MEDIENSPIEGEL 7. - 13. NOVEMBER 2011

BZ 12.11.11

Wir sind nicht allein

Tojo-Theater · Die Theatergruppe Sans Cible erforscht im Tojo mit "Inkognito (ergo sum)" Verschwörungstheorien. Wirklich tief wird dabei allerdings nicht geschürft.

Drei Frauen starren paranoid ins Publikum. Es handelt sich um die Schauspielerinnen Helena Hebing, Valérie Keller und Noo Steffen des Theaterkollektivs Sans Cible, die sich vorgenommen haben, die Wahrheit zu finden, was immer das heissen mag. Die drei sind auch für das Konzept verantwortlich und spielen fiktive, aber an die eigene Biografie angelehnte Figuren. Noo Steffen erzählt, wie sie nach Studiumsabbruch in Berlin eine Detektivschule besuchte und zur hellwachen Beobachterin wurde. Regel Nummer eins: Der Schein trügt. Auf der Bühne beschattet sie ihre Kolleginnen oder fungiert hinter der allgegenwärtigen Kamera, die in der Verdoppelung zeigt, was auf der Bühne geschieht. Helena Hebing berichtet indessen von einer schleichenden Paranoia, die allmählich von ihr Besitz ergreift, seit sie das Gefühl habe, die Verkäuferin wisse immer ganz genau, was sie brauche und wo sie sei. Sie ist überzeugt: Wir sind nicht allein. Doch wer sind die Beobachter und wer die Beobachteten? Valérie Keller geht wissenschaftlich vor: Sie will ein für alle Mal das Böse orten und zwar mit dubiosen Methoden, wie etwa der Physiognomik, die sie gleich am Publikum testet. Die drei gründen schliesslich einen Verein und schreiben an einem Manuskript mit dem Titel "Die Wahrheit".

Von der Decke herunterhängende Bundesordner werden konsultiert, eine angeblich anonyme Facebook-Seite wird an die Wand projiziert und kommentiert, Kreuzworträtsel rund um Terrorismus und CIA werden gelöst. Das Verhalten selbst ernannter Verschwörungstheoretiker wird mal witzig, mal langatmig parodiert. Viele gute Ideen werden angerissen, aber zu wenig weitergesponnen, um zu faszinieren. Eine tiefere Auseinandersetzung mit dem eigentlich spannenden Thema findet nicht statt.

Ein skurriler Moment gelingt, als Helena Hebing von Google-Street-View verfolgt wird und dies hysterisch kreischend erkennt. Am Ende der etwas unausgegoren wirkenden Collage mit Einspielungen von Filmmaterial, Actionmomenten und Publikumsinteraktionen bleiben viel geschredderte Papierschnipsel und ungelöste Zusammenhänge übrig. Die Wahrheit haben diese Verschwörerinnen natürlich nicht gefunden.

Helen Lagger

<> "Inkognito (ergo sum)"
Sa, 12.11, 20.30 Uhr, im Tojo-Theater, Reithalle, Bern.
---

BZ 12.11.11

Verschieden beantwortet

Reitschule · Polizei und Gemeinderat antworten in einigen Aspekten nicht ganz deckungsgleich auf Fragen in einem Vorstoss zur Reitschule.

Ob und wie sich die Zusammenarbeit mit der Reitschule verändert habe, wollte Stadtrat Alexander Feuz (FDP) mit einem Vorstoss erfahren. Er erhielt daraufhin Akteneinsicht in die Originalantworten der Polizei. Diese decken sich weitgehend mit den Antworten des Gemeinderats auf den Vorstoss. Etwa bei der Feststellung, dass sich die Vorfälle rund um die Reitschule in diesem Jahr gehäuft haben und dass die Situation nicht befriedigend ist.

Es gibt aber auch unterschiedliche Interpretationen: Im Unterschied zum Gemeinderat schrieb die Polizei etwa explizit, dass der Statthalter und das städtische Polizeiinspektorat Kenntnis davon hätten, dass die Reitschule die Betriebsbewilligung vom 3. Januar 2011 "nicht einhalte" und dass durch die Polizei regelmässig "Lärmklagen und andere Verstösse" zur Anzeige gebracht würden.

Etwas anders bewerten Polizei und Gemeinderat auch die Zusammenarbeit mit den Betreibern der Reitschule. Laut der Antwort des Gemeinderat sei sie "ergebnisorientiert und gut" verlaufen. Die Kantonspolizei wiederum schreibt in ihrer Antwort zwar von einer "leicht verbesserten Gesprächskultur" und nennt als Erfolg auch das Kontakttelefon. Weiter heisst es in der Antwort der Polizei aber auch, dass die "sehr zeitintensiven langjährigen Bemühungen, mittels Gesprächen eine vernünftige Lösung zu finden, bis heute nicht zum gewünschten Erfolg" geführt hätten. jek/wrs

---

Blick am Abend 11.11.11

Reithalle: Knatsch um Sicherheit

WELCOME TO HELL

In einer dringlichen Interpellation wollte FDP-Stadtrat Alexander Feuz vom Gemeinderat wissen, wie sich die Zusammenarbeit mit der Reithalle vor und nach der Abstimmung über den Verkauf der Reitschule verändert hat. Die Antwort befriedigt Feuz nicht. "Die Zusammenarbeit funktioniert ergebnisorientiert und gut", meint der Gemeinderat. Ganz anders tönt es bei der Polizei. In einem Brief an Feuz schreibt Manuel Willi, Chef Regionalpolizei: "Die negativen Erfahrungen der letzten Jahre haben immer wieder aufgezeigt, dass die Betreibenden der Reitschule die Sicherheit nicht gewährleisten können bzw. wollen." Eine Umsetzung der Abmachungen habe bis dato keine grosse Nachhaltigkeit. Der Stadtrat entscheidet am 17. November darüber, ob die Reitschule jährlich 380 000 Franken erhalten soll. ehi

---

kulturstattbern.derbund.ch 11.11.11

Alltäglicher Wahn

Von Nicolette Kretz am Freitag, den 11. November 2011, um 11:55 Uhr

Die Eine wollte in Berlin Künstlerin werden, schmiss aber das Studium und schrieb sich in einen einjährigen Detektivkurs ein. Die Andere fühlt sich von der Spar-Verkäuferin in ihrem Quartier beobachtet. Und die Dritte versucht, mit wissenschaftlichen Methoden den populärsten Verschwörungstheorien auf den Grund zu gehen. Das Kollektiv Sans Cible baut mit dieser Ausgangslage ein Stück, das nicht in irgendeiner fiktiven Gesellschaft von abgefahrenen Figuren durchlebt wird, sondern das ganz nah an uns dran ist. Die Figuren könnten unsere Nachbarn sein oder, man muss es gestehen, ein bisschen wir selbst. Dazu kommt, dass sie die Geschehnisse ganz konkret in Bern verankern, Berndeutsch sprechen und bewundernswert natürlich zum Publikum spielen. Diese Direktheit geht auch beim Einsatz aufwändiger Bühnentechnik und mehreren Video- und Audioebenen nicht flöten.

<>Doch diese Nähe am Alltag ist zugleich auch die Schwäche von "Inkognito (ergo sum)": Es werden zwar unheimlich viele Verschwörungstheorien angetippt - erwähnt werden 9/11, das Problem der Anonymität bei Street View, das Speichern aller Daten von Facebook, Überwachungskameras überall usw. - doch es geht kaum je über die Erwähnung hinaus. So geht einem immer wieder mal wieder ein "und…?" durch den Kopf. Viel stärker sind diejenigen Stellen, wo nicht der Versuch, Aphorismen zu produzieren, durchschimmert, sondern konkrete kleine Geschichtchen erzählt werden. Sehr unterhaltsam ist zum Beispiel wie Helena Hebing immer wieder auf die unheimliche Spar-Verkäuferin zurückkommt und in ihrer Theorie, diese führe etwas Böses im Schilde, völlig aufgeht.
_____
"Inkognito (ergo sum)" läuft noch bis Sonntag im Tojo.
---

20 Minuten Friday 11.11.11

Culture Club

Der Trip geht weiter

Computer mit Brüsten, tanzende Plüschhasen und pokernde Roboter gehören zur crazy Bühnenshow von Bonaparte aus Berlin. Und die gibts jetzt auch auf DVD: Der Konzertfilm "0110111. Quantum Physics & a Horseshoe" ist gerade erschienen. Beim Film wie übrigens auch bei einigen Songtexten haben die beiden Katzen des Berner Masterminds und selbst ernannten Kaisers Tobias Jundt mitgeholfen: "Minski hat das Skript geschrieben, während Stravinsky für die Security zuständig war." Jundt selber ist seit kurzem Vater einer Tochter - muss die Band jetzt kürzertreten? "Nö, die müssen jetzt umso mehr ran, Windeln wechseln und schauen, dass das LSD nicht mit dem Babybrei vermischt wird." Zeit zum Touren und Songs aufnehmen bleibt aber trotzdem. "Ein neues Album gibts, wenn die ersten Maiglocken durch den Schnee gucken!". Wir sind gespannt und machen bis dahin Party mit Bonaparte und unserem DVD-Player.

> Bonaparte live: So 13. November, Dachstock Reitschule Bern

---

WoZ 10.11.11

Wirtschaft zum Glück

"Ich bin stolz, dass es im Moment so gut funktioniert"

Fredi Lerch

Es gibt Besseres, als sich beim unvermeidlichen Geldverdienen fremdbestimmt herumkommandieren zu lassen, sagt die Vernunft. Doch der heutige Berufsalltag gibt den allermeisten dazu keine Gelegenheit. GenossenschaftsbeizerInnen versuchen, in ihrem Alltag vernünftig zu bleiben.

Von Fredi Lerch

Heute hat der Gasthof "Löwen" im thurgauischen Sommeri Ruhetag. Am Tisch in der hellen Gaststube sitzen eine Sozialpädagogin, ein Filmproduzent, eine ehemalige Studentin der Religionswissenschaft und ein Keramiker: Karin Sauter (51) arbeitet seit 23 Jahren im "Löwen" in Küche, Beiz und Kulturgruppe. Res Balzli (59) war Mitgründer, zeitweise Mitarbeiter und ist bis heute Mitbesitzer der Genossenschaft "Kreuz" in Nid­au bei Biel. Corinne Nüscheler (29) und Michel Siegfried (25) arbeiten im Beizenkollektiv der Brasserie Lorraine in Bern - sie seit viereinhalb Jahren in Service und Personalgruppe, er seit zwei Jahren in Service und Kulturgruppe.

Für einen Erfahrungsaustausch ist dieser Landgasthof der richtige Ort: Als der "Löwen" im Januar 1978 als Genossenschaftsbeiz eröffnet wurde, gab es daneben bloss das "Kreuz" in Solothurn (seit 1973) und das "Rössli" in Stäfa (1976). Ebenfalls 1978 öffneten das "Fass" in Schaffhausen, das "Rössli" in Mogelsberg und das "Hirscheneck" in Basel. Um 1980 schienen selbstverwaltete Genossenschaften zur gesellschaftsverändernden Bewegung heranzuwachsen   - auch viele neue Beizen entstanden. Neben dem "Widder" in Luzern oder dem "Zähringer" in Zürich zum Beispiel die Brasserie Lorraine in Bern und das "Kreuz" in Nidau.

Die Geschichte von der Gründung

"Wir wollten damals die Welt verändern", beginnt Res Balzli, "wir waren der Meinung, gegen die Machtstrukturen und die Ausbeutung der herrschenden Wirtschaft Widerstand leisten und rebellieren zu müssen. Darum keine Chefs, sondern Lohngleichheit und Basisdemokratie." Er erinnert sich, man habe in der ersten Zeit Stammgäste wegen frauenfeindlicher Sprüche zurechtgewiesen. Karin Sauter erzählt, dass man "die Falschen" demonstrativ unfreundlich bedient habe, wenn sie sich in die Gaststube verirrt hätten. Und in der Brasserie Lorraine, in Bern kurz "Brass" genannt, sind zwar heute alle   - ohne Konsumationszwang   - willkommen, so Corinne Nüscheler, "bloss sollen sie wenn möglich nicht gerade eine Uniform tragen".

So haben die drei Beizen damals gestartet:

• Der "Löwen" wird - von St. Gallen über Rorschach bis Konstanz - schnell zum regionalen Treffpunkt der alternativen Subkultur.

• Die "Brass" wird, mitten im Berner Lorraine-Quartier, nach der polizeilichen Schliessung des damaligen Autonomen Jugendzentrums Reithalle im April 1982 zu einem zentralen Treffpunkt der damaligen Jugendbewegung.

• Die KollektivistInnen in Nidau dagegen werden zuerst einmal mit der Tatsache konfrontiert, dass am Rand der traditionsreichen Arbeiterstadt Biel niemand auf sie gewartet hat. Res Balzli: "Nach der ersten Neugierde blieben die Leute weg. Vor allem am Samstagabend war tote Hose."

Man tut im "Kreuz" deshalb das, was damals viele Genossenschaftsbeizen tun, um Publikum anzuziehen: Man gründet einen von der Genossenschaft unabhängigen Verein, der den Beizensaal mit kulturellen Anlässen bespielt. Die Kombination von alternativem Beizen- und Kulturbetrieb wird landauf, landab zum Erfolgsrezept: Sie stabilisiert die Projekte nicht nur finanziell, sondern ermöglicht den Kollektiven auch, über das Projekt hinaus politisch-kulturell in Erscheinung zu treten.

Die Sache mit dem Chef

Es gibt kaum einen selbstverwalteten Betrieb, dessen Gründung nicht mit Idealen wie "Alle machen alles" oder "Basisdemokratische Diskussion bis zum Konsensentscheid" befeuert worden wäre. Und keinen gibt es, in dem die Praxis die Ideale nicht schnell aufs Praktikable heruntergeschliffen hätte. "Alle machen alles" stand gegen die Arbeitseffizienz und -qualität, der Vollversammlungskonsens gegen die Handlungsfähigkeit bei arbeitsteiligen Produktionsabläufen.

Das Kollektiv des "Löwens" ist bis heute klein genug, um die Bereiche von Küche und Service durchlässig zu halten. Karin Sauter wechselt nach Bedarf die Funktion und schätzt das. In der "Brass" dagegen arbeiten die dreizehn KollektivistInnen entweder in der Küche oder im Service (zusätzlich in einer der Arbeitsgruppen Kultur, Büro, Personal oder Unterhalt). Auch im "Kreuz" sei man, so Res Balzli, nach der ersten "Alle machen alles"-Euphorie schnell zur arbeitsteiligen Organisation übergegangen.

Was die Machtverhältnisse betrifft, gebe es sicher, so Karin Sauter, "informelle, nicht ausgesprochene Hierarchien". Sie entstünden mit der Zeit wegen des Erfahrungswissens und der angeeigneten Kompetenz der Altgedienten: "Wer schon länger dabei ist, sagt den Neulingen, wie es laufen muss, damit der gewünschte Standard erreicht und gehalten werden kann." In der "Brass" spielen auch informelle Hierarchien zurzeit eine kleine Rolle, weil das Team sehr jung ist.

Den weitesten Weg hat man in Nidau gemacht. Lebten zuerst alle sieben GenossenschafterInnen unter einem Dach und praktizierten Basisdemokratie in Arbeit und Zusammenleben geradezu rigide, so scheiterte der Betrieb später trotz oder gerade wegen einer formellen Geschäftsleitung (vgl. "Zurzeit geschlossen").

Und der Konsens? Obschon an den regelmässigen Sitzungen mit dem ewigen Thema der Arbeitspläne wenn nötig abgestimmt wird, hat man den Konsens immer im Auge. Im "Löwen" wendet man deswegen, so Karin Sauter, manchmal einen "Minderheitenschutz" an: "Geht es um das Herzblut einer Minderheit, kommt es vor, dass die Mehrheit das Geschäft durchwinkt, obschon sie die Minderheit überstimmen könnte - dem Konsens zuliebe." Balzli erinnert sich, dass im "Kreuz" trotz "Überdruss bis zur Sitzungsphobie" abzustimmen lange verpönt gewesen und grundsätzlich der Konsens angestrebt worden sei: "Die Suche nach dem Konsens macht Entscheidungsprozesse zwar schwerfällig, aber dauerhaft, denn eine überstimmte Minderheit neigt dazu, das Thema später wieder aufzugreifen." Am Tisch ist man sich einig, dass Abstimmen kurzfristig einfacher, aber   - Basisdemokratie vorausgesetzt - oft nicht nachhaltig ist.

Das Problem mit dem Lohn

In allen drei Kollektiven hat man in der Gründungszeit einen Stundenlohn von 6 bis 7 Franken ausbezahlt. Der Erfahrungsaustausch zeigt, dass sich das Lohnniveau über die dreissig Jahre ungefähr parallel entwickelt und der Stundenlohn stets etwa dem Preis eines Mittagsmenüs entsprochen hat.

Während die "Brass" Lohngleichheit mit freiwilliger Betriebskinderzulage anwendet, praktiziert man im "Löwen" ein Stunden­lohn­sys­tem mit Dienstalterszulagen. Während "Brass" und "Löwen" bis heute Stundenlöhne bezahlen, führte man im "Kreuz" früh ein Monatslohnsystem mit kompensierbaren Überstunden ein. In allen drei Projekten hat man die Trinkgelder seit je in einen Pool gegeben und brüderlich respektive schwesterlich aufgeteilt.

Teilzeitarbeit ist die Regel. In der "Brass" gilt, dass pro Monat mindestens 90 Arbeitsstunden geleistet werden. Der Einheitslohn entspricht mit netto 19 Franken pro Stunde plus einem Gratisessen pro Schicht ungefähr dem Minimallohn des Landesgesamtarbeitsvertrags im Gastgewerbe. Im "Löwen" verdient man 20 bis 25 Franken; für das Essen (à discrétion) wird pro Arbeitsstunde 1.80 Franken abgezogen.

Finanziell wirklich hart wurde es in den Genossenschaftsbeizen immer dann, wenn sich trotz Minimallöhnen ein Defizit abzeichnete: Im "Kreuz" senkte das Kollektiv in der ersten Baisse den Stundenlohn von 7 auf 6 Franken; im "Löwen" glich man mehrmals rote Zahlen mit "Negativgrati" aus. Karin Sauter: "Lag Ende Jahr ein Defizit vor, mussten pro geleistete Arbeitsstunde zum Beispiel 50 Rappen an die Genossenschaft zurückbezahlt werden."

Die Frage nach der Zukunft

Was motiviert heute, in einer Genossenschaftsbeiz zu arbeiten? Corinne Nüscheler: "Mir ist die Vielseitigkeit der Arbeit wichtig, die ich hier mache. Je mehr ich den Überblick kriege, desto spannender wird sie. Am schönsten ist es, wenn alle am gleichen Strick ziehen und mit gemeinsamer Anstrengung etwas Spezielles gelingt." Für Karin Sauter sind die "umweltfreundlichen, saisonal produzierten Lebensmittel" die eine Motivation. Die andere sei die Möglichkeit, "selbstverwaltet, mit einer Gruppe etwas zu erschaffen": "Das ist es, was ich will."

Die Motivationen, in einem selbstverwalteten Betrieb zu arbeiten, sind nicht viel anders als vor dreissig Jahren. Verändert jedoch hat sich die Perspektive: Heute ist der gesellschaftliche Aufbruch der selbstverwalteten Produktions- und Dienstleistungsbetriebe bloss noch ein zeitgeschichtliches Kuriosum. Res bedauert, dass Genossenschaftsbeizen vermutlich "ein Auslaufmodell" seien: "Wie sich das kapitalistische Wirtschaften über Jahrhunderte entwickelt hat, müsste auch das alternative Wirtschaften mehr Zeit bekommen, um sich zu entwickeln."

Für Karin ist die damalige Bewegung auch an der mangelnden Vernetzung gescheitert: "Im schwierigen Alltag hat jede Genossenschaft für sich gewurstelt und langsam die Kontakte verloren." Dazu komme heute das Desinteresse der jungen Generation. Ihre frustrierenden Erfahrungen bei der Suche nach einem neuen Koch fasst sie so zusammen: "Heute dominieren Karriereträume und individuelle Perspektiven. Da ist es schwierig, wenn man nicht nur eine Arbeitskraft, sondern zusätzlich einen Genossenschafter sucht. Was machen wir, wenn die Jungen den Sinn des genossenschaftlichen Engagements nicht mehr einsehen?"

Aber Corinne Nüscheler sagt: "Ich bin stolz, dass es die Brasserie Lorraine dreissig Jahre lang gibt und dass sie im Moment so gut funktioniert." Und Michel Siegfried: "Sicher geht es heute weniger darum, die Welt zu verändern, als darum, eine andere Form des Wirtschaftens weiterzuführen und Tag für Tag zu zeigen: Es gibt andere Wege, um wirtschaftlich zu funktionieren."

Die beiden Jungen erzählen, dass ­zurzeit Bemühungen laufen, Genossenschaftsbeizen besser zu vernetzen. Zusammen mit "Zähringer" (Zürich), "Sous le Pont" (Bern), "Schwarzer Engel" (St. Gallen), "Widder" (Winterthur) und "Hirscheneck" (Basel) hat die "Brass" an mehreren Treffen teilgenommen: "Einerseits geht es um den Erfahrungsaustausch, wir haben ja alle ähnliche Probleme und müssen nicht dauernd das Rad neu erfinden, andererseits könnte vermehrte Zusammenarbeit längerfristig zu gemeinsamem Einkauf oder zu gemeinsamen Lösungen bei den Sozialversicherungen führen." Für 2012 ist der Austausch von MitarbeiterInnen geplant.

An diesem Nachmittag im "Löwen" Sommeri hat Corinne Nüscheler das letzte Wort: "Es ist nicht das erste Mal, dass ich Ältere aus der Selbstverwaltungsszene skeptisch reden und nostalgisch von früher erzählen höre. Aber für mich zählt, dass es auch heute funktionieren kann."

Der deutsche Verein Kunst des Scheiterns e.V. führt Interviews mit Menschen, die in Kollektiven arbeiten oder gearbeitet haben. Die Ergebnisse werden auf kds.grupponet.org ausgewertet.

-

Wirtschaft zum Glück

Seit März 2009 stellt die WOZ in ihrer ­Serie "Wirtschaft zum Glück" unterschiedliche nachhaltige Produktions- und Eigentumsformen, neue Ideen für eine alternative Ökonomie und ökologisch sinnvolle Projekte vor. Finanziert wird diese Serie aus einem Legat des früheren Nachhaltigen Wirtschaftsverbandes WIV.

Alle Artikel der Serie sind im Dossier auf www.woz.ch/dossier zu finden.

-

Löwen, Sommeri

Manchmal waren sie nur zu zweit

Fredi Lerch

Am 14. Januar 1978 wird der alte Landgasthof "Löwen" an der Hauptstrasse 23 in Sommeri als "Alternativ- und Kulturbeiz" neu eröffnet. Sieben junge Leute, die zuvor das Jugendzentrum Bischofszell führten, haben eine Genossenschaft gegründet und die Liegenschaft gekauft. Die sieben beziehen das Haus im Parterre als Beizenkollektiv, in den Stöcken darüber als Wohngemeinschaft. Im Dorf wird der "Löwen" als regionaler Treffpunkt der links-alternativen Szene schnell zum roten Tuch.

Karin Sauter steigt 1988, während einer Umbruchphase, in die Genossenschaft ein: Damals beginnen sich die ersten GründerInnen zurückzuziehen, es kommen neue AktivistInnen, die aber immer weniger Interesse zeigen, sich auch in der Genossenschaft zu engagieren. Die 80 000 Franken, für die die Genossenschaft als Hauseigentümerin geradezustehen hat, verteilen sich auf immer weniger Schultern. Zwar organisiert sich das Beizenkollektiv weiterhin nach basisdemokratischen Spielregeln, aber es gibt Zeiten, in denen die Genossenschaft nur noch aus zwei Personen besteht. Dank Überzeugungsarbeit unter den Mitarbeitenden wächst sie unterdessen wieder.

Die Funktion als regionaler Szenetreffpunkt hat der "Löwen" Sommeri eingebüsst. Die umliegenden Städte haben längst eigene Treffpunkte, und bald in jedem Dorf werden Kulturprogramme angeboten. Dafür ist der "Löwen" unterdessen im Dorf akzeptiert. Der zuverlässige Betrieb über mehr als dreissig Jahre geniesst Respekt - auch wenn etwas Misstrauen geblieben ist: Hat nicht zum Beispiel 1993 vor der Abstimmung ein Anti-F/A-18-Transparent an der "Löwen"-Fassade gehangen? Aber immerhin benutzen die Dorfvereine den Saal heutzutage als Versammlungsort. Einen guten Namen geniesst der "Löwen" in der Region zudem als Essbeiz. Hier wird ausgezeichnet gekocht und nur mit bes­ten Lebensmitteln: Seit 2003 ist das Restaurant Knospe-zertifiziert.

Der Saal des Hauses, die "Löwenarena", wird von einem eigenständigen Kulturverein bespielt; insbesondere Kleinkunst stösst beim ­Publikum auf Interesse. Der Verein erhält jährlich 15 000 Franken kantonale Subventionen, was für zwanzig Veranstaltungen reichen muss. Karin Sauter ist Präsidentin der Genossenschaft und arbeitet als Delegierte auch im Kulturverein mit. fl

-

Kreuz, Nidau

Zurzeit geschlossen

Fredi Lerch

Am 24. März 1982 kaufen die sieben Mitglieder der "Genossenschaft Kreuz" - unter ihnen Res Balzli - mit Anteilscheinen von je 10 000 Franken das Restaurant in der Altstadt von Nidau. Die sieben sind "auf der Suche nach einer neuen Form der Zusammenarbeit und des Zusammenlebens" - so ein damaliges Diskussionspapier des Kollektivs - und sie brauchen bloss zwei Wochen, um die heruntergekommene Beiz neu herzurichten. Am 12. April wird sie eröffnet.

Ursprüngliche Idee ist die Betriebsgenossenschaft: Wer mitarbeitet, gehört dazu und muss einen Anteilschein kaufen; wer austritt, verlässt sie und verkauft an den oder die Neue. Diese Idee lässt sich auf die Dauer nicht umsetzen. Die Genossenschaft öffnet sich, und bald besitzen rund hundert GenossenschafterInnen die Beiz. Vor sechs Jahren ist dann die neu gegründete Stiftung "Wunderland" (Stiftungspräsident: Res Balzli) Eigentümerin der Liegenschaft geworden und hat sie seither an die Genossenschaft vermietet.

Für das "Kreuz" sind die Hauptversammlungen der Nidauer Vereine jahrelang ein einträgliches Nebengeschäft gewesen. Seit allerdings das Beizenkollektiv zu Beginn der 700-Jahr-Feiern der Eidgenossenschaft im Januar 1991 während eines Militärdefilees die Hauptstrasse des Altstädtchens mit Mozarts "Requiem" beschallt hat, sind die Vereine der FDP-Hochburg Nidau dem "Kreuz" ferngeblieben.

2008 gewinnt das Kollektiv den Kampf gegen einen drohenden Konkurs dank eines Sonderefforts - eines sommerlichen Gastwirtschaftsbetriebs im Zelt vorn am Bielersee. Um die immer wieder defizitäre Geschäftssituation zu verbessern, beschliesst die Genossenschaftsverwaltung kurz darauf, dass eine Geschäftsleiterin das Kollektiv führen soll. Doch damit entstehen Konflikte im Team. 2010 führen sie zur Kündigung des ganzen Kollektivs und anschliessend auch der Geschäftsleitung. Seit Ende Februar 2011 ist das "Kreuz" Nidau als Beiz geschlossen. Zurzeit sucht die Stiftung eine neue Pächterin.

Bereits 1983 ist der von der Genossenschaft unabhängige Kulturverein Ou-nid-ou (heute: Verein Kultur Kreuz Nidau) gegründet worden. In dreissig Jahren hat er über 1200 Konzerte, Theater, Lesungen, Kleinkunst- und Tanzveranstaltungen durchgeführt. Er ist etabliert und bietet trotz der zurzeit geschlossenen Beiz pro Monat acht bis zehn Veranstaltungen an. fl

-

Brasserie Lorraine, Bern

Den meisten gefällts

1981 erwirbt die zwei Jahre zuvor gegründete "Genossenschaft Kulinarisches Kulturzentrum" (KuKuZ) die Brasserie Lorraine an der Quartiergasse 17 in Bern und baut das ganze Haus um. Im Parterre wird die alte Beiz wieder in Schwung gebracht, im ersten Stock entstehen Sitzungs- und Veranstaltungsräume, zweiter und dritter Stock werden zu zwei Grosswohngemeinschaften. Das Beizenkollektiv konstituiert sich als "Genossenschaft Lorraine" und pachtet vom KuKuZ die Räumlichkeiten im Parterre. Diese Konstruktion funktioniert bis heute.

Die "Brass" öffnet im November 1981 und wird bald darauf Treffpunkt der Berner Jugendbewegung. Lärm und Dreck bringen die QuartierbewohnerInnen in Rage, sie drohen mit Bürgerwehr, Hausbesitzer mit Liegenschaftssteuerboykott, die Stadtpolizei droht mit einer Verfügung, den Beizenschluss auf 22 Uhr vorzuverlegen. Das Beizenkollektiv gerät massiv unter Druck und spaltet sich in eine bewegungsnahe Fraktion und eine, die keine Punks, Junkies und Dealer mehr dulden will, der Mann mit dem Wirtepatent zieht sich zurück, das Projekt ist gefährdet. Schliesslich setzt sich die bewegungsnahe Fraktion durch - nicht zuletzt dank des Nid­auer "Kreuz"-Kollektivisten Res Balzli, der sein in Nid­au überzähliges Wirtepatent diesem Teil des "Brass"-Kollektivs zur Verfügung stellt, indem er fast ein Jahr lang in beiden Beizen gleichzeitig arbeitet.

Längst hat sich im Lorraine-Quartier die Lage beruhigt: Die Jugendbewegten, die damals ins Quartier einzogen, haben mit Engagement und Ausdauer mitgeholfen, es zu einem bemerkenswert schönen und sanft renovierten Wohngebiet zu machen. Heute ist die "Brass" als Beiz, Treffpunkt und Veranstaltungsort etabliert. Nicht dass der Nachtlärm einfach kein Problem mehr wäre, aber: "Zurzeit überwiegen die Leute, denen die Beiz gefällt", sagt Corinne.

Die Kulturgruppe ist Teil des Beizenkollektivs. Staatliche Subventionen beansprucht sie nicht - das würde dem Kulturverständnis widersprechen. Michel: "Kultur ist für uns eine politische Stellungnahme." Die Künstlergagen werden mit den Eintritten bezahlt. Im Zentrum des Kulturangebots stehen Musikprogramme. Eine Spezialität der "Brass" sind daneben Spielturniere   - vom Jassen bis zum Fussball. fl

---

BZ 10.11.11

Eine klare Aufforderung an den Gemeinderat

Kornhausforum · Gestern Abend lud Bekult, der Dachverband der Berner Kulturveranstalter, zur Podiumsdiskussion über das Nachtleben in Bern. Es wurden viele Fragen gestellt, aber wenige Lösungen gefunden.

Nach eineinhalb Stunden lebhafter Diskussion im Kornhausforum erhob Stadtrat Manuel C. Widmer aus dem Publikum die Hand: "Weshalb hat es auf der Bühne keinen zuständigen Politiker, niemanden vom Gemeinderat?" Mit dieser Frage brachte Widmer die zentrale Forderung der gestrigen Diskussionsrunde auf den Punkt:   Damit es in Sachen Nachtleben in Bern vorwärtsgehen kann, muss der Gemeinderat mit einem Nachtlebenkonzept endlich aktiv werden.

Einig waren sich die sechs Diskutierenden nicht nur in dieser Forderung an den Gemeinderat, sondern auch über die Ursachen der Problematik. "Eine 24-Stunden-Gesellschaft, wie wir sie heute haben, führt logischerweise zu neuen Herausforderungen", sagte Kurt Imhof, Professor für Öffentlichkeit und Gesellschaft an der Uni Zürich, gleich zu Beginn. Die neuen Rahmenbedingungen, die dafür notwendig seien, würde die Politik aber verschlafen. Hier knüpfte Jürg Häberli, der Leiter des Jugendamtes der Stadt Bern, an. So kämen Donnerstag-, Freitag- und Samstagnacht Tausende von Jugendlichen nach Bern, um bis in die frühen Morgenstunden zu feiern. "Nur fehlt für einen solchen Aufmarsch die Infrastruktur", so Häberli. Da den 16- bis 20-jährigen Jugendlichen in Bern die Clubs fehlten, würden sie draussen bleiben - auf dem Vorplatz der Reitschule oder in der Aarbergergasse, was zu Lärm, Littering und Gewalt führe. Sabine Ruch, Kulturveranstalterin im Dachstock Reitschule, sieht das Problem auch in der Kommerzialisierung und Schliessung der öffentlichen Plätze wie der Grossen Schanze. "Wenn man den Jugendlichen keinen Freiraum bietet, nehmen sie sich ihn selbst", sagte Ruch.

Rechtssicherheit für Clubs

So deutlich sich alle Anwesenden über die Hintergründe des Problems einige waren, so zögerlich schlugen sie konkrete Lösungen vor. Als Einziger hatte Rolf Bähler, Geschäftsführer Club Bonsoir, eine Idee für die Lösung der Lärmproblematik: "Wenn ein Club seit einem Jahr an einem Ort ist, und in dieser Zeit alle Regeln beachtet hat, sollte der Club Rechtssicherheit geniessen." Wer dann in eine Wohnung über den Club ziehe, könne nicht mehr gegen den Lärm klagen.

Genau hier, in der Frage nach der Aufwiegung von Interessen der Anwohnern und Clubbetreibern, stellte sich erneut die Frage nach einem Nachtlebenkonzept. So müsse die Politik endlich entscheiden, sagte Bähler. "Will der Gemeinderat ein Nachtleben, oder nicht. Und falls ja: was für eines." Und erntete damit tosenden Applaus.

Jessica King

-

Offener Brief

Matte-Leist beschwert sich bei der Stadt

In einem offenen Brief teilt der Matte-Leist dem Gemeinderat seine Position zum Konzept Berner Nachtleben mit. So fordert der Verein, in Quartieren mit einem beachtlichen Wohnanteil (wie der Matte) keine Überzeitbewilligungen bis fünf Uhr morgens zu vergeben. Ordnungsdienst und Putztrupp der Clubs oder der Stadt sollen sich um Gewalt, Vandalismus, Lärm, Abfall und Erbrochenes kümmern. Die Gäste müssten zudem für Ruhe und Sauberkeit sensibilisiert werden. Falls die Clubs diesen Richtlinien nicht nachkämen, sollte nach Meinung des Matte-Leists dem Club die Betriebsbewilligung entzogen werden.

Der Leist spricht auch die Veränderungen im Nachtleben in den letzten Jahren an. So werde es "immer länger, dreckiger, lauter und aggressiver". Deshalb brauche es Massnahmen.jek

---

kulturagenda.be 10.11.11

Klartext mit Reto Nause über Gewalt vor der Reitschule. Und Lärm.

Herr Nause, Sie haben nach Gewaltvorfällen vor der Reitschule die hängigen Subventionsbeiträge ins Spiel gebracht. Wieso vermischen Sie das Gewaltproblem mit dem kulturellen Angebot?

Ich vermisse von den Betreibern eine klare Abgrenzung gegen Gewalt. Es ist die Reitschule, die Politik und Kultur vermischt. Gegen den Kulturbetrieb kann man nichts haben.

Wie Sie sagen: Es sind zwei Dinge.

Wenn man sich nicht klar abgrenzt, macht man sich mitschuldig.

Was müsste die Ikur denn tun?

Sie sollte verhindern, dass die Situation weiterhin immer wieder eskaliert. Und zwar mit einem funktionierenden Sicherheitsdienst, der auch in der Lage ist einzugreifen und mit der Polizei zusammenarbeitet. Im Moment macht die Reitschule nicht viel Sichtbares. In den Reitschule-Communiqués zu den Vorfällen hört man nie von einer Verurteilung oder Distanzierung, es gibt bloss gestelzte Aussagen, die viel Interpretationsspielraum offen lassen. Aber ich stelle fest, dass in der Reitschule nicht alle gleich denken. Ich hoffe, dass sich in der Reitschule die positiven Kräfte mittel- und langfristig durchsetzen werden.

Die Reitschule geniesst in der Bevölkerung einen grossen Rückhalt, das zeigen Abstimmungsresultate deutlich. Die Leute verstehen es nicht, wenn Sie ein Gewaltproblem mit dem kulturellen Angebot verknüpfen.

Die Stimmung hat gekehrt seit der letzten Volksabstimmung. Auch im Parlament. Die zuständige Kommission will die Subventionen nur noch für ein Jahr statt für drei Jahre vergeben. Die Signale sind klar: Es müssen jetzt Verbesserungen her. Die heutige Situation ist - anders als vor der Abstimmung - nicht gut.

Das Berner Nachtleben ist in Gefahr. Bei der Lärmproblematik sind die Behörden kleinlich, und bei jeder Schlägerei droht man jetzt der Reitschule, die Unterstützung zu kürzen. So wird Bern zu einem Ballenberg!

Die Aussage zur Lärmbelastung muss ich klar zurückweisen. Die Behörden vollziehen Gesetze. Und wenn im Umweltgesetz die Obergrenze der Lärmbelastung von Anwohnern definiert ist und sich diese gestört fühlen, dann ist es behördliche Pflicht, den Klagen nachzugehen.

Aber gerade beim Lärmproblem gibt es doch Handlungsspielraum. Lärm ist nichts Neues, man hat aber nicht immer gleich darauf reagiert.

Gut, aber wer unserer Aarbergergasse Ballenberg sagt, verkennt die Situation. In Bern gibt es 600 Clubs und Bars. Und es entstehen immer wieder neue. Bern hat ein breites Angebot. Und wir haben einzelne Problemzonen. Das ist so.

Interview: Michael Feller

-

Der Berner Gemeinderat Reto Nause (40) ist zuständig für Sicherheit, Umwelt und Energie der Stadt Bern. Der CVP-Politiker und Punkrock-Fan hat nach gewalttätigen Vorfällen vor der Reitschule deren Trägerschaft Ikur wiederholt kritisiert.

---

Bund 10.11.11

Sounds Elektrostubete

Wohnzimmertechno

Die Elektrostubete feiert das 5-jährige Bestehen. Mit einer geradezu gemütlichen Sause.

Auch wenn gewisse Spielarten der Technomusik sich längst im Oldies-Segment abspielen, ganz so urchig, wie es der Name impliziert, ist sie dann doch nicht, die in Burgdorf geborene und seit 2008 alljährlich in der Berner Reitschule abgehaltene Elektrostubete. Allerdings bietet das Line-up zum 5-Jahre-Jubiläum nichts, was den gemeinen Musikfreund aus dem biologischen Gleichgewicht hebeln könnte. Die Veranstalter setzen wie eh und je auf Minimal Techno und Progressive - Genres, die derzeit nicht von den ganz jungen und wilden Produzenten bewirtschaftet werden.

Zum Helden der Nacht könnte der in Deutschland lebende Nigerianer Ray Okpara arrivieren, der in Bern ein Live-Set aufführen wird. Seine Auslegung elektronischer Musik ist von eher gedrosseltem Temperament, er setzt auf ein Minimum an melodiöser Regung und bereitet seine Tracks mit homöopathischen Tribal-Dosen aus. Etwas weniger stilsicher und öfter auch ins speckige House-Terrain abrutschend ist das Tun von Santorini aus dem italienischen Lecce. Ebenfalls nicht ein Ausbund an überschäumender Originalität, wohl aber ein solid groovender Minimalist ist Butane aus den USA, der mit seinem Landsgenossen Someone Else am DJ-Pult stehen wird. (ane)

Dachstock und Rössli Reitschule Samstag, 12. November, 23 Uhr.

---

kulturagenda.be 10.11.11

Señor Coconut im Dachstock

"Around the World" ist das vierte Popalbum, in dem der kokosrasplige deutsche Musiker einmal mehr Perlen des internationalen Pops covert. Diesmal sind Hits wie "Sweet Dreams" von Eurythmics, "Kiss" von Prince oder "Dreams Are My Reality" aus dem französischen Teenie-Schmusefilm "La Boum" bei ihm in die Latino-Kur gegangen.
Dachstock in der Reitschule, Bern. Fr., 11.11., 21 Uhr

---

Bund 10.11.11

Señor Coconut & His Orchestra

Tanz den digitalen Cha-Cha-Cha

Señor Coconut hat der elektronischen Musik südamerikanische Tanz-beinchen wachsen lassen. Chronologie eines musikalischen Abenteuers.

Ane Hebeisen

Wenn Kraftwerk mit den Hüften wackeln, wenn Deep Purple nach Cha-Cha-Cha tönen oder wenn Michael Jackson als Latin-Star aufersteht, dann ist die Möglichkeit gross, dass da ein gewisser Señor Coconut die Finger im Spiel hat. Cover-Bands gibt es ja so einige, doch keine ist von dermassen abenteuerlichem Naturell wie jene von Señor Coconut. "Es gab schon in den 60er-Jahren südamerikanische Bands, die anglo-amerikanische Hits gecovert haben", sagt Señor Coconut, doch seine Worte sind nichts als ein schäbiger Versuch, Normalität vorzugaukeln. Denn was Señor Coconut tut, ist nicht normal. Bevor Uwe Schmidt - so der bürgerliche Name des Señors - die Latin-Szene Europas eroberte, war er so etwas wie der Archetyp des Nicht-Latino-Seienden. Er produzierte intelligente Elektro-Tracks. In derart rohen Mengen und unter so mannigfaltigen Pseudonymen, dass die Musikchronisten Mühe bekunden, den Überblick über sein Schaffen zu bewahren.

Globale Aufwertungskette

Dieser Uwe Schmidt wanderte 1997 mit Frau, Kind und Computer nach Santiago de Chile aus, um sich seinen Traum zu erfüllen: mit einem chilenischen Orchester das Liedgut seiner deutschen Lieblingsband Kraftwerk ins Lateinamerikanische zu übersetzen. Da sich kein Orchester finden liess, klaute er sich von alten Platten Latin-Schnipsel, -Rhythmen und Bläsersätze zusammen und verfertigte daraus das umwerfende Album "El Baile Aleman", auf welchem Hits wie "Roboter" oder "Tour de France" zu munteren, elektronischen Cha-Cha-Chas mutierten. Etwas komplizierter gestalteten sich die Aufnahmen zu seinem bisherigen Meisterwerk: Auf "Fiesta Songs" coverte der Señor Lieder wie Sades "Smooth Operator" oder Deep Purples "Smoke on the Water", als Quelle diente ihm ein dänisches Unterhaltungsorchester, als Sänger ein in Deutschland lebender Chilene, und das Ganze wurde auf einem japanischen Laptop in Chile zusammengefrickelt.

Dieser Methode ist Señor Coconut treu geblieben. Doch wer ist dieser Herr Coconut wirklich? Gab es eine Art Prototyp für ihn? "Ich stellte mir anfänglich tatsächlich eine Person vor", sagt Uwe Schmidt. "Ein in Europa exilierter Latino, der mit der Entspanntheit seiner Kultur auf eine technologisierte Umwelt trifft und sich in dieser auszudrücken beginnt. Señor Coconut lebt von der Verwirrung, die entsteht, wenn nicht mehr klar ist, ob es sich um eine Simulation oder eine reale Figur handelt. In dieses Spiel versuche ich den Zuhörer zu verwickeln." Für das Konzert lässt Uwe Schmidt seine Laptop-Kompositionen ins Orchesterformat zurückübersetzen. Normal ist das nicht. Und es klingt auch nicht so. Es klingt viel besser.

Dachstock Reitschule Fr, 11. Nov., 21 Uhr.

---

Bund 10.11.11

Young Rebel Set

Lebensbejahender Folk

Die englische Musikfibel NME erkannte in der Musik der Young Rebel Set die "perfekte Gegenkraft zum kalten, karrierebewussten Indierock". Und tatsächlich hat dieser lebensbejahende Folkrock mit irischem Kolorit so rein gar nichts mit britischer Coolness zu tun. Entdeckt wurden die Herren vom Tomte-Mann Thees Uhlmann, im Königreich kümmert sich das ehemalige Oasis-Management um die Popularitätsmehrung. (ane)

Reitschule Rössli Dienstag, 15. Nov., 20 Uhr.

---

Bund 10.11.11

Pssst.

Alles ist anders, als es scheint. Wer soll das besser wissen als die Berner Theatermacherinnen Helena Hebing, Valérie Keller und Noo Steffen. In der sechsten Produktion ihres Ensembles Sans Cible befassen sie sich mit Verschwörungstheorien. "Inkognito (ergo sum)" heisst die Produktion, die der inoffiziellen und unautorisierten Version der Wahrheit nachspürt. (len)

Tojo-Theater Donnerstag, 10., bis Samstag, 12. November, jeweils 20.30 Uhr, sowie Sonntag, 13. November, 19 Uhr.

---

Bund 10.11.11

Queersicht - Lesbisch-schwules Filmfestival

Arme Brüder - und Schwestern

In grossen Teilen Afrikas werden Homosexuelle bis heute denunziert, verfolgt und verurteilt. In seinem Schwerpunkt zeigt das Queersicht-Festival vier couragierte Filme.

Hanna Jordi

Er könne sich nicht vorstellen, sagt der Chefredaktor der Zeitung "The Red Pepper", dass jemals ein Homosexueller durch seine Berichterstattung zu Schaden gekommen sei. Das müsse man ihm erst mal beweisen. Einige Zeit zuvor hatte der Publizist unter der Schlagzeile "Top Homos Named" seiner Vorstellung von journalistischer Aufklärungsarbeit gefrönt: Er informierte die Leserschaft darüber, wie viele Homosexuelle sich in der ugandischen Gesellschaft bewegen, wo sie wohnen und wie sie heissen.

Zu den Denunzierten zählte der 27-jährige Auf. Im Dokfilm "Ouganda: Killing in the Name" erzählt die französische Filmemacherin Dominique Mesmin seine Geschichte. "The Red Pepper genannt" veröffentlichte nicht nur Aufs Name und Wohn- und Arbeitsort, sondern sogar ein Porträtfoto, um jede Verwechslung auszuschliessen. Auf, Bäcker, erhielt gerade noch rechtzeitig Kenntnis von einem geplanten Mordkomplott. Seine muslimischen Glaubensbrüder verziehen ihm die Sünde nicht. Auf musste untertauchen. Seinen neuen Wohnort wählte er nach der Analphabetenrate aus. Wo er jetzt lebt, in einem Township von Kampala, kann er fast sichergehen, dass die Hetzkampagnen nicht gelesen werden. Auf ist kein Einzelfall, sein Schicksal ist die Regel in Uganda.

Todesstrafe auf Homosexualität

Die fünfzehnte Ausgabe von "Queersicht", dem Festival für lesbisch-schwule Filme, widmet sich schwerpunktmässig der Lage der Homosexuellen in Afrika. Die Bilder der Dokfilme aus Uganda, Kamerun und Südafrika ähneln sich: Einzelne Figuren - eine Anwältin, ein Priester, Aktivistinnen und Aktivisten - setzen sich für die Rechte der Schwulen und Lesben ein. Der Rest ist Ausgrenzung und Hetze. Und das nicht nur im zwischenmenschlichen Bereich: 2010 verabschiedete das ugandische Parlament ein "Anti-Homosexualität-Gesetz", das sogar die Todesstrafe für die Ausübung homosexueller Akte vorsah. Und in Kamerun drohen Homosexuellen Gefängnisstrafen von bis zu fünf Jahren, viele Beschuldigte sitzen mehrere Monate in Untersuchungshaft, bevor sie zum ersten Mal einem Richter vorgeführt werden.

Elvis’ Coming-out

In "Cameroun - Sortir du Nkuta" (2009) hat das Coming-out der Protagonisten deshalb eine doppelte Bedeutung: Die einen, eine Gruppe von Inhaftierten, versuchen mit der Hilfe der Anwältin Alice Nkom aus dem Gefängnis entlassen zu werden. Die anderen, die selbstbewusste Muriel etwa oder der schüchterne Elvis, "outen" sich vor ihrer Familie, offenbaren ihr ihre Homosexualität. Muriels Mutter will sich vor der Kamera nicht äussern, doch Muriel weiss: Die Mutter wird es vielleicht akzeptieren, jedoch nie gutheissen können. Anders reagiert Elvis’ Bruder. Er schlägt vor, sich doch einfach mit einer Frau zusammenzutun.

Nicht nur Unverständnis, sondern schiere Gewalt erleben die porträtierten Frauen in "Goddesses", dem Film der Schweizerin Sylvie Cachin: In Südafrika werden so viele lesbische Frauen vergewaltigt, dass es dafür sogar eine Bezeichnung gibt: "corrective rape" - korrigierende Vergewaltigung.

Kleine Momente des Glücks

Gegenüber der harten Realität fast merkwürdig harmonisch nimmt sich die Geschichte aus, die im einzigen Spielfilm der Afrika-Reihe erzählt wird: Im Plot des Spielfilms "Le Fil" (2010) hat die systematische Diskriminierung von Schwulen und Lesben den privaten Rahmen bereits verlassen - dort finden die Protagonisten die Möglichkeit, ihre Lebensentwürfe zu verwirklichen.

"Le Fil" spielt in im vorrevolutionären Tunesien: Der junge Architekt bricht nach dem Tod seines Vaters in die Heimat auf, um seiner Mutter beizustehen. Dort verliebt er sich in Bilal, den Gärtner. Es folgen kleine Momente des Glücks. Bis die nichts ahnende Mutter die beiden im Bett erwischt. Dann geschieht das Wunderbare: Die schrecklichen Konsequenzen bleiben aus. Die Mutter fängt sich, schliesst den Partner ihres Sohnes bald ins Herz. Die wahre Liebe hat - zumindest im privaten Rahmen - alle Vorurteile besiegt. Ein vorsätzliches Märchen? Oder doch ein Einblick in eine verborgene Wirklichkeit des (nord-)afrikanischen Alltags?

In Uganda waren es internationale Proteste, die Staatsoberhaupt Museveni dazu bewegten, von der Todesstrafe für Homosexuelle abzusehen. Am gesellschaftlichen Klima änderte dies allerdings wenig. Auf, der aufgrund des Outings durch "The Red Pepper" um sein Leben fürchten musste, beantragte kürzlich Asyl in Frankreich. Jetzt ist Auf ein politischer Flüchtling im Exil.

Queersicht Das Programm

Neben den vier Filmen im Themenschwerpunkt Afrika (siehe oben) präsentiert Queersicht auch heuer ein reichhaltiges Programm. Zum einen natürlich auf den Berner Leinwänden: Das Reitschule-Kino, das Kino Kunstmuseum, das Kino ABC, das Kellerkino und die Cinématte zeigen bis zum 16. November eine erlesene Auswahl europäischer, amerikanischer und asiatischer Filme. Unter den insgesamt 22 Werken finden sich traditionell Dok-, Kurz- und Spielfilme. Das detaillierte Programm ist unter www.queersicht.ch einzusehen.

Sehr vielversprechend erscheint ferner das Rahmenprogramm zum 15. Queersicht-Filmfestival. So wird dem Publikum in der Queersicht-Lounge die Möglichkeit geboten, selbst an der Gestaltung eines Films mitzuwirken. Mithilfe von Plastilin soll im Verlaufe des Festivals eine Form von "visuellem Kettenbrief" geformt werden. Ein weiteres Highlight: das Podiumsgespräch zum Thema "Queer Refugees - Sexualität als Fluchtgrund" (Sonntag, 13. November, 15.30 Uhr, Frauenraum in der Reitschule). Der Psychologe Udo Rauchfleisch diskutiert mit der Juristin Eylem Copur und der Menschenrechtsaktivistin Regula Ott über die rechtliche Stellung von Homosexuellen in Entwicklungsländern. (len)

---

WoZ 10.11.11

Queersicht

Vor fünfzehn Jahren wurde das Queersicht in der Reitschule in Bern ins Leben gerufen: Das älteste lesbisch-schwule Filmfestival der Schweiz kehrt dieses Jahr wieder an den Ort seiner Geburt zurück und positioniert seine Lounge und das Festivalzentrum im Frauenraum der Reitschule. Hier, im schönsten Raum der ganzen Reitschule, lässt sich bei Kaffee, Prosecco, Sirup und Sandwiches auch mit Filmschaffenden diskutieren. Der Themenschwerpunkt des diesjährigen Queersicht-Festivals ist Afrika. Zu sehen sind Filme wie "Cameroun   - sorti du Nkuta" von Céline Metzger, der von der ersten Juristin des Landes erzählt, die der Homophobie den Kampf angesagt hat, oder "Uganda: Killing in the Name" von Dominique Mesmin über die schlimme Situation Homosexueller in Uganda. Dazu gehört auch ein Podiumsgespräch: Zum Thema "Queer refugees   - Sexualität als Fluchtgrund" diskutiert der emeritierte Professor Udo Rauchfleisch, der seit einiger Zeit in der Demokratischen Republik Kongo lebt, mit der Juristin Eylem Copur und der Menschenrechtlerin Regula Ott.

Ausserdem gibts eine grosse Anzahl internationaler queerer Kurzfilme zu sehen und wie immer zum Abschluss die Queersicht-Party, an der die Bielerin DJ Sanguine auflegt und Cath’n’Dan Deep- und Techhouse spielen. süs

Queersicht in: Bern mehrere Kinos, Festivalzentrum Frauenraum Reitschule, Do, 10., bis Mi, 16. November. www.queersicht.ch

---

kulturagenda.be 10.11.11

Klappe für Queersicht, das lesbisch-schwule Filmfestival in Bern

Seit 15 Jahren organisiert der Verein Queersicht jährlich ein Festival, das auf die Homo- und die Transsexualität im Film fokussiert. Co-Präsident Donat Blum gibt Auskuft.

Die Homosexualität scheint akzeptiert zu sein wie noch nie. Und dennoch ist die Gay-Kultur eine Nischenkultur geblieben. Stimmt dieser Eindruck?

Klar, die Akzeptanz ist eindeutig gestiegen. Und doch gibt es noch immer erschreckend viele Leute, die Berührungsängste haben mit den LGBT (kurz für: Lesbian, Gay, Bisexuals and Trans, Anm. d. Red.). Aber die Gruppe der Interessierten ist eindeutig grösser geworden. Wir konnten in den letzten Jahren beobachten, wie vor allem in kulturell interessierten Kreisen die Neugierde für "queere" Themen zugenommen hat, also für Geschichten, die sich mit der sexuellen Orientierung auseinandersetzen.

Gibt es also auch für Heteros Spannendes zu sehen am Queersicht?

Auf jeden Fall. Ich gehe ja auch Heterofilme schauen. Die sexuelle Orientierung ist nicht ausschlaggebend. Wir zeigen viele Filme, die von der filmischen Qualität leben und nicht nur davon, dass sie eine homosexuelle Geschichte erzählen.

Welche Rolle spielen Transgender, also im weitesten Sinne alle, die zwischen oder ausserhalb der beiden Geschlechter Mann und Frau stehen?

Der Begriff Queer ist stark geprägt von Transgenderthemen. Auch im Film findet dies immer mehr Resonanz. Dieses Jahr haben wir mit "Romeos" eine Transkomödie, die nicht nur problematisiert, sondern einen freudigen Zugang mit Happy End bietet. Anschliessend findet ein Gespräch zum Film statt mit dem Transgender Network, einer Vereinigung von Transmenschen, die erst letztes Jahr gegründet wurde.

Sind die Themen in der Szene noch immer dieselben wie vor 15 Jahren?

Nein, soweit ich das beurteilen kann, haben sich die Themen stark verschoben. Es geht nicht mehr primär darum, die Akzeptanz für eine schwule oder lesbische Lebensform zu finden, mittlerweile können wir mit einer grösseren Selbstverständlichkeit auftreten und weiterführende Themen aufgreifen wie etwa Adoptionsrecht oder weltweite Gesetze und ganz allgemein Geschlechterrollen in Frage stellen. Da hat sich schon einiges verändert.

Was bleibt gleich?

Gerade auch beim Film sind die Coming-out-Geschichten nach wie vor ein Dauerbrenner. Heute in der Szene ein etwas weniger wichtiges Thema, aber es ist wohl noch immer ein äusserst prägendes Erlebnis der meisten Lesben, Schwulen und Transmenschen in ihrer Identitätsfindung.

Ihr habt einen Themenschwerpunkt gesetzt, "Afrika". Weshalb?

Wir sind in der Reitschule entstanden und sind ein politisch kommentierendes Festival. Global gesehen, ist die Situation der nichtheterosexuell lebenden Menschen auf dem afrikanischen Kontinent sicher am schlimmsten. Da gibt es absolut menschenverachtende Zustände. Dass in unserem Asylrecht Homosexualität nicht als Asylgrund anerkannt ist, ist verheerend. Auf dieses Themengebiet wollen wir den Fokus richten. "Uganda: Killing in the Name" ist ein Film, der sehr deutlich macht, welchen Zuständen der Grossteil afrikanischer Lesben, Schwule und Transgender ausgesetzt sind.

Interview: Michael Feller

\ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \

Div. Orte, Bern. Do., 10. bis Mi., 16.11. Verlosung von 2×2 Tickets für "Romeos" am Fr., 11.11. im Kellerkino. www.queersicht.ch

---

Bund 9.11.11

Unbekannte stellen Zivilfahnder an den Internet-Pranger

Rund ein Dutzend Zivilfahnder der Polizei sind auf der Website Indymedia geoutet worden. Polizeikommandant Stefan Blättler spricht von "Selbstjustiz".

Was die Polizei bei Chaoten und Hooligans praktiziert, wird nun auch mit der Polizei gemacht: Auf der Internetseite Indymedia werden Zivilfahnder der Kantonspolizei mit Foto und zum Teil mit Namen und Adresse an den Pranger gestellt. Die Bilder werden kommentiert mit Sätzen wie "Haut jedem Bullenschwein eine rein" oder "Wir kriegen euch alle". "Es ist das erste Mal, dass ich in dieser Form Kenntnis von solchen Anfeindungen gegen einzelne Polizeiangehörige im Internet habe", bestätigt Polizeikommandant Stefan Blättler einen Bericht der TV-Sendung "Schweiz aktuell". In der Sendung berichteten zwei betroffene Beamte, dass sie seit ihrem "Outing" Angst vor Repressalien gegen sich selber und gegen ihre Familien hätten. Auch in einem Ende September veröffentlichten Videofilm eines Reitschul-Gastes über eine Rangelei bei der Verhaftung eines mutmasslichen Dealers in der Reitschule waren Zivilfahnder gut erkennbar.

Mit Strafanzeigen ist zu rechnen

Bild- und Tonaufnahmen von Angehörigen der Polizei sind nicht verboten. Solange die Aufnahmen auf öffentlichem Grund gemacht und dabei die Persönlichkeitsrechte nicht verletzt würden, "sind sie in der Regel nicht weiter zu beanstanden", sagt Blättler. Nicht tolerierbar seien aber Gewaltaufrufe gegen einzelne Polizei-Mitarbeiter im Netz. Die betroffenen Beamten prüfen zurzeit Anzeigen wegen Persönlichkeitsverletzung. Kommandant Blättler sprach in der TV-Sendung von "Selbstjustiz". Er hat ein juristisches Kurzgutachten in Auftrag gegeben, um die rechtlichen Möglichkeiten zum Schutz betroffener Beamter abzuklären. Nun gehe es darum, die weiteren Schritte mit den Betroffenen zu diskutieren. "Grundsätzlich werden Angriffe auf Polizeiangehörige aber konsequent zur Anzeige gebracht", sagt Blättler.

Sperrung der Website gefordert

Die Polizei will gegen Gewaltdrohungen aber nicht nur juristisch vorgehen. Unabhängig von den Vorfällen im Internet habe die Kapo jüngst "als eines der ersten Korps" eine Umfrage zum Thema Gewalt durchgeführt, sagt Blättler. Diese werde zurzeit ausgewertet, "damit möglichst konkrete Massnahmen gegen die Gewalt getroffen und die bestehenden Unterstützungsangebote für die Mitarbeitenden ausgeweitet werden können", sagt Blättler.

Auf der Internetseite von Indymedia war gestern von einer "Tränen rührenden Geschichte" die Rede, die Teil einer "Propaganda-Offensive der Polizeiverantwortlichen der ganzen Schweiz" sei. Diese versuchten, "ihren kleinen Polizeistaat aufzubauen" und jegliche Kritik gegenüber Polizisten "in Repression und Medienblödsinn zu ersticken". Die Reitschule ihrerseits liess bezüglich des erwähnten Rangelei-Videos ausrichten, dass Zivilfahnder, die sich korrekt verhielten, auch keine Angst vor einem Outing haben müssten.

Grossrat Markus Meyer (SP), Präsident der Berner Polizeibeamtenverbandes, fordert den "bestmöglichen Schutz" für Polizeiangehörige - bis hin zu einer möglichen Änderung des Polizeigesetzes. Ein wirkungsvolles Mittel wäre auch die Sperrung der Internetseite. "Fahndet die Polizei nach Hooligans im Internet, gibt es Diskussionen. Die Fotos und Aufrufe gegen die Berner Zivilfahnder hingegen lässt man monatelang im Netz stehen", sagt Meyer. (bob)

---

BZ 9.11.11

Polizei will gegen Gewalt-Aufrufe vorgehen

Internet-Pranger · Bilder von Polizisten im Einsatz, versehen mit Hatzparolen: Solche Aufrufe zu Gewalt gegen Polizisten tauchen vermehrt im Internet auf. Die Berner Kantonspolizei prüft nun, mit welchen Massnahmen sie gegen solche Internetpranger vorgehen kann.

"Bullenzivis müssen geoutet werden." Oder: "Wir kriegen euch alle." Oder: "Haut jedem Bullenschwein eine rein!" Oder: "Damit alle wissen, wie diese Scheiss-Cops aussehen!" Diese Aufrufe waren oder sind seit einiger Zeit auf der links-alternativen Internetplattform Indymedia zu lesen. Unter den Parolen sind Bilder von Berner Zivilfahndern und Polizisten platziert - zum Teil unscharf, zum Teil von weit weg, aber doch oft erkennbar. Zu sehen sind etwa auch die Bilder jener Zivilpolizisten, die beim umstrittenen Einsatz vom 22. September in der Reitschule dabei waren. Aufgrund eines Besuchervideos wurde die Polizei-Darstellung des Einsatzes stark relativiert (wir berichteten).

"Das ist Selbstjustiz"

Bilder von Polizisten im Internet, ergänzt mit Aufrufen zur Gewalt - das ist nicht ganz neu. Für die Berner Kantonspolizei ist nun aber klar, dass sie dies nicht mehr länger hinnehmen will, wie Kommandant Stefan Blättler gegenüber der TV-Sendung "Schweiz aktuell" sagte. "Die aktuelle Entwicklung führt bei uns zu grosser Besorgnis", so Blättler. Wenn die Polizei im Internet mit Fotos nach Hooligans suche, sei dies nicht vergleichbar. "Dies gehört zur Arbeit der Polizei", so Blättler. "Aber wenn das Private machen, ist das Selbstjustiz und nicht tolerierbar." Die Kantonspolizei hat laut Sprecherin Daniela Sigrist ein Gutachten erstellen lassen, das aufzeigen soll, welche rechtlichen Mittel die Polizei gegen solche Gewaltaufrufe gegen einzelne Mitarbeitende hat. Das Gutachten liege vor und werde zurzeit ausgewertet.

Eingeschränktes Privatleben

Gegenüber "Schweiz aktuell" berichteten zwei Berner Zivilfahnder, dass sie sich aus Angst vor Angriffen im Privatleben eingeschränkt fühlten. Ein Familienvater gab an, nicht mehr in der Stadt Bern einzukaufen. Diese Polizeimitarbeiter müssten von sich aus Anzeige gegen die Urheber der Aufrufe erstattet - die Kantonspolizei selber kann dies nicht tun. Mitarbeiter, die einen solchen Schritt machen möchten, würden dabei aber unterstützt, sagt Sprecherin Sigrist.

Auf der Plattform Indymedia wiederum schreibt eine anonyme Person, die Ankündigung Blättlers, gegen solche Aufrufe vorzugehen, passe zur "Propaganda-Offensive der Polizeiverantwortlichen in der ganzen Schweiz". Die Mediengruppe der Reitschule liess verlauten: Wer sich als Polizist korrekt verhalte, müsse auch nicht mit einem Outing rechnen. Die Mediengruppe hatte nach dem umstrittenen Polizeieinsatz vom 22. September Bilder aus einem Besuchervideo veröffentlicht. Dabei waren die Gesichter der Reitschul-Besucher verpixelt worden, jene der Zivilfahnder hingegen nicht.

Eine Umfrage zur Gewalt

Die Polizei klärt nun ab, auf welche Art und Weise sie sich gegen die Aufrufe wehren will und kann. Das Corps habe soeben eine Umfrage zum Thema durchgeführt, sagt Polizeisprecherin Daniela Siegrist. Damit will die Polizei herausfinden, wie oft und zu welcher Art von Übergriffen es gegenüber Polizisten kommt. Die Ergebnisse der Umfrage sollen auch in das weitere Vorgehen einfliessen.

Wolf Röcken

---

20 Minuten 9.11.11

Nach Zivilfahnder-Outing: Mehr Schutz gefordert

BERN. Nachdem im Oktober Zivilfahnder auf der Onlineplattform Indymedia geoutet wurden, wird nun über mögliche Massnahmen diskutiert.

Mit Worten wie "Wir kriegen euch alle!" wurde im Oktober auf Indymedia zu Gewalt gegen Polizisten aufgerufen. Gleich daneben: klar erkennbare Bilder von Zivilpolizisten bei Einsätzen (20 Minuten berichtete). Dies könnte ein Nachspiel haben. Markus Meyer, Präsident des Polizeiverbands Bern Kanton: "Ich erwarte, dass vonseiten des Arbeitgebers etwas unternommen wird. Die Mitarbeiter müssen geschützt werden." Er werde sich in den nächsten Tagen mit Kommandant Stefan Blättler treffen, um das Vorgehen wie etwa eine Website-Sperrung zu besprechen.

Blättler verurteilt die Gewaltaufrufe gegen einzelne Mitarbeiter. Anzeige erstatten könne die Polizei selbst in diesen Fällen nicht, sie biete den betroffenen Mitarbeitern aber volle Unterstützung. Laut "Schweiz aktuell" überlegen sich sechs der Fahnder, Strafanzeige wegen Persönlichkeitsverletzung einzureichen. Blättler: "Ich habe ein Kurzgutachten in Auftrag gegeben, um die rechtlichen Möglichkeiten abzuklären. Wir studieren nun die Ergebnisse und prüfen weitere Massnahmen." Die Indymedia-Betreiber sind davon wenig beeindruckt: Sie posteten am Montagabend extra noch mal die Fotos der Fahnder.

Nathalie Jufer

---

Bund 9.11.11

Spiezer Politiker unbegründet aus Bern weggewiesen

Am Tag der SVP-Kundgebung nahm die Polizei einen jungen Grünen fest. Dieser beschwerte sich - mit Erfolg.

Markus Dütschler

Am 10. September 2011 lagen bei Berns Sicherheitskräften die Nerven blank: Die SVP führte ihr "Familienfest" durch. Eigentlicher Grund für die Anspannung waren die Krawalle vier Jahre zuvor. Vermummte Randalierer hatten am 6. Oktober 2007 einen bewilligten SVP-Umzug gestoppt. 2011 sollte sich das nicht wiederholen. Die Polizei kündigte Personenkontrollen an und war präsent.

55 Personen wurden festgehalten, 37 bekamen eine Fernhalteverfügung, unter ihnen der grüne Spiezer Jungpolitiker Philipp Zimmermann, Co-Präsident der Schweizer Grünen: Er wurde an den Händen gefesselt und in den "Festhalte- und Warteraum" im P + R Neufeld transportiert - ohne Widerstand zu leisten, wie er betont. Als Grund nannte die Polizei drei Polit-Aufkleber, die er im Rucksack mitführte. Die Verfügung untersagte ihm das Betreten der Innenstadt bis Sonntag 6 Uhr. Er beschwerte sich schriftlich gegen die Verfügung, die ihm unterstellte, seine Anwesenheit gefährde die öffentliche Ordnung. An einer Demonstration habe er nicht teilgenommen, zumal gar keine stattgefunden habe. Politmaterial falle unter die Meinungsäusserungsfreiheit und dürfe nicht als Vorwand für eine Verhaftung dienen.Nun hat Zimmermann recht bekommen, wie aus einem Brief des Polizeikommandos zu entnehmen ist: "Nach eingehender Prüfung des Sachverhalts" werde die Festhalteverfügung "nachträglich aufgehoben". Nach einem Satz des Bedauerns sucht man vergebens.

Die Jungen Grünen Kanton Bern werten die Aufhebung als "Eingeständnis", dass die Polizei "willkürlich und ohne rechtliche Grundlage" Leute festgenommen habe. Polizeikräfte müssten besser mit "Gesetzes- und Menschenrechtskunde" vertraut gemacht werden.

Polizeisprecherin Daniela Sigrist sagt auf Anfrage, die Situation sei damals "risikobehaftet" gewesen. Im Nachhinein schätze die Polizei die Lage anders ein. Und sie fügt bei: "Falls sich der Beschwerdeführer ungerecht behandelt gefühlt hat, tut uns das leid."

---

BZ 9.11.11

SVP-Fest: Polizei hebt eine Wegweisung auf

Stadt Bern. Philipp Zimmermann, Co-Präsident der jungen Grünen, wehrte sich erfolgreich gegen die Fernhalteverfügung am SVP-Fest. Die Polizei krebst zurück.

Am 10. September versammelte sich auf dem Bundesplatz die SVP, und Hundertschaften von Polizisten riegelten den Zugang ab. Sie hielten 55 Personen fest. 37 erhielten Fernhalteverfügungen. Eine davon hob die Polizei nun wieder auf. Bei Philipp Zimmermann, Co-Präsident der jungen Grünen Kanton Bern, krebst die Polizei zurück "nach eingehender Prüfung des Sachverhalts", wie dem kurzen Schreiben vom 2. November zu entnehmen ist. Zimmermann war einer der zwei, die Beschwerde gegen die Verfügung erhoben haben (wir berichten). Gemäss Polizeisprecherin Daniela Sigrist ist die andere noch hängig.

An besagtem Samstag geriet Zimmermann in eine Polizeikontrolle: "Ich befand mich auf dem Bärenplatz. Die Polizei fand in meinem Rucksack drei politische Flyer, die mir zugesteckt worden sind." Die Polizisten hätten ihm gesagt, ausser von der SVP sei politisches Propagandamaterial heute nicht zulässig. Zimmermann wurde gefesselt auf den Polizeiposten Neufeld abgeführt. Dort erhielt er eine Fernhalteverfügung, die ihm das Betreten der Innenstadt bis am nächsten Morgen verbot. Darin sei nichts mehr von der mündlichen Begründung gestanden. "Ich sei im Zusammenhang mit einer unbewilligten Protestaktion aufgegriffen worden. Durch die Anwesenheit in einer Ansammlung hätte ich die öffentliche Sicherheit gefährdet." Zimmermann stellt aber klar: "Ich war alleine dort." Der Beschwerdeentscheid sei Genugtuung und bestätige das "zweifelhafte Verhalten" der Polizei. Er habe mit Schicksalsgenossen gesprochen und nicht in einem Fall hätten sich die Vorwürfe der Polizei erhärtet. "In der Zelle traf ich etwa einen Gärtner, der auf dem Heimweg angehalten wurde. Sein mitgeführter gefährlicher Gegenstand war eine Heckenschere." Sigrist von der Polizei hält fest: "Im konkreten Fall wurde das mögliche Risiko durch die beschwerdeführende Person im Nachhinein tatsächlich anders beurteilt als in der risikobehafteten Situation. Doch dies gilt nicht generell." Die jungen Grünen werten den Entscheid aber als "Eingeständnis", dass die Wegweisungen willkürlich waren. Zimmermann kritisiert etwa auch die Verfügungen im Zusammenhang mit der Sitzblockade beim AKW Mühleberg: "Die betroffenen Personen mussten sich einen Monat lang aus einem Umkreis von rund zwölf Quadratkilometer rund um das Atomkraftwerk fernhalten." cab

---

BZ 9.11.11

Bollwerk

Restaurant soll im Dezember öffnen

In der ehemaligen Brasserie Bollwerk wird nun gearbeitet. Nach dem Aus der Brasserie wird hier wieder ein Gastrobetrieb mit hochwertiger lokaler Küche einziehen (wir berichteten). Die Eröffnung, die für November vorgesehen war, verzögert sich laut Diego Dahinden aber bis Dezember. Dahinden betreibt mit zwei Mitstreitern die Advance Gastro GmbH, welche das Restaurant betreiben soll. Er selber war zuletzt als Kulturveranstalter im Dachstock der Reitschule tätig. Die zwei Kollegen führten die Formbar in Bern.wrs
---

BZ 8.11.11

Hauptsache Bern

Werfen als Grundbedürfnis

Adrian Iten Geschäftsführer und Teilhaber von Adriano's Bar & Café in Bern

Na bravo, dachte ich, als ich einen Tag vor Halloween in dieser Zeitung las, dass es in letzter Zeit in Mode gekommen sei, in der Nacht von Halloween mit rohen Eiern um sich zu werfen. Das war neu für mich, auch wenn ich mich vor ein paar Jahren über die Eierschale wunderte, die am "B" der Anschrift "Bar & Café" am Laubenbogen hing. Nicht trick or treat, nicht die Geister besänftigen, nein, dumb und doof einfach nur Eier gegen eine Fassade knallen. Na bravo, dachte ich, jetzt weiss nicht nur ich, was angesagt ist, die geschätzten 10 000 pubertierenden Leserinnen und Leser wissen das jetzt auch.

Werfen als Kommunikation

Dabei muss Werfen in der Entwicklung des jungen Menschen eine sehr wichtige Rolle einnehmen. Meine ältere Schwester pflegte den Teller umzudrehen, wenn sie - als Bébé - genug hatte. Eine Nichte wirft ganz einfach den Löffel, am liebsten aber etwas Essbares weg, um damit das Gleiche zu sagen. Ich fand Lego-Steine eine prima Munition, um die Kunstwerke des fünf Jahre älteren Bruders zu bombardieren. Mit dem ersten Schnee und der ersten Klasse kam ein ganz spannendes Novum in mein noch junges Leben: das Mädchen als Zielobjekt. Jetzt wird es ganz spannend. Zielgenauigkeit (ich, drei Meter daneben, aus drei Metern!) und Kraft, Weitwurf. Ich habe mich dann aus praktischen Gründen für den Konfettiwurf aus nächster Nähe entschieden. Eins dieser blöden Papierschnitzel bleibt sicher im Haar der Beworfenen hängen.

Werfen als Waffe

Richtig ernst wurde es in den Baugruben rund um unser Haus. Meine Freunde und ich bewarfen uns mit einem Lehm-Dreck-Gemisch, wir schenkten uns nichts. Und ganz knapp vor dem richtigen Ernst wurde ich gerade noch rechtzeitig erwachsen. Ich legte den Pflasterstein wieder auf die Strasse, der Bulle von gegenüber konnte ja nichts dafür, dass "Züri brännt" und darum in Bern auch etwas mehr Action abgehen sollte. Damals dachte ich, ich wollte mich später nicht schämen müssen für hirnlose Dummheiten meiner Jugend.

Werfen aus Dummheit

Diese Art von Werfen ist rund um die Reitschule brandaktuell. Es ist wie ein Reflex dieser Einzeller, die den Vorplatz bevölkern: Kaum taucht eine Uniform oder ein Polizeiauto auf, wird geworfen, was der Boden und die Bar hergibt. Die Ikur hebt hilflos die Schultern, und die SVP schlägt schlicht und einfach vor, den Chaoten Plastikbecher statt Flaschen in die Hände zu drücken. Damit können Babypunks und Spätpubertierende keine Bullen mehr zum Rückzug bewegen. Dabei wird auf dem Vorplatz auch hie und da ganz friedlich geworfen, im Ernst! Bei Kupp, einem Wurfspiel der Wikinger, wird mit Holzstäben auf Holzklötze geworfen. Womit ich schon zum letzten Gedanken käme:

Werfen als Spiel

Jahrelang war es Boccia oder Pétanque, je nach Feriendestinationsaffinität (wow, was für ein Wort!). Kaum ein Kies- oder Sandplätzchen unter Schatten spendenden Bäumen, wo nicht die schweren Kugeln geworfen wurden, wahlweise mit einer Merit oder einer Gauloises im Mundwinkel und dem Béret auf dem Kopf. Und was sonst noch? Im Bärenpark wird zurzeit grad nicht geworfen, erst muss der Nachwuchs eine Bleibe finden. Weder YB noch SCB gelingt gerade der grosse Wurf. Im Bundeshaus werfen Politiker grosse Schatten voraus oder Handtücher. stadtbern@bernerzeitung.ch

---

Indymedia 7.11.11
https://ch.indymedia.org/de/2011/11/84257.shtml

AutorIn : Stefan Blättler

Kapo Bern jagt Indymedia wegen Zivi-Outings

Nachdem im September und Oktober auf Indymedia etwa ein knappes Dutzend Berner Polit- und Drogenzivis geoutet wurden, schlägt nun die PR-Abteilung der Kantonspolizei zurück: Mit einem tränenrührenden Portrait auf Schweiz Aktuell wird das Schicksal von zwei Politzivis beleuchtet, die seit ihrem Outing angeblich Angst auf ihrem Arbeitsweg haben oder sich nicht mehr getrauen, mit der Familie in der Stadt einkaufen zu gehen.
Schuld daran sind laut KaPo fiese gemeine Unbekannte und Indymedia. Gegen beide will die Kapo Bern nun vorgehen.

So behämmert sich die Geschichte anhört - sie passt in die Propaganda-Offensive der Polizeiverantwortlichen in der ganzen Schweiz, die immer mehr versuchen, ihren kleinen Polizeistaat aufzubauen und jegliche Kritik gegenüber Polizist_innen und der gesellschaftlichen Rolle der Polizei in Repression und Medienblödsinn zu ersticken.

Neben den Polizeikommandanten spielt dabei auch der Verband Schweizerischer Polizei-Beamter VSPB eine zentrale Rolle. So auch am 12. Forum "Innere Sicherheit", dass am 4.11.11 im Berner Kulturkasino stattfand.
(siehe auch  http://vspb.org/de/themen_events_ausbildung/forum_innere_sicherheit/)

Watsch the Cops & Faight the System


-

Schweiz Aktuell 7.11.11
Zivile Fahnder am Pranger
Während die Polizei im Internet immer wieder nach Hooligans und Krawallmachern sucht, drehen Unbekannte jetzt den Spiess um. Sie stellen zivile Fahnder an den Online-Pranger. Zwei Berner Kantonspolizisten erzählen, was dieses Outing für sie für Konsequenzen hat.
http://www.videoportal.sf.tv/video?id=4ccb6dae-c242-4b9c-9fa3-32ed44fbf159
-
Indymedia 4.10.11
Weitere ZiviFotos
https://switzerland.indymedia.org/de/2011/10/83681.shtml
-
Indymedia 2.10.11
Fotos von Zivilpolizisten aus Bern
https://switzerland.indymedia.org/de/2011/10/83642.shtml
-
Indymedia 24.9.11
Zivis die am 24.9. in Bern rumschlichen
https://switzerland.indymedia.org/de/2011/09/83450.shtml


---

Schweiz Aktuell 7.11.11

Zivile Fahnder am Pranger

Während die Polizei im Internet immer wieder nach Hooligans und Krawallmachern sucht, drehen Unbekannte jetzt den Spiess um. Sie stellen zivile Fahnder an den Online-Pranger. Zwei Berner Kantonspolizisten erzählen, was dieses Outing für sie für Konsequenzen hat.
http://videoportal.sf.tv/video?id=4ccb6dae-c242-4b9c-9fa3-32ed44fbf159

---

kulturstattbern.derbund.ch 7.11.11

Kulturbeutel 45/11

Von Benedikt Sartorius am Montag, den 7. November 2011, um 05:39 Uhr

Herr Sartorius empfiehlt:
Das englische Produzenten-Phantom Zomby taucht am Freitag in Düdingen mit seinen Tracks und virtuellen Panda-Bear-Gesängen auf. Hingehen! Am selben Abend: Die Welthits im Mambo-Gewand von Señor Coconut und seinem Orchester im Dachstock.

Frau Kofmel empfiehlt weiter:
Am Dienstag spielt die Band And So I Watch You From Afar im Dachstock. Nicht, dass ich von dieser Musikrichtung eine Ahnung hätte und ausser einem kurzen Video, das mir zwecks Konzertbegleitungsanfrage vorgespielt wurde, ist mir auch die Band gänzlich unbekannt. Das Video war aber überzeugend und der Name dieser Band tut ja wohl das Übrige dazu.

(...)

Frau Feuz empfiehlt:
gehen Sie an die RaBe-Clubtour, welche am Donnerstag im Rössli Halt macht. Auf der Bühne werden dort Slam & Howie ihren Bastard Speed Country zum Besten geben. Am Freitag sollten LiebhaberInnen von 60er Garagenrock den zweiten "Wild Friday" mit den Trashmonkeys im ISC nicht verpassen.

(...)

---

BZ 7.11.11

"Clubs müssen Qualität bieten, nicht Halligalli"

NACHTLEBEN in BernWie stehts ums Nachtleben in der Bundesstadt? Darüber wird diesen Mittwoch an einem Podium diskutiert. Organisiert hat es der Verein Bekult, der Dachverband der Berner Kulturveranstalter. Bekult-Präsident Christian Pauli spricht über den Wandel im Nachtleben, die Reitschule und die Nichtmetropole Bern.

Herr Pauli, die Diskussion um das Berner Nachtleben läuft schon seit Anfang Sommer. Wieso schaltet sich Bekult erst jetzt ein?

Christian Pauli: Wir haben schon lange reagiert. Beispielsweise haben wir bei der Petition "Pro Nachtleben Bern" mitgearbeitet. Wir haben auch unsere Mitglieder dazu aufgerufen, die Petition zu unterschreiben. Wir haben aus verschiedenen Gründen aber nicht offiziell mitgemacht.

Welche Gründe sind das?

Die Petition in dieser Form deckt sich nicht mit der Position von Bekult. Sie bringt zwar zur Sprache, dass es in Bern ein Problem mit dem Nachtleben gibt. Sie weist auch richtigerweise darauf hin, dass die Behörden zum Beispiel bei der Lautstärke sehr technokratisch reagieren. Nicht zu Wort kommt aber der gesellschaftliche Wandel im Ausgangsverhalten in den letzten Jahren.

Sie sprechen hier die "drastischen Veränderungen" im Nachtleben an, die Bekult laut einer Medienmitteilung in den Vordergrund rücken möchte.

Richtig. In den letzten Jahren gab es eine grosse Ausweitung des Nachtlebens. Immer mehr Leute sind immer später auf der Gasse. Vor fünfzehn Jahren fuhren um drei, vier, fünf Uhr morgens keine Moonliner. In meiner Jugend waren die Kneipen schon um halb zwölf zu.

Was hat sich weiter verändert?

Das Rauschverhalten der Jugendlichen. Berauschen gehörte schon immer zum Ausgang und zur Jugend, aber das Amoksaufen zieht immer breitere Kreise. Wir sind überzeugt, dass dieses Nachtleben Ausdruck der zunehmenden Kommerzialisierung der Gesellschaft ist. Und wir finden es nötig, dass sich die Politik diesen Entwicklungen stellt.

In der Medienmitteilung schreiben Sie, dass die Politik gegenüber dem neuen Nachtleben offensichtlich überfordert sei.

In Bern lässt sich die Überforderung an einem Punkt festnageln, und das ist die Reitschule. Wir wollen die Gewalt auf dem Vorplatz nicht verleugnen. Aber die enorme soziale und kulturelle Funktion, welche die Reitschule für die Stadt hat, geht in der Diskussion oft vergessen. Die Frage ist: Wie lässt man einen solch wichtigen Freiraum zu und hat trotzdem die Lage im Griff, ohne dass es jedes Wochenende "Lämpe" gibt? Die Behörden reagieren hier zwar punktuell, ohne ersichtliche Strategie. Es braucht ein städtisches Konzept fürs Nachtleben.

Wo sollten die Behörden Ihrer Meinung nach Grenzen ziehen?

Es kann nicht sein, dass viele die Aarbergergasse meiden, weil sie das Gepöbel nicht aushalten. Wir stellen die Frage, ob die Stadt oder die Clubs dafür zuständig sind. Hier müssten beide Parteien Gespräche führen, um Antworten zu finden.

Das ist aber reichlich vage. Was können Clubs und Politik konkret dagegen unternehmen?

Ein Beitrag der Clubs muss die Qualität sein. Dass sie nicht Halligalli, billige Drinks und Konservenmusik anbieten, sondern eine gepflegte Nachtkultur mit eigener Identität und Ausstrahlung.

Wie wäre es mit Zonen für das Nachtleben, wie in der Petition "Pro Nachtleben" gefordert?

Die Aarbergergasse hat man nicht als Ausgehmeile erfunden, die hat sich so entwickelt. Explizit Parameter für das Nachtleben zu schaffen, entspricht nicht unserem Bild eines urbanen Lebens. Eine Durchmischung von verschiedenen Lebensbedürfnissen und Lebensarten gehört zur Stadt. Wer in einer Stadt wohnen will, muss in Kauf nehmen, dass sie in der Nacht lebt.

Dies geht in Richtung eines "hauptstadtwürdigen Nachtlebens", das die Petition fordert.

Wir verwenden diesen Begriff nicht. Bern samt Region ist ein urbaner Raum von rund 300 000 Menschen, keine Grossstadt und keine Metropole. Hier kann es kein Nachtleben wie in Berlin geben. Trotzdem gehört zur Attraktivität einer Stadt ein spannendes Nachtleben. Beispielsweise vermisse ich ruhige Ecken, wo ich um drei Uhr morgens etwas trinken kann - ohne dass ich in einen Club gehen muss, in dem es nach Red Bull riecht.

Wenn ein Nachtleben zu einer Stadt gehört, müssen Anwohner toleranter werden. Ist es die Toleranz, die Bekult vermisst?

Wir glauben, dass man den Menschen ins Bewusstsein bringen muss, dass Lärm und Unruhe zu einer Stadt gehören. Die gesellschaftlichen Bedürfnisse bezüglich Nachtleben haben sich nun mal geändert. Wenn man das Bewusstsein für dieses neue Phänomen schärft, entsteht Toleranz von selber. Das gilt für Clubs, Anwohner und auch Behörden. Hier möchten wir ansetzen - beispielsweise mit unserer Podiumsdiskussion.

Interview: Jessica King

Podiumsdiskussion: Jugend- und Nachtkultur in Bern. Mittwoch, 9. November, 19 Uhr, Kornhausforum.

---

bekult.ch

9. November - bekult-Panel "Jugend und Nachtkultur"

„Neue Dynamik oder Repression? - Jugend und Nachtkultur in Bern“
Mittwoch, 9. November um 19.00 Uhr im Kornhausforum Bern

bekult hat sich intensiv mit den Problemen der von der Schliessung bedrohten Clubs und dem Anspruch der Jugend auf ein toleriertes Nachtleben in Bern befasst. Die Debatte soll möglichst breit an die Öffentlichkeit getragen werden. Deshalb lädt bekult zu einem öffentlichen Panel mit Behördenvertretern und Veranstaltern.

Es diskutieren:

Moderation: Mike Bucher, freischaffender Moderator, Vorstandsmitglied bekult

---

BZ 7.11.11

Tor darf geschlossen werden

Reitschule · Das Eingangstor zur Reitschule dürfte während des Betriebs geschlossen werden, finden Brandschutzexperten. Der Gemeinderat hatte bisher das Gegenteil gesagt.

Seit Jahren fordert eine Mehrheit des Berner Stadtrats, dass während Demonstrationen in der Stadt das grosse Eingangstor zur Reitschule von den Betreibern geschlossen werden muss. Dies, damit sich gewalttätige Demonstranten nicht in die Reitschule zurückziehen können. Bis heute erfüllen die Reitschule-Betreiber diese Forderung nicht und werden vom Gemeinderat unterstützt: Weil sich das grosse Tor nicht in Fluchtrichtung öffnen lasse, dürfe es nicht während des Betriebs geschlossen werden. So steht es auch im gemeinderätlichen Vortrag zum Leistungsvertrag mit der Reitschule. Brandschutzexperten der Gebäudeversicherung kommen jedoch zu einem anderen Schluss. Die kleineren Türen innerhalb des grossen Tors seien als Fluchttüren genügend. Diese kleinen Türen würden sich gegen aussen öffnen lassen, so die Brandschutzexperten. Der Gemeinderat habe vor der Debatte zum Leistungsvertrag wider besseres Wissen eine falsche Stellungnahme abgegeben, kritisiert FDP-Fraktionspräsident Bernhard Eicher. Auch der Präsident der vorberatenden Kommission ist nicht zufrieden mit der "unkorrekten Botschaft" der Regierung.mm

Seite 3

-

Das Tor zur Reitschule darf bei Demos doch geschlossen werden

Stadt Bern Brandschutzexperten der Gebäudeversicherung Bern haben die Reitschule inspiziert. Ihr Fazit: Das Eingangstor darf auch während des Betriebs geschlossen werden - zum Beispiel, wenn in der Stadt Demos stattfinden. Der Gemeinderat hatte bisher das Gegenteil gesagt.

Seit Jahren fordert eine Mehrheit des Berner Stadtrates: "Bei Demonstrationen ist das Tor zur Reitschule zu schliessen." Die Reitschule dürfe nicht als "sicherer Rückzugsraum für Gewalttäter" dienen. So stehts in der im Februar 2009 mit 51 zu 20 Stimmen überwiesenen und seither oft zitierten "Motion Mosza".

Bis heute schlagen die Reitschulbetreiber diese Forderung in den Wind. Und auch die Stadtregierung hat sich bisher gegen die Torschliessung ausgesprochen. Weil sich das grosse Tor nicht in Fluchtrichtung öffnen lasse, dürfe es während des Betriebes nicht geschlossen werden, steht im gemeinderätlichen Vortrag zum Leistungsvertrag mit der Reitschule 2012 bis 2015. Um das Tor schliessen zu dürfen, müsste es umgebaut werden, sodass es sich nach aussen öffnen lasse. "Es ist in den Augen des Gemeinderates nicht sinnvoll, das Tor umzubauen." Die Regierung beruft sich bei ihren schriftlichen Aussagen explizit auf die Gebäudeversicherung Bern (GVB).

"Wider besseren Wissens"

Ein Anruf bei ebendieser Gebäudeversicherung ergibt aber ein anderes Bild. Der Umbau des grossen Tores sei nicht nötig, um die im Kanton Bern verbindlichen Normen und Richtlinien der Vereinigung Kantonaler Feuerversicherungen (VKS) zu erfüllen, sagt Brandschutzexpertin Manuela Beutler. "Die Richtlinien würden sich mit geringem Aufwand erfüllen lassen." Bei einem Rundgang in diesem Herbst haben GVB-Mitarbeiter festgestellt, dass es innerhalb des grossen Tores zwei kleinere Tore hat. Die beiden kleineren Tore lassen sich gegen aussen öffnen. Damit seien die Fluchtwege gewährleistet. "Bei einem der Tore fehlt lediglich die sogenannte Panikstange, damit es sich im Ernstfall schnell und einfach öffnen lässt", sagt Manuela Beutler.

In diesem Herbst wurde die Kommission für Soziales, Bildung und Kultur (SBK) über das neue GVB-Fazit informiert. Die SBK ist für die Vorberatung des Leistungsvertrags mit der Reitschule für die Jahre 2012 bis 2015 zuständig (siehe Kasten) An besagter Sitzung war auch Stadtpräsident Alexander Tschäppät (SP) anwesend. "Nun gibt der Gemeinderat wider besseren Wissens eine falsche Stellungnahme ab", sagt FDP-Fraktionspräsident und SBK-Mitglied Bernhard Eicher. Auch SBK-Präsident Martin Schneider (BDP) sagt: "Diese unkorrekte gemeinderätliche Botschaft passt gut zum Verhalten der Regierung im Reitschule-Dossier." Die Informationsbeschaffung sei generell mühsam. "Ich musste mehrere Anläufe nehmen, bis wir endlich Einsicht in den Leistungsvertrag erhalten haben", sagt Martin Schneider.

Kommission muss informieren

Alexander Tschäppät wehrt sich gegen die Vorwürfe. Die GVB habe ihre Einschätzung zur Frage der Torschliessung erst geändert, nachdem die Arbeiten am Leistungsvertrag mit der Reitschule abgeschlossen waren, sagt der Stadtpräsident. Zuvor habe die GVB gegenüber der Stadtregierung stets den Standpunkt vertreten, das grosse Tor dürfe während des Betriebs nicht geschlossen werden. "Aufgrund dieser Informationen hat der Gemeinderat die Botschaft formuliert", sagt Tschäppät. "Dass das Tor nun doch geschlossen werden kann, hat die Vertretung der GVB erst bekannt gegeben, als die Botschaft bereits bei der vorberatenden SBK war." Von diesem Zeitpunkt an sei es die Aufgabe der SBK, den Stadtrat über die veränderte Ausgangslage aufzuklären und ihm Vorschläge zum weiteren Vorgehen zu machen. "Das wird unsere Sprecherin bei der Debatte zum Leistungsvertrag am 17. November tun", sagt SBK-Präsident Martin Schneider.

Der Notausgangtrick

Alexander Tschäppät betont: Diese Diskussion habe bloss einen theoretischen Wert. "Auch wenn die Reitschüler in Zukunft das grosse Tor während Demos schliessen dürfen, können sich Gewalttäter nach wie vor in die Reitschule zurückziehen." Da sich jede Feuerfluchttüre von innen öffnen lasse, genüge den Chaoten dazu eine Hilfsperson im Innern des Gebäudes. "Mit diesem Notausgangtrick hat sich schon unsere Generation den Eintritt ins Kino gespart. Im Handyzeitalter ist das noch viel einfacher." Martin Schneider widerspricht: "Wenn die Reitschüler wirklich wollen, kann sich kein Gewalttäter bei ihnen zurückziehen." Die Tatsache, dass das grosse Tor nun doch geschlossen werden dürfe, erleichtere dies enorm. "Die Zukunft wird zeigen, wie ernsthaft sich die Reitschulbetreiber an diese Vorgabe halten."

Tobias Habegger

-

Leistungsvertrag

Stadträte kritisieren den Gemeinderat

Es geht jährlich um 380 000 Franken, welche die Reitschulbetreiber zwischen 2012 und 2015 aus der Stadtkasse erhalten sollen. An der Sitzung vom 17. November stimmt der Stadtrat über den Leistungsvertrag mit der Reitschule ab. Diesen Vertrag hat eine Mitte-rechts-Koalition im März bereits einmal an den Gemeinderat zurückgewiesen - mit dem Auftrag, den Vertrag in vier Punkten zu überarbeiten. Sämtliche dieser Punkte betrafen mangelnde Sicherheitsauflagen. Gefordert wurde etwa ein interner Sicherheitsdienst, die namentliche Bekanntgabe von Kontaktpersonen, ein Konzept für den Vorplatz und die Aufforderung, das grosse Tor während Demonstrationen zu schliessen.

Der Gemeinderat hat den Leistungsvertrag daraufhin überarbeitet und dem Parlament ein zweites Mal vorgelegt. Doch die Kritik steht nach wie vor im Raum. Die vorberatende Kommission für Soziales, Bildung und Kultur (SBK) empfiehlt dem Parlament deshalb, den Vertrag vorerst nur für ein Jahr - anstatt für vier - zu bewilligen. tob

---

20 Minuten 7.11.11

Mehrwegbecher für Reitschule

BERN. Immer wieder werden Polizisten auf dem Vorplatz der Berner Reitschule mit Glasflaschen angegriffen. Die SVP will nun dafür sorgen, dass den Chaoten die Munition für ihre Wurfattacken ausgeht: Statt in Flaschen sollen Getränke auf dem Vorplatz nur noch in Mehrwegbechern verkauft werden. Diese Auflage soll in den Leistungsvertrag mit der Reitschule aufgenommen werden, verlangt die SVP mit einem Vorstoss. Wie andere Veranstalter auch sollen die Reitschüler für ihre Events zwingend ein Abfallkonzept erstellen - getreu dem Motto "Subers Bern - zäme geit's!".

---

Migros-Magazin 7.11.11

15 Jahre Filmfestival Queersicht

"Wir zeigen Dokus, die heimlich gedreht werden mussten"

Das lesbisch-schwule Berner Filmfestival Queersicht feiert sein 15-jähriges Jubiläum. Donat Blum, Co-Präsident des Festivals, über heterosexuelle Besucher, Vorurteile und afrikanische Filme.

Donat Blum, was war 1996 der Anlass, ein lesbisch-schwules Festival zu gründen?

Damals gab es noch keine Filmfestivals in der Schweiz, in Turin oder Berlin hingegen schon. Man merkte, dass die Zeit reif ist, ein Bedürfnis der Szene bestand, und es war vor allem auch möglich, den lesbisch-schwulen Film zu institutio-nalisieren. Die Reitschule in Bern war der ideale Ort, um Queersicht zu starten.

Welche Bedeutung hat das Festival für die Akzeptanz von Homosexuellen?

Das Festival wird in Bern als ernstzunehmende Kulturveranstaltung wahrgenommen. Film ist ein sehr niederschwelliger Zugang zu Themen, mit denen man sonst nicht in Berührung kommt. Solche Filmfestivals bergen ein grosses Potenzial für Begegnungen zwischen den verschiedenen Szenen.

Ist ihr Publikum denn durchmischt?

Der Anteil an heterosexuellen Besucherinnen und Besuchern hat deutlich zugenommen. Sei es durch Freunde und Bekannte von regelmässigen Besuchern oder durch solche, die sich für einzelne Filme interessieren. Wir versuchen bei- spielsweise, mit der Wahl der Lokalitäten ein breiteres Publikum anzusprechen.

Wie schätzen Sie persönlich die Akzeptanz von Homosexualität in der Schweiz ein?

Es gibt noch viel zu tun. Gerade unter Migranten herrschen viele Vorurteile. Zudem haben auch heute noch viele Homosexuelle Mühe, sich zu outen und zu ihrer Sexualität zu stehen.

Dieses Jahr liegt der Schwerpunkt auf Filmen aus Afrika. Warum gerade Afrika?

Einerseits gibt es langsam immer mehr Filme, welche die Situation dort porträtieren. Andererseits richten die Homo-, Bi- und Transsexuellen ihren Fokus allgemein auf Afrika, vor allem wegen der Menschenrechtsverletzungen, die dort an Schwulen und Lesben begangen werden. Es ist extrem dringlich, dass wir die dortige Situation aufzeigen.

Wie gefährlich ist es für Filmschaffende, in Afrika homosexuelle Filme zu produzieren?

Sehr gefährlich. Wir zeigen Dokumentarfilme, die teilweise heimlich gedreht werden mussten, unter schwersten Bedingungen. Meistens sind aber Vertreter westlicher Länder bei der Produktion involviert, die den Filmemachern Rückhalt geben.

Rentieren homosexuelle Filme?

Da in der Schweizer Filmindustrie sowieso nicht viel kommerziell Erfolgreiches produziert wird, ist es in unserem Bereich erst recht schwierig, Geldgeber zu finden. Nur dank grossen persönlichen Engagements schaffen es einige Schweizer Filmemacher, solche Filme zu realisieren.

Früher ging es in den meisten Filmen um das "Coming-out". Ist die Themenpalette breiter geworden?

Es geht nicht mehr darum, ob homo- sexuell oder heterosexuell, sondern auch um die persönliche Geschlechterrolle, die nicht mehr klar in männlich oder weiblich aufgeteilt werden kann.

Wie gelingt es, mehr Filme wie das Schwulendrama "Brokeback-Mountain" ins Mainstream-Kino zu bringen?

Namen, bekannte Schauspieler und Regisseure. Seit "Brokeback Mountain" werden mehr quere Filme produziert, die auch einen Verleiher finden.

Interview Nathalie Bursac´