass es in gewissen Kantonen einen AHV-Ausweis für Sans-Papiers gibt", sagte Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf im März vor dem Nationalrat. Und sie machte klar, dass sie dies nicht mehr tolerieren werde. Einfach wird die Forderung der Justizministerin nicht umzusetzen sein. Simone Thür, Juristin beim Bundesamt für Sozialversicherungen, sagte gegenüber dem "Tages-Anzeiger", die Verfassung verbiete es, dass die AHV-Stellen den Migrationsbehörden Daten zu Sans-Papiers aushändigten.

 Bleibt die Frage: Gehört auch der Kanton Bern zu jenen von Widmer-Schlumpf erwähnten Kantonen? "Wahrscheinlich ist, dass es im Kanton Bern Sans-Papiers mit AHV-Ausweis gibt, doch haben wir keinen zuverlässigen Filter, um diese Personen zu identifizieren. Die Fragen, welche wir den Versicherten stellen müssen und dürfen, beinhalten keine Frage nach dem ausländerrechtlichen Status", betont Andreas Leuenberger, stellvertretender Leiter der Abteilung Beiträge und Zulagen der Ausgleichskasse des Kantons Bern. Die Ausgleichskasse habe weder die Kompetenz noch den Datenzugriff. An diesem Zustand werde sich mindestens so lange nichts ändern, "als uns die Politik nicht die nötigen gesetzlichen Grundlagen dazu gibt". Für Leuenberger ist es eine Gratwanderung zwischen Datenschutz und effizienter Zusammenarbeit staatlicher Stellen.

 Schwieriger Auftrag

 Florian Düblin, Vorsteher des Migrationsdienstes des Kantons Bern, sieht sich folglich "ein wenig in the eye of hurricane". Obwohl er und seine Leute dafür sorgen müssten, dass sich im Kanton Bern keine illegal anwesenden Personen aufhalten würden, seien alle anderen staatlichen Stellen, die mit diesen Leuten zu tun hätten, nicht befugt, "uns dies mitzuteilen".
 ue

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 Kompromiss

 Camp ist erst am Freitag weg

 Das Ultimatum von gestern Morgen, das Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP) gestellt hatte, liessen die Aktivisten auf der Kleinen Schanze ungenutzt verstreichen. Um 15 Uhr sassen die beiden Parteien erneut zusammen. Laut Nause einigte man sich darauf, das Camp bis am Freitag um 10 Uhr aufzulösen, sofern Auflagen eingehalten werden: Das Camp muss friedlich verlaufen, die Nachtruhe und die öffentliche Ordnung müssen eingehalten und der Abfall entsorgt werden. Nause ist zuversichtlich: "Das Angebot stammt von den Aktivisten selber." Laut Nause steht der Gesamtgemeinderat hinter der Abmachung, es sei aber auch klar, dass sie an der "Schmerzgrenze" des Tolerierbaren liege.

 Sadou Bah vom Besetzerkollektiv begrüsste die friedliche Lösung. Man werde das Programm nun wie geplant bis am Donnerstag durchziehen. Störungen von dritter Seite befürchtet er nicht: "Passanten bringen uns viel Verständnis entgegen."

 FDP und SVP forderten gestern in kernigen Mitteilungen, das Protestcamp sei unverzüglich aufzulösen. Falls dies auf dem Verhandlungsweg nicht möglich sei, so halt mit Hilfe der Polizei. Die SVP erinnerte daran, dass die Aktion illegal sei. Deshalb seien die anwesenden Personen zu kontrollieren. Wer sich widerrechtlich in der Schweiz aufhalte, müsse den Behörden überstellt werden.

 Nause entgegnete: "Bisher sind nur vereinzelt Lärmklagen eingegangen, und die Sicherheit war gewährleistet. Die Aktivisten stellten unter Beweis, dass sie einen friedlichen Verlauf wollen." Zu den Polizeikontrollen meint er nur: "Wir kontrollieren wenn nötig und angezeigt überall in der Stadt."
 cab

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20 Minuten 29.6.10

Kompromiss im Protestcamp

 BERN. Die Protestcamper auf der Kleinen Schanze müssen ihre Zelte erst am Freitag abbrechen. "Mit diesem Entscheid sind wir den Besetzern bis zur Schmerzgrenze entgegengekommen", sagt der Berner Sicherheitsdirektor Reto Nause. "Dafür haben wir nun Gewähr, dass es zu einem friedlichen Ende kommt." Die Besetzer müssen sich an Auflagen halten und haben versprochen, den Park am Freitag in einwandfreiem Zustand zu hinterlassen. Inzwischen halten noch rund 100 Protestcamper die Stellung. Die Organisatoren unterstützen Sans-Papiers, die es sich sonst nicht leisten könnten, nach Bern zu reisen, mit einem Wegbatzen. Während links-grüne Parteien die Besetzung gutheissen, ärgern sich die Bürgerlichen. Der "Brätli-Plausch" verhöhne den Rechtsstaat, so die FDP: "Der Gemeinderat muss durchgreifen. Notfalls mit einer Räumung."  MAr

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La Liberté 29.6.10

Les sans-papiers occupent Berne

 immigration - A deux pas du Palais fédéral, le parc de la Kleine Schanze est occupé depuis ce week-end. But: la régularisation collective des sans-papiers. Le retour à l'ordre est fixé à vendredi.

 Magalie Goumaz

 Une bonne vingtaine de tentes de camping, du linge qui pend au soleil, une cuisine à ciel ouvert et au milieu de ce décor estival, quelques dizaines de personnes qui organisent la suite de l'occupation du parc de la Kleine Schanze, à quelques mètres du Palais fédéral, entamée samedi par les collectifs de sans-papiers.

 "Nous vous proposons de rester jusqu'à vendredi puis de poursuivre notre action ailleurs", lance un participant. "C'est important pour l'avenir du mouvement que l'action soit un succès, que les sans-papiers n'aient pas peur de nous rejoindre. Des articles spectaculaires sur une évacuation par la police ne nous serviront à rien", lance un autre. "Qui veut m'aider à ranger le soir?", lance la cuisinière. "Qui a vu mon caleçon de bain?", interroge ce jeune. A l'issue du vote, le verdict est clair: le collectif veut rester jusqu'à vendredi. Dans la foulée, le municipal bernois Reto Nause, en charge de la sécurité, annonce qu'il va faire preuve de tolérance (lire ci-contre).

 Première à Berne

 C'est la première fois que la ville de Berne est confrontée à une action de cette ampleur pour demander la régularisation des sans-papiers. Très présent en Suisse romande, le mouvement s'étend, mais change également d'échelle. Car ce ne sont pas les autorités bernoises qui sont prises à partie, mais les autorités fédérales. L'Office fédéral des migrations (ODM) a toujours refusé d'entrer en matière sur une solution collective et prône le cas par cas.

 Présent hier sur place, le président des Verts, Ueli Leuenberger, estime que cette politique est une "hypocrisie". "Il faut voir les choses en face. Aujourd'hui, si un sans-papiers est arrêté et renvoyé dans son pays, il est immédiatement remplacé par un autre car une partie de notre économie, dont la restauration ou l'hôtellerie, ne fonctionne pas sans eux." Jusque-là, Berne n'a jamais voulu entendre parler d'un quelconque critère qui permettrait de régulariser une partie au moins des concernés, par exemple ceux qui ont un emploi et paie leurs cotisations sociales.

 Renflouer les rangs

 Hier, le parti des Verts a officiellement exprimé son soutien à l'occupation de la Kleine Schanze qui permet de nationaliser la problé- matique. Ueli Leuenberger rappelle qu'à Genève, le mouvement est né au début des années 80. Une cinquantaine d'organisations, dont des Eglises, le soutiennent. "Elles ne sont pas toutes actives, sauf lorsqu'il le faut. Lors de notre dernière assemblée, il y avait cinq cents personnes dans la salle!"

 En ira-t-il de même à Berne? Hier, le mouvement semblait plus porté par des sympathisants que des concernés. Mais dès aujourd'hui, des transports ont été organisés depuis Lausanne, Bienne et Lucerne pour renflouer les rangs.

 Arielle, d'origine camerounaise, était assistante de direction et parle français et anglais. Elle est venue depuis Lausanne avec des membres de sa famille. Mais pas avec son fils. Il étudie et fréquente la deuxième année du gymnase. "Nous sommes depuis dix ans en Suisse. Si je m'étais mariée, j'aurais pu rester et aujourd'hui, je serais Suissesse. Mais je n'ai pas voulu faire ce choix", explique-t-elle. Doit-elle être punie? L'interrogation se lit dans son regard et elle annonce qu'elle fera des allers-retours toute la semaine pour porter la cause. "Ce n'est pas le moment d'avoir peur!", assure-t-elle, déterminée.

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 TROIS QUESTIONS À...

 Reto Nause, ville de Berne

 > Reto Nause est directeur de la sécurité de la ville de Berne, qui privilégie une politique de dialogue et de "désescalade".

 Vous avez autorisé l'occupation du parc jusqu'à vendredi. Avez-vous posé des conditions?

 Oui et plusieurs. La police veille mais les personnes présentes doivent aussi assurer la sécurité du lieu. Ensuite, j'ai demandé à ce qu'on respecte le voisinage. C'est-à-dire que j'ai interdit les concerts et je ne veux pas de tapage nocturne. Enfin, le parc doit rester propre. Ils ont déjà installé des toilettes et se chargeront également des déchets. Vendredi à 10 heures, je me rendrai sur place avec une délégation pour vérifier que tout soit en ordre. Si, entre-temps, on constate des débordements, on interviendra, mais j'espère que ce ne sera pas nécessaire. Tout ira bien si ça continue comme ça...

 Ne craignez-vous pas des débordements non pas des participants à cette occupation, mais provoqués par d'autres groupuscules?

 Le risque existe toujours, mais pour l'instant, nous privilégions une stratégie de dialogue et de "désescalade". L'évacuation reste une alternative en cas de nécessité, mais je constate que les organisateurs sont ouverts au dialogue. Ce sont eux qui sont venus vers moi pour m'informer qu'ils quitteraient les lieux vendredi matin. Pour ma part, je leur ai dit qu'il n'y aurait pas de nouveau délai.

 Vous êtes PDC. Y-a-t-il des dissensions sur la politique à mener au sein de la majorité rose-verte de la ville?

 Non. J'ai eu des contacts avec mes collègues et nous sommes d'accord sur la stratégie à adopter. C'est la première fois que la ville de Berne est confrontée à un mouvement des sans-papiers de cette ampleur. Mais il s'agit d'un problème national et en tant que capitale fédérale, on se doit d'être neutre et tolérant dans la mesure où la sécurité et l'utilisation du parc sont respectées.

 Propos recueillis

 par Magalie Goumaz

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bernaktuell.ch 28.6.10

Pressemitteilung vom 28. Juni 2010

Die Vereinigung BernAktiv fordert sie sofortige Räumung der Kleinen Schanze von Sans-Papiers und Linksextremisten.

Die Bundesstadt muss solch illegalen Aktionen unmittelbar neben dem Bundeshaus künftig von Beginn an Paroli bieten. Bern riskiert ansonsten, den Ruf des politischen Berns schweizweit auf Spiel zu setzen.
Wer sich illegal in der Schweiz aufhält und keine Steuern zahlt, hat keinerlei Anspruch auf staatliche Leistungen oder gar die Anspruchnahme von Schweizer Terrain.
Die Vereinigung BernAktiv fordert zudem die Stadtbehörden auf, allfällige Reinigungs- und Wiederherstellungskosten konsequent den Besetzern in Rechnung zu stellen. Es darf nicht sein, dass dafür auch noch die Berner Steuerzahlenden aufkommen sollen.

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Indymedia 28.6.10

Bern: Video zur papierlosen Besetzung ::

AutorIn : a-films: http://a-films.blogspot.com     

Am 26. Juni haben rund 300 MigrantInnen und UnterstützerInnen in Bern die "kleine Schanze", einen Park nahe des Bundeshauses, besetzt. Sie protestieren damit gegen die unmenschliche Asyl- und Migrationspolitik der Schweiz und verlangen die kollektive Regularisierung aller hiesigen Sans-Papiers.
    
Im Unterschied zu anderen europäischen Staaten lehnt die Schweiz eine Regularisierung der schätzungsweise 100.000-200.000 Papierlosen im Land ab. Durch eine extrem harsche und restriktive Asyl- und Migrationspolitik versucht sich die Schweiz für MigrantInnen möglichst 'unattraktiv' zu machen und glaubt sich so vor ihnen 'schützen' zu können.

Der 8-minütige Kurzfilm gibt einen kurzen Einblick in die Besetzungsaktion. MigrantInnen und UnterstützerInnen äussern sich zu ihren Anliegen und Forderungen.
Der Kurzdoku kann hier angeschaut und/oder heruntergeladen werden:
 http://a-films.blogspot.com/2010/06/10jun28de.html

Das autonome Medienkollektiv 'a-films' dokumentiert seit eineinhalb Jahren den politischen Kampf von MigrantInnen in der Schweiz. Die Gruppe hat zahlreiche Reportagen und Kurzfilme veröffentlicht, welche auf ihrer Website verfügbar sind:
http://a-films.blogspot.com/2009/03/150309de.html

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tagesschau.sf.tv 28.6.10

Protestcamp gegen Schweizer Asyl-Politik

Über hundert Sans-Papiers und weitere Schweizer Sympathisanten campieren in der Nähe des Bundeshauses. Sie protestieren damit gegen die Asyl-Politik der Schweiz.
http://videoportal.sf.tv/video?id=c118c4c5-ff60-44c2-97ba-1b3e6d9a8252

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Schweiz aktuell 28.6.10

Protestcamp der Sans Papiers

Über 100 Sans-Papiers und Schweizer Sympathisanten setzen ihr Protestcamp auf der Kleinen Schanze in Bern fort. Die Kleine Schanze war am Samstag nach einer Kundgebung gegen Rassismus von rund 300 Personen besetzt worden. Sie weigern sich, der Aufforderung der Stadtberner Behörden nachzukommen und ihre Zelte abzubrechen.

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Telebärn 28.6.10

Sans Papiers protestieren weiter
http://www.kyte.tv/ch/telebaern/sans-papiers-protestieren-weiter/c=84713&s=963690

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Blick am Abend 28.6.10

"Wir werden hier bleiben"

 BESETZT

 Ultimatum verstrichen, Sanspapiers wollen die Kleine Schanze nicht räumen.

 Heute Morgen hätten die rund 150 Sanspapiers die Kleine Schanze räumen müssen. Dieses Ultimatum der Stadt Bern ist aber ohne Abzug der Sanspapiers, die den Park seit letztem Samstag besetzen, verstrichen.

 "Der Park gehört allen Bernern", sagt Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP). Er führte heute Vormittag mit den Besetzern Gespräche. "Das Ziel ist eine einvernehmliche Lösung", heisst es aus der Sicherheitsdirektion. Wie diese Lösung aussieht, war bis Redaktionsschluss noch nicht klar.

 "Wir sind entschlossen: Wir wollen hier bleiben", sagte Michael Schmitz, Vertreter des "Bleiberecht-Kollektivs" heute Morgen zu Blick am Abend. "Wir fordern eine Aufenthaltsbewilligung auch für Menschen ohne Papiere."

 Nicht zufrieden mit dem Zelt-Camp sind die FDP und die SVP.

 "Die Kleine Schanze gehört allen. Wir erwarten vom Gemeinderat, dass er geltendes Recht durchsetzt und den Park für alle Menschen zugänglich macht - notfalls mit einer polizeilichen Räumung", sagt FDP-Grossrat Philippe Müller. Und SVPGrossrat Thomas Fuchs fordert, dass die Besetzer die Reinigungskosten tragen. "Es darf nicht sein, dass dafür auch noch die Steuerzahler aufkommen sollen." ehi

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bern.ch 28.6.10

Stadt und Kollektiv einigen sich über den Abzug des Camps

Sicherheitsdirektor Reto Nause und die Schweizer Bleiberecht-Kollektive haben sich heute getroffen, um eine gemeinsame Lösung für das unbewilligte Protestcamp der Aktivisten auf der Kleinen Schanze zu finden. Die Gruppe hat sich dabei verpflichtet, das Camp bis am Freitagvormittag um 10 Uhr zu räumen. Andernfalls wird die Stadt Massnahmen ergreifen, um die Aktion zu beenden.

Im Anschluss an die Solidaritätskundgebung gegen Ausgrenzung und Rassismus am Samstagnachmittag haben die Schweizer Bleiberecht-Kollektive auf der Kleinen Schanze ein Protestcamp eingerichtet, um gegen die Schweizer Asyl- und Migrati-onspolitik zu protestieren. Die Besetzung des städtischen Geländes erfolgte unbewilligt und verstösst gegen die geltende Parkordnung der Stadt Bern. Einer ersten Aufforderung, das Camp bis heute zu räumen, ist die Gruppe nicht nachgekommen. Im gemeinsamen Dialog haben sich die städtische Sicherheitsdirektion und die Schweizer Bleiberecht-Kollektive nun darauf geeinigt, dass die Gruppe das Gelände bis spätestens am Freitagvormittag räumen muss.

Die Fristverlängerung erfolgt unter folgenden Bedingungen:

* Das Camp muss am Freitag, 2. Juli 2010, um 10 Uhr von der Gruppe geräumt sein.
* Die letzte Aktionen findet am 1. Juli 2010 um 22 Uhr statt. Danach gibt es keine Aktionen mehr.
* Der Aufenthalt und die Aktionen müssen weiterhin friedlich bleiben.
* Lärmimmissionen müssen so gering wie möglich gehalten werden. Die Nachtruhe ab 22 Uhr ist zu respektieren.
* Der Park und dessen Umgebung sind sauber zu halten. Der Abfall ist zu beseitigen. Das Kollektiv stellt sanitäre Anlagen zur Verfügung.
* Der Park ist in einwandfreiem Zustand und ohne Schäden zu hinterlassen.

Laut Gemeinderat Reto Nause ist man damit dem Kollektiv von Seiten der Stadt stark entgegen gekommen. Im Gegenzug erwartet er, dass die Organisatoren die gemeinsame Abmachung respektieren. Werden die Bedingungen nicht eingehalten und ist das Gelände zum vereinbarten Zeitpunkt nicht geräumt, so wird die Stadt entsprechende Massnahmen ergreifen, um die Aktion zu beenden. Gemeinderat Reto Nause betont, dass es keine weitere Fristverlängerung gibt.

Direktion für Sicherheit, Umwelt und Energie

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BZ 28.,6.10

Kleine Schanze

 Camper fordern Rechte für Papierlose - Nause toleriert

 Gleich zweimal plädierten Menschenrechtsorganisationen und Gewerkschaften am Samstag für ein Bleiberecht für Papierlose.

 Der Status von Papierlosen als Illegale wurde am Samstag in unterschiedlicher Form angeprangert: Eine Kundgebung mit laut Agenturberichten rund 5000 Personen endete bunt auf dem Bundesplatz. Organisiert wurde sie von der Organisation Solidarité sans frontières, unterzeichnet von rund 100 Menschenrechts- und Migrantenorganisationen, Parteien, Kirchen und Gewerkschaften. Sie prangerten den Status als Illegale, die Zwangsausschaffungen und die Ausschaffungsinitiative der SVP an, ebenso den Gegenvorschlag des Bundesrats. Sie forderten die kollektive Regularisierung der Papierlosen und Sozialhilfe für alle, die sie benötigen.

 Programm bis Donnerstag

 Wenige Hundert Meter westwärts, unabhängig von der Demo, stellten rund 300 Personen des "Bleiberechtskollektivs" mit den gleichen politischen Forderungen eine Zeltstadt auf. Gemäss der Homepage der Aktivisten soll das Camp bis Donnerstag bestehen bleiben. Spaziergänge zu Behörden, Filme, Theater und Diskussionen stehen an.

 Frist bis Montag früh

 Die Stadt will das nicht. Sicherheitsdirektor Reto Nause hat den Organisatoren eine Räumungsfrist bis Montag früh gesetzt. "Der Park gehört allen", betonte Nause gestern gegenüber dieser Zeitung. Dann beginne wieder der Alltag. Schon gestern reisten viele Camper ab. Gemäss einem Sprecher des Kollektivs müssten viele wieder arbeiten. Und der harte Kern, der bleibt? Nause zeigte sich optimistisch. Bisher sei es zu keinen Gewalttätigkeiten und Reklamationen gekommen. Er setze auf die Gesprächsbereitschaft der Besetzer. "Ich hoffe, die Polizei muss nicht intervenieren."

 Hannah Einhaus

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Bund 28.6.10

Auch Sans-Papiers erhalten einen AHV-Ausweis

 Sie halten sich illegal in der Schweiz auf. Doch die AHV rechnet trotzdem für sie ab - ohne die Migrationsbehörden zu informieren.

 Iwan Städler, Matthias Raaflaub

 Im Volksmund nennt man sie Sans-Papiers, die Ausländerinnen und Ausländer, die illegal in der Schweiz leben. Das heisst aber noch lange nicht, dass sie keine Papiere haben. Etliche verfügen gar über einen AHV-Ausweis. Dies führt zur seltsamen Situation, dass die AHV hochoffiziell für Leute abrechnet, welche die Migrationsbehörden für illegal anwesend erklärt haben. Wie oft dies vorkommt, kann beim Bund niemand sagen. Bekannt ist nur, dass in der Schweiz 50 000 bis 300 000 illegal anwesende Personen leben. So steht es im "Bericht zur illegalen Migration", den der Bund 2004 publiziert hat. Und es gibt keine Anzeichen, dass sich die Situation seither entschärft hätte. Das Phänomen "Sans-Papiers mit AHV-Ausweis" ist offenbar vor allem in der Westschweiz verbreitet. Als es in diesem Frühjahr im Nationalrat kurz zur Sprache kam, versicherte Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf: "Ich toleriere das nicht." In Aktivismus verfallen ist sie seither allerdings nicht. Als sich der "Bund" vor einigen Tagen nach dem Stand der Abklärungen erkundigte, verwies ihr Departement aufs Bundesamt für Sozialversicherung. Dort sieht man allerdings keinen Handlungsbedarf. Erst als der "Bund" die Justizministerin auf die Diskrepanz zwischen ihren Worten und Taten aufmerksam machte, liess Widmer-Schlumpf ausrichten: "Das Justizdepartement will die Sache gemeinsam mit dem Departement des Innern vertieft analysieren."

 Indes demonstrierten in Bern am Samstag rund 5000 Menschen für die Rechte der Ausländer in der Schweiz und für ein doppeltes Nein zur Ausschaffungsinitiative. Daraufhin zogen rund 200 Personen in den Park bei der Kleinen Schanze. Um auf die Situation und die Anliegen der Sans-Papiers aufmerksam zu machen, errichteten sie dort eine Zeltstadt. Die Veranstalter - die schweizerische Bleiberechts-Kollektive - fordern von der eidgenössischen Politik die Regularisierung der Sans-Papiers in der Schweiz.

 Der Berner Sicherheitsdirektor Reto Nause sagte, die Besetzung der Kleinen Schanze werde bis heute Montagmorgen toleriert. "Die Demonstranten vertreten ein legitimes Interesse", so Nause.

 - Seiten 5 und 20

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Sans-Papiers: Warum die AHV die Migrationsämter nicht informiert

 Die AHV hilft nicht, Untergetauchte zu finden. Dafür fehle die gesetzliche Grundlage, argumentiert der Bund. Er hat sich daran bis anhin nicht sonderlich gestört.

 Iwan Städler

 Die Gründe, weshalb jemand zum "Illegalen" wird, sind vielfältig: Zahlreiche Asylsuchende tauchen während des Verfahrens oder nach einem negativen Entscheid unter. Andere Ausländerinnen und Ausländer reisen nach Ablauf ihrer Aufenthaltsbewilligung nicht aus. Oder sie sind bereits illegal eingereist und haben sich gar nie angemeldet.

 Die AHV kümmert das nicht. Sie ist für alle da - selbst für Illegale. So kommen auch sogenannte Sans-Papiers zu einem AHV-Ausweis. Wobei dieses Phänomen offenbar nicht überall gleich stark verbreitet ist. Jedenfalls sagte Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf im März vor dem Nationalrat: "Es ist mir bekannt, dass es in gewissen Kantonen einen AHV-Ausweis für Sans-Papiers gibt." Konkreter wurde die Justizministerin nicht. Sie sagte aber auch: "Ich toleriere das nicht."

 All zu viel dagegen unternommen hat Widmer-Schlumpf bis anhin freilich nicht. Stattdessen überliess sie das Dossier dem Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV). Und dieses sieht keinen Handlungsbedarf. Auf die Frage, ob es nicht stossend sei, wenn die AHV für Leute abrechne, welche die Migrationsbehörden für illegal anwesend erklärt haben, antwortet die zuständige BSV-Juristin Simone Thür: "Das hat nicht die AHV oder das BSV zu beurteilen, sondern die Politik." Wobei Thür auch dort keinen grossen Handlungswillen ausmacht: "Immerhin ist bekannt, dass die politische Mehrheit in der Schweiz offenbar der Ansicht ist, dass auch illegal Anwesende staatliche Leistungen in Anspruch nehmen dürfen, beispielsweise Schulbildung oder eventuell auch Berufsbildung - inklusive zugehörigem Erwerbseinkommen."

 Die Sans-Papiers schützen

 Nicht einmal den Informationsaustausch zwischen der AHV und den Migrationsämtern will das BSV verbessern. "Für die Durchführung der Versicherung braucht es keine Verbesserung", schreibt Thür. In der Tat hat die AHV - für sich allein betrachtet - kein Problem mit der heutigen Situation. Ihr kann es egal sein, ob jemand illegal in der Schweiz wohnt oder nicht. Ein Verweigern des AHV-Ausweises würde die Sans-Papiers bloss von der Beitragspflicht befreien - auch ihre Arbeitgeber. Damit gewänne die Anstellung von Illegalen gar an Attraktivität.

 Es macht folglich Sinn, für alle Erwerbstätigen Beiträge einzuziehen. Warum aber informieren die AHV-Stellen die Migrationsbehörden nicht, damit diese die Untergetauchten auffinden und ausweisen können? Das verbiete die Verfassung, meint BSV-Juristin Thür. Für den Vollzug des Ausländerrechts seien nämlich die Kantone, für die AHV aber der Bund zuständig. Die AHV dürfe daher den ausländerrechtlichen Status einer Person nicht überprüfen. Man müsse "den Bürger vor nicht vorgesehener staatlicher Tätigkeit schützen".

 Das empört den Luzerner CVP-Nationalrat Ruedi Lustenberger: "Die Linke weiss hier nicht, was die Rechte tut." Mitte Juni hat er beim Bundesrat diesbezüglich interpelliert - nicht zum ersten Mal. Der Schreinermeister ist wild entschlossen, nicht lockerzulassen. Auch Eveline Widmer-Schlumpf gedenkt nun doch noch tätig zu werden. "Das Justizdepartement will die Sache gemeinsam mit dem Departement des Innern vertieft analysieren", lässt sie über ihren Sprecher ausrichten. Sie werde dem Bundesamt für Migration einen entsprechenden Auftrag erteilen.

 "Auch etwas mitdenken"

 Einfach wird das Unterfangen nicht. Für einen umfassenden Datenaustausch zwischen den AHV-Stellen und den Migrationsbehörden fehlt nämlich laut BSV-Juristin Thür die gesetzliche Grundlage. Und Bestrebungen, eine solche zu schaffen, gibt es in der Bundesverwaltung gegenwärtig nicht.

 Bei Schreinermeister Lustenberger kommt das schlecht an: "Die sind doch näher dran als wir Parlamentarier. Man würde meinen, dass sie für ihren Lohn auch etwas mitdenken." Notfalls will der Luzerner eine parlamentarische Initiative lancieren, damit das Parlament selbst eine Gesetzesrevision erarbeitet. Darüber hinaus möchte der Vizepräsident der Geschäftsprüfungskommission die entsprechenden Verwaltungsstellen genauer untersuchen lassen.

 Keine Rente ohne Wohnsitz

 Lustenberger will auch wissen, ob Sans-Papiers ihre AHV-Renten versteuern. Laut dem BSV entrichtet die AHV aber keine Leistungen an Illegale. Dafür brauche man einen Wohnsitz. Das heisst allerdings nicht, dass die Beiträge von Sans-Papiers verloren sind. Legalisieren sie nämlich bis zur Pensionierung ihren Aufenthalt oder ziehen sie in ein Land, das mit der Schweiz ein Sozialversicherungsabkommen hat, erhalten sie doch noch eine Rente - und zwar unter Mitberücksichtigung der Beiträge, die sie als Illegale geleistet haben.

 Sans-Papiers besetzen kleine Schanze in Bern - siehe Seite 20

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Kommentar

 Rechtsstaat macht sich zum Gespött

Iwan Städler

 Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf brauchte deutliche Worte: "Ich toleriere das nicht", sagte sie im März vor dem Nationalrat, als sie über "Sans-Papiers mit AHV-Ausweis" sprach. Die Justizministerin hat auch allen Grund, nicht zur Tagesordnung überzugehen. Denn es darf nicht sein, dass auf der einen Seite die Migrationsbehörden jemanden für illegal anwesend erklären und auf der anderen Seite die AHV für ihn abrechnet. So macht sich der Rechtsstaat zum Gespött.

 Wer sich illegal in der Schweiz aufhält und keine Steuern zahlt, hat kein Anrecht auf staatliche Leistungen. Aus Menschenrechtsgründen geht der Bezug von Nothilfe und die Schulbildung von Kindern in Ordnung. Es gibt aber kein Menschenrecht auf Arbeit für illegal Eingewanderte - schon gar nicht samt Sozialversicherung durch ein Land, das sie an der Nase herumführen. Stattdessen würde man erwarten, dass die AHV-Stellen den Migrationsbehörden helfen, Untergetauchte zu finden, damit diese ausgewiesen werden können.

 Widmer-Schlumpf liess ihren Worten bis anhin aber keine Taten folgen. Vielmehr überliess sie die Lösung des Problems dem Bundesamt für Sozialversicherung, das gar kein Problem sieht. Didier Burkhalters Leute machen denn auch keine Anstalten, den Informationsfluss zwischen der AHV und den Migrationsämtern verbessern zu wollen. Stattdessen verweisen sie auf die offenbar fehlende gesetzliche Grundlage.

 Gesetze lassen sich aber anpassen. Und vielleicht hat der eine oder andere Steuerzahler gar den Anspruch, dass sich die Verwaltung Gedanken macht, wenn eine Bundesrätin einen Missstand feststellt. Das scheint aber zu viel verlangt zu sein. Es trifft sich daher gut, dass Eveline Widmer-Schlumpf die Sache nun doch noch "vertieft analysieren" will.

 Ansonsten bleibt dem Parlament wohl nichts anderes übrig, als am Ende selbst tätig zu werden und so den Rechtsstaat durchzusetzen. Ohne Datenaustausch zwischen der AHV und den Migrationsbehörden wird sich nämlich nicht vermeiden lassen, dass sogenannte Sans-Papiers auch künftig problemlos zu einem AHV-Ausweis kommen.

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Sans-Papiers besetzen die Kleine Schanze

 Rund 5000 Personen demonstrierten am Samstag in Bern für die Rechte der Ausländer in der Schweiz und für ein doppeltes Nein zur Ausschaffungsinitiative. Auf der Kleinen Schanze richteten sich nach der Kundgebung Besetzer ein.

 Matthias Raaflaub

 Ein bunter, multikultureller Umzug mit Musik und Vuvuzela-Tröten zog am Samstag im Bern vom Waisenhaus- über den Kornhaus- auf den Bundesplatz. Die Vereinigung "Solidarité sans frontières" und mehr als 50 Gewerkschaften, Migranten- und Menschenrechtsorganisationen hatten unter dem Motto "Freiheit, Gleichheit, Würde - Für mich und dich" zur Grosskundgebung aufgerufen.

 Die Demonstranten - laut den Organisatoren bis zu 5000 Menschen - skandierten eine Reihe von Positionen für eine andere Ausländerpolitik in der Schweiz. Sie forderten Rechte und Menschenwürde für Sans-Papiers ein und sprachen sich gegen die Ausschaffungsinitiative der SVP aus. Verschiedene ausländische Volksgruppen machten gleichzeitig auf ihre Anliegen aufmerksam.

 "Wir sind alle gleich"

 Er marschiere "für den Sieg der Würde", sagte ein Mann aus der zentralafrikanischen Republik Kongo. Mit einem Kollegen trägt er die blau-rot-gelbe Landesfahne durch die Gassen. Gekommen waren sie aus Lausanne. "Wir sind alle gleich", sagte er in Französisch.

 Hilmi Gashi, Ko-Präsident von Solidarité sans frontières, betonte, dass die Ausschaffungsinitiative nicht das Hauptthema der Kundgebung sei. "Alle, die gekommen sind, machen sich Sorgen über das vergiftete Klima des Zusammenlebens, welche die Politik unter dem Deckmantel des Kampfs gegen Missbrauch und Kriminalität schüren", sagte er. Die Ausschaffungsinitiative versteht er als neusten Auswuchs dieser Tendenz.

 Anders als Teile der Linken im Parlament kämpften die Organisationen am Samstag auch gegen den parlamentarischen Gegenvorschlag. Wird sich mit einem doppelten Nein nicht schwieriger argumentieren lassen als mit dem Gegenvorschlag in der Hinterhand, wenn die Initative voraussichtlich im September zur Abstimmung gelangt? "Doch, es wird viel schwieriger", sagte Faton Topalli von der albanischen Gemeinschaft der Schweiz. Dennoch lehnt er den Gegenvorschlag ab. "Man schafft damit die Desintegration per Gesetz." Für Ausländer würde ein anderer Massstab gelten.

 Zum Abschluss der Kundgebung stimmten die Teilnehmer mit Handerheben symbolisch über ihre Forderungen ab. "Jeder hat eine Stimme", rief ein Mitglied der Organisatoren ins Mikrofon, als sich die Hände zum Himmel erhoben.

 Zeltstadt für Bleiberecht

 Am späten Nachmittag zogen rund 200 Personen in den Park bei der Kleinen Schanze. Auf Initiative der schweizerischen Bleiberecht-Kollektive haben sie dort eine Zeltstadt eingerichtet. "Mit dieser Aktion treten wir aus dem Schatten", schrieben Sans-Papiers in einer Mitteilung. Der Schweizer Bevölkerung soll damit die Problematik der Sans-Papiers bekannt gemacht werden, von der eidgenössischen Politik fordern die Veranstalter die Regularisierung der Sans-Papiers in der Schweiz. "Wir leben seit langen Jahren in einer schrecklichen, prekären Situation, wir brauchen eine Lösung", sagte ein Sprecher des Bleiberechts-Kollektivs, ein papierloser Äthiopier, welcher seit zehn Jahren in der Schweiz lebt.

 Sicherheitsdirektor Reto Nause sagte auf Anfrage, die Besetzung werde bis heute Montagmorgen toleriert. "Die Demonstranten vertreten ein legitimes Interesse, auf die Lage der Sans-Papiers aufmerksam zu machen", sagte er, das Zeltlager sei aber unbewilligt. Die Besetzer zeigten gestern keine Absicht abzuziehen, ausser aus der Politik komme eine befriedigende Reaktion. Sollte die Zeltstadt stehen bleiben, werde man heute weiterschauen, sagte Nause. "Ich finde, es war schon grosszügig, dass wir die Besetzung toleriert haben."

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20 Minuten 28.6.10

Sans-Papiers zelten beim Bundeshaus

 BERN. Bis zu 200 Personen halten seit Samstag die Kleine Schanze in Bern besetzt. Trotz eines Ultimatums der Stadt wollen sie mit ihrem Camp noch tagelang für Sans- Papiers demonstrieren.

 Bis auf die vielen Transparente gleicht die Kleine Schanze einem Campingplatz. Mit Dutzenden Zelten und Ständen hält die Aktion "Bleiberecht jetzt!" das Gelände Tag und Nacht besetzt. Damit fordert sie eine kollektive Aufenthaltsbewilligung für Ausländer, die illegal in der Schweiz leben.

 Gemeinderat Reto Nause hat das Protestcamp am Samstag in Augenschein genommen: "Ich habe den Organisatoren klargemacht, dass wir die Aktion höchstens bis am Montag tolerieren können." Das Gewaltpotential der Besetzer sei zwar als gering einzuschätzen, aber die Aktion sei nicht bewilligt: "Der Park muss für die ganze Bevölkerung nutzbar sein."

 Die Besetzer halten täglich Versammlungen ab, an denen sie über das weitere Vorgehen abstimmen. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir abziehen", sagt Sadou Bah. Der abgewiesene Asylbewerber aus Guinea gehört zu den Sans-Papiers, die sich nicht länger verstecken, sondern auf ihre schwierigen Lebensumstände aufmerksam machen wollen. Dazu haben sie, vorläufig bis Donnerstag, ein Programm mit Referaten, Protestspaziergängen und einem Deutschkurs auf dem Bundesplatz geplant.  Patrick Marbach

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Telebärn 27.6.10

Kleine Schanze besetzt
http://www.kyte.tv/ch/telebaern/kleine-schanze-besetzt/c=84713&s=962920

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Sonntagszeitung 27.6.10

Mit Fahnen und Transparenten für die Sans-Papiers

 Aktivisten besetzen Park neben Amtssitz von Merz - Bern toleriert die illegale Aktion vorerst

 Bern Gestern demonstrierten in Bern mehrere Tausend Personen gegen Rassismus und Ausgrenzung. Nach der Kundgebung auf dem Bundesplatz besetzte das Schweizer Bleiberecht-Kollektiv den Park auf der Kleinen Schanze neben dem Amtssitz von Finanzminister Hans-Rudolf Merz. Die rund 200 Personen stellten Zelte und Informationsstände auf und forderten die Regularisierung aller Sans-Papiers und abgewiesenen Asylbewerber, die in der Schweiz leben. "Wir wollen den Platz besetzen, bis wir eine Lösung für die Sans-Papiers haben", sagte Sprecher Sadou Bah. Für die kommenden Tage sind verschiedene Veranstaltungen geplant.

 Der Sicherheitsdirektor der Stadt Bern, Reto Nause (CVP), führte gestern vor Ort Gespräche mit dem Kollektiv und machte ein Angebot. "Der Platz muss am Montagmorgen der Öffentlichkeit wieder einwandfrei zur Verfügung stehen." Bis dahin sieht er trotz fehlender Bewilligung von einer Räumung ab. "Solange es sicherheitstechnisch kein Problem gibt und wir mit den Besetzern im Dialog stehen, gilt unser Angebot", so Nause.
 
Joël Widmer

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Telebärn 26.6.10

Demo gegen Rassismus
http://www.kyte.tv/ch/telebaern/demo-gegen-rassismus/c=84713&s=957534

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sf.tv 26.6.10

Kundgebung gegen Ausgrenzung und Rassismus in Bern

 Gegen 5000 Personen haben in Bern friedlich gegen Ausgrenzung und Rassismus demonstriert. Sie forderten eine offenere und solidarischere Schweiz, die nicht unter dem Vorwand der Missbrauchsbekämpfung Grundrechte ausheble.

sda/hjw

 Am frühen Nachmittag versammelten sich zunächst rund 1000 Personen auf dem Berner Waisenhausplatz. Nach einem Marsch durch die Berner Altstadt trafen sich schliesslich an die 5000 Menschen auf dem Bundesplatz.

 Wer konnte, ergatterte sich einen der raren Plätze am Schatten. Zahlreiche Gruppen waren aus der Romandie angereist. Unter den Teilnehmenden waren viele Migrantinnen und Migranten.

 Mit Transparenten, Fahnen, Trillerpfeifen und Vuvuzela-Tröten machten die Kundgebungsteilnehmer lautstark und farbenfroh auf ihre Anliegen aufmerksam. Mit ihrer Kundgebung wollten sie ein kraftvolles Zeichen gegen Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Ausgrenzung setzen.

 Kritik an der Ausschaffungsinitiative

 Die Bekämpfung des Asylmissbrauchs habe dazu geführt, dass immer mehr Asylsuchende illegalisiert würden und in einem menschenunwürdigen Nothilfesystem leben müssten, schrieb die Organisation Solidarité sans frontières, die zur Kundgebung aufgerufen hatte, in einer Mitteilung.

 Verschiedene Rednerinnen und Redner wandten sich insbesondere gegen die Ausschaffungsinitiative und den Gegenvorschlag. Mit ihrer Initiative verstosse die SVP gegen zahlreiche völkerrechtliche Verpflichtungen, kritisierte etwa Emine Sariaslan vom Forum für die Integration von MigrantInnen (FIMM).

 Das geltende Strafrecht sei genügend ausgebaut, um Straftäter unabhängig von ihrer Nationalität mit gleichen Vorgaben für ihre Taten zu bestrafen.

 "Desintegration per Gesetz"

 In der Schweiz sei es salonfähig geworden, Andersdenkende zu verunglimpfen und zu diskriminieren, sagte Faton Topalli von der Organisation Pro Integra.

 Es sei geradezu unanständig, wie auf der politischen und medialen Bühne ständig für Integration plädiert werde, auf struktureller Eben aber die Desintegration per Gesetz gefördert und so eine Zweiklassen-Gesellschaft geschaffen werde.

 Topalli kritisierte das sistierte Sozialabkommen zwischen der Schweiz und dem Kosovo. Damit würden rund 170'000 Migrantinnen und Migranten ihrer Ansprüche beraubt.

 Die Sistierung des Abkommens bedeutet unter anderem, dass Arbeitnehmer aus dem Kosovo nur noch in der Schweiz eine IV-Rente beziehen können, nicht mehr aber, wenn sie in ihre alte Heimat zurückkehren.

 Sans-Papiers legalisieren

 SP-Nationalrätin Ada Marra ging auf die Situation der Sans-Papiers in der Schweiz ein. Heute lebe bereits die zweite oder dritte Generation von Sans-Papiers in der Schweiz. Es sei deshalb Zeit, diese Menschen endlich gesetzlich zu anerkennen. Dies sei das Mindestmass an gesundem Menschenverstand.

 Unterstützt wurde die Demonstration von gegen 100 Organisationen. Dazu zählen unter anderem Amnesty International, augenauf Bern und Zürich, das Unterstützungskomitee für Sans Papiers Genf und diverse Gewerkschaften und Parteien aus dem links-grünen Spektrum.

 Camp auf der kleinen Schanze

 Unabhängig von der Kundgebung teilte eine Gruppe mit dem Namen Schweizer Bleiberecht-Kollektiv mit, sie habe ein Gebiet auf der kleinen Schanze in Bern besetzt und baue dort ein Camp auf, um gegen die Schweizer Asyl- und Migrationspolitik zu protestieren.

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AUSSCHAFFUNGEN
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Newsnetz 29.6.10

Flüchtlingsamt-Chef reist nach Nigeria

sda / cpm

 Nachdem die Todesursache des im März am Flughafen Zürich verstorbenen Nigerianers klar ist, will Alard du Bois-Reymond bald auch die Ausschaffungsflüge nach Nigeria wieder aufnehmen.

 Grundsätzlich werden die Mitte März nach dem Tod des Ausschaffungshäftlings eingestellten Rückführungsflüge wieder aufgenommen, wie es in einer Meldung des Bundesamtes für Migration (BFM) heisst. Bereits im Juli ist ein solcher Transport "in den afrikanischen Raum" geplant.

 Wann der Flug stattfindet und in welches afrikanische Land dieser führt, wollte BFM-Sprecher Michael Glauser auf Anfrage der Nachrichtenagentur SDA nicht bekannt geben. Nigeria sei nicht das Ziel, denn die Ausschaffungsflüge in dieses Land blieben vorerst eingestellt.

 Kantone machen Druck

 Die nigerianischen Behörden müssen gemäss dem BFM-Sprecher zuerst über die Hintergründe des Todes des Nigerianers vom 17. März auf dem Flughafen Zürich informiert werden. Dazu will sich BFM-Direktor Alard du Bois-Reymond persönlich ins westafrikanische Land begeben.

 Das Bundesamt für Migration hatte nach der Einstellung der Flüge den Kantonen ein Massnahmenpaket zur Verbesserung der Sicherheit bei Zwangsausschaffungen unterbreitet. Diese Vorschläge wurden positiv aufgenommen. Gleichzeitig drängten die Kantone darauf, dass die Rückführungsflüge wieder aufgenommen werden.

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Bund 29.6.10

Ausschaffungshäftling hatte schwaches Herz

 Nachdem bekannt wurde, dass ein Herzleiden mit schuld war am Tod eines Nigerianers bei der Abschiebung, will der Bund wieder Ausschaffungsflüge durchführen.

 Maurice Thiriet

 Es kommt etwas Licht in die Umstände des Todes von Alex Khamma. Aber nicht allzu viel. Der Nigerianer, der am 17. März während seiner Ausschaffung am Flughafen Kloten starb, litt an einem unerkannten Herzleiden. Dies teilte die Zürcher Oberstaatsanwaltschaft gestern mit. Gemäss Obduktionsbericht des rechtsmedizinischen Instituts der Universität Zürich sei "der Tod auf ein Versagen des schwer vorgeschädigten Herzens zurückzuführen". Weil Khamma von einem Hungerstreik geschwächt war, habe die "zu Lebzeiten praktisch nicht diagnostizierbare schwerwiegende Vorerkrankung des Herzens" gereicht, um in Verbindung mit "einem akuten Erregungszustand im Rahmen der Ausschaffung" den Tod von Khamma herbeizuführen.

 Obwohl weitgehend unklar ist, welcher der drei Faktoren Hungerschwäche, Zwangsanwendung und Herzfehler beim Ableben Khammas welche Rolle spielte, betitelte die Zürcher Oberstaatsanwaltschaft ihre Medienmitteilung mit "Tod bei Ausschaffung: Todesursache geklärt". Das kritisiert die Menschenrechtsorganisation Augenauf. "Die Informationen sind wertlos. Die genaue Diagnose wird nicht bekannt gegeben. Ebenso wenig sind die genauen Umstände der Zwangsanwendung während der Ausschaffung Khammas restlos geklärt", sagt Rolf Zopfi von Augenauf. Zopfi warf den Behörden im Gespräch mit dem "Bund" vor, die "dürftige Erklärung" als Vorwand zu benutzen, um wieder Rückschaffungsflüge mit Chartermaschinen durchführen zu können.

 Migrationsamt unter Druck

 Diese Vermutung ist nicht abwegig. Zwar erklärte Alard Du Bois-Reymond, Direktor des Bundesamtes für Migration, kurz nach dem Vorfall, dass sämtliche Ausschaffungsflüge in Chartermaschinen bis zur vollständigen Aufklärung von Khammas Tod gestoppt würden. Doch das Drängen der Kantone, die ihre Ausschaffungshäftlinge nicht mehr mit der Drohung der Zwangsausschaffung disziplinieren konnten, wuchs. Sie mussten Ausschaffungshäftlinge vereinzelt auch auf freien Fuss setzen, weil diese die zulässige Dauer für Ausschaffungshaft von 24 Monaten überschritten hatten. Und ein Lausanner Friedensrichter setzte am 7. April gar sieben Insassen des Genfer Ausschaffungsgefängnisses Frambois auf freien Fuss. Ohne Sonderflüge sei eine schnellstmögliche Zwangsausschaffung nicht möglich. Und so sei der gesetzliche Grundsatz, die Haftdauer so kurz als möglich zu gestalten, nicht mehr einzuhalten.

 Drei Wochen nach dem Lausanner Entscheid kippte das BfM. "Eine möglichst baldige Wiederaufnahme der Sonderflüge hat für das BFM oberste Priorität", erklärte Direktor Du Bois-Reymond nun. Und er wollte statt des vollständigen Untersuchungsergebnisses nur noch einen "Zwischenbericht" der Zürcher Oberstaatsanwaltschaft abwarten, um die Flüge wieder aufzunehmen.

 Tatsächlich hat das BfM gestern sehr schnell reagiert: Eine Stunde, nachdem die Zürcher Oberstaatsanwaltschaft über Khammas Herzfehler unterrichtet hatte, meldete das BfM, dass die Rückschaffungsflüge wieder aufgenommen würden. Einzelheiten zum nächsten Sonderflug mit Rückschaffungshäftlingen blieben jedoch rar. "Über Datum und Ziel des Ausschaffungs-Charters geben wir keine Auskunft. Der Flug wird aber noch im Juli stattfinden", sagte BfM-Sprecher Michael Glauser.

 Die Vorwürfe von Augenauf, man habe auf die Information der Öffentlichkeit über den Herzfehler Khammas gedrängt, um baldmöglichst wieder Sonderflüge durchführen zu können, bestreitet das BfM. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand beim BfM so etwas machen würde", sagt Glauser. Auch die Zürcher Oberstaatsanwaltschaft wehrt sich. "Die Oberstaatsanwaltschaft hat immer klar gesagt, dass sie bei Vorliegen des Gutachtens auf jeden Fall wieder aktiv informieren werde", sagt Sprecherin Corinne Bouvard.

 Sonderflüge nach Nigeria finden nach wie vor nicht statt. Nigeria verweigert der Schweiz seit Khammas Tod die Rücknahme seiner Bürger. Verhandlungen zwischen dem BfM und Nigeria laufen. Die 50 000 Franken, die die Schweiz der Familie Khammas überwies, will man nach den neuen Erkenntnissen nicht zurückfordern. "Die Zahlung erfolgte im Rahmen einer humanitären Geste. Der Mann ist im Zuge einer staatlichen Zwangsmassnahme ums Leben gekommen", sagt BfM-Sprecher Glauser.

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Tagesanzeiger 29.6.10

Kommentar

 "Todesursache geklärt", Fall ungelöst

Von Thomas Knellwolf

 Wer trägt die Schuld am Tod eines 29-Jährigen auf dem Zürcher Flughafen? Was genau geschah vor und am 17. März 2010 mit dem Mann aus Nigeria? Und weshalb bezahlte der Bund 50 000 Franken an die Familie des Verstorbenen? Als Schweigegeld?

 Gestern verbreitete die Zürcher Oberstaatsanwaltschaft eine Mitteilung mit dem Titel: "Tod bei Ausschaffung: Todesursache geklärt". Der abgewiesene Asylbewerber starb, wie die Rechtsmediziner herausfanden, da dreierlei zusammenkam: Weil sein Herz geschädigt war. Weil er durch einen Hungerstreik geschwächt war. Und weil er sich in einem "akuten Erregungszustand" befand.

 Alles klar, also? Mitnichten. Die Strafverfolger müssen nun klären, welcher der drei Faktoren welche Rolle spielte. Ob die involvierten Beamten richtig handelten. Und wie sich der Verstorbene vor seinem Tod verhielt.

 War es vertretbar, den geschwächten Mann derart festzubinden? Was genau führte zum "akuten Erregungszustand"? Gewalt? Gegengewalt? War sie angebracht? Angemessen?

 Fest steht bislang nur eines: Die Zahlung der Eidgenossenschaft an die Angehörigen ist zu früh erfolgt. Das Bundesamt für Migration betont zwar bei jeder Gelegenheit, die 50 000 Franken stellten "keine Entschädigung und kein Schuldeingeständnis" dar, sondern vielmehr "eine humanitäre Geste gegenüber der Familie". Sie waren jedenfalls mehr als eine "Deckung der Bestattungskosten".

 Der Bund hätte vor der Zahlung das Ende der Strafuntersuchung abwarten sollen. Die voreilige Überweisung sieht nach amtlichem schlechtem Gewissen aus.

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NZZ 29.6.10

Tod durch Herzversagen

 Medizinisches Gutachten zum Ausschaffungshäftling aus Nigeria

 fsi. ⋅ Der 29-jährige nigerianische Ausschaffungshäftling, der am 17. März kurz vor der Rückführung in seine Heimat auf dem Flughafen Zürich gestorben ist (NZZ 19. 3. 10), litt an an einer schweren Herzkrankheit. Dies ergab die Obduktion am Institut für Rechtsmedizin der Universität Zürich. Wie die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich am Montag weiter mitteilte, war die Krankheit des abgewiesenen Asylbewerbers nicht bekannt gewesen; dieses Leiden sei zu Lebzeiten praktisch nicht diagnostizierbar. Zum Tod des Häftlings habe der vorangegangene tagelange Hungerstreik ebenso beigetragen wie der "akute Erregungszustand", in welchem sich der Mann bei der versuchten Ausschaffung befunden habe.

 Die Polizei hatte den renitenten Mann an Händen und Füssen mit Manschetten gefesselt und ihm zum Schutz vor Selbstverletzungen einen Kopfschutz aufgesetzt. Kurz vor dem Verlassen des Gefängnisses zeigte der Nigerianer gesundheitliche Probleme, die rapide zunahmen. Sanitäter versuchten ihn zu reanimieren; der Mann starb aber noch auf dem Flughafengelände. An welcher Krankheit der Nigerianer, der sich unter falschem Namen in der Schweiz aufgehalten hatte, gelitten habe, wollte Corinna Bouvard, Sprecherin der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, unter Berufung auf das laufende Rechtsverfahren nicht sagen. Sie betonte aber, der Häftling habe im Ausschaffungsgefängnis die üblichen ärztlichen Untersuchungen durchlaufen.

 Nach dem Tod des Nigerianers waren die Sonderflüge für Ausschaffungen ausgesetzt worden. Da die Todesursache des Mannes jetzt aber feststeht, sollen sie wieder aufgenommen werden. Die Nachrichtenagentur SDA zitierte am Montag einen Sprecher des Bundesamts für Migration, laut dem im Juli ein solcher Sonderflug nach Afrika geplant sei. Die Kantone drängen auf eine baldige Wiederaufnahme der Flüge, weil sie mit Platzproblemen kämpfen und Ausschaffungshäftlinge wieder freilassen mussten. Die Menschenrechtsgruppe Augenauf verlangt in einer Stellungnahme, dass auf Zwangsausschaffungen verzichtet werden soll. Amnesty International fordert zumindest den Verzicht auf die angewendeten Fesselungsmethoden und den Einsatz von unabhängigen Beobachtern auf den Flügen.

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BZ 29.6.10

Sonderflüge nach Afrika

 Rückschaffungen ab Juli

 Die seit März eingestellten Zwangsausschaffungen mittels Sonderflügen nach Afrika werden im Juli wiederaufgenommen.

 Der Ausschaffungshäftling, der am 17. März kurz vor der Rückführung nach Nigeria auf dem Flughafen Zürich starb, litt an einer schweren Herzkrankheit. Da die Todesursache bekannt ist, werden die seither eingestellten Zwangsausschaffungen mittels Sonderflügen im Juli wiederaufgenommen. Wann genau der Flug stattfindet und in welches afrikanische Land dieser führt, wollte Michael Glauser, Sprecher des Bundesamtes für Migration (BFM), gestern nicht bekannt geben.

 Nigeria sei nicht das Ziel, denn die Ausschaffungsflüge in dieses Land blieben vorerst eingestellt. Die nigerianischen Behörden müssen gemäss dem BFM-Sprecher zuerst über die Hintergründe des Todes des Nigerianers vom 17. März auf dem Flughafen Zürich informiert werden. Dazu will sich BFM-Direktor Alard du Bois-Reymond persönlich ins westafrikanische Land begeben. Laut einem Obduktionsgutachten des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Zürich bestand beim verstorbenen Nigerianer eine "schwerwiegende Vorerkrankung des Herzes".
 sda

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St. Galler Tagblatt 29.6.10

Sonderflug nach Italien

 Im Juli sollen abgewiesene Asylbewerber wieder mit Sonderflügen in afrikanische Staaten ausgeschafft werden. Bereits letzte Woche hat das BFM einen Flug nach Italien durchgeführt.

 Andri Rostetter

 Spätestens seit vergangener Woche führt das Bundesamt für Migration (BFM) wieder Level- 4-Ausschaffungsflüge durch. Die vom BFM organisierten Sonderflüge mit Polizeibegleitung wurden gestoppt, nachdem am 17. März ein Nigerianer kurz vor seiner Ausschaffung auf dem Flughafen in Zürich gestorben war. Der Stop galt auch für Dublin-Fälle - Personen, die bereits in einem anderen Staat mit Dublin-Abkommen Asyl beantragt haben und von der Schweiz deshalb in diesen Staat zurückgeführt werden können. Nach der Einstellung der Flüge hatte das BFM Massnahmen zur Verbesserung der Flüge erarbeitet. Zugleich machten die Kantone Druck, unter anderem weil die Platzverhältnisse in den Ausschaffungsgefängnissen prekär wurden.

 Im Mai grünes Licht gegeben

 Am vergangenen Donnerstag wurde nun eine Person mit einem Level-4-Flug nach Italien ausgeschafft. BFM-Sprecher Michael Glauser bestätigte entsprechende Informationen. Das BFM habe bereits im Mai grünes Licht für die Wiedereinführung der Sonderflüge gegeben. Tatsächlich war gemäss BFM-Mitteilung vom 21. Mai geplant, die ersten Flüge in "drei bis vier Wochen" durchzuführen. Der Flug vom 24. Juni war damit im Zeitrahmen, den sich das BFM selber vorgegeben hatte. Ungewöhnlich ist aber, dass Dublin-Fälle mit Sonderflügen ausgeschafft werden. In der Regel werden abgewiesene Asylbewerber aus Dublin-Staaten mit Linienflügen zurückgeführt.

 Eine mögliche Erklärung: Im Mai hatte das BFM bekanntgegeben, dass nigerianische Staatsangehörige auf Sonderflügen in Dublin-Staaten zurückgeführt werden können. Wie Recherchen dieser Zeitung ergeben haben, handelte es sich bei der am Donnerstag ausgeschafften Person um einen Asylbewerber aus einem afrikanischen Staat. Unklar ist jedoch, aus welchem.

 Flüge offiziell ab Anfang Juli

 Fest steht, dass ab Juli wieder offiziell Sonderflüge in afrikanische Staaten durchgeführt werden. Um welche Staaten es sich dabei handelt, will das BFM nicht offenlegen. Die Behörden fürchten, dass Asylanten aus den betroffenen Ländern danach untertauchen könnten. Klar ist hingegen, dass vorläufig keine Sonderflüge nach Nigeria geplant sind. Die nigerianische Behörde soll zuerst über die Hintergründe des Todesfalls vom 17. März informiert werden. Gestern teilte die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich mit, dass der Tod des 29jährigen Nigerianers auf "ein Versagen des schwer vorgeschädigten Herzens" zurückzuführen sei. Diese Schädigung sei nicht bekannt gewesen. Zum Tod beigetragen hätten gemäss rechtsmedizinischem Gutachten zudem ein Hungerstreik und der Stress der Ausschaffungsprozedur.

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Zürichsee-Zeitung 29.6.10

Ausschaffungen Herzerkrankung hat zum Tod eines Nigerianers geführt

 Sonderflüge wieder aufgenommen

 Im Juli sollen abgewie- sene Asylbewerber wieder mit Sonderflügen nach Afrika ausgeschafft werden dürfen. Bereits letzte Woche hat das BFM einen Flug nach Italien durchgeführt.

 Andri Rostetter

 Spätestens seit vergangener Woche führt das Bundesamt für Migration (BFM) wieder Level-4-Ausschaffungsflüge durch. Die vom BFM organisierten Sonderflüge mit Polizeibegleitung wurden gestoppt, nachdem am 17. März ein Nigerianer kurz vor seiner Ausschaffung auf dem Flughafen in Zürich gestorben ist. Der Stopp galt auch für Dublin-Fälle - Personen, die bereits in einem anderen Staat mit Dublin-Abkommen Asyl beantragt haben und von der Schweiz deshalb in diesen Staat zurückgeführt werden können.

 Level-4-Flug nach Italien

 Am vergangenen Donnerstag wurde eine Person mit einem Level-4-Flug nach Italien ausgeschafft. BFM-Sprecher Michael Glauser bestätigte entsprechende Informationen. Das BFM habe bereits am 21. Mai grünes Licht für die Wiedereinführung der Sonderflüge gegeben, sagte Glauser. Tatsächlich war gemäss BFM-Mitteilung vom 21. Mai geplant, die ersten Flüge in "drei bis vier Wochen" durchzuführen. Der Flug vom 24. Juni war damit im Zeitrahmen, den sich das BFM selber vorgegeben hatte. Es ist aber ungewöhnlich, dass Dublin-Fälle mit Sonderflügen ausgeschafft werden. Laut Glauser werden abgewiesene Asylanten aus Dublin-Staaten in der Regel mit Linienflügen zurückgeführt.

 Im Mai hatte das BFM indes bekanntgegeben, dass nigerianische Staatsangehörige auf Sonderflügen in Dublin-Staaten zurückgeführt werden können. Recherchen dieser Zeitung haben ergeben, dass es sich bei der am 24. Juni ausgeschafften Person um einen Asylbewerber aus einem afrikanischen Staat handelt.

 Kantone machten Druck

 Fest steht, dass ab Juli wieder offizi-ell Sonderflüge in afrikanische Staaten durchgeführt werden. Um welche Staaten es sich dabei handelt, will das BFM nicht offenlegen. Die Behörden fürchten, dass Asylanten aus den betroffenen Ländern danach untertauchen könnten. Klar ist hingegen, dass vorläufig keine Sonderflüge nach Nigeria geplant sind. Die nigerianische Behörde soll zuerst über die Hintergründe des Todesfalls vom 17. März informiert werden. Gestern teilte die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich mit, dass der Tod des 29-jährigen Nigerianers auf "ein Versagen des schwer vorgeschädigten Herzens" zurückzuführen sei (siehe Kasten). Nach der Einstellung der Flüge hatte das BFM Massnahmen zur Verbesserung der Flüge erarbeitet. Zugleich machten die Kantone Druck, weil die Platzverhältnisse in den Ausschaffungsgefängnissen prekär wurden.

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 Nigerianer war herzkrank

 Am 17. März ist ein 29-jähriger Nigerianer kurz vor seiner Zwangsausschaffung gestorben. Ein Obduktionsgutachten zeigt jetzt: Der Mann war schwer herzkrank. Dies teilt die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich mit. Gemäss dem Gutachten ist der Tod auf ein Versagen des "schwer vorgeschädigten Herzens" zurückzuführen - in Verbindung mit dem vorausgegangenen Hungerstreik des Häftlings und "einem akuten Erregungszustand" im Zusammenhang mit der Zwangsausschaffung. Der Bericht sagt auch: Der Herzfehler ist nicht bekannt gewesen und "praktisch nicht diagnostizierbar".

 Welche Konsequenzen der Befund des Obduktionsgutachtens hat, ist unklar. Das umfangreiche Dokument wird nun den Anwälten der Familie des Verstorbenen zur Stellungnahme zugestellt, und der Staatsanwalt muss entscheiden, ob er ein Strafverfahren eröffnen will.

 Die Menschenrechtsorganisation Augenauf zeigte sich gestern empört vom Untersuchungsergebnis. Mediensprecher Rolf Zopfi sagte auf Anfrage: "Jetzt haben wir es schwarz auf weiss: Der Mann würde noch leben, wenn das Bundesamt für Flüchtlinge und der Kanton Zürich auf Zwangsausschaffungen verzichten würden." Seine Organisation fordere alle Beteiligten auf, diese "unmenschlichen" und "menschenverachtenden" Level-4-Prozeduren einzustellen. Das Bundesamt für Migration will an der Praxis der Zwangsausschaffung allerdings festhalten (siehe Haupttext).

 Beim Verstorbenen handelt es sich um einen abgewiesenen Asylbewerber ohne gültige Reisepapiere, wie die Nachrichtenagentur SDA schreibt. Er war unter falschem Namen in der Schweiz und verweigerte die Ausreise.

Philippe Klein

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20 Minuten 29.6.10

Nigerianer war schwer herzkrank

 ZÜRICH. Der Ausschaffungshäftling, der am 17. März kurz vor der Rückführung nach Nigeria auf dem Flughafen Zürich starb, hatte an einer "schwerwiegenden Vorerkrankung des Herzens" gelitten. Dies geht aus dem Obduktionsgutachten des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Zürich hervor. Die Herzkrankheit war nicht bekannt und gemäss dem Gutachten zu Lebzeiten praktisch nicht diagnostizierbar. Zum Tod des 29-Jährigen beigetragen haben aber auch der vorausgegangene Hungerstreik und der akute Erregungszustand des Nigerianers. Die seither eingestellten Zwangsausschaffungen mittels Sonderflügen sollen laut dem Bundesamt für Migration (BFM) im Juli wieder aufgenommen werden. Nigeria sei vorerst aber nicht das Ziel, da die nigerianischen Behörden gemäss dem BFM zuerst über die Hintergründe des Todes informiert werden müssen.

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augenauf.ch 28.6.10

Stellungnahme zum Ergebnis des gerichtsmedizinischen Gutachtens

Der nigerianische Flüchtling, der bei seiner versuchten Ausschaffung am 17. März 2010 gestorben ist, würde noch leben, wenn das BFM und der Kanton Zürich auf eine Zwangsausschaffung verzichtet hätten...

28. Juni 2010

Die Menschenrechtsgruppe augenauf  hat vom Ergebnis der gerichtsmedizinischen Untersuchung zum Tod des in der Schweiz unter dem Namen Alex Khamma bekannten nigerianischen Flüchtlings Kenntnis genommen. Dass das Institut für Rechtsmedizin festgestellt hat, dass sein Tod auf ein Herzversagen zurückzuführen ist, bedeutet nicht, dass die Untersuchung des Ausschaffungsflugs vom 17. März 2010 abgeschlossen wäre. Der Hinweis der Oberstaatsanwaltsschaft, dass es in Verbindung mit dem Hungerstreik und dem Erregungszustand zum Herzversagen gekommen sei,  macht deutlich, dass Alex Khamma noch leben würde, wenn die Behörden auf die Level-IV-Ausschaffung verzichtet hätten.

Die Berichte der Flüchtlinge, die mit dem Toten zusammen nach Lagos ausgeschafft werden sollten, belegen eindrücklich, dass die vom Bund und von der Konferenz der kantonalen Polizeidirektoren abgesegneten Prozeduren bei  Zwangsausschaffungen der Vollzugsstufe IV unmenschlich und menschenverachtend sind. Wie absurd es ist, Flüchtlinge als renitent und gewalttätig zu bezeichnen, wenn sie sich einer Ausschaffung verweigern, zeigt sich gerade am Beispiel von Alex Khamma. Statt die Gesundheit des vom Hungerstreik geschwächten Nigerianers zu schützen, wurden an ihm die härtesten der möglichen Level-IV-Prozeduren angewendet.

augenauf verlangt vom Bund und den Kantonen, dass keine weiteren Zwangsausschaffungen mit Charterflügen vollzogen werden. Es verletzt die Würde eines jeden Menschen, wie ein Paket verschnürt in ein Flugzeug gesetzt und gegen seinen Willen in ein anderes Land ausgeschafft zu werden. Wir fordern alle verantwortungsbewussten Menschen auf, jede Form einer Beteiligung an Zwangsausschaffungen zu verweigern.

augenauf Zürich

Die Menschenrechtsgruppe augenauf unterstützt zusammen mit Amnesty International den die Interessen der Familie des Toten wahrnehmenden Rechtsanwalt. Die beiden Menschenrechtsorganisationen würden sich, wenn dies notwendig würde, subsidiär an den Anwaltskosten des Geschädigtenvertreters beteiligen.

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tagesschau.sf.tv 28.6.10

Ausschaffungshäftling starb an Herzversagen

Im März ist ein Asylant aus Nigeria kurz vor seiner Ausschaffung gestorben. Die Gerichtsmediziner führen den Tod auf sein krankes Herz zurück.
http://videoportal.sf.tv/video?id=f6014af3-9f37-492c-8f01-217250ee14d2

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Blick am Abend 28.6.10

Darum starb der Nigerianer

 HERZPROBLEME

 Die Todesursache ist geklärt: Der Ausschaff ungshäftling war schwer krank.

 Er wusste, dass er zurück in seine Heimat musste: Ein Ausschaft ungshäftling aus Nigeria ass im März deswegen tagelang nichts. Als er ins Flugzeug steigen sollte, brach er am Flughafen Zürich zusammen. Trotz Reanimierung starb der 29-Jährige wenig später. Jetzt ist klar, weshalb: Er litt an einem schweren Herzfehler. In Verbindung mit dem Hungerstreik, seiner Wut über die Ausschaffung und der Vorerkrankung kam es zum fatalen Zusammenbruch.

 Das Gutachten der Rechtsmedizin wird nun den rechtlichen Vertretern seiner Angehörigen zugeführt und erst dann das weitere Vorgehen abgeklärt, teilte die Oberstaatsanwaltschaft heute mit. Die nach dem Todesfall eingestellten Rückführungsfl üge für Ausschaffungshäftlinge werden wieder aufgenommen. SDA/num

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Sonntagszeitung 27.6.10

Genossen streiten um Ausschaffung

 Gegenvorschlag zur SVP-Initiative spaltet SP

 Bern Rund 20 SP-Bundesparlamentarier wehren sich gegen die Absicht der Parteileitung, den Gegenvorschlag zur Ausschaffungsinitiative zur Ablehnung zu empfehlen. In einem Brief an die SP-Geschäftsleitung verlangen sie, dass die Partei auf die Nein-Parole verzichte und nur die SVP-Initiative zur Ablehnung empfehle. Unterzeichnet wurde der Brief vor allem von jenen, die im Parlament dem Gegenvorschlag zugestimmt haben. Darunter sind Schwergewichte wie Fraktionschefin Ursula Wyss.

 Sie fürchten, die Initiative könnte angenommen werden, wenn die Linke nicht den Gegenvorschlag unterstützt. Die Initiative verlangt die Ausschaffung von kriminellen Ausländern ohne Rücksicht auf völkerrechtliche Schranken. Der Gegenvorschlag knüpft die automatische Ausschaffung an klare Bedingungen und beinhaltet einen Integrationsartikel, von dem sich viele eine bessere Eingliederung von Ausländern erhoffen.

 Wyss bestätigt den Brief, will aber keinen Konflikt zwischen Partei und Fraktion sehen. Es gebe vielmehr in allen Teilen der SP-Basis Zustimmung zum Gegenvorschlag. Manche Kantonalsektionen würden zustimmen, und für die Parolenfassung an der Delegiertenversammlung im Herbst sei alles offen.  

Denis von Burg

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10vor10 24.6.10

"Augenauf" gegen Ausschaffungsflüge

Die Menschenrechtsgruppe "Augenauf" fordert vom Bund, auf die Wiederaufnahme von Ausschaffungsflügen zu verzichten.
http://videoportal.sf.tv/video?id=f3052f39-4f28-46db-9b17-ef4061f05016

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augenauf.ch 24.6.10

Geplante Wiederaufnahme von Zwangsausschaffungen

Am 24.06.2010 hat augenauf Zürich eine Medienorientierung zur geplanten Wiederaufnahme von Zwansausschaffungen durchgeführt...

Demonstration der Fesselungstechnik bei Zwangsausschaffungen

Stellungnahme von "augenauf" zur Wiederaufnahme der
Zwangsausschaffungen

1. Bei Level-IV-Ausschaffungen wird die Würde und die persönliche Integrität der Flüchtlinge systematisch verletzt.

2. Im Rahmen der Level-IV-Ausschaffungen werden systematisch Methoden angewendet, die unter die Kategorie der international geächteten unmenschlichen Behandlung fallen.

3. Die von der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren und vom Bundesamt für Migration abgesegneten Prozeduren sollen die Flüchtlinge einschüchtern und abschrecken. Sie dienen weder der Sicherheit der Flüchtlinge, noch der Sicherheit des Begleitpersonals.

4. Keine der von der KKJPD und vom BFM angekündigten Änderungen am Ausschaffungsprozedere3 sind geeignet, die Würde und Integrität der Flüchtlinge besser zu wahren. Sie bieten auch keine Gewähr dafür, dass sich Todesfälle bei Zwangsauschaffungen wie jener vom 17. Juni nicht wiederholen.

augenauf verlangt deshalb, dass Level-IV-Ausschaffungen nicht wieder aufgenommen werden. Solche Ausschaffungen sind menschenverachtend, für die betroffenen Flüchtlinge traumatisierend und für die Personen, die sie auszuführen haben, eine nicht zumutbare Belastung. Die Level-IV-Ausschaffungen belasten
zudem die Beziehungen zwischen der Schweiz und der Bevölkerung in den Fluchtstaaten.

5. augenauf ruft Ärzte, Flugpersonal, Gefängnis-Angestellte, Polizisten und andere Personen, die an der Vorbereitung oder der Durchführung von Level-IVAusschaffungen beteiligt sind dazu auf, ihren "Dienst" zu verweigern. Es gibt keine
(Dienst-)Pflicht, sich an Handlungen zu beteiligen, die die Menschenwürde in derart krasser Form verletzen.

* Pressemappe zur geplanten Wiederaufnahme von Zwangsausschaffungen (pdf )
http://www.augenauf.ch/pdf/Pressemappe_PK-1.pdf

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NARRENKRAUT
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Bund 26.5.10

Stadtberner BDP will das Kiffen legalisieren

 Als einzige bürgerliche Partei in der Stadt Bern unterstützt die BDP einen Vorstoss für einen Pilotversuch mit Cannabis.

 Bernhard Ott

 Vania Kohli geht noch einen Schritt weiter. Die Stadt- und Grossrätin der BDP ist nicht nur für einen wissenschaftlich begleiteten Pilotversuch zum Verkauf von Cannabis, wie dies ein Postulat von SP, GB, GLP und BDP verlangt ("Bund" vom Mittwoch). Sie ist auch für die Abgabe von harten Drogen an Abhängige in Apotheken - zum Selbstkostenpreis. "Nur so könnte man den Schwarzhandel bekämpfen." Würden Drogen in Apotheken abgegeben, gäbe es auch kein Umsteigen von weichen auf harte Drogen mehr. "Die Kriminalisierung des Konsums von Drogen ist Unsinn", sagt Kohli. Sie vertrete diese Haltung seit ihren politischen Anfängen als Präsidentin des Stadtberner Jungfreisinns. "Wenn man den Alkohol zulässt, dann muss man auch Cannabis legalisieren."

 "Produzieren keine Süchtigen"

 Kohlis Name ziert den Titel des Vorstosses. Etwas weniger euphorisch, aber doch liberal in der Grundhaltung ist BDP-Co-Präsident Kurt Hirsbrunner. Der Umgang mit Drogen offenbare ein "ethisches Dilemma". Die suchtfreie Gesellschaft sei zwar ein hehres Ziel, aber leider kein realistisches. Im Bereich der harten Drogen habe sich die kontrollierte Drogenabgabe (Koda) bewährt. Sie entlaste die Süchtigen vom Beschaffungsstress und vermindere so die Kriminalität. "Gibt man Cannabis legal ab, behält man die Kontrolle über den Handel." Cannabis sei eine Droge, es sei aber in der Regel keine Einstiegsdroge. "Erst in der Illegalität ist die Versuchung zum Umsteigen auf harte Drogen gross." Mit einem Pilotversuch könnten wichtige Erkenntnisse für die legale Abgabe von Cannabis gewonnen werden, sagt Hirsbrunner. "Wir werden damit keine Süchtigen produzieren."

 FDP wirft BDP Zickzackkurs vor

 Dass die BDP mit dieser klaren Grundhaltung im bürgerlichen Lager auf einsamem Posten steht, macht Hirsbrunner kein Bauchweh. "Wir sind eine eigenständige Partei und haben uns schon oft keine Freunde gemacht." Einzig die CVP mag ihren Fraktionspartner nicht verurteilen. Sie habe den Vorstoss mitunterzeichnet, sagt Stadträtin Béatrice Wertli. Die Haltung der Partei sei aber noch nicht festgelegt.

 Für SVP-Fraktionschef Erich Hess dagegen ist die BDP Stadt Bern schlicht eine "linke Partei". Auch FDP-Präsidentin Dolores Dana braucht deutliche Worte. "Bei der BDP überrascht mich nichts mehr. Mal stimmen sie rechts, mal stimmen sie links." Sie persönlich sei auch für eine Legalisierung von Cannabis, sagt Dana. In der Fraktion gebe es aber unterschiedliche Meinungen, und daher habe man den Vorstoss nicht unterstützt. "Vor allem die jüngeren Fraktionsmitglieder sind gegen eine Cannabis-Legalisierung", sagt Dana.

 Stadtrat im zweiten Anlauf

 Die Zerrissenheit der FDP in dieser Frage hat Tradition: Bei der Abstimmung über die Hanf-Initiative vor zwei Jahren hatte die FDP Kanton Bern die Nein-Parole gefasst, obwohl sich die nationale Partei für eine Legalisierung ausgesprochen hatte. Das Nein des Schweizer Volkes zur Initiative im November 2008 bedeutete auch das definitive Ende für einen ersten Anlauf zu einem Pilotversuch, den der Stadtrat vor vier Jahren unternommen hatte. Der Gemeinderat lehnte eine Cannabis-Abgabe unter Hinweis auf die gesetzlichen Bestimmungen ab.

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DROGEN
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Blick am Abend 29.6.10

Weniger Drogentote, mehr Ritalin

 RAUSCHGIFT

 Das Alter der Drogentoten steigt, die Jungen schmeissen mehr Speed-Pillen ein.

 reda.elarbi@ringier.ch

 Auf den ersten Blick sieht es nach einem Erfolg aus: Die Zahl der Drogentoten in der Stadt Zürich ging 2009 um rund einen Drittel auf 21 Tote zurück. Das jüngste Drogenopfer war 20 Jahre und das älteste 54 Jahre alt. Generell steigt das Alter der Junkies: Gegenüber den Vorjahren waren 2009 mehr ältere Personen betroffen: Rund 40 Prozent waren zwischen 41 und 54 Jahre alt, der höchste Wert seit 2002!

 Doch dass weniger Menschen durch Drogen sterben, heisst nicht, dass weniger konsumiert wird. Das attraktive Freizeit- und Ausgehangebot der Stadt Zürich zeigt schwierige Seiten. So ist in der Partyszene ein zunehmender Konsum von leistungssteigernden Medikamenten feststellbar. Insbesondere das Amphetaminderivat Ritalin taucht vermehrt als Partydroge auf. Ritalin wird als Medikament oft bei zappligen Schülern mit ADHS eingesetzt.

 Denn während Ritalin auf ADHS-Kinder beruhigend wirkt, passiert bei Nicht-Betroffenen das Gegenteil: Ritalin wirkt aufputschend wie Speed.

 Die Vermutung liege nahe, dass sich Jugendliche und junge Erwachsene nicht bewusst seien, welche Folgen ein solcher Konsum haben könne, heisst es heute in einer Mitteilung der Stadt zum Monitoringbericht "Drogen und Sucht 2010".

 Genaue Zahlen zu den Drogen-Delinquenten aber fehlen. Die Stadt- und die Kantonspolizei konnten dieses Jahr keine verwertbaren statistischen Zahlen liefern, weil die Polizeistatistik letztes Jahr auf ein neues System wechselte. Einzig im Bereich des Drogenhandels vermelden sie gegenüber dem Vorjahr eine Zunahme von acht Prozent, insgesamt 1144 Anzeigen.

 Ein weiteres Problemfeld ortet der Bericht in der erhöhten Gewaltbereitschafft Jugendlicher im Zusammenhang mit exzessivem Alkoholkonsum. Dieses Phänomen stehe im Fokus der öffentlichen Wahrnehmung. Wie bei Drogen sei auch hier mehr in Vernetzung von privaten und staatlichen Stellen zu investieren.

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Sonntag 27.6.10

Südamerika

 Die Welt will Drogen, Peru liefert sie

Von Sandra Weiss

 Mit ihrem Krieg gegen die Drogen vermasseln die USA der kolumbianischen Mafia das Geschäft. Dies zur Freude der Drogenmafia in Peru.

 Peru darf einen zweifelhaften Rekord für sich verbuchen: In keinem anderen südamerikanischen Land wird mehr Kokain produziert. Die 128 000 Tonnen Kokablätter, die letztes Jahr geerntet wurden, entsprechen fast der Hälfte der südamerikanischen Ernte. Das klassische Drogenland Kolumbien hält bloss 39 Prozent, Bolivien 15 Prozent.

 Produktion verlagert sich

 Dies ist das Resultat des grossangelegten Feldzugs der amerikanischen Regierung gegen die Drogen. Allein Kolumbien hat seit den Neunzigerjahren über fünf Milliarden Dollar Militärhilfe von den USA erhalten. Mit diesem Geld unterstützen die Amerikaner die kolumbianische Armee im Kampf gegen die Drogenmafia. Die Bemühungen zeigen offenbar Wirkung - zumindest in Kolumbien. Doch die Drogenproduktion verlagert sich lediglich - zur Freude der peruanischen Drogenmafia, die bisher kaum im Visier der Amerikaner war. Nur gerade 70 Millionen Dollar geben die USA für den Anti-Drogen-Kampf in Peru aus.

 Asiaten konsumieren immer mehr

 Ohnehin ändert sich nichts an der Tatsache, dass Drogen nach wie vor sehr beliebt sind. Die Nachfrage in den Industrieländern sei gestiegen, sagt der peruanische Anti-Drogen-Zar Rómulo Pizarro. "Und wenn dann erst der Konsum in Asien zulegt, wofür es erste Anzeichen gibt, wird der Druck auf die Anbauländer wie Peru noch grösser", sagt Pizarro und bedauert die aus seiner Sicht ungenügende und abnehmende internationale Kooperation im Kampf gegen die Drogen.

 In Peru hat das Drogengeschäft einen gefährlichen Nebeneffekt: Es hat zum Erstarken der maoistischen Rebellenbewegung Leuchtender Pfad geführt, die sich als Miliz in den Dienst der Drogenmafia gestellt hat und sich in jüngster Zeit im Dschungel häufig Gefechte mit Sicherheitskräften liefert. Mehr als 400 Mitglieder hat die Guerilla nach Schätzungen von Experten bereits wieder. Die Gewalt des Leuchtenden Pfades stürzte Peru in den Achtzigerjahren in einen blutigen Bürgerkrieg, der rund 70 000 Menschen das Leben kostete.

 Der Drogenboom wirft gleichzeitig ein Schlaglicht auf die Schattenseite des peruanischen Wirtschaftsbooms, der spurlos vorüberging an Hunderttausenden Kleinbauern, die in absoluter Armut leben, vergessen von den staatlichen Institutionen, und die ihr einziges gesichertes Einkommen aus dem Verkauf der Kokablätter beziehen - ein anspruchsloser, pflegeleichter Strauch, der bis zu viermal im Jahr abgeerntet werden kann und bessere Preise erzielt als etwa Kaffee oder Kakao. 92 Prozent der angebauten Kokablätter werden zu Kokain verarbeitet und der Rest zum traditionellen Kauen verwendet oder für Tee und Medikamente genutzt.

 Gehandelt wird jetzt in der Karibik

 Kein Wunder ist die Lage im peruanischen Amazonasgebiet explosiv. Schon mehrfach demonstrierten die Kokabauern gegen die Anti-Drogen-Strategie der Regierung. Zunehmend instabil werden aber auch Staaten in Mittelamerika und der Karibik. Dorthin hat sich nämlich der Handel mit den Drogen verlagert - ebenfalls als Folge der amerikanischen Massnahmen. So kam es jüngst in Jamaika zu bürgerkriegsähnlichen Unruhen, als die Regierung einen einflussreichen Drogenboss festnehmen wollte. In Guatemala ist nach Aussagen des früheren UN-Chefermittlers Carlos Castresana die Justiz bis in höchste Sphären vom organisierten Verbrechen infiltriert. Auch im durch einen Umsturz destabilisierten Honduras starten und landen täglich Kleinflugzeuge, vollbeladen mit Kokain.

 nachrichten@neue-lz.ch

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30 JAHRE ZÜRI BRÄNNT
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Limmattaler Zeitung 28.6.10

"Ich wusste, dass ich der Bewegung helfe"

 Alt Regierungsrat Alfred Gilgen blickt auf die 80er-Bewegung zurück, zu deren Buhmann er damals avancierte

 Gleich mehrere Filme über die Jugendbewegung von 1980 sorgten für Schlagzeilen. Einer davon, produziert durch Ethnologiestudenten der Uni Zürich, wurde vor allem dafür berühmt, dass seine Aufführung verboten wurde. Und zwar vom damaligen Bildungsdirektor Alfred Gilgen.

 Martin Reichlin

 Schon als er die Türe öffnet, wird klar, dass Alfred Gilgen auch im Alter von 80Jahren noch hellwach und schlagfertig ist. "Kommen Sie doch rein. Oder wollen Sie im Garten stehen bleiben", begrüsst er die Besucher und führt sie nach einem festen Händedruck in die gute Stube des Hauses. Eigentlich habe er sich vor vielen Jahren einmal geschworen, zu Hause keine Journalisten mehr zu empfangen, erklärt der ehemalige Zürcher Regierungsrat (1971-1995, LdU/ parteilos), ohne zu verraten, weshalb er heute eine Ausnahme macht. Alfred Gilgen: Was möchten Sie nun von mir?

 Erfahren, wie Sie die Ereignisse rund um die "Bewegung" von 1980 sehen und wie sie Ihrer Meinung nach Zürich verändert haben.

 Gilgen: Nun, die Exponenten der Bewegung haben bis heute das Gefühl, sie hätten die Welt wahnsinnig verändert. Bei einem Gespräch vor genau zehn Jahren legten sie mir zum Beispiel dar, wie sehr sich Werbung, Grafik oder das Layout der Zeitungen als Folge der 80er-Bewegung gewandelt hätten.

 Dieses Argument begegnete uns im Verlauf dieser Serie eigentlich nicht. Eher wurde der geistige und kulturelle Aufbruch in Zürich herausgestrichen. Zuvor sei die Stadt langweilig und verknöchert gewesen.

 Gilgen: Dieser Wandel wäre auch ohne Bewegung eingetreten, als Folge der Globalisierung. Die Ereignisse von 1980 haben ihn höchstens beschleunigt. Das belächelte "Zürich des Frauenvereins", das doppelt so gross sei, wie der Wiener Zentralfriedhof, aber nur halb so lustig, gab es 1980 längst nicht mehr.

 Ehemalige "Bewegte" betonen das veränderte Lebensgefühl. Im Sommer 1980 schien plötzlich alles möglich, man konnte alles ausprobieren …

 Gilgen: Auf Kosten der anderen.

 … und ein Grund für den Ausbruch der Bewegung sei eben gewesen, dass die Stadt zuvor langweilig war.

 Gilgen: Nun, ich war vielleicht etwas früher im Alter der Bewegten und erlebte meine Adoleszenz in der Zeit nach dem Krieg. Als langweilig habe ich Zürich jedoch nie empfunden. Ich glaube gerne, dass der Sommer 1980 für manche wie ein Aufbruch wirkte. Heute darf ja jeder bis morgens um vier durch die Bars ziehen und feiern. Ob das für die Stadt ein riesiger Fortschritt ist, vermag ich aber nicht zu beurteilen.

 Welche Motive erkannten Sie also hinter der 80er-Bewegung?

 Gilgen: Sie war sicher nie eine politische Bewegung, höchstens ganz am Rande. Erst durch mein Handeln beziehungsweise mein Verbot des Films, hat sie eine stärkere politische Komponente erhalten. Das war mir zwar unangenehm, ich aber hatte erwartet, dass dies geschehen würde. Man muss etwas nur verbieten, und schon erhält das Thema mehr Aufmerksamkeit. Besagter Film entstand am Ethnologischen Institut der Uni Zürich. Die Studenten sollten Aktionsgruppen ausserhalb der Uni mit dem neuen Medium Video vertraut machen und Filme herstellen, die die öffentliche Diskussion über die Anliegen dieser Gruppen ankurbeln sollten, wie der Sammelband "Wir sind, was wir erinnern. Zur Geschichte der Studierenden der Uni Zürich" rapportiert. Ein Teil der Studenten nahm Kontakt auf zu Jugendlichen in der Bewegung und war am 30.Mai 1980 mit der Kamera vor Ort, als der Opernhauskrawall begann. Sie filmten die Stein- und Eierwürfe der Demonstranten, den Einsatz der Polizei und schliesslich die Flucht des Videoteams. Der Film wurde im Theater am Neumarkt, in der Roten Fabrik und im Volkshaus gezeigt, bevor Regierungsrat Gilgen am 6.Juni 1980 weitere Aufführungen untersagte. Der Leiter des Ethnologischen Instituts weigerte sich, den Film herauszugeben und es kam am 9.Juni an der Uni zu einer weiteren Aufführung vor rund 2000Zuschauern. Am 10.Juni zeigte das Schweizer Fernsehen einen Ausschnitt aus dem Streifen, am 17.Juni wurde das Videoband schliesslich im Tresor des Universitätsrektors eingeschlossen. Dort blieb es, bis die Staatsanwaltschaft das Video am 2.Oktober beschlagnahmte und in der Annahme visionierte, er könnte als Beweismittel gegen Demonstranten dienen.

 Sie rechneten mit einem Aufruhr rund um den Film?

 Gilgen: Natürlich wusste ich, dass ich der Bewegung mit dem Verbot helfe - und ein ehemaliger Bewegter hat mir das später auch bestätigt. Aus Gründen der Opportunität hätte ich den Film also besser nicht verboten. Für mich war und ist es jedoch ein Grundsatzentscheid, dass ein Streifen, der letztlich Propaganda für die Bewegung machte, nicht auf Kosten des Staates hergestellt und vorgeführt werden durfte. Die Universität ist auf öffentliche Gelder sowie das Wohlwollen von Bevölkerung und Kantonsrat angewiesen. Wenn der Eindruck entsteht, mit Staatsgeldern werde der Aufstand geprobt, wird sich das eines Tages negativ auswirken. Das wollte ich nicht.

 Haben Sie sich den Film vor dem Verbot angesehen?

 Gilgen: Nein. Im Vorfeld hat mich ja niemand gefragt, ob der Streifen gezeigt werden darf. Später konnte ich ihn mir nicht mehr ansehen. Nach dem Verbot wurde er erst weggeschlossen, dann versiegelt.

 Haben Sie ihn seither gesehen?

 Gilgen: Nein, auch nicht.

 Woher wussten Sie denn, dass es sich um Propaganda für die Bewegung handelte?

 Gilgen: Das wurde in den Zeitungen beschrieben, von Leuten, die den Film gesehen hatten. Dem Urteil, dass es sich um einen Propagandafilm handelt, hat im Übrigen niemand je widersprochen. Aber ich gebe zu, das ist wohl die kniffligste Frage: War es nun ein wissenschaftlicher oder ein propagandistischer Film?

 Wurde nach Ihrem Entscheid innerhalb der Universitätsleitung noch über den Film diskutiert?

 Gilgen: Ja, kontrovers. Der Rektor vertrat dabei die Meinung, das Verbot sei ein Fehler gewesen.

 Wäre die Uni nicht der richtige Ort für die Auseinandersetzung mit den aktuellen Geschehnissen gewesen?

 Gilgen: Richtig, aber es wusste ja keiner, was die Bewegung eigentlich bewegen wollte. Niemand konnte artikulieren, was hinter dem Protest steckte. Es wurde zwar ständig gesagt, man wolle alles und sofort - aber nicht was.

 Was, denken Sie, wurde gewollt?

 Gilgen: Das weiss ich nicht. Zu Anfang ging es um ein vernünftiges Anliegen, nämlich ein Jugendhaus. Dafür konnte man Verständnis haben. Später wurde die Bewegung aber von der ausserparlamentarischen linken Opposition instrumentalisiert, und damit hielten auch der Krawall und die Gewalt Einzug. Die Exponenten der Bewegung beteuerten zwar, sie seien von der Gewalt überrascht worden. Aber keiner der Wortführer - die es entgegen allen Beteuerungen doch gab - hat sich damals öffentlich von der Gewalt distanziert. Natürlich ist es schwer, sich gegen die eigene Basis zu stellen. Aber heute verlangt man auch von jedem Fussballklub, dass er sich von Krawallmachern abgrenzt, die letztlich nur ihre eigenen Interessen verfolgen.

 Ihr Film-Verbot machte Sie zum Buhmann der Studenten. Wie gingen Sie damit um?

 Gilgen: Für mich war das viel weniger belastend als für meine Familie. Es ist halt so, dass man zum Buhmann wird, wenn man unpopuläre Entscheide trifft. Ich konnte mich jedoch wehren, eine Pressekonferenz abhalten oder mich sonst wie äussern. Meine Frau und meine beiden Töchter litten dagegen sehr darunter, dass wir angefeindet und bedroht wurden. Zeitweise erhielten wir in der Nacht anonyme Anrufe und hatten zu unserem Schutz die Polizei im Haus. Das war aber nicht erst 1980 so, sondern schon Mitte der 70er-Jahre.

 Hat die Bewegung von 1980 in Zürich auch etwas Positives bewirkt?

 Gilgen: Vielleicht, dass die so genante Alternativkultur heute von der öffentlichen Hand nicht mehr so knauserig behandelt wird wie früher

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 Züri Brännt

 Mit dem Opernhauskrawall brach am 30.Mai 1980 in Zürich die Zeit der "Bewegung" an. Demonstrationen und Ausschreitungen, die sich an der Forderung nach Raum für alternative Kultur und ein autonomes Jugendzentrum (AJZ) kristallisierten, hielten die Stadt bis zum Abbruch des AJZ am 28.März 1982 in Atem. Zu den Kulturbetrieben, die aus dieser Zeit hervorgingen, gehören die Rote Fabrik und das Jugendhaus Dynamo. In einer Serie, die heute endet, stellten wir Ihnen Menschen vor, die im Zusammenhang mit der Jugendbewegung eine Rolle spielten. Bereits erschienen: Achmed von Warburg, Ex-Punk; Christoph Schaub, Regisseur; Olivia Heussler, Fotografin; Kristin Gunkel, Ex-Jugendhausleiterin. (liz)

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NZZ 26.6.10

Als Zürich brannte

 Eine Buchpräsentation und ein Gespräch über die Jugendunruhen von 1980

 Roman Bucheli ⋅ Fast etwas unwillig setzt sich Reto Hänny in der Buchhandlung Bodmer beim Stadelhofen aufs improvisierte Podium. Hinter ihm eine Wand mit Reiseführern von Amsterdam bis Zypern. Auf diese Bücherwand nun wirft er einen Blick und meint mit einem Seufzer, lieber würde er verreisen als noch einmal über die Ereignisse vom Sommer 1980 reden, da die Zürcher Jugend gegen reale und eingebildete Betonköpfe anrannte. Dennoch kommt er gleich ohne Umschweife auf jenen Tag zu reden, der sein Vertrauen in den Rechtsstaat zerstört habe und der sichtlich in sein Gedächtnis, ja in seinen Körper eingebrannt ist, als sei es gestern gewesen: Am 6. September 1980, um 18 Uhr 35, sei er von Polizisten in Zürich Fluntern niedergeknüppelt und verhaftet worden.

 Davon gab Hänny in dem Büchlein "Zürich, Anfang September" Bericht. Dieser Text nun wurde in dem jüngst erschienenen Sammelband "Zur(e)ich brennt" (Europa-Verlag) zusammen mit anderen Texten rund um den Opernhauskrawall von 1980 noch einmal abgedruckt. Ausschnitte daraus las Hänny an der Buchpremiere am Donnerstagabend vor: Bestürzend nüchtern und fast schmerzhaft präzise schildert er darin die Ereignisse und kontrastiert sie mit Reminiszenzen an Joyce und Robert Walser, Büchner und Mahlers Musik.

 Liessen schon seine einleitenden Bemerkungen wie auch die Lesung erkennen, wie nah Hänny die Erinnerungen noch heute gehen, so erfuhr das Tremolo der Erregung in der nachfolgenden Diskussion ein beklemmendes Crescendo. Im Gespräch mit dem Herausgeber Lars Schultze und dem Schriftsteller Jürgmeier vermochte Hänny noch einigermassen die Contenance zu wahren. Als sich jedoch aus dem Publikum Hugo Bütler, der damals in der NZZ über die Jugendunruhen schrieb, zu Wort meldete und mit bedenkenswerten und nuancierten Überlegungen den historischen und ideologischen Kontext der Krawalle ein wenig ausleuchtete, kochten Hännys Wut und Zorn wieder unvermindert auf.

 Dennoch - oder vielleicht gerade darum - ergab sich ein inspirierendes, in viele Richtungen ausgreifendes Gespräch. Korrigiert wurde ein wenig der Eindruck, Zürich sei allein dank den Jugendunruhen freiheitlicher und moderner geworden. Die gesellschaftlichen Umbrüche nach 1980 seien bereits in den sechziger Jahren vorbereitet worden. Umgekehrt sei manches aus der anarchistischen Bewegung heraus in den Sog der verharmlosenden Vereinnahmung gelangt.

 Spürbar jedoch lag den ganzen Abend auch nachträglich noch der Schock in der Luft angesichts des unvermuteten Gewaltausbruchs. Am Rande wurden denn auch Möglichkeiten erwähnt, wie die Polizei mit einer deeskalierenden Strategie mässigend auf die Krawalle hätte einwirken können.

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1968
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Indymedia 27.6.10

Jimi Hendrix in Zürich 1968 ::

AutorIn : sixtyeight     
    
Ende Mai 1968 rechnete kaum ein Bewohner der sonst so gutbürgerlichen Schweiz mit den ausufernden Folgen eines Jimi Hendrix Konzertes. In einem Land, in dem Ordnung, Pünktlichkeit und Sauberkeit die obersten Maximen darstellten, begannen nun aufrührerische Zeiten. Junge Menschen fingen an, sich zu verweigern, sich zu organisieren und zusammenzuschließen und gegen ein vom Elternhaus erzwungenes Weltbild zu kämpfen. Der Autor Jürg Hassler gehörte zu diesen Jugendlichen, die sich aufbäumten gegen jede Art von Uniformen, gegen gemeinsames Marschieren und gegen jedes Herumkommandieren. Er erzählt seine Geschichte, in der er anfangs von der Musik verzaubert zu einem Straßenkämpfer wird und ausbrechen will, sich nicht mehr als Teil einer kritiklosen, konsumorientierten Gesellschaft sieht, die es nicht schafft, über ihre eigenen Berge hinaus zu blicken.

http://www.youtube.com/watch?v=ZJ6nzFy_FOk

http://www.laika-verlag.de/bibliothek/krawall

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RECLAIM USTER
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Indymedia 26.6.10

Communiqué zur RTS in Uster ::

AutorIn : reclaim your life         

Gestern Abend, am 25.6. versammelten sich ca. 60 Menschen in Uster, um sich selbstbestimmt mit Musik und Tanz die Strasse zu nehmen. Während dem Umzug wurden Flugblätter verteilt, Reden gehalten, Plakate geklebt und ein Hip-Hop-live-Act reimte politische Zeilen.
Wir wehren uns damit gegen die schleichende Privatisierung, Kommerzialisierung und Überwachung.
Nach dem einstündigen Umzug durch die Innenstadt von Uster, beendeten wir die Aktion mit einer Party im Stadtpark, an der sich spontan weitere Menschen anschlossen. Leider wurde die friedliche Party um ca. 00:30 von geschätzten 15 Bullen, z. T. in Kampfmontur, gestört, und wir mussten die Party frühzeitig beenden.
Aber:
Heute ist nicht aller Tage,
wir kommen wieder, keine Frage!

Heute holen wir uns die Strasse zurück, morgen unser Leben!


Folgendes Flugblatt wurde verteilt:

RECLAIM THE STREETS

Unser Alltag ist geprägt von Monotonie und Langeweile. Alles ist kontrolliert und normiert. Die meiste Zeit unseres Lebens besteht aus Lohnarbeit oder der Vorbereitung darauf. Die vermeintliche Abwechslung in Form von Ausgang und Party ist in Tat und Wahrheit auch nur eine konsequente Fortführung dieser Monotonie. Es gibt kein Raum für selbstorganisierte Kultur jenseits des konsum- und profitorientierten Mainstream. Die (Party-)kultur ist eine Kultur des Konsums, es entscheiden nicht die Menschen, es entscheidet die Erfolgsrechnung. Dies grenzt viele Menschen aus: Passt du nicht ins Bild, hast du den falschen Pass, kein Bock auf Sexismus, Homophobie und Mackertum, kein Geld oder willst du es nicht in rauen Mengen ausgeben bleibst du eben draussen.

Und dann stehen wir draussen, im sogenannten "öffentlichen Raum", den wir ebenfalls in keinster Weise mitgestalten können. Jegliche Spontanität und Kreativität wird erdrückt durch eine Fülle von Regeln, Gesetzen, vermeintlichen Sachzwängen und Aufrufen zur Vernunft. In einer Welt, in der nichts gratis ist und alles zur Ware wird, entwickelt sich auch der öffentliche Raum zu einer Wüste aus Beton, Glas und Werbetafeln, die bei weitem nicht öffentlich ist. Da ist nur willkommen was Profit bringt und den Normalbetrieb nicht stört. Alles andere wird vertrieben, von der Polizei, privaten "Sicherheits"-firmen, mit Zäunen und Kameras, durch Überbauung, "Aufwertung" und Privatisierung.

Wir nehmen uns die Strasse, weil wir Raum brauchen um uns auszudrücken, um unserer Kreativität freien Lauf zu lassen und um unsere Wünsche, unsere Inhalte, unsere Wut an einem Ort zu artikulieren, wo sie auch wahrgenommen werden. Wir nehmen uns die Strasse, damit wir Platz haben, um zusammen zu kommen, uns auszutauschen, um gemeinsam zu feiern und gemeinsam zu kämpfen. Wir nehmen uns die Strasse ohne zu fragen, ohne etwas zu fordern, denn wir wüssten nicht, an wen wir uns wenden sollten. Wir machen uns da keine Illusionen: Von diesem Staat können wir nichts erwarten, wir müssen unseren Freiraum selbst erkämpfen. Und es interessiert uns nicht, wenn behauptet wird das sei illegal, denn illegal bedeutet nicht illegitim.

Dadurch, dass wir uns Raum nehmen, entsteht ein kleiner Teil einer Perspektive. Wir bekommen eine Vorstellung davon, wie es ist, nicht mehr isoliert sondern kollektiv zu handeln und welche Möglichkeiten sich dabei eröffnen. Wir erleben, wie es sich anfühlt, sich einen Teil seines Lebensraumes zurück zu holen und nach den eigenen Vorstellungen zu gestalten, wenn auch nur für eine kurze Zeit. Wir durchbrechen die bestehenden Kategorien wie "legal" und "illegal", "vernünftig" und "leichtfertig", "realistisch" und "illusorisch" oder "sinnvoll" und "sinnlos" und all die anderen unhinterfragten Bezeichnungen und bewerten die Dinge neu, nach unseren Kriterien. Heute holen wir uns die Strasse zurück, morgen unser Leben.

RECLAIM YOUR LIFE

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HOMOHASS
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Tribune des Genève 29.6.10

Un artiste accusé d'homophobie invité au Palladium

Mateo Broillet

 Le chanteur de dancehall Beenie Man va se produire le 30   juin. Une association veut l'en empêcher.

 Dans un courrieladressé à la Mairie de la ville, Yves-Olivier Magerl, responsable deswissgay. ch, demande l'annulation du concert de Beenie Man, chanteur dancehall jamaïcain. L'artiste, prévu demain au Palladium, salle gérée par la Ville, est accusé de propos homophobes soutenus dans certaines chansons. Notamment dans son morceau "Mi nah wallah" dans lequel le chanteur invite à "égorger les homosexuels". Récemment, le musicien s'était déjà fait annuler son concert au festival Couleur café à Bruxelles, à la suite de l'intervention du Ministère de la culture wallon.

 L'organisateur et les associations LGBT (Lesbiennes, gays, bisexuels et transgenres) ne dramatisent pas la situation. Dans une réunion organisée hier entre les associations LGBT et l'organisateur du concert, le mot d'ordre était le dialogue.

 Pour Philippe Scandolera - coprésident de la Fédération genevoise des associations LGBT - c'est donc bien l'entente qui prime: "Il y a eu un vrai désir de rencontre! Pas de confrontation, donc, mais plutôt un vrai dialogue entre les différents représentants. " Un communiqué commun doit être publié aujourd'hui.

 Si l'organisateur, qui veut rester anonyme, partage ce point de vue, il précise que l'artiste s'était déjà produit au Montreux Jazz Festival en 2007. Selon lui, l'homophobie du chanteur n'est qu'une infime partie de son travail: "Sur 10 000 chansons, 9999 ne sont pas homophobes!" Il insiste: "Une interdiction du concert ne serait qu'une pure et simple privation de la liberté d'expression. " En janvier dernier, Beenie Man s'était excusé de ses propos qu'il qualifiait "d'incompris".

 Pas de laxisme

 Ce cas rappelle celui de l'humoriste Dieudonné interdit de salle municipale au début de 2009 pour propos diffamatoires. L'humoriste taxé d'antisémitisme avait dû se produire par deux fois dans un espace privé. Si la Ville se défend d'un quelconque laxisme par rapport à l'homophobie, une annulation du concert n'est pas prévue, le contrat étant déjà signé. A l'avenir, la prudence sera de mise, promet Valentina Wenger, adjointe de direction au Département des finances.

 La Gérance immobilière municipale, qui s'occupe du Palladium, avait donné son accord sans connaître dans le détail la liste des invités. Valentina Wenger: "Nous assisterons au concert et allons déposer une plainte si des propos homophobes sont tenus. "

 Mateo Broillet

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 Les mots

 Ce que dit Beenie Man.

 • "Je rêve d'une Jamaïque qui exécuterait tous les homosexuels. " Voilà la phrase qui inquiète. Le chanteur s'était excusé en janvier dernier pour ces paroles "incomprises". Dans le milieu du ragga-dancehall, des pointures jamaïcaines comme Capleton, Buju Banton ou encore Sizzla avaient déjà été empêchées de jouer pour les mêmes accusations d'homophobie. MB

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RAEL
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20 Minuten 28.6.10

Sekte gegen Hakenkreuz-Verbote

 GENF. Die Ufo-Sekte Rael kämpft gegen Hakenkreuz-Verbote. Begründung: "Die Swastika ist ein Symbol für Frieden, Harmonie und Glück, das von den Nazis gekidnappt wurde", so Rael-Sprecher Chris Antille. Die auch als "Sex-Sekte" bekannte Bewegung mit Hauptsitz in Genf hat den 27. Juni deshalb kurzerhand zum "Welt-Rehabilitations-Tag" für die Swastika erklärt. Dass Rael von der Schweiz aus weltweit für das Symbol kämpft und dabei auf Webseiten verweist, die auch die als "Hitlergruss" bekannte Handgeste enttabuisieren, ist heikel: Der Bundesrat will rassistische Symbole wie das Hakenkreuz nämlich verbieten. Ergebnisse einer Vernehmlassung sollen demnächst präsentiert werden. Für Sektenexperte Georg Otto Schmid ist die Rael-Ideologie zwar fern von jeglichem Rassismus, Gemeinsamkeiten mit dem Faschismus bestünden aber trotzdem: "Auch die Raelianer lehnen die Demokratie ab. Sie wollen die Herrschaft einer Elite." Die Rael-Kampagne ist auch für Jonathan Kreutner vom Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund unverständlich: "Angesichts der grossen Katastrophe, die die Nazis über Europa gebracht haben, muss man genug sensibel sein, um dieses Symbol nicht gedankenlos zu fördern."  fum

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PNOS
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20 Minuten 28.6.10

Pnos Basel: Eglin tritt ab

 BASEL. Philippe Eglin, der Vorsitzende der regionalen Sektion der rechtsradikalen Partei National Orientierter Schweizer (Pnos), tritt per sofort zurück. Als Grund werden auf der Pnos-Homepage berufliche Gründe angegeben. Der Rücktritt stehe nicht in Zusammenhang mit dem hängigen Verfahren gegen Eglin. Der Baselbieter muss sich nächsten Monat wegen des Vorwurfs der Rassendiskriminierung vor dem Strafgericht verantworten, weil er das Tagebuch von Anne Frank als Lüge bezeichnet hat. Neuer Vorsitzender der Pnos Basel wird der bisherige Stellvertreter Michael Herrmann.

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SEMPACH
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NLZ 29.6.10

Sempach

 Neue Schlachtfeier: Grösse ist umstritten

 Nationale Bühne oder bloss ein Luzerner Anlass? Der Konzeptentwurf spaltet die Meinungen der Parteien.

 flj. Während gestern für einmal nur in einem schlichten ökumenischen Gottesdienst der Schlacht bei Sempach gedacht wurde, ist bei den Parteien die Diskussion um die Neuausrichtung des offiziellen Anlasses voll lanciert. Das von der Schlachtjahrzeit-Kommission vorgeschlagene Konzept sieht eine gross angelegte Feier mit nationaler Ausstrahlung vor. Zwar stehen die Luzerner Kantonsratsparteien hinter einem neuen Konzept, ob der Frage nach den Dimensionen scheiden sich jedoch die Geister. Die SVP befürchtet, dass ein grösserer Anlass erst recht extreme Gruppen anzieht. Für die CVP ist die Grösse hingegen entscheidend: "Je mehr Leute kommen, desto weniger Platz haben die Extremisten", sagt Fraktionschef Bruno Schmid. Für SP und Grüne ist entscheidend, dass auch inhaltlich anspruchsvolle Elemente aufgenommen werden.

 Regierungspräsident Anton Schwingruber erklärte gestern auf Anfrage: "Wir wollen künftig wieder einen Anlass für die ganze Bevölkerung." Damit ist klar: Eine "Light-Version" der Feier wie in diesem Jahr ist keine Option. Die Regierung wird gemäss Schwingruber bis spätestens Ende Jahr entscheiden, wie die Feier in Zukunft aussehen wird.

 Seite 21

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Sempach
 
"Weg vom Blut-und-Boden-Image"

Von Jan Flückiger

 Gestern gab es nur einen schlichten Gottesdienst. Ab nächstem Jahr kriegt die Schlachtjahrzeit ein neues Gesicht. Doch welches?

 Keine Festreden, keine Musik, keinen Umzug und grossen Publikumsaufmarsch. Stattdessen ein schlichter ökumenischer Gottesdienst in der Sempacher Schlachtkapelle: So sah die gestrige "Light-Version" der Schlachtjahrzeit aus, nachdem sich der Luzerner Regierungsrat in diesem Jahr zu einem Marschhalt für die offiziellen Feierlichkeiten entschlossen hatte. Der in den vergangenen Jahren zunehmende Aufmarsch von extremen Gruppierungen hatte dieses Manöver provoziert. Eine Kommission wurde damit beauftragt, ein neues Konzept zu erarbeiten. Das Grundgerüst steht bereits: Ab 2011 soll die Schlachtjahrzeit ein grosser Festanlass mit nationaler Ausstrahlung werden (siehe Kasten).

 Uneinigkeit über Grösse

 Doch was halten die Parteien von dieser Idee? Eine Umfrage unter den Fraktionspräsidenten gestern im Kantonsrat zeigt: Gemeinsames Ziel ist es, in Sempach eine Feier für die breite Bevölkerung zu gestalten - und zu verhindern, dass Radikale, egal ob rechts oder links, den Anlass für ihre Zwecke instrumentalisieren. "Die Sicherheitskosten waren dem Anlass nicht mehr würdig", sagt Bruno Schmid (CVP).

 Was die Grösse der neuen Feier anbelangt, sind die Parteien jedoch gespalten. Albert Vitali (FDP) betont, dass die Schlachtjahrzeit ihren ursprünglichen Charakter beibehalten soll. "Die Feier lebt von der Nähe zum Volk. Zwischen geladenen Gästen und normalen Besuchern gibt es keine Zweiteilung, das soll so bleiben." Auch SVP-Fraktionschef Guido Müller möchte, dass an den traditionellen Wurzeln der Feier festgehalten wird. "Man kann das Fest schon grösser machen, die Frage ist einfach, wie viel es dann kostet." Zudem befürchtet er, dass ein grösserer Anlass mit mehr Medienpräsenz erst recht extreme Gruppen anzieht. Dem widerspricht Bruno Schmid (CVP): "Je mehr Leute kommen, desto weniger Platz haben die Extremisten." Schmid möchte möglichst viele Leute begeistern, es solle aber in erster Linie eine Feier für die Luzernerinnen und Luzerner bleiben. "Wenn sie dann nationale Ausstrahlung bekommt, umso besser."

 Tradition oder Aktualität?

 Auch die SP befürwortet die Neukonzeption. Fraktionspräsidentin Silvana Beeler hat aber noch ein anderes Anliegen: "Der Anlass muss weg von diesem Blut-und-Boden-Image." Deshalb unterstützt sie auch die Idee von Diskussionsrunden zu aktuellen Themen. "So gäbe es etwas fürs Gemüt und etwas fürs Hirn", sagt Beeler. Unterstützung kriegt sie von den Grünen: "Das neue Konzept ist eine Gelegenheit, die Befunde der neueren Geschichtsschreibung auch zu berücksichtigen und wegzukommen von gewissen Mythen", sagt Fraktionschef Nino Frölicher. Anders sieht das Albert Vitali (FDP): "Diskussionsrunden sehe ich nicht, diskutieren können die Leute am Fest untereinander." Auch Guido Müller (SVP) ist skeptisch: "Wir dürfen die Feier nicht überladen, sonst verliert sie ihr Gesicht."

 Entscheidung bis Ende Jahr

 Warum aber nicht einfach die gestrige "Light-Version" der Feier beibehalten? Das ist für den Regierungsrat keine Option. Das gesamte Gremium folgte gestern dem Gottesdienst in der Schlachtkapelle, zusammen mit etwa 40 Kantonsräten, dem Sempacher Stadtrat und weiteren Gästen. Regierungspräsident Anton Schwingruber erklärte auf Anfrage: "Wir wollen künftig wieder einen Anlass für die ganze Bevölkerung. Speziell wichtig ist es, auch die Jugend dafür zu gewinnen." Eine Gedenkfeier sei dazu da, nachzudenken - auch über die Geschichte des Kantons. So sieht er auch allfällige Diskussionsveranstaltungen als Möglichkeit, die Lehren aus der Geschichte zu ziehen: "Zukunft ist Herkunft", sagte Schwingruber. Die Regierung entscheidet bis spätestens Ende Jahr, wie die Feier künftig aussieht.

 kanton@neue-lz.ch

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 Neues Konzept

 Nationale Grösse

 Das neue Konzept zur Sempacher Schlachtjahrzeit steht in seinen Grundzügen, es soll noch diesen Sommer dem Regierungsrat vorgelegt werden. Vorschlag der Kommission unter Staatsschreiber Markus Hodel: Ab 2011 soll sich die Gedenkfeier fürs grosse Publikum öffnen und ins nationale Rampenlicht rücken (Ausgabe vom 17. Juni). Die neue Feier soll sowohl unterhaltende wie auch ernsthafte Inhalte, wie beispielsweise Diskussionsrunden, beinhalten. Drei externe Event-Experten hatten Ideen entwickelt.

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20 Minuten 28.6.10

Verschmiertes Denkmal: JSVP attackiert Juso

 SEMPACH. Vandalen haben im Vorfeld zur Schlachtfeier in Sempach das Winkelried-Denkmal mit Farbe verschmiert. Bei den Rechten sorgt die Aktion für rote Köpfe.

 "Dieser Anschlag ist Ausdruck einer vollkommenen geistigen Armut", empört sich Pirmin Müller. Der Präsident der Vereinigung Pro Luzern ärgert sich über den "No Nazi"-Slogan, der im Vorfeld der Feier auf das Denkmal bei der Schlachtkapelle Sempach gesprayt wurde. Müllers Ärger ist so gross, dass er für die Person, die der Polizei einen sachdienlichen Hinweis auf die Täter liefert, eine Belohnung von 200 Franken aussetzt. Müller vermutet Autonome hinter der Schmieraktion.

 Anian Liebrand, Präsident der Jungen SVP Luzern (JSVP), hat eine andere Theorie: Er ist überzeugt, dass die Jungsozialisten mit den Tätern zusammengearbeitet haben - oder zumindest mit ihnen sympathisieren. "Ich fordere die Juso dazu auf, den Anschlag ganz klar zu verurteilen und damit endlich Farbe zu bekennen, wie sie zu linksextremer Gewalt stehen", so Liebrand.

 David Roth, Vorstandsmitglied der Juso Stadt Luzern, sieht hierfür keinen Anlass. "Ich finde die Schmiererei eine ganz dumme Aktion, aber wir haben mit der Sache genauso viel zu tun wie die JSVP - nämlich gar nichts."  

Lena Berger

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Zentralschweiz am Sonntag 27.6.10

Schlachtjahrzeit

 Sempacher feiern ohne politische Störenfriede

Barbara Inglin

 Erstmals eine Schlachtfeier in kleinem Rahmen - und trotzdem zogen die Hellebarden-Träger aus.

 "Früher war ich ein Redner unter vielen, heute bin ich der erste und einzige", so begrüsste der Sempacher Stadtpräsident Franz Schwegler gestern seine Bürger zur Jahrzeit der Schlacht bei Sempach von 1386. Schwegler spielt darauf an, dass die Feier bis zum letzten Jahr eine grosse Angelegenheit war, mit der Luzerner Regierung und vielen auswärtigen Besuchern. In diesem Jahr gab es für die Sempacher hingegen nur eine ökumenische Andacht vor der Festhalle mit anschliessendem Morgenbrot. Kein Umzug, keine grossen Reden. Denn im letzten Jahr waren neben den Rechtsextremen erstmals auch linke Demonstranten aufgetaucht - das zog ein riesiges Polizeiaufgebot nach sich. Das Städtchen glich einer Festung.

 Verschmiertes Denkmal

 Auf den gut besetzten Festbänken am See waren die Besucher denn auch einfach froh, dass man das strahlende Sommerwetter, Musik und Morgenbrot in Ruhe geniessen konnte. Trotzdem spricht Stadtpräsident Schwegler wohl für alle, wenn er sagt: "In Zukunft wollen wir wieder ein grösseres Fest und einen Umzug durchs Städtli." An einem solchen Konzept für eine Feier mit nationaler Ausstrahlung wird derzeit gearbeitet (Ausgabe vom 17. Juni).

 Ganz frei von Störaktionen blieb die Schlachtjahrzeit aber nicht. Unbekannte hatten in der Nacht auf Samstag das Winkelried-Denkmal bei der Schlachtkapelle mit roter Farbe beschmiert. Gestern Vormittag war die Schmiererei bereits weitgehend beseitigt. Im Vorfeld munkelte man, dass die Rechtsextremen hier auftauchen wollten. Tatsächlich zeigt sich kurz vor Mittag in der Ferne eine Horde Männer, die den Hügel hinaufstapft. Sie tragen keine Springerstiefel, sondern farbige Strumpfhosen und Hellebarden über der Schulter. Die historische Kriegergruppe Sempach hat sich unangekündigt trotzdem zum Marsch aufs Schlachtfeld entschlossen. "Es gehört einfach dazu, das lassen wir uns nicht von politischen Gruppierungen kaputtmachen", sagt Obmann Peter Schürmann.

 barbara.inglin@neue-lz.ch

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NZZ am Sonntag 27.6.10

Unbekannte haben in der Nacht auf Samstag das Winkelried-Denkmal in Sempach (LU) mit Schriftzügen gegen Nazis versprayt. Sonst blieb es am Samstag an der Feier zur Erinnerung an die Schlacht von Sempach von 1386 ruhig. In den Vorjahren hatten der Aufmarsch von Rechtsextremen und Gegenkundgebungen von Linksradikalen für Schlagzeilen gesorgt. Um Auseinandersetzungen zu vermeiden, wurde die Feier in kleinerem Rahmen als früher abgehalten und fand weitab vom Schlachtfeld statt. (sda)

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Sonntag 27.6.10

Anschlag auf Winkelried

 Das Denkmal in Sempach wurde mit roter Farbe versprayt

 In der Nacht auf Samstag haben Unbekannte das Winkelried-Denkmal in Sempach verschmiert. "No Nazis" lautet der Schriftzug, den sie mit roter Farbe auf das Denkmal sprayten. Die Schmiererei konnte im Verlauf des Vormittags weitgehend beseitigt werden, teilte die Luzerner Polizei mit. Die Farbattacke dürfte ein Protest gegen die Rechtsradikalen sein, die in den vergangenen Jahren immer wieder an der Sempacher Schlachtjahrzeit aufmarschiert waren - dem Gedenktag an die Schlacht gegen die Habsburger. 2009 hatten die Sicherheitsvorkehrungen rund 300000 Franken gekostet. Darum fand gestern Samstag anstelle einer grossen Feier nur mehr ein Gedenkgottesdienst statt. (PKR)

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Sonntagsblick 27.6.10

Denkmal in Rot

 SPRAYER

 Der Stein erinnert an die Schlacht von Sempach 1386 - vor allem aber an deren sagenumwobenen Helden Arnold von Winkelried. In der Nacht zum Samstag besprühten Unbekannte das Denkmal im Luzernischen mit roter Farbe. Die Schmiererei wurde umgehend beseitigt. In einiger Entfernung von dem historischen Schlachtfeld fand später eine um alles Militärische bereinigte Version der jährlichen "Schlachtfeier" statt. In den letzten Jahren war es dabei regelmässig zur Konfrontation von Rechts- und Linksradikalen gekommen. Diesmal blieb alles ruhig.

 NATASCHA EICHHOLZ

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sf.tv 26.6.10

Farb-Attacke auf Winkelried-Denkmal

 Unbekannte haben das Winkelried-Denkmal auf dem Schlachtfeld in Sempach mit roter Farbe versprayt. Es handelt sich dabei offensichtlich um einen Protest gegen Rechtsradikale.

sda/hjw

 Die so genannte Schlachtjahrzeit in Sempach - in Erinnerung an die Schlacht von 1386 gegen die Habsburger - findet jeweils am letzten Juni-Samstag statt. In den vergangenen Jahren sorgte der Aufmarsch von Rechtsradikalen und, in ihrem Gefolge, von Linksradikalen für Schlagzeilen. Mit einem grossen Polizeiaufgebot mussten 2009 die Gruppen getrennt werden.

 Keine grosse Feier

 Um die Situation zu entschärfen, wurde die Feier entschlackt und von der Schlachtfolklore befreit. Der Stadtrat Sempach lud die Bevölkerung zu einer ökumenischen Andacht und zum Morgenbrot an die Seeallee - fernab vom Schlachtfeld. Die Luzerner Regierung hat einen Gedenkgottesdienst angesagt.

 Die Rechnung scheint aufgegangen zu sein. In Sempach blieb es ruhig. Allerdings entdeckte man das mit roter Farbe versprayte Winkelried-Denkmal. "No Nazis" lautete der
 Schriftzug. Ausserdem war die Inschrift (Hier hat Winkelried) "..den Seinen eine Gasse gemacht" übersprayt.

 Täter noch unbekannt

 Die Schmiererei sei bereits weitgehend beseitigt worden, teilte die Luzerner Polizei mit. Es werde nun abgeklärt, wie sie vollständig beseitigt werden könne. Der Schaden könne zurzeit nicht beziffert werden. Die Polizei ermittle gegen die unbekannte Täterschaft.

 Die "Schlachtfeier light" in diesem Jahr ist als Denkpause gedacht. Für das nächste Jahr überlegt sich der Kanton Luzern eine neue Form für die Feier. Die SVP bezeichnete das als "Kniefall" vor Krawallmachern. Das Kantonsparlament stellte sich jedoch mit 78 zu
 38 Stimmen hinter das Vorgehen der Regierung.

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G8/G20
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NZZ am Sonntag 27.6.10

Mit Schallkanonen gegen Demonstranten

 Für den G-20-Gipfel, der an diesem Wochenende in Toronto stattfindet, hat sich die kanadische Stadt in eine Festung verwandelt. Die Innenstadt ist durch Zäune und Barrieren in mehrere Sicherheitszonen gegliedert. Banken in diesem Bereich haben geschlossen, und andere Geschäfte haben ihren Mitarbeitern empfohlen, zu Hause zu bleiben. Rund 20 000 Soldaten sowie Polizei und andere Sicherheitskräfte, deren Einsatz rund eine Milliarde Dollar kostet, sollen die Gipfelteilnehmer vor Zwischenfällen bewahren. Gipfel haben in der Vergangenheit oft gewalttätige Demonstrationen angezogen. Ein Protestmarsch am Freitag fand aber eher geringe Beteiligung. Für Samstag und Sonntag waren Grossdemonstrationen geplant. Ein Richter erlaubte zwar den Einsatz von Schallkanonen gegen die Demonstranten, aber er ordnete ein tieferes Volumen an. (brü.)

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Newsnetz 26.6.10

Kanadische Polizei darf Schallkanonen einsetzen

sda/dapd / bru

 Die kanadische Polizei hat für ihren Plan zum Einsatz von Lärmkanonen gegen Demonstranten auf dem G-20-Gipfel Rückendeckung bekommen. Das Oberste Gericht des Staats Ontario wies eine Beschwerde ab.

 Die Bürgerrechtsvereinigung Canadian Civil Liberties Association (CCLA) hatte den Einsatz der über Kilometer hinweg hörbaren Schallkanonen wegen Gesundheitsgefahren verbieten lassen wollen. Das Gericht wies die Polizei aber an, die Instrumente im Falle eines Einsatzes nur auf der niedrigsten Lärmstufe zu nutzen.

 Bürgerrechtler hatten die kanadische Polizei scharf für den Erwerb von vier Schallkanonen kritisiert. Die Instrumente können ohrenbetäubenden Lärm von bis zu 150 Dezibel ausstossen. Ihr Einsatz soll dazu dienen, Menschenmengen auseinanderzutreiben.

 Kritiker machten geltend, dass die Geräte - die unter anderem in den Kriegen im Irak und in Afghanistan zum Einsatz gekommen seien - nicht zur Nutzung in Stadtgebieten geeignet seien und gefährliche Gesundheitsschäden nach sich ziehen könnten. Anlässlich des Beginns des G-20-Gipfels in Toronto haben sich für Samstag mehrere Demonstrationszüge angekündigt.

 G-8 wendet sich aussenpolitischen Themen zu

 Nach den kontroversen Diskussionen über die beste Wachstumsstrategie für die Weltwirtschaft widmen sich die Staats- und Regierungschefs der G-8 am zweiten Tag ihres Gipfeltreffens in Kanada den aussenpolitischen Konfliktherden. Auf der Agenda standen heute unter anderem Gespräche über den Atomstreit mit Nordkorea und dem Iran. Am Abend kommt dann in Toronto die Runde der G-20 zusammen, die Gruppe der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer.

 Sowohl die USA als auch die europäischen Staaten dürften zum Abschluss des G-8-Gipfels im Hotelkomplex "Deerhurst Resort" in der Ferienregion Muskoka auf härtere Sanktionen gegen Teheran dringen. China und Russland stehen neuen Strafmassnahmen des UN-Sicherheitsrates skeptisch gegenüber.

 Angesichts der anhaltenden Differenzen in wirtschaftspolitischen Fragen bemühten die G-8 um Geschlossenheit bei anderen Themen. So versprachen sie am Freitag mehr Geld, um die Sterblichkeit von Kindern und Müttern in Entwicklungsländern zu verringern. Der kanadische Ministerpräsident Stephen Harper ergriff die Initiative und sagte, sein Land werde 1,1 Milliarden Dollar (0,9 Milliarden Euro) zusätzlich bereitstellen. Die US-Regierung stellte 1,35 Milliarden Dollar in Aussicht.

 Keine Unterstützung für Bankenabgabe

 Keine Einigung gab es am ersten Gipfeltag über die beste Strategie für eine konjunkturelle Erholung. Dennoch betonte Bundeskanzlerin Angela Merkel: "Die Diskussion war nicht kontrovers, sondern von gegenseitigem, grossen Verständnis geprägt." Die USA hatten vor dem Gipfel den Sparkurs Deutschlands und anderer europäischer Regierungen kritisiert. Washington setzt eher auf finanzielle Wachstumsimpulse - notfalls auch um den Preis neuer Schulden.

 Abgeblitzt ist Deutschland auf dem G-8-Gipfel mit der Forderung nach einer Bankenabgabe und einer Finanztransaktionssteuer. Diese Ablehnungsfront wird sich nach Merkels Worten noch verfestigen, wenn am Samstag die grosse G-20-Runde in Toronto zusammentritt.

 Die Industrie- und Handelskammern der 20 grössten Wirtschaftsnationen sprachen in einem gemeinsamen Appell an die Gipfelteilnehmer gegen eine internationale Finanztransaktionssteuer und eine Bankenabgabe aus. "Neue Krisen können hierdurch nicht verhindert werden", zitierte die "Welt" aus dem Schreiben. Beide Instrumente seien kein geeignetes Regulierungsmittel, um "systemische Herausforderungen von Kapital und Zahlungsfähigkeit anzugehen".

 Zugleich riefen die Kammern demnach die G-20-Staats- und Regierungschefs auf, ihre öffentlichen Haushalte zu sanieren und ihre Konjunkturstützungsprogramme zurückzufahren. Untragbar hohe Staatsschulden müssten vermieden werden.

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gipfelsoli.org/Newsletter 26.6.10

26.6.2010 Ontario -- Genua -- London

- EVERYBODY TO THE STREETS!
- New police powers could create legal trap for protesters
- Secret law passed by Ontario government gives police special powers during G20
- Judge allows police use of sound cannons with limits
- Toronto G20 summit: car with extra gas and weapons found; arrest made
- Second arrest made in G20 security investigation
- Kanadische Polizei nimmt Terrorverdächtigen fest
- G8/G20 - Einreiseverbot für alternative Berichterstatter
- Genoa G8 appeal, Diaz school raid high ranking police officers convicted on appeal
- Statewatch Analysis: Shock and anger at the violent policing tactics used at the G8 Summit - Part One
Mehr: http://gipfelsoli.org/Newsletter/8478.html