MEDIENSPIEGEL 09. - 15. JANUAR 2012

kulturstattbern.derbund.ch 14.1.12

Geschichten vom Musikbusiness

Von Roland Fischer am Samstag, den 14. Januar 2012, um 11:22 Uhr

Die Platte sei immer noch etwas vom besten in Sachen Balkan-Elektronik, meinte Bee-Flat-Veranstalter Christian Krebs gestern am Norient nach dem Film über das Shukar Collective - "aber das Konzert…". Vor vier Jahren war die Combo in der Turnhalle zu Gast - es war, sagen wir mal, nicht gerade ein Highlight in der Bee-Flat-Konzerthistorie. Warum das nicht funktioniert hat - warum es nicht hat funktionieren können -, dafür lieferte das Norient gestern eine filmisch bündige Erklärung.

http://www.youtube.com/watch?v=2h0Id-1SyxI&feature=player_embedded

Zwei Welten kamen da zusammen, die herzlich wenig miteinander zu tun haben: Hier die Soundtüftler hinter den Computern, musikalische Einzelkämpfer im Wesentlichen, die Teamarbeit ganz prinzipiell eher als anstrengend empfinden. Und da die unbändige Spielfreude der Romamusiker, die sich eigentlich erst richtig in der Gruppe entzündet. Wie daran (und am Geld, natürlich) ein sehr vielversprechendes musikalisches Projekt zerbricht, das zeichnet "The Shukar Collective Project" auf ungeschminkte und oft auch herrlich komische Weise nach.

Später im Programm gab’s dann noch Einblicke in ganz andere Musikbusiness-Logiken. Der in Beirut lebende Filmer und Hip-Hop-Experte Jackson Allers brachte zwei kurze Filme mit, die, obwohl kaum zwei Jahre alt, schon ein wenig von gestern waren. Denn was Allers danach über die Hip-Hop-Kultur in den neuen arabischen Demokratien zu erzählen hatte, liess noch eine andere kulturelle Revolution erahnen: Ohne jede Business-Struktur sei der arabische Hip-Hop dabei zu explodieren, mit den neuen Medien und der Öffnung des Internets fände die zuvor nur im Untergrund agierende Musikszene nun plötzlich eine grosse Verbreitung. Der Hip-Hop verspricht also (einmal mehr) zu so etwas wie der wütend-hoffnungsvollen Stimme der Jungen zu werden.

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Erfreulich: Das Norient war komplett ausverkauft gestern. Für alle Enttäuschten, die sich gern "Polyphonia - Albaniens vergessene Stimmen" angesehen hätten: Heute um 16 Uhr gibt es ein Zusatzscreening.

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Bund 14.1.12

Junge Parteien kritisieren den Regierungsrat

Die Juso Bern, die Jungen Grünen Bern und die Junge Alternative verurteilen in einer Pressemitteilung von gestern den "mutlosen Entscheid" des rot-grünen Regierungsrats, "die Übergriffe prügelnder Zivilpolizisten" vom 22. September in der Reitschule nicht untersuchen zu lassen (der "Bund" berichtete). Diese Weigerung komme einer Arbeitsverweigerung gleich. Statt die Bevölkerung vor Willkür zu schützen, halte der Regierungsrat seine schützende Hand "über jene, die für den eskalierten Einsatz und die anschliessende Tatsachenverdrehung verantwortlich sind". Die Jungparteien sprechen von einem "Schandfleck auf der Weste des Regierungsrats". (pd)

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jungegruene.ch 13.1.12

Ein Schandfleck auf der Weste des Regierungsrates

gemeinsame Medienmitteilung der jungen grünen bern, JUSO Bern und Jungen Alternative JA!

Die JUSO Bern, die jungen grünen bern und die Junge Alternative JA! verurteilen den mutlosen Entscheid des rot-grünen Regierungsrates, die Übergriffe prügelnder Zivilpolizisten vom 22. September in der Reitschule nicht untersuchen zu lassen.

Trotz aller Beweise, dass die Polizei grundlos Gewalt angewendet und in ihrem Communiqué zum Vorfall vorsätzlich gelogen hat, weigert sich der Regierungsrat, eine Untersuchung durchzuführen. Sowohl der Stadtrat als auch der Gemeinderat haben aufgrund der offensichtlich gegen die Polizei sprechenden Beweise eine solche Untersuchung gefordert.

Diese Weigerung des rot-grünen Regierungsrates, seine demokratische Verantwortung wahrzunehmen, entspricht einer Arbeitsverweigerung. Statt die Bevölkerung vor polizeilicher Willkür zu schützen, hält er seine schützende Hand über jene, die für den eskalierten Einsatz und die anschliessende Tatsachenverdrehung verantwortlich sind. Dadurch stützt der Regierungsrat die Praxis der Polizei, mit unverhältnismässigen Einsätzen die Sicherheitsdebatte in und um die Reitschule immer wieder anzuheizen.

Wir erwarten von der Kantonsregierung, insbesondere der rot-grünen Mehrheit, die Wahrnehmung ihrer demokratischen Kontrollpflichten gegenüber der Polizei.

Bern, 13. Januar 2012

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BZ 13.1.12

Das Wohnzimmer der Grosseltern als Bühne

Tojo-Theater · Wie es ist, im Alter älter zu werden: Darüber lässt Sandra Forrer ihre Grosseltern in der neuen Produktion des Duos Heiniger/ Forrer sprechen. Ein intimes Theatererlebnis, das noch weiteres Potenzial hat.

Das Gute-Nacht-Sagen gehe nicht mehr so gut, sagt "Grossmami" Liselotte Wullschleger. Ja, ergänzt Hans-Ruedi, heute müssten sie sich stehend vor dem Zu-Bett-Gehen umarmen, im Bett machen die alten Knochen nicht mehr mit. Über achtzig sind die beiden, seit mehr als sechzig Jahren sind sie ein Paar. Wie es ist, alt zu sein und im Alter älter zu werden, darüber sprechen sie in der Theaterinstallation "Passing You" von Heiniger/Forrer im Tojo-Theater in Bern. Um den Zuschauerraum herum wird man durch einen dunklen Gang an eine Türe geführt. Öffnet man diese, tritt man ein in ein Zimmer: Kolorierte Drucke an der Wand, eine Zimmerpflanze, braune Sessel und ein Sofa verleihen dem geschlossenen Kubus Wohnlichkeit, die in den 50er-Jahren modern gewesen wäre (Bühne: Anna Bucher, Markus Schrag). Der Teddybär auf dem Sofa muss weichen, damit vier Theaterbesucher darauf Platz finden. Und dann fällt der Blick auf ein Abbild von Teddy und Sofa auf dem flirrenden Standbild im Fernseher. Kurz darauf nehmen Liselotte und Hans-Ruedi Wullschleger dort Platz. Zuschauerraum und Bühne, reale Welt und aufgezeichnetes Video verschmelzen, und während das alte Paar auf dem Bildschirm vom Fluss der Zeit, von Tod und Krankheit, Liebe, Freundschaft und Gemeinsamkeit spricht, wähnt man sich tatsächlich zu Gast in der Wohnung der Grosseltern von Theaterautorin Sandra Forrer.

Formal bestechender Ansatz

Doch so einnehmend der Effekt ist, so schnell verflüchtigt er sich: Man gewöhnt sich an das ungewöhnliche Setting, und bald einmal unterscheidet sich die Theaterinstallation nicht mehr gross von dokumentarischen Videostationen, die zum Standardinventar zeitgenössischer Museumsausstellungen geworden sind. Wenn jedoch das Ehepaar Wullschleger in einer Videoprojektion auf das Sofatischchen Wiener Schnitzel mit Knöpfli anrichtet, während man im Hintergrund das Fett auf dem Herd brutzeln hört (Video und Technik: Efa Mühlethaler), materialisiert sich das verschobene Zeitgefühl. Gerade auch im veränderten Erleben von Raum, über das das alte Paar wiederholt spricht, liegt in solchen Zugängen noch viel Potenzial, das Dokumentarische als vielschichtiges Theatererlebnis zu verdichten (Konzept und Umsetzung: Sandra Forrer, Dramaturgie: Sibylle Heiniger). Denn in ihrem formalen Ansatz ist die Theaterinstallation bestechend. Anne-Sophie Scholl "Passing You": von Heiniger/Forrer, Fr und Sa, je 19, 20 und 21 Uhr, So 15. Jan. 17, 18, 19 Uhr, jeweils für 10 bis 15 Personen, Tojo-Theater, Reitschule, Bern, www.tojo.ch.

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NZZ 13.1.12

Her mit dem Leben!

Ein Ausblick auf das 3. Norient-Musikfilmfestival in Bern

Bjoern Schaeffner

Von Ghana bis Rumänien: Das Berner Musikfilmfestival Norient zeigt Dokumentationen und Musicals, in denen getanzt, gelacht und auch gezankt wird. Die diesjährige Ausgabe des Festivals steht unter dem Motto "Parodie, Tanz und Sex: Andere Formen des Protests".

Bjørn Schaeffner

Der rumänische Dokumentarfilmer Matei-Alexandru Mocanu verhandelt in seinem Film "The Shukar Collective Project" ein Thema, das auch anderswo auf diesem Planeten Aktualität haben könnte: Ethnischem musikalischem Stammesgut wird ein Dancefloor-Gewand geschneidert. Zu sehen sind Roma-Künstler, die singen und trommeln, während DJ dazu Beats ertönen lassen. Laptop-Bässe brummen, Besteck klirrt im Takt. Aber eine wirkliche Fusion dieser Sound-Welten will sich nie einstellen. Zu eigensinnig improvisieren die Roma, zu rigide scheint das Konzept der DJ. Am Schluss der ersten Tournee stehen die Zeichen auf Ärger: Gestritten wird um Einfluss und Namen. Und um Geld, wo doch kaum je die Kassen geklingelt haben. Steht zu hoffen, dass zumindest die Filmcrew an ihrer Dokumentation etwas verdient hat. Der amerikanische Pay-TV-Sender HBO jedenfalls hat den Film in sein Programm aufgenommen. - Zu sehen ist "The Shukar Collective Project" jetzt aber auch am 3. Norient-Musikfilmfestival in Bern (bis 15. Januar im Kino der Reitschule Bern, in der Turnhalle des Progr Bern und im Klub Bonsoir).

Soulfulness im Fleischwolf

Ums Geld dreht sich - nicht nur dem Namen nach - auch "Coz Ov Moni", ein ghanesisches Hip-Hop-Musical mit Vorwärtsdrang. Die Rapper Wanlov the Kubolor und M3nsa kurven durch Accra: vom Bett in die Beiz, vom Cyber-Café an den Strand und von der Strasse in den Klub. In schwindligem Tempo reimt sich das Duo durchs tropische Treiben, stellt Frauen nach und frönt dem leichten Leben. Ein Street-Hustle mit Konsequenzen: "Aber wehe, wehe, wehe! / Wenn ich auf das Ende sehe", würde dazu die Witwe Bolte sagen . . . Wobei man sich zum Schluss an dieser halbstündigen Pidgin-Parodie längst nicht sattgesehen hat. Man wünschte sich, der Schabernack würde andauern. Und tatsächlich kann man sich den Wunsch an der Schweizer Premiere in Bern erfüllen: Denn Wanlov the Kubolor spielt hier (Sonntag, 15. Januar) auch live mit seiner Band Fokn Bois, seinem Buddy M3nsa und DJ Laudi (für den erkrankten DJ Edu).

"Schwarze" Klischees durch den Fleischwolf drehen - das ist auch das Programm von Xander "Gazelle" Ferreira. Allein, der Mann ist ein Weisser. Verkleidet als afrikanischer Diktator brachte Gazelle an der Art Basel Geld unter die Besucher. In Bern schlüpft der Kapstädter in die Rolle des Disco-Fachmanns. Hinter dem Mischpult des Klubs Bonsoir wird er seinen poetischen Realismus versprühen. Skurril. Abseitig. schaffen.

Am Norient-Musikfilmfestival gibt es sie noch - die musikalischen Entdeckungen. In Zeiten, in denen konfektionierter Trance-Pop auf allen Berieselungsflächen Konsens diktiert, darf sich glücklich schätzen, wer wie hier auf Frisches stösst. Das Festival von Norient forscht vor allem nach Musik an den Rändern - und hat so eine Nische gefunden im deutschsprachigen Raum. Mit einem Programm, das schwergewichtig Musikdokumentationen zeigt. Bald melancholisch, bald verspielt. Und immer engagiert. Die Musik, sie leuchtet hier kunterbunt von den Leinwänden. Gewidmet ist die diesjährige Ausgabe dem Schwerpunkt "Parodie, Tanz und Sex: Andere Formen des Protests". Das Musikfilmfestival bringt dabei Dokumentarfilme zu Dancehall in Jamaica ("Hit Me with Music") oder Hip-Hop in Nordafrika ("I Love Hip-Hop in Morocco"). Gezeigt wird überdies die Tristesse der Bauchtanz-Industrie Kairos ("At Night, They Dance"); im nordirischen Derry wiederum schwelgen Protestanten und Katholiken gemeinsam in Ballroom-Nostalgie ("Paradiso").

Nachhaltiges Perlentauchen

Als Perlentaucher in Sachen unerhörter Musik betätigt sich seit Jahr und Tag der Berner Journalist und Musikethnologe Thomas Burkhalter. Gediehen ist das Projekt Norient im Zuge seiner wissenschaftlichen und journalistischen Beschäftigung mit sogenannter Weltmusik. Auf der gleichnamigen Wissensplattform "norient. network for local and global sounds and media culture" (http://norient.com) tauschen sich Musikbegeisterte, Journalisten und Akademiker über Sounds aus, die zumeist vor den Toren der Musikindustrie ertönen. Das Festival nun veranstaltet Burkhalter zusammen mit dem Filmemacher Michael Spahr. Als Indiz für die Nachhaltigkeit des Unterfangens darf man den Umstand werten, dass in der letzten Ausgabe des renommierten Londoner Musikmagazins "The Wire" eine Vorschau über das Berner Festival erschienen ist. - Was wird von der diesjährigen Ausgabe des Musikfilmfestivals bleiben? Vielleicht die unfassbar grünen Hügelkuppen, die im Beitrag "Polyphonia" von Stimmen gleichsam gesalbt werden. Immer wieder stimmen da die alten albanischen Männer und Frauen ihre Lieder an oder lassen einen Lockruf in den Dunst schallen. Lauscht man diesen polyfonen Klängen und blickt aufs satte Grün, fühlt man sich anders. Besser. Diese Stimmen, sie schieben alles weg.

Informationen: musikfilmfestival.norient.com. - Die Fokn Bois gastieren auch in Zürich, am Freitag, 13. Januar, im Stall 6.

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20 Minuten 13.1.12

Afrikanische Clubkultur am Norient

BERN. Dieses Wochenende verwandelt das Musikfilmfestival Norient zwei Berner Clubs in ein Zentrum für afrikanische Clubkultur. Am Start sind gleich drei hippe Acts.

Wie schwierig ist es, in Nordafrika ein Hip-Hop-Festival zu organisieren? Mit der filmischen Antwort auf diese Frage startete am Donnerstag die dritte Ausgabe des Norient-Musikfilmfestivals. Bis am Sonntagabend geht es jetzt noch weiter. Nebst Dokumentarfilmen rund um das Thema nichteuropäische Musik setzen die Organisatoren Thomas Burkhalter und Michael Spahr dabei auch musikalische Acts in Szene: Zwei Club-Nächte im Bonsoir und ein Konzert in der Turnhalle stehen auf dem Programm. Auffallend dieses Jahr: Fast alle Live-Gäste stammen aus Schwarzafrika. "Aus dieser Gegend stammt sehr angesehene und auf einem hohen Niveau produzierte Clubmusik", begründet Burkhalter.

Beispiele dafür sind etwa die südafrikanische Band Gazelle - von "Arte Tracks" und Radio Virus gehypt - oder DJ Edu, der für BBC Radio 1Xtra jeweils die wildesten Newcomer aus dem afrikanischen Underground vorstellt, und nicht zu vergessen Burkhalters Lieblinge: die Fokn Bois. Das ghanaische Rap-Duo wird am Sonntag gleich zweimal am Norient vertreten sein: einmal als Hauptdarsteller im Hip-Hop-Musical "Coz Ov Moni" ("Wegen des Geldes) und dann als Performer auf der Turnhalle-Bühne. PEDRO CODES

Fr-So, 13.-15.1., Norient Musikfilm-Festival, Bonsoir und Turnhalle.

www.musikfilmfestival.norient.com

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Bund 13.1.12

Reitschul-Debatte mit Becherwurf im Stadtrat

Zum Thema Reitschule waren gestern im Stadtrat diverse Vorstösse traktandiert. Die Zeit reichte aber nur gerade für die Beantwortung einer kleinen Anfrage und den Beginn einer - eher skurrilen - Abfalldebatte. Die SVP fragte, auf welcher Rechtsgrundlage die Stadt die Miete der Reitschule bezahle, obwohl deren Betreiber den Leistungsvertrag mit der Stadt abgelehnt haben. Stadtpräsident Alexander Tschäppät (SP) antwortete knapp: Als der Stadtrat den Leistungsvertrag mit der Reitschule nur für ein statt für vier Jahre bewilligt hatte, hatte das Parlament auch einen entsprechenden Kredit für ein Jahr genehmigt.

Anschliessend begann der Rat die Debatte über einen SVP-Vorstoss, der die Verwendung von Mehrwegbechern auf dem Vorplatz der Reitschule vorschreiben wollte - um Flaschenwürfe zu vermeiden. Allerdings verwendet die Reitschule bereits Mehrweggeschirr. Dass aber auch Mehrwegbecher als Wurfgeschosse dienen können, demonstrierte SP-Stadtrat Beat Zobrist, indem er einen Mehrwegbecher in die bürgerlichen Reihen warf - wo er geschickt aufgefangen wurde. (st)

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BZ 13.1.12

Tschäppäts Begründung

Reitschule · Der Stadtrat hat den Leistungsvertrag mit der Reitschule im November vorerst auf ein Jahr beschränkt. Die Reitschule-Betreiber lehnten den Vertrag danach ab (wir berichteten). Dennoch wies der Gemeinderat die Abteilung Kulturelles an, die rund 80 000 Franken für die Gebäudemiete an die Stadtbauten zu überweisen. Der Stadtratsentscheid sei die Rechtsgrundlage für diesen Entscheid gewesen, begründete Stadtpräsident Alexander Tschäppät (SP) gestern im Stadtrat die Überweisung. So könnten die Stadtbauten weiterhin den Wertunterhalt der Liegenschaft sichern.

Nicht ausbezahlt wurden vorerst hingegen die 60 000 Franken für Nebenkosten. Dies sei eine Reaktion auf die ablehnende Haltung der Reitschule, erklärte Tschäppät. wrs

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BZ 12.1.12

Kantonspolizei

"Augenauf" will Kontrollstelle

Die Menschenrechtsorganisation Augenauf Bern unterstreicht ihre Forderung nach einer unabhängigen Aufsichtsstelle über die Polizei. Augenauf hat sich an die Oberaufsichtskommission des Grossen Rates gewandt. Der jüngste Entscheid der Kantonsregierung, den umstrittenen Polizeieinsatz bei der Reitschule nicht zu untersuchen, zeige, dass eine unabhängige Aufsichts- und Beschwerdestelle unerlässlich sei, so die Organisation.pd

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kulturstattbern.derbund.ch 12.1.12

Zu Gast bei Wullschlegers

Von Roland Fischer am Donnerstag, den 12. Januar 2012, um 10:42 Uhr

Für einmal bietet das Tojo-Theater nur einer Handvoll Besuchern Platz. In trauter Runde setzt man sich in eine Stube, die wohl für jede und jeden Anklänge an sattsam bekannte Interieurs bietet - die Stimmung schwankt einen Moment zwischen Beklemmung und Gemütlichkeit. Dann geht der Fernseher an, und Liselotte und Hansruedi Wullschleger, die Grosseltern der Regisseurin Sandra Forrer, beginnen ganz unbefangen zu erzählen.

http://newsnetz-blog.ch/kulturstattbern/files/2012/01/110120121528.jpg

Es ist aber nicht einfach eine gemütliche Plauderstunde, zu der uns Sandra Forrer und Sibylle Heiniger in "passing you" einladen. Die Enkelin hat allerlei ernste Fragen, es geht ums Älterwerden, um die Sorgen, aber auch die Freuden des Lebens jenseits der 80. Und natürlich ist der Gevatter auch immer mit von der Partie, fast meint man, die beiden müssten ihm Platz machen auf dem Sofa, so wie sie dasitzen. Aber soll er sich halt auch hinsetzen, es ist schon recht.

Und man sieht sich auch nicht einfach einen Dokfilm an, auch wenn das ganze Material des Abends auf Filmaufnahmen beruht. Auf verspielte Weise wird die ganze Stube in die Installation einbezogen, so dass das Spiel mit Nähe und Distanz nicht nur zeitlich (ist das Leben, von dem die Wullschlägers erzählen, uns sehr fremd oder doch sehr vertraut?), sondern auch räumlich funktioniert: Mal sind die beiden Protagonisten weit entfernte Fernsehfiguren, dann wieder sitzen sie mitten unter den Besuchern und plaudern entspannt wie Gastgeber, während das Essen aufgetischt wird.

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kulturagenda.be 12.1.12

Theaterinstallation "passing you" im Tojo

Für ihre Theaterinstallation "passing you" hat Sandra Forrer einen Besuch bei ihren Grosseltern inszeniert und gefilmt. Liselotte und Hansruedi Wullschleger erzählen ihrer Enkelin dabei von ihren Erfahrungen mit dem Älterwerden, vom Abschied vom Berufsleben, von körperlichen Veränderungen aber auch vom Tod.
Theater Tojo in der Reitschule, Bern.
Mi., 11., bis Sa., 14.1, jeweils 19, 20 und 21 Uhr, So., 15.1., 17, 18 und 19 Uhr

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BZ 12.1.12

Theater

Wilde Vermutungen

Bei Shakespeare sind sie klare Nebenfiguren: Hamlets Jugendfreunde Rosenkranz und Güldenstern. Die Frage, was die beiden während ihrer Bühnenabwesenheit eigentlich tun, bevor sie ihrer etwas schwach motivierten Hinrichtung entgegenstreben, zeigt die Gruppe "Die unteren 10 000" in der Produktion "Rosenkranz und Güldenstern sind tot".pd

Vorstellungen: 18. 1. bis 20. 1., je20.30 Uhr, Tojo-Theater, Bern.

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kulturagenda.be 12.1.12

Augen und Ohren auf

Zum dritten Mal findet das Musikfilmfestival von Norient statt. Zu entdecken gibt es filmische Perlen und musikalische Genüsse aus aller Welt - jenseits der Weltmusik-Klischees.

"Parodie, Tanz und Sex: andere Formen des Protests" lautet der Übertitel des Musikfilmfestivals. Er lässt eine grosse inhaltliche Bandbreite zu. Und so steht nebst acht Dokumentarfilmen (über Themen wie "Hip-Hop und die arabische Revolution" oder die Albanische Musiktradition, siehe Kasten) auch ein Musicalfilm aus Ghana steht auf dem Programm, "Coz Ov Moni". Mit dem anschliessenden Live-Konzert der Fokn Bois, der Protagonisten des Musikfilms, sowie einer Reihe von Diskussionen mit Filmemachern und Clubnächten mit afrikanischen DJs im Bonsoir ist das Spielfeld des Festivals abgesteckt.

"Uns interessieren Musikströmungen, die jenseits der westlichen Vorstellungen von ‹Worldmusic› liegen und keine Klischees bedienen, wohl aber mit solchen spielen", erklärt Thomas Burkhalter, Mitbegründer und Co-Leiter des Festivals. Das Musikfilmfestival ist nur eine Ausprägung von Norient, das sich als weltweites Netzwerk für lokale und globale Musik und Medienkultur versteht. Weshalb also ein Filmfestival zum Thema? "Erstaunlich viele Dokumentarfilmer interessieren sich für das musikalische Erbe sowie für das zeitgenössische Musikschaffen aus Afrika, dem Nahen Osten und andern Teilen der Welt", erläutert Musikethnologe Burkhalter den Hauptgrund. Das Medium eignet sich durch seine Verbindung von Bild und Ton bestens, um musikalische Themen zu vermitteln und sie in gesellschaftliche Zusammenhänge einzubetten. Ein weiterer Grund für den Fokus auf den Film ist, dass Burkhalter und Co-Veranstalter Michael Spahr die Filmproduktion selbst kennen. Zusammen haben die beiden 2002 einen Dokumentarfilm über indische und pakistanische Musiker in London realisiert.

Drei Standbeine

2002 wurde die interdisziplinäre Internetplattform norient.com von den beiden ins Leben gerufen, mit dem Ziel, trotz der Globalisierung Musik aus aller Welt in ihrer Eigenständigkeit zu fördern und zirkulieren zu lassen. Die Seite ist zu einer wichtigen Informationsquelle und zu einem rege genutzten Forum geworden. Unter dem Namen Norient führen Burkhalter und Spahr zudem ihre eigenen Medienperformances durch. Für ihr Projekt sind sie 2009 mit dem Kulturvermittlungspreis von Stadt und Kanton Bern ausgezeichnet worden.

Christine A. Bloch
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Verschiedene Orte, Bern
Do., 12., bis So., 15.1.
www.norient.com

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Programm

Zum Auftakt des Festivals gibt es am Donnerstag eine Einführung ins Thema "Hip-Hop und die arabische Revolution ", gefolgt vom Film "I love Hip Hop in Morocco". Danach gewährt "At Night, They Dance" erschreckende Einblicke in die Bauchtanz-Industrie der ägyptischen Hauptstadt.
Kino in der Reitschule, Bern
Do., 12.1,. 22 Uhr

Am Freitagabend warten die zwei Langfilme "Polyphonia" und "Shukar Collective Project", welche einerseits das musikalische Erbe Albaniens und andererseits die Verbindung von alter und neuer Musik in Rumänien zeigen. Daneben gibt es zwei Kurzdokumentarfilme zum libanesischen Hip- Hop, "Live From the BBC" und "Visit Me Once a Year", zu sehen.
Kino in der Reitschule, Bern
Fr., 13.1., 20 Uhr

Vielsehern sei empfohlen, sich zu afrikanischen Elektrorhythmen Arme und Beine auszuschütteln. Im Bonsoir tritt der südafrikanische Performancekünstler Gazelle auf.
Club Bonsoir, Bern. Fr., 13.1., 23 Uhr

Protestanten und Katholiken sollen im nordirischen Derry wieder zusammen tanzen. Ob das gelingt, zeigt Alessandro Negrini in seiner Dokumentation "Paradiso". Miquel Galofrés erzählt in "Hit Me With Music" von der lebendigen jamaikanischen Dancehall-Szene.
Kino in der Reitschule, Bern
Sa., 14.1., 20 Uhr

Die zweite Clubnacht am Norient bestreitet der in London lebende Kenianer DJ Edu, der auf BBC Radio mit seinem wöchentlichen Programm "Destination Africa" zu hören ist.
Club Bonsoir, Bern. Sa., 14.1., 23 Uhr

Mit dem Hip-Hop-Musical "Coz Ov Moni" und dem anschliessenden Konzert der Fokn Bois aus Ghana dreht das Norient zum Schuss die Lautstärke nochmals kräftig auf.
Turnhalle im Progr, Bern
So., 15.1. 20.30 Uhr

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Bund 12.1.12

Musikfilmfestival Norient

Provokationen in Pidgin

Die Fokn Bois sind das erste alternative Hip-Hop-Duo Ghanas. Sie kommen im Ausland besser an, als zu Hause. Mit ihrem Musikfilm wollen sie das wahre Leben zeigen.

Samuel Burri, Accra

Der Festivalabend in Accra neigt sich dem Ende entgegen. Eine schicke Soul-Sängerin ruft "Merry Christmas" ins Publikum. Da entert ein barfüssiger Rasta im Rock die Bühne. In seinem Freestyle-Rap schimpft er auf geldgierige Kirchen und rappt für homosexuelle Beziehungen. Heisse Eisen im konservativen Ghana! Dann wünscht auch er frohe Weihnachten und hebt seinen Rock - die Unterhose im Stil einer Santa-Mütze verursacht einen kollektiven Aufschrei im Publikum.

Das ist Wanlov the Kubolor - ghanaisch-rumänischer Rapper und Agent provocateur. Gemeinsam mit dem Rapper und Produzenten Mensa bildet er das Duo Fokn Bois. Die beiden rappen im Pidgin-Slang, einer Englisch-Variante mit viel Lokalkolorit.

Witze über alles

Provokation gehört zum Erfolgsrezept der Fokn Bois. Sie machen sich lustig über Nigerianer, Jesus, Muslime, Behinderte - und immer auch über sich selbst. Etwa im Song "Come home + Me", wo sie sich um eine Frau streiten: Mensa bezeichnet Wanlov als schlechte Bob-Marley-Kopie, worauf dieser auf Mensas graue Haare und seinen angeblichen Viagra-Gebrauch zu sprechen kommt. Der Song ist Teil des Musikfilmes "Coz ov Moni" (Wegen des Geldes). "Der Film zeigt einen Tag im Leben von zwei Typen in Accra", erzählt Wanlov. "Geplant war das zunächst als Musik-Album. Doch dann haben wir gemerkt: Wow, das könnte auch ein Film sein!"

Die Szenen wurden dann in Ghanas Hauptstadt Accra gedreht. Sie handeln dort, wo sich das normale Leben abspielt: draussen. Am Strassenrand essen die Fokn Bois das Nationalgericht Fufu und loben die Köchin nicht nur für ihre Kochkünste. Sie rennen zwischen Lehm- und Wellblechhäusern herum, um an Geld und schöne Kleider zu kommen. Der halbstündige Streifen eine Art Film gewordenes Musical, in der Handlung simpel, doch stets unterhaltsam, auch wenn man nicht alle Scherze versteht."Coz ov Moni" zeigt ein reales Abbild Ghanas. Es geht nicht um schicke Clubs oder dicke Schlitten, wie das Videos anderer Ghana-Rapper zeigen. Damit heben sich die Fokn Bois von der populären Musikszene des Landes ab, welche stets aufs Geld schielt. Das sei Mikrowellenmusik, auf die Schnelle produziert, so Wanlov. Mensa und er würden den Trends nicht folgen. "Wir machen uns bloss lustig darüber, während wir heimlich neidisch sind, wenn andere damit Geld machen."

Erfolg im Ausland

Immerhin, im Ausland sind die Fokn Bois und Wanlov als Solo-Künstler erfolgreicher als ihre lokalen Beat-Genossen. Das liegt daran, dass sie nicht US-Künstler kopieren, sondern ihren eigenen Stil suchen und finden. Und beide haben auch die Aussenperspektive auf Ghana. Mensa lebt in London, Wanlov war einige Jahre in den USA und ist inzwischen nach Accra zurückgekehrt. "Man muss aus dem Aquarium raus, um den Ort zu sehen, in welchem die Fische schwimmen", sagt Wanlov. Die Fokn Bois sind alte Schulfreunde. Wanlov hat Mensa jeweils mit faulen Ausreden aus dem Klassenzimmer geholt. "Dann gingen wir irgendwohin, trommelten einen Beat und rappten dazu." Zur Zusammenarbeit kam es jedoch erst Jahre später. Das Konzept des Pidgin-Musicals entstand in den USA, wo Wanlov zeitweilig gelebt hat. "Wenn wir zusammen sind, kommen die Ideen stets von selbst." Die Distanz sei wohltuend, so Wanlov. Beide verfolgen auch noch ihre Solo-Karrieren.

Bei den Fokn Bois ist Mensa eher der musikalische Kopf, Paradiesvogel Wanlov das Aushängeschild. "Und ich bin für die Frauen zuständig", lacht er, hat er doch mittlerweile vier Kinder mit vier verschiedenen Frauen aus aller Welt.

Nun kommen die zwei zum ersten Mal in die Schweiz. Auch wegen des Geldes. Schon lange war nämlich eine Fortsetzung des Filmes geplant. Doch die Promotion wurde vernachlässigt. "Wir wollen jetzt mit Teil 1 so viel Geld verdienen, damit wir Teil 2 bereits finanziert haben." Dass den Fokn Bois die Ideen ausgehen, ist nicht zu befürchten.

Turnhalle Film und Konzert: Sonntag, 15. Januar, 20.30 Uhr.

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Witzige Hip-Hop-Ganoven, traurige Bauchtänzerinnen

Das 3. Norient-Musikfilm-Festival blickt hinter die Kulissen des schönen Weltmusik-Scheins

Ein "Pidgin-Hip-Hop-Comedy-Musical" sei "Coz Ov Moni", schreiben die Macher. Doch der Film der Fokn Bois aus Ghana ist vielmehr ein ausufernder Videoclip, der sich in seinen besten Momenten anfühlt wie ein intensiver Fiebertraum. Die Fokn Bois (siehe Haupttext) rappen in ihrem harten Patois über aparten Retro-Samples, laufen durch schmutzige Strassen, schäkern und betrügen, bis sie selber die Betrogenen sind (So, 20.30, Turnhalle Progr).

Die lockere Selbstironie der Fokn Bois passt gut zum Motto "Parodie, Tanz und Sex: Andere Formen des Protests" des dritten Norient-Musikfilm-Festivals. Die Filme aus aller Welt führen vor, wie Kulturen und Mentalitäten aufeinanderprallen: etwa in "The Shukar Collective Project" (Fr, 22 Uhr Reitschule-Kino), in dem eine Band aus rumänischen DJs und mit Löffeln trommelnden Roma allmählich implodiert. Oder im Dokfilm "Polyphonia", der eine albanische Bergregion zeigt, wo jahrhundertealte Gesänge die Jugendlichen nicht mehr begeistern können (Fr, 20 Uhr, Reitschule-Kino). "Zombies" seien die Jungen, die zu Dancehall tanzen, meint eine amerikanische Touristin in "Hit Me With Music". Der Dokfilm rollt die Widersprüche des jamaikanischen Dancehalls zwischen übersexualisierter Gewaltverherrlichung und verbindender Musik- und Tanzkultur der Armen auf (Sa, 21.30 Uhr, Reitschule-Kino). Einen besonders eindrücklichen Einblick in eine klischeebeladene Kultursparte bietet "At Night They Dance", ein kanadischer Dokfilm über die Bauchtanzszene Kairos. Nichts ist da mit orientalischer Sinnlichkeit, hier herrscht blosse Tristesse, wenn junge Mädchen wie eine Ware von Hochzeitsfest zu Hochzeitsfest gekarrt werden, wo sie - als einzige Frauen - mit abgelöschten Gesichtern ihre Hüften kreisen lassen. So eingeschnürt ihre Rundungen in glitzrigen Ramsch-Kleidchen sind, so korsettiert sind auch die Möglichkeiten im Leben dieser jungen Frauen (siehe "Bund" von gestern). (reg)

Kino in der Reitschule, Turnhalle Progr, Club Bonsoir: 12. bis 15. Januar, www.norient.com

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Fünf Fragen an Thomas Burkhalter

Es wird beklagt, dass die jüngsten Revolutionen der Welt ohne Musik ausgekommen sind. Mit dem Motto Ihrer Musikfilmfestivals "Parodie, Tanz und Sex: Andere Formen des Protests" legen Sie nahe, dass die Musik als Mittel zum Protest doch noch nicht ausgedient hat.

Das trifft besonders auf die Kulturen ausserhalb Europas und Amerikas zu. In der arabischen Welt haben die Musikerinnen und Musiker sehr wohl eine wichtige Rolle gespielt. Hip-Hopper haben, sei es mit Mixtapes oder eigenen Produktionen, einen Soundtrack zur Revolution geliefert. Zudem gab es eine sub-kulturelle Szene, deren Protest unterschwelliger war. Künstler in der arabischen Welt sangen nicht direkt, wie schlecht ihre Diktatoren sind, sondern machten Parodien auf sie und schlüpften so durch die Netze der Zensur. In unserem Filmfestival fokussieren wir vornehmlich auf diese Art des Protests. Auf Künstler wie die Fokn Bois aus Ghana, die in ihrem jüngsten Track uns Europäern sämtliche Klischees und Rollen, die wir den Afrikanern gerne zuteilen, in einer bitterbös-selbstironischen Karikatur um die Ohren hauen.

Hat Ihr Festival eine Botschaft, ein Anliegen?

Es geht darum, spannende Musik zu finden und überraschende Phänomene zu ergründen. Es geht uns auch darum, aufzuzeigen, dass sich diese Welt nicht in allen Bereichen zum Schlechten wendet. Ich denke, dass die Musikkultur zwar nicht vielfältiger ist, dass diese Vielfalt jedoch besser zugänglich ist als je zuvor.

Gibt es auch einen moralischen Anspruch?

Wir nähern uns den Themen ohne vorschnelle Wertung. Wir verstehen uns aber nicht als Kulturrelativisten. Wir lassen jeweils Experten kritische Texte zu den Filmen verfassen oder laden die Regisseure ein, über ihre Filme zu diskutieren.

Aus wie vielen Filmen haben Sie letztlich ausgewählt? Ist die Musikfilmindustrie produktiv?

Es werden jedes Jahr mehr. Der DVD-Stapel reichte heuer etwa bis zur Hüfte. Doch von einer Industrie kann man nicht sprechen. Der Anteil der Filme, die über europäische oder amerikanische Produzenten herausgebracht werden, macht nur etwa die Hälfte aus. Es gibt viele unabhängige Filme, die wir über unsere Netzwerke oder über gute Beziehungen entdeckt haben. Viele davon sind Low-Budget-Produktionen von irgendwelchen Nerds, die sich in ein Thema verbissen haben, andere kommen eher aus dem Kunstbereich. Es ist ein weites Feld.

Was kann ein guter Musikfilm leisten? Kann er die Welt erklären?

Schon die Musik an sich kann dies leisten. Allein wie sie produziert wird, welche Vertriebsformen benutzt werden, sagt viel über die Realitäten aus, in denen sich Künstler bewegen. Filmisch gibt es kein generelles Rezept. Im Idealfall kommt ein Film nahe an ein Phänomen und seine Protagonisten heran und entlockt diesen mehr als die naheliegendsten Antworten.

Sie betreiben die Internetplattform Norient, eine Art Orientierungshilfe für Musiktrends aus aller Welt. Was ist das Spannendste, das Sie in letzter Zeit aufgespürt haben?

Ich finde die ganzen Bounce-Sachen aus New Orleans sehr spannend, ausserdem interessiert mich, wie das Global-Ghetto-Dance-Phänomen sich weiterentwickelt. Derzeit arbeite ich mit dem Label Sub Rosa an einer Zusammenstellung über experimentelle Musik aus der arabischen Welt. (ane)

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Thomas Burkhalter

Der Musikethnologe, Musikjournalist und Kulturschaffende lebt in Bern. Seit 2011 leitet er das Forschungsprojekt "Globale Nischen - Musik in einer transnationalen Welt" an der Zürcher Hochschule der Künste. Er ist Gründer und Chefredakteur des Vermittlungs-Netzwerks Norient - Network for Local and Global Sounds and Media Culture. 2009 hat Burkhalter seine Doktorarbeit zu alternativer und experimenteller Musik in Beirut abgeschlossen. Zusammen mit dem Filmemacher Michael Spahr hat er vor drei Jahren das Norient Filmfestival ins Leben gerufen (siehe Box oben).

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WoZ 12.1.12

Festival

Norient

Norient, das Berner Netzwerk für lokale und globale Sounds und Medienkultur, präsentiert an seinem dritten Musikfilmfestival Dokumentarfilme unter dem Titel "Parodie, Tanz und Sex: Andere Formen des Protests".

Alles ist "Coz Ov Moni" - wegen des Geldes, so die Übersetzung des Titels für das erste Pidgin-Musical in der Geschichte des afrikanischen Films. Emmanuel Owusu-Bonsu und Mensa Ansah, die unter ihren Künstlernamen Wanlove The Kubulor und M3nsa besser bekannt sind und gemeinsam als Fokn Bois (ungezogene Jungs) auftreten, fegen mit der Handkamera durch die Seitenstrassen von Accra. In der Hauptstadt Ghanas besuchen sie Garküchen, Hinterhöfe und Internetcafés, filmen das Strand- und Clubleben. Sie schaffen so ein lebensechtes und hintergründiges Porträt des subkulturellen Accra. Die beiden rappen in einem Affenzahn in Pidgin - einer Mischsprache, die vor allem von den "kleinen Leuten" verwendet wird - zu den Bildern, dampfen so einen gewöhnlichen Tag zu einem dreissigminütigen Film ein. "Coz Ov Moni" wird zum Abschluss des diesjährigen Fes­tivals am Sonntag gezeigt. Wanlove The Kubulor und M3nsa geben dazu auch noch live eine Kostprobe ihres Könnens.

Bei den im Rahmen des Norient-Festivals gezeigten Filmen handelt es sich um Schweizer Premieren. Darunter findet sich auch "At Night They Dance", eine Produktion von Isabelle Lavigne und Stéphane Thibault, die triste Hintergründe aus der Bauchtanzszene von Kairo zeigt. "Polyphonia - Albaniens vergessene Stimmen" setzt sich mit den mehrstimmigen Gesängen in den Bergen auseinander. Sie wurden zwar ins Inventar des Unesco-Weltkulturerbes aufgenommen, die lokale Jugend ignoriert sie aber weitgehend   - nichts wie weg, ist ihre Devise, oder mindestens in die Disco. ibo

Norient Musikfilm Festival in: Bern Progr, Kino der Reitschule, Club Bonsoir, Do, 12., bis So, 15. Januar. Detailliertes Programm: www.norient.com

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Bund 12.1.12

Gazelle & DJ Edu

Bern wird zum Ghetto

Es ist zu einer netten Tradition geworden, dass das Norient-Musikfilmfestival auch in den Club Bonsoir ausstrahlt. Zu Gast ist am Freitag der südafrikanische Produzent Gazelle (Bild), der hübschen Afro-Pop mit süffiger Discomsuik verschmelzt. Am Tag darauf wirbelt der Berner Goldkanten-Global-Ghetto-Spezialist Wildlife neben dem BBC-Afrika-Experten DJ Edu. (ane)

Club Bonsoir Freitag und Samstag, 13. und 14. Januar, 23 Uhr.

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La Liberté 12.1.12

Au-delà de l'occident

Berne Dès aujourd'hui et jusqu'à dimanche se tiendra dans la capitale helvétique la troisième édition du Norient Film Festival. Réparti sur quatre jours, cet événement est dédié aux documentaires musicaux et s'attache à dévoiler au public suisse les contours de la musique non occidentale. Films et concerts vont ainsi se succéder, que cela soit sur le hip-hop d'Afrique du Nord (le film "I love hip hop in Morocco", de Jennifer Needleman et Joshua Asen) ou sur la danse du ventre en Egypte ("At Night they dance", d'Isabelle Lavigne et Stéphane Thibault). Une magnifique manière de s'ouvrir au monde. NM

> Jusqu'à dimanche, Berne

Cinéma Reitschule, salle PROGR et Club Bonsoir. www.norient.com

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Bund 11.1.12

Mutter Reda und ihre Töchter

Ein Dokumentarfilm über den Bauchtanz - und vom Zauber aus Tausendundeiner Nacht ist nichts zu spüren. Stattdessen gibt es ernüchternde Einblicke in den Alltag dreier Tänzerinnen und deren Mutter.

Hanna Jordi

Hind ist die jüngste Tänzerin der Familie. Sie hat ein Engagement, gegen Mitternacht hat sie ihren schwarzen Pagenschnitt unter einer langhaarigen Perücke versteckt und ihr grell geschminktes Gesicht hebt sich eigenartig von den mädchenhaften Strassenklamotten ab. Dann läuft sie in einer Kairoer Festhalle ein, wo die Vermählung des Bräutigams unter Männern gefeiert wird.

Dieses fünfzehnjährige, stark geschminkte Mädchen also bahnt sich nun seinen Weg durch die Festgemeinschaft, die allein aus Männern besteht, gaffenden Männern mit gierigen Augen. "Wo kann ich mich umziehen?", wendet sie sich an einen Veranstalter. Der Ortskundige weist ihr den Weg in einen dunklen Hauseingang, und in dem Moment ist man als Zuschauer des Dokumentarfilms der kanadischen Filmemacher Isabelle Lavigne und Stéphane Thibault froh, dass dem Mädchen ein Kamerateam auf den Fersen ist, es könnte ihm ja sonstwas zustossen.

Blauäugige Furie

"At Night, They Dance" erzählt die Geschichte einer Dynastie von Bauchtänzerinnen in Kairo. Hauptquartier ist die ärmliche Wohnung der 42-jährigen Reda, die ihre drei tanzenden Töchter Bussy, Amira und Hind an Hochzeitsfeste vermietet. Auch sie war einmal Tänzerin. Seither brachte sie sieben Kinder auf die Welt, verlor einen Mann an eine andere und einen, weil er starb. Nun ist sie schwanger mit dem achten Kind, raucht Kette und tätigt Geschäfte.

Redas hellblaue Augen sind die meiste Zeit weit aufgerissen - denn wenn sie nicht gerade mit ihrer Mutter oder ihren Töchtern streitet oder ein nacktes Büblein vom einen auf den anderen Arm bettet, feilscht sie um Preise mit Kunden oder hält sie wortreich davon ab, Rache zu nehmen an einer Tochter, die von einem Engagement fernblieb, weil sie von den Drogen zu verladen war. Auf diese Weise gemanagt, tingeln die Töchter von Kairo bis Alexandria von einer Hochzeit zur nächsten, tanzen in knappen, nicht immer einwandfrei sitzenden Kostümen den Bauchtanz, mal absolut eindrücklich, mal nachlässig.

Die Kamera scheint unsichtbar

Vom orientalischen Tanz als jahrhundertealtes Kulturgut ist in diesem Film wenig zu spüren, was hier gezeigt wird, ist die Industrie dahinter. Den Zauber aus Tausendundeiner Nacht sucht der unbedarfte Zuschauer vergebens, die Tänzerinnen werden auf der Strasse als Huren beschimpft, von der Polizei harassiert und als Ehefrauen verschmäht.

Ob und wie sich das Image des Bauchtanzes in Ägypten verändert hat, wann und wie es geschehen konnte, dass sich die professionellen Tänzerinnen vom Scheinwerfer- ins Zwielicht bewegten, diese Fragen lässt der Film unbeantwortet. Das ist schade, liegt doch ein Mehrwert des Dokumentarfilmgenres in der Information des Publikums. Wenn die beiden Regisseure für ihren Film dennoch mehrfach ausgezeichnet wurden, so mag das daran liegen, dass sie einen anderen Trumpf der Disziplin virtuos ausspielen: Ihr Familienporträt gibt einen Einblick in eine Subkultur, die sich die Zutraulichkeiten aufgrund ihres geringen Ansehens in der Gesellschaft sonst wohl verbieten dürfte. Er dokumentiert, was sonst unsichtbar bliebe.

Eigenartig emanzipiert

Hind stösst dann doch noch etwas zu - sie wird von Polizisten aufgegriffen und auf den Posten gebracht. Die Mutter hatte sie im Streit zuvor verflucht, hatte gesagt: "Hind! Gott möge dich ins Gefängnis bringen!" Als Reda vom Schicksal ihrer Tochter erfährt, weigert sie sich, die Kaution zu bezahlen. Selbst der befreundeten Nachbarin, die neben der Matriarchin am Boden sitzt, wird Redas Härte unheimlich, sie sagt: "Sei nicht so grausam."

Der Zuschauer wird zum Zeugen dieser Szenen und zugleich auf den Richterstuhl gehievt. Da sich der Film jeglichen Kommentar verbittet, muss das Gesehene in Eigenregie bewertet werden. Und dabei an die Grenzen herkömmlicher Bewertungsmuster stossen: Gilt es jetzt, diese Mutter zu verurteilen dafür, dass sie ihre Kinder der harten Industrie aussetzt? Oder ist es vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Situation der Familie nicht vielmehr nachvollziehbar?

Und so ist die Betroffenheit über das harte Geschäft und das ludenhafte Gebaren der Mutter Reda am Ende nur ein Eindruck, der haften bleibt. Nebenbei legt der Film die Sicht frei auf eigenartig selbstbestimmte Frauen, die das Klischee der unmündigen Araberin auf den Kopf kehren: Die - wie sich zeigen wird - nur scheinbar mitleidslose Reda kann ihre Familie dank dem Tanzgeschäft allein durchbringen. Und die junge Hind hat die Kraft, sich von ihrer Mutter zu emanzipieren und bei ihrem Vater zu leben. Dort darf sie ihr selbst verdientes Geld behalten.

"At Night, They Dance" feiert morgen Donnerstag im Rahmen des Musikfilmfestivals "Norient" Schweizer Premiere. Kino in der Reitschule, 22 Uhr.

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BZ 11.1.12

"Alles, was wir erleben, tanzen wir"

Musikfilmfestival · Parodie, Tanz und Sex als Protestform - dazu zeigt das 3. Norient-Festival ab morgen Donnerstag eindrückliche Filme aus den Slums der Welt. Spielorte sind Reithalle, Progr und der Club Bonsoir.

Wenn Bussy, Hind und Amira irgendwo in Kairo auf einer Hochzeit ihre Bäuche kreisen lassen, ähneln sie jener jungen schwarzen Frau in der Provinz Jamaicas, die ihre Kinder als wild zuckende Dancehall-Queen durchbringt. Sie alle sind arm, ihre Tänze sind explizit sexuell, das macht sie attraktiv und drängt sie zugleich an den äussersten Rand der Gesellschaft. Wie überleben sie dort?

Die Freiheit zu sprechen

Im Film "At Night They Dance" (Ägypten/Kanada 2010) zeigt sich Kairos Bauchtanzindustrie als hartes Geschäft, in dem die Matriarchin via Handy regiert. Ihre Töchter, schon im Schulalter Nachtarbeiterinnen in entfesselten Männerzirkeln, müssen hohe Risiken auf sich nehmen und ihr Geld zu Hause abgeben. Trotzdem wirken sie ungleich viel freier und lebenstüchtiger als ihre schwarz verhüllten Schwestern; sie provozieren die Männer und die Mächtigen mit direkten, messerscharfen Worten. Auch die jamaikanische Dancehall-Musik schockiert oft mit "explicit lyrics". Der Film "Hit Me with Music" (Jamaika/ Spanien 2011) zoomt tief in die Ghettos der Insel hinein und lässt die Protagonisten der Szene zu Wort, zum Singen und Tanzen kommen. "Alles, was wir erleben, tanzen wir auch", erklärt ein junger Wirbelwind im Paillettenumhang. Und Yellowman, der entstellte Albinosänger, der als einer der Ersten "Slackness" (schmutzige Sprache) in die Dancehalls brachte, meint, nicht Leute wie er seien es, die obszön sprächen, sondern jene Politiker, die vom Frieden fabulierten und Jugendlichen Waffen in die Hand drückten.

Ungewohnte Ästhetik

Es sind keine verwackelten "Drittweltdokus", die am 3. Norient-Musikfilmfestival in Bern zu sehen sein werden. Kunstvoll gefilmt, oft einer hier ungewohnten Ästhetik verpflichtet, fordern sie beim Zuschauen nicht nur inhaltlich, sondern auch formal heraus und stellen Sehgewohnheiten buchstäblich auf den Kopf. So glänzen etwa "The Shukar Collective Project" (Rumänien 2010), ein Film über die Zusammenarbeit von DJs und Roma-Musikern, sowie das ghanaische Pidgin-Musical "Coz of Moni" (2010) mit modernen Collagetechniken, eigentlichem Bildsampling, das den abenteuerlichen Soundmixturen entspricht. Weitere Filme drehen sich um Hip-Hop in Marokko, Rap in Palästina, Rock 'n' Roll in Nordirland - erheiternd, verblüffend, bedrückend. Wie immer bietet das Norient-Festival auch live kleine Zückerchen. Am Freitag tritt der provokative südafrikanische Performancekünstler Gazelle im Club Bonsoir auf, am Samstag bestreiten dort DJ Edu (UK/Kenia) und der Berner Dancehall-Pionier Wildlife! eine afrikanische Clubnacht. Zum Abschluss am Sonntag rappen die Fokn Bois aus dem vorher zu sehenden Filmmusical in der Progr-Turnhalle - nicht zuletzt "coz of moni".

Tina Uhlmann 3. Norient-Musikfilmfestival: 12.- 15. 1., Reithalle Bern, Progr, Club Bonsoir. Programmübersicht auf: http://musikfilmfestival.norient.com

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BZ 11.1.12

Stadt Bern - Wahlen 2012

Bündnis kämpft für grüne Lebensqualität

Das Grüne Bündnis will den Verkehr weiter reduzieren und sich für günstige Wohnungen einsetzen. Mit prominenten Vertretern will das GB den Sitz der abtretenden Gemeinderätin Regula Rytz verteidigen.

"Zwäg" sei das Grüne Bündnis (GB), findet dessen stellvertretende Präsidentin Monika Hächler. "Wir stemmen das", sagt sie mit Bezug auf das Wahljahr und begründet so, weshalb sie zum Fototermin für den BZ-Parteien-Fitnesstest die Olympiastange auswählt. Tatsächlich betraf einer der wichtigsten Stadtberner Entscheide dieser Legislatur ein GB-Kernthema. Zwar unterlag bei der Abstimmung über die Energiewende die Initiative, welche das GB mitinitiiert hatte. Die Stimmberechtigten sagten aber Ja zum Atomausstieg bis 2039. "Hier zeigten die Berner, wie fortschrittlich sie sind", so Hächler, "und das vor Fukushima." Das grundsätzliche Ja zur Energiewende dürfe sich das GB mit auf die Fahne schreiben.

Bei der Initiative für einen autofreien Bahnhofplatz scheiterte das GB in einer RGM-Allianz. Hächler sieht das Nein nicht als Niederlage: Es sei zustandegekommen, weil die Leute in den Quartieren Angst vor Mehrverkehr hätten. Den Verkehr zu verringern sei ein Anliegen, für welches das GB seit langem kämpfe. Das Abstimmungsresultat zeige, dass in den Quartieren der Verkehr weiter reduziert werden müsse.

Für einen autofreien Bahnhofplatz brauche es wohl mehrere Anläufe, wie beim Tram Bern West. Sie hofft nun, dass es das Tram Region Bern im ersten Anlauf schafft. "Erstaunt bin ich über die Kritik aus bürgerlichen Kreisen", sagt Hächler. "In Bern ist eine Mehrheit der Bevölkerung schliesslich zu Fuss, mit dem Velo oder mit dem ÖV unterwegs." Das gehöre zur Lebensqualität Berns. Genau gleich wie erschwingliche Wohnungen. Hier sieht Hächler ein Problem: "Es muss möglich sein, dass es Vierzimmerwohnungen für unter 1700 Franken pro Monat gibt." Bereits im letzten Frühling diskutierte das GB eine Initiative für sozialen Wohnungsbau. Dafür will es RGM gewinnen. Die Lösung liegt für das GB im genossenschaftlichen Wohnungsbau, der gefördert werden müsse. Es sei wichtig, in und nah an Bern zu bauen, weil das weniger Kulturland verschleisse. "Die Leute sollen dort wohnen, wo sie arbeiten."

"Reitschule gehört zu Bern"

Mit bürgerlichen Forderungen nach mehr Sicherheit konnte das GB wenig anfangen. Das GB vertritt insbesondere die Haltung, dass Sicherheit nicht durch Videoüberwachung entsteht. Wichtig ist für das GB, dass die Stadt belebt ist mit öffentlichen Räumen, wo sich Menschen wohlfühlen. "Persönlich finde ich, dass die Stadt vergleichsweise sicher ist", sagt Hächler. Es gelte, an einzelnen Punkten die Sicherheit gezielt zu fördern, so wie dies auf der Grossen Schanze mit Erfolg geschehe.

Beim Thema Reitschule stellte sich das GB stets hinter den Betrieb. Auch dann, als Kritik aufkam, weil Rettungskräfte vor der Reitschule behindert wurden. "Wir verurteilen Gewalt in jeglicher Form. Umso wichtiger ist es, bei solchen Vorfällen genau hinzuschauen, wie Gewalt entstehen konnte und was man im Dialog zwischen Behörden und Reitschule verbessern müsste." Es sei schade, dass der Regierungsrat eine Untersuchung der durch Video dokumentierten Vorfälle in der Reitschule ablehne und sich somit gegen ein Anliegen des GB stelle. "Aber die Reitschule gehört zu Bern", sagt Hächler. Das hätten die Stimmberechtigten fünfmal bestätigt. "Die Reitschule muss viele Probleme der Stadt lösen, wofür sie niemand entschädigt." In diesem Zusammenhang fordere das GB schon lange eine zweite Anlaufstelle für Drogenabhängige. Es gehöre zum Wohlfühlfaktor Berns, dass man sich ein gewisses Kulturangebot leiste. Die Stadt könne nicht alles finanzieren. Aber für das Kulturangebot sei sie gerne bereit, zu zahlen, sagt Hächler. Bei den Finanzen ist die Stadt laut Hächler auf gutem Weg. Die künftigen Budgets werden aber zur Herausforderung, weil weniger Geld zur Verfügung steht. Das Grüne Bündnis ist der Auffassung, dass die Stadt Sparübungen nicht auf dem Buckel jener austragen darf, die es nicht verdient haben.

Skeptisch gegenüber Mitte

Eine Niederlage musste das GB mit Partnerin SP beim Systemwechsel der Kitas einstecken. Hier setzte sich ein Mitte-Rechts-Bündnis mit den Betreuungsgutscheinen durch. "Solchen Bündnissen und speziell der Mitte stehe ich skeptisch gegenüber", sagt Hächler. Die BDP etwa habe doch nichts mit Mitte zu tun. "Das ist eine SVP-Abspaltung und damit klar bürgerlich." Die Mitte-Parteien müssten erst zeigen, zu was sie bereit seien. Das gelte insbesondere für die GLP. "Die spielen noch mit ihrer Position", sagt Hächler. Weil die GFL etabliert sei, findet sie zudem, dass es in Bern gar keine GLP gebraucht hätte. Etwa, weil die frisch auftretende GLP dem 25-jährigen GB gemässigte grüne Wähler abgraben könnte? "Das GB ist nicht verstaubt", hält Hächler dagegen, "wir sind erst gut erwachsen". Eines unterscheidet das GB von den anderen Stadtparteien mit "Grün" im Namen jedenfalls: Das GB ist ausserhalb des Parlaments stark vernetzt und hat etwa Vertreter bei VCS, Pro Velo oder bei der offenen Jugendarbeit.

Monika Hächler ist stellvertretende Präsidentin. Präsidentin Natalie Imboden arbeitet momentan in Irland. Im Gemeinderat will das GB den Sitz der abtretenden Verkehrsdirektorin Regula Rytz verteidigen. Prominente Parteimitglieder haben Interesse: VCS-Präsidentin Franziska Teuscher oder der kantonale Parteipräsident und Grossrat Blaise Kropf. Im März wird nominiert. Sie gehe davon aus, dass RGM die drei Sitze halten könne und einen davon wieder das GB besetze, so Hächler. Noch hat das GB seine Wahlziele nicht festgelegt. Man wolle um einen bis zwei Sitze zulegen. Wolf Röcken

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Fitness-Barometer

Parteien im Test (Teil 8) Wir ergründen in dieser Serie, wie fit die Stadtberner Parteien ins Jahr der Gemeindewahlen steigen - heute mit dem Grünen Bündnis (GB). Wie sehen es die Parteipräsidenten? Welche Ziele stecken sie sich? Als Kontrapunkt beurteilt die Redaktion in einer Grafik den Formstand und stellt eine Prognose. Das GB ist die letzte der grossen Parteien im Fitnesstest. Es folgt eine Einschätzung der Kleinparteien.

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20 Minuten 11.1.12

20 Sekunden

Beschwerde erhoben

BERN. Die Aktion Augenauf hat eine Beschwerde bei der Oberaufsichtskommission eingereicht - weil die Kantonsregierung den umstrittenen Polizeieinsatz in der Reitschule nicht untersuchen will.

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augenauf.ch 10.1.12

Medienmitteilung von augenauf Bern vom 10. Januar 2012

augenauf Bern unterstreicht die Forderung nach einer unabhängigen Beschwerdestelle

augenauf Bern begrüsst die längst fälligen Forderungen nach einer unabhängigen Aufsichtsstelle über die Polizei. Beim skandalösen Entscheid des Regierungsrates, den umstrittenen Polizeieinsatz in der Reitschule nicht zu untersuchen, handelt es sich keineswegs um einen Einzelfall. Auch bei der Aufsichtsbeschwerde von augenauf Bern vom 12. Juli 2011 betreffend polizeiliches Handeln anlässlich der Antirepressionsdemonstration vom 4. Juni sah der Regierungsrat keinen Handlungsbedarf. In Ermangelung einer unabhängigen, auf polizeiliches Handeln fokussierten Beschwerdestelle hat augenauf Bern die Beschwerde nun an die Oberaufsichtskommission weitergeleitet.

Es hat sich in der Vergangenheit leider immer wieder gezeigt, dass es kaum wirkungsvolle Möglichkeiten gibt, um gegen unverhältnismässige oder gewalttätige Polizeieinsätze vorzugehen. Entsprechende Strafanzeigen von Betroffenen enden in der Regel mit einer Einstellung der Verfahren oder einem Freispruch der angeschuldigten PolizistInnen, da vor Gericht die Glaubwürdigkeit der Polizei systematisch höher eingeschätzt wird als jene der Betroffenen. Wir stellen immer wieder fest, dass zahlreiche Opfer von unverhältnismässigen Polizeieinsätzen aufgrund des hohen Kostenrisikos und der niedrigen Erfolgsaussichten davon absehen den juristischen Weg zu beschreiten.

Wie die jüngsten Ereignisse einmal mehr zeigen, sind auch Aufsichtsbeschwerden an die Adresse des Regierungsrates kein adäquates Mittel. Neben der Beschwerde betreffend den umstrittenen Polizeieinsatz in der Reitschule ist auch diejenige von augenauf Bern bezüglich des Polizeieinsatzes anlässlich der Antirepressionsdemonstration beim Regierungsrat abgeblitzt. In seinem Antwortschreiben übernimmt der Regierungsrat dabei weitgehend unhinterfragt die Darstellung der Kantonspolizei. Die Berichte der betroffenen Personen weichen jedoch in zahlreichen Punkten erheblich von dieser Version der Ereignisse ab. Diese Widersprüche sollten den Regierungsrat als zuständige Aufsichtsbehörde dazu veranlassen, die Vorwürfe mit einer entsprechenden Untersuchung eingehend zu prüfen. Es ist jedoch festzustellen, dass im erwähnten Antwortschreiben auf den Grossteil der von augenauf Bern formulierten Fragen und Kritikpunkte gar nicht erst eingegangen wurde. Dieser Umstand führt zum Schluss, dass Regierungsrat entgegen seiner Aufsichtspflicht offensichtlich nicht an einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Handeln der Kantonspolizei interessiert ist.

augenauf Bern erhofft sich nun, dass die Oberaufsichtskommission des Grossen Rates eine ernsthafte Untersuchung der Beschwerden erwirken wird. Die Oberaufsichtskommission fungiert jedoch lediglich als Kontrollorgan über die Geschäftsführung des Regierungsrates und ersetzt in keinerlei Weise eine unabhängige Beschwerdestelle.

Die Schaffung einer niederschwelligen und wirkungsvollen unabhängigen Aufsichtsstelle, deren Aufgabenbereich explizit die Untersuchung polizeilichen Handelns umfasst, ist unerlässlich. Schon in der Vergangenheit hat augenauf Bern wiederholt diese Forderung erhoben. Die aktuellen Ereignisse unterstreichen einmal mehr ihre Dringlichkeit.

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Bund 10.1.12

Regierungsstatthalter muss Schliessung der Reitschul-Gastronomie prüfen

Der Gemeinderat nimmt den Regierungsstatthalter in Mitverantwortung.

Rahel Bucher

Das Polizeiinspektorat stellte am 15. November 2011 beim Regierungsstatthalteramt Antrag auf Schliessung beziehungsweise auf befristete Schliessung des Gastgewerbebetriebs Reitschule sowie auf Erlass von Verwaltungszwangsmassnahmen gemäss Gastgewerbegesetz. Davon wäre auch die Bar auf dem Vorplatz betroffen. Dies geht aus der Antwort des Gemeinderats auf eine Interpellation von Stadtrat Alexander Feuz (FDP) hervor. Darin wollte er unter anderem wissen, was der Gemeinderat und die Gewerbepolizei wegen der Verstösse der Reitschule gegen die Betriebsbewilligung unternommen haben. Der Gemeinderat spricht denn in seiner Antwort von über 80 Meldungen im Zusammenhang mit Lärm sowie von mehreren Strafanzeigen wegen Verstössen gegen das Gastgewerbegesetz - dies im Zeitraum von Anfang Januar bis 21. November 2011. Neben Massnahmen wie Schreiben oder Ermahnungen an die Reitschule, Polizeieinsätzen oder Gesprächsrunden folgte laut Gemeinderat der eingangs erwähnte Antrag an den Regierungsstatthalter.

"Reitschule wird privilegiert"

Noch sei der Antrag hängig, sagt Regierungsstatthalter Christoph Lerch. Man diskutiere das weitere Vorgehen in der im Dezember 2011 ins Leben gerufenen Arbeitsgruppe bestehend aus Gemeinderat, Kantonspolizei, Polizei- und Militärdirektion sowie Statthalteramt.

Feuz wirft dem Gemeinderat in der Interpellation vor, die Reitschule gegenüber anderen "Gewerbegenossen" zu privilegieren. "Kleine Clubs wie etwa das Sous Soul müssen schliessen. Bei der Reitschule drückt der Gemeinderat immer ein Auge zu", sagt er. Der Gemeinderat wehrt sich dagegen. Mehrmals schreibt er, dass "die Reitschule wie jeder andere Gastgewerbebetrieb" behandelt werde. Dafür spreche auch das Vorgehen des Polizeiinspektorats. Auf Stufe Stadt seien die notwendigen Massnahmen eingeleitet worden. Auch gegenüber dem Regierungsstatthalter habe der Gemeinderat stets die Haltung vertreten, dass die Reitschule gleich wie jeder Gastgewerbebetrieb behandelt werden solle, sagt Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP). Damit nimmt der Gemeinderat das Regierungsstatthalteramt in die Mitverantwortung. Bei diesem liege die Entscheidungskompetenz bezüglich Verwaltungszwangsmassnahmen bis hin zu einer Schliessung. Die Gemeinde sei für den Vollzug verantwortlich. So schreibt der Gemeinderat etwa auch, dass das Polizeiinspektorat von 2009 bis 2011 bereits mehrere Anträge für Zwangsmassnahmen an das Regierungsstatthalteramt gestellt habe. Zu einer Verfügung ist es nie gekommen. Man müsse jeweils eine "verhältnismässige Massnahme" treffen, sagt Lerch dazu. So sei es neben einer Besichtigung vor Ort und einem Gespräch mit der verantwortlichen Person zu einer Ermahnung gekommen.

Aus der gemeinderätlichen Stellungnahme geht weiter hervor, dass Ende 2010 eine neue Person die Verantwortung für den Restaurationsbetrieb Reitschule übernommen hat. So wurde die Überzeit- und Betriebsbewilligung auf die neue Person übertragen. Damit seien die bis dahin vom Polizeiinspektorat gestellten Anträge nicht weiterverfolgt worden, schreibt der Gemeinderat.

Neben dem gastgewerblichen Aspekt ging es Feuz in seiner Interpellation auch darum, dass der Gemeinderat den Stadtrat im Vorfeld der Abstimmung über die Verlängerung der Leistungsverträge nicht über die Sichtweise der Kantonspolizei informiert hatte. Denn kurz vor der Abstimmung wurde klar, dass der Gemeinderat und die Kantonspolizei bezüglich Reitschule nicht am selben Strick ziehen (siehe "Bund" 16. 11. 2010). Deshalb reichte Feuz eine zweite Interpellation nach. Auch jetzt hält der Gemeinderat - im Gegensatz zur Kantonspolizei - an der guten Zusammenarbeit zwischen Kantonspolizei, Reitschule und Stadt fest.

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BZ 10.1.12

Reitschule drohen Sanktionen

STADT BERN Das Gastgewerbegesetz ist in der Reitschule zu oft verletzt worden. Nun müssen die Betreiber mit Sanktionen rechnen.

Gegen den Gastrobetrieb Reitschule sind vom 1.Januar 2011 bis am 21.November 2011 laut dem Gemeinderat der Stadt Bern über 80 Meldungen im Zusammenhang mit Lärm eingegangen. Zudem kam es im vergangenen Jahr zu einer Reihe von Strafanzeigen wegen Verstössen gegen das Gastgewerbegesetz.

Wie gestern publik wurde, hat das städtische Polizeiinspektorat im November beim Regierungsstatthalter einen Antrag auf Verwaltungszwangsmassnahmen gestellt. Dieser Antrag wird von Regierungsstatthalter Christoph Lerch geprüft. Die Zwangsmassnahmenkönnenvon kleineren Auflagen bis hin zur Schliessung der Gastgewerbebetriebe reichen. Der Gemeinderat betont, dass er die Reitschule genau gleich behandeln wolle wie jeden anderen Betrieb. In diesem Sinne sei der Antrag auf Verwaltungszwangsmassnahmen nur der "logische Vollzug des Gastgewerbegesetzes", sagt Sicherheitsdirektor Reto Nause.
Die Zwangsmassnahmen seien aber bisher lediglich beantragt und nicht verfügt worden.
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Der Reitschule drohen Zwangsmassnahmen

Stadt Bern. Hält sich die Reitschule künftig nicht ans Gastgewerbegesetz, drohen ihr Zwangsmassnahmen bis hin zur Schliessung der Gastrobetriebe. Ein entsprechender Antrag der Stadt liegt beim Regierungsstatthalter.

Seit mehreren Wochen diskutieren der Regierungsstatthalter, die Polizei und Vertreter der Stadt Bern über ein "koordiniertes Vorgehen der Behörden", um Probleme rund um die Reitschule zu lösen. Was im Detail besprochen wird, sagt niemand. "Zum jetzigen Zeitpunkt kann aus den Gesprächen der Arbeitsgruppe noch nichts kommuniziert werden", erklärte gestern der städtische Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP).

Seit gestern ist aber klar, worum es im Kern geht: Regierungsstatthalter Christoph Lerch (SP) liegt ein Antrag vor auf Schliessung oder befristete Schliessung der Gastgewerbebetriebe in der Reitschule sowie weitere Verwaltungszwangsmassnahmen.

Ermahnungen nützten nichts

Das städtische Polizeiinspektorat stellte den Antrag auf Verwaltungszwangsmassnahmen am 15. November. Dies geht aus einer Antwort des Berner Gemeinderats auf eine dringliche Interpellation von FDP-Stadtrat Alexander Feuz hervor. Das Polizeiinspektorat muss in der Stadt Bern überprüfen, ob das Gastgewerbegesetz eingehalten wird. Wird es missachtet, wird der fehlbare Betrieb ermahnt. So geschehen auch bei der Reitschule. "Fruchten die Ermahnungen nicht, stellen wir beim Regierungsstatthalter den Antrag auf Zwangsmassnahmen", erklärt der stellvertretende Polizeiinspektor Marc Heeb. Politisch ist das Polizeiinspektorat der Sicherheitsdirektion angegliedert. Für Sicherheitsdirektor Reto Nause ist der im November gestellte Antrag "der logische Vollzug des Gastgewerbegesetzes". Das Polizeiinspektorat habe gar nicht anders handeln können, nachdem in der Reitschule das Gastgewerbegesetz wiederholt missachtet worden sei und Ermahnungen keine Besserung gebracht hätten. Nause betont, dass die Zwangsmassnahmen aber bisher erst beantragt und nicht verfügt seien.

Mader verzichtete auf Zwang

Der Gemeinderat liefert in seiner Antwort eine Chronologie von mehreren Anträgen an das Statthalteramt. Ende 2008 etwa wandte sich der Gemeinderat wegen Lärmproblemen an die damalige Statthalterin Regula Mader (SP). Mader vermittelte im Auftrag der Stadt zwischen den Beteiligten, verzichtete aber auf Zwang. Im September 2009 ermahnte sie die Person, die für die Gastgewerbebetriebe der Reitschule die Bewilligung hat. Seit Ende 2010 ist die Gastrobewilligung auf eine andere Person ausgestellt. Doch es kam weiterhin regelmässig zu Reklamationen (siehe Kasten). Nach mehreren Vorfällen im Zeitraum von Februar bis März 2011 ermahnte Regierungsstatthalter Christoph Lerch die Gastrobetreiber erneut - und er kündete strengere Massnahmen an, wenn sich die Situation nicht bessern sollte. Schliesslich kam es zum Antrag des Polizeiinspektorats auf Verwaltungszwangsmassnahmen.

"Die Polizei hat Mühe"

In seiner Antwort auf den Vorstoss bestätigt der Gemeinderat weitere Probleme rund um die Sicherheit bei der Reitschule. So habe das Polizeiinspektorat nur vereinzelt selbstständig kontrollieren können - zum Schutz der eigenen Leute. Die meisten Kontrollen habe deshalb die Polizei gemacht. Zudem sei bekannt, dass selbst die Polizei zuweilen Mühe habe bei Einsätzen rund um die Reitschule.

Warum es trotz der Anträge bis heute zu keiner Schliessung der Gastrobetriebe der Reitschule gekommen sei, könne der Gemeinderat nicht beantworten. Dies sei Sache des Statthalters. Dieser müsse entscheiden, die Stadt habe dies umzusetzen.

Generell wollte FDP-Stadtrat Feuz im Vorstoss wissen, ob der Gemeinderat die Reitschule privilegiere. Dies sei klar nicht der Fall, steht in der Antwort: Die Reitschule werde wie jeder andere Gastrobetrieb behandelt. Dies zeige das Handeln des Polizeiinspektorats. Wolf Röcken, mm

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Vorfälle und Anzeigen

Gegen den Gastrobetrieb Reitschule sind vom 1. Januar bis 21. November 2011 laut dem Gemeinderat über 80 Meldungen im Zusammenhang mit Lärm eingegangen. Zudem kam es im Jahr 2011 zu einer Reihe von Strafanzeigen bei der Staatsanwaltschaft wegen Verstössen gegen das Gastgewerbegesetz.

Etwa wegen Nichtschliessen des Gastgewerbebetriebs zur Schliessungszeit; Missachten der Pflicht für Ruhe und Ordnung; Missachten von Auflagen der Betriebsbewilligung durch Zulassen von Konsumation im Freien nach der ordentlichen Terrassenschliessung; Abspielen von Musik im Freien; Gastwirtschaftsbetrieb in einem Raum, für den keine Bewilligung vorliegt, oder wegen Nachtruhestörung. Auch aus den Vorjahren listet der Gemeinderat diverse Vorfälle auf. Ende 2008 etwa habe die Polizei aufgrund diverser Vorfälle einen Situationsbericht erstellt. Dieser zeigt, dass es von Mai bis Mitte August 2008 zu 39 Polizeieinsätzen bei der Reitschule wegen Lärmklagen kam und zu 72 übrigen Einsätzen. Bei 7 Einsätzen in diesem Zeitraum musste sich die Polizei zurückziehen, weil sie mit Flaschen und Steinen angegriffen wurde. Zu wie vielen Verfahren es wegen der Verstösse gekommen sei und wie diese geendet hätten, kann der Gemeinderat nicht abschliessend beantworten. Dem Polizeiinspektorat sei aber bekannt, dass je einmal eine Busse von 1000, 700 und 600 Franken verhängt worden sei.wrs

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Verwaltungszwang

Was möglich ist

Im kantonalen Gastgewerbegesetz ist festgehalten, was unter Verwaltungszwangsmassnahmen zu verstehen ist. Demnach kann das Polizeiinspektorat Folgendes verfügen:

Auflagen wie Schliessen von Fenstern oder das Beschränken der Verstärkerleistung;

Verbieten oder Einschränken des Alkoholausschanks;

Verbot von Unterhaltungsveranstaltungen;

Vorverlegen der Schliessungsstunde;

Beschränken des Angebots;

Besuch von Fachkursen;

Bereitstellen eines Ordnungsdienstes;

Einschränken oder Aufheben frei wählbarer Verlängerungen.wrs

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BZ Kommentar

Massnahmen sind nötig

Wolf Röcken Leiter Ressort Stadt Bern

Statthalter Christoph Lerch bleibt nichts anderes übrig, als Massnahmen gegen die Gastrobetriebe der Reitschule zu verhängen. Dutzendfach verstossen diese gegen die Betriebsbewilligung und gegen Lärmvorschriften. Bei einem Restaurationsbetrieb irgendwo in der Innenstadt würde dies mit ziemlicher Sicherheit zu Einschränkungen der Bewilligung führen - im äussersten Fall gar zur Schliessung.

Die Anträge für Massnahmen bei der Reitschule liegen seit einigen Jahren vor. Doch passiert ist bisher wenig bis nichts. Es kam wiederholt zu Verhandlungen. Und kurz darauf wieder zu neuen Verstössen. Die Massnahmen gegen die Betriebe jedoch gingen bisher nicht über Ermahnungen hinaus.

Die Reitschule ist anders, und sie darf laut dem Willen der Stimmbürger auch anders sein. Wie sie sich selber organisiert, soll Sache der Betreiber sein. Aber es ist zwingend und einfach selbstverständlich, dass sich die Gastrobetriebe der Reitschule an allgemein gültige Regeln halten.

Demnächst verhandeln Reitschule und Stadt erneut über den Leistungsvertrag. Die Reitschüler erklärten, Bedingungen stellen zu wollen. Gut, fällt der Entscheid über Zwangsmassnahmen im Gastrobereich vorher. Es braucht hier Klarheit, damit ernsthaft über Leistungen der Stadt im Kulturbereich gesprochen werden kann.

Mail: wolf.roecken@bernerzeitung.ch

Diskussion: blog.bernerzeitung.ch/ leserblog

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Stadtratssitzung 12.1.12
12.     Dringliche Interpellation Fraktion FDP (Alexander Feuz, FDP): Unzulässige Privilegierung der Reithalle durch den Gemeinderat? Wieso unterschlägt der Gemeinderat dem Stadtrat wichtige Angaben betreffend Reithalle? (SUE: Nause)     11.000355
http://www.bern.ch/stadtrat/sitzungen/termine/2011/11.000355/gdbDownload
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BZ 10.1.12

SVP stösst ins Leere

Stadtrat · In einer Dringlichen Motion fordert die Fraktion SVP plus, die Reitschule-Betreiberin Ikur müsse analog zu anderen Veranstaltern der Stadt Bern auf ihrem Vorplatz ein Mehrweggeschirrkonzept einführen. In seiner Antwort schreibt der Gemeinderat, die Reitschule sei bezüglich Mehrweggeschirr "ein Pionierbetrieb". Da ein Mietverhältnis zwischen Stadt und Verein bestehe, könne beim Aussenbereich der Reithalle nicht von "öffentlichem Grund" gesprochen werden. Die Regierung wäre bereit, den Vorstoss als Postulat entgegenzunehmen. Die Motion empfiehlt sie zur Ablehnung. pd

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Stadtratssitzung 12.1.12
9.     Dringliche Motion Fraktion SVPplus (Roland Jakob, SVP): Mehrweggeschirr statt Flaschenwurf und Müllberge! Auch die IKUR-Reitschule braucht ein Mehrweggeschirr- und Abfallkonzept! (TVS: Rytz)     11.000329
http://www.bern.ch/stadtrat/sitzungen/termine/2011/11.000329/gdbDownload
 
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20 Minuten 10.1.12

Reitschule steht am Pranger

BERN. Über 80 Lärmreklamationen gingen gegen die Restaurationsbetriebe der Berner Reitschule im letzten Jahr ein. Im gleichen Zeitraum wurden gegen sie allein wegen Verstössen gegen das Gastgewerbegesetz acht Anzeigen erhoben. Diese Zahlen hat die Stadt auf Anfrage der FDP jetzt offengelegt. Weil immer wieder Polizisten, Fahrzeuge und Passanten mit Bierflaschen beworfen werden, forderte die SVP, dass auf dem Reitschul-Vorplatz nur noch Mehrwegbecher erlaubt werden. Der Gemeinderat befürchtet aber, dass die Besucher ihre Ess- und Trinkwaren dann selber mitbringen.

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BZ 10.1.12

Opfer beschweren sich beim Polizei-Kommandanten

Flaschenwürfe · Nach den Flaschenwürfen aus der Reitschule kritisieren die betroffenen Autofahrer das Vorgehen der Polizei als "unzumutbar". Beim Einsatz flogen auch Flaschen gegen Polizisten.

Am Neujahrstag flogen volle Bierflaschen von der Reitschule und trafen mindestens vier vorbeifahrende Autos auf der Neubrückstrasse (wir berichteten). An allen Autos entstand ein Sachschaden von je 2000 Franken. Zwei der vier geschädigten Autofahrer haben Anzeige erstattet. Jetzt beschweren sich vier betroffenen Automobilisten * in einem gemeinsamen Brief an Polizeikommandant Stefan Blättler über die Polizeiarbeit. "Unmittelbar nach den Flaschenwürfen haben wir die Polizei alarmiert. Die einzige Aktion der Polizei, die wir beobachten konnten, war, dass vier Beamte das Haus von aussen anschauten und sich dann wieder zurückzogen. Die Täter standen nach den Vandalenakten immer noch vor der Reitschule oder verschwanden darin, als die Polizei kam. Sie waren wieder vor dem Gebäude sichtbar, nachdem die Polizei das Gelände verlassen hatte."

Von der Polizei enttäuscht

Die vier Autofahrer kritisieren im Brief weiter: "Vom Vorgehen der Berner Polizei sind wir zutiefst enttäuscht." Denn: "Es kam kein Beamter zu den Geschädigten und nahm sich des Problems an. Es wurden keine Aussagen aufgenommen, keine Fotos gemacht und kein Rapport erstellt." In ihrem Brief halten sie weiter fest: "Eine halbe Stunde später wurde uns in einem erneuten Anruf auf die Polizeizentrale angeraten, nicht weiter zu warten. Die Informationspolitik der Polizei war mehr als suboptimal. Auf telefonische Anfrage bei der Polizei wurde mitgeteilt, dass für den Vorfall kein Sachbearbeiter zuständig sei." Abschliessend steht im Brief: "Wir finden das passive Vorgehen der Berner Polizei unzumutbar, weil sich niemand der Geschädigten annahm. Es ist nicht tragbar, dass in der Schweiz ein Ort von solch repetitiver Gewalt und Vandalismus existiert."

Auch Flaschen gegen Polizei

Kantonspolizeisprecher Michael Fichter sagte gestern zu den Vorwürfen: "Wir können nur wiederholen, was wir bereits letzte Woche gesagt haben: dass es uns leidtut, sollten sich die betroffenen Personen nicht gut betreut gefühlt haben." Die Polizei bitte die Personen denn auch, mit ihr Kontakt aufzunehmen. Und zu den weiteren Vorwürfen der Automobilisten nimmt Fichter wie folgt Stellung: "Die Patrouille musste bei diesem Einsatz Prioritäten setzen und Sofortmassnahmen für die Sicherheit aller Beteiligten vornehmen." Grund: "Als die Polizisten bei der Reitschule anrückten, wurden auch sie mit Flaschen beworfen." Nach Fichters Angaben wurde jedoch kein Polizist verletzt. Die Polizei bat die betroffenen Autofahrer zunächst zu warten, um der Situation vor der Reitschule Herr werden zu können, so Fichter. Im ersten Moment habe man die Anzeigen nicht aufnehmen können, da es darum gegangen sei, mögliche Täter zu eruieren und auch die Strasse wieder freigeben zu können. "Als die Polizisten vor Ort die Autolenker suchten, trafen sie diese nicht mehr an." Grund dafür sei offenbar ein Missverständnis gewesen.
Jürg Spori
*Namen der Redaktion bekannt

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kulturstattbern.derbund.ch 9.1.12

Kulturbeutel 2/12

Von Benedikt Sartorius am Montag, den 9. Januar 2012, um 06:02 Uhr

Herr Sartorius empfiehlt:
Einen Besuch am Norient Musikfilmfestival im Kino in der Reitschule - und beispielsweise den Film "Paradiso" über einen nordirischen Tanzball ansehen. Ergänzt wird das Filmprogramm mit Clubnächten im Bonsoir und als Abschluss ein Konzert der ghanaischen Hip-Hop-Boys Fokn Bois in der Turnhalle. Und dann gilt es am Samstag den Schweizer Noiseberg zu besteigen: Der Abend "SONIC MOUNTAINS (Swiss Noise & Sound Culture)" bringt in der Dampfzentrale die Speerspitze - Norbert Möslang und Sudden Infant - der Schweizer Noise-Kultur zusammen.

Pauli empfiehlt:
die Disco-Break-Show mit dem Schweizer-Trio Casque am Donnerstag im Rössli zu Bern. "Für alle die einen am Helm haben. Die andern sollen zuerst die Töffliprüfung machen", so die Veranstalter.

(...)

Fischer empfiehlt:
Auch das Norient, zum Beispiel mit einem Film über das Shukar Collective, das alte und neue rumänische Musik zusammenbringen sollte und nicht wirklich kollektiv funktioniert. Und daneben (ganz wortwörtlich) "passing you", eine Theater-Installation über das Älterwerden, die man sich ganz intim in der guten - ins Tojo gebauten - Stube anschauen kann. Von Mittwoch bis Sonntag.

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kulturstattbern.derbund.ch 9.1.12

Zaffaraya 3.0

Von Gisela Feuz am Montag, den 9. Januar 2012, um 12:15 Uhr

Wahrscheinlich kennen Sie Kate, eine der porträtierten Personen in Andreas Bergers Zaffaraya 3.0. Oder sonst zumindest ihren Freund Güggu. Die beiden sind nämlich oft in der Stadt Bern anzutreffen, fallen durch ihre farbenfrohe und nicht immer ganz sauberen Kleider auf, geben im Tram selbstkomponierte Lieder in Mani Matter-Manier zum Besten oder bieten schaulustigem Publikum Feuershows.

Güggu und Kate haben eine andere Form gewählt, wie sie ihr Leben leben wollen, als dies der normale Durchschnittsbürger tut. Zusammen mit den anderen Stadtnomaden haben die beiden im Verlauf von vier Jahren mit ihren Wohnwagen an die fünfzig Plätze besetzt, bis dank Verhandlungen mit der Stadt eine Art legalisierte Lebensform entstehen konnte.

In seinem Film Zaffaraya 3.0 zeigt der Berner Filmemacher Andreas Berger, wie die alternative Wohnform in den Jugend-Unruhen der Achtzigerjahre und der Forderung nach eigenen, autonomen Kulturräumen wurzelt. Anhand von sechs Porträts dokumentiert er die Entwicklung und die unterschiedliche Auffassungen, welche von (z.T. ehemaligen) Bewohnern von alternativen Siedlungen vertreten werden.

So gehen im heutigen Zaffaraya, quasi der Mutter der alternativen Berner Wohnform, viele einer (mehr oder weniger) geregelten Arbeit nach, gefeiert wird weit weniger wild als in den Anfängen und für die Kinder lässt man an Weihnachten den Samichlaus kommen. Die Stadtnomaden bieten dem Publikum lieber etwas, als einfach nur zu schnorren, braten zur Feier des Tages auch mal ein ganzes Schwein und finden Gewalt überflüssig, während Polizistensohn Ruben als Vertreter der Stadttauben klare Ansichten über Alkohol ("möglichst viel"), Veganismus ("der einzig wahre Weg") und Revolution ("die muss im Kopf beginnen") vertritt.

Zaffaraya 3.0 ist nicht nur ein interessantes Sozial-Porträt, sondern auch eine äusserst unterhaltsame Dokumentation. Ohne Position zu beziehen zeigt der Film, wie da bürokratische und freigeistliche Welten aufeinanderprallen und das ist streckenweise schlichtweg umwerfend komisch.

Zaffaraya 3.0 wird noch kommendes Wochenende von Freitag bis Sonntag in der Cinématte in Bern gezeigt.