MEDIENSPIEGEL
7. - 13. NOVEMBER 2011
BZ 12.11.11
Wir sind nicht allein
Tojo-Theater ·
Die Theatergruppe Sans Cible erforscht im Tojo mit "Inkognito (ergo
sum)" Verschwörungstheorien. Wirklich tief wird dabei allerdings
nicht
geschürft.
Drei Frauen starren paranoid ins
Publikum. Es handelt sich um die Schauspielerinnen Helena Hebing,
Valérie Keller und Noo Steffen des Theaterkollektivs Sans Cible,
die
sich vorgenommen haben, die Wahrheit zu finden, was immer das heissen
mag. Die drei sind auch für das Konzept verantwortlich und spielen
fiktive, aber an die eigene Biografie angelehnte Figuren. Noo Steffen
erzählt, wie sie nach Studiumsabbruch in Berlin eine
Detektivschule
besuchte und zur hellwachen Beobachterin wurde. Regel Nummer eins: Der
Schein trügt. Auf der Bühne beschattet sie ihre Kolleginnen
oder
fungiert hinter der allgegenwärtigen Kamera, die in der
Verdoppelung
zeigt, was auf der Bühne geschieht. Helena Hebing berichtet
indessen
von einer schleichenden Paranoia, die allmählich von ihr Besitz
ergreift, seit sie das Gefühl habe, die Verkäuferin wisse
immer ganz
genau, was sie brauche und wo sie sei. Sie ist überzeugt: Wir sind
nicht allein. Doch wer sind die Beobachter und wer die Beobachteten?
Valérie Keller geht wissenschaftlich vor: Sie will ein für
alle Mal das
Böse orten und zwar mit dubiosen Methoden, wie etwa der
Physiognomik,
die sie gleich am Publikum testet. Die drei gründen schliesslich
einen
Verein und schreiben an einem Manuskript mit dem Titel "Die Wahrheit".
Von der Decke herunterhängende Bundesordner
werden konsultiert, eine angeblich anonyme Facebook-Seite wird an die
Wand projiziert und kommentiert, Kreuzworträtsel rund um
Terrorismus
und CIA werden gelöst. Das Verhalten selbst ernannter
Verschwörungstheoretiker wird mal witzig, mal langatmig parodiert.
Viele gute Ideen werden angerissen, aber zu wenig weitergesponnen, um
zu faszinieren. Eine tiefere Auseinandersetzung mit dem eigentlich
spannenden Thema findet nicht statt.
Ein skurriler Moment gelingt, als Helena
Hebing von Google-Street-View verfolgt wird und dies hysterisch
kreischend erkennt. Am Ende der etwas unausgegoren wirkenden Collage
mit Einspielungen von Filmmaterial, Actionmomenten und
Publikumsinteraktionen bleiben viel geschredderte Papierschnipsel und
ungelöste Zusammenhänge übrig. Die Wahrheit haben diese
Verschwörerinnen natürlich nicht gefunden.
Helen Lagger
<> "Inkognito (ergo sum)"
Sa, 12.11, 20.30 Uhr, im Tojo-Theater,
Reithalle, Bern. >
---
BZ 12.11.11
Verschieden beantwortet
Reitschule
· Polizei und Gemeinderat antworten in einigen Aspekten nicht
ganz deckungsgleich auf Fragen in einem Vorstoss zur Reitschule.
Ob und wie sich die Zusammenarbeit mit der Reitschule
verändert habe, wollte Stadtrat Alexander Feuz (FDP) mit einem
Vorstoss
erfahren. Er erhielt daraufhin Akteneinsicht in die Originalantworten
der Polizei. Diese decken sich weitgehend mit den Antworten des
Gemeinderats auf den Vorstoss. Etwa bei der Feststellung, dass sich die
Vorfälle rund um die Reitschule
in diesem Jahr gehäuft haben und dass die Situation nicht
befriedigend ist.
Es gibt aber auch unterschiedliche Interpretationen: Im
Unterschied zum
Gemeinderat schrieb die Polizei etwa explizit, dass der Statthalter und
das städtische Polizeiinspektorat Kenntnis davon hätten, dass
die Reitschule
die Betriebsbewilligung vom 3. Januar 2011 "nicht einhalte" und dass
durch die Polizei regelmässig "Lärmklagen und andere
Verstösse" zur
Anzeige gebracht würden.
Etwas anders bewerten Polizei und Gemeinderat auch die
Zusammenarbeit mit den Betreibern der Reitschule.
Laut der Antwort des Gemeinderat sei sie "ergebnisorientiert und gut"
verlaufen. Die Kantonspolizei wiederum schreibt in ihrer Antwort zwar
von einer "leicht verbesserten Gesprächskultur" und nennt als
Erfolg
auch das Kontakttelefon. Weiter heisst es in der Antwort der Polizei
aber auch, dass die "sehr zeitintensiven langjährigen
Bemühungen,
mittels Gesprächen eine vernünftige Lösung zu finden,
bis heute nicht
zum gewünschten Erfolg" geführt hätten.
jek/wrs
---
Blick am Abend 11.11.11
Reithalle: Knatsch um Sicherheit
WELCOME TO HELL
In einer dringlichen Interpellation wollte FDP-Stadtrat
Alexander Feuz
vom Gemeinderat wissen, wie sich die Zusammenarbeit mit der Reithalle
vor und nach der Abstimmung über den Verkauf der Reitschule
verändert hat. Die Antwort befriedigt Feuz nicht. "Die
Zusammenarbeit
funktioniert ergebnisorientiert und gut", meint der Gemeinderat. Ganz
anders tönt es bei der Polizei. In einem Brief an Feuz schreibt
Manuel
Willi, Chef Regionalpolizei: "Die negativen Erfahrungen der letzten
Jahre haben immer wieder aufgezeigt, dass die Betreibenden der Reitschule
die Sicherheit nicht gewährleisten können bzw. wollen." Eine
Umsetzung
der Abmachungen habe bis dato keine grosse Nachhaltigkeit. Der Stadtrat
entscheidet am 17. November darüber, ob die Reitschule jährlich 380 000
Franken erhalten soll. ehi
---
kulturstattbern.derbund.ch 11.11.11
Alltäglicher Wahn
Von Nicolette Kretz am Freitag, den 11. November 2011, um 11:55
Uhr
Die
Eine wollte in Berlin Künstlerin werden, schmiss aber das Studium
und
schrieb sich in einen einjährigen Detektivkurs ein. Die Andere
fühlt
sich von der Spar-Verkäuferin in ihrem Quartier beobachtet. Und
die
Dritte versucht, mit wissenschaftlichen Methoden den populärsten
Verschwörungstheorien auf den Grund zu gehen. Das Kollektiv Sans Cible
baut mit dieser Ausgangslage ein Stück, das nicht in irgendeiner
fiktiven Gesellschaft von abgefahrenen Figuren durchlebt wird, sondern
das ganz nah an uns dran ist. Die Figuren könnten unsere
Nachbarn sein oder, man muss es gestehen, ein bisschen wir selbst.
Dazu kommt, dass sie die Geschehnisse ganz konkret in Bern verankern,
Berndeutsch sprechen und bewundernswert natürlich zum Publikum
spielen.
Diese Direktheit geht auch beim Einsatz aufwändiger
Bühnentechnik und
mehreren Video- und Audioebenen nicht flöten.
<>Doch diese Nähe am Alltag ist zugleich auch die
Schwäche
von "
Inkognito (ergo sum)":
Es werden zwar unheimlich viele Verschwörungstheorien angetippt -
erwähnt werden 9/11, das Problem der Anonymität bei Street
View, das
Speichern aller Daten von Facebook, Überwachungskameras
überall usw. -
doch es geht kaum je über die Erwähnung hinaus. So geht einem
immer
wieder mal wieder ein "und…?" durch den Kopf. Viel stärker sind
diejenigen Stellen, wo nicht der Versuch, Aphorismen zu produzieren,
durchschimmert,
sondern konkrete kleine Geschichtchen
erzählt werden.
Sehr unterhaltsam ist zum Beispiel wie Helena Hebing immer wieder auf
die unheimliche Spar-Verkäuferin zurückkommt und in ihrer
Theorie,
diese führe etwas Böses im Schilde, völlig aufgeht.
_____
"Inkognito (ergo sum)" läuft noch bis Sonntag im Tojo.
---
20 Minuten Friday 11.11.11
Culture Club
Der Trip geht weiter
Computer mit Brüsten, tanzende
Plüschhasen und pokernde Roboter gehören zur crazy
Bühnenshow von
Bonaparte aus Berlin. Und die gibts jetzt auch auf DVD: Der Konzertfilm
"0110111. Quantum Physics & a Horseshoe" ist gerade erschienen.
Beim Film wie übrigens auch bei einigen Songtexten haben die
beiden
Katzen des Berner Masterminds und selbst ernannten Kaisers Tobias Jundt
mitgeholfen: "Minski hat das Skript geschrieben, während
Stravinsky für
die Security zuständig war." Jundt selber ist seit kurzem Vater
einer
Tochter - muss die Band jetzt kürzertreten? "Nö, die
müssen jetzt umso
mehr ran, Windeln wechseln und schauen, dass das LSD nicht mit dem
Babybrei vermischt wird." Zeit zum Touren und Songs aufnehmen bleibt
aber trotzdem. "Ein neues Album gibts, wenn die ersten Maiglocken durch
den Schnee gucken!". Wir sind gespannt und machen bis dahin Party mit
Bonaparte und unserem DVD-Player.
> Bonaparte live: So 13. November, Dachstock Reitschule Bern
---
WoZ 10.11.11
Wirtschaft zum Glück
"Ich bin stolz, dass es im Moment so gut funktioniert"
Fredi Lerch
Es
gibt Besseres, als sich beim unvermeidlichen Geldverdienen
fremdbestimmt herumkommandieren zu lassen, sagt die Vernunft. Doch der
heutige Berufsalltag gibt den allermeisten dazu keine Gelegenheit.
GenossenschaftsbeizerInnen versuchen, in ihrem Alltag vernünftig
zu
bleiben.
Von Fredi Lerch
Heute hat der Gasthof "Löwen" im thurgauischen
Sommeri Ruhetag. Am
Tisch in der hellen Gaststube sitzen eine Sozialpädagogin, ein
Filmproduzent, eine ehemalige Studentin der Religionswissenschaft und
ein Keramiker: Karin Sauter (51) arbeitet seit 23 Jahren im
"Löwen" in
Küche, Beiz und Kulturgruppe. Res Balzli (59) war Mitgründer,
zeitweise
Mitarbeiter und ist bis heute Mitbesitzer der Genossenschaft "Kreuz" in
Nidau bei Biel. Corinne Nüscheler (29) und Michel Siegfried
(25)
arbeiten im Beizenkollektiv der Brasserie Lorraine in Bern - sie seit
viereinhalb Jahren in Service und Personalgruppe, er seit zwei Jahren
in Service und Kulturgruppe.
Für einen Erfahrungsaustausch ist dieser
Landgasthof der richtige Ort: Als der "Löwen" im Januar 1978 als
Genossenschaftsbeiz eröffnet wurde, gab es daneben bloss das
"Kreuz" in
Solothurn (seit 1973) und das "Rössli" in Stäfa (1976).
Ebenfalls 1978
öffneten das "Fass" in Schaffhausen, das "Rössli" in
Mogelsberg und das "Hirscheneck" in Basel. Um 1980 schienen
selbstverwaltete
Genossenschaften zur gesellschaftsverändernden Bewegung
heranzuwachsen
- auch viele neue Beizen entstanden. Neben dem "Widder" in
Luzern
oder dem "Zähringer" in Zürich zum Beispiel die Brasserie
Lorraine in
Bern und das "Kreuz" in Nidau.
Die Geschichte von der Gründung
"Wir wollten damals die Welt verändern", beginnt Res
Balzli, "wir waren
der Meinung, gegen die Machtstrukturen und die Ausbeutung der
herrschenden Wirtschaft Widerstand leisten und rebellieren zu
müssen.
Darum keine Chefs, sondern Lohngleichheit und Basisdemokratie." Er
erinnert sich, man habe in der ersten Zeit Stammgäste wegen
frauenfeindlicher Sprüche zurechtgewiesen. Karin Sauter
erzählt, dass
man "die Falschen" demonstrativ unfreundlich bedient habe, wenn sie
sich in die Gaststube verirrt hätten. Und in der Brasserie
Lorraine, in
Bern kurz "Brass" genannt, sind zwar heute alle - ohne
Konsumationszwang - willkommen, so Corinne Nüscheler,
"bloss sollen
sie wenn möglich nicht gerade eine Uniform tragen".
So haben die drei Beizen damals gestartet:
• Der "Löwen" wird - von St. Gallen über
Rorschach bis Konstanz - schnell zum regionalen Treffpunkt der
alternativen Subkultur.
• Die "Brass" wird, mitten im Berner
Lorraine-Quartier, nach der polizeilichen Schliessung des damaligen
Autonomen Jugendzentrums Reithalle
im April 1982 zu einem zentralen Treffpunkt der damaligen
Jugendbewegung.
• Die KollektivistInnen in Nidau dagegen werden zuerst
einmal mit
der Tatsache konfrontiert, dass am Rand der traditionsreichen
Arbeiterstadt Biel niemand auf sie gewartet hat. Res Balzli: "Nach der
ersten Neugierde blieben die Leute weg. Vor allem am Samstagabend war
tote Hose."
Man tut im "Kreuz" deshalb das, was damals
viele Genossenschaftsbeizen tun, um Publikum anzuziehen: Man
gründet
einen von der Genossenschaft unabhängigen Verein, der den
Beizensaal
mit kulturellen Anlässen bespielt. Die Kombination von
alternativem
Beizen- und Kulturbetrieb wird landauf, landab zum Erfolgsrezept: Sie
stabilisiert die Projekte nicht nur finanziell, sondern ermöglicht
den
Kollektiven auch, über das Projekt hinaus politisch-kulturell in
Erscheinung zu treten.
Die Sache mit dem Chef
Es gibt kaum einen selbstverwalteten Betrieb, dessen
Gründung nicht mit
Idealen wie "Alle machen alles" oder "Basisdemokratische Diskussion bis
zum Konsensentscheid" befeuert worden wäre. Und keinen gibt es, in
dem
die Praxis die Ideale nicht schnell aufs Praktikable
heruntergeschliffen hätte. "Alle machen alles" stand gegen die
Arbeitseffizienz und -qualität, der Vollversammlungskonsens gegen
die
Handlungsfähigkeit bei arbeitsteiligen Produktionsabläufen.
Das Kollektiv des "Löwens" ist bis heute klein
genug, um die Bereiche von Küche und Service durchlässig zu
halten.
Karin Sauter wechselt nach Bedarf die Funktion und schätzt das. In
der "Brass" dagegen arbeiten die dreizehn KollektivistInnen entweder in
der
Küche oder im Service (zusätzlich in einer der Arbeitsgruppen
Kultur,
Büro, Personal oder Unterhalt). Auch im "Kreuz" sei man, so Res
Balzli,
nach der ersten "Alle machen alles"-Euphorie schnell zur
arbeitsteiligen Organisation übergegangen.
Was die Machtverhältnisse betrifft, gebe es
sicher, so Karin Sauter, "informelle, nicht ausgesprochene
Hierarchien". Sie entstünden mit der Zeit wegen des
Erfahrungswissens
und der angeeigneten Kompetenz der Altgedienten: "Wer schon länger
dabei ist, sagt den Neulingen, wie es laufen muss, damit der
gewünschte
Standard erreicht und gehalten werden kann." In der "Brass" spielen
auch informelle Hierarchien zurzeit eine kleine Rolle, weil das Team
sehr jung ist.
Den weitesten Weg hat man in Nidau gemacht.
Lebten zuerst alle sieben GenossenschafterInnen unter einem Dach und
praktizierten Basisdemokratie in Arbeit und Zusammenleben geradezu
rigide, so scheiterte der Betrieb später trotz oder gerade wegen
einer
formellen Geschäftsleitung (vgl. "Zurzeit geschlossen").
Und der Konsens? Obschon an den regelmässigen
Sitzungen mit dem ewigen Thema der Arbeitspläne wenn nötig
abgestimmt
wird, hat man den Konsens immer im Auge. Im "Löwen" wendet man
deswegen, so Karin Sauter, manchmal einen "Minderheitenschutz" an:
"Geht es um das Herzblut einer Minderheit, kommt es vor, dass die
Mehrheit das Geschäft durchwinkt, obschon sie die Minderheit
überstimmen könnte - dem Konsens zuliebe." Balzli erinnert
sich, dass
im "Kreuz" trotz "Überdruss bis zur Sitzungsphobie" abzustimmen
lange
verpönt gewesen und grundsätzlich der Konsens angestrebt
worden sei: "Die Suche nach dem Konsens macht Entscheidungsprozesse
zwar
schwerfällig, aber dauerhaft, denn eine überstimmte
Minderheit neigt
dazu, das Thema später wieder aufzugreifen." Am Tisch ist man sich
einig, dass Abstimmen kurzfristig einfacher, aber -
Basisdemokratie
vorausgesetzt - oft nicht nachhaltig ist.
Das Problem mit dem Lohn
In allen drei Kollektiven hat man in der
Gründungszeit einen
Stundenlohn von 6 bis 7 Franken ausbezahlt. Der Erfahrungsaustausch
zeigt, dass sich das Lohnniveau über die dreissig Jahre
ungefähr
parallel entwickelt und der Stundenlohn stets etwa dem Preis eines
Mittagsmenüs entsprochen hat.
Während die "Brass" Lohngleichheit mit
freiwilliger Betriebskinderzulage anwendet, praktiziert man im
"Löwen"
ein Stundenlohnsystem mit Dienstalterszulagen.
Während "Brass" und "Löwen" bis heute Stundenlöhne
bezahlen, führte man im "Kreuz" früh ein
Monatslohnsystem mit kompensierbaren Überstunden ein. In allen
drei
Projekten hat man die Trinkgelder seit je in einen Pool gegeben und
brüderlich respektive schwesterlich aufgeteilt.
Teilzeitarbeit ist die Regel. In der "Brass"
gilt, dass pro Monat mindestens 90 Arbeitsstunden geleistet werden. Der
Einheitslohn entspricht mit netto 19 Franken pro Stunde plus einem
Gratisessen pro Schicht ungefähr dem Minimallohn des
Landesgesamtarbeitsvertrags im Gastgewerbe. Im "Löwen" verdient
man 20
bis 25 Franken; für das Essen (à discrétion) wird
pro Arbeitsstunde
1.80 Franken abgezogen.
Finanziell wirklich hart wurde es in den
Genossenschaftsbeizen immer dann, wenn sich trotz Minimallöhnen
ein
Defizit abzeichnete: Im "Kreuz" senkte das Kollektiv in der ersten
Baisse den Stundenlohn von 7 auf 6 Franken; im "Löwen" glich man
mehrmals rote Zahlen mit "Negativgrati" aus. Karin Sauter: "Lag Ende
Jahr ein Defizit vor, mussten pro geleistete Arbeitsstunde zum Beispiel
50 Rappen an die Genossenschaft zurückbezahlt werden."
Die Frage nach der Zukunft
Was motiviert heute, in einer Genossenschaftsbeiz zu
arbeiten? Corinne
Nüscheler: "Mir ist die Vielseitigkeit der Arbeit wichtig, die ich
hier
mache. Je mehr ich den Überblick kriege, desto spannender wird
sie. Am
schönsten ist es, wenn alle am gleichen Strick ziehen und mit
gemeinsamer Anstrengung etwas Spezielles gelingt." Für Karin
Sauter
sind die "umweltfreundlichen, saisonal produzierten Lebensmittel" die
eine Motivation. Die andere sei die Möglichkeit, "selbstverwaltet,
mit
einer Gruppe etwas zu erschaffen": "Das ist es, was ich will."
Die Motivationen, in einem selbstverwalteten
Betrieb zu arbeiten, sind nicht viel anders als vor dreissig Jahren.
Verändert jedoch hat sich die Perspektive: Heute ist der
gesellschaftliche Aufbruch der selbstverwalteten Produktions- und
Dienstleistungsbetriebe bloss noch ein zeitgeschichtliches Kuriosum.
Res bedauert, dass Genossenschaftsbeizen vermutlich "ein Auslaufmodell"
seien: "Wie sich das kapitalistische Wirtschaften über
Jahrhunderte
entwickelt hat, müsste auch das alternative Wirtschaften mehr Zeit
bekommen, um sich zu entwickeln."
Für Karin ist die damalige Bewegung auch an
der mangelnden Vernetzung gescheitert: "Im schwierigen Alltag hat jede
Genossenschaft für sich gewurstelt und langsam die Kontakte
verloren."
Dazu komme heute das Desinteresse der jungen Generation. Ihre
frustrierenden Erfahrungen bei der Suche nach einem neuen Koch fasst
sie so zusammen: "Heute dominieren Karriereträume und individuelle
Perspektiven. Da ist es schwierig, wenn man nicht nur eine
Arbeitskraft, sondern zusätzlich einen Genossenschafter sucht. Was
machen wir, wenn die Jungen den Sinn des genossenschaftlichen
Engagements nicht mehr einsehen?"
Aber Corinne Nüscheler sagt: "Ich bin stolz,
dass es die Brasserie Lorraine dreissig Jahre lang gibt und dass sie im
Moment so gut funktioniert." Und Michel Siegfried: "Sicher geht es
heute weniger darum, die Welt zu verändern, als darum, eine andere
Form
des Wirtschaftens weiterzuführen und Tag für Tag zu zeigen:
Es gibt
andere Wege, um wirtschaftlich zu funktionieren."
Die beiden Jungen erzählen, dass zurzeit
Bemühungen laufen, Genossenschaftsbeizen besser zu vernetzen.
Zusammen
mit "Zähringer" (Zürich), "Sous le Pont" (Bern), "Schwarzer
Engel" (St.
Gallen), "Widder" (Winterthur) und "Hirscheneck" (Basel) hat die
"Brass" an mehreren Treffen teilgenommen: "Einerseits geht es um den
Erfahrungsaustausch, wir haben ja alle ähnliche Probleme und
müssen
nicht dauernd das Rad neu erfinden, andererseits könnte vermehrte
Zusammenarbeit längerfristig zu gemeinsamem Einkauf oder zu
gemeinsamen
Lösungen bei den Sozialversicherungen führen." Für 2012
ist der
Austausch von MitarbeiterInnen geplant.
An diesem Nachmittag im "Löwen" Sommeri hat
Corinne Nüscheler das letzte Wort: "Es ist nicht das erste Mal,
dass
ich Ältere aus der Selbstverwaltungsszene skeptisch reden und
nostalgisch von früher erzählen höre. Aber für mich
zählt, dass es auch
heute funktionieren kann."
Der deutsche Verein Kunst
des Scheiterns e.V. führt Interviews mit Menschen, die in
Kollektiven
arbeiten oder gearbeitet haben. Die Ergebnisse werden auf
kds.grupponet.org
ausgewertet.
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Wirtschaft zum Glück
Seit März 2009 stellt die WOZ in ihrer Serie
"Wirtschaft zum Glück"
unterschiedliche nachhaltige Produktions- und Eigentumsformen, neue
Ideen für eine alternative Ökonomie und ökologisch
sinnvolle Projekte
vor. Finanziert wird diese Serie aus einem Legat des früheren
Nachhaltigen Wirtschaftsverbandes WIV.
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Löwen, Sommeri
Manchmal waren sie nur zu zweit
Fredi Lerch
Am 14. Januar 1978 wird der alte Landgasthof "Löwen"
an der
Hauptstrasse 23 in Sommeri als "Alternativ- und Kulturbeiz" neu
eröffnet. Sieben junge Leute, die zuvor das Jugendzentrum
Bischofszell
führten, haben eine Genossenschaft gegründet und die
Liegenschaft
gekauft. Die sieben beziehen das Haus im Parterre als Beizenkollektiv,
in den Stöcken darüber als Wohngemeinschaft. Im Dorf wird der
"Löwen"
als regionaler Treffpunkt der links-alternativen Szene schnell zum
roten Tuch.
Karin Sauter steigt 1988, während einer
Umbruchphase, in die Genossenschaft ein: Damals beginnen sich die
ersten GründerInnen zurückzuziehen, es kommen neue
AktivistInnen, die
aber immer weniger Interesse zeigen, sich auch in der Genossenschaft zu
engagieren. Die 80 000 Franken, für die die Genossenschaft als
Hauseigentümerin geradezustehen hat, verteilen sich auf immer
weniger
Schultern. Zwar organisiert sich das Beizenkollektiv weiterhin nach
basisdemokratischen Spielregeln, aber es gibt Zeiten, in denen die
Genossenschaft nur noch aus zwei Personen besteht. Dank
Überzeugungsarbeit unter den Mitarbeitenden wächst sie
unterdessen
wieder.
Die Funktion als regionaler Szenetreffpunkt
hat der "Löwen" Sommeri eingebüsst. Die umliegenden
Städte haben längst
eigene Treffpunkte, und bald in jedem Dorf werden Kulturprogramme
angeboten. Dafür ist der "Löwen" unterdessen im Dorf
akzeptiert. Der
zuverlässige Betrieb über mehr als dreissig Jahre geniesst
Respekt -
auch wenn etwas Misstrauen geblieben ist: Hat nicht zum Beispiel 1993
vor der Abstimmung ein Anti-F/A-18-Transparent an der
"Löwen"-Fassade
gehangen? Aber immerhin benutzen die Dorfvereine den Saal heutzutage
als Versammlungsort. Einen guten Namen geniesst der "Löwen" in der
Region zudem als Essbeiz. Hier wird ausgezeichnet gekocht und nur mit
besten Lebensmitteln: Seit 2003 ist das Restaurant
Knospe-zertifiziert.
Der Saal des Hauses, die "Löwenarena", wird
von einem eigenständigen Kulturverein bespielt; insbesondere
Kleinkunst
stösst beim Publikum auf Interesse. Der Verein erhält
jährlich 15 000
Franken kantonale Subventionen, was für zwanzig Veranstaltungen
reichen
muss. Karin Sauter ist Präsidentin der Genossenschaft und arbeitet
als
Delegierte auch im Kulturverein mit. fl
-
Kreuz, Nidau
Zurzeit geschlossen
Fredi Lerch
Am 24. März 1982 kaufen die sieben Mitglieder der
"Genossenschaft
Kreuz" - unter ihnen Res Balzli - mit Anteilscheinen von je 10 000
Franken das Restaurant in der Altstadt von Nidau. Die sieben sind "auf
der Suche nach einer neuen Form der Zusammenarbeit und des
Zusammenlebens" - so ein damaliges Diskussionspapier des Kollektivs -
und sie brauchen bloss zwei Wochen, um die heruntergekommene Beiz neu
herzurichten. Am 12. April wird sie eröffnet.
Ursprüngliche Idee ist die
Betriebsgenossenschaft: Wer mitarbeitet, gehört dazu und muss
einen
Anteilschein kaufen; wer austritt, verlässt sie und verkauft an
den
oder die Neue. Diese Idee lässt sich auf die Dauer nicht umsetzen.
Die
Genossenschaft öffnet sich, und bald besitzen rund hundert
GenossenschafterInnen die Beiz. Vor sechs Jahren ist dann die neu
gegründete Stiftung "Wunderland" (Stiftungspräsident: Res
Balzli)
Eigentümerin der Liegenschaft geworden und hat sie seither an die
Genossenschaft vermietet.
Für das "Kreuz" sind die Hauptversammlungen
der Nidauer Vereine jahrelang ein einträgliches Nebengeschäft
gewesen.
Seit allerdings das Beizenkollektiv zu Beginn der 700-Jahr-Feiern der
Eidgenossenschaft im Januar 1991 während eines
Militärdefilees die
Hauptstrasse des Altstädtchens mit Mozarts "Requiem" beschallt
hat,
sind die Vereine der FDP-Hochburg Nidau dem "Kreuz" ferngeblieben.
2008 gewinnt das Kollektiv den Kampf gegen
einen drohenden Konkurs dank eines Sonderefforts - eines sommerlichen
Gastwirtschaftsbetriebs im Zelt vorn am Bielersee. Um die immer wieder
defizitäre Geschäftssituation zu verbessern, beschliesst die
Genossenschaftsverwaltung kurz darauf, dass eine Geschäftsleiterin
das
Kollektiv führen soll. Doch damit entstehen Konflikte im Team.
2010
führen sie zur Kündigung des ganzen Kollektivs und
anschliessend auch
der Geschäftsleitung. Seit Ende Februar 2011 ist das "Kreuz" Nidau
als
Beiz geschlossen. Zurzeit sucht die Stiftung eine neue Pächterin.
Bereits 1983 ist der von der Genossenschaft
unabhängige Kulturverein Ou-nid-ou (heute: Verein Kultur Kreuz
Nidau)
gegründet worden. In dreissig Jahren hat er über 1200
Konzerte,
Theater, Lesungen, Kleinkunst- und Tanzveranstaltungen
durchgeführt. Er
ist etabliert und bietet trotz der zurzeit geschlossenen Beiz pro Monat
acht bis zehn Veranstaltungen an. fl
-
Brasserie Lorraine, Bern
Den meisten gefällts
1981 erwirbt die zwei Jahre zuvor gegründete
"Genossenschaft
Kulinarisches Kulturzentrum" (KuKuZ) die Brasserie Lorraine an der
Quartiergasse 17 in Bern und baut das ganze Haus um. Im Parterre wird
die alte Beiz wieder in Schwung gebracht, im ersten Stock entstehen
Sitzungs- und Veranstaltungsräume, zweiter und dritter Stock
werden zu
zwei Grosswohngemeinschaften. Das Beizenkollektiv konstituiert sich als
"Genossenschaft Lorraine" und pachtet vom KuKuZ die Räumlichkeiten
im
Parterre. Diese Konstruktion funktioniert bis heute.
Die "Brass" öffnet im November 1981 und wird
bald darauf Treffpunkt der Berner Jugendbewegung. Lärm und Dreck
bringen die QuartierbewohnerInnen in Rage, sie drohen mit
Bürgerwehr,
Hausbesitzer mit Liegenschaftssteuerboykott, die Stadtpolizei droht mit
einer Verfügung, den Beizenschluss auf 22 Uhr vorzuverlegen. Das
Beizenkollektiv gerät massiv unter Druck und spaltet sich in eine
bewegungsnahe Fraktion und eine, die keine Punks, Junkies und Dealer
mehr dulden will, der Mann mit dem Wirtepatent zieht sich zurück,
das
Projekt ist gefährdet. Schliesslich setzt sich die bewegungsnahe
Fraktion durch - nicht zuletzt dank des Nidauer
"Kreuz"-Kollektivisten Res Balzli, der sein in Nidau
überzähliges
Wirtepatent diesem Teil des "Brass"-Kollektivs zur Verfügung
stellt,
indem er fast ein Jahr lang in beiden Beizen gleichzeitig arbeitet.
Längst hat sich im Lorraine-Quartier die Lage
beruhigt: Die Jugendbewegten, die damals ins Quartier einzogen, haben
mit Engagement und Ausdauer mitgeholfen, es zu einem bemerkenswert
schönen und sanft renovierten Wohngebiet zu machen. Heute ist die
"Brass" als Beiz, Treffpunkt und Veranstaltungsort etabliert. Nicht
dass der Nachtlärm einfach kein Problem mehr wäre, aber:
"Zurzeit
überwiegen die Leute, denen die Beiz gefällt", sagt Corinne.
Die Kulturgruppe ist Teil des
Beizenkollektivs. Staatliche Subventionen beansprucht sie nicht - das
würde dem Kulturverständnis widersprechen. Michel: "Kultur
ist für uns
eine politische Stellungnahme." Die Künstlergagen werden mit den
Eintritten bezahlt. Im Zentrum des Kulturangebots stehen
Musikprogramme. Eine Spezialität der "Brass" sind daneben
Spielturniere
- vom Jassen bis zum Fussball. fl
---
BZ 10.11.11
Eine klare Aufforderung an den Gemeinderat
Kornhausforum ·
Gestern Abend lud Bekult, der Dachverband der Berner
Kulturveranstalter, zur Podiumsdiskussion über das Nachtleben in
Bern.
Es wurden viele Fragen gestellt, aber wenige Lösungen gefunden.
Nach eineinhalb Stunden lebhafter
Diskussion im Kornhausforum erhob Stadtrat Manuel C. Widmer aus dem
Publikum die Hand: "Weshalb hat es auf der Bühne keinen
zuständigen
Politiker, niemanden vom Gemeinderat?" Mit dieser Frage brachte Widmer
die zentrale Forderung der gestrigen Diskussionsrunde auf den Punkt:
Damit es in Sachen Nachtleben in Bern vorwärtsgehen kann, muss der
Gemeinderat mit einem Nachtlebenkonzept endlich aktiv werden.
Einig waren sich die sechs Diskutierenden
nicht nur in dieser Forderung an den Gemeinderat, sondern auch
über die
Ursachen der Problematik. "Eine 24-Stunden-Gesellschaft, wie wir sie
heute haben, führt logischerweise zu neuen Herausforderungen",
sagte
Kurt Imhof, Professor für Öffentlichkeit und Gesellschaft an
der Uni
Zürich, gleich zu Beginn. Die neuen Rahmenbedingungen, die
dafür
notwendig seien, würde die Politik aber verschlafen. Hier
knüpfte Jürg
Häberli, der Leiter des Jugendamtes der Stadt Bern, an. So
kämen
Donnerstag-, Freitag- und Samstagnacht Tausende von Jugendlichen nach
Bern, um bis in die frühen Morgenstunden zu feiern. "Nur fehlt
für
einen solchen Aufmarsch die Infrastruktur", so Häberli. Da den 16-
bis
20-jährigen Jugendlichen in Bern die Clubs fehlten, würden
sie draussen
bleiben - auf dem Vorplatz der Reitschule
oder in der Aarbergergasse, was zu Lärm, Littering und Gewalt
führe. Sabine Ruch, Kulturveranstalterin im Dachstock Reitschule,
sieht das Problem auch in der Kommerzialisierung und Schliessung der
öffentlichen Plätze wie der Grossen Schanze. "Wenn man den
Jugendlichen
keinen Freiraum bietet, nehmen sie sich ihn selbst", sagte Ruch.
Rechtssicherheit für Clubs
So deutlich sich alle Anwesenden über die
Hintergründe des Problems
einige waren, so zögerlich schlugen sie konkrete Lösungen
vor. Als
Einziger hatte Rolf Bähler, Geschäftsführer Club
Bonsoir, eine Idee für
die Lösung der Lärmproblematik: "Wenn ein Club seit einem
Jahr an einem
Ort ist, und in dieser Zeit alle Regeln beachtet hat, sollte der Club
Rechtssicherheit geniessen." Wer dann in eine Wohnung über den
Club
ziehe, könne nicht mehr gegen den Lärm klagen.
Genau hier, in der Frage nach der Aufwiegung
von Interessen der Anwohnern und Clubbetreibern, stellte sich erneut
die Frage nach einem Nachtlebenkonzept. So müsse die Politik
endlich
entscheiden, sagte Bähler. "Will der Gemeinderat ein Nachtleben,
oder
nicht. Und falls ja: was für eines." Und erntete damit tosenden
Applaus.
Jessica King
-
Offener Brief
Matte-Leist beschwert sich bei der Stadt
In einem offenen Brief teilt der Matte-Leist dem
Gemeinderat seine
Position zum Konzept Berner Nachtleben mit. So fordert der Verein, in
Quartieren mit einem beachtlichen Wohnanteil (wie der Matte) keine
Überzeitbewilligungen bis fünf Uhr morgens zu vergeben.
Ordnungsdienst
und Putztrupp der Clubs oder der Stadt sollen sich um Gewalt,
Vandalismus, Lärm, Abfall und Erbrochenes kümmern. Die
Gäste müssten
zudem für Ruhe und Sauberkeit sensibilisiert werden. Falls die
Clubs
diesen Richtlinien nicht nachkämen, sollte nach Meinung des
Matte-Leists dem Club die Betriebsbewilligung entzogen werden.
Der Leist spricht auch die Veränderungen im
Nachtleben in den letzten Jahren an. So werde es "immer länger,
dreckiger, lauter und aggressiver". Deshalb brauche es Massnahmen.jek
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kulturagenda.be 10.11.11
Klartext mit Reto Nause über Gewalt vor der Reitschule. Und
Lärm.
Herr Nause, Sie haben nach Gewaltvorfällen vor der Reitschule die
hängigen Subventionsbeiträge ins Spiel gebracht. Wieso
vermischen Sie das Gewaltproblem mit dem kulturellen Angebot?
Ich vermisse von den Betreibern eine klare Abgrenzung gegen Gewalt. Es
ist die Reitschule, die Politik und Kultur vermischt. Gegen den
Kulturbetrieb kann man nichts haben.
Wie Sie sagen: Es sind zwei Dinge.
Wenn man sich nicht klar abgrenzt, macht man sich mitschuldig.
Was müsste die Ikur denn tun?
Sie sollte verhindern, dass die Situation weiterhin immer wieder
eskaliert. Und zwar mit einem funktionierenden Sicherheitsdienst, der
auch in der Lage ist einzugreifen und mit der Polizei zusammenarbeitet.
Im Moment macht die Reitschule nicht viel Sichtbares. In den
Reitschule-Communiqués zu den Vorfällen hört man nie
von einer Verurteilung oder Distanzierung, es gibt bloss gestelzte
Aussagen, die viel Interpretationsspielraum offen lassen. Aber ich
stelle fest, dass in der Reitschule nicht alle gleich denken. Ich
hoffe, dass sich in der Reitschule die positiven Kräfte mittel-
und langfristig durchsetzen werden.
Die Reitschule geniesst in der Bevölkerung einen grossen
Rückhalt, das zeigen Abstimmungsresultate deutlich. Die Leute
verstehen es nicht, wenn Sie ein Gewaltproblem mit dem kulturellen
Angebot verknüpfen.
Die Stimmung hat gekehrt seit der letzten Volksabstimmung. Auch im
Parlament. Die zuständige Kommission will die Subventionen nur
noch für ein Jahr statt für drei Jahre vergeben. Die Signale
sind klar: Es müssen jetzt Verbesserungen her. Die heutige
Situation ist - anders als vor der Abstimmung - nicht gut.
Das Berner Nachtleben ist in Gefahr. Bei der Lärmproblematik sind
die Behörden kleinlich, und bei jeder Schlägerei droht man
jetzt der Reitschule, die Unterstützung zu kürzen. So wird
Bern zu einem Ballenberg!
Die Aussage zur Lärmbelastung muss ich klar zurückweisen. Die
Behörden vollziehen Gesetze. Und wenn im Umweltgesetz die
Obergrenze der Lärmbelastung von Anwohnern definiert ist und sich
diese gestört fühlen, dann ist es behördliche Pflicht,
den Klagen nachzugehen.
Aber gerade beim Lärmproblem gibt es doch Handlungsspielraum.
Lärm ist nichts Neues, man hat aber nicht immer gleich darauf
reagiert.
Gut, aber wer unserer Aarbergergasse Ballenberg sagt, verkennt die
Situation. In Bern gibt es 600 Clubs und Bars. Und es entstehen immer
wieder neue. Bern hat ein breites Angebot. Und wir haben einzelne
Problemzonen. Das ist so.
Interview: Michael Feller
-
Der Berner Gemeinderat Reto Nause (40) ist zuständig für
Sicherheit, Umwelt und Energie der Stadt Bern. Der CVP-Politiker und
Punkrock-Fan hat nach gewalttätigen Vorfällen vor der
Reitschule deren Trägerschaft Ikur wiederholt kritisiert.
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Bund 10.11.11
Sounds Elektrostubete
Wohnzimmertechno
Die Elektrostubete feiert das 5-jährige Bestehen.
Mit einer geradezu gemütlichen Sause.
Auch wenn gewisse Spielarten der Technomusik sich
längst im
Oldies-Segment abspielen, ganz so urchig, wie es der Name impliziert,
ist sie dann doch nicht, die in Burgdorf geborene und seit 2008
alljährlich in der Berner Reitschule
abgehaltene Elektrostubete. Allerdings bietet das Line-up zum
5-Jahre-Jubiläum nichts, was den gemeinen Musikfreund aus dem
biologischen Gleichgewicht hebeln könnte. Die Veranstalter setzen
wie
eh und je auf Minimal Techno und Progressive - Genres, die derzeit
nicht von den ganz jungen und wilden Produzenten bewirtschaftet werden.
Zum Helden der Nacht könnte der in Deutschland
lebende Nigerianer Ray Okpara arrivieren, der in Bern ein Live-Set
aufführen wird. Seine Auslegung elektronischer Musik ist von eher
gedrosseltem Temperament, er setzt auf ein Minimum an melodiöser
Regung
und bereitet seine Tracks mit homöopathischen Tribal-Dosen aus.
Etwas
weniger stilsicher und öfter auch ins speckige House-Terrain
abrutschend ist das Tun von Santorini aus dem italienischen Lecce.
Ebenfalls nicht ein Ausbund an überschäumender
Originalität, wohl aber
ein solid groovender Minimalist ist Butane aus den USA, der mit seinem
Landsgenossen Someone Else am DJ-Pult stehen wird. (ane)
Dachstock und Rössli Reitschule Samstag, 12. November,
23 Uhr.
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kulturagenda.be 10.11.11
Señor Coconut im Dachstock
"Around the World" ist das vierte Popalbum, in dem der kokosrasplige
deutsche Musiker einmal mehr Perlen des internationalen Pops covert.
Diesmal sind Hits wie "Sweet Dreams" von Eurythmics, "Kiss" von Prince
oder "Dreams Are My Reality" aus dem französischen
Teenie-Schmusefilm "La Boum" bei ihm in die Latino-Kur gegangen.
Dachstock in der Reitschule, Bern. Fr., 11.11., 21 Uhr
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Bund 10.11.11
Señor Coconut & His Orchestra
Tanz den digitalen Cha-Cha-Cha
Señor Coconut
hat der elektronischen Musik südamerikanische Tanz-beinchen
wachsen
lassen. Chronologie eines musikalischen Abenteuers.
Ane Hebeisen
Wenn Kraftwerk mit den Hüften wackeln, wenn Deep
Purple nach
Cha-Cha-Cha tönen oder wenn Michael Jackson als Latin-Star
aufersteht,
dann ist die Möglichkeit gross, dass da ein gewisser Señor
Coconut die
Finger im Spiel hat. Cover-Bands gibt es ja so einige, doch keine ist
von dermassen abenteuerlichem Naturell wie jene von Señor
Coconut. "Es
gab schon in den 60er-Jahren südamerikanische Bands, die
anglo-amerikanische Hits gecovert haben", sagt Señor Coconut,
doch
seine Worte sind nichts als ein schäbiger Versuch, Normalität
vorzugaukeln. Denn was Señor Coconut tut, ist nicht normal.
Bevor Uwe
Schmidt - so der bürgerliche Name des Señors - die
Latin-Szene Europas
eroberte, war er so etwas wie der Archetyp des Nicht-Latino-Seienden.
Er produzierte intelligente Elektro-Tracks. In derart rohen Mengen und
unter so mannigfaltigen Pseudonymen, dass die Musikchronisten Mühe
bekunden, den Überblick über sein Schaffen zu bewahren.
Globale Aufwertungskette
Dieser Uwe Schmidt wanderte 1997 mit Frau, Kind und
Computer nach
Santiago de Chile aus, um sich seinen Traum zu erfüllen: mit einem
chilenischen Orchester das Liedgut seiner deutschen Lieblingsband
Kraftwerk ins Lateinamerikanische zu übersetzen. Da sich kein
Orchester
finden liess, klaute er sich von alten Platten Latin-Schnipsel,
-Rhythmen und Bläsersätze zusammen und verfertigte daraus das
umwerfende Album "El Baile Aleman", auf welchem Hits wie "Roboter" oder
"Tour de France" zu munteren, elektronischen Cha-Cha-Chas mutierten.
Etwas komplizierter gestalteten sich die Aufnahmen zu seinem bisherigen
Meisterwerk: Auf "Fiesta Songs" coverte der Señor Lieder wie
Sades "Smooth Operator" oder Deep Purples "Smoke on the Water", als
Quelle
diente ihm ein dänisches Unterhaltungsorchester, als Sänger
ein in
Deutschland lebender Chilene, und das Ganze wurde auf einem japanischen
Laptop in Chile zusammengefrickelt.
Dieser Methode ist Señor Coconut treu
geblieben. Doch wer ist dieser Herr Coconut wirklich? Gab es eine Art
Prototyp für ihn? "Ich stellte mir anfänglich
tatsächlich eine Person
vor", sagt Uwe Schmidt. "Ein in Europa exilierter Latino, der mit der
Entspanntheit seiner Kultur auf eine technologisierte Umwelt trifft und
sich in dieser auszudrücken beginnt. Señor Coconut lebt von
der
Verwirrung, die entsteht, wenn nicht mehr klar ist, ob es sich um eine
Simulation oder eine reale Figur handelt. In dieses Spiel versuche ich
den Zuhörer zu verwickeln." Für das Konzert lässt Uwe
Schmidt seine
Laptop-Kompositionen ins Orchesterformat zurückübersetzen.
Normal ist
das nicht. Und es klingt auch nicht so. Es klingt viel besser.
Dachstock Reitschule
Fr, 11. Nov., 21 Uhr.
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Bund 10.11.11
Young Rebel Set
Lebensbejahender Folk
Die englische Musikfibel NME
erkannte in der Musik der Young Rebel Set die "perfekte Gegenkraft zum
kalten, karrierebewussten Indierock". Und tatsächlich hat dieser
lebensbejahende Folkrock mit irischem Kolorit so rein gar nichts mit
britischer Coolness zu tun. Entdeckt wurden die Herren vom Tomte-Mann
Thees Uhlmann, im Königreich kümmert sich das ehemalige
Oasis-Management um die Popularitätsmehrung. (ane)
Reitschule
Rössli Dienstag, 15. Nov., 20 Uhr.
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Bund 10.11.11
Pssst.
Alles ist anders, als es scheint.
Wer soll das besser wissen als die Berner Theatermacherinnen Helena
Hebing, Valérie Keller und Noo Steffen. In der sechsten
Produktion
ihres Ensembles Sans Cible befassen sie sich mit
Verschwörungstheorien. "Inkognito (ergo sum)" heisst die
Produktion, die der inoffiziellen und
unautorisierten Version der Wahrheit nachspürt. (len)
Tojo-Theater
Donnerstag, 10., bis Samstag, 12. November, jeweils 20.30 Uhr, sowie
Sonntag, 13. November, 19 Uhr.
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Bund 10.11.11
Queersicht - Lesbisch-schwules Filmfestival
Arme Brüder - und Schwestern
In grossen
Teilen Afrikas werden Homosexuelle bis heute denunziert, verfolgt und
verurteilt. In seinem Schwerpunkt zeigt das Queersicht-Festival vier
couragierte Filme.
Hanna Jordi
Er könne sich nicht vorstellen, sagt der Chefredaktor
der Zeitung "The
Red Pepper", dass jemals ein Homosexueller durch seine
Berichterstattung zu Schaden gekommen sei. Das müsse man ihm erst
mal
beweisen. Einige Zeit zuvor hatte der Publizist unter der Schlagzeile
"Top Homos Named" seiner Vorstellung von journalistischer
Aufklärungsarbeit gefrönt: Er informierte die Leserschaft
darüber, wie
viele Homosexuelle sich in der ugandischen Gesellschaft bewegen, wo sie
wohnen und wie sie heissen.
Zu den Denunzierten zählte der 27-jährige Auf.
Im Dokfilm "Ouganda: Killing in the Name" erzählt die
französische
Filmemacherin Dominique Mesmin seine Geschichte. "The Red Pepper
genannt" veröffentlichte nicht nur Aufs Name und Wohn- und
Arbeitsort,
sondern sogar ein Porträtfoto, um jede Verwechslung
auszuschliessen.
Auf, Bäcker, erhielt gerade noch rechtzeitig Kenntnis von einem
geplanten Mordkomplott. Seine muslimischen Glaubensbrüder
verziehen ihm
die Sünde nicht. Auf musste untertauchen. Seinen neuen Wohnort
wählte
er nach der Analphabetenrate aus. Wo er jetzt lebt, in einem Township
von Kampala, kann er fast sichergehen, dass die Hetzkampagnen nicht
gelesen werden. Auf ist kein Einzelfall, sein Schicksal ist die Regel
in Uganda.
Todesstrafe auf Homosexualität
Die fünfzehnte Ausgabe von "Queersicht", dem Festival
für
lesbisch-schwule Filme, widmet sich schwerpunktmässig der Lage der
Homosexuellen in Afrika. Die Bilder der Dokfilme aus Uganda, Kamerun
und Südafrika ähneln sich: Einzelne Figuren - eine
Anwältin, ein
Priester, Aktivistinnen und Aktivisten - setzen sich für die
Rechte der
Schwulen und Lesben ein. Der Rest ist Ausgrenzung und Hetze. Und das
nicht nur im zwischenmenschlichen Bereich: 2010 verabschiedete das
ugandische Parlament ein "Anti-Homosexualität-Gesetz", das sogar
die
Todesstrafe für die Ausübung homosexueller Akte vorsah. Und
in Kamerun
drohen Homosexuellen Gefängnisstrafen von bis zu fünf Jahren,
viele
Beschuldigte sitzen mehrere Monate in Untersuchungshaft, bevor sie zum
ersten Mal einem Richter vorgeführt werden.
Elvis’ Coming-out
In "Cameroun - Sortir du Nkuta" (2009) hat das Coming-out
der
Protagonisten deshalb eine doppelte Bedeutung: Die einen, eine Gruppe
von Inhaftierten, versuchen mit der Hilfe der Anwältin Alice Nkom
aus
dem Gefängnis entlassen zu werden. Die anderen, die selbstbewusste
Muriel etwa oder der schüchterne Elvis, "outen" sich vor ihrer
Familie,
offenbaren ihr ihre Homosexualität. Muriels Mutter will sich vor
der
Kamera nicht äussern, doch Muriel weiss: Die Mutter wird es
vielleicht
akzeptieren, jedoch nie gutheissen können. Anders reagiert Elvis’
Bruder. Er schlägt vor, sich doch einfach mit einer Frau
zusammenzutun.
Nicht nur Unverständnis, sondern schiere Gewalt
erleben die porträtierten Frauen in "Goddesses", dem Film der
Schweizerin Sylvie Cachin: In Südafrika werden so viele lesbische
Frauen vergewaltigt, dass es dafür sogar eine Bezeichnung gibt:
"corrective rape" - korrigierende Vergewaltigung.
Kleine Momente des Glücks
Gegenüber der harten Realität fast
merkwürdig harmonisch nimmt sich die
Geschichte aus, die im einzigen Spielfilm der Afrika-Reihe erzählt
wird: Im Plot des Spielfilms "Le Fil" (2010) hat die systematische
Diskriminierung von Schwulen und Lesben den privaten Rahmen bereits
verlassen - dort finden die Protagonisten die Möglichkeit, ihre
Lebensentwürfe zu verwirklichen.
"Le Fil" spielt in im vorrevolutionären
Tunesien: Der junge Architekt bricht nach dem Tod seines Vaters in die
Heimat auf, um seiner Mutter beizustehen. Dort verliebt er sich in
Bilal, den Gärtner. Es folgen kleine Momente des Glücks. Bis
die nichts
ahnende Mutter die beiden im Bett erwischt. Dann geschieht das
Wunderbare: Die schrecklichen Konsequenzen bleiben aus. Die Mutter
fängt sich, schliesst den Partner ihres Sohnes bald ins Herz. Die
wahre
Liebe hat - zumindest im privaten Rahmen - alle Vorurteile besiegt. Ein
vorsätzliches Märchen? Oder doch ein Einblick in eine
verborgene
Wirklichkeit des (nord-)afrikanischen Alltags?
In Uganda waren es internationale Proteste,
die Staatsoberhaupt Museveni dazu bewegten, von der Todesstrafe
für
Homosexuelle abzusehen. Am gesellschaftlichen Klima änderte dies
allerdings wenig. Auf, der aufgrund des Outings durch "The Red Pepper"
um sein Leben fürchten musste, beantragte kürzlich Asyl in
Frankreich.
Jetzt ist Auf ein politischer Flüchtling im Exil.
Queersicht Das Programm
Neben den vier Filmen im Themenschwerpunkt Afrika (siehe
oben)
präsentiert Queersicht auch heuer ein reichhaltiges Programm. Zum
einen
natürlich auf den Berner Leinwänden: Das Reitschule-Kino,
das Kino Kunstmuseum, das Kino ABC, das Kellerkino und die
Cinématte
zeigen bis zum 16. November eine erlesene Auswahl europäischer,
amerikanischer und asiatischer Filme. Unter den insgesamt 22 Werken
finden sich traditionell Dok-, Kurz- und Spielfilme. Das detaillierte
Programm ist unter www.queersicht.ch einzusehen.
Sehr vielversprechend erscheint ferner das
Rahmenprogramm zum 15. Queersicht-Filmfestival. So wird dem Publikum in
der Queersicht-Lounge die Möglichkeit geboten, selbst an der
Gestaltung
eines Films mitzuwirken. Mithilfe von Plastilin soll im Verlaufe des
Festivals eine Form von "visuellem Kettenbrief" geformt werden. Ein
weiteres Highlight: das Podiumsgespräch zum Thema "Queer Refugees
-
Sexualität als Fluchtgrund" (Sonntag, 13. November, 15.30 Uhr,
Frauenraum in der Reitschule).
Der Psychologe Udo Rauchfleisch diskutiert mit der Juristin Eylem Copur
und der Menschenrechtsaktivistin Regula Ott über die rechtliche
Stellung von Homosexuellen in Entwicklungsländern. (len)
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WoZ 10.11.11
Queersicht
Vor fünfzehn Jahren wurde das Queersicht in der Reitschule
in Bern ins Leben gerufen: Das älteste lesbisch-schwule
Filmfestival
der Schweiz kehrt dieses Jahr wieder an den Ort seiner Geburt
zurück
und positioniert seine Lounge und das Festivalzentrum im Frauenraum der
Reitschule. Hier, im
schönsten Raum der ganzen Reitschule,
lässt sich bei Kaffee, Prosecco, Sirup und Sandwiches auch mit
Filmschaffenden diskutieren. Der Themenschwerpunkt des
diesjährigen
Queersicht-Festivals ist Afrika. Zu sehen sind Filme wie "Cameroun
-
sorti du Nkuta" von Céline Metzger, der von der ersten Juristin
des
Landes erzählt, die der Homophobie den Kampf angesagt hat, oder
"Uganda: Killing in the Name" von Dominique Mesmin über die
schlimme
Situation Homosexueller in Uganda. Dazu gehört auch ein
Podiumsgespräch: Zum Thema "Queer refugees -
Sexualität als
Fluchtgrund" diskutiert der emeritierte Professor Udo Rauchfleisch, der
seit einiger Zeit in der Demokratischen Republik Kongo lebt, mit der
Juristin Eylem Copur und der Menschenrechtlerin Regula Ott.
Ausserdem gibts eine grosse Anzahl
internationaler queerer Kurzfilme zu sehen und wie immer zum Abschluss
die Queersicht-Party, an der die Bielerin DJ Sanguine auflegt und
Cath’n’Dan Deep- und Techhouse spielen. süs
Queersicht in: Bern mehrere Kinos, Festivalzentrum
Frauenraum Reitschule, Do,
10., bis Mi, 16. November. www.queersicht.ch
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kulturagenda.be 10.11.11
Klappe für Queersicht, das lesbisch-schwule Filmfestival in Bern
Seit 15 Jahren organisiert der Verein Queersicht jährlich ein
Festival, das auf die Homo- und die Transsexualität im Film
fokussiert. Co-Präsident Donat Blum gibt Auskuft.
Die Homosexualität scheint akzeptiert zu sein wie noch nie. Und
dennoch ist die Gay-Kultur eine Nischenkultur geblieben. Stimmt dieser
Eindruck?
Klar, die Akzeptanz ist eindeutig gestiegen. Und doch gibt es noch
immer erschreckend viele Leute, die Berührungsängste haben
mit den LGBT (kurz für: Lesbian, Gay, Bisexuals and Trans, Anm. d.
Red.). Aber die Gruppe der Interessierten ist eindeutig grösser
geworden. Wir konnten in den letzten Jahren beobachten, wie vor allem
in kulturell interessierten Kreisen die Neugierde für "queere"
Themen zugenommen hat, also für Geschichten, die sich mit der
sexuellen Orientierung auseinandersetzen.
Gibt es also auch für Heteros Spannendes zu sehen am Queersicht?
Auf jeden Fall. Ich gehe ja auch Heterofilme schauen. Die sexuelle
Orientierung ist nicht ausschlaggebend. Wir zeigen viele Filme, die von
der filmischen Qualität leben und nicht nur davon, dass sie eine
homosexuelle Geschichte erzählen.
Welche Rolle spielen Transgender, also im weitesten Sinne alle, die
zwischen oder ausserhalb der beiden Geschlechter Mann und Frau stehen?
Der Begriff Queer ist stark geprägt von Transgenderthemen. Auch im
Film findet dies immer mehr Resonanz. Dieses Jahr haben wir mit
"Romeos" eine Transkomödie, die nicht nur problematisiert, sondern
einen freudigen Zugang mit Happy End bietet. Anschliessend findet ein
Gespräch zum Film statt mit dem Transgender Network, einer
Vereinigung von Transmenschen, die erst letztes Jahr gegründet
wurde.
Sind die Themen in der Szene noch immer dieselben wie vor 15 Jahren?
Nein, soweit ich das beurteilen kann, haben sich die Themen stark
verschoben. Es geht nicht mehr primär darum, die Akzeptanz
für eine schwule oder lesbische Lebensform zu finden, mittlerweile
können wir mit einer grösseren Selbstverständlichkeit
auftreten und weiterführende Themen aufgreifen wie etwa
Adoptionsrecht oder weltweite Gesetze und ganz allgemein
Geschlechterrollen in Frage stellen. Da hat sich schon einiges
verändert.
Was bleibt gleich?
Gerade auch beim Film sind die Coming-out-Geschichten nach wie vor ein
Dauerbrenner. Heute in der Szene ein etwas weniger wichtiges Thema,
aber es ist wohl noch immer ein äusserst prägendes Erlebnis
der meisten Lesben, Schwulen und Transmenschen in ihrer
Identitätsfindung.
Ihr habt einen Themenschwerpunkt gesetzt, "Afrika". Weshalb?
Wir sind in der Reitschule entstanden und sind ein politisch
kommentierendes Festival. Global gesehen, ist die Situation der
nichtheterosexuell lebenden Menschen auf dem afrikanischen Kontinent
sicher am schlimmsten. Da gibt es absolut menschenverachtende
Zustände. Dass in unserem Asylrecht Homosexualität nicht als
Asylgrund anerkannt ist, ist verheerend. Auf dieses Themengebiet wollen
wir den Fokus richten. "Uganda: Killing in the Name" ist ein Film, der
sehr deutlich macht, welchen Zuständen der Grossteil afrikanischer
Lesben, Schwule und Transgender ausgesetzt sind.
Interview: Michael Feller
\ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \
\ \ \ \ \ \ \ \
Div. Orte, Bern. Do., 10. bis Mi., 16.11. Verlosung von 2×2
Tickets für "Romeos" am Fr., 11.11. im Kellerkino.
www.queersicht.ch
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Bund 9.11.11
Unbekannte stellen Zivilfahnder an den
Internet-Pranger
Rund ein Dutzend
Zivilfahnder der Polizei sind auf der Website Indymedia geoutet worden.
Polizeikommandant Stefan Blättler spricht von "Selbstjustiz".
Was die Polizei bei Chaoten und
Hooligans praktiziert, wird nun auch mit der Polizei gemacht: Auf der
Internetseite Indymedia werden Zivilfahnder der Kantonspolizei mit Foto
und zum Teil mit Namen und Adresse an den Pranger gestellt. Die Bilder
werden kommentiert mit Sätzen wie "Haut jedem Bullenschwein
eine rein"
oder "Wir kriegen euch alle". "Es ist das erste Mal,
dass ich in dieser
Form Kenntnis von solchen Anfeindungen gegen einzelne
Polizeiangehörige
im Internet habe", bestätigt Polizeikommandant Stefan
Blättler einen
Bericht der TV-Sendung "Schweiz aktuell". In der Sendung
berichteten
zwei betroffene Beamte, dass sie seit ihrem "Outing" Angst
vor
Repressalien gegen sich selber und gegen ihre Familien hätten.
Auch in
einem Ende September veröffentlichten Videofilm eines
Reitschul-Gastes
über eine Rangelei bei der Verhaftung eines mutmasslichen Dealers
in
der Reitschule waren
Zivilfahnder gut erkennbar.
Mit Strafanzeigen ist zu rechnen
Bild- und Tonaufnahmen von Angehörigen der Polizei
sind nicht verboten.
Solange die Aufnahmen auf öffentlichem Grund gemacht und dabei die
Persönlichkeitsrechte nicht verletzt würden, "sind sie
in der Regel
nicht weiter zu beanstanden", sagt Blättler. Nicht
tolerierbar seien
aber Gewaltaufrufe gegen einzelne Polizei-Mitarbeiter im Netz. Die
betroffenen Beamten prüfen zurzeit Anzeigen wegen
Persönlichkeitsverletzung. Kommandant Blättler sprach in der
TV-Sendung
von "Selbstjustiz". Er hat ein juristisches Kurzgutachten
in Auftrag
gegeben, um die rechtlichen Möglichkeiten zum Schutz betroffener
Beamter abzuklären. Nun gehe es darum, die weiteren Schritte mit
den
Betroffenen zu diskutieren. "Grundsätzlich werden Angriffe
auf
Polizeiangehörige aber konsequent zur Anzeige gebracht",
sagt Blättler.
Sperrung der Website gefordert
Die Polizei will gegen Gewaltdrohungen aber nicht nur
juristisch
vorgehen. Unabhängig von den Vorfällen im Internet habe die
Kapo jüngst "als eines der ersten Korps" eine Umfrage zum Thema
Gewalt
durchgeführt, sagt Blättler. Diese werde zurzeit ausgewertet,
"damit
möglichst konkrete Massnahmen gegen die Gewalt getroffen und die
bestehenden Unterstützungsangebote für die Mitarbeitenden
ausgeweitet
werden können", sagt Blättler.
Auf der Internetseite von Indymedia war
gestern von einer "Tränen rührenden Geschichte"
die Rede, die Teil
einer "Propaganda-Offensive der Polizeiverantwortlichen der
ganzen
Schweiz" sei. Diese versuchten, "ihren kleinen Polizeistaat
aufzubauen"
und jegliche Kritik gegenüber Polizisten "in Repression und
Medienblödsinn zu ersticken". Die Reitschule
ihrerseits liess bezüglich des erwähnten Rangelei-Videos
ausrichten,
dass Zivilfahnder, die sich korrekt verhielten, auch keine Angst vor
einem Outing haben müssten.
Grossrat Markus Meyer (SP), Präsident der
Berner Polizeibeamtenverbandes, fordert den "bestmöglichen
Schutz" für
Polizeiangehörige - bis hin zu einer möglichen Änderung
des
Polizeigesetzes. Ein wirkungsvolles Mittel wäre auch die Sperrung
der
Internetseite. "Fahndet die Polizei nach Hooligans im Internet,
gibt es
Diskussionen. Die Fotos und Aufrufe gegen die Berner Zivilfahnder
hingegen lässt man monatelang im Netz stehen", sagt Meyer.
(bob)
---
BZ 9.11.11
Polizei will gegen Gewalt-Aufrufe vorgehen
Internet-Pranger
· Bilder von Polizisten im Einsatz, versehen mit Hatzparolen:
Solche
Aufrufe zu Gewalt gegen Polizisten tauchen vermehrt im Internet auf.
Die Berner Kantonspolizei prüft nun, mit welchen Massnahmen sie
gegen
solche Internetpranger vorgehen kann.
"Bullenzivis müssen geoutet werden."
Oder: "Wir kriegen euch alle." Oder: "Haut jedem
Bullenschwein eine
rein!" Oder: "Damit alle wissen, wie diese Scheiss-Cops
aussehen!"
Diese Aufrufe waren oder sind seit einiger Zeit auf der
links-alternativen Internetplattform Indymedia zu lesen. Unter den
Parolen sind Bilder von Berner Zivilfahndern und Polizisten platziert -
zum Teil unscharf, zum Teil von weit weg, aber doch oft erkennbar. Zu
sehen sind etwa auch die Bilder jener Zivilpolizisten, die beim
umstrittenen Einsatz vom 22. September in der Reitschule dabei waren. Aufgrund
eines Besuchervideos wurde die Polizei-Darstellung des Einsatzes stark
relativiert (wir berichteten).
"Das ist Selbstjustiz"
Bilder von Polizisten im Internet, ergänzt mit
Aufrufen zur Gewalt -
das ist nicht ganz neu. Für die Berner Kantonspolizei ist nun aber
klar, dass sie dies nicht mehr länger hinnehmen will, wie
Kommandant
Stefan Blättler gegenüber der TV-Sendung "Schweiz
aktuell" sagte. "Die
aktuelle Entwicklung führt bei uns zu grosser Besorgnis", so
Blättler.
Wenn die Polizei im Internet mit Fotos nach Hooligans suche, sei dies
nicht vergleichbar. "Dies gehört zur Arbeit der
Polizei", so Blättler. "Aber wenn das Private machen, ist das
Selbstjustiz und nicht
tolerierbar." Die Kantonspolizei hat laut Sprecherin Daniela
Sigrist
ein Gutachten erstellen lassen, das aufzeigen soll, welche rechtlichen
Mittel die Polizei gegen solche Gewaltaufrufe gegen einzelne
Mitarbeitende hat. Das Gutachten liege vor und werde zurzeit
ausgewertet.
Eingeschränktes Privatleben
Gegenüber "Schweiz aktuell" berichteten
zwei Berner Zivilfahnder, dass
sie sich aus Angst vor Angriffen im Privatleben eingeschränkt
fühlten.
Ein Familienvater gab an, nicht mehr in der Stadt Bern einzukaufen.
Diese Polizeimitarbeiter müssten von sich aus Anzeige gegen die
Urheber
der Aufrufe erstattet - die Kantonspolizei selber kann dies nicht tun.
Mitarbeiter, die einen solchen Schritt machen möchten, würden
dabei
aber unterstützt, sagt Sprecherin Sigrist.
Auf der Plattform Indymedia wiederum schreibt
eine anonyme Person, die Ankündigung Blättlers, gegen solche
Aufrufe
vorzugehen, passe zur "Propaganda-Offensive der
Polizeiverantwortlichen
in der ganzen Schweiz". Die Mediengruppe der Reitschule
liess verlauten: Wer sich als Polizist korrekt verhalte, müsse
auch
nicht mit einem Outing rechnen. Die Mediengruppe hatte nach dem
umstrittenen Polizeieinsatz vom 22. September Bilder aus einem
Besuchervideo veröffentlicht. Dabei waren die Gesichter der
Reitschul-Besucher verpixelt worden, jene der Zivilfahnder hingegen
nicht.
Eine Umfrage zur Gewalt
Die Polizei klärt nun ab, auf welche Art und Weise
sie sich gegen die
Aufrufe wehren will und kann. Das Corps habe soeben eine Umfrage zum
Thema durchgeführt, sagt Polizeisprecherin Daniela Siegrist. Damit
will
die Polizei herausfinden, wie oft und zu welcher Art von
Übergriffen es
gegenüber Polizisten kommt. Die Ergebnisse der Umfrage sollen auch
in
das weitere Vorgehen einfliessen.
Wolf Röcken
---
20 Minuten 9.11.11
Nach Zivilfahnder-Outing:
Mehr Schutz gefordert
BERN. Nachdem im Oktober Zivilfahnder auf der
Onlineplattform Indymedia geoutet wurden, wird nun über
mögliche Massnahmen diskutiert.
Mit Worten wie "Wir kriegen euch alle!" wurde
im Oktober auf Indymedia
zu Gewalt gegen Polizisten aufgerufen. Gleich daneben: klar erkennbare
Bilder von Zivilpolizisten bei Einsätzen (20 Minuten berichtete).
Dies
könnte ein Nachspiel haben. Markus Meyer, Präsident des
Polizeiverbands
Bern Kanton: "Ich erwarte, dass vonseiten des Arbeitgebers etwas
unternommen wird. Die Mitarbeiter müssen geschützt
werden." Er werde
sich in den nächsten Tagen mit Kommandant Stefan Blättler
treffen, um
das Vorgehen wie etwa eine Website-Sperrung zu besprechen.
Blättler verurteilt die Gewaltaufrufe gegen
einzelne Mitarbeiter. Anzeige erstatten könne die Polizei selbst
in
diesen Fällen nicht, sie biete den betroffenen Mitarbeitern aber
volle
Unterstützung. Laut "Schweiz aktuell" überlegen
sich sechs der Fahnder,
Strafanzeige wegen Persönlichkeitsverletzung einzureichen.
Blättler: "Ich habe ein Kurzgutachten in Auftrag gegeben, um die
rechtlichen
Möglichkeiten abzuklären. Wir studieren nun die Ergebnisse
und prüfen
weitere Massnahmen." Die Indymedia-Betreiber sind davon wenig
beeindruckt: Sie posteten am Montagabend extra noch mal die Fotos der
Fahnder.
Nathalie Jufer
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Bund 9.11.11
Spiezer Politiker unbegründet aus Bern
weggewiesen
Am Tag der SVP-Kundgebung nahm die Polizei einen jungen
Grünen fest. Dieser beschwerte sich - mit Erfolg.
Markus Dütschler
Am 10. September 2011 lagen bei Berns
Sicherheitskräften die Nerven
blank: Die SVP führte ihr "Familienfest" durch.
Eigentlicher Grund für
die Anspannung waren die Krawalle vier Jahre zuvor. Vermummte
Randalierer hatten am 6. Oktober 2007 einen bewilligten SVP-Umzug
gestoppt. 2011 sollte sich das nicht wiederholen. Die Polizei
kündigte
Personenkontrollen an und war präsent.
55 Personen wurden festgehalten, 37 bekamen eine
Fernhalteverfügung, unter ihnen der grüne Spiezer
Jungpolitiker Philipp Zimmermann,
Co-Präsident der Schweizer Grünen: Er wurde an den
Händen gefesselt und
in den "Festhalte- und Warteraum" im P + R Neufeld
transportiert - ohne
Widerstand zu leisten, wie er betont. Als Grund nannte die Polizei drei
Polit-Aufkleber, die er im Rucksack mitführte. Die Verfügung
untersagte
ihm das Betreten der Innenstadt bis Sonntag 6 Uhr. Er beschwerte sich
schriftlich gegen die Verfügung, die ihm unterstellte, seine
Anwesenheit gefährde die öffentliche Ordnung. An einer
Demonstration
habe er nicht teilgenommen, zumal gar keine stattgefunden habe.
Politmaterial falle unter die Meinungsäusserungsfreiheit und
dürfe
nicht als Vorwand für eine Verhaftung dienen.Nun hat Zimmermann
recht bekommen, wie aus einem Brief des Polizeikommandos zu entnehmen
ist: "Nach eingehender Prüfung des Sachverhalts" werde
die
Festhalteverfügung "nachträglich aufgehoben".
Nach einem Satz des
Bedauerns sucht man vergebens.
Die Jungen Grünen Kanton Bern werten die
Aufhebung als "Eingeständnis", dass die Polizei "willkürlich
und ohne
rechtliche Grundlage" Leute festgenommen habe. Polizeikräfte
müssten
besser mit "Gesetzes- und Menschenrechtskunde" vertraut
gemacht werden.
Polizeisprecherin Daniela Sigrist sagt auf
Anfrage, die Situation sei damals "risikobehaftet" gewesen.
Im
Nachhinein schätze die Polizei die Lage anders ein. Und sie
fügt bei: "Falls sich der Beschwerdeführer ungerecht
behandelt
gefühlt hat, tut
uns das leid."
---
BZ 9.11.11
SVP-Fest: Polizei hebt eine Wegweisung auf
Stadt Bern. Philipp Zimmermann,
Co-Präsident der jungen Grünen, wehrte sich erfolgreich gegen
die Fernhalteverfügung am SVP-Fest. Die Polizei krebst
zurück.
Am 10. September versammelte sich auf dem Bundesplatz die
SVP, und
Hundertschaften von Polizisten riegelten den Zugang ab. Sie hielten 55
Personen fest. 37 erhielten Fernhalteverfügungen. Eine davon hob
die
Polizei nun wieder auf. Bei Philipp Zimmermann,
Co-Präsident der jungen Grünen Kanton Bern, krebst die
Polizei zurück "nach eingehender Prüfung des Sachverhalts",
wie dem
kurzen Schreiben
vom 2. November zu entnehmen ist. Zimmermann
war einer der zwei, die Beschwerde gegen die Verfügung erhoben
haben
(wir berichten). Gemäss Polizeisprecherin Daniela Sigrist ist die
andere noch hängig.
An besagtem Samstag geriet Zimmermann
in eine Polizeikontrolle: "Ich befand mich auf dem
Bärenplatz. Die
Polizei fand in meinem Rucksack drei politische Flyer, die mir
zugesteckt worden sind." Die Polizisten hätten ihm gesagt,
ausser von
der SVP sei politisches Propagandamaterial heute nicht zulässig. Zimmermann
wurde gefesselt auf den Polizeiposten Neufeld abgeführt. Dort
erhielt
er eine Fernhalteverfügung, die ihm das Betreten der Innenstadt
bis am
nächsten Morgen verbot. Darin sei nichts mehr von der
mündlichen
Begründung gestanden. "Ich sei im Zusammenhang mit einer
unbewilligten
Protestaktion aufgegriffen worden. Durch die Anwesenheit in einer
Ansammlung hätte ich die öffentliche Sicherheit
gefährdet." Zimmermann
stellt aber klar: "Ich war alleine dort." Der
Beschwerdeentscheid sei
Genugtuung und bestätige das "zweifelhafte Verhalten"
der Polizei. Er
habe mit Schicksalsgenossen gesprochen und nicht in einem Fall
hätten
sich die Vorwürfe der Polizei erhärtet. "In der Zelle
traf ich etwa
einen Gärtner, der auf dem Heimweg angehalten wurde. Sein
mitgeführter
gefährlicher Gegenstand war eine Heckenschere." Sigrist von
der Polizei
hält fest: "Im konkreten Fall wurde das mögliche Risiko
durch die
beschwerdeführende Person im Nachhinein tatsächlich anders
beurteilt
als in der risikobehafteten Situation. Doch dies gilt nicht
generell."
Die jungen Grünen werten den Entscheid aber als
"Eingeständnis", dass
die Wegweisungen willkürlich waren. Zimmermann
kritisiert etwa auch die Verfügungen im Zusammenhang mit der
Sitzblockade beim AKW Mühleberg: "Die betroffenen Personen
mussten sich
einen Monat lang aus einem Umkreis von rund zwölf Quadratkilometer
rund
um das Atomkraftwerk fernhalten." cab
---
BZ 9.11.11
Bollwerk
Restaurant soll im Dezember öffnen
In der ehemaligen Brasserie Bollwerk wird nun gearbeitet. Nach dem Aus
der Brasserie wird hier wieder ein Gastrobetrieb mit hochwertiger
lokaler Küche einziehen (wir berichteten). Die Eröffnung, die
für
November vorgesehen war, verzögert sich laut Diego Dahinden aber
bis
Dezember. Dahinden betreibt mit zwei Mitstreitern die Advance Gastro
GmbH, welche das Restaurant betreiben soll. Er selber war zuletzt als
Kulturveranstalter im Dachstock der
Reitschule
tätig. Die zwei Kollegen führten die Formbar in Bern.wrs
---
BZ 8.11.11
Hauptsache Bern
Werfen als Grundbedürfnis
Adrian Iten
Geschäftsführer und Teilhaber von Adriano's Bar &
Café in Bern
Na bravo, dachte ich, als ich einen Tag vor Halloween in
dieser Zeitung
las, dass es in letzter Zeit in Mode gekommen sei, in der Nacht von
Halloween mit rohen Eiern um sich zu werfen. Das war neu für mich,
auch
wenn ich mich vor ein paar Jahren über die Eierschale wunderte,
die am "B" der Anschrift "Bar & Café" am Laubenbogen hing.
Nicht trick or
treat, nicht die Geister besänftigen, nein, dumb und doof einfach
nur
Eier gegen eine Fassade knallen. Na bravo, dachte ich, jetzt weiss
nicht nur ich, was angesagt ist, die geschätzten 10 000
pubertierenden
Leserinnen und Leser wissen das jetzt auch.
Werfen als Kommunikation
Dabei muss Werfen in der Entwicklung des jungen Menschen
eine sehr
wichtige Rolle einnehmen. Meine ältere Schwester pflegte den
Teller
umzudrehen, wenn sie - als Bébé - genug hatte. Eine
Nichte wirft ganz
einfach den Löffel, am liebsten aber etwas Essbares weg, um damit
das
Gleiche zu sagen. Ich fand Lego-Steine eine prima Munition, um die
Kunstwerke des fünf Jahre älteren Bruders zu bombardieren.
Mit dem
ersten Schnee und der ersten Klasse kam ein ganz spannendes Novum in
mein noch junges Leben: das Mädchen als Zielobjekt. Jetzt wird es
ganz
spannend. Zielgenauigkeit (ich, drei Meter daneben, aus drei Metern!)
und Kraft, Weitwurf. Ich habe mich dann aus praktischen Gründen
für den
Konfettiwurf aus nächster Nähe entschieden. Eins dieser
blöden
Papierschnitzel bleibt sicher im Haar der Beworfenen hängen.
Werfen als Waffe
Richtig ernst wurde es in den Baugruben rund um unser
Haus. Meine
Freunde und ich bewarfen uns mit einem Lehm-Dreck-Gemisch, wir
schenkten uns nichts. Und ganz knapp vor dem richtigen Ernst wurde ich
gerade noch rechtzeitig erwachsen. Ich legte den Pflasterstein wieder
auf die Strasse, der Bulle von gegenüber konnte ja nichts
dafür, dass "Züri brännt" und darum in Bern auch etwas
mehr Action abgehen sollte.
Damals dachte ich, ich wollte mich später nicht schämen
müssen für
hirnlose Dummheiten meiner Jugend.
Werfen aus Dummheit
Diese Art von Werfen ist rund um die Reitschule
brandaktuell. Es ist wie ein Reflex dieser Einzeller, die den Vorplatz
bevölkern: Kaum taucht eine Uniform oder ein Polizeiauto auf, wird
geworfen, was der Boden und die Bar hergibt. Die Ikur hebt hilflos die
Schultern, und die SVP schlägt schlicht und einfach vor, den
Chaoten
Plastikbecher statt Flaschen in die Hände zu drücken. Damit
können
Babypunks und Spätpubertierende keine Bullen mehr zum Rückzug
bewegen.
Dabei wird auf dem Vorplatz auch hie und da ganz friedlich geworfen, im
Ernst! Bei Kupp, einem Wurfspiel der Wikinger, wird mit Holzstäben
auf
Holzklötze geworfen. Womit ich schon zum letzten Gedanken
käme:
Werfen als Spiel
Jahrelang war es Boccia oder Pétanque, je nach
Feriendestinationsaffinität (wow, was für ein Wort!). Kaum
ein Kies-
oder Sandplätzchen unter Schatten spendenden Bäumen, wo nicht
die
schweren Kugeln geworfen wurden, wahlweise mit einer Merit oder einer
Gauloises im Mundwinkel und dem Béret auf dem Kopf. Und was
sonst noch?
Im Bärenpark wird zurzeit grad nicht geworfen, erst muss der
Nachwuchs
eine Bleibe finden. Weder YB noch SCB gelingt gerade der grosse Wurf.
Im Bundeshaus werfen Politiker grosse Schatten voraus oder
Handtücher. stadtbern@bernerzeitung.ch
---
Indymedia 7.11.11
https://ch.indymedia.org/de/2011/11/84257.shtml
AutorIn : Stefan Blättler
Kapo Bern jagt Indymedia wegen Zivi-Outings
Nachdem
im September und Oktober auf Indymedia etwa ein knappes Dutzend Berner
Polit- und Drogenzivis geoutet wurden, schlägt nun die
PR-Abteilung der
Kantonspolizei zurück: Mit einem tränenrührenden
Portrait auf Schweiz
Aktuell wird das Schicksal von zwei Politzivis beleuchtet, die seit
ihrem Outing angeblich Angst auf ihrem Arbeitsweg haben oder sich nicht
mehr getrauen, mit der Familie in der Stadt einkaufen zu gehen.
Schuld daran sind laut KaPo fiese gemeine Unbekannte und Indymedia.
Gegen beide will die Kapo Bern nun vorgehen.
So
behämmert sich die Geschichte anhört - sie passt in die
Propaganda-Offensive der Polizeiverantwortlichen in der ganzen Schweiz,
die immer mehr versuchen, ihren kleinen Polizeistaat aufzubauen und
jegliche Kritik gegenüber Polizist_innen und der
gesellschaftlichen
Rolle der Polizei in Repression und Medienblödsinn zu ersticken.
Neben
den Polizeikommandanten spielt dabei auch der Verband Schweizerischer
Polizei-Beamter VSPB eine zentrale Rolle. So auch am 12. Forum "Innere
Sicherheit", dass am 4.11.11 im Berner Kulturkasino stattfand.
(siehe auch
http://vspb.org/de/themen_events_ausbildung/forum_innere_sicherheit/)
Watsch the Cops & Faight the System
-
Schweiz Aktuell 7.11.11
Zivile Fahnder am Pranger
Während
die Polizei im Internet immer wieder nach Hooligans und Krawallmachern
sucht, drehen Unbekannte jetzt den Spiess um. Sie stellen zivile
Fahnder an den Online-Pranger. Zwei Berner Kantonspolizisten
erzählen,
was dieses Outing für sie für Konsequenzen hat.
http://www.videoportal.sf.tv/video?id=4ccb6dae-c242-4b9c-9fa3-32ed44fbf159
-
Indymedia 4.10.11
Weitere ZiviFotos
https://switzerland.indymedia.org/de/2011/10/83681.shtml
-
Indymedia 2.10.11
Fotos von Zivilpolizisten aus Bern
https://switzerland.indymedia.org/de/2011/10/83642.shtml
-
Indymedia 24.9.11
Zivis die am 24.9. in Bern rumschlichen
https://switzerland.indymedia.org/de/2011/09/83450.shtml
---
Schweiz Aktuell 7.11.11
Zivile Fahnder am Pranger
Während die Polizei im Internet immer
wieder nach Hooligans und Krawallmachern sucht, drehen Unbekannte jetzt
den Spiess um. Sie stellen zivile Fahnder an den Online-Pranger. Zwei
Berner Kantonspolizisten erzählen, was dieses Outing für sie
für
Konsequenzen hat.
http://videoportal.sf.tv/video?id=4ccb6dae-c242-4b9c-9fa3-32ed44fbf159
---
kulturstattbern.derbund.ch 7.11.11
Kulturbeutel 45/11
Von Benedikt Sartorius am Montag, den 7. November 2011, um 05:39
Uhr
Herr Sartorius empfiehlt:
Das englische Produzenten-Phantom Zomby
taucht am Freitag in Düdingen mit seinen Tracks und virtuellen
Panda-Bear-Gesängen auf. Hingehen! Am selben Abend: Die Welthits
im Mambo-Gewand von Señor Coconut und seinem
Orchester im Dachstock.
Frau Kofmel empfiehlt weiter:
Am Dienstag spielt die Band And
So I Watch You From Afar im Dachstock.
Nicht, dass ich von dieser Musikrichtung eine Ahnung hätte und
ausser
einem kurzen Video, das mir zwecks Konzertbegleitungsanfrage
vorgespielt wurde, ist mir auch die Band gänzlich unbekannt. Das
Video
war aber überzeugend und der Name dieser Band tut ja wohl das
Übrige
dazu.
(...)
Frau Feuz empfiehlt:
gehen Sie an die RaBe-Clubtour,
welche am Donnerstag im Rössli
Halt macht. Auf der Bühne werden dort Slam &
Howie
ihren Bastard Speed Country zum Besten geben. Am Freitag sollten
LiebhaberInnen von 60er Garagenrock den zweiten "Wild Friday" mit den Trashmonkeys im ISC nicht verpassen.
(...)
---
BZ 7.11.11
"Clubs müssen Qualität bieten, nicht
Halligalli"
NACHTLEBEN in
BernWie stehts ums Nachtleben in der Bundesstadt? Darüber wird
diesen
Mittwoch an einem Podium diskutiert. Organisiert hat es der Verein
Bekult, der Dachverband der Berner Kulturveranstalter.
Bekult-Präsident
Christian Pauli spricht über den Wandel im Nachtleben, die Reitschule und die Nichtmetropole
Bern.
Herr Pauli, die Diskussion um das Berner Nachtleben
läuft schon seit
Anfang Sommer. Wieso schaltet sich Bekult erst jetzt ein?
Christian Pauli: Wir haben schon lange
reagiert. Beispielsweise haben wir bei der Petition "Pro Nachtleben
Bern" mitgearbeitet. Wir haben auch unsere Mitglieder dazu aufgerufen,
die Petition zu unterschreiben. Wir haben aus verschiedenen
Gründen
aber nicht offiziell mitgemacht.
Welche Gründe sind das?
Die Petition in dieser Form deckt sich nicht mit der
Position von
Bekult. Sie bringt zwar zur Sprache, dass es in Bern ein Problem mit
dem Nachtleben gibt. Sie weist auch richtigerweise darauf hin, dass die
Behörden zum Beispiel bei der Lautstärke sehr technokratisch
reagieren.
Nicht zu Wort kommt aber der gesellschaftliche Wandel im
Ausgangsverhalten in den letzten Jahren.
Sie sprechen hier die "drastischen
Veränderungen" im Nachtleben an, die Bekult laut einer
Medienmitteilung
in den Vordergrund rücken möchte.
Richtig. In den letzten Jahren gab es eine
grosse Ausweitung des Nachtlebens. Immer mehr Leute sind immer
später
auf der Gasse. Vor fünfzehn Jahren fuhren um drei, vier, fünf
Uhr
morgens keine Moonliner. In meiner Jugend waren die Kneipen schon um
halb zwölf zu.
Was hat sich weiter verändert?
Das Rauschverhalten der Jugendlichen. Berauschen
gehörte schon immer
zum Ausgang und zur Jugend, aber das Amoksaufen zieht immer breitere
Kreise. Wir sind überzeugt, dass dieses Nachtleben Ausdruck der
zunehmenden Kommerzialisierung der Gesellschaft ist. Und wir finden es
nötig, dass sich die Politik diesen Entwicklungen stellt.
In der Medienmitteilung schreiben Sie, dass die Politik
gegenüber dem neuen Nachtleben offensichtlich überfordert
sei.
In Bern lässt sich die Überforderung an einem
Punkt festnageln, und das ist die Reitschule.
Wir wollen die Gewalt auf dem Vorplatz nicht verleugnen. Aber die
enorme soziale und kulturelle Funktion, welche die Reitschule
für die Stadt hat, geht in der Diskussion oft vergessen. Die Frage
ist:
Wie lässt man einen solch wichtigen Freiraum zu und hat trotzdem
die
Lage im Griff, ohne dass es jedes Wochenende "Lämpe" gibt? Die
Behörden
reagieren hier zwar punktuell, ohne ersichtliche Strategie. Es braucht
ein städtisches Konzept fürs Nachtleben.
Wo sollten die Behörden Ihrer Meinung nach Grenzen
ziehen?
Es kann nicht sein, dass viele die Aarbergergasse meiden,
weil sie das
Gepöbel nicht aushalten. Wir stellen die Frage, ob die Stadt oder
die
Clubs dafür zuständig sind. Hier müssten beide Parteien
Gespräche
führen, um Antworten zu finden.
Das ist aber reichlich vage. Was können Clubs und
Politik konkret dagegen unternehmen?
Ein Beitrag der Clubs muss die Qualität sein. Dass
sie nicht
Halligalli, billige Drinks und Konservenmusik anbieten, sondern eine
gepflegte Nachtkultur mit eigener Identität und Ausstrahlung.
Wie wäre es mit Zonen für das Nachtleben, wie
in der Petition "Pro Nachtleben" gefordert?
Die Aarbergergasse hat man nicht als Ausgehmeile erfunden,
die hat sich
so entwickelt. Explizit Parameter für das Nachtleben zu schaffen,
entspricht nicht unserem Bild eines urbanen Lebens. Eine Durchmischung
von verschiedenen Lebensbedürfnissen und Lebensarten gehört
zur Stadt.
Wer in einer Stadt wohnen will, muss in Kauf nehmen, dass sie in der
Nacht lebt.
Dies geht in Richtung eines "hauptstadtwürdigen
Nachtlebens", das die Petition fordert.
Wir verwenden diesen Begriff nicht. Bern samt Region ist
ein urbaner
Raum von rund 300 000 Menschen, keine Grossstadt und keine Metropole.
Hier kann es kein Nachtleben wie in Berlin geben. Trotzdem gehört
zur
Attraktivität einer Stadt ein spannendes Nachtleben.
Beispielsweise
vermisse ich ruhige Ecken, wo ich um drei Uhr morgens etwas trinken
kann - ohne dass ich in einen Club gehen muss, in dem es nach Red Bull
riecht.
Wenn ein Nachtleben zu einer Stadt gehört,
müssen Anwohner toleranter werden. Ist es die Toleranz, die Bekult
vermisst?
Wir glauben, dass man den Menschen ins Bewusstsein bringen
muss, dass
Lärm und Unruhe zu einer Stadt gehören. Die
gesellschaftlichen
Bedürfnisse bezüglich Nachtleben haben sich nun mal
geändert. Wenn man
das Bewusstsein für dieses neue Phänomen schärft,
entsteht Toleranz von
selber. Das gilt für Clubs, Anwohner und auch Behörden. Hier
möchten
wir ansetzen - beispielsweise mit unserer Podiumsdiskussion.
Interview: Jessica King
Podiumsdiskussion: Jugend- und Nachtkultur in Bern.
Mittwoch, 9. November, 19 Uhr, Kornhausforum.
---
bekult.ch
9. November - bekult-Panel "Jugend und Nachtkultur"
„Neue Dynamik oder Repression? - Jugend und Nachtkultur in Bern“
Mittwoch, 9. November um 19.00 Uhr im Kornhausforum Bern
bekult hat sich intensiv mit den Problemen der von der Schliessung
bedrohten Clubs und dem Anspruch der Jugend auf ein toleriertes
Nachtleben in Bern befasst. Die Debatte soll möglichst breit an
die
Öffentlichkeit getragen werden. Deshalb lädt bekult zu einem
öffentlichen Panel mit Behördenvertretern und Veranstaltern.
Es diskutieren:
- Prof. Dr. Kurt Imhof, Öffentlichkeit und Gesellschaft,
Universität ZH
- Christoph Lerch, Regierungsstatthalter Bern-Mittelland
- Jürg Häberli, Leiter Jugendamt Stadt Bern
- Manuel Willi, Chef Regionalpolizei Bern
- Sabine Ruch, Kulturveranstalterin Dachstock Reitschule
- Rolf Bähler, Geschäftsführer Club Bonsoir
Moderation: Mike Bucher, freischaffender Moderator,
Vorstandsmitglied bekult
---
BZ 7.11.11
Tor darf geschlossen werden
Reitschule
· Das Eingangstor zur Reitschule
dürfte während des Betriebs geschlossen werden, finden
Brandschutzexperten. Der Gemeinderat hatte bisher das Gegenteil gesagt.
Seit Jahren fordert eine Mehrheit des Berner Stadtrats,
dass während Demonstrationen in der Stadt das grosse Eingangstor
zur Reitschule von den
Betreibern geschlossen werden muss. Dies, damit sich gewalttätige
Demonstranten nicht in die Reitschule
zurückziehen können. Bis heute erfüllen die Reitschule-Betreiber
diese Forderung nicht und werden vom Gemeinderat unterstützt: Weil
sich
das grosse Tor nicht in Fluchtrichtung öffnen lasse, dürfe es
nicht
während des Betriebs geschlossen werden. So steht es auch im
gemeinderätlichen Vortrag zum Leistungsvertrag mit der Reitschule.
Brandschutzexperten der Gebäudeversicherung kommen jedoch zu einem
anderen Schluss. Die kleineren Türen innerhalb des grossen Tors
seien
als Fluchttüren genügend. Diese kleinen Türen
würden sich gegen aussen
öffnen lassen, so die Brandschutzexperten. Der Gemeinderat habe
vor der
Debatte zum Leistungsvertrag wider besseres Wissen eine falsche
Stellungnahme abgegeben, kritisiert FDP-Fraktionspräsident
Bernhard
Eicher. Auch der Präsident der vorberatenden Kommission ist nicht
zufrieden mit der "unkorrekten Botschaft" der Regierung.mm
Seite 3
-
Das Tor zur Reitschule
darf bei Demos doch geschlossen werden
Stadt Bern Brandschutzexperten der
Gebäudeversicherung Bern haben die Reitschule
inspiziert. Ihr Fazit: Das Eingangstor darf auch während des
Betriebs
geschlossen werden - zum Beispiel, wenn in der Stadt Demos stattfinden.
Der Gemeinderat hatte bisher das Gegenteil gesagt.
Seit Jahren fordert eine Mehrheit des Berner Stadtrates:
"Bei Demonstrationen ist das Tor zur Reitschule
zu schliessen." Die Reitschule
dürfe nicht als "sicherer Rückzugsraum für
Gewalttäter" dienen. So
stehts in der im Februar 2009 mit 51 zu 20 Stimmen überwiesenen
und
seither oft zitierten "Motion Mosza".
Bis heute schlagen die Reitschulbetreiber
diese Forderung in den Wind. Und auch die Stadtregierung hat sich
bisher gegen die Torschliessung ausgesprochen. Weil sich das grosse Tor
nicht in Fluchtrichtung öffnen lasse, dürfe es während
des Betriebes
nicht geschlossen werden, steht im gemeinderätlichen Vortrag zum
Leistungsvertrag mit der Reitschule
2012 bis 2015. Um das Tor schliessen zu dürfen, müsste es
umgebaut
werden, sodass es sich nach aussen öffnen lasse. "Es ist in den
Augen
des Gemeinderates nicht sinnvoll, das Tor umzubauen." Die Regierung
beruft sich bei ihren schriftlichen Aussagen explizit auf die
Gebäudeversicherung Bern (GVB).
"Wider besseren Wissens"
Ein Anruf bei ebendieser Gebäudeversicherung ergibt
aber ein anderes
Bild. Der Umbau des grossen Tores sei nicht nötig, um die im
Kanton
Bern verbindlichen Normen und Richtlinien der Vereinigung Kantonaler
Feuerversicherungen (VKS) zu erfüllen, sagt Brandschutzexpertin
Manuela
Beutler. "Die Richtlinien würden sich mit geringem Aufwand
erfüllen
lassen." Bei einem Rundgang in diesem Herbst haben GVB-Mitarbeiter
festgestellt, dass es innerhalb des grossen Tores zwei kleinere Tore
hat. Die beiden kleineren Tore lassen sich gegen aussen öffnen.
Damit
seien die Fluchtwege gewährleistet. "Bei einem der Tore fehlt
lediglich
die sogenannte Panikstange, damit es sich im Ernstfall schnell und
einfach öffnen lässt", sagt Manuela Beutler.
In diesem Herbst wurde die Kommission für
Soziales, Bildung und Kultur (SBK) über das neue GVB-Fazit
informiert.
Die SBK ist für die Vorberatung des Leistungsvertrags mit der Reitschule
für die Jahre 2012 bis 2015 zuständig (siehe Kasten) An
besagter
Sitzung war auch Stadtpräsident Alexander Tschäppät (SP)
anwesend. "Nun
gibt der Gemeinderat wider besseren Wissens eine falsche Stellungnahme
ab", sagt FDP-Fraktionspräsident und SBK-Mitglied Bernhard Eicher.
Auch
SBK-Präsident Martin Schneider (BDP) sagt: "Diese unkorrekte
gemeinderätliche Botschaft passt gut zum Verhalten der Regierung
im Reitschule-Dossier."
Die Informationsbeschaffung sei generell mühsam. "Ich musste
mehrere
Anläufe nehmen, bis wir endlich Einsicht in den Leistungsvertrag
erhalten haben", sagt Martin Schneider.
Kommission muss informieren
Alexander Tschäppät wehrt sich gegen die
Vorwürfe. Die GVB habe ihre
Einschätzung zur Frage der Torschliessung erst geändert,
nachdem die
Arbeiten am Leistungsvertrag mit der Reitschule
abgeschlossen waren, sagt der Stadtpräsident. Zuvor habe die GVB
gegenüber der Stadtregierung stets den Standpunkt vertreten, das
grosse
Tor dürfe während des Betriebs nicht geschlossen werden.
"Aufgrund
dieser Informationen hat der Gemeinderat die Botschaft formuliert",
sagt Tschäppät. "Dass das Tor nun doch geschlossen werden
kann, hat die
Vertretung der GVB erst bekannt gegeben, als die Botschaft bereits bei
der vorberatenden SBK war." Von diesem Zeitpunkt an sei es die Aufgabe
der SBK, den Stadtrat über die veränderte Ausgangslage
aufzuklären und
ihm Vorschläge zum weiteren Vorgehen zu machen. "Das wird unsere
Sprecherin bei der Debatte zum Leistungsvertrag am 17. November tun",
sagt SBK-Präsident Martin Schneider.
Der Notausgangtrick
Alexander Tschäppät betont: Diese Diskussion
habe bloss einen
theoretischen Wert. "Auch wenn die Reitschüler in Zukunft das
grosse
Tor während Demos schliessen dürfen, können sich
Gewalttäter nach wie
vor in die Reitschule
zurückziehen." Da sich jede Feuerfluchttüre von innen
öffnen lasse,
genüge den Chaoten dazu eine Hilfsperson im Innern des
Gebäudes. "Mit
diesem Notausgangtrick hat sich schon unsere Generation den Eintritt
ins Kino gespart. Im Handyzeitalter ist das noch viel einfacher."
Martin Schneider widerspricht: "Wenn die Reitschüler wirklich
wollen,
kann sich kein Gewalttäter bei ihnen zurückziehen." Die
Tatsache, dass
das grosse Tor nun doch geschlossen werden dürfe, erleichtere dies
enorm. "Die Zukunft wird zeigen, wie ernsthaft sich die
Reitschulbetreiber an diese Vorgabe halten."
Tobias Habegger
-
Leistungsvertrag
Stadträte kritisieren den Gemeinderat
Es geht jährlich um 380 000 Franken, welche die
Reitschulbetreiber
zwischen 2012 und 2015 aus der Stadtkasse erhalten sollen. An der
Sitzung vom 17. November stimmt der Stadtrat über den
Leistungsvertrag
mit der Reitschule
ab. Diesen Vertrag hat eine Mitte-rechts-Koalition im März bereits
einmal an den Gemeinderat zurückgewiesen - mit dem Auftrag, den
Vertrag
in vier Punkten zu überarbeiten. Sämtliche dieser Punkte
betrafen
mangelnde Sicherheitsauflagen. Gefordert wurde etwa ein interner
Sicherheitsdienst, die namentliche Bekanntgabe von Kontaktpersonen, ein
Konzept für den Vorplatz und die Aufforderung, das grosse Tor
während
Demonstrationen zu schliessen.
Der Gemeinderat hat den Leistungsvertrag
daraufhin überarbeitet und dem Parlament ein zweites Mal
vorgelegt.
Doch die Kritik steht nach wie vor im Raum. Die vorberatende Kommission
für Soziales, Bildung und Kultur (SBK) empfiehlt dem Parlament
deshalb,
den Vertrag vorerst nur für ein Jahr - anstatt für vier - zu
bewilligen. tob
---
20 Minuten 7.11.11
Mehrwegbecher für Reitschule
BERN. Immer wieder werden Polizisten auf dem Vorplatz der
Berner Reitschule
mit Glasflaschen angegriffen. Die SVP will nun dafür sorgen, dass
den
Chaoten die Munition für ihre Wurfattacken ausgeht: Statt in
Flaschen
sollen Getränke auf dem Vorplatz nur noch in Mehrwegbechern
verkauft
werden. Diese Auflage soll in den Leistungsvertrag mit der Reitschule
aufgenommen werden, verlangt die SVP mit einem Vorstoss. Wie andere
Veranstalter auch sollen die Reitschüler für ihre Events
zwingend ein
Abfallkonzept erstellen - getreu dem Motto "Subers Bern - zäme
geit's!".
---
Migros-Magazin 7.11.11
15 Jahre Filmfestival Queersicht
"Wir zeigen Dokus, die heimlich gedreht werden
mussten"
Das
lesbisch-schwule Berner Filmfestival Queersicht feiert sein
15-jähriges
Jubiläum. Donat Blum, Co-Präsident des Festivals, über
heterosexuelle
Besucher, Vorurteile und afrikanische Filme.
Donat Blum, was war 1996 der Anlass, ein
lesbisch-schwules Festival zu gründen?
Damals gab es noch keine Filmfestivals in der Schweiz, in
Turin oder
Berlin hingegen schon. Man merkte, dass die Zeit reif ist, ein
Bedürfnis der Szene bestand, und es war vor allem auch
möglich, den
lesbisch-schwulen Film zu institutio-nalisieren. Die Reitschule in Bern war der ideale
Ort, um Queersicht zu starten.
Welche Bedeutung hat das Festival für die Akzeptanz
von Homosexuellen?
Das Festival wird in Bern als ernstzunehmende
Kulturveranstaltung
wahrgenommen. Film ist ein sehr niederschwelliger Zugang zu Themen, mit
denen man sonst nicht in Berührung kommt. Solche Filmfestivals
bergen
ein grosses Potenzial für Begegnungen zwischen den verschiedenen
Szenen.
Ist ihr Publikum denn durchmischt?
Der Anteil an heterosexuellen Besucherinnen und Besuchern
hat deutlich
zugenommen. Sei es durch Freunde und Bekannte von regelmässigen
Besuchern oder durch solche, die sich für einzelne Filme
interessieren.
Wir versuchen bei- spielsweise, mit der Wahl der Lokalitäten ein
breiteres Publikum anzusprechen.
Wie schätzen Sie persönlich die Akzeptanz von
Homosexualität in der Schweiz ein?
Es gibt noch viel zu tun. Gerade unter Migranten herrschen
viele
Vorurteile. Zudem haben auch heute noch viele Homosexuelle Mühe,
sich
zu outen und zu ihrer Sexualität zu stehen.
Dieses Jahr liegt der Schwerpunkt auf Filmen aus Afrika.
Warum gerade Afrika?
Einerseits gibt es langsam immer mehr Filme, welche die
Situation dort
porträtieren. Andererseits richten die Homo-, Bi- und
Transsexuellen
ihren Fokus allgemein auf Afrika, vor allem wegen der
Menschenrechtsverletzungen, die dort an Schwulen und Lesben begangen
werden. Es ist extrem dringlich, dass wir die dortige Situation
aufzeigen.
Wie gefährlich ist es für Filmschaffende, in
Afrika homosexuelle Filme zu produzieren?
Sehr gefährlich. Wir zeigen Dokumentarfilme, die
teilweise heimlich
gedreht werden mussten, unter schwersten Bedingungen. Meistens sind
aber Vertreter westlicher Länder bei der Produktion involviert,
die den
Filmemachern Rückhalt geben.
Rentieren homosexuelle Filme?
Da in der Schweizer Filmindustrie sowieso nicht viel
kommerziell
Erfolgreiches produziert wird, ist es in unserem Bereich erst recht
schwierig, Geldgeber zu finden. Nur dank grossen persönlichen
Engagements schaffen es einige Schweizer Filmemacher, solche Filme zu
realisieren.
Früher ging es in den meisten Filmen um das
"Coming-out". Ist die Themenpalette breiter geworden?
Es geht nicht mehr darum, ob homo- sexuell oder
heterosexuell, sondern
auch um die persönliche Geschlechterrolle, die nicht mehr klar in
männlich oder weiblich aufgeteilt werden kann.
Wie gelingt es, mehr Filme wie das Schwulendrama
"Brokeback-Mountain" ins Mainstream-Kino zu bringen?
Namen, bekannte Schauspieler und Regisseure. Seit
"Brokeback Mountain"
werden mehr quere Filme produziert, die auch einen Verleiher finden.
Interview Nathalie Bursac´